Upload
others
View
1
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
»Aktive europäische Zivilgesellschaft« in Deutschland
Die Europäische
Union fördert Projekte
zivilgesellschaftlicher
Organisationen
_PRINT_U1-4.indd 3_PRINT_U1-4.indd 3 13.02.2011 17:18:5713.02.2011 17:18:57
Mit der Unterstützung der Europäischen Union aus dem Programm
»Europa für Bürgerinnen und Bürger« sowie des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aufgrund eines Beschlusses
des Deutschen Bundestages.
Die Europäische Kommission und die Exekutivagentur Bildung,
Audiovisuelles und Kultur übernehmen keine Verantwortung für die
Inhalte dieser Publikation.
Die Verantwortung liegt bei den Autor/innen.
Projektleitung und Redaktion:
Christine Wingert-Beckmann
Autor/innen aller nicht namentlich
gekennzeichneten Texte:
Monika Lühn, Mirko Schwärzel
und Christine Wingert-Beckmann
unter Mitarbeit von Julia Gabel,
Jakub Kopinski und Negar Pourrezaie
Herausgeber:
Kontaktstelle Deutschland »Europa für
Bürgerinnen und Bürger« bei der Kultur-
politischen Gesellschaft e. V. (KS EfBB)
in Kooperation mit dem Bundesnetzwerk
Bürgerschaftliches Engagement (BBE)
© 2010, alle Rechte vorbehalten
Gestaltung und Layout:
Karin Dienst
Schutzgebühr: 2,50 Euro
_PRINT_U3-4.indd 2_PRINT_U3-4.indd 2 13.02.2011 17:15:1713.02.2011 17:15:17
3
Inhalt
05 Grußwort
Generaldirektor Claus Haugaard Sørensen
7 Grußwort
Ministerin Dr. Kristina Schröder
09 Europa erleben, verstehen, diskutieren und gestalten
Christine Wingert-Beckmann
13 Zivilgesellschaft und Staat
Bernd Wagner
16 Europäische Zivilgesellschaft als Partner
der Europa-Politik
Jo Leinen
36 Kreisauer Modell
Internationale Konferenz für Menschen
mit Behinderungen 2007/2008
39 Der Egeria-Weg
Frauenpilgerweg für ein gemeinsames Europa 2008
42 European Global Education Days
Veranstaltungsreihe zu Globalem Lernen 2008
45 Gesundheit – höchstes Gut?
Multilaterale Tagung 2008
19 Eine europäische Zivilgesellschaft braucht
Öffentlichkeit
Mirko Schwärzel
23 Auf der Suche nach dem europäischen
Demokratiemodell
Die Aufgaben der politischen Bildung
Eckart D. Stratenschulte
27 Interkultureller Dialog als europäisches Politikfeld
Sabine B. Frank
31 Die EU fördert transnationale Zusammenarbeit
Monika Lühn
48 RADAR – Rural Areas Defence Against Racism
Multilaterale Konferenz 2008/2009
51 Europakompetenz für Migranten
Seminarreihe 2008/2009
54 Vote Europe!
Internetplattform zur Europawahl 2009
57 Kreativ in Europa
Kreativworkshops für Jugendliche 2009
Europäische Projekte
im Kaleidoskop
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 3EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 3 13.02.2011 17:12:4613.02.2011 17:12:46
4
60 Meilensteine der Demokratie –
Europäische Erinnerungen
Weimarer Sommerkurse 2009
63 Kreatives Europa – Dynamisches Europa
European Youth Parliament, Helsinki 2009
66 Demokratie in Bewegung – democracy in motion
Dokumentation einer Reise 2009
69 The Voice of Europe
Trainingsseminare für Jugendliche 2009
72 Peace Project Europe – civil society dimensions
Veranstaltungsreihe zur Friedensarbeit in Europa
2009/2010
75 Adventure Sphere Europe – Erlebsnisraum Europa
Lehrbuch zur europapolitischen Bildung 2009/2010
78 Europäische Straßenpartnerschaft
Deutsch-italienisches Begegnungs projekt 2010
81 Reiseassistenz für Menschen mit Behinderung
Ausbildung zu ehrenamtlichen Reise begleitern 2010
84 www.european-online-learning.eu
Interaktive Internetplattform zu Europa 2010
87 PUC – Participation in Urban Climate-Protection
Publikation zu Bürgerbeteiligung im Klimaschutz 2010
90 OpenForum – Volunteering 2011
Seminarreihe zum Europäischen Themenjahr 2011
92 Dein Engagement – Gesellschaft aktiv mitgestalten
Seminar für Jugendliche 2011
94 Geförderte Projekte aus Deutschland
von 2007 bis 2010 – Überblick
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 4EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 4 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
5
wollen besser zuhören, um die Ansichten
und Anliegen der Öffentlichkeit zu ver-
stehen, wir wollen besser erklären, wie
die Politik der Europäischen Union sich
auf den Alltag der Europäer/innen aus-
wirkt, und wir wollen die Bürger/innen
auf lokaler Ebene einbeziehen.
Eine Devise ist: Wir wollen »Europa
den Bürgerinnen und Bürgern näherbrin-
gen«. Die große Herausforderung besteht
darin, komplexe Sachverhalte anschau-
lich darzustellen – nehmen wir zum Bei-
spiel den Stabilitätspakt. Um Menschen
jeden Alters zu erreichen, müssen wir
ganz unterschiedliche, auch innovative
Vermittlungsformen und Medien nutzen
und neue Formate entwickeln. Dazu brau-
chen wir Fachkräfte der Europabildung
und Menschen vor Ort, die sowohl in
schulischen als auch außerschulischen
Kontexten Europa vermitteln können.
Sie können von den Bedürfnissen und In-
teressen des Einzelnen im alltäglichen
Leben ausgehend (zum Beispiel eine gu-
te Ausbildung zu erhalten, einen Job zu
fi nden oder gute Lebensmittel kaufen zu
Eine Brücke zwischen
den Bürgerinnen und Bürgern
der Europäischen Union
Wie wichtig es ist, eine Brücke zwischen
den Bürger/innen und der Europäischen
Union zu schlagen, haben uns – insbe-
son dere im Zuge des Scheiterns der EU-
Verfassung und der Erarbeitung eines
neuen EU-Vertrages – die vergange nen
Jahre gezeigt. Die Europäische Union hat
eine ganze Reihe von Aufgaben über-
nommen, die sich in vielfältiger Weise auf
das Leben der Bürger/innen auswirken.
Die Kommunikation der EU mit den Bür-
ger/innen muss mit dieser Entwicklung
Schritt halten, dafür setzen wir uns ein.
Nun gibt es unterschiedliche Beiträ-
ge zum Bau dieser Brücke: Verbesserung
der Rechte und Partizipationsmöglich-
keiten der Bürger/innen, fi nanzielle Un-
terstützung ihrer Aktivitäten und Kommu-
nikation. Für unseren Beitrag dazu haben
wir als Generaldirektion Kommunikation
uns drei Grundsätzen verschrieben: Wir
können) die Vielfalt Europas greifbar ma-
chen. Sie können Interesse wecken und
Aneignungsprozesse initiieren.
Nun ist dies nur die eine Seite der
Medaille. Den Bürger/innen etwas »brin-
gen« zu wollen, ist nur bedingt erfolg-
reich. Die andere Seite ist deren Mitge-
staltung der Gesellschaft, die auf unter-
schiedlichen Ebenen geschieht: Die eine
Ebene ist die Teilhabe von Bürger/innen
an politischen Entscheidungsprozessen
(durch diverse Instrumente der Bürger-
beteiligung, durch Wahl- und Mitbestim-
mungsrechte), die andere ist das Engage-
ment des Einzelnen für gesellschaftliche
Herausforderungen im lokalen Bereich,
wie soziales Engagement, Umweltschutz-
aktivitäten, kulturelle Betätigung oder
Ehrenamt im Sport. Auf dieser zweiten
Ebene sind bereits heute viele Menschen
in die gesellschaftliche Gestaltung ein-
bezogen und dazu häufi g in Bereichen,
die von europäischer Relevanz sind.
Die europäische Bedeutung dieser
Aktivitäten stärker ins Bewusstsein zu he-
ben, sowohl bei den Engagierten selbst
GRUSSWORT VON GENERALDIREKTOR CLAUS HAUGAARD SØRENSEN
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 5EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 5 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
6
Claus Haugaard Sørensen
Generaldirektor der General-
direktion Kommunikation der
Europäischen Kommission
als auch bei der Öffentlichkeit, ist uns
ein wichtiges Anliegen. Dafür brauchen
wir Multiplikatoren, allein schaffen wir
das nicht. Ein wichtiger Baustein ist das
»Europäische Jahr der Freiwilligentätig-
keit zur Förderung der aktiven Bürger-
schaft 2011«. Daneben wollen wir po-
litische Gestaltungsspielräume aufzei-
gen, zur Beteiligung von Bürger/innen
an unseren öffentlichen Konsultatio-
nen motivieren und den Austausch zwi-
schen Politiker/innen und Bürger/in-
nen fördern. Es reicht nicht, wenn Poli-
tiker/innen nur unter sich bleiben.
Als ein hilfreiches Werkzeug für den
Brückenbau ist seit Anfang 2010 das
Programm »Europa für Bürgerinnen und
Bürger« in die Verantwortung der Ge-
neraldirektion Kommunikation überge-
gangen. Es fördert Austausch, Vermitt-
lungsarbeit und Partizipation in Europa
– dafür liefert die vorliegende Publika-
tion anschauliche Beweise.
– Ohne Bürger geht in Europa nichts!
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 6EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 6 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
7
Rahmenbedingungen für Engagement in
Deutschland zu verbessern, innovative
Ansätze zu unterstützen und Impulse für
eine wirksame Engagementpolitik auf
Bundes-, Länder- und kommunaler Ebe-
ne zu geben.
Ein wichtiges Element der Engage-
mentförderung ist die Anerkennung von
freiwilligen und ehrenamtlichen Leistun-
gen. Mit Auszeichnungen wie dem Deut-
schen Engagementpreis oder bundes-
weiten Veranstaltungen wie der alljähr-
li chen Woche des Bürgerschaftlichen
En gage ments, die seit 2004 vom Bundes -
netzwerk Bürgerschaftliches Engagement
organisiert wird, möchte das Bundes-
familienministerium die Aufmerksamkeit
der Öffentlichkeit und der Medien auf
die Vielfalt des bürgerschaftlichen Enga-
gements in Deutschland lenken.
Auch auf europäischer Ebene ist
bürgerschaftliches Engagement ein zen-
trales Thema. Das zeigt sich einmal mehr
mit dem Europäischen Jahr der Freiwil-
ligentätigkeit 2011. Neben einer Reihe
von Veranstaltungen, die in Deutschland
Bürgerschaftliches Engagement hat in
Deutschland viele Gesichter: 23 Millio-
nen Bürgerinnen und Bürger engagieren
sich in Vereinen, Verbänden oder Initia-
tiven, in kirchlichen, karitativen, sozia-
len oder kulturellen Organisationen, in
Umwelt- oder Bildungseinrichtungen, in
Schulen, Kindergärten oder Feuerweh-
ren und nicht zuletzt im Sport für das Ge-
meinwesen. »Ihr Enga gement verändert
das Leben der Engagierten selbst, es ver-
ändert das Leben ihrer Mitmenschen,
und schließlich verändert es auch unser
Land, das durch jede menschliche Zu-
wendung gestärkt und durch jede neue
Idee zur Lösung einer gesellschaftlichen
Herausforderung vorangebracht wird«,
heißt es in der Nationalen Engagement-
strategie der Bundesregierung, die am
6. Oktober 2010 verabschiedet wurde.
Mit dieser Nationalen Engage-
mentstrategie möchte die Bundesregie-
rung den Grundstein für eine zwischen
Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft
abgestimmte Engagementförderung in
Deutschland legen. Unser Ziel ist es, die
stattfi nden, werden wir uns dafür einset-
zen, dass dieses Jahr der Auftakt ist für
einen regelmäßigen Dialog der Mitglied-
staaten zu diesem Thema. Denn der in-
ternationale Austausch über Rahmen-
bedingungen und innovative Praktiken in
diesem Bereich ermöglicht einen gegen-
seitigen Lernprozess, von dem wir alle
profi tieren werden.
Das EU-Programm »Europa für Bür-
gerinnen und Bürger« bietet ein gutes In-
strumentarium, die europäischen Bezie-
hungen der Akteure in Deutschland zu
fördern. Ich freue mich, dass sich mit der
Kontaktstelle Deutschland »Europa für
Bürgerinnen und Bürger« und dem Bun-
desnetzwerk Bürgerschaftliches Engage-
ment zwei Partner gefunden haben, die
mit der Unterstützung meines Hauses
und der Europäischen Union in gemein-
samen Veranstaltungen und Publikatio-
nen die europäischen Förderungen bür-
gerschaftlichen Engagements in und für
Europa vermitteln. Mit der vorliegenden
Publikation geben sie Anstöße zur Aus-
einandersetzung mit grundlegenden Fra-
GRUSSWORT VON MINISTERIN DR. KRISTINA SCHRÖDER
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 7EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 7 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
8
gen der Partizipation und des Engage-
ments in Europa. Zugleich machen sie
dieses Engagement mit seinen vielfäl-
tigen Themen und zahlreichen Beteilig-
ten sichtbar.
Dr. Kristina Schröder
Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 8EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 8 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
9
EUROPA ERLEBEN, VERSTEHEN, DISKUTIEREN UND GESTALTEN
Von Christine Wingert-Beckmann
Die europäischen Institutionen besinnen
sich zunehmend auf die zivilgesell-
schaftlichen Akteure in Europa. Sie gel-
te es zu interessieren, involvieren, mo-
bilisieren und aktivieren, damit das Pro-
jekt »Europa« gelingen könne. Im Laufe
der zähen Verhandlungen um einen
neuen EU-Vertrag, die 2010 den Vertrag
von Lissabon hervorbrachten, verstän-
digten sich die Mitgliedstaaten und die
Institutionen der EU darauf, dass die
Bürgerinnen und Bürger in Europa bes-
ser informiert und stärker am europäi-
schen Integrationsprozess beteiligt wer-
den müssten, um das Interesse an der
EU und die Akzeptanz europäischer Po-
litik zu erhöhen. Der Lissabon-Vertrag
enthält nun partizipative Elemente, die
für die einzelnen Bürger/innen und die
organisierte Zivilgesellschaft Möglich-
keiten bieten, direkt an europäischen
Prozessen mitzuwirken.
Ziel der EU-Institutionen ist es
nicht nur, jeden einzelnen Bürger, jede
Bürgerin, ob jung oder alt, von den Vor-
teilen der Europäischen Union zu über-
zeugen. Vielmehr geht es darum, Behör-
den, Einrichtungen und Organisationen
auf lokaler, regionaler und nationaler
Ebene zu motivieren, im Rahmen ihrer
Aktivitäten europäische Themen zu be-
handeln sowie transnationales und in-
terkulturelles Handeln zu erproben.
Denn sie sind die Mittler zum Bürger;
sie sollen Interesse wecken, Kompeten-
zen vermitteln, aber vor allem Möglich-
keiten zur Partizipation an gesellschaft-
lichen Prozessen in Europa aufzeigen.
Förderprogramme der EU wie »Jugend
in Aktion«, »Lebenslanges Lernen« und
»Europa für Bürgerinnen und Bürger«
stellen wichtige Instrumente für die Er-
probung, Einübung und den Ausbau von
Partizipation in Europa dar.
Das EU-Programm »Europa für Bür-
gerinnen und Bürger« (2007–2013) hat
vor diesem Hintergrund an Bedeutung
gewonnen. In vielen Mitgliedstaaten
wurden in den Jahren 2008 und 2009
natio nale Kontaktstellen eingerichtet,
die Informationen über das Programm
verbreiten und potentielle Antragstel-
ler beraten, um eine Qualifi zierung der
Anträ ge zu erreichen. Mit ihrer Informa-
tionsarbeit tragen sie darüber hinaus
auf nationaler Ebene zur Diskussion
über die Stärkung der aktiven europä-
ischen Bürgerschaft bei. Das Bürger-
schaftsprogramm ist zwar fi nanziell we-
sentlich geringer ausgestat tet als zum
Beispiel das Jugendprogramm oder die
Bildungsprogramme – das Budget für
die siebenjährige Laufzeit beträgt gera-
de einmal 215 Millionen Euro für 27 Mit-
gliedstaaten –, aber da es für jegliche
zivilgesellschaftliche Organisations-
form sowie für Kommunen geeignet ist,
stellt es für den Bereich der Förderung
von Partizipation und Engagement ei-
ne gute Ergänzung zu den anderen Pro-
grammen dar.
Eine inhaltlich-programmatische
Schwierigkeit des Förderprogramms be-
steht darin, dass es sich dem Thema der
aktiven Bürgerschaft von zwei Seiten
nähert: Europa und die EU einerseits,
gesellschaftliche Teilhabe und Engage-
ment andererseits. Ziel ist es, sowohl
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 9EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 9 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
10
alle Bürger/innen zur Teilhabe an ge-
sellschaftlichen Prozessen zu motivie-
ren und zu befähigen, als auch, sie in
politische Entscheidungen auf europäi-
scher Ebene einzubeziehen. Die Konzen-
tration auf die Frage nach einer Identität
Euro pas oder einer europäischen Identi-
tät der Bürger/innen ist in diesem Kon-
text eher unproduktiv. Sie kann normativ
missverstanden werden und damit Ab-
und Ausgrenzung erzeugen. Fruchtbarer
ist es, Identifi kation gleichsam als Aus-
gangspunkt und Ziel von Projektaktivitä-
ten zu defi nieren: Mit welchen Akteuren,
Themen oder Handlungsräumen iden-
tifi zieren sich die Beteiligten? Wie kann
man diese erweitern und Interesse we-
cken? Dies ist der praktische Ansatz, den
viele Projektträger wählen.
Eine konzeptionelle Klammer bieten
die vier Begriffspaare »Europa erleben«,
»Europa verstehen«, »Europa diskutie-
ren« und »Europa gestalten«. Sie lassen
sich als Prozess denken, der während
der transnationalen Projekte ablaufen
kann beziehungsweise zu dem diese Pro-
jekte beitragen. Am Ende dieses Prozes-
ses stünde das Ziel, die Menschen an der
Gestaltung Europas teilhaben zu lassen.
Dies ist allerdings eine recht schema-
tische Herangehensweise; die Realität
sieht etwas anders aus. Bleiben wir den-
noch zunächst bei diesem Schema:
»Europa erleben« – Dieser Aspekt
betont den Erfahrungswert transnationa-
ler Begegnung. Menschen, die in andere
europäische Länder reisen, treffen ande re
»Europäer/innen«, lernen kulturelle, so-
ziale, wirtschaftliche und poli tische Ge-
meinsamkeiten und Differenzen kennen.
Auch Gäste aus dem Ausland zu empfan-
gen, kann schon wichtige Erfah rungen
in dieser Hinsicht bieten und Neugier am
anderen Land, dessen Sprache(n) und
Kultur(en) wecken. Wer in Europa reist,
erfährt zudem die innere Grenzenlosig-
keit der EU und möglicherweise die Rela-
tivität ihrer äußeren Grenzen. Tatsäch-
lich ist die Mobilität der Einzelnen eine
hervorragende Möglichkeit, die Bereit-
schaft zur Auseinandersetzung mit dem
anderen, mit Unbekanntem zu schaffen
und so zum Austausch von Erfahrungen
und Wissen beizutragen.
»Europa verstehen« – Betrachten
wir den Bildungsaspekt des Programms:
Es möchte zum Fragen motivieren und
das Verstehen ermöglichen. Warum ist
die EU so, wie sie heute ist? Aus welchen
historischen Prozessen ist sie entstan-
den, auf welchen Werten gründet sie?
Dies sind Fragen nach Krieg und Frieden,
nach Wirtschaftskraft und Macht, aber
auch nach der Abgrenzung zwischen EU,
Europa und Nicht-Europa. Wer gehört da-
zu, wer nicht, warum nicht? Welche Ver-
einbarungen (im weitesten Sinne) gibt es
zwischen den EU-Mitgliedstaaten, welche
gemeinsamen Politiken, in welchen Be-
reichen gibt es nur Abstimmungen und
warum? Welche Institutionen wurden ein-
gerichtet, was tun sie, wie arbeiten sie
zusammen?
»Europa diskutieren« – Ein wichti-
ges Stichwort im Rahmen dieses Pro-
gramms ist »Debatte«. Erst der interna-
tionale Aus tausch mit anderen über die
genannten und weitere Fragen, über die
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 10EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 10 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
11
Auswirkun gen der EU-Politiken auf ihren
Alltag – sei es im Bereich Soziales, Be-
schäftigung, Umwelt, Landwirtschaft, Au-
ßenbeziehungen, Jugend, Bildung oder
Kultur – kann zur Entwicklung neuer
Sichtweisen und Lösungsansätze führen.
Denn auch das soll dieses Programm leis-
ten: Auf lokaler Ebene im transnationa-
len Austausch mit Anderen Lösungen für
die großen gesellschaftlichen Herausfor-
derungen erarbeiten, wie die aktuelle
Finanzkrise, den Klimawandel oder die
Energieversorgung der Zukunft. So über-
nehmen die Bürgerinnen und Bürger Ver-
antwortung für »ihr« Europa, eigentlich
natürlich für globale Entwicklungsfragen.
»Europa gestalten« kann nur, wer
etwas über Europa, die EU und die Ent-
scheidungsprozesse weiß und wer Euro-
pa überhaupt eine Bedeutung im eige-
nen Leben beimisst. Teilhabe wird im
Rahmen des Programms ganz groß ge-
schrieben. Schon die aktive Einbindung
aller Beteiligten, insbesondere auch
von Menschen mit besonderen Bedürf-
nissen, mit Behinderungen oder anderen
Zugangsschwierigkeiten, wird honoriert.
Über diese individuelle Ebene hinaus
geht es um die Beteiligung an europäi-
schen Entscheidungsprozessen: Welche
Möglichkeiten der Partizipation und der
Gestaltung gibt es? Wie kann man sie
verbessern, wie kann man das Wissen
darum verbessern?
Begegnungen, Debatten, politische
Empfehlungen: Nun liegt es auf der
Hand, dass nicht alle Etappen in diesem
modellhaften Prozess vom Erleben zum
Gestalten in jedem EU-geförderten Pro-
jekt eine Rolle spielen. Je nach Adres sa-
tenkreis und je nach Projektträger sind
die Schwerpunkte verschieden und kön-
nen mehrere Aspekte umfassen. Der Be-
reich der Projektförderung des Pro-
gramms »Europa für Bürgerinnen und
Bürger« ist daher differenziert. Gefördert
werden unter anderem:
Bürgerbegegnungen im Rahmen von
Städtepartnerschaften (Aktion 1,
Maßnahme 1.1): Hier geht es in der
Regel neben dem Erlebnis der Begeg-
nung auch um das Verstehen und Dis-
kutieren europäischer Themen;
Vernetzungen von Partnerstädten, an
denen mindestens vier Kommunen
aus unterschiedlichen Ländern betei-
ligt sind (Aktion 1, Maßnahme 1.2):
In einer Reihe von Konferenzen wer-
den kommunalpolitische Themen
von europäischer Relevanz erörtert;
neben Erfahrungsaustausch und De-
batten geht es hier um die Erar bei-
tung neuer Lösungen, also um Gestal-
tungsprozesse auf lokaler und regio-
naler Ebene in Bezug auf europäische
Themen;
Veranstaltungen oder Publikationen
von Vereinen, Verbänden und ande-
ren zivilgesellschaftlichen Organisa-
tionen (Aktion 2, Maßnahme 3): Kon-
ferenzen, Workshops, Publikationen
oder Lehrmaterialien tragen wesent-
lich zum Verstehen und Diskutieren
bei, schaffen aber auch Plattformen
für Partizipation (nähere Informatio-
nen siehe Seite 31);
Bürgerprojekte wie Bürgercafés,
Bürgerpanels oder Bürgergremien: in
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 11EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 11 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
12
großangelegten Konferenzen, Befra-
gungen und/oder Online-Konsultatio-
nen beteiligen sich Menschen aus
mindestens fünf verschiedenen Län-
dern an Debatten über europäische
Politiken; neben der Diskussion
geht es in diesen Projekten um die
Meinungsbildung: Die Ergebnisse der
Projekte werden den EU-Institutionen
in Form von Empfehlungen übermit-
telt, die in künftige Entscheidungs-
prozesse einfl ießen sollen.
Voneinander lernen und neue Lösungen
erarbeiten sind wesentliche Ergebnisse
europäischer Kooperationsprojekte. Sie
erzeugen unter anderem den so genann-
ten »Europäischen Mehrwert«. Der zu-
sätzliche Nutzen aus einem europäischen
Kooperationsprojekt sollte für die Betei-
ligten darin bestehen, dass ihre europä-
ischen Partner zusätzliche Fragestellun-
gen einbringen oder eine Fragestellung
um zusätzliche Themen erweitern. Durch
das Zusammenwirken der Partner mit
ihren jeweiligen Erfahrungen und unter-
schiedlichem Know-how sollten Ergebnis-
se erzielt werden, die eine Organisation
alleine nicht hätte erarbeiten können.
Die Frage nach dem »Europäischen
Mehrwert« lässt sich auch aus der Per-
spektive der EU als Förderinstanz stel-
len: Warum soll das vorgeschlagene Pro-
jekt mit EU-Mitteln gefördert werden?
Werden Europa, die EU, ihre Geschichte,
ihre Werte, die verschiedenen Kulturen,
die Institutionen, die Politik, die Errun-
genschaften der EU thematisiert? Werden
die Idee und die Realität der europäi-
schen Bürgerschaft nachvollziehbar ge-
macht und gestärkt? Was wird durch die-
ses Kooperationsprojekt erreicht, was
auf nationaler Ebene nicht zu erreichen
wäre? Für Projekte, die ausschließlich
auf lokaler oder nationaler Ebene ohne
die Beteiligung von internationalen Part-
nern wirksam werden, ist die EU nicht
der richtige Ansprechpartner in Sachen
Kofi nanzierung.
Mit dieser Broschüre möchte die
Kontaktstelle Deutschland »Europa für
Bürgerinnen und Bürger« in Kooperation
mit dem Bundesnetzwerk Bürgerschaft-
liches Engagement den Status Quo zivil-
gesellschaftlicher Beteiligung an euro-
päischen Prozessen umreißen und im
Rah men des EU-Programms exemplarisch
veranschaulichen. Wir konzentrieren uns
auf Projekte, die von zivilgesellschaftli-
chen Akteuren in Deutschland in den
Jahren 2007 bis 2010 initiiert und mit
einem Zuschuss der EU aus dem Pro-
gramm »Europa für Bürgerinnen und Bür-
ger« (Aktion 2, Maßnahme 3) durchge-
führt wurden. Die Berichte aus der Praxis
beschreiben die Akteure, ihre Themen
und Methoden. Und sie vermitteln an-
schaulich die Freude der Beteiligten am
gemeinsamen Tun, an neuen Erkenntnis-
sen und ihre Leidenschaft für ihr gemein-
sames Thema.
Christine Wingert-Beckmann
Leiterin der Kontaktstelle
Deutschland »Europa für
Bürgerinnen und Bürger« bei
der Kulturpolitischen Gesell-
schaft e. V., Bonn
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 12EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 12 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
13
ZIVILGESELLSCHAFT UND STAAT
Von Bernd Wagner
Der seit den neunziger Jahren in der all-
gemeinen gesellschaftspolitischen und
sozialwissenschaftlichen Diskussion
verbreitete Begriff »Zivilgesellschaft« –
wahlweise auch »Bürgergesellschaft«
– ist unklar und vage. Er sagt sich leicht
dahin, aber was damit gemeint ist, kann
sehr verschieden sein.
Auf der allgemeinen Ebene bezeich-
net »Gesellschaft« – und hier gibt es
einen Unterschied, ob von »Zivilgesell-
schaft«, »Bürgergesellschaft« oder auch
nur allgemein von »Gesellschaft« die
Rede ist – alles, was nicht »Staat« ist.
