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Math. Semesterber. (1994) 41:23--42 Polygonfolgen ond Napoleonsatze Wolfgang Schuster Mathematische Semesterberichte © Springer-Verlag 1994 Deutsches Institut fur Femstudien an der Universitat Tiibingen (DIFF), Konrad-Adenauer-StraBe 40, D-72072 Tiibingen Eingegangen am 29.6.1993, angenommen am 10.8.1993 Zusammenfassung. Es wird eine Methode entwickelt, geometrische Satze vom Ty- pus des Satzes von Napoleon auf analytischem Weg herzuleiten. Ein Napoleonsatz beschreibt eine Konstruktion, die aus einem vorgegebenen Polygon ein symmetri- sches, insbesondere ein regulares Polygon hervorgehen lliBt. Die Methode stutzt sich im wesentlichen auf Begriffsbildungen der Funktionalanalysis. Ihren Kern bildet die Spektraldarstellung eines Operators im Raum der Polygone. Der Operator ist das analytische Aquivalent der folgenden Konstruktion: Auf den Seiten eines Polygons errichte man ahnliche Dreiecke und verbinde deren Spitzen zu einem neuen Polygon. Durch wiederholte Anwendung dieser Standardkonstruktion kann man Polygonfolgen erzeugen, die asymptotisch gegen ein symmetrisches Polygon konvergieren oder bei denen nach endlich vielen Schritten ein symmetrisches Polygon entsteht. Einleitung Einige Beispiele sollen zunachst das thematische Feld abstecken, auf dem wir uns bewegen wollen. Ein Napoleon zugeschriebener Satz [7] besagt: (a) Errichtet man auf den Seiten eines beliebigen Dreiecks gleichseitige Dreiecke, dann bilden deren Mittelpunkte ein gleichseitiges Dreieck. Dieser uberraschende und schone Satz stellt den einfachsten Fall des Satzes von Neumann dar [6, Satz 3, Abschn.5]. Da jedes Dreieck das affine Bild eines gleich- seitigen (regulliren) Dreiecks ist, bildet er zugleich den einfachsten Fall des Satzes von Barlotti [I, Satz (i), Abschn. 5]. Fur das Viereck lautet der Satz von Barlotti: (b) Errichtet man auf den Seiten eines Vierecks Quadrate, dann sind deren Mittelpunkte genau dann die Eckpunte eines Quadrates, wenn das Viereck ein Parallelogramm ist. Stellt man fur das. Ausgangspolygon keine geometrische Bedingung, dann erfor- dert die Konstruktion eines entsprechenden regularen Polygons mit Hilfe von Stan- dardkonstruktionen im allgemeinen die Konstruktion von Zwischenpolygonen, Bei einem n-Eck gelangt man auf diese Weise nach n - 2 Schritten immer zum Ziel. Diese Konstruktion beschreibt der Satz von Neumann [6]. Wir gewinnen diesen Satz

Polygonfolgen und Napoleonsätze

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Math. Semesterber. (1994) 41 :23--42

Polygonfolgen ond Napoleonsatze

Wolfgang Schuster

MathematischeSemesterberichte

© Springer-Verlag 1994

Deutsches Institut fur Femstudien an der Universitat Tiibingen (DIFF), Konrad-Adenauer-StraBe 40,D-72072 Tiibingen

Eingegangen am 29.6.1993, angenommen am 10.8.1993

Zusammenfassung. Es wird eine Methode entwickelt, geometrische Satze vom Ty­pus des Satzes von Napoleon auf analytischem Weg herzuleiten. Ein Napoleonsatzbeschreibt eine Konstruktion, die aus einem vorgegebenen Polygon ein symmetri­sches, insbesondere ein regulares Polygon hervorgehen lliBt. Die Methode stutzt sichim wesentlichen auf Begriffsbildungen der Funktionalanalysis. Ihren Kern bildet dieSpektraldarstellung eines Operators im Raum der Polygone. Der Operator ist dasanalytische Aquivalent der folgenden Konstruktion: Auf den Seiten eines Polygonserrichte man ahnliche Dreiecke und verbinde deren Spitzen zu einem neuen Polygon.Durch wiederholte Anwendung dieser Standardkonstruktion kann man Polygonfolgenerzeugen, die asymptotisch gegen ein symmetrisches Polygon konvergieren oder beidenen nach endlich vielen Schritten ein symmetrisches Polygon entsteht.

Einleitung

Einige Beispiele sollen zunachst das thematische Feld abstecken, auf dem wir unsbewegen wollen. Ein Napoleon zugeschriebener Satz [7] besagt: (a) Errichtet manauf den Seiten eines beliebigen Dreiecks gleichseitige Dreiecke, dann bilden derenMittelpunkte ein gleichseitiges Dreieck.

Dieser uberraschende und schone Satz stellt den einfachsten Fall des Satzes vonNeumann dar [6, Satz 3, Abschn.5]. Da jedes Dreieck das affine Bild eines gleich­seitigen (regulliren) Dreiecks ist, bildet er zugleich den einfachsten Fall des Satzesvon Barlotti [I, Satz (i), Abschn. 5]. Fur das Viereck lautet der Satz von Barlotti: (b)Errichtet man auf den Seiten eines Vierecks Quadrate, dann sind deren Mittelpunktegenau dann die Eckpunte eines Quadrates, wenn das Viereck ein Parallelogramm ist.

Stellt man fur das.Ausgangspolygon keine geometrische Bedingung, dann erfor­dert die Konstruktion eines entsprechenden regularen Polygons mit Hilfe von Stan­dardkonstruktionen im allgemeinen die Konstruktion von Zwischenpolygonen, Beieinem n-Eck gelangt man auf diese Weise nach n - 2 Schritten immer zum Ziel.Diese Konstruktion beschreibt der Satz von Neumann [6]. Wir gewinnen diesen Satz

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Abb.L Figur zum Satz von Napoleon

Abb.2. Figur zum Satz von Barlotti im Faile des Vierecks

W. Schuster

in der Fassung von Fisher et al. [3] im Abschn.5. 1m Fall des Sechsecks lautet derSatz: (c) Aufden Seiten eines beliebigen Sechsecks errichte man nach innen zeigendegleichseitige Dreiecke und verbinde deren Mittelpunkte zu einem neuen Sechseck. Beidiesem bilde man das Sechseck aus den Seitenmitten. Auf dessen Seiten errichte mannach auj3en zeigende gleichseitige Dreiecke, deren Mittelpunkte man zu einem Sechs­eck verbindet. Errichtet man nun auf den Seiten dieses Sechsecks reguliire Sechsecke,dann bilden deren Mittelpunkte ein reguldres Sechseck.

