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Praktikum II: Elektrotechnische Experimente Für Bachelor-Studierende der Studiengänge Elektrotechnik (ET, 3. Semester), Informatik-Ingenieurwesen (IIW, 3. Semester) und Mechatronik (MEC, 5. Semester). Versuch Nr.: 5 Leistung im Wechselstromkreis Ort: Harburger Schloßstraße 20 (HS20), 3. Stock, Raum 322 Allgemeine Informationen unter: http://www.tet.tu-harburg.de/Praktikum Stand der Versuchsbeschreibung: 13.10.11

Praktikum II: Elektrotechnische Experimente - Versuch zu Leistung im Wechselstromkreis... · auch „Wattmeter“ genannt. Sie besitzen jeweils einen niederohmigen Strompfad über

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Praktikum II: Elektrotechnische Experimente

Für Bachelor-Studierende der Studiengänge Elektrotechnik (ET, 3. Semester), Informatik-Ingenieurwesen (IIW, 3. Semester) und Mechatronik (MEC, 5. Semester).

Versuch Nr.: 5

Leistung im Wechselstromkreis

Ort:

Harburger Schloßstraße 20 (HS20), 3. Stock, Raum 322

Allgemeine Informationen unter:

http://www.tet.tu-harburg.de/Praktikum

Stand der Versuchsbeschreibung: 13.10.11

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

Das Wichtigste in Kürze

Worum geht es?

In diesem Versuch geht es um das Messen von Leistung in Drehstromsystemen. Ferner sollen die Grundlagen der Leistungsübertragung in Hochspannungsnetzen erarbeitet wer-den.

Was wird gemacht?

Es wird das Verhalten eines Drehstromsystems bei unterschiedlichen Lastsituationen un-tersucht. Zudem werden am Modell einer 380-kV-Leitung die Übertragungseigenschaften einer Hochspannungsleitung festgestellt.

Welche Apparaturen und Instrumente werden verwendet?

Es kommen Drehspulinstrumente zum Einsatz, die die Messung von Spannung, Strom, Wirkleistung, Blindleistung und Leistungsfaktor ermöglichen.Die Messungen werden an Versuchsständen vorgenommen, die die entsprechenden Bau-elemente R, L, C enthalten. Die Frontseiten der Versuchsstände sind als Steckfelder aus-geführt.

Was lernt man dabei?

Man lernt in experimenteller Arbeit das Verhalten eines Drehstromsystems zu beurteilen.Des Weiteren erhält man eine Einführung in die Komplexität des Energieübertragungssys-tems „Hochspannungsleitung“.

Warum ist das wichtig?

Die Energieversorgung aller Haushalte basiert auf dem 400-kV-Drehstromnetz. Entspre-chende Kenntnisse gehören zum Grundwissen aller angehenden E-IngenieureInnen.Auch Basiswissen über die Verteilung elektrischer Energie in Hochspannungsnetzen ist von elementarer Bedeutung.

Was wird von den Studierenden erwartet? Es wird erwartet, dass die Versuchsunterlagen vollständig durchgelesen und die Kontroll-fragen (Teil C) schriftlich bearbeitet wurden, bevor der Versuch stattfindet.

Mitzubringen sind Geodreieck/Lineal und ein Zirkel!

1Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

Leistung im Wechselstromkreis

InhaltsverzeichnisA Zielsetzung und Motivation..............................................................................................................2B Grundlagen........................................................................................................................................5

B.1 Leistung bei Wechselstrom.......................................................................................................5B.1.1 Messung von P, Q, S und cos φ.........................................................................................8

B.2 Das dreiphasige Drehstromsystem............................................................................................9B.2.1 Das Vierleitersystem........................................................................................................11B.2.2 Das Dreileitersystem.......................................................................................................12B.2.3 Leistung in Dreiphasensystemen.....................................................................................13

B.2.3.1 Leistung in beliebig belasteten Dreileitersystemen.................................................14B.2.3.2 Leistung in symmetrisch belasteten Drei- und Vierleitersystemen.........................16

B.3 Drehstromfreileitungen...........................................................................................................17B.3.1 Die Betriebsinduktivität..................................................................................................17B.3.2 Die Betriebskapazität......................................................................................................19B.3.3 Ohmscher Widerstand.....................................................................................................20

B.4 Drehstromfreileitung bei symmetrischem Betrieb..................................................................20B.5 Die elektrisch kurze Leitung...................................................................................................22

B.5.1 Der natürliche Betrieb.....................................................................................................22B.5.2 Der übernatürliche Betrieb..............................................................................................23B.5.3 Der unternatürliche Betrieb.............................................................................................23

C Kontrollfragen.................................................................................................................................24D Versuchsdurchführung....................................................................................................................25

D.1.1 Messung: Leistung in Einphasensystemen......................................................................26D.1.2 Messung: Leistung in symmetrisch belasteten Dreileitersystemen.................................26D.1.3 Messung: Leistung in asymmetrisch belasteten Drei– und Vierleitersystemen..............27

D.2 Untersuchung einer 380-kV-Drehstromfreileitung.................................................................29D.2.1 Elektrische Leitungskenngrößen.....................................................................................29D.2.2 Die 150 km lange Leitung im natürlichen Betrieb..........................................................29D.2.3 Die 150 km lange Leitung bei übernatürlichem Betrieb.................................................30D.2.4 Eine 300 km lange Leitung bei unternatürlichem Betrieb..............................................30

E Anhang: Literatur............................................................................................................................31

A Zielsetzung und MotivationTransport und Verteilung von elektrischer Energie erfolgen vorwiegend mit dreiphasigem Wechsel-strom, wobei der Leistungsbegriff eine zentrale Bedeutung hat. An der häuslichen Steckdose liegt

2Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

nur jeweils eine der drei Phasen des Drehstroms, da private Endverbraucher normalerweise über keinen Drehstromanschluss verfügt. Ein Schwerpunkt dieses Praktikums ist deshalb die Leistungs-messung in Ein- und Dreiphasensystemen. Bild 1 zeigt ein dreiphasiges Netz, wobei die Netzele-mente in Stern und in Dreieck geschaltet sind [3]. Die Phasen werden heute mit L1, L2 und L3 und die Anschlussklemmen auf der Verbraucherseite mit U,V und W bezeichnet (nicht im Schaltbild eingetragen). Nähere Erläuterungen zu den Strom- und Spannungszeigern finden sich in Kapitel B.2.