Dem liegt der »alte« Dualismus von Staat
und Gesellschaft zugrunde, der sich mit
der Entstehung der neuzeitlichen euro-
päischen Gesellschaften und moderner
Staatlichkeit seit dem 16. Jahrhundert
zur Erfassung der veränderten politisch-
sozialen Wirklichkeit herausgebildet
hatte. In Deutschland erhielt er durch
Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–
1831) seine erste, umfassende theore ti-
sche Ausprägung. Mit der beginnen den
Neuzeit trat an die Stelle der bisherigen,
herrschaftlich-politisch durchformten
und ständisch geschichteten Gemein-
wesen einerseits die neu artige Herr-
schaft sorganisation »Staat« und ande-
rerseits, als Kehrseite dieses Vorgangs,
die von Herrschaftsfunktionen entklei-
dete »Gesellschaft«.
Die über Jahrhunderte zur Analyse
der politischen und sozialen Wirklichkeit
gebräuchliche polare Gegenüberstellung
von Staat und Gesellschaft mit einer
zunehmenden »Verstaatung der Gesell-
schaft« entsprach ab dem 19. Jahrhun-
dert allmählich immer weniger der vor-
handenen Realität. Der Übergang zu
einer demokratischen Staatsform mit
Parteien, Gewaltenteilung und organi-
sier ten Interessengruppen im politi-
schen Raum sowie die Ausdehnung der
Vereine, Verbände und Assoziationen,
die über den gesellschaftlichen Raum
hinaus auch in den politischen hinein
wirkten, führten zu einer stärkeren ge-
genseitigen Durchdringung von »Staat«
und »Gesellschaft« mit einer schritt-
weisen »Vergesellschaftung des Staa-
tes« als Kehrseite der »Verstaatung der
Gesellschaft«.
Der ursprüngliche Gegensatz sowie
die schrittweise Verzahnung von Staat
und Gesellschaft schlagen sich auch in
den theoretisch-philosophischen Kon-
zepten der »Zivilgesellschaft« nieder,
die Bezugspunkte für die heutigen Dis-
kussionen über deren Gehalt und Funk-
tionen sind. Dabei spricht der kanadi-
sche Sozialphilosoph Charles Taylor
bildlich von einem »Locke-« und einen
»Montesquieu-Strang«. Bei John Locke
(1632–1704) meint »civil society«, ent-
sprechend der neuzeitlichen Entzweiung
von Staat und Gesellschaft, die unab-
hängige gesellschaftliche Sphäre als
Ent faltungsraum des Individuums und
als Gegenüber zum Staat. Dieser un-
oder vorpolitische Raum ist bezogen auf
den Staat durch seine negative Freiheits-
funktion, den Schutz vor staatlichen
Ein- und Übergriffen, bestimmt. Von hier
aus zieht sich eine Traditionslinie bis zu
gegen wärtigen Positionen der prioritären
Verteidigung der Freiheit des Individu-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 13EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 13 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
14
ums und des Marktes gegenüber staatli-
cher Bevormundung.
Bei Montesquieu (1689–1755) wird
ein halbes Jahrhundert später der Schutz-
raum »état civil« zu einem Vermittlungs-
raum. Die schroffe Gegenüberstellung
wird aufgehoben. In das System der staat-
lichen Gewaltenteilung werden nun auch
gesellschaftliche Netzwerke von Institu-
ti o nen und Organisationen, die »corps
intermédiaries«, eingebunden, die so-
wohl Teil der politischen als auch der ge-
sellschaftlichen Strukturen sind und als
Verbindungsglieder zwischen diesen fun-
gieren. Hieran knüpft Alexis de Tocque-
ville (1805–1859) an, für den die zivilen
Asso ziationen, Vereinigungen und Orga-
nisationsstrukturen, wie er sie in den Ver-
einigten Staaten von Amerika vorfand,
Orte der lokalen Selbstregierung und
Selbstorganisation sind – und als solche
Teil demokratischer Politik. Von Montes -
quieu und Tocqueville zieht sich ein
Strang zur aktuellen Diskussion über Zi-
vil- und Bürgergesellschaft, beispielswei-
se zu den Ansätzen der Kommunitaristen.
In der politischen Theorie in Deutsch-
land im 19. Jahrhundert blieb trotz des
sich hier rasch ausbreitenden Vereins-
und Verbändewesens die Dichotomie
von »Staat« und »Gesellschaft« weiter-
hin das beherrschende Theorem der Er-
klärung der politisch-sozialen Wirklich-
keit. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts
änderte sich dies in den staats- und
gesellschaftstheoretischen Ansätzen
sowohl unter dem Einfl uss der anglo ame-
ri kanischen und anderen westeuropäi-
schen Diskussionen als auch der realen
politisch-sozialen Entwicklungen.
Das Begriffspaar »Staat« und »Ge-
sellschaft« – letztere jetzt häufi g als »Zi-
vil-« und »Bürgergesellschaft« bezeich-
net – trat besonders im Zusammenhang
mit den neuen sozialen Bewegungen seit
den 1980er und 1990er Jahren wieder
verstärkt auf, wobei die gesellschafts-
theoretischen Bezüge und die normati-
ven Grundlagen von »Zivilgesellschaft«
sowie der damit bezeichnete Gegen-
stand hier oft verschieden sind.
So wurde beispielsweise »Zivilge-
sellschaft« als Bezugspunkt und Hand-
lungsorientierung politischer Praxis eng
verknüpft mit dem Kampf gegen die tota-
litären Staatsapparate in Ost- und Mittel-
europa, wo sie als Gegenbegriff zu den
Staats- und Parteidiktaturen diente, so
wie »Zivilgesellschaft« für das entste-
hende Bürgertum im 17. und 18. Jahr-
hundert ein Kampfbegriff gegen den ab-
solutistischen Staat war. Eine weitere
einfl uss reiche Ausformung in den ge-
genwärtigen Verständnissen von »Zivil-
gesellschaft« bildet die jüngere Kritische
Theorie, vor allem Jürgen Habermas’
Theorie des kommunikativen Handelns.
Für ihn stellt »Öffentlichkeit« gemein-
sam mit »Zivil gesellschaft« die Scharnier-
stelle zwischen der Sphäre der Politik
und der Sphäre der Lebenswelt dar, wo-
bei Zivilgesellschaft »sich aus jenen
mehr oder weniger spontan entstande-
nen Vereinigungen, Organisationen und
Bewegungen zusammen(setzt), welche
die Resonanz, die die gesellschaftlichen
Problemlagen in den privaten Lebens-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 14EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 14 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
15
bereichen fi nden, aufnehmen, konden-
sieren und laut verstärkend in die politi-
sche Öffentlichkeit weiterleiten« (Jürgen
Habermas: Faktizität und Geltung. Ffm
1994, S. 443).
Neben diesen und anderen theore-
tisch-philosophischen Konzepten, wird
das gegenwärtige Verständnis von »Zivil-«
und »Bürgergesellschaft« in Deutschland
ebenso stark von parteipolitischen Posi-
tionen mitbestimmt, die selbst wiederum
sehr unterschiedlichen Denk tra ditionen
verpfl ichtet sind, wie dem christlichen
Subsidiaritätsprinzip, den Solidaritäts-
und Gerechtigkeitsvorstellungen der
Arbeiterbewegung, dem Wirtschaftslibe-
ralismus oder der Selbsthilfebewegung.
In Konzepten wie dem »aktivierenden
Staat«, des »Umbaus des Wohlfahrts-
staates zur Wohlfahrtsgesellschaft«
(Warnfried Dettling), einer zu fördernden
Bürgergesellschaft mit starken interme-
diären Organisationen, einem neuaus-
zutarierenden Wohlfahrtsmix oder dem
wirtschaftsliberalen Marktmodell sind
diese Positionen in den letzten einein-
halb Jahrzehnten besonders im Zusam-
menhang mit den Diskussionen über die
Zukunft des Sozialstaates in Deutsch-
land weiterentwickelt worden.
Die gegenwärtigen politischen,
gesellschaftstheoretischen und philo-
sophischen Konzeptionen von Zivilge-
sellschaft basieren dabei in der Regel
auf normativen Zielvorstellungen und
beschreiben zugleich einen Teilbereich
unseres politisch-sozialen Lebenszu-
sammenhanges. Während die normati-
ven Orientierungen vielfach sehr unter-
schiedlich, zum Teil auch widersprüchlich
sind, was für die Einschätzung der Funk-
tion und Stärke der Zivilgesellschaft im
politisch-gesellschaftlichen Gefüge der
Bundesrepublik von erheblicher Be-
deutung ist, hat sich bei ihrer analytisch-
deskriptiven Dimension in den letzten
Jahren und Jahrzehnten eine relative
Übereinstimmung herausgebildet.
Zwar sind auf einer allgemeinen
Ebene all diejenigen Mitglieder der Zivil-
gesellschaft, die nicht Staat sind, bezo-
gen auf Zusammenschlüsse sind dies al-
so die Non-Governmental-Organisations
(NGOs, Nichtregierungsorganisa tionen).
Dazu gehören dann auch die Unter neh-
men und andere privatwirtschaftliche
Organisationen, die beispielsweise auf
großen internationalen Konferenzen zu
den stärksten NGOs zählen. In einem
eingeschränkten (und in den deutschen
Diskussionen verbreiteten) Verständnis
meint allerdings Zivil- oder Bürgergesell-
schaft nicht nur »Nicht-Staat«, sondern
auch »Nicht-Markt«, also NGOs wie NPOs
(Non-Profi t-Organisationen). Privatwirt-
schaftliche Akteure und Aktivi täten zäh-
len danach nicht zur »Zivilgesellschaft«.
Diesem Verständnis entspricht die ver-
breitete, auch in der kulturpolitischen
Diskussion gebräuchliche Unterscheidung
in die drei großen Sektoren oder Felder
»Staat«, »Markt« und »Gesellschaft«.
Dr. Bernd Wagner
Leiter des Instituts für Kultur-
politik der Kulturpolitischen
Gesellschaft e. V., Bonn
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 15EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 15 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
16
EUROPÄISCHE ZIVILGESELLSCHAFT ALS PARTNER DER EUROPA-POLITIK
Die Europäische Union hat im Vertrag
von Lissabon bekräftigt, wie wichtig der
umfassende Dialog mit Vertretern der
Zivilgesellschaft für die Politikgestaltung
ist. Laut Artikel 11 wird den Bürgerinnen
und Bürgern das Recht gegeben, »ihre
Ansichten in allen Bereichen des Han-
delns der Union öffentlich bekannt zu
geben und auszutauschen«. Somit wird
es interessierten EU-Bürgern ermöglicht,
in Konsultationsprozessen ihre Meinung
zu äußern und sich aktiv an der Gesetz-
gebung zu beteiligen. Dadurch soll die
demokratische Legitimität der EU-Re gu-
lierung gestärkt und zugleich eine fun-
dierte Folgenabschätzung ermöglicht
werden. Nur so können die unter schied-
lichen sozialen und wirtschaftlichen
Gegebenheiten in den 27 Mitglied staa-
ten schon von Beginn an berücksichtigt
werden.
So wichtig die Zusammenarbeit
mit den europäischen Bürgerinnen und
Bürgern für die EU-Institutionen ist, so
schwierig gestaltet sich aber ihre Durch-
führung. Seitens der EU gibt es keine ein-
heitliche Defi nition für »europäische Zi-
vilgesellschaft« und daher variieren die
Formen der Konsultation nicht nur zwi-
schen den EU-Organen, sondern auch
innerhalb derselben. Als Ansprechpart-
ner bietet sich ihnen ein breites Spekt-
rum von Nichtregierungsorganisationen
(NRO) an, die sich in ihrer Struktur, den
Themenbereichen und der Größe der
zu vertretenden Interessengruppen un-
terscheiden. Daher weichen die Einfl uss-
möglichkeiten eines lokalen Interessen-
verbandes von denen eines europäischen
›NRO-Multis‹ wie Greenpeace oder Am-
nesty International ab. Große NROs ha-
ben meist die entsprechenden Kapazi-
täten, um eine Gesetzesinitiative von
Anfang bis Ende im Interesse ihrer Mit-
glieder zu beeinfl ussen oder den Insti-
tutionen wissenschaftliche Studien zur
Verfügung zu stellen. Im Gegensatz da-
zu können einzelne Bürger sowie kleine
Interessengruppen, die nicht in Brüssel
vertreten sind, zwar ihre Ansichten auf
Internetseiten einstellen, aber nicht bei
den nachfolgenden Anhörungen bekräf-
tigen oder durch informelle Kontakte Ent-
scheidungsprozesse beeinfl ussen.
Den zivilgesellschaftlichen Reprä-
sentanten kommen im Gesetzgebungs-
prozess drei wichtige Aufgaben zu:
Agen da-Setting, Politikberatung und
Rückmel dung über die Auswirkungen
der EU-Gesetzgebung an die jeweilige
Basis. Zunächst kann die Europäische
Kommis sion durch das Europäische Bür-
gerbegehren, das ebenfalls im Vertrag
von Lissabon vorgesehen ist, aufgefor-
dert werden, einen Gesetzesvorschlag
im Interesse der Bürger zu formulieren,
sofern eine Million Personen aus einer
vorgegebenen Mindestzahl von Mitglied-
staaten zustimmen. So können neue
Themen und Problematiken auf die poli-
tische Tagesordnung gesetzt werden,
die der Zivilgesellschaft besonders wich-
tig sind und bisher noch nicht berück-
sichtigt wurden. Bevor das erste Bürger-
begehren umgesetzt wird, muss aller-
dings die detaillierte Vorgehensweise
dieser Form der direkten Demokratie
noch geregelt werden. Der europäische
Von Jo Leinen
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 16EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 16 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
17
Gesetzgeber wird hier sicherstellen müs-
sen, dass die Bürger initiative so gestal-
tet wird, dass sie für die Bürgerinnen und
Bürger ohne übermäßige Hürden genutzt
werden kann und nicht nur zu einem Lip-
penbekenntnis verkommt.
Während der Ausarbeitung eigener
Gesetzesvorlagen führt die Europäische
Kommission regelmäßige Konsultationen
durch und sucht den politischen Dialog
mit Vertretern der Zivilgesellschaft. So
enthalten die Grünbücher konzeptionelle
Vorschläge für ein gemeinschaftliches
Vorgehen in einem bestimmten Politik-
bereich und sollen interessierte Organi-
sationen oder Einzelpersonen auffor-
dern, sich mit den enthaltenen Ideen aus-
einander zu setzen. Stellt sich in der
angestoßenen Diskussion heraus, dass
eine Regelung auf EU-Ebene erwünscht
ist, werden die ausgearbeiteten Vorschlä-
ge in einem Weißbuch veröffentlicht.
Gemäß der Prinzipien der Subsidiarität
und Verhältnismäßigkeit kann somit
überprüft werden, ob die neu entstehen-
den Probleme am besten von der EU be-
handelt werden sollen oder in den Mit-
gliedstaaten. Eine derartige Einbindung
der interessierten Öffentlichkeit erhöht
die Transparenz der europäischen Politik-
gestaltung.
Die Konsultation engagierter Bür-
ger seitens der Europäischen Kommis-
sion erfolgt zudem über beratende Aus-
schüsse, Expertengruppen, Ad-hoc-
Konsultationen oder per Internet. Des
Weiteren zieht die Europäische Kommis-
sion im Rahmen des Gesetzgebungs-
prozesses auch den Europäischen Wirt-
schafts- und Sozialausschuss (der sich
aus Vertretern von wirtschaftlichen, so-
zialen und kulturellen Organisationen der
Mitgliedstaaten zusammensetzt) sowie
den Ausschuss der Regionen (in dem Ver-
treter lokaler und regionaler Behörden
sitzen) zur Beratung hinzu. Außerdem er-
halten das Europäische Parlament sowie
der Ministerrat die Stellungnahmen der
beiden Ausschüsse, weil sich seit dem
Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon
die Politikbereiche erweitert haben, in
denen sie zur Anhörung verpfl ichtet sind.
Sobald eine Gesetzesvorlage dem
Europäischen Parlament vorliegt, bieten
sich verschiedene Möglichkeiten des
Dialogs mit der Zivilgesellschaft. Zum
einen pfl egen die Abgeordneten infor-
melle, aber sehr regelmäßige Kontakte
zu interessierten Bürgern, NROs oder
NRO-Netzwerken. Zum anderen werden
Anhörungen mit Experten zu konkreten
Fragestellungen in den einzelnen Parla-
mentsausschüssen organisiert. Zusätz-
lich wurde die »Agora« geschaffen, um
wichtige europapolitische Themen mit
den Organisationen der Zivilgesellschaft
zu diskutieren. Schon im antiken Grie-
chenland war die »Agora« ein großer Ver-
sammlungsplatz, an dem öffentliche De-
batten geführt wurden. Somit wird das
Parlament dem Anspruch gerecht, als
»Stimme« der europäischen Zivilgesell-
schaft deren Interessen zu vertreten. Die
ersten beiden Agoras fanden im Novem-
ber 2007 zur »Zukunft Europas« im Zu-
sammenhang mit dem Reformvertrag und
im Juni 2008 zur »EU-Klimapolitik« mit
jeweils über 400 Teilnehmern statt. Die
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 17EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 17 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
18
Vertreter der verschiedenen Organisatio-
nen diskutierten die Herausforderungen
sowie Chancen dieser Politikbereiche
und machten Vorschläge für konkrete Ak-
tionen.
Da der »zivile Dialog« auf europä-
ischer Ebene noch nicht institutionali-
siert ist, kann die Agora einen bedeu-
tenden Beitrag zu mehr Bürgernähe und
einer besseren Einbeziehung der Zivil-
gesellschaft in den Gesetzgebungspro-
zess leisten. Nicht nur den Institutionen,
sondern auch den NROs kommt dabei
eine entscheidende Aufgabe zu. Die
NROs können als wichtige Schnittstelle
fungieren und so schon früh neue The-
men oder Problematiken im Bewusstsein
von Politikern und Öffentlichkeit veran-
kern.
Für die Zukunft der EU-Politik ist es
maßgeblich, dass die Zivilgesellschaft
weiterhin aktiv und verstärkt an der Ge-
setzgebung beteiligt wird. Von Seiten
der EU müssen die Formen der Konsul-
tation intensiviert und erweitert wer-
den. Die Informationen, die NROs oder
Think Tanks den EU-Institutionen in Form
von Studien, Analysen und Diskussions-
papieren zur Verfügung stellen, ist un er-
setz lich. Diese Expertise gilt es zu nutzen,
weil sich für beide Seiten große Vorteile
ergeben. Wenn das Legislativverfahren
für alle europäischen Bürger transparent
und zugänglich ist, erreicht die EU-Regu-
lierung ihre volle demokra tische
Legitimität.
Jo Leinen
Vorsitzender des Ausschusses
für Umwelt, Gesundheit
und Lebensmittelsicherheit
im Europäischen Parlament
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 18EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 18 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
19
EINE EUROPÄISCHE ZIVILGESELLSCHAFT BRAUCHT ÖFFENTLICHKEIT
Von Mirko Schwärzel
Der Begriff »Zivilgesellschaft« bezeich-
net jenen gesellschaftlichen Bereich, in
dem sich Bürger/innen in Initiativen, Ver-
einen, Verbänden und Netzwerken zu-
sammenschließen, organisieren und ihre
Interessen artikulieren. »Zivil-« oder »Bür-
gergesellschaft« wird dabei oftmals mit
einem visionären Unterton verwendet.
Beschrieben wird eine politische Gemein-
schaft, in der nicht alleine der Staat Ver-
antwortung trägt, sondern Bürger/innen
sich in größerem Maße für das Gemein-
wesen einsetzen. In diesem Verständnis
ist die Zivilgesellschaft eine Gesellschaft
selbstbewusster und selbstverantwort-
licher Bürger/innen.
Zivilgesellschaftliches Handeln
ist in Abgrenzung zu staatlichem und
wirtschaftlichem Handeln das, was in
Deutschland unter dem Begriff »bürger-
schaftliches Engagement« verstanden
wird: Es ist freiwillig, grundsätzlich nicht
gewinnorientiert beziehungsweise mo-
netär vergütet und trägt zum Gemeinwohl
bei. Eine aktiv handelnde Zivilgesell-
schaft hat aber zwei wesentliche Bedin-
gungen. Zunächst braucht sie einen »Bür-
gerstatus«, der soziale und politische
Rechte garantiert. Wo es keine Meinungs-
und Versammlungsfreiheit gibt, entwi-
ckelt sich keine Zivilgesellschaft und be-
steht keine gesellschaftliche Teilhabe.
Zum anderen müssen Informationen und
Kenntnisse zur Möglichkeit des Engage-
ments und der Partizipation vorhanden
sein. Die Existenz rechtlicher Rahmen-
bedingungen allein reicht nicht aus. Da-
her ist »Öffentlichkeit« die zweite unent-
behrliche Voraussetzung.
Öffentlichkeit im zivilgesellschaft-
lichen Verständnis wird aber nicht nur
durch die Massenmedien hergestellt. Ak-
tive Bürger/innen brauchen Möglichkei-
ten, sich mit ihren Argumenten und Er-
fahrungen bemerkbar zu machen. Durch
Versammlungen, Veranstaltungen, Pro-
jekte und Protestaktionen schafft die
Zivilgesellschaft erst einen öffentlichen
Raum, in dem vielfältige Stimmen und
Argumente wahrnehmbar werden kön-
nen. Erst dadurch erhält sie ihren demo-
kratisierenden Charakter.
Bei diesem Verständnis von Zivil-
gesellschaft und ihren Voraussetzungen
stellt sich die Frage, ob man bereits
von einer europäischen Zivilgesellschaft
sprechen kann. Zweifellos haben sich
in allen europäischen Ländern Zivilge-
sellschaften entwickelt – jedoch stets
im Rahmen ihres nationalen Kontextes,
entlang nationaler Traditionen und un-
terschiedlicher Verständnisse der Rollen
von Staat und Markt. Doch die Summe
der nationalen Zivilgesellschaften macht
noch keine europäische Zivilgesellschaft.
Die europäische »organisierte Zivil-
gesellschaft«: Ein Blick auf die Organi-
sa tionen der Zivilgesellschaft auf euro-
päischer Ebene lässt zunächst vermuten,
dass eine lebendige europäische Zivil-
gesellschaft durchaus existiert. In den
vergangenen Jahrzehnten haben sich
zahlreiche europäische Netzwerke und
Verbände gegründet. Seit den 1970er-
Jahren haben sich zudem die Neuen So-
zialen Bewegungen europaweit vernetzt
und als neue Akteure die europäische
Bühne betreten. Seit dem Fall des Eiser-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 19EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 19 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
20
nen Vorhangs zwischen Ost- und West-
europa, zu dem die Zivilgesellschaft ein-
en großen Beitrag geleistet hat, und der
EU-Osterweiterung steigt die Zahl der
zivilgesellschaftlichen Organisationen
in Brüssel stetig weiter an.
1999 führte der Europäische Wirt-
schafts- und Sozialausschuss (EWSA)
den Begriff »organisierte europäische
Zivilgesellschaft« ein, der seither im EU-
Sprachgebrauch die Vielzahl der euro-
päischen Netzwerke, Verbände und Ini-
tiativen umschreibt, die sich in die Brüs-
seler Politikgestaltung einbringen. Ihre
Gesamtzahl ist schwer zu schätzen. Die
Europäische Kommission führt mit der
Datenbank Coneccs zwar eine Art Lobby-
Liste, die derzeit knapp 1.200 europä-
isch tätige Organisationen der Zivilge-
sellschaft umfasst. Hier sind jedoch nur
diejenigen Organisationen aufgeführt,
die in irgendeiner Weise mit der Kommis-
sion in einem Austausch stehen. Es ist
also anzunehmen, dass ein nicht gerin-
ger Teil von kleineren Organisationen gar
nicht erfasst ist.
Trotz der Unübersichtlichkeit haben
insbesondere die EU-Organe und Gremien
die Bedeutung der Zivilgesellschaft er-
kannt. In gewisser Weise sind sie sogar
auf sie angewiesen. Spätestens seit den
in einigen Mitgliedstaaten gescheiter-
ten Referenden zum EU-Verfassungsver-
trag und zum Vertrag von Lissabon sowie
der beständig sinkenden Wahlbeteili-
gung bei den Europawahlen versucht die
EU gezielt, die Zivilgesellschaft in die Ent-
scheidungsprozesse mit einzubinden.
Nun wird an dem Ausbau des sogenann-
ten »Zivilen Dialogs« gearbeitet. Der Be-
griff wurde vom EWSA in Anlehnung an
den etablierteren europäischen »Sozia-
len Dialog« eingeführt und meint die
strukturierte Einbindung der Zivilgesell-
schaft durch unterschiedliche Konsulta-
tionsverfahren und Beteiligungsinstru-
mente auf EU-Ebene.
Der »Zivile Dialog« bringt für die
EU-Institutionen zwei Vorteile: Zum ei-
nen profi tieren sie von der Expertise der
Zivil gesellschaft. Die spezialisierten Ver-
bände zum Beispiel im Umwelt- oder So-
zialbereich verfügen über ein Fachwis-
sen, das sich der Beamtenapparat der
Kommission nur schwer in dieser Breite
aneignen kann. Zum anderen haben
zivilgesellschaftliche Organisationen
den Kontakt »zur Basis«. Neben der Be-
ratungsfunktion erfüllt die Zivilgesell-
schaft damit auch eine Legitimierungs-
funktion europäischer Politik.
Aber auch die Zivilgesellschaft hat
in den vergangenen Jahren von der ge-
stiegenen Aufmerksamkeit und dem Aus-
bau des »Zivilen Dialogs« profi tieren
können. In steigendem Maße sind sie in
Entscheidungs- und Abstimmungspro-
zesse eingebunden. Über die EU-Aktions-
programme werden zivilgesellschaftli-
che Netzwerke und einzelne europäische
Dachverbände zudem gezielt gefördert.
Für eine Reihe von zivilgesellschaftlichen
Verbänden machen diese Zuwendungen
einen erheblichen Teil ihrer Finanzierung
aus. Die Förderung durch die Kommission
birgt jedoch die Gefahr, dass die zivilge-
sellschaftlichen Interessengruppen da-
mit in ein Abhängigkeitsverhältnis gera-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 20EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 20 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
21
ten, das sich auf die Inhalte ihrer poli-
tischen Arbeit auswirken könnte. Doch
unbestritten bieten diese Strukturförde-
rungen erst die Voraussetzung für eine
Beteiligung vieler Organisationen auf
europäischer Ebene.
Von der organisierten Zivilgesell-
schaft zur europäischen Bürgerschaft?
Offensichtlich aber ist, dass der Beitrag
der organisierten, europäischen Zivil-
gesellschaft zu einer größeren europäi-
schen Öffentlichkeit und damit zu einer
wirklichen zivilgesellschaftlichen Teil-
habe begrenzt ist. Trotz Beteiligung an
der Politik der EU ist es bisher kaum ge-
lungen, die Distanz zwischen den Ent-
scheidungsverfahren in Brüssel und
den europäischen Bürger/innen zu ver-
ringern. Dies hat sicherlich verschiede-
ne Ursachen, die hier nicht alle erörtert
werden können. Zum Teil liegt es an den
Strukturen der organisierten Zivilgesell-
schaft selbst: Sie hat sich in Brüssel pro-
fessionalisiert und damit häufi g von ihren
nationalen, regionalen und lokalen Be zü-
gen entfernt. Die Euro-Netzwerke infor-
mieren zwar ihre nationalen Mitglieder,
erreichen dort jedoch häufi g nur Euro-
pa-Expert/innen, die die Informationen
noch zu wenig an die unteren Ebenen
weitergeben. Die Gestaltung Europas
droht somit zur Sache einer kleinen Fach-
elite zu werden. Neben der Einbindung
der organisierten Zivilgesellschaft in
das politische Entscheidungsverfahren
braucht es daher weitere Anstrengungen
für zivilgesellschaftliche Beteiligung.
Eine der oben genannten Bedingun-
gen für die Entwicklung einer europäi-
schen Zivilgesellschaft ist dabei auf
gutem Wege: Die Erweiterung der euro-
päischen Bürgerschaftspolitik von der
Direktwahl des Europäischen Parlaments
1979 über die Einführung der Unions-
bürgerschaft mit dem Vertrag von Maas-
tricht 1992 bis zur Europäischen Grund-
rechtecharta schaffen einen wirklichen
europäischen »Bürgerstatus«. Es ist
nicht nur Aufgabe der EU-Politik, son-
dern auch der zivilgesellschaftlichen Or-
ganisationen, diesen an die Bürger/in-
nen zu vermitteln.