Die Konstruktion, die der Satz beschreibt, HiBt sich natiirlich auch als eine Abfolgevon Standardkonstruktionen auffassen, bei denen gleichschenklige Dreiecke auf denSechseckseiten errichtet werden, deren Spitzen man jeweils zu einem neuen Sechseckverbindet. Wegen des Satzes von Barlotti wissen wir, daBdas vorletzte Sechseck dieserFolge affin regular ist. Die Reihenfolge, in der die Konstruktionen ausgefiihrt werden,ist dabei beliebig. Die Unabhangigkeit von der Reihenfolge fiihrt aber zu durchausunterschiedlichen Satzen, wie das Beispiel des Vierecks zeigt: (d) Man verbinde dieSeitenmitten eines Vierecks zu einem neuen Viereck. Auf dessen Seiten errichte manQuadrate. Deren Mittelpunkte bilden dann die Ecken eines Quadrates. Die Umkeh­rung in der Reihenfolge der Konstruktionsschritte fiihrt zu dem Satz: (e) Auf denSeiten eines Vierecks errichte man Quadrate und verbinde deren Mittelpunkte zu ei-

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Polygonfolgen und Napoleonsatze

1. Schritt 2. Schritt

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3. Schritt 4. Schritt

Abb.3. Figur zum Satz von Neumann im Faile des Sechsecks

nem neuen Viereck. Dessen Seitenmitten bilden dann die Eckpunkte eines Quadrates.Der geometrische Gehalt der beiden Satze ist offenbar verschieden, obwohl das amEnde konstruierte Quadrat bei gleicher Ausgangsfigur dasselbe ist.

Abb.4. Die zwei Versionen des Satzes von Neumann im Faile des Vierecks

Die Seitenmitten eines Vierecks sind genau dann die-Eckpunkte eines Quadrates,wenn seine Diagonalen gleich lang sind und aufeinander senkrecht stehen. Dieseswohlbekannte Ergebnis erhalten wir als Satz G) in Abschnitt 5. Ein Viereck mitdieser Eigenschaft entsteht also, wenn man auf den Seiten eines beliebigen VierecksQuadrate errichtet und deren Mittelpunkte zu einem neuen Viereck verbindet.

Die Konstruktion.von Zwischenpolygonen beim Satz von Neumann, die das Aus­gangspolygon mit dem regularen Polygon verbinden, UiBt sich aber durch eine einzige,allerdings aufwendigere Konstruktion ersetzen. 1m Falle des Vierecks lautet sie: (f)Auf den Seiten eines Vierecks errichte man Quadrate und zeichne deren Diagonalenein. Aufjeder der beiden Diagonalen, die von einem Eckpunkt des Vierecks ausgehen,

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26 W. Schuster

markiere man den Mittelpunkt der Strecke zwischen Eckpunkt und Quadratmitte. DenEckpunkt des Vierecks und die beiden auf den Diagonalen liegenden Punkte ergdnzemanjeweils durch einen vierten Punkt zu einem Parallelogramm. Dann bilden die vierErgdnzungspunkte die Eckpunkte eines Quadrates.

Abb.5. Napoleonsatz im Faile des Vierecks

Der Satz bleibt auch dann richtig, wenn die Quadrate, die auf den Viereckseitenerrichtet werden, ins Innere zeigen. Einen geometrischen Satz, der eine Konstruktionbeschreibt, die ein vorgegebenes Polygon (nach endlich vielen Schritten) in ein sy­metrisches iiberftlhrt, bezeichnen wir als Napoleonsatz. Unter einem symmetrischenPolygon verstehen wir ein Polygon, das durch eine Drehung erzeugt wird. Ein re­guldres Polygon ist ein symmetrisches Polygon, dessen Seiten sich nicht treffen. DieKonstruktion einer Polygonfolge, bei der das symmetrische Polygon gleichsam alsGrenzwert auftritt, zeigt das folgende Beispiel: (g) Auf den Seiten eines beliebigenVierecks errichte man Quadrate und verbinde deren Mittelpunkte zu einem neuen Vier­eck. Mit diesem verfahre man ebenso usw. Dann strebt die entstehende Polygonfolgeasymptotisch gegen ein Quadrat (vgl. Abb. 6).

Satze der Elementargeometrie geraten zuweilen in Vergessenheit, werden emeutbewiesen oder mehrfach bewiesen. Zuschreibungen und Prioritaten sind manchmalunsicher. Einen Eindruck davon vermittelt die Ubersicht in [3, S.332-333]. Da esuns hier in der Hauptsache urn die Darstellung einer Methode geht, verzichten wirauf Recherchen zur Herkunft der im Text wiedergegebenen Satze. Es sei lediglich an­gemerkt, daB beim Satz (f) kein Hinweis auf eine fruhere Veroffentlichung gefundenwurde. Dasselbe gilt fur die Verallgemeinerung des Satzes (i) von Barlotti [1, Satz 4,Abschn.5] sowie fur die Satze (h) und (k) in Abschn.5. Die behandelten geometri­schen Satze erfordem zuweilen recht aufwendige Konstruktionen, die von Hand undmit Zirkel und Lineal praktisch nicht ausfuhrbar sind. Dies betrifft insbesondere dieunendlichen Polygonfolgen. Angesichts der komfortablen Moglichkeiten, die heutezur Verftigung stehen, Geometrie auf dem Bildschirm des Computers zu treiben (vgl.[4, 9]), verliert dieser Gesichtspunkt aber zunehmend an Bedeutung.

