1
S elten zuvor hat es so viel Geschichte in derart kurzer Zeit gegeben. 2011 ist bereits jetzt das Jahr der großen Umbrüche. Es fällt zunehmend schwer, bei der rasenden Chronik welthistorischer Ereignis- se die Übersicht zu bewah- ren. In den ersten drei Mo- naten dieses Jahres ist mehr in Bewegung geraten wie in den Jahren seit 1989 zusammen. B egonnen hat alles in Tu- nesien. Die nordafrika- nische Revolution liegt ei- ne gefühlte Ewigkeit zu- rück. Dabei ist das Ende des Aufstands keine zwölf Wochen her. Kurz danach hat sich das Volk in Ägyp- ten erhoben. Am 11. Feb- ruar war es mit dem Muba- rak-Regime vorbei. Der Flächenbrand hatte Liby- en erreicht. Fast hätte Dik- tator Gadafi den Aufstand wieder ersticken können. Doch auf Druck des fran- zösischen Präsidenten Sarkozy und der USA rei- tet eine westliche Allianz Attacken aus der Luft. Dass nicht klar ist, was da- bei herauskommen soll, mag dabei freilich ein Schönheitsfehler sein. D ass die Tyrannen wie Dominosteine stürzen (eben ist Syrien an der Rei- he), ist für einen tragischen Augenblick in den Hinter- vielleicht finale Chance sein, ihre zuletzt unter schwindender Bedeutung leidende Truppe zu retten. E in Kapitel im großen Geschichtsbuch hat sich heuer jedoch auch Öster- reich sichern können. Mit der Lobbying-Affäre ist es dem 14. Innenminister der Zweiten Republik, Ernst Strasser, gelungen, das Ansehen des Europäi- schen Parlaments in einem Ausmaß zu beschädigen, wie das noch keinem Poli- tiker zuvor gelungen ist. B ei diesem Tempo kann es schon passieren, dass einer aussteigt. So wie Jo- sef Pröll. Für ihn gilt vor- erst einmal: „Abschalten - Jetzt!“ Pröll verfolgt den Lauf der Ereignisse nach seiner Lungenembolie von einer Kuranstalt in den Bergen nur sporadisch. Ein Übermaß an Wahn- witz kann krank machen – nicht nur den Vizekanzler. Die ersten drei Monate des Jahres 2011 brachten ein Übermaß an Wahnwitz: Eine Zusammenfassung zwischendurch. grund gedrängt worden. Das gewaltige Beben, der Tsunami und die darauffol- gende Atomkatastrophe in Japan bündelt die gesamte Konzentration des kollekti- ven Bewusstseins. Zur Er- innerung: Das Erdbeben ereignete sich erst am 11. März um 5.46 Uhr. Und schon hat wieder der Pro- zess des Vergessens und Verdrängens eingesetzt. F inanzkrise, Benzinpreis- spirale, der alleine uns 2,2 Milliarden kostende Euro-Rettungsschirm, eine weggespülte portugiesische Regierung, der tägliche Mord- und Totschlag im Nahen Osten sind bei die- ser Fülle an Schlagzeilen zu Fußnoten geschrumpft. U nd welchen Part nimmt Österreich in diesen Ta- gen ein? Eher keinen. Die Regierung übt sich in Ges- ten der Betroffenheit mit diplomatischen Depeschen und scheinbarer oder sehr hintergründiger Aktivität. Als Zaungast wird Teilnah- me am internationalen Ge- schehen nur gemimt. Es ist wie stets diese So-als-ob- Politik, mit der diese Repu- blik seit Jahrzehnten auf der sicheren Seite fährt. I mmerhin: In der Anti- Atom-Politik wird Flagge gezeigt. Angeführt von die- ser Zeitung ist die zuletzt eher dahinschlummernde Anti-Atom-Bewegung in Marsch gesetzt worden. Entschlossen schreiten die Grünen mit der Parole „Abschalten – Jetzt!“ ge- gen die Kernenergie voran. Blendend vernetzt mit ih- ren europäischen Freun- den, haben die Grünen ei- nen weiteren Anlauf zur in- ternationalen Trendwende gestartet. Es könnte für Eva Glawischnig auch die In der Kolumne „Thema des Tages“ am Donnerstag ist Hannes Swoboda als De- legationsleiter der SPÖ im EU-Parlament bezeichnet worden. Das war ein Irr- tum. Jörg Leicht- fried (Bild) ist Chef der heimi- schen Sozialde- mokraten in Brüs- sel. Und das ist auch besser so. Fehler der Woche Foto: Archiv Fotos: AP (3), EPA (2), Vienna Report, APA, REUTERS, Radspieler, Grafik: Chvatal

Politik am Sonntag

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Die ersten drei Monate des Jahres 2011brachten ein Übermaß an Wahnwitz:EineZusammenfassung zwischendurch.