Der Vertrag von Lissabon gab 2009
einen weiteren wichtigen Impuls. Mit ihm
erhält ein neuer Artikel 11 Eingang in den
EU-Vertrag. Neben der Europäischen Bür-
gerinitiative (EBI) beschreibt er Elemen-
te partizipativer Demokratie, indem so-
wohl den »Bürgerinnen und Bürgern und
den repräsentativen Verbänden in geeig-
neter Weise die Möglichkeit« ein geräumt
wird, »ihre Ansichten in allen Bereichen
der Union öffentlich bekannt zu geben
und auszutauschen«, und ein »offener,
transparenter und regelmäßiger Dialog«
der EU-Organe mit der Zivilgesellschaft
angekündigt wird. Art. 11 EUV enthält
damit bereits den Ansatz eines Perspek-
tivwechsels. Angesprochen werden näm-
lich nicht mehr nur die »organisierte Zi-
vilgesellschaft« beziehungsweise die
»repräsentativen Verbände«, sondern
gleichzeitig die europäischen Bürger/in-
nen, die nicht über die Euro-Netzwerke
erreicht werden. Hier gilt es, das europäi-
sche Engagement der Bürger/innen stär-
ker zu fördern.
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 21EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 21 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
22
Die Möglichkeiten, die sich zivil-
gesellschaftlichen Organisationen über
die EU-Aktionsprogramme wie »Europa
für Bürgerinnen und Bürger« oder »Ju-
gend in Aktion« bieten, sind dabei ganz
zentrale Elemente. Die Projekte, die bei-
spielsweise in dieser Broschüre vorge-
stellt werden, geben einen spannenden
Einblick in die Vielfalt europäischer zivil-
gesellschaftlicher Beteiligung. Hier wird
Europa erleb- und erfahrbar gemacht,
und hier erst entsteht jene europäische
Öffentlichkeit, in der sich die Zivilgesell-
schaft austauschen und bemerkbar ma-
chen kann.
Auch wenn die Debatte um den Zi-
vilen Dialog auf europäischer Ebene
derzeit noch getrennt geführt wird vom
euro päischen Bürgerengagement, ist
eine ganzheitliche europäische Engage-
mentpolitik, die eine ermöglichende
und aktivierende Förderpolitik für Frei-
willigenaktivitäten in Zusammenhang
mit poli ti scher Beteiligung stellt, un-
verkennbar im Entstehen. Nicht zuletzt
macht das bürger schaftliche Engage-
Mirko Schwärzel
Projektleiter »BBE für Europa«,
Bundesnetzwerk Bürgerschaft-
liches Engagement, Berlin
ment einen zentralen Teil der Debatte
um eine »aktive euro päische Unionsbür-
gerschaft« aus und wird dabei seitens
der EU als ein wichtiger Mittler zwischen
der EU und der europäischen Bürger-
schaft angesehen.
Das »Europäische Jahr der Freiwil-
ligentätigkeit zur Förderung der aktiven
Bürgerschaft 2011« verknüpft diese
beiden Bereiche. Es hat durchaus das
Potenzial, ein weiterer wichtiger Meilen-
stein zur Förderung einer europäischen
Zivilgesellschaft zu werden, wenn es
im Sinne des EU-Kulturministerrates
»die Freiwilligentätigkeit als eine der
wesentlichen Dimensionen der aktiven
Bürgerschaft und der Demokratie ins
Bewusstsein zu rücken« versteht. Dies
ist ohne Zweifel eine große Aufgabe für
die zivil gesellschaftlichen Organisatio-
nen als wichtigste Stakeholder des
Europäischen Jahres 2011. Es ist aber
auch eine große Chance, auf dem Weg
zu einer zivilgesellschaftlichen Mitge-
staltung Europas entscheidend voran-
zukommen.
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 22EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 22 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
23
AUF DER SUCHE NACH DEM EUROPÄISCHEN DEMOKRATIEMODELL
Die Aufgaben
der politischen Bildung
Das Engagement der Bürgerinnen und
Bürger Europas für die EU lässt zu wün-
schen übrig. Alle fünf Jahre wird aufs
Neue die niedrige – und niedrigere – Be-
teiligung an den Wahlen zum Europäi-
schen Parlament beklagt. Rund 50 Pro-
zent der Deutschen halten die Mitglied-
schaft ihres Landes in der EU für eine
gute Sache, das bedeutet: Die ande re
Hälfte tut das nicht – oder die Frage ist
ihr nicht wichtig genug, sich darüber Ge-
danken zu machen.
Das klassische Erklärungsmuster
ist einfach: Europa ist gut, aber kompli-
ziert, die Menschen begreifen es nicht,
wir müssen sie besser informieren. Und
also werden Broschüren gedruckt, blaue
Luftballons mit goldenen Sternen auf-
ge blasen und allerlei Ringelpietz veran-
staltet. Indes, der große Erfolg bleibt aus
– wenn man einmal von dem der Produ-
zenten der Broschüren und dem der Lie-
feranten der Luftballons absieht.
Was aber tut die europapolitische
Bildung? Das relativ geringe Ansehen der
Europäischen Union bei ihren Bürgern
muss man ihr nicht zum Vorwurf machen.
Tatsächlich lässt sich die oben zitierte
niedrige Zustimmung für die europäische
Integration gegen den Erfolg der europa-
politischen Bildung ins Feld führen, aber
man könnte auch argumentieren, die
Lage wäre noch viel desaströser, wenn es
nicht die zahlreichen Bildungsangebote
gäbe, die ja auch wahrgenommen wer-
den – aber eben nicht vollen allen.
Es wäre daher billig, die europa-
politische Bildung für die Ergebnisse
der Europapolitik verantwortlich zu ma-
chen. Allerdings steht auch die Bildung
vor neuen Herausforderungen. Begon-
nen hatte sie in den 1950er Jahren als
Be geg nungsarbeit. Die zweite Hälfte der
1950er und die erste der 1960er Jahre
war die Zeit, in der in der alten Bundesre-
publik Europa-Häuser und Europäische
Akademien gegründet wurden. Das Ziel
der Arbeit war das Zusammentreffen.
Dass zehn Deutsche und zehn Franzosen
Von Eckart D. Stratenschulte
friedlich miteinander im Raum saßen,
war ein Ereignis für sich. Was sie dabei
taten und worüber sie redeten, war se-
kundär.
In dem Maße, in dem die euro-
päische Integration sich institutionali-
sierte, trat dann die Information in den
Vordergrund der Bildungsarbeit. Nun gab
es etwas, was man den Menschen erklä-
ren wollte und musste: Wie sind die Eu-
ropäischen Gemeinschaften aufgebaut,
wie viele Kommissare gibt es etc.? Diese
Informationsaufgabe hat sich in dem
Maße reduziert, in dem die neuen Medi-
en jede Information leicht abrufbar ge-
stalten. Wer heute Informationen über
die EU möchte, muss kein Seminar bele-
gen, sondern wird mit wenigen Tasten-
griffen im weltweiten Netz fündig. Als
Auf gabe für die europapolitische Bildung
bleibt jedoch das Informationsmanage-
ment. Wer bei Google »Europa« eingibt,
erhält mehr als zwei Millionen Einträge,
die er unmöglich alle abarbeiten kann.
Unser Problem ist heute nicht mehr, In-
formationen zu erhalten, sondern sie zu
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 23EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 23 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
24
fi ltern und zu strukturieren, um so aus
Informationen Wissen zu machen. Aber
den großen Kick hat der Klick nicht ge-
bracht. Das Interesse an der EU dümpelt
weiter vor sich hin.
Ändern wir nun einmal die bisherige
Hypothese und nehmen an: Die Men-
schen sind nicht dumm, sondern verhal-
ten sich insgesamt vernünftig. Dann hat
die EU zwar immer noch ein Akzeptanz-
problem, aber es wird sich mit Gute-Lau-
ne-Geschenken nicht lösen lassen.
Die Berufseuropäer erwarten vom
Rest der Bevölkerung ständig ein Be-
kenntnis zur EU, gerne gesehen sind bei
allen öffentlichen Diskussionen die Fra-
gesteller, die sich mit dem Satz vorstel-
len: »Ich bin ein begeisterter Europäer.«
Aber warum eigentlich? Die Europäische
Union ist eine Realität, sie ist wichtiger
Teil unserer Lebenswirklichkeit, man
muss sich nicht immer wieder dazu be-
kennen. Auch für andere Gemeinwesen
gilt: Man muss nicht täglich enthusias-
miert sein – aber man muss daran teil-
nehmen.
Das wirkliche Problem wäre dem-
zufolge nicht das mangelnde europäi-
sche Sentiment, sondern die nicht aus-
reichenden Partizipationsmöglichkeiten.
Sollte diese Hypothese also zutreffen,
dann hat die EU in erster Linie ein Partizi-
pationsproblem, das heißt, die Bürgerin-
nen und Bürger sehen keine hinreichen-
den Möglichkeiten, auf die Entschei-
dungs- und Steuerungsprozesse in der
Europäischen Union einzuwirken. Ernst-
haft ist das auch gar nicht zu bestreiten.
In dem komplizierten Gefl echt der Ent-
scheidungsfi ndung ist für den Bürger
kein Platz. Die Prozesse sind langwie-
rig und fi nden zu einem großen Teil hin-
ter den Kulissen statt, wo dann in Nacht-
sitzungen Pakete geschnürt und weite-
re Absprachen getroffen werden. Für die
politischen Normalverbraucher ist das
nicht transparent. Das einzige Organ,
das öffentlich tagt, ist das Europäische
Parlament, dessen Sitzungen jedoch in-
sofern weitgehend unter Ausschluss der
Öffentlichkeit stattfi nden, als es in der
Berichterstattung wenig Echo fi ndet.
Die wirklichen Entscheidungen, hat man
den Eindruck, treffen beispielsweise An-
gela Merkel und Nicolas Sarkozy beim
Strandspaziergang – und da ist
außer den Bodyguards keiner dabei.
Mit dieser Situation umzugehen,
gibt es zwei Möglichkeiten: Die erste
besteht darin, alles zu lassen, wie es ist,
und einfach aufzuhören, über den Zu-
stand zu jammern. Die EU bleibt eine
Konspiration der Eliten, als die sie auch
vor knapp 60 Jahren das Licht der Welt
erblickt hat. Diese Lösung hat den Vor-
teil, dass man nichts tun muss, allerdings
den Nachteil, dass sie nicht nachhaltig
ist. Da die EU in vielerlei Hinsicht in un-
ser Leben und in unseren Alltag eingreift,
reicht es nicht, wenn nur jeder Zweite
meint, dass das gar nicht schlecht sei.
Das bringt uns zur zweiten Möglich-
keit. Wir müssen aus »Europe« »Youreu-
rope« machen. Es müssen Bedingungen
geschaffen werden, unter denen sich die
Menschen stärker in die Entscheidungs-
fi ndung einbringen können, um sie
dann auch mitzutragen. Das bedeutet:
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 24EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 24 13.02.2011 17:12:4713.02.2011 17:12:47
25
Wir müssen uns auf die Suche nach ei-
nem europäischen Demokratiemodell
begeben. Tatsächlich beziehen sich un-
sere Vorstellungen von demokratischer
Teilhabe noch auf den Nationalstaat
des 19. und 20. Jahrhunderts. Kernstück
dieser traditionellen demokratischen
Parti zipation waren und sind regelmä-
ßig stattfi ndende Wahlen, durch die eine
Elite beauftragt wurde und wird, die
öffent li chen Angelegenheiten für den
defi nierten Zeitraum zu richten. Die Le-
gitimation beziehen die beauftragten
Politiker daraus, dass die Wahlen frei,
gleich und geheim sind. Das bedeutet:
Jedes Menschen Stimmgewicht muss
(annähernd) gleich groß sein.
Bei den Wahlen zum Europäischen
Parlament ist diese Voraussetzung nicht
gegeben. Das Parlament wird vielmehr
auf der Basis der degressiven Proportio-
nalität gewählt, die die kleinen Staaten
überrepräsentiert. In Malta steht ein Mit-
glied des Europäischen Parlaments für
80.000 Menschen, in Deutschland für
800.000. Wenngleich man über den ge-
nauen Schlüssel streiten kann, wird das
Prinzip der abgestuften Proportionalität
auch in Zukunft erhalten bleiben müs-
sen. Legte man den deutschen Schlüssel
an das Europäische Parlament an, hätten
die Malteser, die Luxemburger und die
Zyprer keinen einzigen Abgeordneten
im Parlament. Würde man die Relation
aus Malta zugrunde legen, käme man
auf ein Europäisches Parlament, demge-
genüber der chinesische Volkskongress
als Arbeitsgruppe erscheinen würde.
Das Bundesverfassungsgericht hat dar-
aus den Schluss gezogen, dass das Eu-
ropäische Parlament keine vollwertige
Vertretung der Bürgerinnen und Bürger
Europas sein könne und die Entschei-
dungsfi ndung in gewisser Weise der Kon-
trolle der nationalen Parlamente unter-
liegen müsse. Die Karlsruher Richter
haben damit schon den Finger in eine
demokratische Wunde gelegt, allerdings
veraltete Medizin empfohlen. Tatsächlich
wirkt diese auch im nationalen Rahmen
immer weniger. Viele Menschen sind
nicht mehr bereit, ihre Stimme abzuge-
ben. Das gilt im doppelten Sinne: Auch
im nationalen Rahmen geht die Wahlbe-
teiligung zurück und immer mehr Men-
schen wollen trotz Wahlen die Ereignisse
weiterhin mitbestimmen.
Tatsächlich müssen wir überlegen,
wie wir die traditionellen – und weiterhin
wichtigen – Formen der demokratischen
Willensbildung um weitere ergänzen kön-
nen. Die zentrale Aussage der Demokra-
tie lautet: »Alle Staatsgewalt geht vom
Volke aus.« Die Wahlen sind ein wichti-
ges Instrument, diesen Imperativ umzu-
setzen. Aber eine neue gesellschaftliche
Organisationsform, wie die EU sie gegen-
über den Nationalstaaten darstellt, be-
darf auch neuer Formen der Partizipation.
Das geht von der Teilhabe an der Formu-
lierung von Lösungsvorschlägen (»deci-
sion shaping«) bis zur Mitwirkung an der
Entscheidung (»decision making«). An-
hörungen, Bürgerforen, weitere Beteili-
gungsformate, Referenden – das Mosaik
der Maßnahmen, die es zu ergreifen und
zu entwickeln gilt, ist bunt. Das neue eu-
ropäische Demokratiemodell gibt es
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 25EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 25 13.02.2011 17:12:4813.02.2011 17:12:48
26
noch nicht, und es wird sich auch nicht
an einem Wochenende vom Europäi-
schen Rat erfi nden und umsetzen las-
sen. Wir benötigen vielmehr den öffentli-
chen Diskurs über die politische Teilhabe
im 21. Jahrhundert. Das ist ein europäi-
sches, aber auch ein nationales Thema.
Eines ist jedoch jetzt schon sicher:
Die neue europäische Demokratie wird
anstrengend, da sie das aktive Engage-
ment der europäischen Bürgerinnen und
Bürger fordert. Für die europapolitische
Bildung bedeutet das, den Schwerpunkt
auf Befähigung, statt auf Information zu
setzen. Sie muss als schulische und au-
ßerschulische, als Jugend- und als Er-
wachsenenbildung den Menschen hel-
fen, ihre Interessen zu artikulieren und
sich in das politische System einzubrin-
gen. Verständlicherweise setzt eine ak-
tive Partizipation voraus, die politischen
Strukturen zu (er)kennen. Wer in einem
stockdunklen Raum steht, tut gut daran,
sich nicht zu bewegen. Aufgabe der po-
litischen Bildung ist es also, um in dem
Bild zu bleiben, das Licht anzumachen.
Auch zukünftig wird es nicht ohne Wis-
sensvermittlung gehen, allerdings richtet
sich diese auf ein anderes Ziel. Sinn der
Übung ist nicht, dass die Menschen mög-
lichst viel über Europa wissen, sondern
dass sie Europa begreifen und dadurch
in die Lage versetzt werden, es aktiv mit-
zugestalten.
Dabei ist natürlich auch wichtig,
dass die Menschen sich als Europäer
wahrnehmen. Dem dient die gute alte
Begegnungsarbeit, die unter den verän-
derten Bedingungen keineswegs obsolet
geworden ist. Eine internationale Grup-
pe ist heute nichts Besonderes mehr, die
Internationalität ist ein selbstverständ-
licher Bestandteil der Lebenswelt vor al-
lem jüngerer Europäerinnen und Europä-
er, zu deren Sprachgebrauch »Facebook«
und »Erasmus« ganz selbstverständlich
gehören. Aber gerade in dieser vermeint-
lichen Einheitlichkeit die Unterschiede
im Denken und in den Interessen und
gleichzeitig die Gemeinsamkeit in der
Herausforderung deutlich werden zu las-
sen – das geschieht nicht übers Internet,
sondern nur im strukturierten Miteinan-
der. Auch die Menschen im 21. Jahrhun-
dert wollen und müssen sich in die Augen
schauen und nicht nur in den Bildschirm
blicken.
Begegnung, Informationsstrukturie-
rung, Partizipation auf der Basis von Frei-
willigkeit: Solche Vorgaben sind leicht
zu formulieren und schwer umzusetzen.
Auch die europapolitische Bildung steht
also vor einer Neuorientierung. Die Auf-
gabe, neue und partizipative Konzepte
zu entwerfen, kann den Bildungsträgern
und ihren Teams niemand abnehmen. Er-
folgreich wird ein solches Unterfangen
allerdings nur sein können, wenn die Po-
litik die Notwendigkeit sieht und ent-
sprechend, auch fi nanziell, unterstützt.
Das mag in Zeiten leerer Kassen nicht po-
pulär sein, aber es ist ein wichtiges Stück
Zukunftssicherung für uns alle.
Prof. Dr. Eckart D. Stratenschulte
Leiter der Europäischen
Akademie Berlin
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 26EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 26 13.02.2011 17:12:4813.02.2011 17:12:48
27
INTERKULTURELLER DIALOG ALS EUROPÄISCHES POLITIKFELD
Von Sabine B. Frank
Das Thema »interkultureller Dialog«
hat nun schon seit einigen Jahren in-
ternatio nal politischen Stellenwert. Der
Europa rat spielte in den 1990er Jahren
die Vorreiterrolle – eine Reihe von Kon-
ferenzen führte 2005 zur »Erklärung von
Faro« und schließlich 2008 zum Weiß-
buch »Interkultureller Dialog«. Die Euro-
päische Union schloss sich mit der Ini-
tiative für ein »Europäisches Jahr des
interkulturellen Dia logs 2008« an: Eine
Sensibilisierungs- und Medienkampa-
gne wurde gepaart mit sieben europäi-
schen Vorzeigeprojekten, Aktionspro-
grammen der Mitgliedsländer und einer
Reihe von politischen Beschlüssen. Ist
das Thema im Laufe dieser Jahre inhalt-
lich klarer geworden? Was haben die An-
stöße von 2008 bewirkt? Wird damit auf
europäischer Ebene tatsächlich eine po-
litische Strategie verfolgt?
Vielsagend oder nichtssagend –
ein zu rettendes Konzept? Ein beachtli-
cher Anteil befragter Europäer (36 Pro-
zent) konnte 2007 keine Angaben dazu
machen, was unter »interkulturellem Dia-
log« zu verstehen wäre (Flash Eurobaro-
meter Umfrage 217, Dezember 2007).
Die restlichen Umfrageteilnehmer/innen
assoziierten mit dem Begriff »Verständi-
gung«, »Austausch« oder »Zusammenar-
beit« zwischen Nationen, Religio nen und
Kulturen. Die Umfrage wurde nach dem
»Europäischen Jahr des interkulturellen
Dialogs 2008« nicht wiederholt – ob der
Begriff inzwischen für Normalbürger/in-
nen griffi ger geworden ist, lässt sich da-
her nicht nachweisen. Es ist aber zu be-
zweifeln, denn die EU selbst hat 2008
keinen Versuch unternommen, das Kon-
zept eindeutig zu defi nieren und die da-
mit gemeinten Aktionsfelder einzuengen.
Die Förderung des interkulturellen
Dialogs ist bei der Europäischen Kom-
mission primär im Bereich Kulturpolitik
angesiedelt und wird häufi g als Ergän-
zung zur kulturellen Vielfalt, insbeson-
dere der Vielfalt kultureller Ausdrucksfor-
men beziehungsweise Kunstformen ver-
standen. Dementsprechend dominierten
während des »Jahres des interkulturellen
Dialogs« auch künstlerische Veranstal-
tungen und Projekte. Interkultureller Dia-
log wurde vielerorts auf das »Feiern kul-
tureller Vielfalt« mit künstlerischen Mit-
teln reduziert. Darüber hinaus muss er
aber als Rezept für den Umgang mit einer
langen Reihe von Herausforderungen her -
halten: um den Zusammenhalt zwischen
EU-Bürgern zu stärken und ihre Mobilität
innerhalb der EU zu begleiten; um Mi-
gra tion, Integration und Asylpolitik sozi-
alverträglicher zu machen; um Diskrimi-
nie rung und sozialer Benachteiligung
ergänzend zu rechtlichen Mitteln beizu-
kommen und um islamischer Radikalisie-
rung und den Bedrohungen öffentlicher
Sicherheit entgegenzuwirken. »Interkul-
tureller Dialog« ist also eine Art Salbe,
die für viele Beschwerden verschrieben
wird, sicher angenehm sein kann, aber
höchstens einer symptomatischen bezie-
hungsweise begleitenden Behandlung
gleich kommt. Manch einer mag sich aller-
dings auch damit salben, um eben nicht
an die Wurzeln der Probleme zu müssen.
Wie kann mit dem Thema also künftig
effektiver umgegangen werden?
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 27EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 27 13.02.2011 17:12:4813.02.2011 17:12:48
28
Mehr als politisches Raumspray:
Wenn die Vielfalt an Angeboten und An-
strengungen, die unter »interkulturellem
Dia log« laufen, auch schwer zu katego -
risie ren oder einzuengen sind, so ist
doch wichtig festzuhalten, dass mit dem
Thema generell ein positiver Anspruch
erhoben wird, der im politischen Klima
Europas eine Rolle spielt.
Die Platform for Intercultural Europe,
eine zivilgesellschaftliche Organisation
mit europaweiter Mitgliedschaft, formu-
lierte die Vision von einem interkulturel-
len Europa als einem Europa, in dem das
Hauptaugenmerk darauf liegt, »was wir
(Menschen unterschiedlicher Herkunft)
gemeinsam werden können« und stell-
te »interkulturelle Innovation« in Aus-
sicht. »Wir müssen die Interkulturalität,
das heißt, das Prinzip, Kulturen durch in-
terkulturelles Engagement zu entwickeln,
zu unserer neuen menschlichen Norm
erheben«, verlangte die Plattform in ih-
rem Manifest (»The Rainbow Paper. Inter-
cultural Dialogue: From Practice to Poli-
cy and Back«, 2008). Dieses Paradigma
der interkulturellen Entwicklung wurde
als Alternative zu sorg loser Toleranz und
der Parallelität von Multikulti in den po-
litischen Raum gestellt. Natürlich ist das
Bekenntnis zu einem interkulturellen Eu-
ropa auch eine Absage an Angst, Unwis-
senheit und Egoismus, die so oft hinter
Diskriminierung und Rassismus stecken.
Grundprinzip eines interkulturellen
Europas ist die umfassende, freie und
gleichberechtigte Beteiligung aller am
gesellschaftlichen Leben. Dieses Prinzip
steht im Einklang mit den verbrieften Wer-
ten der Europäischen Union, wird aber in
der Praxis europäischer Politikgestaltung
im Hinblick auf Migrant/innen und deren
Nachkommen sowie auf Minderheiten
immer wieder verletzt. Umso mehr muss
die Umsetzung eines interkulturellen
Europas kontinuierlich eingefordert wer-
den, damit Politiker/innen aller Ebenen
mit ihren Entscheidungen zur Stärkung
demokratischer Prozesse beitragen und
zugleich den Glauben aller an die euro-
päische Demokratie untermauern.
Abgesehen von der Beeinfl ussung
der europäischen politischen Atmosphä-
re und des europäischen Werteklimas –
wo es populistischen, nationalistischen
und protektionistischen Einstellungen
ja viel entgegenzusetzen gilt – bedarf
es aber eines klaren Verständnisses da-
von, dass die Praxen interkulturellen
Dialogs mit den Mitteln der Kunst und
Kultur, der Bildungsarbeit vom Kinder-
garten zur Erwachsenenbildung, der Ju-
gend- und Sozialarbeit sowie der Medi-
en nur dann greifen können, wenn recht-
liche und wirtschaftliche Barrieren für
faire gesellschaftliche Teilhabe abgebaut
werden. Keine künstlerische Organisa-
tion beispielsweise sollte sich – im Zu-
ge wirtschaftlicher Rechtfertigungszwän-
ge – anmaßen, unterprivilegierte Ange-
hörige von Einwanderergruppen allein
mit Mitteln künstlerischer Beteiligung
und Selbstfi ndung zu konstruktiven, in-
tegrierten Bürger/innen machen zu kön-
nen. Andererseits gibt es keinen Grund,
den Beitrag kultureller Begegnungsar-
beit zur Herstellung von Vertrauen, Soli-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 28EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 28 13.02.2011 17:12:4813.02.2011 17:12:48
29
darität und gegenseitiger Anerkennung
zu belächeln. Sicher gibt es qualitative
Unterschiede in den Praxen interkulturel-
len Dialogs, was Tiefgang und Nachhal-
tigkeit angeht, prinzipiell ist aber wich-
tig, dass sie als Begleitmaßnahmen zur
wirtschaftlichen und politischen Ermäch-
tigung von Einwanderern und Minder-
heiten durch geregelte Arbeit und Betei-
ligungsrechte dienen.
Eine europäische politische Strate-
gie? Nun ein Blick auf die Ergebnisse des
»Europäischen Jahres des Interkultu rellen
Dialogs 2008«: Offi zielle Evaluie rungen
von EU-Aktionen müssen sich stets deren
inhärente Zielsetzungen zum Maßstab
nehmen, doch trotz dieser Einschränkung
fi nden sich kritische Anmerkungen zur
Effektivität und Nachhaltigkeit des The-
menjahres: »Das Ziel, Aktivitäten auf
junge Leute zu konzentrieren, wurde be-
quem erreicht, die Mobilisierung von In-
teressengruppen war beträchtlich (...),
aber die Beteiligung von benachteiligten
Gruppen und Auswirkungen auf sie waren
vergleichsweise schwach.« (ECOTEC Eva-
luierung, August 2009, S. 5) Hinterfragt
wurde auch die weitere Berücksichtigung
des Bedarfs an interkulturellem Dialog bei
der Politikgestaltung auf nationaler Ebe-
ne. Dieses sei, so die Evaluatoren, in den
Ländern gegeben, »wo ein Handlungsrah-
men oder Aktionsplan schon vor dem Jahr
bestand oder wo es zaghafte An zeichen
gibt, dass die Entwicklung eines solchen
Aktionsplans in Erwägung gezogen wird.
(...) In einigen Ländern mag das Thema
wohl von der Tagesordnung rutschen, es
sei denn, es kommen neue Impulse von
der EU-Ebene. (...) Unterstützung für inter-
kulturellen Dialog durch die EU ist mittel-
fristig wahrscheinlich.« (ebd., S. 6–7)
Der Grund für letztere Prognose
liegt darin, dass entsprechende Zielset-
zungen in mehreren richtungweisenden,
politischen Dokumenten verankert wur-
den – so zum Beispiel der »Agenda für
Kultur im Zeitalter der Globalisierung« von
2007 und den Erklärungen des EU-Minis-
terrates zu den Interkulturellen Kompe-
tenzen und denen zur Förderung der kul-
turellen Vielfalt und des interkulturellen
Dialogs in den EU Außenbeziehungen –
beide von 2008. Damit sind politische
Ansprüche geschaffen, deren Verwirkli-
chung eingefordert werden kann. Wich-
tige EU-Repräsentant/innen bekennen
sich zudem weiterhin zu dem Thema.