Drehstromstecker nach Bild 2 werden verwendet, um Drehstrom-Verbraucher (Baumaschinen, Mo-toren, kleine Werkzeugmaschinen und so weiter) an das 400-V-Drehstromnetz anzu-schließen. Der gezeigte Stecker besitzt fünf Kontaktstifte. Drei sind die Phasen L1, L2, L3, einer ist der Nulleiter (N) und der un-tere dickere ist der Schutzleiter (Erdpoten-tial, PE). Vorgeschrieben ist eine Außenlei-ter-Verdrahtung (Phasenfolge), die ein Rechtsdrehfeld zur Folge hat, das heißt mit Sicht auf die entsprechende Buchse muss im Uhrzeigersinn erst der erste, dann der zweite und schließlich der dritte Außenlei-ter seine Spannungsspitze erreichen.

Die elektrische Energie wird mit Hilfe von Hoch- und Höchstspannungsleitungen über große Ent-fernungen zu den Verbrauchern geführt. Es zeigt sich, dass eine Leitungsnachbildung zur rechneri-

3Theoretische Elektrotechnik

Bild 2: Drehstromstecker, rotes Gehäuse für 400 V

L1

L2L3

N

PE

Bild 1: Dreiphasige Energieübertragung mit Verbrauchern

Sternschaltung DreieckschaltungL1L2L3

I 1

I 2

I 3

I NN

U 10I 10

I 30

U 30

I 20

U 20

U 12

U 23

U 31

I 23

I 12

I 31

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

schen Behandlung solcher Fernleitungen mit hochgespanntem Drehstrom nötig wird. Anhand einer entsprechenden Schaltung mit konzentrierten Ersatzelementen soll im zweiten Teil dieses Prakti-kums das Betriebsverhalten einer 380-kV-Drehstromfreileitung analysiert werden.

In Bild 3 ist deutlich zu sehen, dass die Phasen des Drehstromsystems aus Bündelleitern bestehen; hier bilden typischerweise 4 Verbundseile jeweils eine Phase. Distanzhalter sorgen für einen gegen-seitigen Abstand von 40 cm. Bündelleiter führen zu kleineren Feldstärken auf den Leiteroberflächen als flächengleiche Einfachleiterseile. So können auch bei schlechtem Wetter trotz hoher Werte der elektrischen Feldstärke Koronaeffekte begrenzt werden.

4Theoretische Elektrotechnik

Bild 3: Blick in den Mast einer 380-kV-Leitung

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

B Grundlagen

Die übliche Steckdose im Haushalt weist zwei Kontakte auf: Der eine ist die "Phase", genauer ge-sagt eine der insgesamt drei Phasen des Drehstromsystems; der andere ist der geerdete "Nullleiter", der zugleich als Mittelpunktleiter fungiert und mit dem Sternpunkt des Niederspannungs-Transfor-mators verbunden ist. Dieser zweite Leiter wird daher auch "Neutralleiter" (N) oder Sternpunktlei-ter genannt. An jedem der einzelnen Stromkreise eines Haushalts kann eine andere Phase liegen. Um weitgehend symmetrische Belastung in den Zuführungsleitungen des Niederspannungs-Dreh-stromstromnetzes zu erzielen (kein Strom im Neutralleiter), sind die Elektroinstallateure gehalten, die drei Phasen bei den Verbrauchern möglichst gleichmäßig auf die Stromkreise zu verteilen.

B.1 Leistung bei Wechselstrom

In Verallgemeinerung der Definition für Gleichstrom nennt man

p t =ut ⋅i t (1)

den Momentanwert der elektrischen Leistung. Nachfolgend werden ausschließlich Spannungen und Ströme mit kosinusförmigem Zeitverlauf betrachtet (eingeschwungener Zustand, oberwellenfrei):

u t = u cos tu=2⋅U cos tu ,i t =i cos t i=2⋅I cos t i (2)

Die Anwendung der komplexen Rechnung ergibt:

u t = 2⋅Re U⋅e jt ; i t =2⋅Re {I⋅e jt } (3)

mit den Zeigern für die komplexen Effektivwerte:

U=U e ju und I=I e ji .

(4)

5Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

Bild 4 verdeutlicht die Lage der Zeiger in der komplexen Zahlenebene.Die Wirkleistung P ergibt sich zu

P=Re U⋅I * =Re U e ju⋅I e− j i =Re U⋅I⋅e j u− i =Re U⋅I⋅e j (5)

und die Blindleistung zu

Q=Im U⋅I * ,(6)

wobei I * der konjugiert komplexe Wert von I ist.

Offenbar gelten mit den Bezeichnungen aus Bild 4 die folgenden Gleichungen für die Wirk-leistung P und die Blindleistung Q:

P=U⋅I w=U⋅I⋅cos=U⋅I⋅cos u− i , (7)

Q=U⋅I b=U⋅I⋅sin =U⋅I⋅sin u−i . (8)

Für die Bestimmung der Blindleistung ist also nach Komponenten von u(t) und i(t) gemäß Gl. (1)

6Theoretische Elektrotechnik

Bild 4: Spannungs- und Stromzeiger (induktiver Lastfall)

Re

Im U

I

u

i

I w

I b

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

gefragt, die eine Phasenverschiebung um ±π/2 aufweisen. Dies tri t genau bei Induktivitäten undff Kapazitäten zu, wobei der Strom an einer Induktivität der Spannung nacheilt (Merkregel: Induktivi-tät → „I nach“). An einer Kapazität ist es genau umgekehrt, d. h. die Spannung eilt dem Strom nach. Entsprechend nennt man die Blindleistung Q induktiv für 0 und kapazitiv für 0 , siehe auch Gl. (8). An einer Induktivität gilt:

QL=Im {U L⋅I L*}=⋅L⋅I 2 .

(9)

Die von einer idealen Drosselspule aufgenommene Blindleistung erhält ein positives Vorzeichen. An einer Kapazität ergibt sich:

QC=Im {U C⋅I C*}=−

I 2

⋅C=−C⋅U 2 (10)

Die von einer idealen Kapazität aufgenommene Blindleistung erhält somit ein negatives Vorzei-chen. Q bildet ganz allgemein ein Maß der im Zeitmittel in einem System zwischen Generator und Verbraucher pendelnden Leistung. Wirk- und Blindleistung lassen sich zur komplexen Scheinleis-tung zusammenfassen; der Betrag dieser Größe wird als Scheinleistung S bezeichnet:

S=U⋅I *=P j⋅Q ∣S∣=P2

Q2=U⋅I=S .

Der nachstehende Quotient ist der sogenannte Leistungsfaktor (s. Auch Gl. (7)):

cos=Iw

I=

PS

.(11)

Das Bestreben der Energieversorger ist, den Anteil der abgenommenen Wirkleistung beim Verbrau-cher möglichst groß zu machen. Ein hoher Blindstromanteil Ib bedeutet auch einen hohen Schein-

7Theoretische Elektrotechnik

Bild 5: Leistungsmesser: stromrichtige (a) und spannungsrichtige Messschaltung (b)

W WI

U Z

I

U Z

I L I L

U LU L

I VI V

U V U V

(a) (b)

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

strom I (Bild 4). Dieser wiederum verursacht an den Impedanzen der Zuleitungen Verluste. Für die-se Verluste ist also der Scheinstrom und nicht etwa nur der Wirkstrom verantwortlich. Haushalte zahlen nur die verbrauchte Wirkenergie. Für große industrielle Abnehmer sind die Tarife so gestal-tet, dass auch für die bereitgestellte Blindenergie gezahlt werden muss. Die Energiekosten steigen daher mit wachsender Abweichung vom cos φ =1 [2].

