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Der o.g. Artikel, die Zwischenaus- wertung der Projektstudie „Qua- litätssicherung Karotischirurgie“ der DGG ist nicht nur sehr informativ, sondern zeigt auch einige überra- schende Ergebnisse. Als in einem kleinen Haus tätiger Gefäßchirurg scheint mir wichtig hervorzuheben, daß für die sog. Kleinen Zentren (kleiner als 50 Operationen pro Jahr) gleiche Letalitäts- und Morbiditäts- raten gefunden wurden. Leider fehlen statistische Anga- ben (sprich Signifikanztest) völlig, so daß einige vom Autor gezogene Schlüsse zumindest gewagt erschei- nen. Gerade unter dem Aspekt des kleinen Hauses erscheint es doch wesentlich festzuhalten, ob der Un- terschied in der perioperativen Mor- bidität (neurologisches Defizit) zwi- schen Kliniken, die eine intraopera- tive Kontrolle vornehmen, gegen- über solchen ohne Kontrolle, tat- sächlich signifikant ist. In der Tabelle 6 werden mit intraoperativer Kontrolle 3,6% neurologisches Defi- zit angegeben (49 Fälle von 1358 operierten) gegenüber einem rechne- rischen Rest von 289 Fällen bei 6174 Operationen ohne intraoperative Kontrolle, was einem Prozentsatz von 4,7 entspricht. Für eine Klarstel- lung wäre ich dankbar. U. Krause Allgemein-, Unfall- und Gefäßchirurgie, Chirurgische Klinik, Städtisches Krankenhaus, Paracelsusstraße 1–9 D-38259 Salzgitter Kommentar des Autors Ziel der o.g. Arbeit war eine Bestandsaufnahme der Karotischir- urgie in 141 Zentren unter dem Ge- sichtspunkt der gesetzlich geforder- ten Qualitätssicherung darzustellen. Es handelt sich somit nicht um eine Studie, sondern um eine möglichst objektive Darstellung der prä-, intra- und postoperativen Daten von einem heterogenen Krankengut. Eine statistische Aufarbeitung dieser Daten mit dem Versuch, signi- fikante Unterschiede zwischen zwei Gruppen festzustellen, birgt die Ge- fahr einer Fehlinterpretation der Er- gebnisse. Die daraus resultierenden Schlußfolgerungen hätten keinen wissenschaftlichen Wert und könnten außerdem untragbare, gesundheits- politische und forensische Konse- quenzen zur Folge haben. Ein Bei- spiel dieser Fehlinterpretation liefert der Leserbrief von Herrn Kollege Krause. Zu 1.) „Letalitäts- und Morbiditätsra- ten in Zentren mit großem und klei- nem Operationsaufkommen im Caro- tisgebiet sind gleich . . .“ Eine solche Aussage ist zumindest gewagt, da die Komplikationsrate der an Qualitätssicherungsaktivitäten nicht teilnehmenden Kliniken, wo nur sporadisch Karotischirurgie betrieben wird, nicht bekannt ist. Außerdem darf nicht vergessen werden, daß Aus- bildung überwiegend in Kliniken mit entsprechend großem Operationsauf- kommen betrieben wird. Zu 2.) Wertigkeit der intraoperativen Kontrolle. Herr Kollege Krause hat offen- sichtlich übersehen, daß das neurolo- gische Defizit der angiograpisch kon- trollierten Rekonstruktionen 4,6% be- trägt, und daß Chirurgen, die sonst in- traoperativ routinemäßig nicht kon- trollieren, bei schwierigen Rekon- struktionen doch auf intraoperative Kontrollmaßnahmen zurückgreifen. Gefässchirurgie (1998) 3: 128 © Springer-Verlag 1998 BRIEFE AN DIE HERAUSGEBER UND DISKUSSION Projekt „Qualitätssicherung Karotischirurgie“ der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie – Zwischenauswertung nach 7534 Rekonstruktionen Gefässchirurgie (1997) 187–195 Bei einigen Patienten wurde eine an- giographische Kontrolle während und nach Durchführung einer intraoperati- ven Zusatzmaßnahme (z.B. Lyse, Di- latation, Stent) durchgeführt. Das hohe neurologische Defizit dieser Gruppe (11,7%) erklärt auch die über- raschenden Ergebnisse des Pilotpro- jekts „Karotis“, bei dem die kontrol- lierten Rekonstruktionen mit einer höheren neurologischen Morbidität belastet waren [1]. Zusammenfassend muß festgestellt werden, daß wegen der Heterogenität der gesammelten Daten die Gefahr ei- ner Fehldeutung äußerst groß ist, vor allem wenn ein Vergleich ohne Risi- koadjustierung erfolgt. Wie in der Ar- beit betont, müssen das Risikoprofil des Patienten, aber auch die Struktur und die Versorgungsstufe des behan- delnden Zentrums berücksichtigt wer- den. Obwohl die Versuchung, diesen großen Datensatz statistisch zu bear- beiten, groß ist, dürfen auf keinen Fall „Äpfel mit Birnen“ verglichen wer- den. Voreilige Schlüsse können dem Chirurgen nur schaden. Auch im Hin- blick auf mögliche forensische Konse- quenzen müssen die bei dieser Erhe- bungsaktion gewonnenen Daten um- sichtig behandelt werden. Literatur 1. Von Sommoggy S (1996) Qualitäts- sicherung mit dem Tracereingriff „Karotis-TEA“. Pilotprojekt der DGG. Gefässchirurgie 1: 161 G. Torsello Klinik für Gefäßchirurgie, Phlebologie, St. Franziskus-Hospital GmbH, Postfach 5923, D-48136 Münster