Außerdem haben sich während des
europäischen Themenjahres mehrere
Netzwerke gebildet, die daran arbeiten,
dass das Thema auf der politischen Ta-
gesordnung bleibt, zum Beispiel die Plat-
form for Intercultural Europe. Sie war in
den so genannten »strukturierten Dialog
mit der Zivilgesellschaft« seitens der
Europäischen Kommission seit 2008 ein-
bezogen. Auf der Ebene des EU-Kulturmi-
nisterrates, auf der im Rahmen der »of-
fenen Koordinierungsmethode« (OKM)
– einer freiwilligen, unverbind lichen Zu-
sammenarbeit der Regierungen der Mit-
gliedsstaaten – fünf thematische Arbeits-
gruppen gebildet worden waren, war
das Thema interkultureller Dialog nach
2008 zunächst nicht mehr präsent. In
dem im November 2010 beschlosse-
nen »Arbeitsplan für Kultur für 2011–
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 29EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 29 13.02.2011 17:12:4813.02.2011 17:12:48
30
2014« ist nun aber die Einsetzung einer
OKM-Arbeitsgruppe zum Thema »kultu-
relle Vielfalt, interkultureller Dialog und
zugäng liche und integrative Kultur« vor-
gesehen. Auf EU-Ratsebene bleibt das
Thema also kulturpolitisch verortet, aber
von dieser Basis aus mag sich der be-
reichsübergreifende Anspruch des The-
mas vielleicht doch längerfristig verwirk-
lichen lassen.
Interkultureller Dialog kann in der
Tat nur ein Anliegen sein, das sich über
mehrere Politikfelder erstreckt und in
mehrere Bereiche komplementär hinein-
greift. Damit stellt sich aber die Heraus-
forderung, verstreute Maßnahmen der
EU und der Mitgliedsstaaten kohärent zu
gestalten. Dazu müssen zunächst in je-
dem Einzelbereich Anstrengungen unter-
nommen werden, klarere Orientierung
zu bieten, was mit »interkulturellem Dia-
log« gemeint ist und bezweckt wird. Dies
ist momentan völlig unzureichend und
eine Herausforderung für die Neuaufl age
der EU-Förderprogramme nach 2013,
ins besondere der Programme »Kultur«,
»Media«, »Jugend in Aktion«, »Europa
für Bürgerinnen und Bürger«, »Lebens-
langes Lernen« sowie des Forschungs-
rahmenprogramms. Das Thema ist
außerdem in den Politikfeldern Sport,
Mehrsprachigkeit, Integration der sich
legal in der EU aufhaltenden Angehö-
rigen von Drittstaaten und Außenbezie-
hungen verankert.
Die Platform for Intercultural Europe
nahm in den Jahren 2009 und 2010 die
Umsetzung des Ziels »interkultureller Dia-
log« im EU-Kulturprogramm unter die Lu-
pe. Ein Ergebnis dieser Studie ist, dass
es den Antragsteller/innen überlassen
bleibt zu defi nieren, wie sie zum interkul-
turellen Dialog beitragen wollen bezie-
hungsweise – nach Abschluss des Pro-
jekts – beigetragen haben. Interkulturel-
ler Dialog wird dabei häufi g nicht als
eigen ständige Zielsetzung eines Projekts
beschrieben, sondern als Nebenprodukt
transnationaler Zusammenarbeit. Die
Plattform unterbreitete der EU-Kommis-
sion daher einen Katalog von Empfehlun-
gen, um sicherzustellen, dass künftig der
geförderte europäische Austausch im
Bereich von Kunst und Kultur dazu dient,
Menschen aller Hintergründe und Iden-
titäten eine umfassende und gleichbe-
rechtigte gesellschaftliche Beteiligung
zu ermöglichen (siehe www.intercultural-
europe.org).
Den Politiker/innen sowie den Pro-
jektträgern auf nationaler wie eu ro päi-
scher Ebene kommt die Verantwortung
zu, das Thema in seiner vorrangigen Be-
deutung für die gerechte Teilhabe von
Menschen mit Migrationshin ter grund
und von Minderheiten zu begreifen. Es
gilt, die breite Palette an interkulturel-
len Dia loginitiativen im soziokulturellen
und Bildungsbereich als unabdingba-
re Ergänzungen zu sozial gerechter Wirt-
schaftspolitik und einer fairen Verteilung
von Bürgerrechten zu würdigen.
Sabine B. Frank
Generalsekretärin der
Platform for Intercultural
Europe, Brüssel
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 30EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 30 13.02.2011 17:12:4813.02.2011 17:12:48
31
Das Programm »Europa für Bürgerinnen
und Bürger« der Europäischen Union för-
dert im Rahmen der Aktion 2, Maßnah-
me 3, Projekte von zivilgesellschaftli-
chen Organisationen, wie Forschungs-
einrichtungen, Netzwerken, Vereinen
und Verbänden, Think-Tanks, Gewerk-
schaften, Bildungseinrichtungen, kirch-
lichen, karitativen und sozialen Organi-
sationen sowie solchen aus dem Bereich
des freiwilligen Engagements und des
Amateursports. Voraussetzung ist, dass
diese einen eigenen Rechtsstatus haben
und nicht gewinnorientiert tätig sind. Sie
müssen ihren Sitz in einem der teilnah-
meberechtigten Länder haben, zu de-
nen die 27 Mitgliedstaaten gehören so-
wie nach gesonderten Assoziierungs-
verhandlungen Albanien, Kroatien und
Mazedonien. Weitere Westbalkanländer,
die EWR-Länder Island, Liechtenstein
und Norwegen sowie die Türkei können
sich assoziieren, haben bisher jedoch
kein Interesse daran gezeigt.
Zwei Projektformen werden geför-
dert, einerseits Veranstaltungen, wie
Konferenzen, Seminare, Workshops
(auch soziokulturelle), und andererseits
Produktions- und Realisierungsvorha-
ben, wie Publikationen, Internetseiten,
Studien, Radio- oder Filmproduktionen.
Veranstaltungsprojekte können aus
mehreren Treffen, Workshops oder Kon-
ferenzen bestehen und müssen von min-
destens zwei Organisationen aus un-
terschiedlichen teilnahmeberechtigten
Ländern zusammen durchgeführt wer-
den. Der Zuschuss errechnet sich auf der
Grundlage von Pauschalsätzen pro Teil-
nehmer/in und Tag (»Teilnehmertage«),
je nach Land, in dem die Veranstaltung
stattfi ndet. Die Pauschale kann nur für
Teilnehmer/innen aus den teilnahme-
berechtigten Ländern angerechnet wer-
den. Mindestens 30 Prozent der Teilneh-
mer/innen müssen »international« sein,
das heißt aus einem anderen als dem
Land kommen, in dem die Veranstaltung
stattfi ndet. Mindestens 50, maximal 400
Teilnehmertage pro Veranstaltung kön-
nen angerecht werden. Für Öffentlich-
keitsarbeit (»Kommunikationswerkzeu-
Von Monika Lühn
DIE EU FÖRDERT TRANSNATIONALE ZUSAMMENARBEIT
Das Programm »Europa für Bürgerinnen
und Bürger« fördert Veranstaltungen.
© Deutsche Vertretung der Europäischen
Kommission
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 31EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 31 13.02.2011 17:12:4813.02.2011 17:12:48
32
Das Programm »Europa für Bürgerinnen
und Bürger« fördert Publikationen aller
Art. © Jörg Hausmann
ge«) gibt es zusätzlich eine Pauschale
von 1.500 Euro pro Medium (Publikation,
DVD oder Internetseite), maximal 4.500
Euro für ein Projekt.
Der Zuschuss für Produktions- und
Realisierungsprojekte errechnet sich auf
der Grundlage eines ausgeglichen Kos-
ten- und Finanzierungsplans. Die bean-
tragte Fördersumme muss mindestens
10.000 Euro und darf maximal 150.000
Euro betragen, wobei der EU-Zuschuss
höchstens 70 Prozent der förderfähigen
Kosten betragen darf.
Einmal jährlich (nämlich jeweils bis
zum 1. Februar) können Anträge bei der
Exekutivagentur Bildung, Audiovisuelles
und Kultur (EACEA) in Brüssel eingereicht
werden. Die maximale Projektdauer be-
trägt 18 Monate, das Projekt muss zwi-
schen dem 1. August des Antragsjahres
und dem 31. Januar des Folgejahres
starten.
Das wichtigste Förderkriterium für
die EU ist, dass das Projekt den Zielen
des Programms dient und sich mit eu-
ropäischen Themen befasst. Der Pro-
grammleitfaden und die Internetseite der
KS EfBB informieren über die Teilnahme-
bedingungen und Kriterien.
Vergleicht man die Ergebnisse der
Projektauswahl der Jahre 2007 bis 2010
zeigt sich, dass das Interesse an der Pro-
jektförderung (Aktion 2, Maßnahme 3)
stark zugenommen hat. Die Zahl der EU-
weit eingereichten Anträge hat sich mehr
als verdoppelt. Aufgrund des gleichblei-
benden Budgets verändert sich die An-
zahl der bewilligten Projekte jedoch nur
unwesentlich.
Die Tabelle und die Diagramme zei-
gen die Zahl der insgesamt eingereichten
Anträge, die Zahl der eingereichten An-
träge aus Deutschland sowie die Zahl
der bewilligten Anträge insgesamt und
die Zahl der bewilligten Anträge aus
Deutschland pro Jahr.
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 32EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 32 13.02.2011 17:12:4813.02.2011 17:12:48
33
Verhältnis zwischen den EU-weit eingereichten
Anträgen und den Bewilligungen
Verhältnis zwischen den von deutschen Organisationen
eingereichten Anträgen und den Bewilligungen
Eingereichte Anträge aus Deutschland
Bewilligte Anträge aus Deutschland Quelle: KS EfBB 2010
Eingereichte Anträge insgesamt
Bewilligte Anträge insgesamt Quelle: KS EfBB 2010
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 33EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 33 13.02.2011 17:12:4813.02.2011 17:12:48
34
Die steigende Anzahl der eingereichten Anträge zeigt, dass die Bedeutung der Aktion 2,
Maßnahme 3 steigt. Aufgrund des gleichbleibenden Budgets verändert sich die Anzahl der
bewilligten Projekte jedoch nur unwesentlich. Monika Lühn, Mitarbeiterin
der Kontaktstelle Deutschland
»Europa für Bürgerinnen und
Bürger« bei der Kulturpolitischen
Gesellschaft e. V., Bonn
Gesamtübersicht über Einreichungen und Bewilligungen von 2007 bis 2010
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 34EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 34 13.02.2011 17:12:4813.02.2011 17:12:48
35
Europäische Projekte
im Kaleidoskop
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 35EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 35 13.02.2011 17:12:5213.02.2011 17:12:52
36
Kreisauer Modell
Internationale Begegnungen
für Menschen mit
Behinderungen 2007/2008
Die ideale Jugendbegegnung: Von allen gemeinsam gestaltet
© Kreisau-Initiative Berlin e. V.
Der Name des Ortes Kreisau in Schlesien
ist heute aufgrund der Widerstandsgrup-
pe »Kreisauer Kreis« eng mit dem Wider-
stand gegen Ausgrenzung und Nationa-
lismus verbunden. Die Kreisau-Initiative
Berlin e. V. folgt dem Ideal des Kreisauer
Kreises und führt internationale Begeg-
nungen zur Völkerverständigung durch.
Eine besondere Zielgruppe der Krei-
sau-Initiative Berlin e. V. sind geistig und
körperlich beeinträchtigte Jugendliche.
Diese sind häufi g von der Teilnahme an
internationalen Jugendbegegnungen
ausgeschlossen, da es an integrativen
Konzepten und Methoden mangelt. Ge-
meinsam mit der Stiftung Kreisau für
Europäische Verständigung (PL), der Nie-
derschlesischen Gesellschaft für Kinder-
und Jugendhilfe (PL), dem Kinder zentrum
Sonnenstrahl (CZ) und der Steirischen
Behindertenhilfe (AT) wurde daher das
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 36EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 36 13.02.2011 17:12:5213.02.2011 17:12:52
37
Pro jekt »Kreisauer Modell« ins Leben
ge rufen. Es setzte sich zum Ziel, Modelle
und Methoden für die internationale Ju-
gendarbeit zu entwickeln, um Menschen
mit Behinderung zu integrieren und ih-
nen damit die Teilnahme am interkultu-
rellen Austausch zu ermöglichen.
Im Dezember 2007 fand eine Konfe-
renz zur Entwicklung des »Kreisauer Mo-
dells« in Krzyzowa (Kreisau, PL) statt. 70
Fachkräfte und Multiplikator/innen der
internationalen Jugendarbeit sowie Heil-
und Förderpädagog/innen aus Deutsch-
land, Italien, Österreich, Polen, Portugal,
der Ukraine, der Tschechischen Republik
und der Türkei entwickelten Konzepte
und inhaltliche Bausteine und erarbeite-
ten Praxismethoden in Form von »Kern-
forderungen für eine ideale Begegnung«,
die in integrativen, internationalen Be-
gegnungsprogrammen anwendbar sind.
Die Konferenzergebnisse wurden da-
nach in einer Jugendbegegnung modell-
haft umgesetzt. Im März 2008 kamen 60
Jugendliche aus Behindertenheimen und
Förderschulen aus Deutschland, Öster-
reich, Polen, Tschechien und der Ukraine
zum »Frühling in Kreisau« zusammen.
Sie nahmen an Musik-, Kunst- oder Thea-
terworkshops teil, bei denen nicht das
Ergebnis, sondern die Freude an der Zu-
sammenarbeit im Vordergrund stand.
Auf der Basis der Konferenzergeb-
nis se und der Erfahrungen der Jugend-
begeg nung entwickelten die Projekt -
part ner Fortbildungsmaßnahmen für
Haupt- und Ehrenamtliche in Behinder-
teneinrichtungen sowie in der interna -
tio nalen Jugendarbeit. Im April 2008
fand für 16 Teilnehmende aus vier Län-
dern eine erste Multiplikatorenschulung
statt. Inhalte der Heilpädagogik sowie
Methoden der internationalen Jugend-
arbeit wurden in theoretischen Seminar-
einheiten und praktischen Workshops
vermittelt. Die Ergebnisse sind im News-
letter und auf der Internetseite der
Kreisau-Initiative dokumentiert.
»Besonders das internationalegemeinsame Suchen nach Lö-sungen, die es den behinder-ten Jugendlichen ermöglichen, selbstbestimmt und mit Freude an der Begegnung teilzuneh-men, hat mir imponiert. Ich bin schon ein wenig stolz darauf, geholfen zu haben, dass heil-pädagogisches Gedankengut bei allen Mitstreitern zur Grundlagedes gemeinsamen Handelns wurde.« Peter Ludwig, Berufs- und Fachverband der Heilpädagogen, Konferenzteilnehmer
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 37EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 37 13.02.2011 17:12:5213.02.2011 17:12:52
38
Das Projekt »Kreisauer Modell«
wur de von der Europäischen Union mit
gut 25.000 Euro gefördert. Weitere För-
derer und Unterstützer konnten mit der
Aktion Mensch (DE) und dem Deutsch-
Polnischen Jugendwerk (DE/PL) gewon-
nen werden. Aufgrund des großen Be-
darfs an Fortbildungsangeboten und
des Erfolgs des Pilotprogramms wurden
2009 die Multiplikatorenschulungen
fort gesetzt und eine weitere Jugendbe-
gegnung organisiert.
Im Jahr 2008 konnte die Kreisau-
Initiative e. V. zudem das Projekt »MICC –
Model International Criminal Court« mit
einem EU-Zuschuss von 25.000 Euro
durchführen. Gemeinsam mit dem Pol ni -
schen Roten Kreuz (PL) und der Krzyzowa-
Stiftung (PL) wurden zwei Gerichtsver-
handlungen der Nürnberger Prozesse und
des Internationalen Tribunals zu Jugos-
lawien simuliert, in denen die Jugendli-
chen als Richter, Verteidiger und Ankläger
agierten. Ergänzt wurde das Programm
durch juristische, rhetorische und jour-
nalistische Trainingsworkshops, Vorträge
und Zeitzeugengespräche, die Erstellung
von Medienbeiträgen sowie eine Presse-
konferenz.
Das nächste EU-geförderte Pro-
jekt startet die Kreisau-Initiative mit der
Stiftung Kreisau für Europäische Ver -
stän di gung (PL) im Winter 2010: Zur
Vorbereitung des »Europäischen Jahres
für aktives Altern und intergeneratio -
nelle Solidarität 2012« fi nden im Jahr
2011 unter dem Titel »Intergeneratio-
nes – Intergenerativ trifft International«
eine internationale Konferenz zum The-
ma »Internationaler Jugendaustausch
und intergeneratives Lernen« sowie eine
deutsch-französisch-polnische Mehr-
generationenbegegnung zum Thema
»Geschichtsbilder« statt. Die EU-Förde-
rung beträgt 26.000 Euro.
Projektträger:
Kreisau-Initiative Berlin e. V.
www.kreisau.de
Seminarteilnehmer/innen vor Schloss
Kreisau © Kreisau-Initiative Berlin e. V.
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 38EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 38 13.02.2011 17:12:5213.02.2011 17:12:52
39
Der Egeria-Weg
Frauenpilgerweg für ein
gemeinsames Europa 2008
Internetseite zum »Egeria-Weg«
Die deutsche Abteilung des Ökumeni-
schen Forums Christlicher Frauen in Eu-
ropa e. V. (DE) ist seit 2005 Trägerin des
Projekts »Egeria-Weg. Ein ökumenischer
Frauen-Pilgerweg für ein gemeinsames
Europa«. Die frühchristliche Pilgerin
Egeria schrieb im vierten Jahrhundert
n. Chr. den ältesten und ausführlichsten
Bericht einer Pilgerreise, ausgehend von
Spanien quer durch den europäischen
Kontinent über Konstantinopel bis nach
Jerusalem.
Seit 2005 legt eine internationale
Gruppe von Frauen eine Etappe dieses
Weges zurück, an die im folgenden Jahr
wieder angeknüpft wird. Die erste Etappe
führte durch Spanien, 2006 pilgerten die
Frauen durch Frankreich, 2007 durch
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 39EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 39 13.02.2011 17:12:5313.02.2011 17:12:53
40
Italien. Der vierte Wegabschnitt im Jahr
2008, der die Frauen durch das EU-Land
Slowenien und durch das Nachbarland
Kroatien führte, wurde von der EU mit
22.500 Euro unterstützt. Die italienische
Evangelisch-Lutherische Kirche, die kro-
atische Abteilung des Ökumenischen
Forums Christlicher Frauen in Europa
e. V. sowie das Institut I.S.E. »Zentrum für
Frauen- und Familienberatung – ökume-
nische und internationale Begegnung«
(SI) waren als Partnerorganisationen an
der Durchführung der vierten Etappe be-
teiligt.
Während des zweiwöchigen Weges
durch Slowenien und Kroatien im Herbst
2008 liefen 18 Frauen täglich 15 bis 20
Kilometer. Sie übernachteten in Pensio-
nen oder bei Gastgeberinnen vor Ort. Auf
der Strecke kamen sie mit einheimischen
Frauengruppen, Vertreterinnen von NGOs
und Kirchen zusammen und lernten die
vielfältigen Traditionen und Lebensent-
würfe von slowenischen und kroatischen
Frauen kennen.
Die Pilgerinnen trafen auch Politi-
kerinnen und Vertreterinnen des Europa-
parlaments in Ljubljana und sprachen mit
diesen über die Europäische Integration,
dem Schwerpunkthema der vierten Etap-
pe. Das Interesse richtete sich vor allem
darauf, wie die slowenische Bevölkerung
den Beitritt ihres Landes zur Europäischen
Union empfi ndet. In einem Gespräch mit
Frauen, die der Bevölkerungsgruppe der
Roma angehören, wurden deren Sichtwei-
sen auf Europa deutlich.
Gemeinsam mit der bosnisch-
kroatischen Menschenrechtsaktivistin
Jadranka Cigelj diskutierten die Teilneh-
merinnen bei einer Lesung die Situation
von Frauen in der Zeit während und nach
den Jugoslawienkriegen in den neunziger
Jahren, Fragen zur sozialen Gerechtigkeit
und zur gesellschaftlichen Teilhabe von
Frauen sowie aktuelle politische Frage-
stellungen.
Während der Pilgerreise setzten die
Wanderinnen erstmals den von ihnen
konzipierten »Europa-Rucksack« ein. Es
handelt sich hierbei um eine umfangrei-
che Materialsammlung für die Informa-
tions- und Bildungsarbeit zum Thema Eu-
ropa. Der Rucksack enthält ausgewählte
Bücher und Broschüren zu Themen wie
Geschichte Europas, Europäische Grund-
rechtecharta, Vertrag von Lissabon oder
Frauen als Mitgestalterinnen Europas
und die Rolle der Kirchen in Europa. Er
wird ständig aktualisiert und von den
Projektträgerinnen an Interessierte ver-
liehen.
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 40EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 40 13.02.2011 17:12:5313.02.2011 17:12:53
41
Die Pilgerinnen an der slowenisch-
kroatischen Grenze © Doris Riffelmann
Um die Öffentlichkeit über die Reise,
die Fortsetzung des Projektes und des-
sen Teilergebnisse zu informieren, legten
die Pilgerinnen nach ihrer Rückkehr eine
umfangreiche Internetseite an, auf der
alle wichtigen Hintergrundinforma tionen
zu fi nden sind sowie Fotos und Tage buch-
einträge der Pilgerinnen, die die Reise
Tag für Tag dokumentierten.
Im Herbst 2009 setzten die Frauen
ihre Reise fort. Diesmal führte sie der Weg
durch Serbien. Im September 2010 pilger-
te die Frauengruppe durch Rumänien. Der
»Egeria-Weg« soll innerhalb von zehn
Jahren durch 13 Länder Europas und des
Nahen Ostens bis nach Jerusalem füh-
ren. Die Organisatorinnen möchten mit
dem Egeria-Projekt zur Verständigung
und Einigung in einem zusammenwach-
senden Europa beitragen und deutlich
machen, dass sich die Geschicke Euro-
pas sowohl historisch als auch aktuell
nicht von denen in der Region des Vor-
deren Orients trennen lassen. Die Pilge-
rinnen verstehen sich als Grenzgänge-
rinnen zwischen West und Ost sowie zwi-
schen den Kulturen und Konfessionen
des europäischen Kontinents.
Es ist geplant, den »Egeria-Weg«
als Pilgerweg dort einzurichten, wo sich
lokale Verbände und Tourismusvereine
fi nden, die ihn für künftige Pilgergenera-
tionen erhalten wollen. Bei der Einrich-
tung des Weges und der einzelnen Statio -
nen werden die Menschen des jeweiligen
Landes in die Planung einbezogen, um
mit ihnen zusammen die Begegnungen
vor Ort zu gestalten.
Projektträger:
Ökumenisches Forum Christlicher
Frauen in Europa, Braunschweig
www.egeria-project.eu
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 41EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 41 13.02.2011 17:12:5313.02.2011 17:12:53
42
Veranstaltungsreihe zu
Globalem Lernen 2008
European Global Education Days
Danute D7ra präsentiert die Ziele der EGED © M1ris Resnis
Ein Zusammenschluss von im Bildungs-
bereich tätigen Organisationen aus
den zwölf Ländern Deutschland, Estland,
Frankreich, Lettland, Litauen, Malta,
Österreich, Polen, Slowakei, Slowenien,
der Tschechischen Republik und Ungarn,
das Global Network of Young Europeans
(GLEN), führte die »European Global Edu-
cation Days 2008« (EGED) durch. Ziel
des Projektes war es, das Bewusstsein
der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
für das Thema Europa sowie für das ge-
genseitige Abhängigkeitsverhältnis zwi-
schen Europa und anderen Teilen der
Welt zu schärfen. Darüber hinaus sollte
die Grundlage für die Bildung von Netz-
werken zwischen europäischen Verei-
nen und Verbänden geschaffen werden.
Dafür wurden zwei Seminare, zahlrei-
che Tagungen und eine Konferenz durch-
geführt. Den Antrag auf eine Förderung
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 42EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 42 13.02.2011 17:12:5313.02.2011 17:12:53
43
durch die EU stellte die deutsche Institu-
tion InWEnt für das Netzwerk. Die EU un-
terstützte die Veranstaltungsreihe mit
rund 38.700 Euro.
Zu den Teilnehmenden des Projekts,
das im Herbst 2008 begann, gehörten
sowohl Jugendliche als auch Fachkräf-
te aus dem Bereich der Jugendbildungs-
arbeit. Die »European Global Education
Days 2008« boten ihnen die Möglich-
keit, sich für ihre europaweite Arbeit im
Bereich des Globalen Lernens zu qua-
lifi zieren. Im Mittelpunkt des Bildungs-
konzepts des Globalen Lernens stehen
insbesondere Fragen nach der Verwirkli-
chung der Menschenrechte, globaler Ge-
rechtigkeit und nach Bedingungen für
eine friedliche Welt sowie Umweltschutz.
Die »European Global Education
Days 2008« umfassten eine Reihe von
Veranstaltungen in verschiedenen Län-
dern: Im September und Oktober wurden
in Warschau (PL) für insgesamt 45 Jugend-
liche aus neun EU-Staaten zwei Work-
shops durchgeführt, bei denen sie Me-
thoden der Bürgerbeteiligung kennen-
lernten. Hierbei entwarfen sie Ideen für
zukünftige grenzübergreifende Projekte,
die sich mit der Thematik der europäi-
schen Bürgerschaft befassten. Dies be-
inhaltete die globale Verantwortung für
Europa, die Nachhaltigkeit des Umwelt-
schutzes und die Zukunft der Bildung in
Europa. Daneben fanden in der Zeit von
September bis Dezember in elf Mitglied-
staaten der EU öffentliche Bildungs ver-
an staltungen statt. Rund 1.600 Men-
schen nahmen an den verschiedenen
Aktivi täten wie Präsentationen, Film vor-
füh rungen, Diskussionsrunden, Spiele,
Theatervorstellungen und Konzerte teil.
Die fünftägige Abschlusskonferenz
im November in Marpingen (DE) stellte
den Höhepunkt des Projektes dar. 72
Jugendliche aus 15 Ländern kamen hier
»Global Education is a creative approach of bringing about change in our own society. It is an active learning process based on the universal values of tole-rance, solidarity, equality, justi-ce, inclusion and non-violence« Unbekannt, GLEN Flyer
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 43EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 43 13.02.2011 17:12:5413.02.2011 17:12:54
44
zusammen, um über Globales Lernen zu
diskutieren. Sie präsentierten auf einem
Markt der Möglichkeiten weltweite Bil-
dungsprojekte, an denen sie bereits mit-
gearbeitet hatten. Sie diskutierten wäh-
rend einer öffentlichen Veranstaltung
mit Gästen über die globale Verantwor-
tung Europas und das Thema Umwelt-
schutz. In Workshops erörterten sie ge-
meinsam mit eingeladenen Fachleuten
unterschiedliche Aspekte des Globalen
Lernens und deren Rolle für die Heraus-
bildung einer engagierten und verant-
wortungsbewussten europäischen Bür-
gerschaft.
Ebenfalls auf dem Programm stand
ein Besuch der von der EU organisierten
»European Development Days 2008« Ende
November in Straßburg (FR). Die Jugend-
lichen bereiteten hierfür eine Fotoaus-
stellung mit dem Titel »Voices of Europe«
vor, die Bilder und Aussagen von 20 EU-
Bürgerinnen und Bürgern zu Europa und
zur Rolle der Bürger in der EU zeigte.
Um in der Öffentlichkeit auf die Ver-
anstaltungsreihe aufmerksam zu ma-
chen, erstellten die Veranstalter einen
Flyer, der auf zwei Seiten das Konzept
des Globalen Lernens und die Aktivitäten
des Netzwerks GLEN erläutert. Er wurde
in einer Aufl age von 2.000 Stück in engli-
scher Sprache produziert. Die »European
Global Education Days 2008« wurden
abschließend in dem »Global Education
Guide« dokumentiert, einem vierzigsei-
tigen Bericht über die Inhalte, Methoden
und Ergebnisse der Workshops.
Projektträger:
ASA Programm InWEnt
Berlin
www.glen-europe.org
Anna Wrochna und Lukaš Policar in einem
Theater-Workshop während der EGED
© M1ris Resnis
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 44EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 44 13.02.2011 17:12:5413.02.2011 17:12:54
45
Multilaterale Tagung 2008 arbeit und Austausch der in diesem Be-
reich tätigen Organisationen, Fachleute
und Vertreter/innen der Politik. Die Diö-
zesan-Caritasverbände NRW (DE) und
die Caritas Oberösterreich (AT) wollten
mit dem Europaforum 2008, das sie im
November 2008 gemeinsam in Brüssel
durchführten, diesen europäischen Dia-
log unterstützen.
Die zweitägige Konferenz, an der
rund 70 Fachleute aus dem Gesundheits-
wesen, aber auch Politiker/innen aus
Belgien, Deutschland, Großbritannien,
Litauen, Polen und Rumänien teilnah-
men, stand unter dem Motto »Gesund-
heit – höchstes Gut? Europas Gesund-
heitspolitik vor neuen Herausforderun-
gen« und wurde von der Europäischen
Union mit rund 21.000 Euro gefördert.