B.1.1 Messung von P, Q, S und cos φ

Zur Ermittlung der von Verbrauchern aufgenommenen Leistung verwendet man Leistungsmesser, auch „Wattmeter“ genannt. Sie besitzen jeweils einen niederohmigen Strompfad über den der zu messende Strom geführt wird und einen hochohmigen Spannungspfad an dessen Anschlussklem-men die zu messende Spannung U gelegt wird. Bild 5 zeigt die prinzipiellen Messschaltungen. Links ist die stromrichtige, rechts die spannungsrichtige Variante, vom Verbraucher aus betrachtet, dargestellt. Der horizontale Leiter kennzeichnet den niederohmigen Strompfad des Leistungsmes-sers, der vertikale Leiter hinter dem „W“ des Schaltsymbols ist der Spannungspfad. Im Praktikum wird ein analoges Messgerät entsprechend Bild 6 verwendet. Nach Spezifikation des Herstellers be-trägt der Widerstand im Spannungspfad 1 MΩ und 8 mΩ im Strompfad.

Um eine Überlastung und Zerstörung des Geräts zu vermeiden, ist vor dem Einschalten des Versuchs stets von der Einstellung 5A/250V der entsprechenden Bereichsschalter aus-zugehen!

Links neben der Position U~ des großen mittleren Bereichs-schalters befindet sich die Position für die Leistungsmessung in einem Einphasensystem.

Zur Ermittlung der Wirkleistung aus der Zeigerstellung multi-plizieren Sie die Werte der Schalterstellungen „A“ und „V“ wählen Sie die dann die richtige Skala.

8Theoretische Elektrotechnik

Bild 6: Im Praktikum eingesetztes Messgerät

Anschlussbuchsen für Strom (links, schwarz) und Spannung (rechts, grau). Nur die zwei linken Spannungsbuchsen werden in den Versuchen benötigt.

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

Bild 7 zeigt beispielhaft die Schaltung für die Messung der Wirkleistung und des Leistungsfaktors (stromrichtige Schaltung).

Die Blindleistung Q als Imaginärteil der komplexen Leistung S lässt sich nur mit Hilfe einer Kunstschaltung messen. Um ein Standard-Wattmeter zur Blindleistungsmessung einsetzen zu kön-nen, muss diese Blindleistung den Realteil der gemessenen Größe darstellen. Für eine Messung mit einem üblichen Wattmeter wird an den Spannungspfad des Geräts eine Spannung angelegt, die ge-genüber der Spannung am Verbraucher um 90° nacheilt. Das kann bewerkstelligt werden, wenn eine Hilfsspannung U hilf zugänglich ist, die der Spannung am Lastelement um π/2 nacheilt und deren Betrag in einem bekannten Zusammenhang mit der eigentlich zu messenden Spannung U steht. Die nachstehende Herleitung belegt die gemachten Aussagen:

S=P j⋅Q=U⋅I* |⋅− j−j⋅S=− j⋅PQ=− j⋅U⋅I*

⇒Q=Re {− j⋅S}=Re {− j U⋅I*}

(12)

.

B.2 Das dreiphasige Drehstromsystem

Der prinzipielle Aufbau eines dreiphasigen Drehstromsystems mit Lasten in Stern- und Dreieck-schaltung wurde schon in Bild 1 gezeigt. Es besitzt 3 Außenleiter und den Sternpunktleiter (Index N oder 0). In den Außenleitern fließen die Außenleiterströme bzw. die Leiterströme. Die Benennungen und Zählpfeilrichtungen von Spannungen und Strömen können den Bildern 1 und 8 entnommen werden. Zwischen den Außenleitern liegen die Leiterspannungen oder verketteten Spannungen

9Theoretische Elektrotechnik

Bild 7: Messung bei Einphasen-Wechsel-strom

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

U 12 , U 23 und U 31 , die auch Außenleiterspannungen oder schlicht Dreieckspannungen genannt werden. Zwischen den Außenleitern und dem Sternpunktleiter liegen die Sternspannungen bzw. Phasenspannungen U 10 , U 20 ,U 30 .

Als Bezugsgröße für die Spannung in einem dreiphasigen Netz wird stets die Außenleiterspannung gewählt. Wenn von einem „400-V-Drehstromnetz“ gesprochen wird, ist 400 V also die Dreieck-spannung. Für die Phasenfolge wird im weiteren angenommen:

U12=U12⋅ej⋅0° , U23=U23⋅e

j⋅−120° , U31=U31⋅ej⋅−240°

U12=U23⋅ej⋅120° , U23=U31⋅e

j⋅120°, U31=U12⋅ej⋅120 ° . (13)

Folgende Beziehungen gelten für die Spannungs- und Stromzeiger: U 12U 23U 31=0U 12=U 10−U 20 , U 23=U 20−U 30 , U 31=U 30−U 10

I 1I 2 I 3= I 0 , I 1= I 12− I 31, I 2= I 23− I 12, I 3=I 31−I 23

. (14)

Das System heißt symmetrisch, falls alle 3 Strangspannungen den gleichen Betrag haben und paar-weise um 120° phasenverschoben sind. Dann weisen die Leiterspannungen dieselbe Symmetrie auf. Die verketteten Spannungen sind um den Faktor 3 größer als die Phasenspannungen. Es liegen 2 symmetrische Spannungssysteme vor, die um 30° gegeneinander verdreht sind.

10Theoretische Elektrotechnik

Bild 8: Das Dreiphasendrehstromsystem mit den Anschlüssen U,V,W auf der Verbraucherseite

U12

U 23

U31U10

U 30

U 20

L1

L2

L3

0

I1

I2

I3

I0

U

VW

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

B.2.1 Das Vierleitersystem

Die meisten praktisch verwendeten 4–Leiter–Systeme entsprechend Bild 1 sind annähernd symme-trisch. Wie eingangs schon erwähnt wurde, gilt dieses jedoch nicht generell in Niederspannungsnet-zen. Ein Beispiel mit einem Zeigerdiagramm bei unsymmetrischer Last in Sternschaltung zeigt Bild 9. In einem Vierleiternetz ist nur die Sternschaltung mit Sternpunktleiter möglich.