Projekt „Qualitätssicherung Karotischirurgie“ der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie – Zwischenauswertung nach 7534 Rekonstruktionen

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Page 1: Projekt „Qualitätssicherung Karotischirurgie“ der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie – Zwischenauswertung nach 7534 Rekonstruktionen

Der o.g. Artikel, die Zwischenaus-wertung der Projektstudie „Qua-litätssicherung Karotischirurgie“ derDGG ist nicht nur sehr informativ,sondern zeigt auch einige überra-schende Ergebnisse. Als in einemkleinen Haus tätiger Gefäßchirurgscheint mir wichtig hervorzuheben,daß für die sog. Kleinen Zentren(kleiner als 50 Operationen pro Jahr)gleiche Letalitäts- und Morbiditäts-raten gefunden wurden.

Leider fehlen statistische Anga-ben (sprich Signifikanztest) völlig,so daß einige vom Autor gezogeneSchlüsse zumindest gewagt erschei-nen. Gerade unter dem Aspekt deskleinen Hauses erscheint es dochwesentlich festzuhalten, ob der Un-terschied in der perioperativen Mor-bidität (neurologisches Defizit) zwi-schen Kliniken, die eine intraopera-tive Kontrolle vornehmen, gegen-über solchen ohne Kontrolle, tat-sächlich signifikant ist. In der Tabelle 6 werden mit intraoperativerKontrolle 3,6% neurologisches Defi-zit angegeben (49 Fälle von 1358operierten) gegenüber einem rechne-rischen Rest von 289 Fällen bei 6174Operationen ohne intraoperativeKontrolle, was einem Prozentsatzvon 4,7 entspricht. Für eine Klarstel-lung wäre ich dankbar.

U. KrauseAllgemein-, Unfall- und Gefäßchirurgie,Chirurgische Klinik, Städtisches Krankenhaus, Paracelsusstraße 1–9D-38259 Salzgitter

Kommentar des Autors

Ziel der o.g. Arbeit war eineBestandsaufnahme der Karotischir-urgie in 141 Zentren unter dem Ge-sichtspunkt der gesetzlich geforder-ten Qualitätssicherung darzustellen.Es handelt sich somit nicht um eineStudie, sondern um eine möglichstobjektive Darstellung der prä-, intra-und postoperativen Daten von einemheterogenen Krankengut.