Ein wichtiges Thema der Tagung
war die Armut in Europa. Die Diskussion
darüber, ob sie den Zugang zur Gesund-
heitsversorgung erschwert, stand im
Mittelpunkt der Veranstaltung. Die Teil-
Gesundheit – höchstes Gut?
Die Gesundheitspolitik auf europäischer
Ebene gewinnt zunehmend an Bedeu-
tung. Im Vertrag von Maastricht 1992
wird das Gesundheitswesen erstmals
erwähnt, mit dem Ziel der Erforschung,
Verhütung und Bekämpfung von weit-
verbreiteten und schwerwiegenden
Krankheiten. Der Gesundheitsschutz
muss seither in allen Politikfeldern
berücksichtigt werden.
Gesundheitsprobleme, die mit der
alternden Bevölkerung, ungesunder Le-
bensführung und wenig Bewegung zu-
sammenhängen, sowie die zunehmende
Patientenmigration sind aktuelle Heraus-
forderungen für das europäische Gesund-
heitswesen. Um diesen zu begegnen,
bedarf es einer europaweiten Zusammen-
Vertreter/innen von Gesundheitsdiensten
aus Belgien, Deutschland, Großbritannien,
Österreich und Rumänien diskutieren
über Ansprüche und Wirklichkeit in der
europäischen Gesundheitspolitik.
© Alfred Hovestädt
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 45EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 45 13.02.2011 17:12:5513.02.2011 17:12:55
46
nehmenden lernten zunächst in einem
Vortrag die unterschiedlichen Gesund-
heitssysteme in Europa kennen, um sich
darauf aufbauend mit der europäischen
Gesundheitspolitik auseinanderzu-
setzen.
Fachleute aus dem Gesundheits-
bereich referierten nicht nur über die
zukünftigen Herausforderungen der
europäischen Gesundheitspolitik und
mögli che Strategien, diese anzugehen,
sondern diskutieren auch über Zusam-
menhänge zwischen Gesundheitsversor-
gung und demographischem Wandel
in Europa. Auch Vertreter/innen der Euro-
päischen Kommission waren auf dem
Europaforum 2008 vertreten. Androulla
Vasilliou, die ehemalige EU-Kommissarin
für Gesundheit, stellte in einem Grußwort
die Hauptherausforderungen vor, denen
sich die EU gegenübersieht und die Maß -
nahmen, die ergriffen werden, um auf
diese zu antworten. Die Konfe renz teil-
Teilnehmer/innen der Konferenz mit der ehemaligen EU-Kommissarin für Gesundheit
Androulla Vassiliou im Vordergrund © Alfred Hovestädt
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 46EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 46 13.02.2011 17:12:5613.02.2011 17:12:56
47
nehmer/innen nutzten die Möglichkeit,
sich mit den Kommissionsangehörigen
über die Qualität, Versorgungssicher-
heit und Finanzierung einzelner Sozial-
und Gesundheitsdienste in Europa
auszutauschen.
Als ein Beispiel für innovative Ent-
wicklungen im Gesundheitswesen stellte
Dr. Axel Bürger, Ministerium für Arbeit,
Gesundheit und Soziales des Landes
Nordrhein-Westfalen, das Projekt »Ge-
sundheitscampus Nordrhein-Westfalen«
vor: Auf einem campusartigen Areal in
Bochum führt der »Gesundheitscam-
pus NRW« seit Juli 2009 Kompetenzen
aus Wissenschaft, Forschung und Ent-
wicklung sowie Wirtschaft zusammen.
Durch Kooperationen zwischen Wissen-
schaft und Wirtschaft sollen interdiszip-
linär neue Erkenntnisse über Krankhei-
ten gewonnen und daraus resultierend,
neue Therapien entwickelt werden. Ziel
ist es, das Spektrum von Versorgung, For-
schung und Entwicklung vor dem Hinter-
grund des demografi schen Wandels in
Europa langfristig zu erweitern.
Über den Anspruch und die Wirk-
lichkeit von Gesundheit in Europa disku-
tierten Mitarbeiter/innen von Gesund-
heitsdiensten aus Belgien, Deutschland,
Österreich und Rumänien am zweiten Tag
der Konferenz im Rahmen einer Podiums-
diskussion. Die Arbeitssprachen bei al-
len Veranstaltungen waren Deutsch und
Englisch.
Auszüge aus den Fachbeiträgen,
Präsentationen und Vorträgen, Hinter-
grundinformationen zu den behandelten
Themen sowie Bilder der Konferenz wur-
den in einer zwölfseitigen Broschüre in
deutscher Sprache dokumentiert.
Projektträger:
Caritas in NRW
Düsseldorf
www.caritas-nrw.de
»Mir bot die Versammlung da-
hingehend eine wertvolle Erfah-
rung, auf welche verschiedenen
Arten und Weisen verschiedene
Gesund heitssysteme gemeinsa-
men Problemen gegenübertreten.
(…) Das Treffen hat mich gelehrt,
wie wichtig internationale Austau-
sche sind für die Diskussion von
gemeinsamen Problemen und
Arten und Weisen, um damit um-
zugehen — es wird mehr Arbeit
benötigt und es müssen häufi ger
internationale Austausche statt-
fi nden, um gemeinsame Politik-
ansätze zur Kontrolle der Kosten
bei der Gesundheitsfürsorge und
zur Bekämpfung des Einfl usses
(…) der Big-Pharmakonzerne
sicherzustellen.«
John Middleton, Public Health,
Birmingham
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 47EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 47 13.02.2011 17:12:5713.02.2011 17:12:57
48
Multilaterale Konferenz
2008/2009
RADAR – Rural Areas Defence Against Racism
Die Projekt-Macher freuen sich über die
gute europäische Beteiligung.
© EZBB d RFV e. V.
Eröffnungsseminar in der Uckermark:
Deutsche Projektteilnehmer/innen stellen
sich der polnischen Delegation vor.
© EZBB d RFV e. V.
Nationalistische Strömungen gehen oft
mit Rassismus und Europafeindlichkeit
einher und bedrohen den europäischen
Integrationsprozess sowie die Anerken-
nung der gemeinsamen europäischen
Werte. Solche Auffassungen stehen im
Gegensatz zur Entwicklung einer euro-
päischen Identität und scheinen – so
die Beobachtung der Projektträger –
in ländlichen Gebieten stärker ausge-
prägt zu sein als in der Stadt. Diesem
Phänomen entgegenzuwirken, war Ziel
des Projektes »Rural Areas Defence
Against Racism – RADAR« (Ländliche
Regionen verteidigen sich gegen Rassis-
mus), das die Bildungs- und Jugend-
einrichtungen Europazentrum Branden-
burg-Berlin (DE), der Europaverein
Choja – Gryfi no (PL), der Verein »Kran-
kenpfl egeschule« Cheb (CZ) und die Bür-
gerwehr Ungarn (HU) von September
2008 bis Juli 2009 gemeinsam durch-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 48EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 48 13.02.2011 17:12:5713.02.2011 17:12:57
49
führten. Alle Organisationen sind in
ländlichen Regio nen angesiedelt, die
ähnlich strukturiert sind.
Im Rahmen einer Konferenzreihe
trafen sich Bildungsvertreter/innen und
Jugendarbeiter/innen aus den Partner-
ländern, um sich ein Bild über Erschei-
nungen von Rechtsextremismus, Frem-
denfeindlichkeit und Rassismus in den
jeweiligen Ländern zu machen, Erfah-
rungen auszutauschen und gemeinsam
Konzepte zu entwickeln, wie sie in ihren
Regionen wirksam und nachhaltig be-
kämpft werden können.
Neben einer gemeinsamen Auftakt-
konferenz im September 2008 in Pin-
now (DE) gab es insgesamt drei natio-
nale Konferenzen in den weiteren Part-
nerländern sowie im Anschluss eine
Vertiefungskonferenz, die in Kolberg (DE)
stattfand. Die ca. 50 Teilnehmer/innen
untersuchten in erster Linie, ob und in
welchem Umfang sich die Menschen, die
in ländlichen Gebieten in Deutschland,
Polen, Ungarn und Tschechien leben,
fremdenfeindlich und rassistisch verhal-
ten und wie die Bevölkerung und Institu-
tionen darauf reagieren. Schwerpunkte
der einzelnen Veranstaltungen waren
unter anderem die Problematik der Neo-
nazis in Deutschland und die Gewalt
gegen und die Diskriminierung von Sinti
und Roma in Tschechien und Ungarn.
Jede beteiligte Organisation hat die Kon-
ferez in ihrem Land selbständig inhalt-
lich gestaltet und organisiert.
In den Workshops, Vorträgen und
Diskussionsrunden, die bei den Tagun-
gen vorgesehen waren, wurde viel Wert
auf eine enge Verbindung zwischen The-
orie und Praxis gelegt. Die Teilnehmen-
den erarbeiteten sich komplexe Kennt-
nisse zu Rassismus, Fremdenfeindlich-
keit, Antiziganismus, übersteigertem
Nationalismus und Europafeindlichkeit,
und sie erfuhren anhand konkreter Bei-
spiele, welche Initiativen es im zivilen
aber auch im staatlichen Sektor zur Be-
kämpfung von menschenverachtenden
Haltungen gibt: zum Beispiel die Initiati-
ve der Krankenpfl egeschule in Cheb (CZ)
zur Integration von Roma-Kindern oder
auch eine Initiative der polnischen Poli-
zei zur Einhaltung der Menschenrechte.
Exkursionen, die in einem inhaltli-
chen Zusammenhang zu den jeweiligen
Schwerpunkten der Konferenzen stan-
den, vermittelten den Teilnehmer/innen
neue Sichtweisen auf das Thema. In Ber-
lin erlebten sie eine Führung unter dem
Motto »Berlin – Hauptstadt der Bewe-
gung? – Historische Lehren aus dem
deutschen Faschismus«, in Cheb (CZ)
besichtigten sie ein Wohnviertel der
Roma und in Budapest (HU) das Museum
des Terrors.
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 49EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 49 13.02.2011 17:12:5813.02.2011 17:12:58
50
In einer Abschlusskonferenz im Juni
2009 in Dresden entwickelten die Teil-
nehmer/innen eine gemeinsame Erklä-
rung, in der sie die erreichten Ergebnisse
zusammenfassten und ihre Absicht be-
kräftigten, zukünftig verstärkt für die Ver-
wirklichung der in der Charta der Men-
schenrechte verankerten Grundrechte in
ihrer Region einzusetzen. Sie verpfl ichte-
ten sich, mit geeigneten Maßnahmen wie
Toleranz-Workshops und Besuchen von
historischen Gedenkstätten, vor allem
junge Menschen im jeweiligen nationalen
Umfeld gegen rassistische und neonazis-
tische Einfl üsse zu stärken und zu eigen-
verantwortlichem Handeln zu ermutigen.
Geplant ist eine weitere Vernetzung
der beteiligten Organisationen und die
baldige Umsetzung eines gemeinsamen
Forschungsprojekts zum Thema »Deutsch-
polnische Grenzlandprobleme in der
Uckermark durch Zuzug polnischer Bür-
ger/innen«.
Um auch die Öffentlichkeit für die
Thematik der Veranstaltungsreihe zu
sensibilisieren, wurden vor Ort die regio-
nalen Medien über den Fortgang des
Projektes informiert und eine Internet-
seite zum Projekt erstellt, auf der die
erarbeiteten Ergebnisse präsentiert wer-
den. Unterstützt wurde das Projekt RA-
DAR von der Europäischen Union mit
ca. 40.200 Euro.
Projektträger:
Europazentrum Berlin-Brandenburg
des regionalen Fördervereins e. V.
Technologie- und Gemeindezentrum,
Pinnow
www.europazentrumbb.de/
radar/index.php
»Nun ist es natürlich wichtig,dass die Sozialarbeiter und Jugendhelfer nicht nur ihre Er-fahrungen austauschen, sondern wirklich zu einer Kooperation und vielleicht sogar einer ge-meinsamen Strategie im Kampf gegen Rassismus fi nden. Den ersten Schritt, nämlich darüber ohne Scheu miteinander zureden, haben sie bereits getan.«Matthias Bruck,Uckermark Kurier, 24.09.2008
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 50EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 50 13.02.2011 17:12:5813.02.2011 17:12:58
51
Europakompetenz für Migranten
Seminarreihe 2008/2009
Teilnehmer/innen des dritten Seminartreffens vor dem Schloss Sanssouci in Potsdam
© Kilian Kindelberger
Migrantinnen und Migranten haben oft
erschwerte Bedingungen, an der gesell-
schaftlichen Gestaltung Europas teilzu-
haben. Während EU-Bürger/innen mit
Wohnsitz in einem anderen EU-Mitglied-
staat bei Kommunal- und Europawahlen
wahlberechtigt sind, fehlt Zugewander-
ten aus Drittstaaten diese Möglichkeit
der politischen Partizipation. Das poli-
tische System der EU wirkt für sie unzu-
gänglich. Auf der anderen Seite werden
zahlreiche Entscheidungen der für sie re-
levanten Integrations-, Einwanderungs-
und Asylpolitik in Brüssel (vor-)entschie-
den – und damit über ihre Köpfe hinweg.
Die Berlin-Brandenburgische Aus-
landsgesellschaft e. V. (BBAG) verfolgt
seit 2004 als gemeinnützige Bildungs-
einrichtung das Ziel, Begegnung und Zu-
sammenarbeit zwischen den Menschen
verschiedener Länder zu fördern, insbe-
sondere die Begegnung von deutschen
und ausländischen Mitbürger/innen.
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 51EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 51 13.02.2011 17:12:5813.02.2011 17:12:58
52
Die BBAG unterstützt und organisiert in
der Region Brandenburg eine große Viel-
falt an auslandskulturellen Initiativen in
Verbindung mit politischer Bildung, Aus-
und Weiterbildung und Beratung. Die Fra-
ge von Teilhabe von Menschen mit Mi-
grationshintergrund bildet dabei einen
Schwerpunkt.
Zwischen September 2008 und April
2009 hat die Berlin-Brandenburgische
Auslandsgesellschaft gemeinsam mit der
niederländischen Stiftung Kontakt der
Kon tinenten (KdK), dem Bildungs träger
Sonnenberg-Kreis e. V. aus St. Andreas-
berg (DE) und dem WeltTrends e. V., Pots-
dam, das Projekt »Europakompetenz für
Migranten« durchgeführt, um Migrantin-
nen und Migranten über die Europäische
Union zu informieren und sie für die euro-
päische Integration zu begeistern. Das
Projekt, das von der EU mit 40.500 Euro
gefördert wurde, umfasste eine Seminar-
reihe für 33 Menschen aus Deutschland
und den Niederlanden mit unterschiedli-
chen Migrationsbiografi en. Die Teilneh-
mer/innen brachten aus ihren Herkunfts-
ländern kaum Kenntnisse über die EU mit,
und auch in ihrer neuen Heimat hatten
sie wenig Zugang zu Bildungsangeboten.
Um ihnen Kenntnisse über die
Grundlagen der Europäischen Union zu
vermitteln, kamen sie an insgesamt vier
Seminarterminen an verschiedenen Orten
in Deutschland und den Niederlanden
so wie in Brüssel zusammen, um Europa
kennenzulernen und sich zu europapoli-
tischen Themen auszutauschen. Im Pro-
jekt refl ektierten die Teilnehme r/innen,
wo kulturelle Unterschiede oder Gemein-
samkeiten liegen und wie sich ihre Mi-
gra tionsbiografi e auf ihr »Europäisch-
Sein« auswirkt. Gleichzeitig sollten sie
Europa kennenlernen, das in ihrem All-
tag in der Regel bisher keine sichtbare
Rolle gespielt hatte. Die Teilnehmer/in-
nen lernten, welche Bedeutung die euro-
päische Integration für das eigene Le-
bensumfeld hat.
Das erste der vier Seminartreffen
fand vom 17. bis 19. Oktober 2008 im
Internationalen Haus Sonnenberg in
St. Andreasberg im Harz statt. Es diente
zum gegenseitigen Kennenlernen und
zur Vermittlung von Grundlagen der Ge-
schichte und Institutionen der EU. Ein
Schwerpunkt der Diskussion lag dabei
auf der europäischen Migrations- und
Integra tionspolitik. Neben Fachreferaten
und thematischen Diskussionen boten
ein interkultureller Abend und eine ge-
meinsame Wanderung durch den herbst-
lichen Harz Gelegenheit, sich in lockerer
Atmosphäre auszutauschen.
Das zweite Projekttreffen im No-
vember 2008 in Amersfoort und Soester-
berg thematisierte Migration und Inte-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 52EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 52 13.02.2011 17:12:5813.02.2011 17:12:58
53
»Dass Migrant/innen durch aus
etwas zu sagen haben und in
Europa mehr Gehör fi nden wol-
len, wurde immer dann deut-
lich, wenn es um ihre Lebens-
bedingungen und Probleme
ging. Immer wieder kam die
Diskussion auf ungleiche Start-
bedingungen zu sprechen: Wie
soll Integration gelingen, wenn
Ausbildungen, Abschlüsse und
Kompetenzen von Migranten
als essentieller Teil ihrer Bio-
grafi e in ihrer neuen Heimat
nicht anerkannt werden?«
Kilian Kindelberger,
Geschäftsführer der BBAG
gration in den Niederlanden; das dritte
Treffen im Februar 2009 in Potsdam stell-
te die Situation in Deutschland in den
Mittelpunkt. Beide Seminartermine wur-
den umrahmt von einem touristisch-kul-
turellen Begleitprogramm, um den Alltag
der Projektpartner kennenzulernen und
das Verständnis füreinander zu erhöhen.
In Potsdam nahm die Gruppe auch an
der feierlichen Eröffnung des Europe Di-
rect Informationszentrums in Potsdam
in den Räumen der BBAG teil.
Im März 2009 schließlich fand das
vierte Seminar in Brüssel statt. Bei Be-
suchen bei Europaparlamentariern, der
Europäischen Kommission, der EU-Ver-
tretung des Landes Brandenburg und
euro paweit agierenden Netzwerken wie
dem European Network against Racism
(ENAR) stellten die Teilnehmer/innen
das Projekt vor und hatten die Gelegen-
heit, die Ergebnisse der vorherigen Se-
minare zu präsentieren, aber auch ihre
persön li chen Sichtweisen und Interes-
sen zu ver treten. Sie betonten, wie wich-
tig es für Migrant/innen sei, sich als Teil
der europäischen Gesellschaften mit der
Europäischen Union und ihrer Politik zu
befassen: Europa in seiner Beschaffen-
heit kennenzulernen, sei damit auch ein
Schritt zur besseren Integration. Zum
Abschluss des Brüsseler Treffens wurden
»Empfehlungen für eine Europäische In-
tegrationspolitik für Personen mit Migra-
tionshintergrund« verabschiedet. Die Er-
gebnisse und ein ausführlicher Projekt-
bericht wurden im Newsletter der BBAG
im August 2009 veröffentlicht.
Projektträger:
Berlin-Brandenburgische
Auslandsgesellschaft (BBAG) e. V.
Potsdam
www.bbag-ev.de
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 53EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 53 13.02.2011 17:12:5813.02.2011 17:12:58
54
Vote Europe!
Internetplattform zur
Europawahl 2009
Start des Internetportals »Vote Europe« im März 2009 © KAB Deutschland
Seit 1979 sind die Bürger/innen der Eu-
ropäischen Union alle fünf Jahre dazu
aufgerufen, die Mitglieder des Europäi-
schen Parlaments, also ihre nationalen
Vertreter/innen auf europäischer Ebene,
zu wählen. Das Interesse an den Wahlen
ist mäßig und die Wahlbeteiligung seit-
her von 65 Prozent im Jahre 1975 auf 43
Prozent im Jahr 2004 stetig gesunken.
Europa wird bei den Wähler/innen oft-
mals als abstraktes Gebilde wahrgenom-
men, und anders als bei den Bundes-
tagswahlen in Deutschland, lässt die Eu-
ropawahl scheinbar für viele Bürger/
innen keine unmittelbaren Auswirkungen
auf ihr Leben und ihren Alltag erkennen.
Um die europäische Bevölkerung
für die anstehenden Wahlen zum Euro -
päi schen Parlament im Jahr 2009 zu
sensi bi lisieren und zur Abgabe ihrer
Stimme zu motivieren, initiierte die
Katholische Arbeitnehmerbewegung
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 54EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 54 13.02.2011 17:12:5813.02.2011 17:12:58
55
Deutschland (KAB) in Zusammenarbeit
mit der Katholischen Arbeitnehmer/in-
nen Bewegung Österreich, dem Katho-
lischen Verband der Werktätigen Süd-
tirols (AT), der KWB Belgie (BE), der KAV
Belgie (BE) und der Europäischen Bewe-
gung Christlicher Arbeitnehmer (BE) ein
Instrument, das eine möglichst große
Bandbreite der Bevölkerung ansprechen
und von dieser aktiv genutzt werden
konnte: das Internetportal »Vote Euro-
pe!«. Die Internetseite sollte dazu beitra-
gen, die negative Meinung über die EU
abzubauen, die Bürger/innen aktiv in die
Prozesse der Europäischen Union einzu-
beziehen und bei ihnen das Bewusstsein
für die demokratische Verantwortung je-
des Einzelnen zu fördern.
Screenshot des EU-Barometers
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 55EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 55 13.02.2011 17:12:5913.02.2011 17:12:59
56
Im März 2009, drei Monate vor den
Wahlen, ging das Portal online. Es war
unterteilt in drei große Rubriken: EU-
Wahl, Dialog und EU-Barometer. In der
ersten Rubrik fanden die Nutzer/innen
Hintergrundinformationen rund um die
Europawahlen in den Sprachen Deutsch,
Englisch, Französisch, Niederländisch
und Spanisch. Diese Rubrik bot Infor-
mationen zu laufenden Kampagnen so-
wie aktuelle Nachrichten im Vorfeld der
Wahlen. Fünf Themenbereiche, die im
Wahlkampf für die Wähler/innen beson-
ders wichtig waren, wurden auf Unter-
seiten vertieft: Arbeit, Bildung, sozia-
le Sicherung, Migration und Zusammen-
halt in Europa. Jedes der Themen wurde
einleitend erläutert, die Nutzer/innen
hatten Zugriff auf die wichtigsten Daten,
Zahlen, Fakten hierzu sowie auf weiter-
führende Internetadressen. Die Projekt-
partner hatten ihre Positionen und Stra-
tegiepapiere hinsichtlich dieser Schwer-
punktthemen eingestellt.
Unter dem Titel »Dialog« waren in
der zweiten Rubrik Interviews mit Europa-
Abgeordneten eingestellt, die die Nutzer/
innen kommentieren oder sich mit ande-
ren darüber austauschen konnten.
Den Mittelpunkt der Internetplatt-
form bildete die dritte Rubrik, das EU-
Barometer: Hier waren die Besucher/in-
nen aufgerufen, sich aktiv zu beteiligen
und ihr Votum zu verschiedenen Frage-
stellungen hinsichtlich der fünf genann-
ten Themenbereiche abzugeben. Das
Motto lautete: »Reinschauen, abstim-
men, mitmachen und der Politik die Mei-
nung sagen!« Die Abstimmungsergeb-
nisse wurden den Kanditat/innen der
Europawahl 2009 zugesandt, um die Be-
deutung sozialer Fragen im Wahlkampf
deutlich zu machen.
Insgesamt 1.786 Menschen betei-
ligten sich am EU-Barometer. Das Portal
»Vote Europe!« ist auch nach der Wahl in
Betrieb, sowohl die Abstimmungsergeb-
nisse als auch die Auswertung des Baro-
meters sind weiterhin verfügbar.
Projektträger:
KAB Deutschland
Köln
www.vote-europe.net
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 56EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 56 13.02.2011 17:12:5913.02.2011 17:12:59
57
Kreativworkshops für
Jugendliche 2009
Kreativ in Europa
Gemeinsame Auswertungsrunde des Seminars © Internationales Begegnungszentrum
St. Marienthal (IBZ)
»Kreativ in Europa« lautete der Titel eines
einwöchigen Jugendseminars im Sep-
tember 2009 im Internationalen Begeg-
nungszentrum St. Marienthal (IBZ), bei
dem die Teilnehmer/innen erprobten,
sich aktiv und kreativ für das Zusammen-
wachsen Europas zu engagieren und so
die Zukunft Europas sowie der EU mitzu-
gestalten. An diesem 13. Interkulturellen
Seminar nahmen 80 Jugendliche aus
Deutschland, Italien, Lettland, Litauen,
Polen, Schweden und Tschechien teil.
Kooperationspartner des IBZ St. Marien-
thal waren das Gymnazium Vrchlabi (CZ),
die St. Ursula Schule Hannover (DE), das
Instituto Santa Giuliana Falconieri (IT),
die Jesuit High School Vilnius (LT), das
Johannes-Paul Gymnasium Sieradz (PL)
und das Wenströmska Gymnasium (SE).
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 57EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 57 13.02.2011 17:13:0013.02.2011 17:13:00
58
»Es soll keinen Platz für die Frem-
denfeindlichkeit, Vorurteile und
Stereotypen geben. Wir sind
hier, um eine kleine europäische
Gemeinschaft zu bilden, wo
keiner sich als Außenseiter fühlen
sollte.«
Karolina Szymaczak, Teilnehmerin
nehmer/innen pro Abend jeweils zwei
Länder vor und gaben einen Einblick in
deren Kultur und Geschichte. Sie berei-
teten landestypische Gerichte vor und
boten einen kleinen Sprachkurs mit den
wichtigsten Begriffen an. Durch kleine
Filme und Präsentationen machten sie
die Nationen auch visuell zugänglich.
Einen weiteren Zugang zum Dialog
zwischen den Kulturen in der EU fanden
die Jugendlichen durch die Gründung
einer internationalen Band. Diese ent-
wickelte die Musik für den gemeinsa-
men Film »Living in Transit«, der aus der
Arbeit aller Gruppen entstand. Weitere
Ergebnis se der internationalen Zusam-
menkunft waren eine Seminarzeitung
und eine Ausstellung zur EU.
Das Projekt wurde von der Europäischen
Union mit 52.500 Euro unterstützt. Die
Seminarsprachen waren Deutsch und
Englisch.
Die Jugendlichen erarbeiteten in
Kleingruppen Ideen zur Zukunft der EU
und zu ihrem eigenen Engagement in-
nerhalb dieser. Dabei lag der Fokus auf
dem aktiven und schöpferischen Weg
der Teilnehmer/innen und dem kreativen
Zugang zu den Themen. So beschäftigte
sich eine Arbeitsgruppe mittels eines
Kurzfi lms und Interviews mit dem The-
ma der EU-Politik und ihren Auswirkun-
gen. Eine weitere Gruppe näherte sich
dem Thema »20 Jahre nach dem Fall der
Mauer – Die Zukunft der EU und ihre
Grundwerte« durch Diskussionen, aus-
giebige Internetrecherchen und die Er-
stellung von Nachrichtensendungen an.
Der Interkulturelle Dialog innerhalb
der EU wurde ebenfalls zum praktischen
Gegenstand des Seminars. Im Rahmen
von »Nationalabenden« stellten die Teil-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 58EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 58 13.02.2011 17:13:0113.02.2011 17:13:01
59
Zur Dokumentation der gemeinsa-
men Arbeit erstellten die Teilnehmer/in-
nen eine Internetseite, auf der sie Fotos,
Filme und Berichte über die einzelnen
Workshops einstellten. Darüber hinaus
wurden die Ergebnisse des Seminars am
Tagungsort sowie in den Heimatländern
der Teilnehmer/innen veröffentlicht.
Auch frühere Seminare, die das
IBZ St. Marienthal mit wechselnden Ko-
operationspartnern durchführte, waren
schon von der EU gefördert worden. Das
11. Interkulturelle Seminar im Jahr 2007
mit dem Titel »Zusammen für Europa –
50 Jahre Römische Verträge« führte Ju-
gendliche aus Deutschland, Bosnien-
Herzegowina, Lettland, Litauen, Polen
und Schweden anlässlich des Jahres-
tages der Gründung der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zusam-
men. Es wurde mit rund 52.260 Euro
seitens der EU unterstützt.
Unter dem Titel »Geeint in Vielfalt«
diskutierten 72 Jugendliche aus Deutsch-
land, Bosnien-Herzegowina, Italien, Lett-
land, Litauen, Polen und Tschechien im
September 2008 über Themen wie Chan-
cengleichheit in der EU, Interkultu reller
Dialog, Minderheiten in der EU, der Ver-
trag von Lissabon und die Zukunft der EU.