Wie beispielhaft gezeigt wird, bilden die Strangströme ein unsymmetrisches System. Da die Kno-tenpunktsforderung nach wie vor gültig ist, wird in der Regel ein Nulleiterstrom auftreten.

Bei symmetrischer Belastung verschwindet der Strom I 0 , d.h. der Sternpunktleiter kann entfernt

11

Bild 10: Symmetrische Last im Vierleitersystem

U12

U 23

U31

U10

U 20

U30

I1

I2

I3

U

VW

Bild 9: Unsymmetrische Last im Vierleitersystem

U12

U 23

U31

U10

U 20U30

I1 I2

I3I0

U

VW

Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

werden (Bild 10).

B.2.2 Das Dreileitersystem

Das oben beschriebene Drehstromnetz ohne Sternpunktleiter bildet ein Dreileitersystem. Analog zu den bisherigen Überlegungen heißt es symmetrisch, wenn die Leiterspannungen die Gln. 13 erfül-len. Bei ungleichen Strangimpedanzen stellt sich am Sternpunkt ein anderes Potential ein, als ein mitgeführter Sternpunktleiter gegebenenfalls gehabt hätte.

Das System der Gleichungen (14) gilt mit I 0=0 weiterhin; zweckmäßigerweise ergänzt man es aber wie folgt:

U 12=U 1S−U 2S , U 23=U 2S−U 3S , U 31=U 3S−U 1S ,U SN=U S−U N=U S−U 0

, (15)

wobei der Index „S“ hier den verschobenen Sternpunkt kennzeichnet. Die SpannungenU 10 ,U 20 ,U 30 beziehen sich nun auf einen Nullpunkt, den man künstlich erzeugen muss. In der

Praxis kann man z.B. zur Sternpunktbildung die hochohmigen Innenwiderstände der Leistungsmes-ser im Spannungspfad verwenden. Auch lässt sich der eventuell vorhandene Sternpunktleiter eines Vierleitersystems nutzen, der in diesem Fall nicht an den Verbraucher angeschlossen wäre.

Ein Laststernpunkt kann unzugänglich oder rein fiktiv sein. Der letztgenannte Fall tritt ein, wenn ein Verbraucher in Dreieckschaltung vorliegt. Aus der Netzwerktheorie ist bekannt, dass bei einer

festen Frequenz bei gegebener Dreieckschaltung ein bezüglich der drei äußeren Anschlüsse voll-kommen äquivalenter Stern aus 3 eindeutig bestimmten anderen Impedanzen mit definiertem Stern-

12Theoretische Elektrotechnik

Bild 11: Unsymmetrisch belastetes Dreileitersystem

U12

U 23

U 31

U10

U 20U30

I1

I2

I3

U

VW

I1

I2

I3

1

2

3

U 3S

U 1S

U 2S

U SN

S

0, N

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

punktpotential konstruierbar ist („Stern-Dreieck-Umwandlung“). Die Umkehrung gilt gleicherma-ßen.Bild 11 zeigt die Spannungen und Ströme bei unsymmetrischer Belastung eines symmetrischen Dreileitersystems. Im Spezialfall einer symmetrischen Last sind Sternpunkt S und Nullpunkt N identisch.

B.2.3 Leistung in Dreiphasensystemen

In beliebig belasteten Dreiphasensystemen ist die Wirk–/Blindleistung die Summe der in den Ein-zelphasen umgesetzten Wirk–/Blindleistungen. Im einfachsten Fall schließt man an jede Phase ein Wattmeter an, wie bei Einphasensystemen, und addiert die Anzeigen der einzelnen Wattmeter. Für die Messung der gesamten Blindleistung kann man die Strompfade der Wattmeter belassen wie bei der Wirkleistungsmessung. Wie weiter oben bereits hergeleitet wurde, sind die Spannungspfade al-lerdings so umzuschalten, dass die neuen anliegenden Spannungen gegenüber den früheren um π/2 nacheilen. Im symmetrischen Drehstromnetz gilt (s. z.B. Bild 10):

−jU 10=1

3⋅U 23 , − jU 20=

1

3⋅U 31 , − jU 30=

1

3⋅U 12 ,

−jU 12=−3⋅U 30 , − jU 23=−3⋅U 10 , − jU 31=−3⋅U 20

. (16)

Liegen solche Spannungen nicht vor, können sie in einem symmetrischen Dreiphasensystem z.B. durch einen künstlichen Nullpunkt erzeugt werden. Die Summe der angezeigten Leistungen ent-spricht dann der gesamten verbrauchten Blindleistung. Bild 12 verdeutlicht noch einmal die rele-

vanten Zeiger bei der Leistungsmessung. Es ergibt sich:

13

Bild 12: Spannungs- und Stromzeiger bei Leistungsmessung im Drehstromsystem

U

I kap

I ind

U hilf

kap ind

hilf ,ind

hilf ,kap

Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

P Anzeige=U⋅I⋅cos ≥0 für I kap und I ind

Q Anzeige=U hilf⋅I⋅cos hilf ≥0 für I ind

≤0 für I kap

B.2.3.1 Leistung in beliebig belasteten Dreileitersystemen

Mögliche Schaltungen in einem Dreileiternetz sind die Sternpunktschaltung ohne Sternpunktleiter und die Dreieckschaltung. Die Scheinleistung setzt sich aus der Summe der Verbraucherleistungen in den einzelnen Strängen (Index „Str“) zusammen:

S=∑i=1

3

U Str i⋅I Str i*=U 10⋅I 10

*U 20⋅I 20

*U 30⋅I 30

*=U 12⋅I 12

*U 23⋅I 23

*U 31⋅I 31

* (17)

Nur unter der Annahme symmetrischer Last ergibt sich:

S=U Str⋅I Str ej0 e j

e− j120 ° e j 120 °e− j240 ° e j 240 ° =3 U Str⋅I Str⋅e

j=

3U⋅I cos j sin ,. (18)

wobei in der Sternschaltung I=I Str ,U=3U str und in der Dreieckschaltung I=3 I Str ,U=U str

gelten.

