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Diabetologie und Stoffwechsel Supplement This journal is listed in Science Citation Index, EMBASE and SCOPUS Offizielles Organ der Deutschen Diabetes Gesellschaft Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft Herausgegeben von M. Kellerer und D. Müller-Wieland im Auftrag der DDG ▪ Aktualisierte Version 2018 S2 Oktober 2018 Seite S83–S290 13. Jahrgang

Oktober 2018 Praxisempfehlungen Seite S83–S290 … · 2019. 9. 18. · DDG CLINIC AL PRAC TI CE RECO MM EN DA TION S This journal is listed in Science Citation Index, EMBASE and

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  • Diabetologie und Stoffwechsel

    Supplement

    Heft S2 •

    Oktober 2018 •

    13. Jahrgang • Seite S83 – S290

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    This journal is listed inScience Citation Index, EMBASE and SCOPUS

    Offizielles Organ der Deutschen Diabetes Gesellschaft

    Praxisempfehlungen der DeutschenDiabetes Gesellschaft

    Herausgegeben von M. Kellerer und D. Müller-Wieland im Auftrag der DDG

    ▪ Aktualisierte Version 2018

    S2Oktober 2018

    Seite S83–S29013. Jahrgang

  • Therapie des Typ-2-Diabetes

    Autoren

    Rüdiger Landgraf1, Monika Kellerer2, Jens Aberle3, Eva-Maria Fach4, Baptist Gallwitz5, Andreas Hamann6, Hans-

    Georg Joost7, Harald Klein8, Dirk Müller-Wieland9, Michael A. Nauck10, Hans-Martin Reuter11, Stephan Schreiber12,

    Erhard Siegel13

    Institute

    1 Deutsche Diabetes Stiftung, München

    2 Zentrum für Innere Medizin I, Marienhospital Stuttgart

    3 Sektion Endokrinologie und Diabetologie, Universitäres

    Adipositas Zentrum Hamburg, Universitätsklinikum

    Hamburg-Eppendorf

    4 Studienzentrum Stephanskirchen

    5 Medizinische Klinik IV, Universitätsklinikum Tübingen

    6 Medizinische Klinik IV, Hochtaunuskliniken gGmbH,

    Bad Homburg v. d. H.

    7 Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-

    Rehbrücke (DIfE), Nuthetal

    8 Medizinische Klinik I, Berufsgenossenschaftliches

    Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum

    9 Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum RWTH Aachen,

    Aachen

    10 Diabeteszentrum Bochum-Hattingen, St. Josef-Hospital,

    Ruhr-Universität, Bochum

    11 Innere Medizin/Diabetologie, GP Ambulantes

    Medizinisches Zentrum, Jena

    12 Diabeteszentrum Schreiber, Quickborn

    13 Abteilung für Innere Medizin – Gastroenterologie,

    Diabetologie/Endokrinologie und Ernährungsmedizin,

    St. Josefskrankenhaus Heidelberg GmbH, Heidelberg

    Bibliografie

    DOI https://doi.org/10.1055/a-0598-0475

    Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

    © Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart · New York

    ISSN 1861-9002

    Korrespondenzadresse

    Prof. Dr. med. Rüdiger Landgraf

    Deutsche Diabetes Stiftung, Gaißacherstraße 18,

    81371 München

    [email protected]

    Die Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft(DDG) zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Me-dizin (DGIM) lehnen sich eng an die Inhalte der Nationalen Versor-gungsLeitlinie (NVL) „Therapie des Typ-2-Diabetes“ an. Umfang-reiche Details einschließlich der wissenschaftlichen Belege findenSie in der Langfassung der NVL [1]. Die in diesen Praxisempfehlun-gen abgebildeten Inhalte sind zum Teil die konsentierten Ab-schnitte der ganzen Arbeitsgruppe, die für die Erarbeitung der Na-tionalen VersorgungsLeitlinie verantwortlich war. Der aktuelleTherapiealgorithmus und dessen Begründungen wurden auf derBasis neuer Studien und Metaanalysen aktualisiert und von derDDG und der DGIM konsentiert.

    Die Aktualisierung der im Jahr 2014 publizierten NVL hat 2017begonnen. In der Neufassung wird es auch weitgehende Umstruk-turierungen und Erweiterungen um die wichtigsten diabetesspe-zifischen und -assoziierten Komplikationen dieser NVL geben, umdie Akzeptanz und die Praktikabilität der NVL wesentlich zu ver-bessern. Die Neuerscheinung dieser NVL ist für 2019 geplant.

    Definition des Typ-2-DiabetesDer Typ-2-Diabetes ist eine chronische, sehr heterogene, multi-faktorielle, progrediente Erkrankung, die u. a. durch vererbte und

    erworbene Insulinresistenz und durch qualitative und quantitativeInsulinsekretionsstörungen charakterisiert ist.

    Beeinflussbare und nicht beeinflussbare Risikofaktoren desTyp-2-Diabetes sind in der Infobox „Risikofaktoren des Typ-2-Dia-betes“ aufgelistet.

    RISIKOFAKTOREN DES TYP-2-DIABETES

    nicht beeinflussbar

    ▪ höheres Lebensalter

    ▪ Geschlecht

    ▪ Ethnizität

    ▪ positive Familienanamnese

    ▪ Gestationsdiabetes (in der Anamnese)

    ▪ intrauterine Entwicklung (fetale Programmierung)

    beeinflussbar

    ▪ viszerale Adipositas

    ▪ Fettleber

    ▪ Hypertonie

    ▪ Depression

    ▪ schlechter Schlaf (Obstruktive Schlafapnoe, OSA)

    ▪ körperliche Inaktivität

    ▪ energiereiche, ballaststoffarme Nahrung

    DDG-Praxisempfehlung

    S144 Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

  • ▪ starker Zuckerkonsum (Softdrinks etc.)

    ▪ übermäßiger Alkoholgenuss (Fettleber)

    ▪ Rauchen

    ▪ diabetogene Medikamente

    ▪ diabetogene Umwelt (u. a. „Deprivation“ = Benachteili-

    gung durch Mangel an Ressourcen)

    Metabolisches Syndrom [2]

    mindestens 3 von 5 Kriterien müssen erfüllt sein:

    ▪ Abdominelle Adipositas (Taillenumfang): Männer* > 94 cm;

    Frauen** > 80 cm

    ▪ Triglyceride: ≥ 150mg/dl bzw. ≥ 1,7mmol/l

    ▪ HDL-Cholesterin: Männer < 40mg/dl bzw. < 1,03mmol/l;

    Frauen: < 50mg/dl bzw. < 1,29mmol/l

    ▪ Blutdruck: ≥ 130/≥ 85mmHg

    ▪ Nüchtern-Plasmaglukose ≥ 100mg/dl bzw. ≥ 5mmol/l

    oder präexistierender Diabetes

    */** Menschen aus Südostasien oder China: 90/80 cm;

    Japaner: 85/90 cm.

    Therapieziele

    In den vorliegenden Empfehlungen werden Zielkorridore angege-ben, die –mit unterschiedlich hoher Evidenzstärke – den Arzt undden Patienten evidenz- und konsensbasiert darüber informieren,welcher Zielkorridor/Zielwert nach heutigem medizinischem Wis-sensstand im Regelfall angestrebt werden sollte. Unberührt davonbleibt das übergeordnete Ziel der Leitlinie, primär gemeinsam mitdem Patienten und eventuell zusammen mit den Angehörigen in-dividuell vereinbarte mittelbare und übergeordnete Therapiezielezu finden und am besten quartalsweise schriftlich zu vereinbaren(z. B. Gesundheitspass Diabetes).

    Allgemeine und spezifische Therapieziele

    Die Therapieziele des Menschen mit Typ-2-Diabetes hängen abvon der Patientenpräferenz, der (Ko-)Morbidität, Alter und Lebens-erwartung, Lebensqualität, kulturellen Voraussetzungen, den psy-chosozialen Umständen und Möglichkeiten sowie Fähigkeiten derbetroffenen Personen (z. B. Health Literacy =Gesundheitskompe-tenz). Aufgrund der für die Betroffenen nicht selten als schwere Le-benseinschränkung erlebten Diagnose des Typ-2-Diabetes sollteeine Strategie der Zustimmung und der langsamen Therapieinten-sivierung (Ausnahme schwere Stoffwechseldekompensation) ver-folgt werden. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes sollen für folgen-de Parameter individualisierte Therapieziele vereinbart werden(Infobox „Allgemeine Behandlungs- und Betreuungsziele“;▶ Tab. 1):▪ Lebensstil▪ Blutdruck▪ Glukosestoffwechsel▪ Lipidstatus▪ Körpergewicht

    ALLGEME INE BEHANDLUNGS - UND BETREUUNGS -

    ZIELE

    ▪ Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Lebensqualität

    ▪ Kompetenzsteigerung (Empowerment) der Betroffenen

    im Umgang mit der Erkrankung und deren Komplikationen

    ▪ Verminderung eines Krankheitsstigmas

    ▪ Behandlungszufriedenheit

    ▪ Förderung der Therapieadhärenz

    ▪ Reduktion des Risikos für kardiale, zerebrovaskuläre und

    weitere makrovaskuläre Folgekomplikationen (renal, peri-

    phere arterielle Verschlusskrankheit)

    ▪ Vermeidung und Behandlung der mikrovaskulären und

    neurologischen Folgekomplikationen (Erblindung, Nieren-

    ersatztherapie, Neuropathie)

    ▪ Vermeidung und Behandlung des diabetischen Fußsyn-

    droms

    ▪ Vermeidung und Behandlung von Symptomen durch die

    Verbesserung der Stoffwechseleinstellung

    ▪ Behandlung und Besserung von Begleitkrankheiten

    ▪ Minimierung der Nebenwirkungen der Therapie (z. B.

    schwere Hypoglykämien, starke Gewichtszunahme) und

    der Belastungen des Patienten durch die Therapie (Medi-

    kalisierung, Polypharmazie, Medikamenteninteraktion)

    ▪ Reduktion von Morbidität und Mortalität

    Diagnostik

    Anamnestische und klinische Untersuchungen sind in ▶ Tab. 2und das Monitoring von Menschen mit Typ-2-Diabetes ist in▶ Tab. 3 zusammengestellt.

    Die Sicherung der Diagnose erfolgt durch standardisierte undqualitätsgesicherte Laboruntersuchungen sowohl für die Plasma-glukose als auch für HbA1c. Geräte zur Selbstmessung (POCT-Sys-teme) müssen erfolgreich an externer Qualitätssicherung teilneh-men; sonst sind sie für die Diagnostik ungeeignet. Da sich bei derDiagnostik eines Diabetes zunehmend eine Vielzahl von präanaly-tischen, analytischen und interpretatorischen Problemen ergebenhat, wird auf die aktualisierte und detaillierte Praxisempfehlungzur Diabetesdiagnostik verwiesen [3 – 5].

    Therapie

    Basistherapie

    Schulung

    Allen von Diabetes mellitus Betroffenen sowie gegebenenfallsihren Angehörigen soll als unverzichtbarer Bestandteil der Diabe-tesbehandlung ein strukturiertes, evaluiertes und zielgruppen-und themenspezifisches Schulungs- und Behandlungsprogrammangeboten werden [6].