Das einwöchige Seminar fand in deut-
scher und englischer Sprache statt und
wurde mit ca. 52.650 Euro von der EU
gefördert.
Projektträger:
Internationales Begegnungs-
zentrum St. Marienthal
Ostritz-St.Marienthal
www.kreativ-in-europa.eu
Interview für das Online-Seminarradio
© Internationales Begegnungszentrum
St. Marienthal (IBZ)
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 59EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 59 13.02.2011 17:13:0113.02.2011 17:13:01
60
Weimarer Sommerkurse 2009
Kleingruppenarbeit im Garten der Bildungsstätte © Pascal Mauf
Meilensteine der Demokratie – Europäische Erinnerungen
Die Weimar-Jena-Akademie (DE) führt
seit dem Jahr 2000 jährlich die »Weima-
rer Sommerkurse« durch, bei denen jun-
ge Menschen unterschiedlicher Natio-
nalitäten zwei Wochen lang an kulturel-
len und europäischen Fragestellungen
arbeiten.
Im August 2009 fanden die »Weima-
rer Sommerkurse« in Kooperation mit
dem Sender Radio Lotte (DE), dem Verein
Stowarzyszenie Jeden Swiat aus Poznan
(PL), dem Kleinpolnischen Kulturinstitut
aus Krakau (PL) und der Université Sor-
bonne Nouvelle – Paris 3 (FR) in Weimar
statt. Arbeitssprachen waren Deutsch
und Englisch. Die EU förderte die Veran-
staltung mit ca. 44.000 Euro.
Anlass für die Wahl des Themas
»Meilensteine der Demokratie – Europä-
ische Erinnerungen im Jahr 2009« boten
die vielen in dem Jahr anstehenden Jubi-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 60EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 60 13.02.2011 17:13:0113.02.2011 17:13:01
61
Von den 70 Studierenden, die an
den Kursen teilnahmen, kamen 30 aus
förderfähigen Ländern. Die anderen Teil-
nehmer/innen aus Mexiko, der Türkei,
Georgien, Armenien, den USA und Süd-
korea konnten bei der Zuschussberech-
nung nicht berücksichtigt werden. In
sechs parallel stattfi ndenden Kursen
zu Themen aus den Bereichen Literatur,
Kunst, Kulturgeschichte, Gender Studies
und Philosophie befassten sie sich mit
einzelnen Stationen des europäischen
Demokratisierungsprozesses, unter an-
derem mit der Zeit der Weimarer Repu-
blik als »demokratischem Experiment«
oder den »Wegen der Frauen- und Män-
nerpartizipation«.
Neben diesen Kursen fanden Vor-
träge, Diskussionsrunden, Lesungen und
thematische Filmabende statt. Die Betei-
ligten besuchten kulturell und historisch
bedeutsame Stätten in Weimar sowie die
Gedenkstätte Buchenwald und mach-
ten Tagesausfl üge nach Berlin, Dresden,
Dessau, Erfurt und Jena. Am letzten Tag
wurden die Ergebnisse der Kurse im Ple-
läen von Ereignissen, die die europäi-
sche Demokratie entscheidend geprägt
haben: zum Beispiel das 220-jährige Ju-
biläum der Französischen Revolution
und die Verabschiedung des Grundgeset-
zes der Bundesrepublik Deutschland im
Jahr 1949. Von besonderer Bedeutung
war der Fall der Berliner Mauer 1989, der
die politische Landkarte Europas und der
Welt grundlegend veränderte. Ziel der
Sommerkurse im Jahr 2009 war es, sich
mit jenen Ereignissen, Denkumbrüchen
und den damit einhergehenden politi-
schen und gesellschaftlichen Verände-
rungen seit 1789 auseinanderzusetzen
und darauf aufbauend gemeinsam Wege
zu erarbeiten, die zum weiteren Demo-
kratisierungsprozess in Europa beitra-
gen können.
In der Gedenkstätte Buchenwald
© Claus Bach
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 61EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 61 13.02.2011 17:13:0213.02.2011 17:13:02
62
num präsentiert und von den Studieren-
den in Workshops diskutiert.
Neben dieser inhaltlichen Arbeit
fand ein breites kulturelles Rahmenpro-
gramm statt, um das gegenseitige Ken-
nenlernen und den Austausch unter-
einander anzuregen. Hierzu gehörten
Konzerte, Theatervorstellungen und ein
Volkstanzabend.
Die Öffentlichkeitsarbeit der
Weimar-Jena-Akademie für die »Weima-
rer Sommerkurse 2009« wurde durch
den Sender Radio Lotte (DE) unterstützt.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer
nahmen Berichte, Fotodokumentationen
und Erfahrungen mit in ihre Heimatlän-
der und gaben sie dort an lokale und re-
gionale Medien weiter. Auch im Internet
können sich Interessierte und zukünftige
Teilnehmer/innen über die Sommerkur-
se informieren. Hierfür richteten die Pro-
jektträger nicht nur eine eigene Internet-
seite, sondern auch ein Konto bei dem
sozialen Netzwerk Facebook ein. So kön-
nen auch ehemalige Teilnehmer/innen in
direktem Kontakt bleiben und sich über
die neuesten Entwicklungen der Weima-
rer Sommerkurse informieren.
Im Jahr 2010 wurden die »Weimarer
Sommerkurse« zum Thema »Moral in
unmoralischen Zeiten. Die Suche nach
ethischen Orientierungen in Philosophie,
Literatur und Kunst« durchgeführt. Dies-
mal wurden sie von der Europäischen
Kommission mit 24.400 Euro unterstützt.
Projektträger:
Weimar-Jena-Akademie e. V.
Weimar
www.sommerkurse-weimar.de
»Sehr gelungen war die Verbin-dung eines theoretischen Kurses mit praktischem Workshop.« Teilnehmer/in, anonym
»Ich war auch glücklich, so viele Leute aus verschiedenen Ländern kennen zu lernen, von diesen Treffen habe ich wirklich sehr viel profi tiert.« Teilnehmer/in, anonym
»Ich habe etwas ganz Wesent-liches erfahren, was mir im Umgang mit mir selbst mit mei-ner Nationalität unter anderen Nationalitäten und mit meiner persönlichen Zukunft sehr viel geholfen hat.« Teilnehmer/in, anonym
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 62EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 62 13.02.2011 17:13:0213.02.2011 17:13:02
63
European Youth Parliament,
Helsinki 2009
nagement des EYP übernommen. Es ist
seither zum größten Programm der Stif-
tung geworden. Die nationalen Vereine
des EYP sind das Herzstück des Pro-
gramms. Sie werden ausschließlich von
ehrenamtlich aktiven Jugendlichen ge-
tragen. Neben europäischen Foren und
Veranstaltungen organisieren sie natio-
nale Auswahlsitzungen für ihre Delega-
tionen, die an den Internationalen Sit-
zungen teilnehmen werden. Im Rahmen
des EYP-Netzwerks kommen so auf über
90 Veranstaltungen pro Jahr europaweit
über 20.000 Jugendliche zum europäi-
schen Dialog, zur Diskussion und zur par-
lamentarischen Debatte zusammen.
Die Internationalen Sitzungen sind
die zentralen und wichtigsten Veranstal-
tungen, die jeweils mindestens 250 jun-
ge Menschen aus ganz Europa für zehn
Tage zu europapolitischen Debatten ver-
sammeln. Die Jugendlichen erarbeiten
Kreatives Europa – Dynamisches Europa
Präsidium der 62. Internationalen Sitzung
des EYP in Helsinki © Schwarzkopf-Stiftung
1987 fand im französischen Fontaine-
bleau die erste Sitzung des Europäischen
Jugendparlaments statt. Jugendliche
konnten sich zum ersten Mal in Form
einer simulierten Parlamentssitzung eu-
ropaweit mit aktuellen politischen und
gesellschaftlichen Themen auseinander-
setzen. Seither hat die Idee Früchte ge-
tragen und ist zu einer Erfolgsgeschichte
geworden: In mehr als 30 europäischen
Ländern haben sich nationale Vereine
unter dem Dach des European Youth Par-
liaments (EYP) gegründet, die Veranstal-
tungen, Seminare und Sitzungen auf na-
tionaler Ebene organisieren und dreimal
jährlich zu den Internationalen Sitzun-
gen des EYP zusammen kommen.
Im Jahr 2004 hat die Berliner
Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa,
die sich seit 1971 für die Förderung der
euro papolitischen Bildung Jugendlicher
einsetzt, die Organisation und das Ma-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 63EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 63 13.02.2011 17:13:0213.02.2011 17:13:02
64
in internationaler Teamarbeit politische
Vorschläge und Visionen für ein zukünf-
tiges Europa und debattieren diese nach
parlamentarischem Vorbild in einer Voll-
versammlung. Politische Debatten und
Entscheidungsfi ndung werden so für eu-
ropäische Jugendliche erlebbar gemacht,
sie erfahren konkret aktive Partizipation
und interkulturellen Dialog. Das EYP för-
dert die Entwicklung einer aktiven euro-
päischen Bürgerschaft, indem sie den Ju-
gendlichen Kompetenzen vermittelt, wie
sie sich in die Gestaltung Europas ein-
bringen können.
Drei der 65 Internationalen Sitzun-
gen wurden von der Europäischen Union
aus dem Programm »Europa für Bürge-
rinnen und Bürger« unterstützt. Die größ-
te der geförderten Veranstaltungen war
die 62. Sitzung im Herbst 2009 in Hel-
sinki, die die Schwarzkopf-Stiftung – wie
bei den anderen Simulationen auch –mit
dem nationalen Partner aus dem EYP-
Netzwerk zusammen organisiert hat. Sie
stand im »Europäischen Jahr für Kreati-
vität und Innovation 2009« unter dem
Motto »Kreatives Europa – Dynamisches
Europa«. 273 Jugendliche zwischen 16
und 20 Jahren aus 29 europäischen Län-
dern gingen der Frage nach, wie sich ein
Europa der Zukunft schaffen lässt, das
die Herausforderungen etwa in der Wirt-
schaftspolitik oder bei Bürgerrechts-
fragen dynamisch und reformorientiert
anpacken kann.
Die Internationale Sitzung in Hel-
sinki folgte dabei methodisch einer be-
währten Balance zwischen Teambuild-
ing-Aktivitäten und inhaltlicher Arbeit in
Kleingruppen, thematischen Ausschüs-
sen sowie der Vollversammlung. Zu Be-
ginn der Tagung wurden die Teilnehmer/
innen in 15 kleinere Gruppen aufgeteilt,
in so genannte International Commit-
»Die Sitzung in Helsinki war eine extrem interessante Erfah-rung für mich. Alleine in mei-nem Committee arbeitete ich mit Delegierten aus 15 verschiede-nen Ländern zusammen. Es war überaus spannend und heraus-fordernd, mit Menschen von so unterschiedlichen Hintergründen einen Konsens zu erarbeiten.« Justin Krahe, EYP-Delegierter
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 64EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 64 13.02.2011 17:13:0413.02.2011 17:13:04
65
tees, um sich kennenzulernen und sich
in der ungewohnten Konferenzatmo-
sphäre leichter einbringen können. In
diesen Committees wurden an den Folge-
tagen erste politische Debatten angeregt
und eine Abschlussresolution vorberei-
tet, die von der Vollversammlung disku-
tiert und angenommen wurde.
Die politische Auseinandersetzung
wurde begleitet von einem abwechs-
lungsreichen Kulturprogramm und Abend-
aktivitäten in Helsinki. Eines der High-
lights war aus Sicht der Teilnehmer/
innen das »Eurovillage«, bei dem die na-
tionalen Delegationen in traditioneller
Kleidung kulinarische Spezialitäten und
kulturelle Potpourris aus ihren Ländern
präsentierten.
Neben der Helsinki-Sitzung, die von
der Europäischen Union mit 51.000 Euro
gefördert wurde, hat auch die 61. Inter-
nationale Sitzung des EYP im Juli 2009 in
Leuven im Förderjahr 2008 dieselbe Un-
terstützung erhalten. Die 66. Sitzung des
Jugendparlaments in Grenoble 2011 wird
von der EU mit 48.000 Euro gefördert.
Alle Internationalen Sitzungen der
vergangenen Jahre sind auf der Internet-
seite des European Youth Parliaments
ausführlich dokumentiert. Mittlerweile
sind dort während der Sitzungszeiten
auch Livestreams verfügbar, zudem sind
alle Informationen zeitnah über die so-
zialen Netzwerke im Internet abrufbar.
Damit erreicht das EYP eine hohe öffent-
liche Aufmerksamkeit. Die von den De-
legierten erarbeiteten Vorschläge zu
aktuellen Fragen europäischer Politik
werden regelmäßig an politische Ent-
scheidungsträger weitergereicht und von
ihnen kommentiert. Die Internationalen
Sitzungen des EYP stehen unter der
Schirmherrschaft des Präsidenten des
Europäischen Parlaments und des Gene-
ralsekretärs des Europarates.
Projektträger:
Schwarzkopf-Stiftung
Junges Europa
Berlin
www.eypej.org
Internationale Sitzung des EYP: Blick ins
Plenum © Schwarzkopf-Stiftung
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 65EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 65 13.02.2011 17:13:0413.02.2011 17:13:04
66
Demokratie in Bewegung – democracy in motion
Dokumentation einer
Reise 2009
Mit dem EU-Zuschuss wurde die Dokumenta tion einer Reise gefördert, unter anderem die
Internetseite www.democracy-in-motion.eu, nicht die Reise selbst.
Joseph Beuys verstand Kunst als Gestal-
tungsprinzip für die Gesellschaft. Sein
»erweiterter Kunstbegriff« umfasste das
Potential des Einzelnen, durch kreati-
ves Handeln zum Wohl der Gemeinschaft
beizutragen und so gestaltend auf die
Gesellschaft einzuwirken, statt die Po-
litik den Parteien und Funktionären zu
überlassen. Beuys bezog Formen der di-
rekten Demokratie in seine Überlegun-
gen ein.
Auf diesen Ansatz aufbauend rief
sein Schüler Johannes Stüttem 1987 die
Bürgerinitiative »OMNIBUS für direkte
Demokratie in Deutschland« ins Leben.
Interessierte Bürger/innen, Künstler/
innen und Studierende reisen alljähr-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 66EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 66 13.02.2011 17:13:0713.02.2011 17:13:07
67
Omnibus vor dem Reichstagsgebäude © OMNIBUS für direkte Demokratie gemeinnützige GmbH
lich mit einem doppelstöckigen Omni-
bus als fahrende Schule und Gesprächs-
zentrum für direkte Demokratie durch
Deutschland.
Im Jahr 2009 initiierte der inzwi-
schen als gemeinnützige GmbH etablier-
te OMNIBUS für direkte Demokratie (DE)
gemeinsam mit dem Verein Mehr Demo-
kratie! (DE) und der Athens School of
Fine Arts (GR) eine Reise durch Südost-
Europa, um das in Deutschland erprobte
Konzept auf Europa auszuweiten. Insbe-
sondere die Bevölkerung in den neuen
EU-Mitgliedstaaten sollte über Möglich-
keiten informiert werden, sich an poli-
tischen Entscheidungen zu beteiligen,
und zur aktiven Teilnahme an demokra-
tischen Prozessen ermutigt werden.
Unter dem Motto »Demokratie in
Bewegung – democracy in motion«
durchquerte der Bus innerhalb von drei
Monaten zwölf Länder, legte ca. 8.000
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 67EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 67 13.02.2011 17:13:0813.02.2011 17:13:08
68
informationen und dem Programm der
Tour – zeitnah auf der Internetseite ein.
Die Interviews wurden im Originalton
wiedergegeben und in deutscher Spra-
che untertitelt. Anhand einer interakti-
ven Landkarte ließen sich die Route des
Busses verfolgen und detaillierte Infor-
mationen zu den Aktivitäten an den Sta-
tionen abfragen. Persönliche Eindrücke
aus dem täglichen Geschehen beschrieb
der Busfahrer im so genannten »Om-
niblog« auf der Website.
Projektträger:
OMNIBUS für direkte Demokratie
gemeinnützige GmbH
Hattingen
www.democracy-in-motion.eu
Kilometer zurück und machte in über
20 Städten Station. In Zusammenarbeit
mit Goethe-Instituten vor Ort und ande-
ren regionalen Partnern wurden hier Vor-
träge, Diskussionsrunden, Lesungen,
Workshops, Ausstellungen und Filmvor-
führungen zum Thema »Kunst und De-
mokratie« organisiert. In Parlamenten,
Universitäten, Schulen, Museen und auf
öffentlichen Plätzen sprachen die Mit-
arbeiter/innen des OMNIBUS mit der
Bevölkerung, Künstler/innen, Wissen-
schaftler/innen und Initiativen über De-
mokratie und versuchten, gemeinsam
mit ihnen Ideen für die Mitgestaltung
der Zukunft Europas zu entwickeln.
Für jedes Land erstellten die Organi-
satoren eine Broschüre zum Hintergrund
des Projekts in der jeweiligen Sprache.
Höhepunkte der Reise waren die mehr-
tägigen »Kunst und Demokratie«-Veran-
staltungen in Athen, der Wiege der De-
mokratie, die ein Kolloquium zum Thema
sowie eine Diskussionsveranstaltung
über Ursprung und Entwicklungsmög-
lichkeiten der Demokratie mit Teilneh-
mer/innen aus Griechenland, Deutsch-
land und der Schweiz, eine Ausstellung
mit Videoinstallationen von Athener
Kunststudent/innen sowie Projekttage
an der Deutschen Schule in Athen um-
fassten.
Aber nicht diese Reise selbst wurde
von der Europäischen Union gefördert.
Den EU-Zuschuss in Höhe von 55.000
Euro erhielten die Projektträger für ih-
re umfangreiche Filmdokumentation der
Reise sowie die Erstellung einer zwei-
sprachigen Internetseite. Alle ca. 80 Ver-
anstaltungen in den Städten wurden in
Filmen, Fotos und Texten festgehalten.
Zahlreiche Interviews mit Besucher/in-
nen des OMNIBUS wurden aufgezeich-
net. Das Team stellte diese Dokumenta-
tionen – zusätzlich zu den Hintergrund-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 68EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 68 13.02.2011 17:13:0813.02.2011 17:13:08
69
The Voice of Europe
Trainingsseminare für
Jugendliche 2009
ningsseminare und Konferenzen, bei de-
nen politische Themen diskutiert und
gemeinsam medial umgesetzt werden.
Ziel des Projektes »The Voice of Eu-
rope« war es, Jugendliche zur Nutzung
neuer Medien und sozialer Netzwerke zu
ermutigen und zu qualifi zieren. Sie soll-
ten damit in die Lage versetzt werden,
ihre politischen und gesellschaftlichen
Anliegen und Themen an eine breitere
europäische Öffentlichkeit zu richten,
sich untereinander auszutauschen und
gegenüber politischen Entscheidungs-
trägern zu artikulieren. Projektpartner
von Youth4Media e. V. waren die Nowy
Staw Stiftung (PL) und der britische Ver-
band für Bürgermedien Community Me-
dia Association (UK).
In zwei Seminaren kamen 30 Ju-
gendliche aus den Mitgliedsorganisatio-
nen des Youth4Media-Netzwerks aus
Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Mal-
ta, Rumänien und Polen zusammen. Die
Europäische Union unterstützte das Pro-
jekt 2009 mit gut 40.000 Euro.
Eine »The Voice of Europe«-Teilnehmerin
im Interview während des »Economic
Forum of Young Leaders« in Nowy S0cz
© Youth4Media
Meinungsaustausch fi ndet immer häufi -
ger und intensiver über digitale Medien
statt. Das gilt insbesondere für Jugend-
liche. European Youth4Media e. V. (DE)
ist ein europäisches Netzwerk von 36
Kultur- und Medieneinrichtungen, Agen-
turen und Jugendorganisationen aus 26
Ländern, das Jugendliche bei der Produk-
tion und Nutzung von audiovisuellen Me-
dien und ihrer Verbreitung durch das In-
ternet unterstützt. Übergreifendes Ziel
der Arbeit von Youth4Media ist es, den
politischen und interkulturellen Dialog
zu fördern und die Jugendlichen zum in-
ternationalen Austausch anzuregen. Die
gemeinsame Gestaltung der Zukunft Eu-
ropas steht dabei im Mittelpunkt. Das
Netzwerk organisiert regelmäßig Trai-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 69EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 69 13.02.2011 17:13:0813.02.2011 17:13:08
70
»Ich verbrachte die letzte Wo-che in Berlin und konnte meine journalistischen Fähigkeiten verbessern. Dies war eines der schönsten Projekte, in die ich bisher mit einbezogen worden bin. Während der Woche haben wir die faszinierende Geschich-te Berlins kennengelernt und unsere ersten Schritte in der journalistischen Arbeit gewagt.« Mathew Davies, Teilnehmer des Trainingsseminars in Berlin
che Entscheidungsträger, erstellten Vi-
deodokumentationen und Kommentare
und brachten sich in die Debatte ein.
Während des zweiten einwöchigen
Seminars im Dezember 2009 in Berlin
fanden vertiefende Workshops zu Me-
diengestaltung sowie zu Techniken im
Debattieren und Argumentieren statt.
Den thematischen Rahmen bildete die
kurz zuvor bekannt gewordene Ernen-
nung von Herman Van Rompuy zum Prä-
sidenten des Europäischen Rates. Be-
handelt wurde die Frage, ob die EU als
obersten Repräsentanten einen vom Volk
gewählten Präsidenten oder einen eher
koordinierenden, benannten Diplomaten
brauche. Die Teilnehmer/innen tausch-
ten dazu eigene Argumente aus und be-
suchten verschiedene Institutionen wie
die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige
Politik und das Institute for Cultural Di-
plomacy. Diese Vorbereitungen münde-
ten in eine moderierte Debatte aller Teil-
nehmer/innen am letzten Seminartag,
die live im Internet übertragen wurde.
Das erste sechstägige Trainings -
seminar fand im September 2009 im pol-
nischen Nowy S0cz statt. Im Mittelpunkt
stand die Beziehung zwischen neuen
Medien und politischer Bildung. Nach
einer Einführung in neue Kommunika-
tionstechnologien teilte sich die Gruppe
in drei vertiefende Workshops zu Video-
Journalismus, Neue Medien/Online-Jour-
nalismus und in ein »Debate and Web-
Team« auf. Anschließend nahmen alle
am »Economic Forum of Young Leaders«
teil, das zeitgleich in Nowy S0cz statt-
fand. Dort bestand die Gelegenheit, mit
prominenten europäischen Politikern,
wie den ehemaligen spanischen und pol-
nischen Ministerpräsidenten José María
Aznar und Aleksander Kwa™niewski, in
Kontakt zu kommen und die Inhalte des
Workshops in der Praxis umzusetzen. Die
Teilnehmer/innen interviewten zahlrei-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 70EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 70 13.02.2011 17:13:0813.02.2011 17:13:08
71
Die Berichterstattung kann auf der Inter-
netseite www.europeanweb.tv eingese-
hen werden, die von den Teilnehmer/in-
nen erarbeitet wurde.
Doch nicht nur diese Debatte, son-
dern fast alle Produktionen der Teilneh-
mer/innen während des »Economic
Forum of Young Leaders« in Nowy S0cz
und des Workshops in Berlin standen
während der Projektlaufzeit im Internet
zur Verfügung und konnten abgerufen
und kommentiert werden. Die Internet-
seiten von Youth4Media und www.euro-
peanweb.tv sowie das Handbuch »Com-
munity Media« machen die Inhalte und
Ergebnisse der Seminare und Produktio-
nen zugänglich.
Projektträger:
European Youth4Media Network e. V.
Münster
www.youth4media.eu
Startseite von European Web-TV
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 71EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 71 13.02.2011 17:13:0813.02.2011 17:13:08
72
Peace Project Europe – civil society dimensions
Veranstaltungsreihe
zur Friedensarbeit in Europa
2009/2010
spielen dabei die europäischen Bürger/
innen und zivilgesellschaftlichen Organi-
sationen, die sich für Friedensförderung
einsetzen.
Das deutsche Forum Ziviler Friedens-
dienst initiierte 2009/2010 gemeinsam
mit elf weiteren zivilgesellschaftlichen
Organisationen wie Sandankomitea (FI),
Mouvement pour une Alternative Non-
violente (FR), dem Centro Studi Difesa
Civile (IT) und weiteren aus den Ländern
Belgien, Deutschland, den Niederlanden,
Österreich, Rumänien, Schweden, Slo-
wakei und Spanien zwei Veranstaltungs-
reihen. Sie boten Raum für Refl exionen
und Diskussionen über Europa als Frie-
densprojekt, das heißt auch über die Vi-
sion von Europa als In strument zur Si-
che rung des Friedens. Zugleich sollten
sie für die Möglichkeiten und Beiträge
Teilnehmer/innen in Lyon diskutierten ein
gemein sames »mission statement« als
Grundlage für die zukünftige Zusammen-
arbeit © Tilman Evers
Europa war und ist ein Friedensprojekt:
Die Sicherung des Friedens zwischen den
europäischen Staaten nach den Erfah-
rungen des Zweiten Weltkriegs war ein
zentrales Motiv für die Gründung der Eu-
ropäischen Gemeinschaft für Kohle und
Stahl im Jahr 1951, an der sich Belgien,
Deutschland, Frankreich, Italien, Luxem-
burg und die Niederlande beteiligten.
Sie ist der erste Schritt im europäischen
Integrationsprozess und führte zur Euro-
päischen Union (Vertrag von Maas tricht
1992). Im Vertrag von Lissabon, der im
Dezember 2009 in Kraft trat, wurde fast
50 Jahre später noch einmal bekräftigt,
dass es auch heute noch das Ziel der Eu-
ropäischen Union ist, den Frieden in Eu-
ropa zu erhalten. Eine wichtige Rolle
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 72EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 72 13.02.2011 17:13:0913.02.2011 17:13:09
73
sensibilisieren, die die Zivilgesellschaft
zur Förderung des Friedens in Europa
leisten kann. Nicht zuletzt ging es auch
darum, das Netzwerk europäischer Ini-
tiativen und Organisationen der Zivilge-
sellschaft, die in diesem Bereich tätig
sind, auszubauen und zu stärken. Die
Europäische Union unterstützte die Ver-
anstaltungen mit rund 44.500 Euro.
Den Auftakt zu den ersten Veran-
staltungen bildete ein eintägiges Netz-
werktreffen in Brüssel, an dem sich 30
Mitarbeiter/innen, Mitglieder und Frei-
willige von Vereinen, Verbänden und
Netzwerken aus ganz Europa im Plenum
und in Gruppenarbeit über ihre Erfahrun-
gen im Bereich Überzeugungsarbeit und
Bewusstseinsbildung für Friedenspolitik
in ihren jeweiligen Ländern austausch-
ten. Am folgenden Tag wurden Vertreter/
innen weiterer Nichtregierungsorgani-
Im Rahmen der Konferenz »Peace Project
Europe« im Europäischen Parlament in
Brüssel wurden den Abgeordneten die
Unterschriften der Kampagne »Europe, Vote
for Peace!« überreicht © Serge Marteaux
sationen (NROs) und Friedensinitiativen
hinzugezogen, um die Netzwerkarbeit
auszuweiten und Synergieeffekte zwi-
schen den Organisationen zu schaffen.
In Workshops, die externe Moderatoren
leiteten, konnten sie sich gegenseitig
kennenlernen und Kooperationsmöglich-
keiten herausarbeiten.
Den Höhepunkt stellten die Debat-
ten und Diskussionen im Europäischen
Parlament am dritten Veranstaltungstag
dar, an denen neben den Teilnehmer/in-
nen des Netzwerktreffens auch Vertreter/
innen der Europäischen Institutionen be-
teiligt waren. In einem Seminar mit dem
Titel »Civil Society working on confl icts –
potentials for advancing the EU’s role as
a global actor for peace« und einer Podi-
umsdiskussion debattierten sie darüber,
wie eine größere Anerkennung für die Ar-
beit der NROs erreicht werden kann und
inwiefern diese dazu beiträgt, die Vision
von Europa als Friedensprojekt stärker
ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 73EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 73 13.02.2011 17:13:1013.02.2011 17:13:10
74
Die Podiumsdiskussion wurde von den
Veranstaltern genutzt, um den Mitglie-
dern des Europäischen Parlaments
mehr als 7.000 Unterschriften zu über-
reichen. Diese wurden im Rahmen einer
europa weiten Kampagne von europäi-
schen NROs anlässlich der Europawahlen
2009 unter dem Motto »Europe, Vote for
Peace!« gesammelt.