Aus U 12U 23U 31=0 folgt U 31=−U 12−U 23 (s. Gln. (14) ). Einsetzen in Gl. (17) liefert:

S=U 12⋅ I 12*− I 31

* U 23⋅ I 23*−I 31

* . (19)

Mit I 12−I 31= I 1 und I 23−I 31=−I 3 ergibt sich schließlich:

S=U 12⋅I 1*−U 23⋅I 3

*=U 12⋅I 1*U 32⋅I 3

* . (20)

Daraus kann man die Wirkleistung und die Blindleistung berechnen:

P=Re U 12⋅I 1* Re −U 23⋅I 3

* =U 12⋅I 1⋅cos ∢U 12 , I 1 U 32⋅I 3⋅cos ∢U 32 , I 3 Q=Im U 12⋅I 1

* Im −U 23⋅I 3* =U 12⋅I 1⋅sin ∢U 12 , I 1 U 32⋅I 3⋅sin ∢U 32 , I 3

. (21)

Entsprechend Gl.(12) folgt für Q:

14Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

Q=Re − j S =Re − j U 12⋅I 1* j U 23⋅I 3

* (22)

Anwendung von jU 23=3⋅U 10 und j U 12=3⋅U 30 (Gl. (16)) liefert schließlich:

Q=3⋅Re −U 30⋅I 1*U 10⋅I 3

* =3⋅Re U 03⋅I 1*U 10⋅I 3

* =3 U 03⋅I 1⋅cos ∢U 03 , I 1 3 U 10⋅I 3⋅cos ∢U 10 , I 3=3 Q 1Q 2

. (23)

Q 1 und Q 2 werden von den Wattmetern angezeigt. Ihre Summe ist mit 3 zu multiplizieren um die Gesamtblindleistung Q zu erhalten. Hilfsspannungen sind hier U 03 und U 10 .

Zur Wirkleistungsmessung verwendet man also 2 Wattmeter entsprechend der nachstehenden Schal-tung, die auch Aronschaltung genannt wird (P nach Gl. (21)):

Für die Blindleistungsmessung wählt man entsprechend (Q nach Gl. (23)):

Zur Messung der Blindleistung wird der Nullpunkt benötigt.

15Theoretische Elektrotechnik

Z 1

Z 2

Z 3

L1

L2

L3

W

W

S

Z 1

Z 2

Z 3

L1

L2

L3

W

W

S

N

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

B.2.3.2 Leistung in symmetrisch belasteten Drei- und Vierleitersystemen

Bei symmetrischer Last ist keine eigene Schaltung zur Blindleistungsmessung erforderlich. Die Werte von P, Q und cos φ können direkt mit der Aronschaltung, wie sie bei der Wirkleistungsmes-sung einsetzt wurde, ermittelt werden. Aus dem Zeigerdiagramm in Bild 10 kann für die Leiterspan-nung U L=U=∣U 12∣=∣U 23∣=∣U 31∣ und für den Leiterstrom IL=I=∣I1∣=∣I2∣=∣I3∣ entnommen wer-den. Weiterhin ist die Gesamtblindleistung Q=3⋅U⋅I sin (s. Gl. (18)).

Bei Verwendung der Aronschaltung ist P=PL1PL3=3⋅U⋅I⋅cos , wobei gilt:

PL1=∣U12∣⋅∣I1∣⋅cos 30 °=UL⋅IL⋅cos 30°=U⋅I⋅cos 30° (24)

P L3=∣−U 23∣⋅∣I 3∣⋅cos30°−=U L⋅I L⋅cos −30 ° =U⋅I⋅cos −30 ° (25)

Für Q ist die Differenz der beiden Leistungen zu bilden, was nachstehende Herleitung zeigt:

PL3−PL1=U⋅I⋅cos −30°−U⋅I⋅cos 30°=U⋅I⋅cos⋅cos 30°sin⋅sin 30°−cos⋅cos30°sin⋅sin 30°

U⋅I⋅2sin 30°⋅sin=U⋅I⋅sin=Q

3⇒Q=3 PL3−PL1

. (26)

Bei einem kapazitivem Verbraucher gilt beispielsweise ∣PL1∣∣PL3∣ und PL10 .

16Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

B.3 Drehstromfreileitungen

Wie eingangs schon erwähnt, sollen die stationären Übertragungseigenschaften einer 380-kV-Frei-leitung untersucht werden. Allgemein sind Freileitungen Betriebsmittel in Energieversorgungsnet-zen, die dem Transport und der Verteilung der elektrischen Energie dienen. In der öffentlichen Ener-gieversorgung haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Spannungsebenen entwickelt. Die End-verteilung der elektrischen Energie auf die Verbraucher erfolgt über die 400-V-Ebene, die aus einem übergeordneten Mittelspannungsnetz gespeist wird (ca. 10-30 kV). Mittelspannungsnetze ihrerseits werden aus dem überlagerten Hochspannungsnetz gespeist, das mit 110 kV betrieben wird. Bei den Höchstspannungsnetzen hat sich die Netznennspannung 380 kV durchgesetzt. Diese höchste Span-nungsebene stellt eine reine Transportebene für große Entfernungen dar [3]. Nur Niederspannungs-netze sind im Unterschied zu den anderen Spannungsebenen nicht als Drei-, sondern als Vierleiter-systeme aufgebaut, um den Anschluss einphasiger Verbraucher zu ermöglichen (s. oben).

Die Leitungslängen reichen von einigen 100 m (Niederspannung) bis einigen 100 km (Höchstspan-nung). Aus wirtschaftlichen und technischen Gründen bestimmt die Übertragungsaufgabe, d.h. die Größe von P und die Distanz der zu übertragenden Leistung die Wahl der Spannungsebene U (Ef-fektivwert).

Bild 13 zeigt einen Tragmast, der sich in Institutsnähe befindet. An den mittleren Masttraversen sind zwei 380-kV-Leitersysteme an Abspannisolatoren aufgehängt, wobei L1, L2 und L3 jeweils als Bündelleiter (Viererbündel) ausgeführt sind. Auf der unteren Traverse werden noch zwei 110-kV-Systeme geführt. An der Spitze des Mastes erkennt man 2 Erdseile, die u.a. die Funktion des Blitz-schutzes übernehmen. Es handelt sich um einen sogenannten „Donaumast“.

Da alle Vorgänge in den 3 Phasen sich nur um den Phasenversatz von 120° unterscheiden, genügen zur stationären Zustandsbeschreibung eines Netzes und damit jeder Drehstromleitung einphasige Modelle, was im Folgenden skizziert werden soll.

B.3.1 Die Betriebsinduktivität

Beim Anlegen einer Spannung an eine Drehstromfreileitung werden elektrische Felder aufgebaut (Kapazität der Leiter untereinander und gegen Erde) und beim Fließen der Leiterströme entstehen magnetische Felder. Versorgungsnetze beinhalten damit verteilte Kapazitäten und Induktivitäten. Nach [3] lässt sich zunächst das in Bild 14 gezeigte Ersatzschaltbild eines unsymmetrisch angeord-neten Dreileitersystems bei Vernachlässigung der kapazitiven Kopplung herleiten, was aus dem Ge-sagten intuitiv verständlich ist.