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Polygonfolgen und Napoleonsatze

Abb.6. Asymptotisch konvergente Viereckfolge

1. Der Operator T

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Unter einem Polygon (n-Eck) verstehen wir n (nicht notwendig verschiedene) Punkteder Ebene, die in einer bestimmten Reihenfolge durchlaufen werden. Wir siedeln Poly­gone in der komplexen Zahlenebene C an. Nach der Wahl eines Koordinatensystemswird dann jedes Polygon x durch einen Vektor x == (XO,Xl,'" ,Xn_l)T, Xk E C,dargestellt. In diesem Sinne wird der komplexe Vektorraum en zum Polygonraum.

Die Konstruktion beim Satz von Napolen (a) veranlaBt zu der folgenden Verall­gemeinerung: Auf den Seiten eines Polygons x errichte man ahnliche Dreiecke undverbinde deren Spitzen zu einem neuen Polygon y.

Diese Konstruktion, die Standardkonstruktion, laBt sich durch Vorgabe einer kom­plexen Zahl c, C tf- {O, I}, als Transformation T; im Polygonraum analytisch beschrei­ben:

Abb.7. Zur Definition des Operators 'F:

Legt man die Eckpunkte Yko k == 0, I, ... , n - I, des neuen Polygons y(Yo, Yl, ... Yn_l)T durch die Beziehungen

Yk == Xk + C(Xk+l - xd== (1 - C)Xk + CXk+l, X n == Xo ,

fest, dann sind die auf den Polygonseiten errichteten Dreiecke mit den EckpunktenXko Xk+[, Yk ahnlich, Ftihrt man weiter eine zyklische Permutation J ein mit derEigenschaft

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28 W. Schuster

J(xo, x\, ... ,Xn_\)T =(x\, Xl, ... ,Xn-\, XO)T ,

SO daB In = list, wobei I die Identitat bedeutet, dann kann man den Zusammenhangzwischen den Polygonen x und y in der Form

y = (1 - c)x + cJx

schreiben. Dieser Zusammenhang wird durch den Operator

(1) Tc = (1 - c)I + cJ

beschrieben, d.h. es gilt y = Tcx. Der Operator Tc entspricht dem C -Operator vonNeumann [6]. Zwei nacheinander ausgefiihrte Standardkonstruktionen mit Pararneternc\ , Cl werden dann reprasentiert durch das Produkt TCI •TC2 der beteiligten Operatoren.Da die Operatoren lund J vertauschbar sind, gilt dies auch ftir die Operatoren TCI

und Tc2 •

Urn das Resultat einer Abfolge solcher Konstruktionen leicht erkennen zu konnen,wird man versuchen, Produkte von Operatoren T; mit gleichen oder verschiedenenParametem c auf eine iibersichtliche Form zu bringen. Dies erreicht man mit Hilfeder Spektraldarstellung des Operators Tc .

Bemerkung. Aufgrund der Orientierung, die wir einem Polygon aufpragen, indem wirseine Eckpunkte in eine Reihenfolge bringen, und durch Vorgabe eines Parameters c,der eine Ahnlichkeitsklasse von Dreiecken charakterisiert, erhalt die Anweisung, aufeiner Polygonseite Dreiecke zu errichten, einen eindeutigen Sinn. Die Freiheit, wiebeim Satz von Napoleon ein Dreideck nach innen oder auBen zu errichten, ergibt sichdann durch Umkehrung der Orientierung.

2. Die Spektraldarstellung von T

Wir zeigen, daB der Operator Tc als Linearkombination von OrthogonalprojektionenPj , j =0,1, ... , n - 1, geschrieben werden kann:

Die Koeffizienten aj(c) sind die Eigenwerte von Tc . Die Projektionen Pj haugennicht vom Parameter cab. Es gilt pJ =Pj (Idempotenz) und Pj . Pk =°fur j f k(Orthogonalitiit). Das Produkt der Operatoren TCI und TC2 lautet daher:

TCI • TC2 = ao(c\)ao(cl)PO+ al (c\)a\ (Cl)P\ + ... + a n-\ (c\)an_\ (Cl)Pn-\ .

Fiir eine Abfolge von Standardkonstruktionen oder fur die iterative Wiederholung der­selben Standardkonstruktion ergibt sich also eine iibersichtliche analytische Darstel­lung. Die m-fache Iteration einer Standardkonstruktion besitzt die Spektraldarstellung

T;:' = ao(c)Po + ar'(c)p\ + ... + a~_\(C)Pn-l .

Urn die Spektraldarstellung des Operators T; zu finden, genugt aber die Kenntnis derSpektraldarstellung des Operators J. 1st A ein Eigenwert von J und x ein zugehorigerEigenvektor, dann gilt Jx =AX, also Jnx =AnX =x wegen In =I. Jeder EigenwertA von J erfiillt daher die Beziehung An = 1, ist folglich eine n-te Einheitswurzel.DaB umgekehrt jede n-te Einheitswurzel A Eigenwert von Jist, zeigt man durch

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polygonfolgen und Napoleonsatze 29

Angabe eines zugehorigen Eigenvektors. Das von >. erzeugte symmetrisehe Polygons > (l, >.1, >.2, ... >.n-I)T geniigt offenbar der Beziehung Js:=: >.s, ist also Eigenvektorzum Eigenwert >.. Zur Bestimmung der Spektraldarstellung von J maehen wir daherden Ansatz

J:=: Po + >.1 PI + >.2P2 + ... + >.n-Ipn_ 1

mit >. :=: e2;;i und unbekannten Orthogonalprojektionen Pj . Bildet man bei diesemAnsatz nun die Potenzen J 2, J 3, ... .J" :=: I :=: J O, dann erhalt man das lineareGleiehungssystem

(2)

n-I

Jk :=: L >.jk Pj, k :=: 0, I, ... ,n - 1 ,j=O

zur Bestimmung der gesuehten Projektionen Pj . Die Matrix des Systems ist die Fou­riermatrix A:=: (>.jk), ihre Inverse ist die Matrix A-I =~(>.-jk). Dies bestatigt mandirekt, indem man das Produkt der Matrizen A und A-I bildet. Dabei hat man ledig­lieh zu beaehten, daB fiir jede n-te Einheitswurzel >. die Summe 1+ >.+>.2 + ... +>.n-Igleieh null ist fiir >. f 1 und gleieh n fiir >. = 1.