Anfang Mai 2010 trafen sich noch
einmal ca. 100 Vertreter/innen der be-
teiligten Organisationen in Lyon (FR) zu
einem mehrtägigen Netzwerktreffen.
An den ersten beiden Tagen fanden Dis-
kussionen und Planungssitzungen des
Europäischen Netzwerks für Zivilen Frie-
densdienst (EN.CPS, BE), der europäi-
schen Mitgliederschaft der Nonviolent
Peace force (BE) und der Mitglieder des
französischen Friedensdienstes statt.
Den Europatag am 9. Mai nutzten
die Teilnehmenden für eine Friedensde-
monstration: Mit einer Musikgruppe aus
15 Trommlern und mit Europa- und Frie-
densfl aggen machte der drei Kilometer
lange Zug auf die europäische Friedens-
arbeit aufmerksam. Bei dieser Gelegen-
heit verteilten sie Flyer mit Informationen
zum Projekt und mit der Einladung zu ei-
ner öffentlichen Diskussionsrunde am
nächsten Tag.
Die beteiligten Organisationen
erarbeiteten im Rahmen des Projekts ein
gemeinsames Strategiepapier zur Ein-
richtung eines Europäischen Zivilen Frie-
densdienstes. Bereits während der ers-
ten Veranstaltungsreihe im Oktober
2009 war der Entwurf des Papiers in der
Diskussion mit den EU-Vertretern ver-
wendet worden. Während der Tagung in
Lyon im Frühjahr 2010 wurden die Rück-
meldungen diskutiert. Im Anschluss da-
ran sendeten die Partnerorganisationen
das Papier an die EU-Abgeordneten ihrer
Länder, die in den zuständigen Aus-
schüssen im Europäischen Parlament
sitzen. In einigen dieser Länder wurden
Aspekte des Konzepts inzwischen be-
reits umgesetzt. Auf der Internetseite
zum Projekt fi nden Interessierte ausführ-
liche Informationen.
Projektträger:
Forum Ziviler Friedensdienst e. V.
Bonn
www.civilpeace.eu
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 74EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 74 13.02.2011 17:13:1013.02.2011 17:13:10
75
Lehrbuch zur europapolitischen
Bildung 2009/2010
Schulische Bildung kann dabei ein
wichtiger Vermittlungsraum für die euro-
päische Idee sein. In vielen europäischen
Ländern bestehen jedoch noch Defi zite.
»Europa« kommt kaum in den Lehrplänen
vor, und es mangelt an europäischen
Inhalten in den Schulbüchern. Insbeson-
dere in den neuen baltischen EU-Mitglied-
staaten, die eine schwierige Geschichte
mit ihren Nachbarn haben, bestehen
noch zahlreiche Missverständnisse und
Spannungen, die sich auch in Unter-
richts materialien und Schulbüchern wi-
derspiegeln.
Vor diesem Hintergrund haben die
Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS, DE), die
Fakultät für Pädagogik und Psychologie
der Universität von Lettland (LV) und das
Jaan Tönisson Institut (EE) das Projekt
Adventure Sphere Europe –Erlebnisraum Europa
»Die Tatsache, dass das Buch im Rahmen eines EU-Projekts ent-standen ist, woran Experten im Bereich der Politik, Bildung und Methodik aus drei Staaten mit-gewirkt haben, ist schon alleine ein Beispiel eines demokratischen Erfahrungsaustausches, Offenheit und einer gemeinsamen Verant-wortung für ein besseres Lebenin Europa. Vielen Dank für die erfolgreiche Zusammenarbeit!«Aus dem Vorwort des Buches, Dr. Tatjana Koke, Bildungs-und Wissenschaftsminis terinder Republik Lettland.
Um die europäischen Bürger/innen an
der politischen Entwicklung und Inte-
gration der Europäischen Union teilhaben
zu lassen, brauchen sie ein Verständnis
der gemeinsamen Werte und Grundsätze
der Europäischen Union. Dazu zählen
auch Verständnis und Akzeptanz der kul-
turellen, sozialen, wirtschaftlichen und
politischen Unterschiede zwischen den
Völkern Europas.
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 75EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 75 13.02.2011 17:13:1013.02.2011 17:13:10
76
»Adventure Sphere Europe« ins Leben
gerufen, das von der Europäischen Union
mit 50.000 Euro unterstützt wurde. Ziel
war es, ein Handbuch für die euro pa-
politische Bildung zu entwickeln und ge-
meinsam mit beteiligten Lehrkräften in
den schulischen Unterricht in Lettland
und Estland einzubringen.
Darin sollten didaktische Möglich-
keiten der europabezogenen Bildung
dargestellt und Lehrerinnen und Lehrern
zugänglich gemacht werden. Inhaltlich
sollten innovative und kreative Wege auf-
gezeigt werden, wie die gemeinsame eu-
ropäische Geschichte, Werte und Ideen
sowie das politische Zusammenspiel der
EU-Institutionen verständlich und inter-
aktiv vermittelt werden können. Zielgrup-
pen des Projektes waren in erster Linie
die Lehrer/innen in Estland und Lettland,
aber natürlich auch die Schüler/innen,
die von einer verbesserten Vermittlung
Europas im Unterricht profi tieren sollten.
22 Lehrer/innen, Pädagog/innen
und Europa-Expert/innen aus Deutsch-
land, Lettland und Estland beteiligten
sich an dem Entstehungsprozess des
Handbuchs. Gemeinsam arbeiteten sie
auf einer Kick-off-Konferenz im Oktober
2009 die wichtigsten Themen und
Schwerpunkte heraus und entwickelten
im Rahmen von vier Workshops Konzepte
für eine interaktive Methodik im euro pa-
politischen Unterricht. Dabei wurden sie
vom Institut für Internationale Bildung
(CIVIC) in Düsseldorf unterstützt.
Um möglichst viele Menschen in
Estland und Lettland zu erreichen, wur-
de das Lehrbuch in lettischer, estnischer
und russischer Sprache jeweils in einer
Aufl age von 700 Exemplaren gedruckt, Cover des Handbuchs in lettischer Sprache
© KAS, Auslandsbüro Baltische Länder,
Riga
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 76EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 76 13.02.2011 17:13:1013.02.2011 17:13:10
77
denn in beiden Ländern gibt es eine gro-
ße russischsprachige Minderheit. Zur
Einführung in die Anwendung des Hand-
buchs fanden durch das Jahr 2010 hin-
durch zahlreiche Workshops in Lettland
und Estland statt, an denen bis zum Pro-
jektende ca. 200 Lehrer/innen teilge-
nommen haben. Weitere Workshops fol-
gen auch über das Projektende hinaus
im Jahr 2011. Vor dem Druck des Lehr-
buchs wurden die Konzepte in den Schul-
klassen der am Projekt beteiligten Leh-
rer/innen erprobt.
Besonderen Wert legte man darauf,
ein besseres Verständnis zwischen den
baltischen Volksgruppen zu fördern und
zugleich eine große Öffentlichkeit zu er-
reichen. Dabei war die gute Vernetzung
des Jaan Tönisson Instituts in Estland
und der Universität in Lettland sehr hilf-
reich. Die Vertretungen der Europäischen
Kommission in beiden Ländern haben
durch Pressekonferenzen in Riga und
in Tallinn ebenfalls zur Verbreitung des
Lehrwerkes beigetragen. Ergänzend wur-
de ein Newsletter eingerichtet.
Projektträger:
Konrad-Adenauer-Stiftung
Auslandsbüro Lettland
Riga
www.kas.de/lettland/de/
events/37862
»Das Ergebnis des Projekts – ein sehr wertvolles Material für Lehrer und Schüler über unseren Alltag in der EU. Für Schüler ist das Handbuch eine gute Hil-fe mit Interesse die EU kennen zu lernen, für Lehrer bietet es aktuelle Hilfen für eine interak-tive Gestaltung des Unterrichts.« Rolands Ozols, stellvertretender Direktor der Mittelschule Jugla in Lettland
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 77EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 77 13.02.2011 17:13:1113.02.2011 17:13:11
78
Deutsch-italienisches
Begegnungs projekt 2010
EuropäischeStraßenpartnerschaft
»Die Italiener kommen!« © Johannes Bögle
In Anlehnung an die Idee der Städtepart-
nerschaften initiierte der soziokulturelle
Verein Wirkstatt e. V. (DE) gemeinsam
mit der Associazione Proloco (IT) im Jahr
2010 die erste europäische Straßenpart-
nerschaft zwischen der Klauprechtstraße
in Karlsruhe und der Via Gazzei im toska-
nischen Radicondoli.
In der Klauprechtstraße, die nur
540 Meter lang ist, leben Menschen aus
34 Nationen. Die Bewohner/innen be-
zeichnen sie als »Bindestrich Europas«,
da sie, würde sie auf der Landkarte ver-
längert werden, im Westen auf die Insel
Guernsey vor England und im Osten nach
Astrachan am Kaspischen Meer treffen
und somit eine Verbindungslinie durch
Europa bilden würde. Die Via Gazzei ist
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 78EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 78 13.02.2011 17:13:1113.02.2011 17:13:11
79
die Hauptstraße des italienischen Ortes
Radicondoli und hat die gleiche Länge
wie die Klauprechtstraße in Deutschland.
Die Projektpartner gehen von der Idee
aus, dass bereits im Mikrokosmos der
Straße, in der Menschen unterschiedli-
cher Herkunft zusammenleben und auf
vielfältige Weise im gemeinsamen Stra-
ßenraum durch Wohnung, Arbeit, Ver-
sorgung, Bildung oder Kultur miteinan-
der vernetzt sind, europäische Integra-
tion passiert. Die Straße als sozialer
Raum bietet besondere Möglichkeiten
zur Interaktion. Das Motto lautet: »Euro-
pa wächst auf der Straße zusammen«.
Dieses Zusammenwachsen auf europäi-
scher Ebene mit der Gründung eines
Straßennetzwerks zu pfl egen, haben
sich die Initiatoren zum Ziel gesetzt. Das
Netzwerk soll als Modellversuch für wei-
tere europäische Kooperationen auf
Straßenebene dienen; die Projektträger
hoffen auf Nachahmer. Die Europäische
Union förderte die Straßenpartnerschaft
mit 42.200 Euro.
»Europa erscheint oft weit ent-fernt und abstrakt. (…) Deshalb ist es so wichtig, sich seines ›Europäer-Seins‹ ständig neu bewusst zu werden. In der Klauprechtstraße wird dies auf vielfältige Weise immer wieder getan: ganz aktuell mit einem wunderbaren Projekt: der ersten europäischen Straßen-Partner-schaft.« Silvana Koch-Mehrin,Vizepräsidentin desEuropäischen Parlaments
Im September 2010 kamen die Be-
wohner/innen der Via Gazzei sowie wei-
tere Bürger/innen aus Radicondoli, die
in einer persönlichen Beziehung zur Via
Gazzei stehen, für vier Tage nach Karlsru-
he in die Klauprechtstraße, um die neue
Partnerschaft mit Leben zu füllen. Unter
dem Motto »Ist Karlsruhe eine italieni-
sche Stadt?« erkundeten die 30 Gastge-
ber und rund 50 Gäste bei einer Führung
die Karlsruher Innenstadt und besuch-
ten die Koordinierungsstelle für europäi-
sche und regionale Angelegenheiten der
Stadt. Neben einem großen Europafest
standen zwei gemeinsame Aktivitäten im
Vordergrund: die so genannte europäi-
sche Spurensuche im Rahmen einer eu-
ropäischen Geschichts- und Ideen-Werk-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 79EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 79 13.02.2011 17:13:1213.02.2011 17:13:12
80
statt sowie ein deutsch-italienisches
Straßenmusikprojekt.
Die europäische Geschichts- und
Ideenwerkstatt richtete sich an alle Bür-
ger/innen und Besucher/innen, die am
deutsch-italienischen Leben in Gegen-
wart und Vergangenheit interessiert wa-
ren und sich über den europäischen Inte-
grationsprozess informieren wollten. In
Workshops und durch Referate machten
sich die Teilnehmer/innen auf die Suche
nach den gemeinsamen Wurzeln beider
Völker. Arbeitssprachen waren Deutsch
und Italienisch. Ergänzend dazu besuch-
ten sie Museen und Ausstellungen, die
sich der deutsch-italienischen Geschichte
widmeten.
Die Straßenmusikgruppen »Banda«
(Radicondoli) und »Rieberger Alp-Go-
ischda« (Karlsruhe) erarbeiteten während
der Begegnung in Karlsruhe eine deutsch-
italienische »Straßensymphonie«. Beim
Gegenbesuch der deutschen Teilneh-
mer/innen in Radicondoli im Juni 2011
soll sie uraufgeführt werden. Neben der
Ausarbeitung der Straßensymphonie tra-
ten die Musikgruppen bei verschiedenen
Gelegenheiten gemeinsam auf.
Den Höhepunkt stellte das ganz-
tägige Europafest in der Klauprechtstraße
mit einer großen Bühne für ein buntes
italienisch-deutsches bzw. europäisches
Musikprogramm dar. In der ganzen Stra-
ße gab es Konzerte, Theateraufführungen,
Vorträge und Unterhaltungsprogramm.
Geschäfte, Einrichtungen und Vereine,
die in oder nahe der Klauprechtstraße
ansässig sind, versorgten die Besucher/
innen des Europafestes mit kulinari-
schen Spezialitäten: Die Seniorengrup-
pe »Runter vom Sofa« bot Kaffee und
selbstge backenen Kuchen an, die Trat-
toria de Giovanni »italienische Wegzeh-
rung«. Die Jugendabteilung des Hand-
ballvereins grillte.
Als Symbol für die neue Partner-
schaft wurde eine Säulen-Ulme in der
Klauprechtstraße gepfl anzt.
Die Begegnung wurde mit einer
zwanzigseitigen Broschüre mit einem Vor-
wort der Europaabgeordneten und Vize-
präsidentin des Europäischen Parla ments
Silvana Koch-Mehrin dokumentiert.
Eine dreisprachige Internetseite,
die im Winter 2010 erstellt wird, soll
über die Hintergründe der ersten euro-
päischen Straßenpartnerschaft und den
damit verbundenen Netzwerk-Gedanken
informieren. Die DVD »Wir sind die Kin-
der Europas« wird die gemeinsamen Auf-
tritte der beiden Straßenmusikgruppen
in Karlsruhe und Radicondoli und weite-
re Bild- und Tonbeiträge der beiden Euro-
pafeste dokumentieren.
Projektträger:
Wirkstatt e. V.
Karlsruhe
www.wirkstatt.com
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 80EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 80 13.02.2011 17:13:1213.02.2011 17:13:12
81
Reiseassistenz fürMenschen mit Behinderung
Ausbildung zu ehrenamtlichen
Reise begleitern 2010
Abend der Nationen © BSK e. V.
Der Bundesverband Selbsthilfe Körper-
behinderter e. V. (BSK, DE), der sich seit
vielen Jahren für ein selbstbestimmtes
Leben von Menschen mit Behinderung
einsetzt, organisierte im November 2010
in Kooperation mit dem Verband der
Querschnittsgelähmten Österreichs (AT),
dem Eduard-Knoll-Wohnzentrum (DE),
dem ungarischen Spitzenverband der Be-
hindertenverbände Mozgáskorlátozottak
Egyesületeinek Országos Szövetsége
und dem Serviciul de Ajutor Maltez în
România (RO) einen internationalen Work-
shop. Mit rund 18.000 Euro unterstützte
die Europäische Union das Vorhaben.
Die Teilnahme an dem einwöchigen
Kurs, der den Titel »Europas Bürger/innen
als Reiseassistenz für Bürger/innen mit
Behinderung« trug, sollte die 25 Teilneh-
mer/innen aus Deutschland, Rumänien,
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 81EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 81 13.02.2011 17:13:1213.02.2011 17:13:12
82
Ungarn und Österreich dazu befähigen,
Menschen mit Behinderungen auf ihren
Reisen zu begleiten, zu unterstützen und
eventuell bestehende Berührungsängste
ihnen gegenüber abzubauen. Ziel war es
auch, den europäischen Austausch da-
rüber, wie in den europäischen Ländern
mit Behinderung umgegangen wird, zu
fördern und zukünftige multilaterale Ko-
operationsmöglichkeiten herauszuarbei-
ten. Die Themenbereiche »Behinderung
und Reisen« sowie »Barrierefreies Reisen
durch Europa« standen im Mittelpunkt.
Die Teilnehmer/innen lernten, wel-
che Arten der Behinderung es gibt und
erkundeten anschließend die Stadt Bad
Mergentheim unter »barrierefreien Ge-
sichtspunkten«. Sie nutzten den öffent-
lichen Nahverkehr und erlebten eine
Stadt- und Schlossführung für Menschen
mit Behinderung; auch ein Restaurant-
besuch gehörte dazu. Diese Exkursion
sensibilisierte die Teilnehmenden nicht
nur dafür, vor welchen Problemen bei-
spielsweise Rollstuhlfahrer in ihrem
All tag stehen, sondern motivierte sie
zugleich, sich künftig häufi ger in die
Si tua tion von behinderten Menschen
hineinzuversetzen. Ein anschließender
Vergleich der jeweiligen Situationen
von Behinderten in den Heimatländern
der Kursteilnehmer/innen bildete die
Grundlage für eine Diskussionsrunde.
Sie erfuhren in einem Vortrag, wel-
che Arten der Behinderung und welche
speziellen Hilfsmittel es gibt und auch,
Barrierefreie Stadtführung durch Bad
Mergentheim © BSK e. V.
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 82EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 82 13.02.2011 17:13:1313.02.2011 17:13:13
83
wie diese angewendet werden. Zum Pro-
gramm der Ausbildung zählte die Ausein-
andersetzung damit, was im Umgang mit
Rollstuhlfahrer/innen, gehör losen und
schwerhörigen Menschen wich tig ist. Er-
gänzend dazu erlernten die Teilnehmen-
den in praktischen Übungen die Handha-
bung eines Rollstuhls. Im Rahmen zweier
Vorträge und in Klein grup penarbeit wur-
den sie in unterschied liche Pfl egetech-
niken und in die praktische Assistenz
einge wiesen und im Gespräch mit erfah-
renen Reiseassistent/innen, -leiter/in-
nen und auch Teilnehmer/innen erhielten
sie einen Einblick in die Praxis.
Die Nähe des Veranstaltungsortes
zu einem Behinderten-Wohnzentrum
und den Krautheimer Werkstätten für
Menschen mit Behinderung ermöglichte
es, in viele der Aktivitäten behinderte
Menschen einzubeziehen. Die Kursteil-
nehmer/innen waren jeden Tag für ein
bis zwei Stunden im Wohnzentrum und
in den Werkstätten, erlebten den Alltag
und halfen etwas mit.
Kursinhalt war auch die Politik der
Europäischen Union: In einer offenen
Gesprächsrunde erläuterte die Europa-
abgeordnete Dr. Inge Gräßle, was die EU
unternimmt, um die Integration, Chan-
cengleichheit und Mobilität der mehr als
sieben Millionen behinderten Menschen,
die in Europa leben, zu verbessern und
beantwortete Fragen.
Ein Abend der Nationen bot allen
die Möglichkeit, Neues über andere Län-
der und Kulturen zu lernen. Die Teilneh-
mer/innen waren bereits im Vorfeld der
Veranstaltung dazu aufgerufen worden,
etwas länderspezifi sches ihrer Heimat
vorzubereiten, um ihr Land zu präsentie-
ren. Zu dem gemeinsamen Abend waren
auch die Bewohner/innen des Wohnzen-
trums eingeladen.
Die Ausbildung fand in deutscher
Sprache statt. Für Teilnehmer/innen, die
über geringe Deutschkenntnisse verfüg-
ten, wurde ein Sprachkurs zur Vorberei-
tung auf die Veranstaltung angeboten.
Alle Bürger/innen, die sich im Rah-
men des Workshops zu Reiseassistenten
ausbilden ließen, wurden in einen Pool
freiwilliger Reisebegleiter/innen des BSK
aufgenommen, um zukünftig Gruppen-
und auch Individualreisen von behinder-
ten Menschen zu begleiten.
Projektträger:
Bundesverband Selbsthilfe
Körperbehinderter e. V.
Krautheim
www.bsk-ev.org
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 83EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 83 13.02.2011 17:13:1413.02.2011 17:13:14
84
Interaktive Internetplattform
zu Europa 2010Mit der Internetplattform zum Thema
Europa möchte der Verein Bürger Eu-
ropas e. V. (DE) mit seinen Projektpart-
nern Jugendliche in der Europäischen
Union für Europa interessieren und zu
einer aktiven Auseinandersetzung mit
europäischen Themen motivieren. Zehn
Organisationen waren insgesamt an der
Konzeption und Erstellung der deutsch-
und englischsprachigen Internetseite
beteiligt: der Bulgarische Deutschleh-
rerverband (BG), Propager. Agence
européene de communication citoyenne
(FR), PP Connection Kft (HU), Consorzio
Solidarietà Sociale (IT), Draugija ›Euro-
jaunimas‹ (LT), Biedr5ba ›Partner5ba
Daugavkrasts‹ (LV), Polskie Stowarzys-
zenie Nauczycieli J2zyka Niemieckiego
(PL), Fundatia Familia si Ocrotirea
www.european- online-learning.eu
Startseite der Internetplattform © Bürger Europas e. V.
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 84EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 84 13.02.2011 17:13:1413.02.2011 17:13:14
85
Copilului (RO), Zavod PIP – Pravni in in-
formacijski center Maribor (SI) und das
Metodicko-pedagogické centrum (SK).
Die Europäische Kommission förderte
das Vorhaben mit rund 38.300 Euro.
Die Internetseite ist in mehrere Be-
reiche unterteilt, die den jugendlichen
Besucher/innen zahlreiche Möglichkei-
ten zur interaktiven Beschäftigung mit
europäischen Fragestellungen und The-
men bieten. Hinter der »Europäischen
Zeitreise« verbirgt sich beispielsweise
eine virtuelle Zeitmaschine. Nach einem
Klick auf die Taste »Los geht’s« des Bord-
computers beginnt die Reise durch die
wichtigsten Etappen des europäischen
Integrationsprozesses. Mit Schlagwör-
tern, Filmen und Spielen werden Hinter-
grundinformationen vermittelt.
Um das »Europäische Parlament«
geht es im zweiten Bereich der Seite:
Während eines virtuellen Rundgangs
durch das Parlament können die Besu-
cher/innen hinter vier Türen schauen,
hinter denen sich weitere interaktive Ru-
briken fi nden. Neben einem Blick in die
Räumlichkeiten des Europäischen Parla-
ments in Straßburg, gibt es auch einen
virtuellen »Presseraum«: Die Jugend-
lichen können hier Artikel zur Europäi-
schen Union lesen und Videos dazu an-
schauen. Hinter der Tür »Diskussion«
verbirgt sich die Möglichkeit, Europa-
abgeordneten Fragen zu stellen, und im
»Plenarsaal« kann man sich über die
Sitzverteilung im Parlament informieren.
Ausführliche Informationen zum
»Vertrag von Lissabon« fi nden die Jugend-
lichen im dritten Bereich der Seite. Als
aktuelles Schwerpunktthema, das alle
Bürger/innen in Europa in ihrem Alltag
betrifft, widmet sich der vierte Bereich
der »Finanzkrise« in Europa, deren Ent-
Virtueller Rundgang durch das Europäische
Parlament (Ausschnitt) © Bürger Europas e. V.
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 85EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 85 13.02.2011 17:13:1413.02.2011 17:13:14
86
stehung und Folgen. Auch die Maßnah-
men, die seitens der Europäischen Union
und in einzelnen Mitgliedstaaten zur Be-
kämpfung der Krise unternommen wer-
den, sind hier dargestellt.
Weiterführende Informationen zu
aktuellen europäischen Themen wie die
Europawahl, die EU-Ratspräsidentschaft
oder die Beitrittskandidaten der EU hält
die Rubrik »Aktuelles« bereit.
Ein Instrument zur aktiven Beteili-
gung der jugendlichen Besucher/innen
der Seite stellt das Onlinespiel »that’s
eUrope« dar. Schulklassen und Jugend-
gruppen aus ganz Europa treten online
gegeneinander an und testen ihr Europa-
wissen. Die beiden Teams müssen je-
weils zwölf Fragen rund um Europa be-
antworten. Zu jeder Frage gibt es drei
Antwortmöglichkeiten, zwischen denen
sich die Teilnehmer/innen entscheiden
müssen. Die Fragen drehen sich rund um
die Themen EU, Europäisches Parlament,
Jugend und Europa, Europa und Kultur
sowie die EU und ihre Bürger/innen und
können in insgesamt dreizehn Sprachen,
darunter neben Deutsch, Französisch
und Englisch auch Bulgarisch, Lettisch,
Litauisch, Slowakisch und Ungarisch, be-
antwortet werden. Wer die Texte auf der
Internetseite gelesen hat, kann die Fra-
gen beantworten.
Als Beitrag zum »Europäischen Jahr
zur Bekämpfung von Armut und sozia-
ler Ausgrenzung 2010« entwickelten die
Kooperationspartner ein weiteres Rate-
spiel, das sich an Jugendliche zwischen
15 und 25 Jahren richtet. Sie sind auf-
gerufen, Fragen zu beantworten, den ers-
ten Buchstaben der richtigen Antwort
zu notieren und am Ende das Lösungs-
wort einzuschicken, um an einer Verlo-
sung teilzunehmen. Jugendliche, die sich
in ten siver und tiefergehend mit Europa
beschäftigen möchten, fi nden im Bereich
»Links« eine Sammlung von Internet-
seiten mit weiterführenden Informatio-
nen zu unterschiedlichen Themen in
diesem Zusammenhang.
Die Partner schrieben europaweit
rund 300 Schulen an, um auf das In ter-
net portal aufmerksam zu machen, ver-
schickten Pressemitteilung an Zeitungen
in den Partnerländern und stellten Ver-
linkungsanfragen bei allen Abgeordne-
ten des Europäischen Parlaments sowie
zahlreichen Behörden, Vereinen und Or-
ganisationen in der EU.
Projektträger:
Bürger Europas e. V.
Berlin
www.european-online-learning.eu
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 86EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 86 13.02.2011 17:13:1513.02.2011 17:13:15
87
Publikation zu Bürger-
beteiligung im Klimaschutz
2010
PUC – Participationin Urban Climate-Protection
»Partizipation ist ein Schlüssel-faktor für den Erfolg von kom-munalem Klimaschutz, denndieser gelingt nur zusammenmit den Bürger/innen undder lokalen Wirtschaft nicht gegen sie.«Inka Thunecke, Geschäftsführe -rin der Heinrich-Böll-StiftungBrandenburg
Zur Erreichung der europäischen Klima-
ziele hat der Klimaschutz auf kommu-
naler Ebene eine entscheidende Bedeu-
tung. Es gibt in vielen Städten und Ge-
meinden Europas wichtige Ansätze für
Klimaschutzaktivitäten, und immer mehr
Städte schließen sich internationa len
Klimabündnissen an. Die Erfahrungen
der letzten Jahre aus mehreren Ländern
Europas zeigen, dass kommunale Ener-
giepläne mit einem ganzheitlichen An-
satz eine Schlüsselrolle im Klimaschutz
spielen. Besonderes Augenmerk verdient
dabei die Beteiligung der Bürger/innen
an der Erstellung kommunaler Energie-
pläne und der Umsetzung der Maßnah-
men. Nur wenn sich ein Bewusstsein für
die Notwendigkeit von Klimaschutzmaß-
nahmen und ein Verständnis für den
individuellen Beitrag entwickelt, kann
kommunaler Klimaschutz erfolgreich sein.
Im Rahmen des Projektes »PUC –
Participation in Urban Climate-Protec-
tion« erarbeitet die Heinrich-Böll-Stif-
tung Brandenburg e. V. (DE) gemeinsam
mit der Initiative Energie in Bürgerhand
(DE), dem Centre Marc Bloch (DE), der
Organisation Frankly Speaking – Trai-
ning and Development Bratislawa (SK),
der Tartu Regional Energy Agency (ES),
dem Städtenetzwerk Healthy Cities of the
Czech Republic (CZ), der Photovoltaic En-
ergy Association (BG) und dem Institute
for Renewable Energy (PL) eine Publika-
tion, die die Erfahrungen europäischer
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 87EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 87 13.02.2011 17:13:1513.02.2011 17:13:15
88
Städte und Kommunen auf dem Gebiet
kommunaler Energiepläne und der Orga-
nisation von Bürgerbeteiligung darstellt.