Eine statistische Aufarbeitungdieser Daten mit dem Versuch, signi-fikante Unterschiede zwischen zweiGruppen festzustellen, birgt die Ge-fahr einer Fehlinterpretation der Er-gebnisse. Die daraus resultierendenSchlußfolgerungen hätten keinenwissenschaftlichen Wert und könntenaußerdem untragbare, gesundheits-politische und forensische Konse-quenzen zur Folge haben. Ein Bei-spiel dieser Fehlinterpretation liefertder Leserbrief von Herrn KollegeKrause.

Zu 1.) „Letalitäts- und Morbiditätsra-ten in Zentren mit großem und klei-nem Operationsaufkommen im Caro-tisgebiet sind gleich . . .“

Eine solche Aussage ist zumindestgewagt, da die Komplikationsrate deran Qualitätssicherungsaktivitätennicht teilnehmenden Kliniken, wo nursporadisch Karotischirurgie betriebenwird, nicht bekannt ist. Außerdemdarf nicht vergessen werden, daß Aus-bildung überwiegend in Kliniken mitentsprechend großem Operationsauf-kommen betrieben wird.

Zu 2.) Wertigkeit der intraoperativenKontrolle.

Herr Kollege Krause hat offen-sichtlich übersehen, daß das neurolo-gische Defizit der angiograpisch kon-trollierten Rekonstruktionen 4,6% be-trägt, und daß Chirurgen, die sonst in-traoperativ routinemäßig nicht kon-trollieren, bei schwierigen Rekon-struktionen doch auf intraoperativeKontrollmaßnahmen zurückgreifen.

Gefässchirurgie (1998) 3:128© Springer-Verlag 1998 BRIEFE AN DIE HERAUSGEBER UND DISKUSSION

Projekt „QualitätssicherungKarotischirurgie“ der Deutschen Gesellschaftfür Gefäßchirurgie – Zwischenauswertung nach7534 RekonstruktionenGefässchirurgie (1997) 187–195

Bei einigen Patienten wurde eine an-giographische Kontrolle während undnach Durchführung einer intraoperati-ven Zusatzmaßnahme (z.B. Lyse, Di-latation, Stent) durchgeführt. Dashohe neurologische Defizit dieserGruppe (11,7%) erklärt auch die über-raschenden Ergebnisse des Pilotpro-jekts „Karotis“, bei dem die kontrol-lierten Rekonstruktionen mit einerhöheren neurologischen Morbiditätbelastet waren [1].

Zusammenfassend muß festgestelltwerden, daß wegen der Heterogenitätder gesammelten Daten die Gefahr ei-ner Fehldeutung äußerst groß ist, vor allem wenn ein Vergleich ohne Risi-koadjustierung erfolgt. Wie in der Ar-beit betont, müssen das Risikoprofildes Patienten, aber auch die Strukturund die Versorgungsstufe des behan-delnden Zentrums berücksichtigt wer-den.

Obwohl die Versuchung, diesengroßen Datensatz statistisch zu bear-beiten, groß ist, dürfen auf keinen Fall„Äpfel mit Birnen“ verglichen wer-den. Voreilige Schlüsse können demChirurgen nur schaden. Auch im Hin-blick auf mögliche forensische Konse-quenzen müssen die bei dieser Erhe-bungsaktion gewonnenen Daten um-sichtig behandelt werden.

Literatur

1. Von Sommoggy S (1996) Qualitäts-sicherung mit dem Tracereingriff „Karotis-TEA“. Pilotprojekt der DGG.Gefässchirurgie 1:161

G. TorselloKlinik für Gefäßchirurgie, Phlebologie, St. Franziskus-Hospital GmbH, Postfach 5923, D-48136 Münster