    S145Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

  • Plasmaglukoseselbstmessung

    Bei einer Indikationsstellung zur Plasmaglukoseselbstmessungsollten die in ▶ Tab. 4 aufgeführten Situationen bei Menschen mitTyp-2-Diabetes berücksichtigt werden. Aus den Messungen soll-ten sich eventuell notwendige Therapiekonsequenzen ergeben.

    Uringlukoseanalysen sind kein Standard in der Diagnostik und inder Therapieentscheidung und -überwachung, denn die Uringluko-se wird nur positiv bei hohen Blutglukosewerten (renale Glukose-transportkapazität interindividuell sehr unterschiedlich, altersab-hängig, bei verminderter Nierenfunktion nicht systematischuntersucht, bei bestimmten Erkrankungen erniedrigt und nicht ver-wertbar bei Schwangerschaft und beim Einsatz von Medikamentenwie SGLT2-Inhibitoren).

    Ernährungstherapie und -beratung

    Ernährungsempfehlungen für Menschen mit Typ-2-Diabetes sol-len folgende Eckpunkte berücksichtigen. Hier sollen nur einigeEmpfehlungen gegeben werden:▪ Motivation zu gesunden, ausgewogenen Kostformen unter

    Berücksichtigung der bisherigen Ernährungsroutine desPatienten

    ▪ Soweit wie möglich Verzicht auf industrielle Lebensmittel-Fertigprodukte und Begrenzung der Aufnahme von Saccharose(WHO-Empfehlung < 25 g/Tag)

    ▪ Die Einschätzung von Art und Menge der Kohlenhydrate derjeweiligen Mahlzeiten sollte bei Menschen mit Typ-2-Diabetes,die Insulin spritzen, als wesentliche Strategie zur Stoffwechsel-kontrolle eingesetzt werden.

    ▪ Menschen mit Typ-2-Diabetes ohne Insulintherapie sollte ver-mittelt werden, Blutglukose erhöhende Nahrungsmittel erken-nen zu können.

    ▪ Menschen mit Typ-2-Diabetes und Niereninsuffizienz sollteeine tägliche Eiweißzufuhr von 0,8 g/kg empfohlen werden.

    ▪ Menschen mit Typ-2-Diabetes sollten im Rahmen der indivi-duellen Beratung über den differenzierten Umgang mit Alko-hol beraten werden.

    Praktische Empfehlungen für eine gesunde und ausgewogeneErnährung▪ Kein generelles Zuckerverbot, jedoch Vermeiden von großen

    Mengen an Haushaltszucker, Fruchtzucker, Zuckeralkoholen(z. B. Sorbit, Xylit) bzw. von Getränken, die diese Stoffe enthal-ten. Große Portionen und häufigen Verzehr von fetten Lebens-mitteln, z. B. fettes Fleisch, fette Wurstwaren, fetter Käse, fetteBackwaren, fette Fertigprodukte, fettes Fast-Food, Sahne,Schokolade, Chips usw. vermeiden.

    ▪ Pflanzliche Fette bevorzugen, z. B. Öle, Nüsse, Samen.▪ Regelmäßigen Fischverzehr einplanen.▪ Lebensmittel, die reich an Ballaststoffen sind, in die Ernährung

    einplanen, z. B. Gemüse, frisches Obst, Vollkorngetreideprodukte.▪ Nicht mehr als 1 – 2 kleine Gläser an alkoholischen Getränken

    pro Tag konsumieren.▪ Die Vielfalt des frischen Lebensmittelangebots nutzen und

    genießen.

    Gewichtsreduktion bei übergewichtigen und adipösen Menschenmit Typ-2-Diabetes unterstützt die Verminderung des vaskulärenRisikos, steigert das Selbstwertgefühl, die Lebensqualität und eskann in der Frühphase eines Typ-2-Diabetes zu einer Remissionkommen [16, 17]. Siehe auch [18]: S3-Leitlinie „Prävention undTherapie der Adipositas“ (www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/050 – 001.html).

    ▶ Tab. 1 Orientierungsgrößen für mittelbare Therapieziele.

    Indikator Orientierungsgrößen der Therapieziele

    mg/dl mmol/l

    Nüchtern-/präprandiale Plasmaglukose (venös) 100 – 125 5,6 – 6,9

    postprandiale Plasmaglukose (venös) 1 – 2 Std.postprandial

    140 – 199 7,8 – 11,0

    Indikator Individualisierung der Therapieziele

    HbA1c HbA1c-Zielkorridor von 6,5 –7,5 % (48 – 58mmol/mol Hb) zur Prävention von Folgekomplikationen undVermeidung von schweren Hypoglykämien. Bei multimorbiden älteren Menschen undMenschenmit starkeingeschränkter Lebenserwartung HbA1c < 8,0% (64mmol/mol Hb), seltener < 8,5% (69mmol/mol Hb)

    HarnsäureLipide

    Serumspiegel ≤ 6,0mg/dl (357 µmol/l) [7]LDL-Cholesterin-Senkung auf Zielwert < 100mg/dl (< 2,6mmol/l); bei KHK oder weiteren Risikofaktoren< 70mg/dl (< 1,8mmol/l) und mindestens eine 50%ige Senkung

    Gewichtsabnahme bei Übergewicht bei BMI von 27 bis 35 kg/m2: > 5% Gewichtsabnahme; bei BMI > 35 kg/m2: > 10% Gewichtsabnahme

    Blutdruck systolischer Blutdruck: < 140mmHg; diastolischer Blutdruck: 80mmHg optimal um 130/80mmHg,insbesondere bei hohem kardiovaskulärem und renalem Risiko und wenn die Therapie ohne relevanteNebenwirkungen ist

    S146 Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

    DDG-Praxisempfehlung

  • ▶ Tab. 2 Anamnese und klinische Untersuchungen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes.

    Anamnese/Untersuchung

    AnamneseZu beachten ist, dass der Typ-2-Diabetes initial symptom-arm ist bzw. dass die Symptome häufig verkannt werden.

    ▪ Übergewicht/Adipositas▪ hoher Blutdruck▪ Fettstoffwechselstörungen▪ Durst▪ häufiges Wasserlassen▪ ungewollte Gewichtsabnahme▪ Infektionsneigung – insbesondere Entzündungen der Haut oder Schleimhäute▪ Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schwäche▪ körperliche Aktivität▪ Medikamenteneinnahme (z. B. Glukokortikoide, Psychopharmaka)▪ Alkoholkonsum▪ Rauchen▪ depressive Verstimmung▪ Störungen der Merk- und Konzentrationsfähigkeit▪ Sehstörungen▪ erektile Dysfunktion▪ Geburt von Kindern > 4000 g

    Familienanamnese ▪ Diabetes▪ Übergewicht▪ Bluthochdruck▪ Fettstoffwechselstörungen▪ Retinopathie▪ Herzinfarkt▪ Schlaganfall▪ Nierenerkrankung▪ Amputation

    Körperliche Untersuchung ▪ Größe▪ Gewicht (BMI)▪ Taillenumfang (in der Mitte zwischen unterem Rippenbogen und oberem Beckenkamm

    bei mittlerer Atemlage)▪ kardiovaskuläres System▪ Blutdruck▪ periphere Arterien [8]▪ peripheres Nervensystem [9] (siehe NVL Neuropathie)▪ Haut▪ Augenuntersuchungen [10]▪ Fußuntersuchung [11]

    LaborwerteFakultativ GAD-Antikörper bei schwieriger Abgrenzung zumTyp-1-Diabetes bzw. LADA sowie Insulin (mit HOMA2-B undHOMA2-IR) bei unklarer Differenzialdiagnose bzw. zur näherenSubtypisierung, wenn sich daraus eine therapeutische Konse-quenz ergibt (siehe auch die Praxisempfehlung „Definition,Klassifikation und Diagnostik des Diabetes mellitus“ in diesemSupplement)

    ▪ Blutglukose▪ Blutbild▪ HbA1c▪ Kreatinin▪ eGFR▪ Kalium▪ Lipidprofil▪ Gamma-GT▪ AST▪ ALT [12]▪ Harnsäure▪ Urin-Analysen einschließlich quantitativer Albuminurie [13], Ketonkörper im Urin oder Blut

    (nur bei hohen Glukosewerten; evtl. bei SGLT2-Inhibitor-Therapie auch bei Plasmaglukose-werten < 250mg/dl [13,9mmol/l])

    Technische Untersuchungen ▪ Ruhe- und Belastungs-EKG [14, 15]▪ bildgebende Untersuchung mittels pharmakologischer Belastung als Alternative zum

    Belastungs-EKG▪ Stress-Echokardiografie▪ Fettleber (Sonografie)▪ augenärztliche Untersuchung▪ Knöchel-Arm-Index bei nicht oder nur schwach tastbaren Fußpulsen (Cave: Mediasklerose)

    S147Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

  • ▶ Tab. 3 Monitoring von Menschen mit Typ-2-Diabetes.

    Anamnese/Untersuchung/Screening

    Anamnese DiabetesdauerGewicht/BMI, ggf. Taillen-Größen-Relation (Gewichtsverlauf, Übergewicht)BlutdruckFußstatusbisherige Therapie (möglichst vollständiger Medikationsplan)körperliche AktivitätErnährungsgewohnheitenRauchendurchgeführte Diabetesschulung, Selbstkontrolle der BlutglukoseHypoglykämien (Frequenz und Schwere)AngstzuständeDepressionerektile Dysfunktion

    Körperliche Untersuchungen GewichtBlutdruckkardiovaskuläres SystemLungenUntersuchung der Injektionsstellen bei mit Insulin und/oder mit GLP-1-RA behandelten Menschenmit DiabetesUntersuchung der FGM-/CGM-Einstich- oder Implantationsstellen

    Laborwerte HbA1cKreatinin-Clearance (eGFR)LipidprofilUrin-Analysen inkl. Albuminurie [13], Ketonkörper im Urin oder Blut (nur bei hohen Blutglukosewerten;evtl. bei SGLT2-Inhibitor-Therapie)

    Screening auf diabetische Neuropathie [9] Menschen mit Typ-2-Diabetes sollen ab dem Zeitpunkt der Diagnosestellung 1 × jährlich auf einesensomotorische und autonome Neuropathie untersucht werden.

    Screening auf Fußläsionen [8, 11] Menschen mit Typ-2-Diabetes und keinen klinischen Befunden einer sensomotorischen Neuropathiesollen mindestens 1 × jährlich auf Fußläsionen untersucht werden. Liegen bereits klinische Befundeeiner sensomotorischen Neuropathie vor, sollen regelmäßige Untersuchungen auf Fußläsionen alle3 – 6 Monate erfolgen.

    Screening auf eine Nephropathie [13] Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes soll mindestens 1 × jährlich auf eine Albuminurie untersuchtwerden, da dies eine wesentliche zusätzliche Risikoabschätzung für kardiovaskuläre und renaleFolgeerkrankungen erlaubt. Zusätzlich soll die eGFR bestimmt werden, wobei sich die Frequenzder Messung nach dem Stadium der Nierenerkrankung und möglichen renalen Komplikationen[renal toxische Substanzen, Kontrastmittel, Hypovolämie] richtet.