Man findet daher fiir die Projektionen Pj die Darstellung

(3)

Umgekehrt folgt aus (3) wieder (2). DaB es sieh bei diesen Abbildungen tatsachlichum Orthogonalprojektionen handelt, bestatigt man direkt dureh Naehreehnen der Be­ziehungen pJ = P, und Pj . Pk = °fiir j f k.

Aus (2) ergeben sieh fiir k =°und k :=: 1 die speziellen Spektraldarstellungen

(4)

und

(5)

I :=: Po + PI + ... + Pn- I

J:=: Po + >'PI + ... + >.n-I Pn- I

der Identitat lund der Permutation J. Setzt man diese in die reehte Seite von (1) ein,dann findet man die gesuehte Spektraldarstellung des Operators Tc :

n-I

T; =L(l - c + c>.j)Pj .

j=O

Es erweist sich nun als zweckmallig, statt des Parameters c den Parameter w =1-c I ,

w tJ- {a, I}, einzufiihren. Statt T; sehreiben wir dann T(w) fiir den Operator derStandardkonstruktion:

(6)

Die Koeffizienten

n-I >.j _ wT(w):=: L-- Pj.l-w

j=O

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),.1 - walw) = -1--' j = 0,1, ... , n - 1 ,

-w

sind die Eigenwerte des Operators T(w).Die geometrische Bedeutung des Parameterwechsels macht man sich am Dreieck

mit den Eckpunkten 0, 1, c klar. Wahlt man den Punkt °als Zentrum der Dreh­streckung c, dann fiihrt diese den Punkt 1 in den Punkt c tiber. 1st hingegen der Punktc Zentrum der Drehstreckung w, dann fiihrt diese den Punkt °in den Punkt 1 tiber.

Die Projektion Po projiziert jedes Polygon x auf das Polygon Pox, den n-fachgezahlten Schwerpunkt von x. Es ist namlich Pox =~ (I + J + ... + In-I )x, so daB in

jeder Zeile des Vektors Pox die Summe ~(xo + XI + ... +Xn-d, das ist der Ortsvektordes Schwerpunktes von x, steht. .

In der Beziehung (4) haben wir eine Zerlegung der Eins gefunden. Sie eroffnetden Zugang zur Fourieranalyse fur Polygone (vgl. hierzu auch [8]).

3. Fourieranalyse fiir Polygone

Die Zerlegung der Eins liefert fur ein Polygon x die Darstellung als Summe seinerProjektionen:

(7) x = Ix = Pox + PIX + ... + Pn-Ix .

Wir zeigen: Der Operator Pj projiziert das Polygon x auf ein skalares Vielfaches dessymmetrischen Polygons Sj = n.». )...2j, ... ,)...(n-llj)T.

Wegen (3) ist namlich:

Daher findet man fur die m-te Komponente x;." des Vektors Pjx:

n-I

, 1 ""' \-jkx m = - L...J /\ Xm+kn

k=On-I

= ~ L)... -j(m+k)xm+k)...jmn

k=On-I

= ~ L)...-j1Xl)...jmn

1=0

Nun ist aber )...jm die m-te Komponente des Vektors Sj. Also gilt

(8)

mit dem Koeffizienten

(9)n-I

aj(x) = ~ L)...-j1Xl .

1=0

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polygonfolgen und Napoleonsatze 31

Das bedeutet, der Operator Pj projiziert das Polygon x orthogonal auf den linearenUnterraum des Polygonraumes en, der von dem symmetrischen Polygon Sj aufge­spannt wird. Die Zerlegung (7) stellt also das Polygon x als Linearkombination dersymmetrischen Polygone SO,SI, ... ,Sn-I dar. Das Polygon aj(x)sj bezeichnen wirauch als die j -te Symmetriekomponente von x. Daher ist das Polygon x gleich derSumme seiner Symmetriekomponenten: :

(10) x =ao(x)so + al (X)SI + ... + an-I (X)Sn_1 .

Die symmetrischen Polygone So, SI, ... ,Sn-I bilden eine orthogonale Basis des Po­lygonraumes en im Sinne der Metrik, die durch das Standardskalarprodukt x . y =xoYo + XIYI + ... + Xn-IYn-1 induziert wird. Die Darstellung (10) laBt sich daherinterpretieren als die Fourierzerlegung des Polygons x in seine symmetrischen Kom­ponenten aj(x)sj. Die Koeffizienten aj(x) sind die Fourierkoeffizienten des Polygonsx. Nachstehende Abbildungen zeigen die symmetrischen Polygone So, SI, ... ,Sn-I imFalle n =6.

'K a

Abb.8. Die symmetrischen Polygone sO,SI,S2,S3,S4,SS im Sechseckfall

Jede affine Abbildung der komplexen Ebene kann in der Form x f---+ ax + bx + cmit Koeffizienten a, b, c aus e geschrieben werden. Polygone, die aus dem symmetri­schen Polygon Sj durch Drehstreckung und Verschiebung hervorgehen, haben daherdie Form aSj + c So mit Koeffizienten a, c aus C. Sie besitzen die Symmetrie desPolygons Sj und werden als ),.j -regulare Polygone bezeichnet. Das affine Bild eines),.j-regularen Polygons wird durch aSj + bSj + c So =aSj + bsn - j + c So dargestellt mitKoeffizienten a, b,c aus C. Dabei gilt das Gleichheitszeichen, weil die Polygone Sj

und Sn- j spiegelbildlich zur reellen Achse liegen.Mit der Fourierzerlegung von x haben wir zugleich die Fourierzerlegung des Bild­

polygons T(w)x gewonnen:

n-I),.j -wT(w)x = " -- PjX

61-wj=O

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(11)n-I >..j _ w

= '"-- aj(x)Sj .LJ l-wj=O

W. Schuster

Damit sind wir in der Lage, die Entwicklung einer Polygonfolge, die durch Anwen­dung von Standardkonstruktionen auf ein Ausgangspolygon x entsteht, vollstandig zuiibersehen.