Bei unsymmetrischer Aufhängung der Leiterseile sind die Induktivitäten L1 , L2 , L3 unterschiedlich groß. Damit verursachen die Leiterströme, die als eingeprägt angesehen werden können, bei den Verbrauchern am Leitungsende Spannungsverzerrungen. Diese sind umso größer, je länger die Lei-tung ist, da sich wegen L=L '⋅l mit l als der Länge der Leitung die Asymmetrien stärker ausbil-den. L ' ist der sogenannte Induktivitätsbelag. Eine Homogenisierung der Induktivitätsbeläge kann durch Verdrillung der Seilführung herbeigeführt werden, was in Bild 15 illustriert wird.

17Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

18Theoretische Elektrotechnik

Bild 14: Einfaches Ersatzschaltbild einer kurzen unverdrillten Drehstromleitung

L 1

L 2

L 3

I 1

I 2

I 3

1

2

3

Bild 13: Eine 380-kV-Leitung, die man vom Institut aus sehen kann, ein typischer Donau-Mast

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

Bei der dargestellten Seilführung tritt in jedem Außenleiter die gleiche Induktivität auf, die soge-nannte Betriebsinduktivität, die auch die Koppelinduktivitäten enthält

L b=L b'⋅l=

L1

3

L 2

3

L3

3. (27)

Zur Herleitung dieser Gleichung wird auf [3] verwiesen. Bei symmetrischem Betrieb lässt sich also das nachstehend zu sehende einfache einphasige Ersatzschaltbild angeben ( U E : verkettete bzw. Außenleiterspannung am Eingang der Leitung, U A entsprechend am Ausgang der Leitung).

Als Anhaltswert für die Betriebsinduktivität von Freileitungen gilt Lb'=1mH /km .

B.3.2 Die Betriebskapazität

Leiterseile stellen Elektroden dar, zwischen denen sich Teilkapazitäten ausbilden. Die Spannungs-abfälle entlang der Leitungen sind klein im Vergleich zu den Leiterspanungen. Daher ist die Bedin-gung konstanten Elektrodenpotenzials hinreichend erfüllt. Bild 17 zeigt, wie sich prinzipiell die Koppelkapazitäten C ik und Erdkapazitäten C iE in einem Dreileitersystem ausbilden. Die Erdkapa-zitäten sind umso kleiner, je größer ihr Abstand zur Erde ist. Auch wenn die Koppelkapazitäten bei einer Anordnung der Leiter in der Form eines gleichseitigen Dreieck gleiche Wert aufweisen, so sind die Erdkapazitäten bei einer solchen Leiteraufhängung wieder unterschiedlich groß.

19Theoretische Elektrotechnik

Bild 16: Einphasige Darstellung einer verdrillten Drehstromfreileitung bei symmetrischem Betrieb

L bU E/ 3 U A/3

Bild 15: Verdrillung eines Drehstromsystems zur Vergleichmäßigung des Induktivitätsbelags

L 1/3

1

2

3L 3 /3

L 2 /3

l /3 l /3 l /3

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

Auch in diesem Falle kann gezeigt werden, dass die gewünschte Symmetrie in den Kapazitäten durch Verdrillung zu erreichen ist, so dass jeder Phase eine Betriebskapazität Cb zugeordnet wer-den kann [3].

Ein Anhaltswert für vorliegende Freileitungssysteme ist Cb'=10 nF / km .

B.3.3 Ohmscher Widerstand

Leiterseile sind aus zahlreichen Einzeldrähten zusammengesetzt, wobei die Einzeldrähte durch eine Oxidschicht gegeneinander isoliert und verdrillt sind („Seilschlag“), um Wirbelstromeffekte zu mi-nimieren. Üblicherweise werden Verbundseile eingesetzt, wobei der Kern des Seils zum Erzielen der notwendigen mechanischen Festigkeit aus Stahldrähten besteht und die außen liegenden Alumi-niumdrähte die eigentlichen Leiter sind. Theoretisch lässt sich der Widerstand Rb nur schwer er-mitteln, weshalb man auf empirische Beziehungen zurückgreift. Im Ersatzschaltbild gemäß Bild 16 wäre ein entsprechender konzentrierter Widerstand mit der Induktivität in Serie zu schalten. Norma-lerweise gilt folgende Beziehung: Rb /Lb ≤ 0,3 .

B.4 Drehstromfreileitung bei symmetrischem Betrieb

Mit den bisher angestellten Betrachtungen kann nun ein einphasiges Ersatzschaltbild angegeben werden, mit dem sich das Betriebsverhalten bis zu 150 km Leitungslänge beschreiben lässt.

20Theoretische Elektrotechnik

Bild 17: Ausbildung der Teilkapazitäten an einem Dreileitersystem

1

3

2

C1E

C3E

C 2E

C12

C13 C 23

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

21Theoretische Elektrotechnik

Bild 19: Qualitatives Zeigerdiagramm einer kurzen Leitung bei der nur Rb undLb Beachtung finden ( U : Längsspannungsabfall, U : Querspannungsabfall)

Bild 18: Einphasiges Pi-Ersatzschaltbild für ein 150 km langes Leitungssegment einer Höchstspannungsleitung mit dem Verbraucher Z am Leitungsende

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

Es ist in Bild 18 dargestellt und kann auch aus der Leitungstheorie hergeleitet werden, worauf hier verzichtet wird. Verschiedene Lastfälle werden in den nächsten Abschnitten diskutiert. Die Wellen-länge bei 50 Hz ist 6000 km, so dass man eine Leitungslänge von 150 km als „elektrisch kurz“ an-sehen kann. Häufig genügt dann die Behandlung der Leitung mit einer einfachen R-L-Schaltung im Querzweig, speziell im Nieder- und Mittelspannungsbereich. Aber bereits bei 300 km Leitungslän-ge, was bei Höchstspannungsleitungen leicht der Fall sein kann, werden schon zwei der in Bild 18 dargestellten Pi-Glieder zur genaueren Beschreibung herangezogen.

B.5 Die elektrisch kurze Leitung

Für eine einseitig gespeiste Leitung erhält man unter Vernachlässigung des Kapazitätsbelags das prinzipielle Zeigerdiagramm in Bild 19 (reelle und imaginäre Achse sind jeweils um 90° gedreht,

I A=I E=I , die Last ist ein ohmsch-induktiver Verbraucher). Der Spannungsabfall über der Lei-tung kann aufgeteilt werden in einen Längsspannungsabfall U , der dieselbe Phasenlage hat wie die Spannung U A und einen dazu senkrechten Querspannungsabfall U . Man kann sich leicht überlegen, dass gilt (Minuszeichen, wenn der Strom voreilt):

U=Rb⋅I wirk±I blind⋅Lb

U= Lb⋅I wirk∓I blind⋅Rb. (28)

Der Längsspannungsabfall ist maßgeblich in Nieder- und Mittelspannungsnetzen (Verringerung durch Blindstromkompensation am Verbraucher), wohingegen der Querspannungsabfall maßgeblich für Hochspannungsnetze ist. Um Leistung übertragen zu können, muss man einen Leitungswinkel zulassen. Bei einer Verbindung von Netz zu Netz sind 42° maximal zulässig. Bei weiterer Stei-

gerung von und damit der Leitungslänge tritt in zunehmender Weise eine Gefährdung der Stabi-lität der Energieübertragung auf. Man findet:

tan =U

∣U A

3∣U

, ∣U E

3∣=∣U A

3∣U

2

U 2

.