    Screening auf Netzhautkomplikationen [10] Ein augenärztliches Screening soll durchgeführt werden:▪ bei Typ-2-Diabetes bei Diagnosestellung (Erstuntersuchung)Wenn keine diabetische Netzhautveränderung festgestellt wird, soll das Screeningintervall▪ bei bekanntem geringem Risiko (= kein ophthalmologisches Risiko und kein allgemeines Risiko)

    2 Jahre,▪ für alle anderen Risikokonstellationen 1 Jahr betragen.Sind dem Augenarzt die allgemeinen Risikofaktoren nicht bekannt, soll der Patient von ihm sobehandelt werden, als ob ein ungünstiges allgemeines Risikoprofil vorläge.Patienten mit diabetischen Netzhautveränderungen (= ophthalmologisches Risiko) sollen je nachBefund jährlich oder häufiger untersucht werden.Bei neu auftretenden Symptomen wie Sehverschlechterung, verzerrtes Sehen, Verschwommensehenund/oder „Rußregen“ vor den Augen soll zeitnah eine Untersuchung beim Augenarzt erfolgen.

    Abschätzung des makro- und mikrovaskulärenGesamtrisikos

    Menschen mit Typ-2-Diabetes sollen mindestens alle 1 – 2 Jahre auf vaskuläre Risiken (Hypertonie)untersucht und der Raucherstatus soll erfragt werden. Darüber hinaus sollen HbA1c, Lipide, Harnsäureund Kreislaufparameter (Blutdruckmessung sowie Pulsmessung an verschiedenen Orten) kontrolliertund eine Mikro-/Makroalbuminurie ausgeschlossen bzw. quantifiziert werden.

    S148 Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

    DDG-Praxisempfehlung

  • Körperliche Aktivität und Bewegung (▶ Abb. 1)

    ▪ Menschen mit Typ-2-Diabetes sollen motiviert werden, sowohlunstrukturierte körperliche Aktivität – ihre körperliche Betäti-gung und Bewegung im Alltag (z. B. Treppensteigen, Spazier-gänge, Besorgungen zu Fuß, Gartenarbeit) – als auch diestrukturierte körperliche Aktivität zu steigern.

    ▪ Individuell soll entschieden werden, welche Bewegungs- oderSportarten für den Menschen mit Typ-2-Diabetes geeignet sind.

    ▪ Aerobes Ausdauertraining und Krafttraining sollten als struk-turierte Bewegungsprogramme empfohlen werden.

    ▪ Es ist wünschenswert, dass körperliche Aktivität und/oderstrukturierte Trainingsprogramme von Menschen mit Typ-2-Diabetes regelmäßig, wenn möglich mehrmals pro Woche,durchgeführt werden.

    ▪ Insbesondere Menschen mit Typ-2-Diabetes in der zweitenLebenshälfte sollte empfohlen werden, Geschicklichkeit, Reak-tionsfähigkeit, Koordination, Gelenkigkeit und Beweglichkeitzu trainieren.

    Eine intensive Lifestyle-Intervention unter Einschluss eines um-fangreichen Sport- und Bewegungsprogramms führte in der gro-ßen im Median über 9,6 Jahre laufenden RCT nicht zu besserenkardiovaskulären Endpunkten [19]. Der Unterschied zwischender intensiven Lifestyle-Interventions- und der Kontrollgruppelag bei Studienende nur bei 2,5 % des Körpergewichts. Dennochprofitierten die Studienteilnehmer von einem signifikant verbes-serten vaskulären Risikoprofil, besserer körperlicher Fitness undMobilität, Verbesserung von Schlafapnoe, Depression und Le-bensqualität. Langfristig lässt sich die bessere körperliche Fitnessund Gewichtsreduktion bzw. -stabilität halten [20]. Die disability-

    freie, aber nicht die Gesamtlebenserwartung war in der Look-AHEAD Intervention verlängert [21].

    Tabakentwöhnung

    Raucher sollen immer, wenn dies situativ angemessen erscheint,über die besonderen Risiken des Rauchens für den Typ-2-Diabe-tes, mikro- und makrovaskuläre Folgeerkrankungen und Lungen-erkrankungen aufgeklärt und spezifisch beraten werden. Ihnensoll dringlich geraten werden, das Tabakrauchen aufzugeben.

    Änderungswillige Raucher sollen hinsichtlich möglicher Ver-fahren zur Tabakentwöhnung regelmäßig beraten werden(▶ Abb. 2).

    Pharmakotherapie

    Das im Therapiealgorithmus (▶ Abb. 3) vorgesehene stufenweiseVorgehen bezieht sich auf den Zeitpunkt der klinischen Diagnoseeines Typ-2-Diabetes im Stadium einer relativen Stoffwechsel-kompensation. Frisch diagnostizierte Patienten mit Stoffwechsel-dekompensation sollten simultan eine Basis- und Pharmakothera-pie erhalten.

    Die alphabetische Auflistung der oralen Antidiabetika nachMetformin wurde ganz bewusst gewählt, weil alle MedikamenteVor- und Nachteile besitzen und diese in Abhängigkeit von derMultimorbidität mit jedem Menschen mit Typ-2-Diabetes einzelnbesprochen und die Patientenpräferenzen berücksichtigt werdensollen. Dies bedeutet, dass es derzeit keine allgemein gültige (d. h.für alle Patienten mit Typ-2-Diabetes) Vor- bzw. Nachrangigkeitvon glukosesenkenden Medikamenten gibt, dass also die Thera-pieentscheidung individuell aufgrund der Patientencharakteristi-ka (insbesondere Präsenz von kardiovaskulären und/oder renalen

    ▶ Tab. 4 Situationen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, in denen Plasmaglukoseselbstmessungen notwendig sind oder passager notwendig seinkönnen1.

    klinisch definierte Situationen

    Diabetesstadium neu diagnostiziert, Einstellphase

    Diabetes im Verlauf labil mit häufigen Unterzuckerungen (dann vor allen Mahlzeiten bis zur Erreichung des gewähltenTherapieziels, danach Rückkehr zu gezielten Gelegenheitsmessungen)Therapieeskalationvorübergehend nach Umstellung von einer Insulintherapie auf eine Behandlung mit oralen Antidiabetika

    zusätzliche Erkrankungen/Interventionen schwere Infektionengeplante Operationenpsychische Erkrankungen mit unzuverlässiger Medikamenteneinnahmewenn bei Sport/Bewegung unter blutglukosesenkenden Substanzen, die mit Hypoglykämien assoziiertsein können, entsprechende Symptome auftretenkrankheitsbedingte akute Änderungen der Ernährung (z. B. Durchfall/Erbrechen)

    Diabetestherapie orale Antidiabetika (OAD) mit Hypoglykämiepotenzial (Sulfonylharnstoffe, Glinide – dann Gelegenheits-messungen)Insulintherapie und Notwendigkeit von Selbstanpassung der Insulindosisintensivierte konventionelle Insulintherapie (vor allen Mahlzeiten, gelegentlich nachts)Insulinpumpentherapie (vor allen Mahlzeiten, gelegentlich nachts)1

    Situationen mit besonderer Gefahr (z. B. Schichtarbeit, Führen von Lastkraftwagen, Bussen, Kränen etc.)

    1 Bei einigen Patienten mit komplexeren Insulintherapien und Neigung zu Hypoglykämien kann eine vorübergehende oder dauerhafte kontinuierlicheGlukosemessung FGM/CGM sinnvoll und notwendig sein.

    S149Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

  • Komplikationen, Neigung zu schweren Hypoglykämien, starkesÜbergewicht) und Patientenpräferenzen gefällt werden sollte.

    Metformin

    Aufgrund seiner guten Effektivität, den HbA1c-Wert zu senken,des bekannten Sicherheitsprofils, der langen Erfahrung und der

    geringen Kosten ist Metformin derzeit das Antidiabetikum der ers-ten Wahl zur Behandlung eines Typ-2-Diabetes. Vorteilhaft sindzudem das geringe Hypoglykämierisiko (cave: gleichzeitiger Alko-holkonsum) und der vorteilhafte Effekt, das Gewicht zu senken.

    Die Indikation als Mono- und in Kombinationstherapie mitMetformin wurde aufgrund umfangreicher Publikationen imFebruar 2017 erweitert [22]:

    Typ-2-Diabetesund/oder

    weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren

    Lebensstilmaßnahmen:Steigerung der körperlichen Aktivität und Verbesserung der kardiovaskulären Fitness

    Allgemein:Aufklärung des Patienten zu körperlicher Aktivität

    und Sport bei Diabetes und kardiovaskulärenRisikofaktoren

    1. Stufe:Steigerung der körperlichen Aktivität im Alltag

    (unstrukturierte Bewegung)

    2. Stufe:Strukturierte Bewertungsprogramme

    A)aerobes

    Ausdauertraining

    B)Krafttraining

    Kombination vonA) und B)

    1) Kombination mit anderen nicht

    medikamentösen Maßnahmen auf

    jeder Stufe

    2) ggf. Kombination mit medikamentösen Therapie-Maßnahmen

    bei unzureichenderHbA1c-Einstellung

    oder weiterenRisikofaktoren

    und

    3. Stufe:Ggf. unterstützende Trainingsprogramme

    (Yoga, Thai Chi, Ballspiele, Tanzen etc.)

    Wahl der 2. Stufe nach:▪ Alter▪ bisherigem körperlichen Aktivitätslevel▪ individuellem Risikoprofil und▪ unter Berücksichtigung der Patienten- präferenzen

    ▶ Abb.1 Stufenprogramm körperlicher Aktivität. Quelle: Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaftder Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes – Langfassung,1. Auflage. Version 4. 2013, zuletzt geändert: November 2014. Available from: www.dm-therapie.versorgungsleitlinien.de; [cited: 15.08.2018];DOI: 10.6101/AZQ/000 213 [rerif].

    S150 Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

    DDG-Praxisempfehlung

  • ▪ Patienten können bis zu einer NierenfunktionseinschränkungGrad 3b (eGFR bis 30ml/min.) mit Metformin behandelt wer-den, wenn keine andere Kontraindikation vorliegt.

    ▪ Maximale Tagesdosis ist 1000mg (500 – 0 –500mg) bei einereGFR von 30 – 44ml/min, 2000mg bei einer eGFR von 45 –59ml/min.

    ▪ Sicherheitshalber kann bei einer eGFR von 30– 44ml/min eineDosisreduktion auf 500mg täglich empfohlen werden, da sichdie eGFR gerade in diesem Bereich insbesondere bei älterenMenschen akut verschlechtern kann.

    Der Beginn einer Metformintherapie bei dieser eGFR sollte auchnach Empfehlungen der FDA mit dem Patienten eingehend disku-tiert werden [23].

    In der Bevölkerungs-basierten großen Studie mit 75 413 Pa-tienten des Geisinger-Health-Systems erfolgte eine Analyse allerPatienten in Bezug auf Hospitalisierung wegen Azidose. Es konn-ten 2335 Hospitalisierungen wegen einer Azidose im Zeitraumvon 2004 bis 2017 (mediane Follow-up-Zeit von 5,7 Jahren)gefunden werden. In diesem klinischen Real-World-Setting warMetformin im Vergleich zu anderen Antidiabetika (ausgeschlos-sen Insulin) nur dann mit einer Laktatazidose assoziiert, wenn dieeGFR < 30ml/min betrug [23].