4. Das asymptotische Verhalten T -erzeugter Polygonfolgen

Durch iterative Anwendung des Operators T auf ein Polygon x entsteht die Polygon­folge x, Tx, T2x, ... ,Tmx, ... mit

(12)n-I (>..j )m

= '" ~ a (xjs, .LJ l-w J Jj =0

Die Fourierzerlegung von Tm(w)x liiBt dann die asymptotische Entwicklung der Po­

lygonfolge unmittelbar erkennen: Gibt es unter den Eigenwerten Qj = A/~: desk

Operators T(w) einen dem Betrage nach groliten, es sei der Eigenwert Qk = ~_-ww,

und ist der Fourierkoeffizient ak(x) ungleich null, dann dominiert das symmetrischek

Polygon el_-ww)mak(x)sk die Polygonfolge. Das soll bedeuten: Fiihrt man den nor-

mierten Operator T' = Q kiT ein, dann gilt

lim T'mx =ak(x)Sk .m-s-oo

Die normierte Polygonfolge x, T'x, T,2X , ... konvergiert gegen das >..k-regulare Po­lygon ak(x)sk.

Beispiel. Auf den Seiten eines Vierecks x errichte man nach auBen weisende Quadrateund verbinde deren Mittelpunkte zu einem neuen Viereck. Mit diesem verfahre manebenso usw. Sind die Punkte Xo =°und XI = 1 Eckpunkte des Ausgangsvierecks,dann hat das auf der Strecke [0,1] errichtete und in der unteren Halbebene liegendeQuadrat den Mittelpunkt ! - ~. Liegt das Quadrat im AuBeren von x, dann ist derParameter c, der zu dieser Konstruktion gehort, gleich ! - ~, und wist gleich -i.Den Operator T, der diese Standardkonstruktion beschreibt, erhalt man aus (6), indemman n = 4, >.. = i und w = -i setzt:

T(-i) = Po + (1 + i)PI + iP2 .

Also ist

T m( -i)x =Pox + (1 + i)mPIX + i mP2x .

Der Eigenwert 1+i von T( -i) hat maximalen Betrag. Das zur Projektion PI gehorigesymmetrische Polygon ist 81 = (1, i, -1, _i)T, also ein Quadrat. Folglich strebt die

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Polygonfolgen und Napoleonsatze

Abb.9. Erzeugung einer Fiinfeckfolge durch Seitenhalbierung

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Folge der Vierecke T m ( -i)x asymptotisch gegen das Quadrat at (xjs]. Damit habenwir Satz (g) der Einleitung gewonnen.Wir betrachten nun Polygonfolgen, die von einem Operator Tc mit einem reellenParameter c = r, r > 0, r f 1, erzeugt werden. Fur r = ! ist das die Polygon­folge, die durch Verbinden der Seitenmitten eines gegebenen Polygons entsteht. DieAbb. 9 veranschaulicht das Anfangsstilck einer solchen Polygonfolge fur den Falleines Ftlnfecks.

Das KonvergenzverhaIten der Polygone Tm(w)x, w = 1- ~, wird von den Betragen

der Eigenwerte D:j(w) = y_-: bestimmt. Fur °< r < 1, d.h. W < 0, sind offenbarD:j(w) und D:n-j(w) von gleiehem und maximalem Betrag. Fur r > 1, d.h. °< W < 1,sind die Falle n gerade und n ungerade zu unterscheiden. 1m FaIle eines Polygonsmit gerader Eckenzahl n ist D:n / 2(W) der betragsgrollte Eigenwert. Bei ungeraderEckenzahl haben die benachbarten Eigenwerte D:(n-I)/2(W) und D:(n+jJ/2(W) gleichenund maximalen Betrag.

Abb.l0. Zur Ermittlung der betragsgrollten Eigenwerte des Operators T(w)

1m Faile °< r < 1 dominiert also das Polygon Pox + D:,PjX + D:~_jPn_jXdie Polygonfolge Tmx, sofem die Symmetriekomponenten PIX und Pn-jX nieht ver­schwinden. (1m Fall PjX = 0 oder Pn-Ix = 0 gelten anaIoge Uberlegungen.) Das ist

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bis auf eine Verschiebung ein Polygon der Form aSI +bsn - I . Da Sn-I =!lSI gilt, d.h.,Sn-I geht aus SI durch Spiegelung an der reellen Achse hervor, ist dieses Polygonein affines Bild des regularen Polygons SI.

1m FaIle r > 1 und n gerade dominiert das Polygon Pox + OIn/2Pn/2X die Poly­gonfolge. Das ist bis auf eine Verschiebung ein Polygon der Form aSn/2. Das PolygonSn/2 wird erzeugt von der n-ten Einheitswurzel -1. Es entspricht daher der n-fachdurchlaufenen Strecke [-1, 1].

1m Fall r > 1 und n ungerade dominiert ein affines Bild des symmetrischenPolygons S(n-IJ/2 die Polygonfolge. Als Ergebnis halten wir fest:

Satz 1. Teilt man die Seiten eines Polygons im Verhiiltnis r : (1 - r), °< r, r # 1,und verbindet die Teilungspunkte jeweils zu einem neuen Polygon, dann konvergiertdie so entstehende Polygonfolge asymptotisch gegen ein affin symmetrisches Poly-gon.

Es stellt sich die Frage ob es moglich ist, durch geeignete Wahl der Standardkon­struktion eine Polygonfolge zu erzeugen, die asymptotisch gegen ein symmetrischesPolygon konvergiert.

Die Frage bedeutet analytisch: UiBt sich der Parameter w so wahlen, daB fur eink

festes k mit 1 :::; k :::; n-l der Eigenwert OIk(W) = AI_-ww maximalen Betrag annimmt?Unter der Voraussetzung Iwl = 1, w # 1 ist das aber offensichtlich der Fall, wenn manw = _)..k setzt, wie eine geometrische Uberlegung am Einheitskreis zeigt. Unter denZahlen I)..j - wi ist namlich I)..k - wi = I)..k - (_)..k)1 =2 die graBte.