Citation preview

Page 1: Politik am Sonntag

VON CLAUS PÁNDI

Politik

Donnerstag, ab 9.00 Uhr auf www.krone.tv/pandi

Woche 12011

Woche 2 Woche 3 Woche 4 Woche 5 Woche 6 Woche 7 Woche 8 Woche 9 Woche 10 Woche 11 Woche 12

Selten zuvor hat es so vielGeschichte in derart

kurzer Zeit gegeben. 2011ist bereits jetzt das Jahrder großen Umbrüche. Esfällt zunehmend schwer,bei der rasenden Chronikwelthistorischer Ereignis-se die Übersicht zu bewah-ren. In den ersten drei Mo-naten dieses Jahres istmehr in Bewegung geratenwie in den Jahren seit 1989zusammen.

Begonnen hat alles in Tu-nesien. Die nordafrika-

nische Revolution liegt ei-ne gefühlte Ewigkeit zu-rück. Dabei ist das Endedes Aufstands keine zwölfWochen her. Kurz danachhat sich das Volk in Ägyp-ten erhoben. Am 11. Feb-ruar war es mit dem Muba-rak-Regime vorbei. DerFlächenbrand hatte Liby-en erreicht. Fast hätte Dik-tator Gadafi den Aufstandwieder ersticken können.Doch auf Druck des fran-zösischen PräsidentenSarkozy und der USA rei-tet eine westliche AllianzAttacken aus der Luft.Dass nicht klar ist, was da-bei herauskommen soll,mag dabei freilich einSchönheitsfehler sein.

Dass die Tyrannen wieDominosteine stürzen

(eben ist Syrien an der Rei-he), ist für einen tragischenAugenblick in den Hinter-

vielleicht finale Chancesein, ihre zuletzt unterschwindender Bedeutungleidende Truppe zu retten.

Ein Kapitel im großenGeschichtsbuch hat sich

heuer jedoch auch Öster-reich sichern können. Mitder Lobbying-Affäre ist esdem 14. Innenminister derZweiten Republik, ErnstStrasser, gelungen, dasAnsehen des Europäi-schen Parlaments in einemAusmaß zu beschädigen,wie das noch keinem Poli-tiker zuvor gelungen ist.

Bei diesem Tempo kannes schon passieren, dass

einer aussteigt. So wie Jo-sef Pröll. Für ihn gilt vor-erst einmal: „Abschalten -Jetzt!“ Pröll verfolgt denLauf der Ereignisse nachseiner Lungenembolie voneiner Kuranstalt in denBergen nur sporadisch.Ein Übermaß an Wahn-witz kann krank machen –nicht nur den Vizekanzler.

Die ersten drei Monate des Jahres 2011brachten ein Übermaß an Wahnwitz:Eine Zusammenfassung zwischendurch.

grund gedrängt worden.Das gewaltige Beben, derTsunami und die darauffol-gende Atomkatastrophe inJapan bündelt die gesamteKonzentration des kollekti-ven Bewusstseins. Zur Er-innerung: Das Erdbebenereignete sich erst am 11.März um 5.46 Uhr. Undschon hat wieder der Pro-zess des Vergessens undVerdrängens eingesetzt.

Finanzkrise, Benzinpreis-spirale, der alleine uns

2,2 Milliarden kostendeEuro-Rettungsschirm, eineweggespülte portugiesischeRegierung, der täglicheMord- und Totschlag imNahen Osten sind bei die-ser Fülle an Schlagzeilen zuFußnoten geschrumpft.

Und welchen Part nimmtÖsterreich in diesen Ta-

gen ein? Eher keinen. DieRegierung übt sich in Ges-ten der Betroffenheit mit

diplomatischen Depeschenund scheinbarer oder sehrhintergründiger Aktivität.Als Zaungast wird Teilnah-me am internationalen Ge-schehen nur gemimt. Es istwie stets diese So-als-ob-Politik, mit der diese Repu-blik seit Jahrzehnten aufder sicheren Seite fährt.

Immerhin: In der Anti-Atom-Politik wird Flagge

gezeigt. Angeführt von die-ser Zeitung ist die zuletzteher dahinschlummerndeAnti-Atom-Bewegung inMarsch gesetzt worden.Entschlossen schreiten dieGrünen mit der Parole„Abschalten – Jetzt!“ ge-gen die Kernenergie voran.Blendend vernetzt mit ih-ren europäischen Freun-den, haben die Grünen ei-nen weiteren Anlauf zur in-ternationalen Trendwendegestartet. Es könnte fürEva Glawischnig auch die

In der Kolumne „Themades Tages“ am Donnerstagist Hannes Swoboda als De-legationsleiter der SPÖ imEU-Parlament bezeichnetworden. Das war ein Irr-tum. Jörg Leicht-fried (Bild) istChef der heimi-schen Sozialde-mokratenin Brüs-sel. Unddas istauchbesserso.

Fehler der Woche

Foto

:Arc

hiv

Foto

s:A

P(3

),EP

A(2

),V

ienn

aRe

port

,APA

,REU

TERS

,Rad

spie

ler,

Gra

fik:C

hvat

al