    Was klinische Endpunkte betrifft, ist die Datenlage trotz derhäufigen Anwendung von Metformin nicht gesichert. Es findensich positive Daten aus der UKPDS bei einer relativ kleinen Zahlübergewichtiger Patienten und aus mehreren kleinen Studien. Ineiner kürzlichen Metaanalyse wurden weder signifikante positivenoch negative Effekte von Metformin auf kardiovaskuläre End-punkte gefunden [24], allerdings räumen die Autoren ein, dassauch für die Metaanalyse die Zahlen zu gering sind und eine großekontrollierte Studie nötig wäre, um die Frage zu klären. Entspre-chend gibt es auch keine Hinweise für einen Vorteil von Metfor-min für eine bestimmte Kombinationstherapie im Hinblick aufkardiovaskuläre Endpunkte und Gesamtmortalität [25].

    Metformin gewinnt derzeit aufgrund interessanter pleiotroperEffekte, die Änderungen des Epigenoms und der Genexpressionbeeinflussen und so potenziell protektiv u. a. gegen Karzinomewirken sollen, wieder großes Interesse [26].

    Zusammenfassung zur Therapie mit Metformin▪ Die Nierenfunktion muss engmaschig kontrolliert werden

    (alle 3 – 6 Monate). CAVE: Metformin muss sofort abgesetztwerden, wenn die eGFR auf < 30ml/min. fällt.

    ▪ Vorsicht bei Erkrankungen, die das Risiko für eine Laktatazido-se erhöhen (z. B. Gastroenteritis, respiratorische Insuffizienz).

    Ist der Patient zum jetzigen Zeitpunkt aktiver Raucher?

    Hat der Patient in derVergangenheit geraucht?

    Möchte der Patient das Rauchen zum jetzigen Zeitpunkt aufgeben?

    Aufklären des Patienten über diebesonderen Risiken des Rauchens

    ▪ Beratung und Schulung bzgl. nicht-medizi- nischen und medizi- nischen Verfahren der Raucherentwöhnung▪ Einbeziehung von Angehörigen

    ▪ regelmäßige Dokumen- tation des Tabakkonsums▪ dringliche Empfehlung, das Rauchen aufzugeben▪ motivationssteigernde Maßnahmen (siehe „5 R’s“).▪ Beratung und Schulung zu Verfahren der Tabakentwöhnung

    Maßnahmen zurVermeidung eines

    Rückfalls

    Maßnahmen zurVermeidung eines

    Rückfalls

    Bestärkung undUnterstützung des

    Patienten mit dem Ziel,die Tabakabstinenz

    beizubehalten

    ja nein

    neinja

    neinja

    ▶ Abb. 2 Algorithmus zum Vorgehen bei Tabakentwöhnung. Quelle: Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsge-meinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes – Langfas-sung, 1. Auflage. Version 4. 2013, zuletzt geändert: November 2014. Available from: www.dm-therapie.versorgungsleitlinien.de; [cited: 15.08.2018];DOI: 10.6101/AZQ/000 213 [rerif].

    S151Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

  • Menschen mit Typ-2-Diabetes

    Maßnahmen auf Grundlage der vereinbarten individuellen Therapieziele

    individuelles HbA -Ziel nach 3–6 Monaten nicht erreicht1c2

    1. WahlMetformin

    Monotherapie bei Metformin-Unverträglichkeit/Kontraindikationen (alphabetische Reihenfolge)3

    Zwei-, Dreifachkombination vorzugsweise in Kombination mit Metformin (alphabetische Reihenfolge)3,6

    Zusätzlich zu oralen Antidiabetika oder als Insulin-Monotherapie:

    DPP-4-Inhibitor

    DPP-4-Inhibitor

    GLP-1-RA-unterstützte orale Therapie (GUT) oder

    GLP-1-Rezeptoragonist

    GLP-1-Rezeptoragonist

    Verzögerungsinsulin tagsüber oder zur Nacht (BOT) oder

    Glukosidasehemmer**

    Glukosidasehemmer**

    Basalinsulin + GLP-1-RA (Zulassungsstatus beachten) oder

    Insulin (meist längerwirkend)

    Insulin (meist längerwirkend)

    präprandiales kurzwirkendes Insulin (SIT) oder

    Pioglitazon**

    konventionelle Insulintherapie (Mischinsuline; CT) oder

    Repaglinid (bei eGFR < 25 ml/min)

    Repaglinid (bei eGFR < 25 ml/min)

    intensivierte Insulintherapie (ICT, CSII)

    SGLT2-Inhibitor

    SGLT2-Inhibitor

    Sulfonylharnstoff4,5,*

    Sulfonylharnstoff4,5,*

    1. Stufe: Basistherapie (gilt zusätzlich auch für alle weiteren Therapiestufen) :1

    Schulung, Ernährungstherapie, Steigerung der körperlichen Aktivitäten, Raucherentwöhnung, Stressbewältigung

    2. Stufe: Basistherapie + Pharmaka-Monotherapie

    3. Stufe: Kombination mit einem 2. und evtl. 3. Antidiabetikum

    4. Stufe: Insulintherapie7

    Hyperglykämie

    HbA -Zielkorridor:6,5–7,5%

    1c

    Fettstoffwechselstörung

    siehe Website DDG

    individuelles HbA -Zielnach 3–6 Monaten nicht erreicht

    1c2

    individuelles HbA -Zielnach 3–6 Monaten nicht erreicht

    1c2

    arterielle Hypertonie

    siehe NVLNierenerkrankungen

    + Algorithmus

    Rauchen

    Raucherentwöhnungs-programm

    Adipositas

    S3-LL: AdipositasPrävention und Therapie

    S3-LL: Chirurgie derAdipositas

    ▶ Abb.3 Therapiealgorithmus bei Typ-2-Diabetes nach DDG und DGIM (Fortsetzung Legende: siehe nächste Seite).

    S152 Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

    DDG-Praxisempfehlung

  • ▪ CAVE in Situationen, in denen sich die Nierenfunktion akutverschlechtern kann, z. B. bei Dehydratation (schwere Diarrhö,schwerer fieberhafter Infekt oder Erbrechen), bei Einleitung einerTherapie mit ACE-Hemmer oder AT-1-Rezeptorblocker, Diuretika,zu Beginn einer Therapie mit nichtsteroidalen Antiphlogistika.

    ▪ Bei Gabe von Röntgenkontrastmitteln oder vor interventionel-len oder größeren chirurgischen Eingriffen sollte Metforminvorher abgesetzt und mit der Einnahme erst 48 Stunden nachdem Eingriff wieder begonnen werden, falls sich die eGFRpostoperativ nicht wesentlich verschlechtert hat und derPatient wieder oral Nahrung aufnehmen kann.

    Sulfonylharnstoffe

    Sulfonylharnstoffe werden seit Jahrzehnten eingesetzt, da sie dieBlutglukose effektiv senken, gut verträglich und kostengünstig sind.

    Aufgrund ihrer Eigenschaft, die Insulinsekretion glukoseunab-hängig zu steigern, besitzen sie aber ein hohes Hypoglykämiepo-tenzial mit der Gefahr z. T. schwerer und prolongierter, teilweiseletaler Hypoglykämien, insbesondere bei älteren Menschen miteingeschränkter Nierenfunktion und Polypharmazie. Zusätzlichführen sie meist zu einer moderaten Gewichtszunahme.

    Günstige Effekte auf mikrovaskuläre Endpunkte fanden sich inder UKPDS mehr als 6 Jahre nach Therapiebeginn für Chlorpropra-mid und Glibenclamid.

    In mehreren retrospektiven Beobachtungsstudien, Analysenaus Registerdaten und deren Metaanalysen sowie Cochrane-Reviews zeigten Sulfonylharnstoffe keinen eindeutigen Benefitauf makrovaskuläre Endpunkte, weder in der Mono- noch in einerKombinationstherapie. Es wurden signifikante Steigerungen derCV-Morbidität und -Mortalität beschrieben [27 – 32]. DieseRisiken waren unter Gliclazid und Glimepirid geringer als unterGlibenclamid [33].

    In einer Metaanalyse randomisierter Studien, in der eine Thera-pie mit Sulfonylharnstoffen direkt mit DPP4-Inhibitoren vergli-chen wurde, zeigte sich eine länger anhaltende Stoffwechselregu-lation unter DPP4-Inhibitoren verbunden mit einem geringerenNebenwirkungsprofil insbesondere in Bezug auf Hypoglykämien[32]. Real-World-Daten zeigen eine bessere Effektivität vonDPP4-Inhibitoren im Vergleich zu dem Sulfonylharnstoff Gliclazidals Starttherapie [34]. Daher empfiehlt Wang et al. [35], die Sulfo-nylharnstoffe weder als Monotherapie noch als Kombination mitMetformin vorrangig einzusetzen.

    Aufgrund der Tatsache, dass alle Analysen meist aus Daten vonNicht-RCTs stammen, lässt sich eine Assoziation von gesteigerterGesamtmortalität, kardiovaskulärer Mortalität, Myokardinfarktoder Schlaganfall dennoch nicht eindeutig belegen [27]. Auch dieCochrane-Analysen von Hemmingsen et al. kommen zu demSchluss, dass wichtige Daten fehlen, Sulfonylharnstoffe initial einzu-setzen. Dazu wären langfristige RCTs mit niedrigem Bias und demFokus auf patientenrelevanten Endpunkten notwendig [36, 37].

    Repaglinid

    Aufgrund eines Beschlusses des G-BA erfolgte ab 01.07.2016 eineumfangreiche Verordnungseinschränkung für Glinide. Die Verord-nungseinschränkung lautet:

    „Ausgenommen ist die Behandlung von niereninsuffizienten Patien-ten mit einer Kreatinin-Clearance < 25ml/min mit Repaglinid, soweitkeine anderen oralen Antidiabetika infrage kommen und eine Insulin-therapie nicht angezeigt ist.“

    Trotz ausführlicher evidenzbasierter Stellungnahme (s. a.http://www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de/stellungnahmen)gegenüber G-BA und BMG hat der G-BA-Beschluss nach wie vorBestand.