Abb.ll. Zur Wahl von w, so daB der Eigenwert Qk(W) des Operators T(w) von maximalem Betrag ist

Die zum Parameter w = -)..k gehorige Standardkonstruktion findet man durchBetrachtung des Dreiecks mit den Eckpunkten 0,1, C = 1/(1 + )..k). Da Iwl = 1 ist,geht der Punkt °durch eine reine Drehung urn den Punkt emit dem Drehwinkelarg( _)..k) = 2~k + 1r in den Punkt 1 tiber. Das Dreick mit den Eckpunkten 0, 1, c ist

daher gleichschenklig mit dem Basiswinkel [argc] = 71":. Den Punkt c kann man aberauch als Mittelpunkt eines (-)..k)-regularen Polygons auffassen, dessen eine Seite dieStrecke [0, 1] ist. Damit haben wir gezeigt:

Satz 2. Errichtet man auf den Seiten eines Polygons, dessen k-te Symmetriekompo­nente nicht verschwindet, (- )..k)-reguliire Polygone und verbindet deren Mittelpunktezu einem neuen Polygon, dann konvergiert die entsprechende iterativ erzeugte Poly­gonfolge asymptotisch gegen ein )..k-reguliires Polygon.

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Polygonfolgen und Napoleonsatze 35

27riBeispiel. Ein regulares Fiinfeck wird erzeugt von der fiinften Einheitswurzel A =eT .

Urn ausgehend von einem beliebigen Fiinfeck eine Polygonfolge zu konstruieren, dieasymptotisch gegen ein regulares Fiinfeck konvergiert, hat man daher (-A)-reguliirePolygone zu errichten. Die Zahl -A ist eine zehnte Einheitswurzel. Das gleichschenk­lige Dreieck mit den Eckpunkten 0,1, chat im vorliegenden Fall die Basiswinkel-36°. Errichtet man also auf den Seiten eines Fiinfecks nach auBen zeigende, gleich­schenklige Dreiecke mit den Basiswinkeln 36° und verbindet deren Spitzen, die zu­gleich die Mittelpunkte eines regelmaBigen Zehnecks sind, jeweils zu einem neuenFiinfeck, dann konvergiert die entstehende Folge von Fiinfecken asymptotisch gegenein regulares Fiinfeck.

Abb. 12. Gegen ein regulares Fiinfeck asymptotisch konvergierende Fiinfeckfolge

Offenbar ist es im allgemeinen nicht moglich, ausgehend von einem beliebigenPolygon x durch Iteration derselben Standardkonstruktion T(w) nach endlich vielenSchritten ein Ak-reguliires Polygon zu erreichen. LaBt man hingegen unterschiedlicheStandardkonstruktionen zu, dann ist dies immer rnoglich.

5. Napoleonsatze

Wir leiten eine Konstruktion her, bei der aus einem vorgegebenen Polygon nachendlich vielen Schritten ein symmetrisches entsteht.

Der OperatorT(Ak) = (l - Ak)-I(J - AkI)

n-l Aj _ Ak

= L 1- Ak Pj

j=O

mit 1 :::; k :::; n - 1 loscht die k-te Symmetriekomponente PkX =ak(x)sk des Polygons

n-l

X= LP1X1=0

aus, da der k-te Eigenwert des Operators T(A k ) gleich null ist. Wendet man dahernacheinander die n - 2 Operatoren T(A k ) , 1 :::; k :::; n - 1, k # m, auf ein Polygon x

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36 W. Schuster

an, wobei man fiir ein festes m mit 1 ::; m ::; n - 1 den Operator T()..m) ausspart,dann werden samtliche Symmetriekomponenten von x auGer der O-ten und der m-tenausgeloscht. Der resultierende Operator ist folglich

(13)

n-l

T m = II T()..k)k~l

kfm

n-l )..m _)..k

= Po + II 1 _ )..k . Pm·k~1

kfm

Der Faktor bei der Projektion Pm laGt sich noch vereinfachen. Es gilt namlich

1 _ )..n-m+k= )..- 2m II ------,--------,----;---

k~l

kfm

n-l )..m _)..k n-l 1 _ )..k-mII 1 _)..k = )..m(n-2) II -1-_-)"--C-k -

k~1 k~l

kfm kfm

n-l

Zahler und Nenner des letzten Produktes unterscheiden sich lediglich durch den Faktor1 - )..m im Zahler und den Faktor 1 - )..n-m im Nenner. Daher ist

n-l )..m _)..k 1 _)..m

II - )..-2m1 - )..k - -1----::-)..n---m-

k~l

kfm

=)..-m.

Als Ergebnis finden wir die Darstellung

(14)

des Operators Tm' Er bildet ein Polygon x auf das )..m-regulare Polygon

(15)

aboDas gleichschenklige Dreick mit den Eckpunkten 0, 1, C = l-\k hat die Basiswin-

kel In12 - knInl. Seine Spitze c bildet den Mittelpunkt eines )..k-regularen Polygonsmit der Strecke [0,1] als Seite. Damit haben wir ein Ergebnis von Neumann [6]erhalten:

Satz 3. Auf den Seiten eines Polygons errichte man )..l-reguliire Polygone und ver­binde deren Mittelpunkte zu einem neuen Polygon. Auf dessen Seiten errichte manentsprechend )..2-reguliire Polygone und verbinde deren Mittelpunkte ebenfalls zu ei­nem neuen Polygon usw. Auf diese Weise durchlaufe man die )..k-reguliiren Polygonemit 1 ::; k ::; n - 1, k :f. m. Dann entsteht nach n - 2 Schritten ein )..m-reguliiresPolygon.

Bei der Ausfiihrung dieser Konstruktion hat man also auf den Polygonseiten gleich­schenklige Dreiecke mit den Basiswinkeln In12 - knInl, 1 ::; k ::; n - 1, k :f. m, zu

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Polygonfolgen und Napoleonsatze 37

errichten und deren Spitzen jeweils zu einem neuen Polygon zu verbinden. PositiveWinkel 7f /2 - kat/ n zeigen an, daB das Dreieck nach links, negative Winkel, daB esnach rechts beziiglich der Durchlaufrichtung des Polygons zu errichten ist. Die Rei­henfolge, in der diese Standardkonstruktionen ausgeftihrt werden, ist dabei beliebig(vgl. Abb.3).