B.5.1 Der natürliche Betrieb

Das Eingangsverhalten des Ersatzschaltbildes einer verlustlosen Hochspannungsfreileitung mit LastZ (Bild 18 ohne Längswiderstandsbelag) wird durch die Eingangsimpedanz

Z E=U E

I E

=2

jCb

∥[ j Lb 2jC b

∥Z ] (29)

bestimmt [3]. Die Auswertung dieses Terms ergibt, dass der komplexe Eingangswiderstand Z E re-ell wird und in guter Näherung den Wert Lb

'/Cb

' annimmt, wenn der Lastwiderstand Z eben-

falls zu Lb'/Cb

' gewählt wird. In einem solchen Betriebszustand nimmt die Leitung keine Blind-

leistung auf, da die induktiven und die kapazitiven Ströme sich selbst kompensieren. Man bezeich-net diesen speziellen Betriebszustand als „Anpassung“ (nach der Leitungstheorie ist die Leitung an-gepasst abgeschlossen) bzw. als „natürlichen Betrieb“. Es gilt also

22Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

Z E=ZW= Lb'

Cb'

(30)

mit ZW als dem Wellenwiderstand. Die natürliche Leistung ist:

Pnat=3⋅ U3

2

⋅1

Z W

=U 2

ZW

.

B.5.2 Der übernatürliche Betrieb

Jetzt wird der Lastfall ZWZ einer Höchstspannungsleitung betrachtet. Die Eingangsimpedanz weist nun induktives Verhalten auf. Das ist verständlich, da sich bei relativ niedrigem Abschlusswi-derstand ein großer Strom entwickeln kann, der seinerseits mit einem entsprechend starkem Ma-gnetfeld verbunden ist. Dieser Einfluss übersteigt den Einfluss des elektrischen Feldes.

B.5.3 Der unternatürliche Betrieb

Der unternatürliche Betrieb einer Höchstspannungsleitung ist gekennzeichnet durch die BedingungZWZ , was zu einer Dominanz des kapazitiven Verhaltens führt. Laststrom und Magnetfelder

sind verhältnismäßig klein, was zu einem stärkerem Einfluss der Verschiebungsströme führt. Ein ausgeprägt unternatürlicher Betrieb ist zu vermeiden, denn bei betragsmäßig hoher Last Z∞ bilden die Längsinduktivität Lb und die Querkapazität Cb / 2 am Leitungsende im Ersatzschaltbild einen Reihenschwingkreis. Mit wachsender Leitungslänge kommen die entsprechenden Blindwider-stände in die gleiche Größenordnung:

Lb'⋅l≈

1

Cb'/ 2⋅l

. (31)

Bereits bei Netzfrequenz stellt sich in zunehmender Weise ein Resonanzverhalten ein, was am Ende der Leitung zu einer überhöhten Spannung führt. Der zulässige Grenzwert vonU max≈1,15⋅U Nenn kann leicht verletzt werden. Die Spannungserhöhung wird „Ferranti-Effekt“ ge-

nannt und kann in geminderten Umfang auch schon bei belasteten Leitungen beobachtet werden, wenn sie unternatürlich betrieben werden.

23Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

C KontrollfragenDie Kontrollfragen sind zu Hause zu bearbeiten!

1. Geben Sie den allgemeinen Ausdruck für die Scheinleistung S an! Was ist P, was ist Q? Wie lauten die Einheiten? Leiten Sie das Vorzeichen für Q bei rein induktiver bzw. rein ka-pazitiver Last ab!

2. Aus den Gln. (1), (2) und (3) lässt sich ableiten:p t =ut ⋅i t =U I cosU⋅I cos 2 tui . Nehmen Sie u=0, i0 an

und skizzieren p(t). Wie häufig wechselt die Leistung in einer Periode das Vorzeichen?

3. Überlegen Sie sich, wie aus den gemessenen Größen P, U und I der Leistungsfaktor und die Blindleistung berechnet werden. Wie kann das Vorzeichen von Q bestimmt werden, wenn ein symmetrisches Dreiphasennetz mit zugänglichem Nullpunkt zur Verfügung steht?

4. Die Phase L1 werde mit der Parallelschaltung aus R, L und C belastet (s. Bild 20, Prakti-kumsstand). Welche Bedingung muss gelten, damit der Leistungsfaktor maximal wird, d.h. nur Wirkstrom in den Zuleitungen fließt? Wie lautet die Beziehung zwischen L und C in die-sem Falle?

5. Warum erfolgt Energieübertragung mit Hochspannung?

6. Berechnen Sie mit den angegeben Belagsgrößen die Blindwiderstände Lb=X L und 2 /Cb=2 X C entsprechend der Pi-Ersatzschaltung in Bild 18 . Beachten Sie die Beträge

der komplexen Impedanzen und verwenden Sie diese Werte zur Beantwortung der folgenden zwei Teilaufgaben. Wie könnte man messtechnisch näherungsweise Lb und Cb bestim-men?

7. Nehmen Sie eine verlustlose Leitung an, die mit natürlicher Last betrieben wird. Welche Be-dingung gilt für ∣U E∣ und ∣U A∣ .Modifizieren Sie das Zeigerdiagramm nach Bild 19 ent-sprechend, zeichnen Sie nur U , U ein.

8. Skizzieren Sie die Zeigerdiagramme entsprechend Bild 19 für die Sonderfälle P=0 undQ=0 .

24Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

D Versuchsdurchführung

Sicherheitshinweise:

● In den Versuchen wird mit Netzspannung gearbeitet. Sicherheitshinweise der Betreuer sind deshalb strikt zu befolgen

● Aufbau und Änderungen von Schaltungen dürfen nur bei ausgeschalteter Netzspannung er-folgen

● Vor dem Einschalten muss jede Schaltung vom Betreuer abgenommen werden

● Im Falle einer Notsituation ist der Notaus-Knopf (Bild 20) zu drücken

25

Bild 20: Versuchsstand mit vorläufiger Frontgestaltung

Theoretische Elektrotechnik

L1 L2 L3

L1

Spannung: Ein/Aus

Notaus-Knopf

Schalter für Sternpunktleiter:durchgeschaltet / unterbrochen

Fest eingebaute Messgeräte (U, I, Leistung, cos φ)

Nachbildung einer 380-kV-FernleitungWiderstände (von links n. rechts):

R1=1000 , R2=288 ,R3=50

Je Phase von links n. rechts:

R=482

L=3 H

C 1 = 1 μF, C 2 = 4 μF, C 3 = 10 μF

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

D.1.1 Messung: Leistung in Einphasensystemen

Folgende Lasten sind an Phase L1 anzuschließen:

1 Z1=R∥L2 Z1=R∥L∥C2

3 Z1=R∥L∥C3

Folgende Größen sind zu messen, um die nachstehende Tabelle auszufüllen:I , , P cos , Qm , coshilf .