    (Fortsetzung Legende ▶ Abb. 3)1 Lebensstilmodifizierende, nicht medikamentöse Therapiemaßnahmen stellen auf jeder Therapiestufe die Basistherapie dar, sind aber häufig alleinnicht ausreichend. Bei Patienten, bei denen mit lebensstilmodifizierenden Maßnahmen keine ausreichenden Erfolge abzusehen sind (aufgrund vonSchweregrad der Stoffwechselentgleisung, Adhärenzproblemen, Multimorbidität), sollten diese Maßnahmen sofort mit Metformin (Kontraindikatio-nen!) oder einem anderen Antidiabetikum einschließlich Insulin kombiniert werden.2 HbA1c-Zielkorridor von 6,5–7,5% (siehe Tabelle „Orientierungsgrößen der Therapieziele“). Ein HbA1c-Zielwert < 6,5 soll nur dann angestrebt werden,wenn Hypoglykämien (insbesondere schwere) weitestgehend vermieden werden, der therapeutische Effekt nicht mit einer wesentlichenGewichtszunahme einhergeht, bei Vorliegen der Indikation für eine Mehrfachkombination von oralen Antidiabetika (d. h. in der Regel mehr als 2) nur sol-che ohne intrinsisches Hypoglykämiepotenzial verwendet werden, eine kürzere Diabetesdauer und keine klinisch relevanten Komorbiditäten vorliegen.3 Zum therapeutischen Stellenwert der einzelnenWirkstoffe/Wirkstoffgruppen siehe Hintergrundinformationen in diesen Praxisempfehlungen und auch inden entsprechenden Kapiteln der NVL-Langfassung. Insbesondere bei Menschen mit Typ-2-Diabetes und kardiovaskulären und renalen Komplikationensollten aufgrund der Evidenzen bevorzugt SGLT2-Hemmer und GLP-1-RA (derzeit Empagliflozin und Liraglutid) eingesetzt werden.4 Die Kombination von Metformin und Sulfonylharnstoffen kann möglicherweise die kardiovaskuläre Mortalität erhöhen. Eine Reihe von Metaanalysenumfangreicher retrospektiver Studien zu Sulfonylharnstoffen mit und ohne Metformin zeigt signifikante Steigerungen kardiovaskulärer Komplikationenund eine erhöhte Mortalität, während andere Metaanalysen einen neutralen Effekt zeigen.5 Bei der Gruppe der Sulfonylharnstoffe ist davon auszugehen, dass nicht alle Wirksubstanzen gleichermaßen nützen.6 Eine orale Dreifachkombination ohne hypoglykämisierende Substanzen (Metformin + DPP4-Inhibitor + SGLT2-Inhibitor) hat Vorteile gegenüber einerTherapieeskalation mit Insulin in Bezug auf Hypoglykämieereignisse und Gewicht. Gleiches gilt für die Dreifachkombination Metformin + SGLT2-Inhibitor +GLP-1-Rezeptoragonist.7 Bei Nichterreichen des individuellen Therapieziels unter ICT stellt die Insulinpumpentherapie (CSII) eine Therapieoption dar.* Siehe kritische Wertung der Evidenz für die Therapie mit Sulfonylharnstoffen in der NVL-Langfassung.** Diese beiden Substanzen spielen eine geringe Rolle in den Verordnungszahlen. Pioglitazon wird über die GKV nicht mehr erstattet.Quelle: Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesell-schaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Therapie des Typ-2-Diabetes – Langfassung, 1. Auflage. Version 4. 2013, zuletzt geändert: November2014. Available from: www.dm-therapie.versorgungsleitlinien.de; [cited: 15.08.2018]; DOI: 10.6101/AZQ/000213 [rerif]

    S153Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

  • DPP-4-Hemmer

    DPP-4-Hemmer ersetzen in zunehmendem Maße die Therapie mitSulfonylharnstoffen. Die Gründe sind ein günstiges Sicherheits-profil auch bei progredienter Niereninsuffizienz bis zur Dialyse(Sitagliptin), was insbesondere bei älteren Menschen von großerWichtigkeit ist, ein weitgehend gewichtsneutraler Effekt, niedrigeHypoglykämieraten und klinisch relevante Verbesserungen derHbA1c-Werte durch Steigerung der glukoseabhängigen Insulinse-kretion und Hemmung der Glukagonfreisetzung. Im Vergleich zuSulfonylharnstoffen zeigte Sitagliptin ganz ähnliche antihypergly-kämische Effekte und war in Bezug auf den Körpergewichtsverlaufgünstiger [38]. DPP-4-Hemmer scheinen länger eine metabolischeKontrolle auszuüben als Sulfonylharnstoffe (Beobachtungszeit-raum 104 Wochen) [39].

    Die Ergebnisse der RCTs SAVOR® (Saxagliptin), EXAMINE® (Alo-gliptin), TECOS® (Sitagliptin) zum Effekt von DDP-4-Inhibitoren aufkardiovaskuläre Endpunkte zeigen in ihrem primären Endpunkt je-weils kardiovaskuläre Sicherheit des untersuchten DDP-4-Inhibi-toren, was sich auch in umfangreichen Metaanalysen bestätigte[40 –42]. DDP-4-Inhibitoren sind daher nebenwirkungsarme effek-tive Alternativen zu Sulfonylharnstoffen und können auch einge-setzt werden, wenn eine Kontraindikation zum Einsatz von Met-formin vorliegt.

    Eine Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz war beim Einsatzvon DDP-4-Inhibitoren nicht erhöht außer für Saxagliptin (SAVOR-TIMI 53). In einer umfangreichen Metaanalyse zum Risiko vonDDP-4-Inhibitoren auf eine Herzinsuffizienz oder eine Hospitali-sierung wegen Herzinsuffizienz unter Einbeziehung von RCTs undBeobachtungsstudien kamen die Autoren zum Schluss, dass derEffekt von DDP-4-Hemmern auf eine Herzinsuffizienz jedoch un-gewiss bleibt (wegen relativ kurzer Beobachtungszeiten undschlechter Qualität der Evidenz). Bei der Analyse der Hospitalisie-rungsraten wegen Herzinsuffizienz fand sich ein leicht erhöhtesRisiko unter DDP-4-Inhibitoren bei Patienten mit existierendenkardiovaskulären Erkrankungen oder multiplen Risikofaktoren fürGefäßerkrankungen [43]. In einer Netzwerk-Metaanalyse war dasHerzinsuffizienzrisiko zwischen den verschiedenen DDP-4-Hem-mern sehr unterschiedlich [44]. In einer großen multizentrischenBeobachtungsstudie (n = 1499 650) mit retrospektiver Analyse ei-ner Reihe großer Kohortenstudien fanden sich jedoch keine Hin-weise für eine Assoziation von DDP-4-Inhibitoren im Vergleich zuanderen Kombinationen von OADs für eine höhere Rate von Hos-pitalisierungen wegen Herzinsuffizienz für Menschen mit undohne Herzinsuffizienzanamnese [45].

    DDP-4-Inhibitor-Therapien sind nicht mit einer erhöhtenGesamtmortalitätsrate verbunden, wie eine Metaanalyse mit Ein-schluss von 189 randomisierten kontrollierten Studien mit 155 145Patienten gezeigt hat [46]. In einer ebenfalls kürzlich publiziertenumfangreichen Register-Beobachtungsstudie aus Schweden wur-den nach einem entsprechenden Matching Metformin-Monothera-pie-Patienten (n = 27 767) zusätzlich mit einem DDP-4-Inhibitor(44 %) oder Insulin (56 %) behandelt. Die mediane Follow-up-Zeitbetrug 3,9 bzw. 3,8 Jahre. Insulin verglichen mit DDP-4-Inhibitorwar mit einer signifikant höheren Rate für Gesamtmortalität, tödli-che und nichttödliche koronare Herzerkrankung und schwere Hypo-

    glykämien assoziiert. Die adjustierten HR (95 %-KI) waren: 1,69(1,45 –1,96); 1,39 (1,21 –1,61); 4,35 (2,26 –8,35), resp. [47].

    In der Metaanalyse der 3 RCTs über DDP-4-Inhibitoren (SAVOR-TIMI 53, EXAMINE und TECOS) fand sich eine erhöhte Inzidenz vonakuter Pankreatitis im Vergleich zu entsprechenden Kontrollen(Odds Ratio 1,79; 95%-KI 1,13 – 2,82; p = 0,013), wobei das abso-lute Risiko einer akuten Pankreatitis insgesamt gering und unterDDP-4-Inhibitoren absolut nur um 0,13 % höher war [48].Dennoch sollte man bei Menschen mit Typ-2-Diabetes und einerPankreatitis in der Anamnese oder einem entsprechenden Risikoauf DDP-4-Inhibitoren verzichten.

    DDP-4-Hemmer waren in einer umfangreichen populationsba-sierten Studie mit einer deutlich höheren Inzidenz entzündlicherDarmerkrankungen bei Typ-2-Diabetes assoziiert (Hazard Ratio1,75, 95 %-KI 1,22 – 2,49) [49]. Diese Assoziation war 3 – 4 Jahrenach der Therapie mit DDP-4-Hemmern am höchsten, wurde da-nach aber deutlich geringer. Die Assoziation startete 2 – 4 Jahrenach Beginn der Therapie.

    In Kombination mit Metformin wurde Sitagliptin vom G-BA eingeringer Zusatznutzen zuerkannt (BAnz AT 16.01.2017). Weder inder Monotherapie noch in einer Kombinationstherapie wurde Saxa-gliptin jedoch ein Zusatznutzen zuerkannt (BAnz AT 18.01.2017).Diese Beschlüsse wurden zeitlich auf 2 Jahre begrenzt.

    SGLT2-Inhibitoren

    SGLT2-Inhibitoren (Empagliflozin, Dapagliflozin, Ertugliflozin)sind effektive antihyperglykämische Substanzen in der Therapiedes Typ-2-Diabetes sowohl in der Mono- als auch in der Kombina-tionstherapie mit allen anderen glukosesenkenden Medikamen-ten. Ihr Nebenwirkungsprofil ist bis auf eine signifikante Zunahmevon Genitalinfekten günstig, auch weil das Hypoglykämierisikogering ist, die Patienten Gewicht reduzieren und es zu einer kli-nisch relevanten Absenkung des systolischen Blutdrucks kommt[50, 51].

    Ertugliflozin (VERTIS-Mono-Studie; [52]) ist in Deutschland nurin Fixkombination mit Sitagliptin zugelassen (VERTS-Factorial-Stu-die; [53]) und durchläuft derzeit die frühe Nutzenbewertung imRahmen des AMNOG.

    Beim Einsatz von SGLT2-Inhibitoren wurden vereinzelt Ketoazi-dosen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes beobachtet. Die US-ame-rikanische Arzneimittelbehörde FDA hat vor Ketoazidosen unterSGLT2-Inhibitoren gewarnt (U. S. Food and Drug Administration2015). Dieser Warnung hat sich auch die Europäische Arzneimit-tel-Agentur EMA angeschlossen (European Medicines Agency2015). Die SGLT2-Inhibitoren-Hersteller in Deutschland habenÄrzte und Apotheker am 09.07.2015 über den Sachverhalt infor-miert.

    Eine umfangreiche Analyse aller Berichte über Ketoazidosenmit einem möglichen Zusammenhang von SGLT2-Inhibitoren mitKetoazidosen, die in der Zeit von Januar 2014 bis Oktober 2016 imUS Food and Drug Administration Adverse Event Reporting Sys-tem (FAERS) gelistet wurden, ist publiziert worden [54]. Dabeifand sich eine PPR von 7,9 (95%-KI 7,5 – 8,4). Die Proportional Re-porting Ratio (PRR) ist das Verhältnis spontaner Berichte für einbestimmtes Medikament (in diesem Fall SGLT2-Inhibitoren), das

    S154 Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

    DDG-Praxisempfehlung

  • mit einer spezifischen Nebenwirkung (= Ketoazidose) verknüpftist, dividiert durch das korrespondierende Verhältnis für alle odereinige andere Medikamente mit dieser Nebenwirkung. Die PPRbeschreibt aber nicht ein relatives Risiko, d.h. das wirkliche Risikofür eine Ketoazidose im klinischen Alltag lässt sich aus diesen Da-ten daher nicht bestimmen. Die detaillierte Analyse von 2397 Be-richten von Ketoazidosen im FAERS zeigte eine Dominanz beiMenschen mit Typ-1-Diabetes, bei Frauen, in einem großen Al-ters- und Körpergewichtsbereich und eine hohe Variabilität inder Dauer der SGLT2-Inhibitor-Therapie. 37 Menschen (1,54 %)starben in einer Ketoazidose.