1m Dreiecksfall ist nur ein einziger Konstruktionsschritt erforderlich. Mit k = 2ergeben sich die Basiswinkel zu I - i I oder 30°. Dies entspricht der Konstruktionbeim Satz von Napoleon, wenn das Ausgangsdreieck mit der ublichen Orientierungversehen ist.

Es stellt sich die Frage, ob die n - 2 Konstruktionsschritte, die zu dem sym­metrischen Polygon fuhren, durch einen einzigen Konstruktionsschritt ersetzt werdenkonnen. Dieser kann dann nattirlich keine Standardkonstruktion sein.

Wir beschranken uns bei der Untersuchung dieser Frage auf den Fall eines Poly­gons x mit gerader Eckenzahl n =2{m+1) undeines regularen n-Ecks als Zielpolygon.Das bedeutet, den Operator

T I = Po - A-IPI

durch eine einzige Konstruktion darzustellen. Aufgrund der Beziehung (3) konnenwir die Projektionen Po und PI durch Perrnutationen ausdrticken und erhalten dann

TI =~ ~(1 - r(k+I))Jk

nk=O

n-I

=Lbdk

k=O

mit

bk =~(1 - A-(hi)), bn - I =0 .n

Man erkennt, daB

ist. Der Operator T I entsteht also gleichsam durch Mittelung der Operatoren Jk mitkomplexen Gewichten bi: Wir konnen daher das Gewicht bm durch den Ausdruck

2m

1- Lbj

j=OHm

ersetzen. Dadurch finden wir

2m

TI =r: + L bk{Jk

- r-i.k=O

Multiplikation mit .t:» ergibt

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38

2m

J-mTI = 1+ L bk(Jk-m - I)k=O

m

= 1+ L(bm-kU-k - I) + bm+k(Jk - 1)) .k=1

Nun ist aber

bm-k = .!..(1 - ).-m-I+k)n

= .!..(1- ).-~ ).k)n

='!"(1+).k)n

und1 -kbm +k = - (1 + ). ).n

Wir erha1ten schlieBlich die Darstellung

w. Schuster

Der Operator auf der rechten Seite erzeugt aus einem beliebigen Polygon mit ge­rader Eckenzah1 ein entsprechendes regulares Polygon. Seine geometrische Deutungbeschranken wir auf den Fall des Vierecks. 1m Fall n = 4 ist m = 1, und wir erhalten

1 1J-ITI =1+ 4(1 + i)(J-1

- 1) + 4(1 - i)(J - I) .

Die rechte Seite beschreibt die Konstruktion beim Satz (f) aus der Einleitung. Ent­sprechende, freilich aufwendigere Konstruktionen findet man fiir das Sechseck, dasAchteck usw.

Auf einen Napoleonsatz fiir Polygone mit beliebiger Eckenzahl fiihrt die geome­trische Deutung der Projektion

die ein Polygon x auf seine symmetrische Komponente FIx = al (X)SI abbildet. MitFIx = y erhalten wir die Beziehung

1 n-I

y =- L).-k Jk x ,n

k=O

woraus fiir die Komponenten von y folgt:

(17)n-I1" -kYj = - L.J)' Xj+k'

nk=O

j =0,1, ... , n - 1 .

Page 17: Polygonfolgen und Napoleonsätze

Polygonfolgen und Napoleonsatze

Ie

_.....-::::::=-7 C

Abb.13. Figur zum Satz (h)

39

Der Punkt Yj ist also der Schwerpunkt des Polygons mit den Eckpunkten Xj,

>.-IXj+l,"" >.-(n-l)Xj+n_l. Die Schwerpunkte Yj bilden die Eckpunkte eines re­gularen Polygons.

Wir werten dieses Ergebnis fur den DreiecksfalI aus. Hierzu wahlen wir einenPunkt im Inneren des Dreiecks als Koordinatenursprung: (h) Gegeben sei ein DreieckABC und ein Punkt P in seiem Inneren. Die Strecke P B drehe man um P im Uhrzei­gersinn um den Winkel 120°, die Strecke PC entsprechend gegen den Uhrzeigersinn.Die Endpunkte der gedrehten Strecken seien A', A". Analog verfahren man bei denEckpunkten B und C. Die Endpunkte der gedrehten Strecken seien B', B" und C',C". Dann bilden die Schwerpunkte Alii, B"', C'" der Dreiecke AA'A", BB'B" undCC'C" ein gleichseitiges Dreieck.

Unterwirft man das Ausgangspolygon gewissen geometrischen Einschrankungen,dann kann man die Komplexitat der Konstruktion, die zu einem symmetrischen Po­lygon fuhrt, reduzieren. Ein Beispiel daftir bildet der Satz (i) von Barlotti. Wir be­schreiben ein systematisches Verfahren, Napoleonsatze dieses Typs zu gewinnen.

SolI das Ausgangspolygon x durch eine einzige Standardkonstruktion in einsymmetrisches Polygon iibergehen, dann muf eine Beziehung der Form T(w)x =aoso+ amsm, am f 0, bestehen. Aufgrund der DarstelIung (11) des Operators T(w)bedeutet dies, daB die Gleichung

(18)

erfullt sein muli, Durch Koeffizientenvergleich ergeben sich dann die Bedingungen

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40

(19)

a) ao(x) = 0,0 ,

Aj - wb) -1-- aj(x) = 0, j = 1,2, ... , n - 1, j f m ,

-wAm - w

c) 1 am(x) = am .-w

W. Schuster

Die Schwerpunkt-Bedingung a) ist offenbar immer erfiillbar. Bei b) besteht die Wahlzwischen Aj - w =0 und aj(x) =O. Die erste Bedingung legt den Parameter w unddamit die Standardkonstruktion fest. Setzt man den Fourierkoeffizienten aj(x) gleichnull, dann impliziert dies eine geometrische Einschrankung fur das Polygon x. Gibtman x vor, dann ist nach Wahl der Standardkonstruktion der Koeffizient am festgelegt.