Welche Spannung U hilf ist zu nehmen? Wie ist dann die Blindleistung aus der gemessenen Blind-leistung Q m zu berechnen? Schreiben Sie die berechnete Blindleistung in die Spalte Q. Kommentieren Sie die möglichen Abweichungen!

Der Spannungspfad bei den Drehspulmessgeräten (Bild 6) wird erst nach dem Einschalten der Ver-sorgungsspannung angeschlossen!

Lastfall I [m A ] P[W ] cos coshilf Qm [VAr ] Q [VAr ] [° ] hilf [° ]

1)

2)

3)

D.1.2 Messung: Leistung in symmetrisch belasteten Dreileitersystemen

Die Impedanzen Z in den drei Phasen sind jeweils gleich (Sternschaltung mit angeschlossenem Neutralleiter). Es sollen 3 Fälle untersucht werden:

1 Z =R2 Z =R∥L3 Z =R∥L∥C 3

.

Mit der Aronschaltung und einem Voltmeter sollen jeweils die Größen der folgenden Tabelle ge-messen werden.

Lastfall P 1 [W ] P 3 [W ] Q 1 [VAr ] Q 3 [VAr ] P [W ] Q [VAr ] U S N [V ]

1)

2)

3)

26Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

D.1.3 Messung: Leistung in asymmetrisch belasteten Drei– und Vierleitersyste-men

Folgende asymmetrische Last ist an die Phasen 1, 2 und 3 anzuschließen:

Bei geöffnetem Schalter (Dreileitersystem) sind die Wirkleistung und die Blindleistung durch die notwendigen Hilfsspannungen zu messen, um die folgende Tabelle auszufüllen.

P1 [W ] P3 [W ] Q 1 [VAr ] Q 3 [VAr ] P [W ] Q [VAr ]

Ferner sind auch die Größen folgender Tabelle zu bestimmen:

UStr1 [V ] UStr2 [V ] UStr3 [V ] USN [V ] I 1 [mA] I 2 [mA ] I 3 [mA]

Bei geschlossenem Schalter sind zu messen:

I 1 [mA] I 2 [mA ] I 3 [mA] I 0 [mA ]

Mit diesen Daten sollen Sie das Zeigerdiagramm für die untersuchten zwei Drehstromsysteme zeichnen. Folgende Maßstäbe sind zu empfehlen:

20 V entsprechen 1 cm, 50 mA entsprechen 1 cm.

27Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

28Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

D.2 Untersuchung einer 380-kV-Drehstromfreileitung

Das einphasige Leitungsmodell mit Elementen entsprechend Bild 20 wird mit der Phasenspannung des Niederspannungsnetzes betrieben, so dass die gemessenen Ströme und Spannungen jeweils mit dem Faktor 1000 auf Originalgrößen umzusetzen sind.

D.2.1 Elektrische Leitungskenngrößen

Für den Versuchsaufbau gelten folgenden Werte für die Ersatzelemente:

Lb=165mHCb2=1,02 F

Resultierender Längswiderstand Rb := 5,21

Berechnen Sie Z W . ZW = ____________ Ω

D.2.2 Die 150 km lange Leitung im natürlichen Betrieb

Schließen Sie die 150 km lange Leitung mit dem Wellenwiderstand ZW ab.

Stellen Sie den Einfluss des Kapazitätsbelags bei „verlustloser“ Leitung fest. Der zuschaltbare Längswiderstand soll also nicht beachtet werden (die Verluste in Lb kann man im Versuch leider nicht umgehen).

Beobachten Sie den Leistungsfaktor am Anfang der Leitung

a) ohne Querkapazitäten und b) mit Querkapazitäten.

Tendenz für cosE :___________________________________________

Bestimmen Sie die Größen der folgenden Tabelle (Ströme in kA und Spannungen in kV):

29Theoretische Elektrotechnik

Die untere kleine Längsinduktivität darf nur im 1-kΩ-Lastfall eingesetzt werden, ansonsten besteht die Gefahr der Zerstörung!

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

U A/3 I A U U Leitungswinkel in Grad

U E /3 gemes-sen

U E /3 be-rechnet

D.2.3 Die 150 km lange Leitung bei übernatürlichem Betrieb

a) Terminieren Sie die verlustbehaftete Leitung mit 50 Ω. Messen Sie Strom und Spannung am Leitungsende und kommentieren Sie das Resultat. Ist ein solcher Betriebszustand praktikabel?

U A /3 I A U U Leitungswinkel in Grad

U E/ 3 gemes-sen

U E/ 3 be-rechnet

b) Terminieren Sie die verlustbehaftete Leitung mit einer Parallelschaltung aus den 3 ohmschen Wi-derständen des Drehstromversuchs (ca. 160 Ω). Füllen Sie die nachstehende Tabelle!

U A /3 I A U U Leitungswinkel in Grad

U E/ 3 gemes-sen

U E/ 3 be-rechnet

D.2.4 Eine 300 km lange Leitung bei unternatürlichem Betrieb

Setzen Sie zur Leitungsnachbildung nun zwei in Serie geschaltete Pi-Glieder ein. Als Längsindukti-vität des zweiten Pi-Glieds verwenden Sie nun die untere Induktivität (kleines Schaltungssymbol).

Betreiben Sie die Leitung im Leerlauf und füllen Sie die nachstehende Tabelle. Kommentieren Sie das Resultat!

Tabelle für den Leerlauf:

U E /3 I E cosE U A/3 U A/U E U A/U E Unter Missach-tung des Kapazitätsbelags

Schließen Sie dann die Leitung mit RA =1000 Ω ab und beobachten Sie U A/3 .

30Theoretische Elektrotechnik

Leistung im Wechselstromkreis E-18,V5

U A/3 = ____________ kV

Lastwiderstand RA =1000 Ω. U A/U E = __________

E Anhang: Literatur

[1] H. Frohne, K.-H. Löcherer, H. Müller: „Möller, Grundlagen der Elektrotechnik“, Teubner-Verlag, 2002

[2] F. Noack: „Einführung in die elektrische Energietechnik“, Fachbuchverlag Leipzig, 2003[3] K. Heuck, K.-D. Dettmann: „Elektrische Energieversorgung“, Vieweg-Verlag, 2002

31Theoretische Elektrotechnik