    In einer Analyse von Versicherten mit Diabetes in den USA (Da-tenbank Truven MarketScan) – also Real-World-Daten – wurdeeine große Zahl von Patienten mit einer SGLT2-Inhibitor- odereiner DDP-4-Inhibitor-Therapie verglichen. Die Hazard Ratio(95 %-KI) lag für SGLT2-Inhibitoren bei einem Follow-up von30 Tagen bei 2,3 (1,1– 4,8) und bei 180 Tagen bei 2,2 (1,4– 3,6)im Vergleich zu nicht auf SGLT2-Inhibitor basierten Therapiefor-men [55]. Ziemlich rasch nach Initiierung eine SGLT2-Inhibitor-Therapie war diese mit einer doppelt so hohen Rate an Ketoazido-sen bzw. Ketosen assoziiert wie unter DDP-4-Inhibitoren, obgleicheine Hospitalisierung selten war. Die Metaanalyse von Monami Met al [56] kommt jedoch zu einem anderen Fazit. Die Analyse allerrandomisierten Studien mit einer Laufzeit von über 12 Wochenbei Menschen mit Typ-2-Diabetes zeigte unter SGLT2-Inhibitorennicht mehr Ketoazidosen im Vergleich zu anderen OADs, solangeRisikopersonen von der Verschreibung ausgeschlossen wurden.

    Dennoch sollte das potenzielle Ketoazidose-Risiko von SGLT2-Hemmern (Klasseneffekt) bei Auftreten von entsprechendenSymptomen nicht vergessen werden. Eine Normo- oder leichteHyperglykämie schließt eine Ketoazidose unter SGLT2-Inhibitorennicht aus. Risikofaktoren für die Entwicklung einer (euglykämi-schen) Ketoazidose unter SGLT2-Inhibitoren waren u. a. eine ra-sche und deutliche Reduktion der Insulindosis, Exsikkose und Al-koholkonsum; beinahe alle Patienten mit Ketoazidose befandensich in einem katabolen Zustand (Operationen, Myokardinfarkt,schwere Infektionen, langes Fasten, übermäßige körperliche Be-lastung).

    Daher die Empfehlungen amerikanischen Fachgesellschaften,die von der DDG gestützt werden, im Umgang mit SGLT2-Inhibi-toren:▪ Absetzen von SGLT2-Inhibitoren 24 Stunden vor einer größeren

    elektiven Operation▪ Unmittelbarer Stopp der SGLT2-Inhibitor-Therapie bei Notfällen▪ Vermeiden des Stopps oder einer drastischen Reduktion einer

    laufenden Insulintherapie▪ Vermeidung ketogener/extrem kohlenhydratarmer Kostfor-

    men und eines exzessiven Alkoholkonsums▪ Bei entsprechender Symptomatologie an die Möglichkeit einer

    Ketoazidose denken und eine entsprechende Diagnostik ein-leiten.

    Die Auswirkungen einer SGLT2-Inhibitor-Therapie auf klinischeEndpunkte wurden für Empagliflozin in einer großen, 2015 publi-zierten RCT untersucht (EMPA-REG-OUTCOME-Studie; [57]). Pa-tienten mit einem Typ-2-Diabetes und einem hohen Risiko für kar-diovaskuläre Ereignisse zeigten in einem Beobachtungszeitraum

    von im Mittel 3,1 Jahren unter Empagliflozin im Vergleich zu Pla-zebo weniger kardiovaskuläre Ereignisse (10,5 vs. 12,1 %; HR 0,86;95%-KI 0,74 – 0,99; p < 0,04 für Überlegenheit). Es gab keinen Un-terschied in der Rate von Myokardinfarkten und Schlaganfällen,aber eine signifikant niedrigere Ereignisrate für kardiovaskuläreMortalität (3,7 vs. 4,1 %; HR, 0,62; 95%-KI 0,49 – 0,77; p < 0,001),für Gesamtmortalität (5,7 vs. 8,3 %; HR, 0,68; 95%-KI 0,57 – 0,82;p < 0,001) und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz (2,7 vs.4,1 %; HR 0,65; 95%-KI 0,50 – 0,85; p = 0,002).

    Daten zur SGLT2-Inhibitor-Therapie wurden anhand ambulan-ter und klinischer Patientendateien und nationaler Register ausDänemark, Deutschland, Norwegen, Schweden, UK, den USA aus-gewertet und Hazard Ratios für Herzinsuffizienz und Mortalitätberechnet. Todesdaten aus Deutschland standen nicht zur Verfü-gung. Nach „Propensity Matching“ konnten 309 056 Patientenmit neu begonnener SGLT2-Inhibitor-Therapie (Canagliflozin, Da-pagliflozin und Empagliflozin: 53, 42 und 5%) vs. 154 528 Patien-ten mit anderen Antidiabetika analysiert werden. Die Einnahmevon SGLT2-Inhibitoren vs. andere glukosesenkende Therapienwar assoziiert mit deutlich niedrigeren Raten für Herzinsuffizienz(HR 0,61; 95 %-KI 0,51 – 0,73; p < 0,001); Tod (HR 0,49; 95 %-KI0,41 – 0,57; p < 0,001) und Herzinsuffizienz oder Tod (HR 0,54;95 %-KI 0,48 – 0,60; p < 0,001). Es bestand keine Heterogenitätzwischen den untersuchten Ländern (s. o.) [58]. In weiteren Ana-lysen der EMPA-REG-OUTCOME-Studie [59] konnte gezeigt wer-den, dass Empagliflozin Entwicklung und Progression einer Neph-ropathie bei Patienten mit einer eGFR initial von ≥ 30ml/min.verlangsamt: Beginn oder Progression der Nephropathie unterEmpagliflozin im Vergleich zur Standardtherapie (12,7 vs. 18,8 %;HR 0,61; 95%-KI 0,53 – 0,70; p < 0,001).

    Der post-hoc renale Endpunkt (Verdopplung des S-Kreatinins,Nierenersatztherapie oder Tod durch Nierenerkrankung) war sig-nifikant niedriger unter Empagliflozin im Vergleich zu Plazebo(HR 0,54; 95 %-KI 0,40 – 0,75; p < 0,001). In einer Analyse derkurzzeitigen und langfristigen Effekte (164 Wochen) von Empag-liflozin auf die Albuminausscheidung zeigte sich unabhängig vonder Höhe der Ausgangsalbuminurie eine signifikante Senkung inder Mikroalbuminurie-Gruppe im Mittel um 22% und in der Ma-kroalbuminurie-Kohorte um 29% [60].

    Damit ist für den SGLT2-Inhibitor Empagliflozin eindrücklichdessen positive Wirkung auf kardiovaskuläre und renale Endpunk-te bei einer entsprechenden Risikopopulation belegt. Die zu-grunde liegenden Mechanismen der kardialen und renalen Pro-tektion von Empaglif lozin sind Gegenstand umfangreicherStudien [61, 62].

    Empagliflozin wurde in der Nutzenbewertung durch den Ge-meinsamen Bundesausschuss (G-BA) 2016 ein Anhaltspunkt füreinen beträchtlichen Zusatznutzen bei Patienten mit Typ-2-Di-abetes mit manifester kardiovaskulärer Erkrankung in der Kombi-nationstherapie mit Metformin attestiert (https://www.g-ba.de/downloads/39 – 2612 694/2016 -09- 01_AM-RL-XII_Empagliflo-zin_D-214_BAnz.pdf). Dementsprechend wurde in die Neuaufla-ge des Disease-Management-Programms für Typ-2-Diabetes imApril 2017 dieser Zusatznutzen aufgenommen [63].

    Aktuelle Outcome-RCT-Daten zu Canagliflozin [64] (CANVASProgram) zeigen in die gleiche Richtung, nämlich eine signifikanteSenkung des Composite-Endpunktes (kardiovaskulärer Tod, nicht

    S155Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

  • tödlicher Myokardinfarkt und Schlaganfall) durch Canagliflozinim Vergleich zu Plazebo um 14% (HR 0,86; 95 %-KI 0,75 – 0,97),Rückgang der Hospitalisierungsrate aufgrund einer Herzinsuf-fizienz um 33 % (HR 0,67; 95 %-KI 0,52 – 0,87) und renalerOutcome-Daten mit einer Reduktion der Progression einer Albu-minurie um 27% (HR 0,73; 95%-KI 0,67 – 0,79) und dem Compo-site-Endpunkt (40 % Reduktion der eGFR, Nierenersatztherapie,renaler Tod) um 40% (HR 0,60; 95%-KI 0,47 – 0,77).

    Im Gegensatz zur EMPA-REG-OUTCOME-Studie, in der eine sig-nifikant niedrigere Ereignisrate für kardiovaskuläre Mortalität, fürGesamtmortalität und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienzgefunden wurde, zeigte sich in der CANVAS-Studie zwar eine sig-nifikante Reduktion des primären Composite-Endpunktes (kardio-vaskulärer Tod, nicht tödlicher Herzinfarkt, nicht tödlicher Schlag-anfall), die weiteren definierten Endpunkte wiesen zwar eineähnliche Tendenz auf, waren jedoch nicht mehr signifikant.

    Real-World-Daten zeigen, dass in 4 großen Datenbanken dieEffektivität der Verhinderung einer Hospitalisierung wegen Herz-insuffizienz von Canagliflozin mit den anderen SGLT2-Hemmernund von neuen Anwendern von Nicht-SGLT2-Hemmern vergleich-bar war (142 800 neue Anwender von Canagliflozin vs. 110 897neue Anwender anderer SGLT2-Hemmer und neue Anwendervon Nicht-SGLT2-Hemmern 460 885). Die Hazard Ratio betrugfür Anwender von Canagliflozin vs. Anwender von Nicht-SGLT2-In-hibitoren 0,39 (95%-KI 0,26 – 060) (OBSERVE-4D; [65]).

    Canagliflozin ist trotz der positiven patientenrelevanten End-punkte nach wie vor auf dem deutschen Markt nicht erhältlich.

    Die Effekte von Dapagliflozin auf kardiovaskuläre Endpunktewurden in einer Metaanalyse untersucht. Dabei konnte bei 9339Teilnehmern (5936 Patienten unter Dapagliflozin) eine Senkungdes MACE um 20% festgestellt werden, wobei diese Reduktionwegen großer Streuungen nicht signifikant war [66]. In der gro-ßen Bevölkerungskohortenstudie THIN wurden 22 124 Menschenmit Typ-2-Diabetes (n = 4444 unter Dapagliflozin; 17 680 ohneDapagliflozin-Therapie) entsprechend gematcht [67]. Die Mortali-tätswahrscheinlichkeit unter Dapagliflozin-Therapie war signifi-kant geringer als unter einer antidiabetischen Behandlung ohneDapagliflozin (adjustierte Inzidenzraten [aIRR]: 0,44; 95 %-KI0,25 – 0,78; p = 0,002. In der multinationalen BeobachtungsstudieCVD-REAL Nordic (40 908 Patienten; davon 10 227 mit Dapagli-flozin und 30 681 mit DPP4-Hemmern; 23% der Teilnehmer hat-ten eine kardiovaskuläre Krankheit) war Dapagliflozin im Vergleichmit DPP-4-Hemmern mit einem geringeren Risisko für MACE, HHFund Gesamtmortalität assoziiert: HR 0,79 (95 %-KI 0,67 – 0,94),0,62 (95 %-KI 0,50 – 0,77) und 0,59 (95 %-KI 0,49 – 0,72) [68].Registerdaten aus Schweden konnten ebenfalls eine signifikanteReduktion von Gesamtmortalität 0,29 (0,19 – 0,44), p < 0,001und nicht tödlichen oder tödlichen kardiovaskulären Ereignisse0,41 (0,26 – 0,66), p < 0,001 im Vergleich zu Insulinen nachwei-sen. Die Daten waren adjustiert für Alter, Geschlecht, Gebrech-lichkeit (Frailty), vorherige kardiovaskuläre Krankheit und dieTherapie mit Statinen, Antihypertensiva und Aspirin [69].