Die Publikation soll als Handrei-
chung neue Denkanstöße zu beteili-
gungsorientiertem kommunalen Klima-
schutz geben und Beispiele guter Praxis
vermitteln. Das Projekt »PUC – Participa-
tion in Urban Climate-Protection« will mit
der Publikation einen Beitrag dazu leis-
ten, die zivilgesellschaftliche Beteiligung
am demokratischen Leben in der EU zu
fördern und Bürger/innen zu ermun-
tern, sich aktiv an der Entwicklung von
lokal angepassten Lösungen zu beteili-
gen. Die Publikation wird sowohl theo-
retische Beiträge zum Thema der Partizi-
pation als auch konkrete Beispiele aus
den beteiligten sowie weiteren europäi-
schen Ländern enthalten. Sie richtet sich
Partizipation ist mehr als Zuschauen ... Teilnehmer/innen einer Veranstaltung der
Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg © Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 88EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 88 13.02.2011 17:13:1513.02.2011 17:13:15
89
an europäische Städte und Gemeinden,
Mitarbeiter/innen von Verwaltungen, eh-
renamtliche Gemeinderatsvertreter/in-
nen, engagierte Bürger/innen und weite-
re kommunale Akteure, wie kommunale
Wohnungsbaugenossenschaften.
In einem ersten Projekttreffen im
Herbst 2010 wurde die Publikation von
den Projektpartnern gemeinsam inhalt-
lich und methodisch vorbereitet. Im De-
zember 2010 fand ein öffentlicher Work-
shop in Warschau statt, der Schlüssel-
elemente erfolgreicher Beteiligung lo kaler
Akteure in der Klimapolitik zusammen-
trug. Dazu wurden sowohl externe Ex-
pert/innen aus Wissenschaft, Politik und
Zivilgesellschaft für Impulsreferate ein-
geladen als auch Beispiele guter Praxis
aus unterschiedlichen lokalen Kontexten
diskutiert. Die Ergebnisse des Work-
shops werden für die Broschüre aufge-
arbeitet; gleichzeitig konnte die inter-
essierte Öffentlichkeit bereits über die
Handreichung informiert werden.
Die weitere Kommunikation und
Feinkonzeption wird über ein internes
Internetforum organisiert. Alle Projekt-
partner wirken an der Erarbeitung eines
gemeinsamen Schlusskapitels mit, das
Perspektiven und Entwicklungsmöglich-
keiten für einen partizipativen Klima-
schutz auf kommunaler Ebene beleuch-
tet. Die Publikation im geplanten Umfang
von etwa 100 Seiten wird in englischer
Sprache erstellt und in die Sprachen der
beteiligten Länder übersetzt.
Nach Fertigstellung – voraussicht-
lich im Frühjahr 2011 – werden die Er-
gebnisse einem größeren Publikum vor-
gestellt. Sie wird nach Projektabschluss
elektronisch zur Verfügung stehen und in
einer Aufl age von 5.000 Stück gedruckt
werden. Ein Flyer in den jeweiligen Lan-
dessprachen soll auf die Publikation auf-
merksam machen. Sie wird auf der Web-
seite der Partner publiziert. Die Europä-
ische Union unterstützt die Produktion
der Broschüre mit rund 44.000 Euro.
Projektträger:
Heinrich-Böll-Stiftung
Brandenburg e. V.
Potsdam
www.boell-brandenburg.de
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 89EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 89 13.02.2011 17:13:1613.02.2011 17:13:16
90
Seminarreihe zum
EuropäischenThemenjahr 2011
»OpenFora« sind ein zentrales In-
strument der Arbeit von Citizens of Euro-
pe e. V. Jeweils ein Wochenende lang de-
battieren in diesen Workshops zwischen
25 und 30 Akteure aus Politik, Wissen-
schaft und Zivilgesellschaft Themen des
sozialen und politischen Lebens in Euro-
pa. Damit werden Räume der Begegnung
geschaffen, die europäische Bürgerschaft
erleb- und erfahrbar machen. Die Teil-
nehmer/innen der »OpenFora« können
ihre Überzeugungen überdenken und
durch den europäischen Austausch
neue Perspektiven gewinnen. Metho-
disch werden dabei unterschiedliche
Elemente aus Einführungsreferaten,
Expertenpa nels, Kleingruppenarbeit
und Plenarde bat ten mit einem kulturel-
len Rahmenprogramm und Raum für
informelle Austauschmöglichkeiten
OpenForum – Volunteering 2011
OpenForum in Vilnius (2008)
© Citizens of Europe e. V.
Der Berliner Verein Citizens of Europe
e. V. setzt sich für einen europaweiten
Austausch aktiver Bürger/innen ein, der
die akademische und politische Debatte
zur Zukunft Europas mit den Lebens-
bedingungen, Erfahrungen und Bedürf-
nissen der Europäer/innen verbindet.
Der Verein organisiert dafür zahlreiche
Seminare und Workshops, die Interes-
sierte aus Politik und Bürgerschaft aus
unterschiedlichen gesellschaftlichen
Bereichen und Hintergründen zusam-
menbringen.
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 90EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 90 13.02.2011 17:13:1613.02.2011 17:13:16
91
kombiniert. Erfahrene externe Modera-
tor/innen begleiten die Debatte. Teilneh-
men können an den »OpenFora« alle, die
zu dem jeweiligen Thema ihre Meinung
und ihre Erfahrungen beitragen möchten.
Thematisiert werden Herausforderungen
einer aktiven europäischen Bürgerschaft,
wie die Frage von gesellschaftlicher Ein-
bindung von Migrant/innen, lebenslan-
ges Lernen für eine aktive Bürgerschaft,
interkultureller Dialog, Demokratie in Eu-
ropa und grenzüberschreitende Mobilität
europäischer Bürger/innen.
In den Jahren 2010 und 2011 un-
terstützt die Europäische Union eine Se-
mi narreihe mit rund 50.000 Euro, mit
der ein inhaltlicher Beitrag zum »Euro-
päischen Jahr der Freiwilligentätigkeit
zur Förderung der aktiven Bürgerschaft
2011« geleistet wird. Partner von Citi-
zens of Europe e. V. sind in diesem Pro-
jekt die belgische Mitgliedsorganisation
des Europäischen Lehrerverbands AEDE
(BE) und das europäische Netzwerk As-
sociation of Voluntary Service Organisa-
tions AVSO (BE).
Den Auftakt von »Volunteering
2011« bildete das zehnte »OpenForum«,
das im November 2010 im belgischen
Brügge stattfand. Es beschäftigte sich im
Hinblick auf das Europäische Jahr 2011
mit Fragen des freiwilligen Engagements
in Europa und diente zunächst dazu, zu
einem gemeinsamen Begriffsverständ-
nis zu kommen. Dafür wurden die unter-
schiedlichen Konzepte und Begriffe von
bürgerschaftlichem Engagement im eu-
ropäischen Vergleich diskutiert. Neben
der Abgrenzung von Freiwilligentätigkeit
zu anderen Formen unbezahlter und be-
zahlter Arbeit standen die unterschiedli-
chen Motive für freiwilliges Engagement
in den jeweiligen nationalen Kontexten
im Fokus. Methodisch gliederte sich das
»OpenForum« in Brügge an drei Tagen
in eine Eröffnungsdiskussion im Plenum
mit Fachreferaten, thematischen Aus-
tausch in Workshops und eine gemein-
same Abschlussdiskussion.
Die Ergebnisse des Forums werden
dokumentiert und fl ießen in eine vertie-
fende Veranstaltung im Mai 2011 aus
Anlass des Freiwilligentags 2011 in Lan-
dau/Pfalz ein. Alle Projektpartner wer-
den die Ergebnisse auch darüber hinaus
in die Debatte auf EU-Ebene einbringen.
Alle bisher ausgerichteten »OpenFo-
ra« sind ausführlich auf der Internetseite
von Citizens of Europe e. V. dokumen-
tiert. 2008 erhielt Citizens of Europe für
eines der »OpenFora« bereits eine Zu-
wendung der Europäischen Union von
gut 36.000 Euro.
Projektträger:
Citizens of Europe e. V.
Berlin
www.citizens-of-europe.eu
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 91EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 91 13.02.2011 17:13:1613.02.2011 17:13:16
92
Dein Engagement –Gesellschaft aktiv mitgestalten
Seminar für Jugendliche 2011
Diskussionen im Plenum während des
8. MitOst-Festivals 2010 in Perm, einer
weiteren Veranstaltung des Projektträgers
© Kiên Hoàng Lê
dungs- und Jugendbegegnungsstätte
Weimar (DE) mit dem Ziel, die Kompe-
tenzen der Jugendlichen zur Aktivierung
grenzüberschreitender ehrenamtlicher
Tätigkeiten zu erweitern sowie gemein-
same Handlungsfelder und Kooperations-
potentiale herauszuarbei ten. Das verbin-
dende Element ist hierbei das Anliegen
der Organisatoren und Teilnehmer/in-
nen, das ehrenamtliche Engagement in
Europa zu stärken. Das Seminar fi ndet
in deutscher Sprache statt und wird von
der Europäischen Kommission mit rund
42.000 Euro gefördert.
Die Jugendlichen beschäftigen sich
während der ersten Veranstaltungstage
in Workshops mit drei Schwerpunkten:
Rund 55 junge Erwachsene aus Bulgari-
en, Deutschland, Österreich und Tsche-
chien, die sich ehren- und hauptamtlich
in den Bereichen Schule, Jugendarbeit,
politische Bildung und Kultur engagie-
ren, werden im März 2011 nach Weimar
(DE) kommen, um sich im Rahmen des
Seminars »Dein Engagement – Gesell-
schaft aktiv mitgestalten« über Potenzi-
ale des bürgerschaftlichen Engagements
in Europa, über Methoden und auch ihre
eigenen Erfahrungen in diesem Bereich
auszutauschen.
Der deutsche Verein MitOst e. V.
organisiert diese Veranstaltung gemein-
sam mit dem Verein Südwind Entwick-
lungspolitik Nieder österreich Süd (AT),
der Internationalen Elias Canetti Gesell-
schaft (BG), der Bürgervereinigung Anti-
komplex – hnuti proti xenofobii (CZ) und
der Stiftung Europäische Jugendbil-
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 92EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 92 13.02.2011 17:13:1613.02.2011 17:13:16
93
Unter dem Motto »Lust auf Engagement«
arbeitet eine Gruppe von Teilnehmer/in-
nen zunächst die Formen und Ziele von
Engagement sowie mögliche Motiva-
tionsmethoden heraus. Sie lernen die
Grundzüge des Projektmanagements
und der Öffentlichkeitsarbeit kennen
und üben das Erlernte anhand von Fall-
beispielen. »Demokratie gestalten –
Europäische Zivilgesellschaft stärken«
lautet das Thema, mit dem sich die zwei-
te Gruppe auseinandersetzt. Zu ihren
Aufgaben gehört es, die Bedeutung ge-
sellschaftlichen Engagements und des-
sen institutionellen Rahmen zu refl ek-
tieren. Die Jugendlichen diskutieren an-
hand von länder- und themenbezogenen
Fallanalysen die Unterschiede und Ge-
meinsamkeiten von ehrenamtlicher
Betätigung in ihren Ländern und auf eu-
ropäischer Ebene. Sie entwerfen eigene
Projektideen, die sie im Rahmen einer
Projektbörse präsentieren und mit den
Mitgliedern ihrer Gruppe besprechen.
Die letzte Gruppe widmet sich dem
Thema »Interkultureller Dialog und To-
leranz«. Hier sollen Erfahrungen und
Methoden der interkulturellen Kommu-
nikation vermittelt und durch konkrete
Beispiele mit Fokus auf die Region
Südosteuropa ergänzt werden.
Die in den Workshops erarbeiteten
Ergebnisse werden am vierten Veranstal-
tungstag im Plenum zusammengeführt,
präsentiert und diskutiert, um sie allen
Teilnehmenden zugänglich zu machen
und den informellen Austausch unter
ihnen anzuregen. Wie die Europäische
Union ehrenamtliche Vorhaben unter-
stützt, erfahren sie im Anschluss an das
Plenum, wenn ausgewählte EU-Aktions-
programme vorgestellt werden.
Ein abschließender Workshop mit
dem Titel »Zukunftsperspektiven für un-
ser Engagement in der Gesellschaft« er-
möglicht den Jugendlichen gemeinsame
Projekte zur Stärkung der Zivilgesell-
schaft unter anderem in den Bereichen
Schule und Jugendarbeit sowie bürger-
schaftliche Bildung und Partizipation zu
erarbeiten.
Eine sechzehnseitige Broschüre,
die auch online auf den Internetseiten
der Kooperationspartner zur Verfügung
stehen wird, sowie eine DVD sollen er-
stellt werden, um die Themenschwer-
punkte des Seminars, die angewandten
Methoden, Fall- und Projektbeispiele
und auch die erarbeiteten Ergebnisse zu
dokumentieren. Die Materialien werden
über die Netzwerke der Partner und die
Teilnehmer/innen verbreitet.
Projektträger:
MitOst e. V.
Berlin
www.mitost.org
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 93EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 93 13.02.2011 17:13:1713.02.2011 17:13:17
94
Die Europäische Kommission veröffentlicht
Listen der geförderten Projekte aller Länder,
die am Programm teilnehmen, im Internet
unter http://eacea.ec.europa.eu/citizenship/
results_compendia/results_en.php.
Im Folgenden sind die Projekte der Jahre
2007 bis 2010 aufgeführt, die unter der Feder-
führung deutscher Organisationen durch-
geführt wurden. Für das Jahr 2007 sind die
Projekttitel leider nicht bekannt.
Geförderte Projekte
aus Deutschland
von 2007 bis 2010 – Überblick
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 94EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 94 13.02.2011 17:13:1713.02.2011 17:13:17
95
2007
Baltic Sea Forum e. V., Hamburg
Fördersumme der EU: 56.869,50 Euro
www.baltic-sea-forum.org
Berlin-Brandenburgische Auslands-
gesellschaft e. V., Potsdam
Fördersumme der EU: 18.928,85 Euro
www.bbag-ev.de
Bürger Europas e. V., Berlin
Fördersumme der EU: 14.718,86 Euro
www.buerger-europas.de
Citizens of Europe e. V., Berlin
Fördersumme der EU: 22.044,12 Euro
http://panorama.citizens-of-europe.eu
DGB Bildungswerk e. V., Düsseldorf
Fördersumme der EU: 24.968,10 Euro
www.dgb-bildungswerk.de
ESTA-Bildungswerk e. V., Bad Oeynhausen
Fördersumme der EU: 55.000,00 Euro
www.esta-bw.de
Friedrich-Naumann-Stiftung für
die Freiheit, Potsdam
Fördersumme der EU: 18.637,40 Euro
www.freiheit.org
Hanns-Seidel-Stiftung e. V., München
Fördersumme der EU: 28.971,40 Euro
www.hss.de
Internationales Begegnungszentrum
St. Marienthal e. V., Ostritz-St. Marienthal
Fördersumme der EU: 52.264,00 Euro
www.ibz-marienthal.de
Internationales Kolpingwerk e. V., Köln
Fördersumme der EU: 37.497,72 Euro
www.kolping.net
Kreisau-Initiative Berlin e. V., Berlin
Fördersumme der EU: 24.812,80 Euro
www.kreisau.de
Lokalradio Lotte in Weimar e. V., Weimar
Fördersumme der EU: 25.000,00 Euro
www.radio-lotte.de
Weimar Jena Akademie –
Verein für Bildung e. V., Weimar
Fördersumme der EU: 40.308,25 Euro
www.weimar-jena-akademie.de
2008
EU-Kompetenz für Migranten und Benachteiligte
Berlin-Brandenburgische Auslandsgesellschaft
e. V., Potsdam
Fördersumme der EU: 40.471,58 Euro
www.bbag-ev.de
Das Grundeinkommen auf dem Weg nach Europa
Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung
e. V., Berlin
Fördersumme der EU: 47.376,00 Euro
www.bildungswerk-boell.de
Let‘s Debate: Citizens Media for Europe
Bürgermedienzentrum Bennohaus, Münster
Fördersumme der EU: 39.857,67 Euro
www.bennohaus.info
Challenges to Europe
(OpenFora 2008/2009)
Citizens of Europe e. V., Berlin
Fördersumme der EU: 35.515,38 Euro
http://panorama.citizens-of-europe.eu
Gesundheit – höchstes Gut?
Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum
Köln e. V.
Fördersumme der EU: 21.435,90 Euro
www.caritas.erzbistum-koeln.de
Rural Areas Defence Against Racism
Europazentrum Brandenburg-Berlin
des Regionalen Fördervereins e. V., Pinnow
Fördersumme der EU: 40.206,30 Euro
www.ezbb-radar.eu
European Citizens’ Seminar 2008–2009
European Citizens’ Seminar e. V., Erfurt
Fördersumme der EU: 23.614,20 Euro
www.citizenseminars.eu
Aktive Bürger gestalten Europa
Forum Europa e. V., Leipzig
Fördersumme der EU: 23.973,60 Euro
www.forum-europa-ev.de
Geeint in Vielfalt – 8 Nationen im Dialog
Internationales Begegnungszentrum
St. Marienthal e. V., Ostritz-St. Marienthal
Fördersumme der EU: 52.656,00 Euro
www.ibz-marienthal.de
Europa mitgestalten und Demokratie
(er-)leben: Die Bürger und der Lissabon-Vertrag
Internationales Kolpingwerk e. V. , Köln
Fördersumme der EU: 26.966,45 Euro
www.kolping.net
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 95EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 95 13.02.2011 17:13:1713.02.2011 17:13:17
96
European Global Education Days 2008
Internationale Weiterbildung und Entwicklung
GmbH (InWEnt), Berlin
Fördersumme der EU: 38.686,50 Euro
http://glen-europe.org
EURvote – EURvoice
Katholische Arbeitnehmerbewegung
Deutschlands e. V., Köln
Fördersumme der EU: 55.000,00 Euro
www.vote-europe.net
Model International Criminal Court
Kreisau-Initiative Berlin e. V., Berlin
Fördersumme der EU: 24.897,78 Euro
www.kreisau.de
Egeria Weg – Ökumenischer Frauenpilgerweg
für ein gemeinsames Europa
Ökumenisches Forum Christlicher Frauen in
Europa, Bereich Deutschland e. V., Braunschweig
Fördersumme der EU: 22.462,30 Euro
www.egeria-project.eu
International Session of the European Youth
Parliament in Leuven
Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa, Berlin
Fördersumme der EU: 51.263,52 Euro
www.eypej.org
Creating Forum Pécs
Stiftung Zukunft Berlin
Fördersumme der EU: 24.763,81 Euro
www.stiftungzukunftberlin.eu
Weimarer Sommerkurse 2008:
»Das europäische Kulturerbe – Ergebnis und
Ausgangspunkt interkultureller Dialoge«
Weimar Jena Akademie – Verein für Bildung
e. V., Weimar
Fördersumme der EU: 48.692,88 Euro
www.sommerkurse-weimar.de
Europa für die Jugend – Deutsch-polnische
Lehrerkonferenz in Berlin
Zeitbild Stiftung, München
Fördersumme der EU: 37.091,61 Euro
www.zeitbild-stiftung.de
2009
The Voice of Europe
Bürgermedienzentrum Bennohaus, Münster
Fördersumme der EU: 39.857,67 Euro
www.bennohaus.info
Peace Project Europe – civil society dimensions
Forum Ziviler Friedensdienst e. V., Bonn
Fördersumme der EU: 44.544,64 Euro
www.civilpeace.eu
Kreativ zur bürgerschaftlichen Beteiligung
Internationales Begegnungszentrum
St. Marienthal e. V., Ostritz-St. Marienthal
Fördersumme der EU: 52.656,00 Euro
www.kreativ-in-europa.eu
Freiheit verpfl ichtet –
Zukunft verantwortlich gestalten
Internationales Kolpingwerk e. V., Köln
Fördersumme der EU: 27.824,01 Euro
www.kolping.net
Adventure Sphere Europe
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V., Berlin
Fördersumme der EU: 54.928,46 Euro
www.kas.de
Demokratie in Bewegung
Omnibus für direkte Demokratie gGmbH, Hattingen
Fördersumme der EU: 55.000,00 Euro
www.democracyinmotion.eu
International Session of the European Youth
Parliament in Helsinki
Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa, Berlin
Fördersumme der EU: 50.924,00 Euro
www.eypej.org
Weimarer Sommerkurse 2009:
»Meilensteine der Demokratie –
Europäische Erinnerungen im Jahr 2009«
Weimar Jena Akademie –
Verein für Bildung e. V., Weimar
Fördersumme der EU: 44.072,88 Euro
www.sommerkurse-weimar.de
2010
Ausgrenzung? – nicht mit uns!
Bildungs- und Freizeitstätte der Sportjugend,
Landessportbund Sachsen-Anhalt e. V., Schierke
Fördersumme der EU: 33.958,56 Euro
www.lsb-sachsen-anhalt.de
Europa auf www.european-online-learning.eu
erkunden und dein Wissen beim Europaspiel
»that‘s eUrope« online testen
Bürger Europas e. V., Berlin
Fördersumme der EU: 38.310,00 Euro
www.european-online-learning.eu
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 96EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 96 13.02.2011 17:13:1713.02.2011 17:13:17
97
Europas Bürger/innen als Reiseassistenz für
Bürger/innen mit Behinderung
Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e. V.,
Krautheim
Fördersumme der EU: 18.022,83 Euro
www.bsk-ev.org
Angebote und Wohnformen für pfl egebedürftige
Menschen im Alter
Caritasverband für die Diözese Osnabrück e. V.,
Osnabrück
Fördersumme der EU: 21.178,04 Euro
www.caritas-os.de
Volunteering 2011
Citizens of Europe e. V., Berlin
Fördersumme der EU: 50.372,88 Euro
http://panorama.citizens-of-europe.eu
EU=You: Citizens engagement in the EU
after the Treaty of Lisbon
Culture goes Europe –
Soziokulturelle Initiative Erfurt
Fördersumme der EU: 43.405,92 Euro
www.cge-erfurt.org
Bürger integrieren Bürger
Europäisches Forum für angewandte
Kriminalpolitik e. V., Düsseldorf
Fördersumme der EU: 24.796,89 Euro
www.europaforum-kriminalpolitik.net
Mobility and European Citizenship –
Interrelations and implications
European Intercultural Forum e. V., Berlin
Fördersumme der EU: 24.803,00 Euro
www.european-intercultural-forum.org
Identity in European Societies
Evangelisch-reformierte Kirche, Leer
Fördersumme der EU: 47.970,23 Euro
www.leer.reformiert.de
Interaktion, Vielfalt, Toleranz:
Die Schule als Bühne des inter-kulturellen Dialogs
Goethe-Institut e. V., München
Fördersumme der EU: 28.178,98 Euro
www.goethe.de
Participation in Urban Climate-Protection
Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg e. V., Potsdam
Fördersumme der EU: 44.162,02 Euro
www.boell-brandenburg.de
Experimentcity European Event: collaborative
housing | diversity | sustainable cities
id22: Institute for Creative
Sustainability e. V., Berlin
Fördersumme der EU: 23.724,17 Euro
http://experimentcity.net/excity-europe
Agenda EU 2020 –
Europas Bürger/innen beteiligen
Katholische Arbeitnehmerbewegung
Deutschlands e. V., Köln
Fördersumme der EU: 54.678,00 Euro
www.kab.de
Intergenerationes –
Intergenerativ trifft International
Kreisau-Initiative Berlin e. V., Berlin
Fördersumme der EU: 26.127,94 Euro
www.kreisau.de
Dein Engagement –
Gesellschaft aktiv mitgestalten
MitOst e. V.– Verein für Sprach- und Kulturaustauch
in Mittel- , Ost- und Südosteuropa, Berlin
Fördersumme der EU: 42.420,15 Euro
www.mitost.org
Euregio-Networking ohne Grenzen 2010/2011
Nell-Breuning-Haus, Bildungs- und
Begegnungsstätte der KAB und CAJ im Bistum
Aachen e. V., Herzogenrath
Fördersumme der EU: 26.603,30 Euro
www.nell-breuning-haus.de
International Session of the European Youth
Parliament in Grenoble
Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa, Berlin
Fördersumme der EU: 48.274,77 Euro
www.eypej.org
Weimarer Sommerkurse 2010:
»Moral in unmoralischen Zeiten. Die Suche
nach ethischen Orientierungen in Philosophie,
Literatur und Kunst«
Weimar Jena Akademie – Verein für Bildung e. V.,
Weimar
Fördersumme der EU: 24.437,40 Euro
www.sommerkurse-weimar.de
Europäische Straßen-Partnerschaft
»Klauprechtstraße/Via Gazzei«
Wirkstatt e. V., Karlsruhe
Fördersumme der EU: 42.204,03 Euro
www.wirkstatt.com
EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 97EfBB_Innen_ 2010_PRINT-XXX.indd 97 13.02.2011 17:13:1713.02.2011 17:13:17
Die Kontaktstelle »Europa für Bürgerinnen und Bürger«
Die Kontaktstelle EfBB ist die offi zielle nationale Kontaktstelle für das Förderprogramm
»Europa für Bürgerinnen und Bürger« der Europäischen Union in Deutschland.
Wir informieren Kommunen, Vereine und Verbände, Forschungsinstitute, Bildungs-
einrichtungen, kirchliche, soziale und karitative Einrichtungen, Organisationen des
Amateursports und andere zivilgesellschaftliche Organisationen und natürlich alle
interessierten Bürgerinnen und Bürger über das Programm »Europa für Bürgerinnen
und Bürger« (2007–2013). Potenziellen Antragstellern helfen wir bei Fragen zur
Konzeption eines transnationalen Kooperationsprojekts, bei Detailfragen zum Antrag,
den Dokumenten und Formularen.
Kontaktstelle Deutschland
»Europa für Bürgerinnen und Bürger«
bei der Kulturpolitischen Gesellschaft e. V.
Weberstraße 59a, D-53113 Bonn
Internet: www.kontaktstelle-efbb.de
E-Mail: [email protected]
Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement
Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) bietet den Träger- und
Förderstrukturen der 23 Millionen freiwillig Engagierten in Deutschland eine Plattform
des Austauschs. Gemeinsames Anliegen aller Akteure ist die Verbesserung der
Rahmenbedingungen für das bürgerschaftliche Engagement und die Bürgerbeteiligung.
Mit dem Projekt »BBE für Europa« stärkt das BBE auch den europäischen Austausch:
Es informiert über europäische Beteiligungsmöglichkeiten und setzt sich für die
Stärkung der europäischen Zusammenarbeit ein.
Bundesnetzwerk
Bürgerschaftliches Engagement
Michaelkirchstr. 17–18, D-10179 Berlin
Internet: www.b-b-e.de
E-Mail: [email protected]
_PRINT_U3-4.indd 3_PRINT_U3-4.indd 3 13.02.2011 17:15:4813.02.2011 17:15:48
gramms. Zudem zeigt sie ein ausschnitt-
haftes, aber vielfarbiges Bild der inter-
nationalen Aktivitäten von Vereinen,
Verbänden, Stiftungen und anderen Or-
ganisationen in Deutschland mit ihren
europäischen Partnern.
»Aktive europäische Zivilgesellschaft«
und »aktive europäische Bürgerschaft«
– zwei wohlklingende Formeln. Aber
was verbirgt sich dahinter, insbesonde-
re wenn sie im Kontext von europäischen
Förderprogrammen stehen?
Diese Publikation nähert sich dem The-
ma von zwei Seiten: Sieben Autoren
befassen sich mit Fragen nach dem Ver-
hältnis zivilgesellschaftlicher Akteure
zum Staat und ihrer Rolle in Europa, den
Erwartungen der EU-Institutionen an die
organisierte Zivilgesellschaft und den
Voraussetzungen für bürgerschaftliches
Engagement.
Auf der anderen Seite bietet diese Bro-
schüre Einblicke in eine Auswahl von
Projekten, die in den Jahren 2007 bis
2010 eine Förderung aus dem Programm
»Europa für Bürgerinnen und Bürger«
erhalten haben. Wie ein Kaleidoskop er-
zeugt sie ein facettenreiches Bild von
den Fördermöglichkeiten dieses EU-Pro-
_PRINT_U1-4.indd 2_PRINT_U1-4.indd 2 13.02.2011 17:18:2713.02.2011 17:18:27