Beispiel. Wir setzen An-m - w = 0, und es sei an-m(x) f O. Dann muB geltenao(x) = 0,0 und aj(x) = 0 ftir j = 1,2, ... , n - 1, j f m, j f n - m. Das Polygon xbesitzt dann die Fourierentwicklung

Da das symmetrische Polygon Sn-m aus Sm durch Spiegelung an der reellen Achsehervorgeht, Sn-m =sm, ist das Polygon x ein affines Bild des Am-regularen PolygonsSm' Wir erhalten als Ergebnis:

Satz 4. Errichtet man aufden Seiten eines Polygons Am-reguldre Polygone, dann bil­den deren Mittelpunkte genau dann ein Am-regulares Polygon, wenn das Ausgangs­polygon affin Am-regular ist.

Damit haben wir eine Verallgemeinerung des Satzes von Barlotti gewonnen, der be­sagt: (i) Errichtet man auf den Seiten eines Polygons die entsprechenden reguliirenPolygone, dann bilden deren Mittelpunkte genau dann ein regulates Polygon, wenndas Ausgangspolygon affin regular ist. (Eine schulgerechte Herleitung des Satzes vonBarlotti findet sich bei Kratz [5].)

Zwei weitere elementare Beispiele zum Viereck und zum Sechseck mogen dasVerfahren, durch Koeffizientenvergleich geometrische Satze zu gewinnen, verdeutli­chen.

Wir fragen, unter welchen Voraussetzungen an ein Viereck x seine Seitenmittendie Eckpunkte eines Quadrates sind. Das Viereck der Seitenmitten ist T( -l)x. Alsoist die Gleichung

Abb.14. Figur zum verallgemeinerten Satz von Barlotti im Fiinfeckfall

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Polygonfolgen und Napoleonsatzc

T( -1)x :::aoso + alSl

zu erfullen. Wegen (6) muB mit n ::: 4, >. ::: i und w ::: -1 also gelten

41

Der Fourierkoeffizient a3(x) ist daher gleich null zu setzen, und das bedeutet wegen(9), daB das Viereck x die geometrische Bedingung

oder

erfiillen muB. Wir erhalten als Ergebnis: G) Die Seitenmitten eines Vierecks hi/dengenau dann die Eckpunkte eines Quadrates, wenn seine Diagonalen gleich lang sindund aufeinander senkrecht stehen.

27riDie obige Frage stellen wir nun fur das Sechseck. Es muB dann mit n ::: 6, >. ::: e6 :::

!(1 + iV3) und w ::: -1 entsprechend gelten:

>'+1 >.z+1T(-I)x::: ao(x)so + -2- al(x)sl + -2- az(x)sz

-1+1 >.4+1 >.5+1+ -2- a3(x)s3 + -2- a4(x)s4 + -2- a5(x)s5

::: aoso + alSl .

Wir schlieBen: ao(x) ::: ao, A;l al (x) ::: al, az(x) ::: a4(x) ::: a5(x) ::: O. Das Polygonx hat also die Form x ::: aoso + alSl + a3S3. Das symmetrische Polygon S3 wird vonder sechsten Einheitswurzel >.3 ::: -1 erzeugt, d.h. S3 ::: (1, -1, 1, -1,1, _l)T. Wirkonnen uns daher das Sechseck x enstanden denken durch Verschiebung des regularenSechsecks alSl jeweils urn die Vektoren a3 und -a3 und wechselweise Markierungder Eckpunkte von x auf den beiden verschobenen Sechsecken.

Abb.tS. Figur zum Satz (k)

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42 W. Schuster

Die Mittelpunkte der Seiten von x bilden dann ein regulares Sechseck. Unser Er­gebnis lautet: (k) Gehen die reguliiren Sechsecke AoA\AzA3A4As und BoB\BzB3B4BSdurch eine Parallelverschiebung auseinander hervor, so dajJ der Eckpunkt A j demEckpunkt B j entspricht, dann bilden die Seitenmitten des Sechsecks AoB\AzB3A4Bsdie Eckpunkte eines reguliiren Sechsecks.

Ein vollig analoger Satz gilt fiir das Quadrat. Die Satze G), (k) lassen sich auchleicht elementargeometrisch beweisen.

Die Zahl der Beispiele zu dem Verfahren, geometrische Satze durch Koeffizien­tenvergleich bei der Gleichung T(w)x = y, deren rechte Seite vorgegeben wird, zugewinnen, lieBe sich beliebig vermehren.

Danksagung. Herrn G. Pickert (GieBen) danke ich fiir die sorgfaltige Durchsicht des Manuskripts, fiirVerbesserungsvorschllige und Anregungen. Die Zeichnunge hat Herr e. Kiihn (Tiibingen) in vorbildlicherWeise besorgt.

Literatur

1. Barlotti, A.: Una proprieta degli n-agoni che si ottengono transforrnando in una affinita un n-agonoregolare. Bo!. Unione Math. Ita!. 3, 96-98 (1955)

2. Fisher, r.c., Ruoff, D., ShiIIeto, J.: Perpendicular polygons. Am. Math. Mon. 92, 23-37 (1985)3. Fisher, J.C., Ruoff, D., Shiletto, J.: Polygons and polynomials. The geometric vain. The Coxeter Fest­

schrift, 19814. Henn, H.-W., Jock, W.: Arbeitsbuch Cabri-geornetre, Konstruieren mit dem Computer. Bonn: Diimmler

19935. Kratz, J.: Vom regulliren Fiinfeck zum Satz von Napoleon-Barlotti. Eine didaktische Studie. Didakt.

Math. 20, 261-270 (1992)6. Neumann, B.H.: Some remarks on polygons. J. Lond. Math. Soc. 16, 230-245 (1941)7. Schmidt, F.: 200 Jahre franzosische Revolution - Problem und Satz von Napoleon mit Varianten. Didakt.

Math. 18, 15-29 (1990)8. Schoenberg, I.J.: The finite Fourierseries and elementary geometry. Am. Math. Mon. 57, 390-404 (1950)9. Schuman, H.: Schulgeometrisches Konstruieren mit dem Computer. Stuttgart: Metzler und Teubner 1991