    Eine 2016 erschienene Metaanalyse kommt zu dem Schluss,dass SGLT2-Inhibitoren insgesamt einen günstigen Einfluss aufkardiovaskuläre Endpunkte zeigen [68]. Ob es sich bei der Reduk-tion von Gesamtmortalität, kardiovaskulärer Mortalität und Mor-

    bidität unter SGLT2-Inhibitoren um einen Klasseneffekt handelt,ließ sich noch nicht mit Sicherheit beurteilen, auch wenn die2017 publizierte Metaanalyse [70] dies suggeriert. In der EMPA-REG- und in der CANVAS-Studie ergeben sich nämlich sowohl beiden Endpunkten als auch bei den unerwünschten Ereignissen Un-terschiede; zudem stehen die Daten der großen kardiovaskulärenOutcome-Studie mit Dapagliflozin (DECLARE) noch aus.

    Die European Medicines Agency (EMA) hat einen Review-Pro-zess gestartet, um der Frage nachzugehen, ob die Therapie mitCanagliflozin zu einer erhöhten Rate von Amputationen (meistZehen) führt: Am 8. Juli 2016 hat das Pharmacovigilance Risk As-sessment Committee (PRAC) der EMA den Review auf Dapagliflo-zin und Empagliflozin erweitert [72].

    Die Canagliflozin-Studien CANVAS Program [64] bestätigen dieVermutung eines höheren Risikos für Amputationen (vorwiegendim Zehen- und im Metatarsalbereich) unter Canagliflozin im Ver-gleich zu Plazebo (Ereignisrate 6,3 vs. 3,4 Personen per 1000 Pa-tientenjahre; HR 1,97; 95%-KI 1,41 –2,75; p < 0,001). Zu den Da-ten zu SGLT2-Hemmern in Bezug auf eine erhöhte Rate vonAmputationen in RCTs finden sich auch höhere Amputationsratenin Pharmakovigilanz-Berichten [73]. Dagegen fanden sich in aktu-ellen Studien und Recherchen jedoch keine höheren Amputa-tionsraten unter Dapagliflozin [74] und Empagliflozin [75].

    Die FDA hat außerdem eine Warnung vor einem erhöhten Frak-turrisiko infolge reduzierter Knochendichte unter Canagliflozin he-rausgegeben (www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm461 449.htm).In der Tat lag die Frakturereignisrate signifikant höher unter Canagli-flozin im Vergleich zu Plazebo: 15,4 vs. 11,9 pro 1000 Patientenjahre(p = 0,02) [64]. Vor Beginn einer Therapie mit Canagliflozin soll da-her mit dem Patienten über diese Risiken gesprochen werden.

    Eine aktuelle Fraktur-Analyse von Menschen mit Typ-2-Diabe-tes (n≥ 12 000), die mit Empagliflozin behandelt wurden (gepool-te Daten aus plazebokontrollierten Studien und einer Head-to-Head-Studie vs. Glimepirid) ergab keine signifikant erhöhte Ratevon Frakturen [76].

    Die FDA hat auch eine Warnung zu akutem Nierenversagen un-ter Dapagliflozin und Canagliflozin publiziert (www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/ucm505 860.htm) mit der Information, dasssie auf Fallmeldungen beruht und Nierenversagen in den Phase-3-Studien bislang nicht beobachtet wurde.

    Die Warnung für Canagliflozin lässt sich durch die CANVAS-Daten (s. o.) jedoch eindeutig entkräften.

    Die Ergebnisse mit Dapagliflozin bei Menschen mit Typ-2-Di-abetes und einer Niereninsuffizienz (CKD 3A) zeigten ebenfallskein erhöhtes renales Risiko (DERIVE Study; [74]).

    Prädisponierende Risikofaktoren für eine mögliche Verschlech-terung der Nierenfunktion könnten sein: Exsikkose, chronischeNiereninsuffizienz, Herzinsuffizienz, Medikamente wie Diuretika,ACE-Hemmer, Angiotensin-Rezeptorblocker und nichtsteroidaleAntiphlogistika. Daher sollte vor Beginn und unter einer Therapiemit Dapagliflozin oder Canagliflozin periodisch die eGFR be-stimmt werden. Bei akuter Niereninsuffizienz soll die Therapiemit SGLT2-Hemmern sofort abgebrochen werden.

    S156 Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

    DDG-Praxisempfehlung

  • GLP-1-Rezeptoragonisten

    GLP-1-RAs sind effektive glukosesenkende Pharmaka zur subku-tanen Therapie des Typ-2-Diabetes; sie weisen zudem blutdruck-senkende und gewichtsreduzierende Effekte auf [77]. Bei Nich-terreichen des individuellen Therapieziels sind GLP-1-RAspathogenetisch sinnvolle Kombinationspartner zu Metformin, an-deren OADs und/oder Basalinsulinen. GLP-1-RAs haben selbst eingeringes Hypoglykämierisiko. In der Kombination mit anderenAntidiabetika wurden in der LEADER-Studie bei 267 Patientenschwere Hypoglykämien nachgewiesen (Liraglutide n = 114; Pla-zebo n = 153; Risiko-Verhältnis RR 0,69; 95 %-KI 0,51 – 0,93). Beiallen schweren Hypoglykämien war die Wahrscheinlichkeit deut-lich größer, in dem Beobachtungszeitraum von 7 – 365 Tagennach einer schweren Hypoglykämie einen MACE zu erleiden, kar-diovaskulär oder aus anderen Gründen zu versterben [78].

    Für den GLP-1-Rezeptoragonisten (RA) Liraglutid zeigte die RCT(LEADER-Studie) positive Effekte auf klinisch relevante Endpunkte[79]. Das Follow-up der 9340 Patienten betrug im Median 3,8 Jah-re. Der zusammengefasste primäre Endpunkt (Erstereignis für kar-diovaskulären Tod, nicht tödlicher Myokardinfarkt, nicht tödlicherSchlaganfall) war unter Liraglutid im Vergleich zu Plazebo sig-nifikant niedriger (13 vs. 14,9 %; HR 0,87; 95 %-KI 0,78 – 0,97;p < 0,001 für Nichtunterlegenheit und p=0,01 für Überlegenheit).Weniger Patienten starben aus kardiovaskulären Gründen (4,7 vs.6,0 %; HR 0,78; 95%-KI 0,66 –0,93; p = 0,007). Die Gesamtmorta-lität war unter Liraglutid ebenfalls geringer (8,2 vs. 9,6%; HR 0,85;95%-KI 0,74 – 0,97; p = 0,02). Damit konnte erstmals auch für ei-nen GLP-1-RA in einer RCT ein positiver Effekt auf patientenrele-vante Endpunkte nachgewiesen werden.

    Inzwischen sind weitere Analysen der LEADER-Studie publiziertworden. So berichteten Nauck et al. [80], dass Patienten, die wäh-rend einer Liraglutid-Therapie einen Myokardinfarkt erlitten, einvergleichbar erhöhtes Risiko für nachfolgende kardiovaskuläreMortalität oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz zeigtenwie in der Kontrollgruppe (Composite-Endpunkt: HR 7,0; 95%-KI5,8 – 8,4).

    In einer Subanalyse der LEADER-Studienpopulation zeigte sich,dass 72,5 % der Patienten eine Gefäßerkrankung zu Beginn derStudie hatten. 23% dieser Subpopulation hatten eine polyvaskulä-re und 77% eine monovaskuläre Erkrankung. Liraglutid führte im54-monatigen Follow-up zu einer Reduktion von MACE: bei poly-vaskulärer Krankheit (HR 0,82; 95%-KI 0,66 –1,02) und monovas-kulärer Erkrankung (HR 0,82; 95 %-KI 0,71 – 0,95) im Vergleich zuPlazebo. Bei Patienten ohne Gefäßkomplikationen fanden sich kei-ne positiven Effekte von Liraglutid [81]. In die gleiche Richtungdeutet die Analyse von Marso et al. [82], die bei Patienten mit ho-hem vaskulärem Risiko eine Reduktion von Myokardinfarkten un-ter Liraglutid nachweisen konnten.

    In der Analyse sekundärer renaler Endpunkte in der LEADER-Studie zeigte sich, dass Liraglutid im Vergleich zu Plazebo mit ei-ner niedrigeren Rate der Entwicklung und Progression des renalenComposite-Endpunktes (HR 0,78; 95%-KI 0,67 – 0,92; p = 0,003)und der Persistenz einer Makroalbuminurie (HR 0,74; 95 %-KI0,60 – 0,91; p = 0,004) assoziiert war [83].

    Die Metaanalyse von Mahmoud et al. [84] zeigte ORs (95%-KI)für GLP-1-Rezeptoragonisten für Gesamtmortalität 0,89 (0,80 –

    0,99), für kardiovaskuläre Mortalität 0,86 (0,76 – 0,99), für Herz-insuffizienz mit Hospitalisierung 0,93 (0,81 – 1,07), für Myokard-infarkt 0,91 (0,81 – 1,02) und für Schlaganfall 0,88 (0,74 – 1,04).In dieser Metaanalyse war das Sicherheitsprofil für GLP-1-RA vonLiraglutid (LEADER), Lixisenatid (ELIXA), Semaglutid (SUSTAIN-6)vergleichbar mit Plazebo. Die Daten deuten darauf hin, dass GLP-1-RAs mit einer Reduktion des Risikos für die Gesamtmortalitätassoziiert sind.

    Zu einem vergleichbaren Ergebnis kam auch die sehr ausführ-liche und kritische Metaanalyse von Liu et al. [46]. Die Gesamt-mortalität war etwas geringer unter GLP-1-RAs im Vergleich zuKontrolltherapien: OR 0,89 (95%-KI 0,80 – 0,98).

    Obgleich die Ergebnisse der RCT über kardiovaskuläre End-punkte unter Dulaglutid (REWIND) noch nicht zur Verfügung ste-hen, weist die Metaanalyse von Ferdinand et al. [85] darauf hin,dass der Einsatz von Dulaglutid zu keiner Steigerung des Risikosvon kardiovaskulären Endpunkten (MACE) führt.

    Kardiovaskuläre Outcome-Daten zu Albiglutid (HARMONYOutcomes Trial) werden noch im Jahr 2018 analysiert und publi-ziert, obgleich Albiglutid seit Juli 2017 weltweit aus dem Handelgenommen wurde. In der Analyse der HARMONY-Phase-3-Studienfanden sich keine Hinweise für einen Unterschied von Nebenwir-kungen einschließlich kardiovaskulärer und renaler Komplikatio-nen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes unter Albiglutid vs. alle an-deren eingesetzten Antidiabetika oder Plazebo [86, 87].

    In der EXSCEL-Studie mit 14 752 Patienten (73,1 % mit kardio-vaskulärer Erkrankung) wurde im Median 3,2 Jahre mit 2,0mgExenatid 1 × wöchentlich therapiert. Patienten mit oder ohne kar-diovaskuläre Erkrankung zeigten keinen signifikanten Unterschiedin der Inzidenz von MACE zwischen denen die Exenatid oderPlacebo erhielten. Kritisch für die Auswertung der Effekte in derEXSCEL-Studie ist die sehr hohe Abbruchrate von über 40 %. ImVergleich zur Kontrollgruppe ergaben sich ferner keine Unter-schiede bei der kardiovaskulären Mortalität, beim nicht tödlichenoder tödlichen Herzinfarkt oder Schlaganfall, bei der Hospitalisie-rung wegen Herzinsuffizienz sowie der Inzidenz von akuter Pan-kreatitis, Pankreaskarzinom, medullärem Schilddrüsenkarzinomoder anderen schwerwiegenden Nebenwirkungen [88]. In derkürzlich erschienenen Metaanalyse von Bethel et al. [89] wurdendie 4 großen RCTs ELIXA (Lixisenatid), LEADER (Liraglutid), EXSCEL(Exenatid 1 × wöchentlich) und SUSTAIN 6 (Semaglutid) ausge-wertet. Verglichen mit Plazebo zeigten die GLP-1-RAs eine signifi-kante Risikoreduktion (HR 0,90; 95 %-KI 0,82 – 0,99; p = 0,033)beim primären Endpunkt (kardiovaskuläre Mortalität, nicht tödli-cher Myokardinfrakt, nicht tödlicher Schlaganfall), eine relativeRisikoreduktion (RRR) von 13% für die kardiovaskuläre Mortalität(0,87; 95%-KI 0,79 – 0,96; p = 0,007) und für die Gesamtmortali-tät eine RRR von 12 % (0,88; 95 %-KI 0,81 – 0,95; p = 0,002). Diestatistische Heterogenität zwischen den Studien war jedoch groß.Es fanden sich keine signifikanten Reduktionen durch GLP-1-RAsfür nicht tödlichen oder tödlichen Myokardinfarkt, für Schlagan-fall, Hospitalisierung wegen instabiler Angina oder Herzinsuffi-zienz.

    Semaglutid steht derzeit in Deutschland noch nicht zur Verfü-gung. Daher soll das umfangreiche SUSTAIN-Studienprogrammnicht detailliert diskutiert werden. Der Vergleich von Semaglutidzu Dulaglutid (SUSTAIN 7 Studie; [90]) ergab jedoch eine Überle-

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  • genheit von Semaglutid im Hinblick auf Stoffwechselkontrolleund Körpergewichtsreduktion bei vergleichbarem Sicherheitspro-fil. Bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko fand sich inder Semaglutid-Gruppe im Vergleich zu Plazebo für den primärenEndpunkt (kardiovaskulärer Tod, nicht tödlicher Myokardinfarktoder nicht tödlicher Schlaganfall) eine signifikante Reduktion:HR 0,74; 95%-KI 0,58 – 0,95) [91].

    Die Behandlung mit GLP-1-RAs oder SGLT2-Hemmern war imVergleich zu DPP-4-Inhibitoren oder anderen Antidiabetika oderkeiner Therapie in einer aktuellen Metaanalyse mit einer signifi-kant niedrigeren Gesamtmortalität verbunden: HR 0,88; 95%-KI0,81 – 0,94 bzw. HR 0,80; 95 %-KI 0,71 – 0,89. Ähnliche Datenfand man auch für die kardiovaskuläre Mortalität sowie für denMyokardinfarkt und die Herzinsuffizienz im Vergleich zu den Kon-trollgruppen [92].

    In einer 2017 erschienenen Metaanalyse der GLP-1-RAs Exena-tid, Liraglutid, Lixisenatid, Albiglutid, Dulaglutid und Semaglutidfand sich eine signifikante Reduktion der Inzidenz einer Nephro-pathie im Vergleich zu anderen Antidiabetika (OR 0,74; 95 %-KI0,60 – 0,92; p = 0,005). Eine Retinopathie blieb dagegen unterGLP-1-RAs unverändert bis auf Semaglutid, das einen negativenEinfluss auf Augenhintergrundveränderungen aufwies (OR 1,75;95%-KI 1,10 – 2,78; p = 0,018) [93].

    GLP-1-Rezeptoragonisten: Pankreatitis, Pankreaskarzinomund Cholezystolithiasis

    Von 113 Studien, die in die Analyse eingeschlossen wurden, fan-den sich in 13 Studien keine Angaben zu Pankreatitis. In 72 Studi-en wurden keine Pankreatitis- und Pankreaskarzinom-Ereignisseberichtet. Bei den verbliebenen Studien (n = 28) war die Inzidenzvon Pankreatitis und Pankreaskarzinomen unter GLP-1-RAs ver-gleichbar mit den Vergleichsmedikationen: Pankreatitis OR 0,93;95 %-KI 0,65 – 1,34; p = 0,71; Pankreaskarzinome OR 0,94; 95 %-KI 0,52 – 1,70; p = 0,84). Das Risiko für Gallensteine war jedocherhöht: OR 1,30; 95%-KI 1,01 – 1,68; p = 0,041) [94].

    In der 2018 publizierten Metaanalyse von Bethel et al. [89] fan-den sich keine Unterschiede in Bezug auf Pankreatitis, Pankreas-Caund medulläres Schilddrüsen-Ca bei Patienten unter GLP-1-RA-Therapie im Vergleich zu mit Plazebo behandelten Studienteilneh-mern. Auch die große multinationale populationsbasierte Kohor-tenstudie mit 1532 513 Patienten, die in der Zeit vom 1. Januar2007 bis 30. Juni 2013 eingeschlossen und bis 30. Juni 2014 nach-verfolgt wurden, zeigte keine Assoziation eines höheren Risikos füreine Pankreatitis unter Inkretin-basierten Therapien im Vergleichmit anderen OADs [95]. Diese Daten passen zu den Ergebnisseneiner Metaanalyse von Real-World-Daten, die ebenfalls keinen Hin-weis für ein höheres Risiko für eine Pankreatitis unter Inkretin-basierten Therapien fand [96].

    Insuline

    Bei den vielfältigen Möglichkeiten der oralen antidiabetischenTherapie mit oder ohne Kombination mit GLP-1-RAs kann eine In-sulintherapie in vielen Fällen in spätere Erkrankungsphasen ver-schoben werden. Eine notwendige Insulingabe sollte dann jedochnicht – wie teilweise zu beobachten – um Jahre verzögert werden[97]. Dabei ist die Insulintherapie gut mit anderen Antidiabetika

    kombinierbar, und die Vielzahl der Insuline und Injektionshilfenerleichtert eine Individualisierung der Therapie.

    Eine umfangreiche Diskussion über neue Insuline würde jedochden Rahmen dieser Praxisempfehlungen bei Weitem sprengen.Daher haben sich die Autoren auf wenige Aspekte neuer Insulin-präparationen konzentriert.

    Insulin degludec (n = 3818) ist Insulin glargin 100 (n = 3819) inder Therapie bei Menschen mit Typ-2-Diabetes mit hohem Risikofür kardiovaskuläre Ereignisse in Hinblick auf MACE nicht unterle-gen. Die HbA1c-Werte waren in beiden Gruppen über den Beob-achtungszeitraum von 2 Jahren identisch (7,5 ± 1,2 %), die Nüch-tern-Plasmaglukosewerte waren aber unter Insulin degludecsignifikant niedriger. Die Hazard Ratio betrug 0,91 (95 %-KI0,78 – 1,06) für den primären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod,nicht tödlicher Myokardinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall). Da-gegen war die Rate schwerer Hypoglykämien (sekundärer End-punkt) unter Insulin degludec (4,9 %) signifikant niedriger alsunter Insulin glargin 100 (6,6 %): Hazard Ratio 0,60 (95 %-KI0,48 – 0,76); p < 0,001. Die Rate schwerer Nebenwirkungen wiez. B. benigne und maligne Neoplasien war vergleichbar (DEVOTE-Study; [98]). In der DEVOTE-Studie konnte erneut gezeigt werden,dass nachgewiesene schwere Hypoglykämien in einem Zeitraumvon 15 – 365 Tagen vor dem klinischen Endpunkt mit einer erhöh-ten Rate der Gesamtmortalität assoziiert waren [99]. Insulindegludec – steht in Deutschland wieder zur Verfügung.

    Pharmakokinetische und pharmakodynamische Studien habengezeigt, dass Insulin glargin 300 ein flacheres Wirkprofil besitzt,die Wirkung etwas länger anhält und die Tag-zu-Tag-Variabilitätgeringer ist als unter Insulin glargin 100. Die metabolischen Kon-trollen waren unter beiden Insulinen vergleichbar, während dieRate nächtlicher Hypoglykämien unter Insulin glargin 300 signifi-kant geringer war als unter Insulin glargin 100 [100– 102].

    Insulin glargin 100 Biosimilar: Pharmakokinetik und -dynamiksind für Insulin glargin 100 und Insulin glargin 100 Biosimilar beiMenschen ohne und mit Typ-2-Diabetes vergleichbar [103, 104].In der Metaanalyse von Yamada et al. [105] fanden sich keine Un-terschiede zwischen Biosimilar-Insulinen und den Original-Insuli-nen in Bezug auf: HbA1c, Fasten-Plasmaglukose, Hypoglykämien,Injektionsstellen-Reaktionen, Insulin-Antikörper, allergische Reak-tionen und Mortalität.

    Beim Vergleich verschiedener Insulinanaloga (Insulin glarginund Insulin degludec) mit Humaninsulin fand sich in einer großenKohortenstudie aus Dänemark, Finnland, Norwegen, Schwedenund Großbritannien kein Hinweis für ein erhöhtes Karzinomrisiko,weder für Insulin glargin noch für Insulin degludec im Vergleich zuHumaninsulin für die 10 untersuchten Karzinome in einer mittle-ren Beobachtungszeit von 4,6 Jahren [106].

    Insulin lispro 200 zeigt potenzielle Vorteile eines höher konzen-trierten Insulins vor allem bei starker Insulinresistenz (z. B. Adipo-sitas), da weniger Volumen bei gleicher Menge Insulin injiziertwerden muss. Im Vergleich zu Insulin lispro 100 zeigte Insulinlispro 200 signifikante Verbesserungen der Variabilität der Nüch-ternglukose, des HbA1c, der Hypoglykämierate und der Zufrieden-heit mit der Therapie. Gleichzeitig konnten 20% Insulin eingespartwerden [107].

    Das ultraschnelle Insulin aspart hat infolge rascherer Absorpti-on eine doppelte so schnelle Anflutung im Blut und damit insbe-

    S158 Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

    DDG-Praxisempfehlung

  • sondere in den ersten 30 Minuten nach Injektion eine etwa 50%höhere Insulinwirkung mit signifikant niedrigeren postprandialenBlutglukosewerten. Wegen des schnelleren Wirkungseintritts istes noch besser steuerbar, insbesondere bei Menschen mit Typ-1-Diabetes und solchen mit einer Insulinpumpentherapie (seltenerbei Menschen mit Typ-2-Diabetes) [108]. Ultraschnelles Insulin as-part zeigte im Vergleich zu Insulin aspart bei Menschen mit Typ-2-Diabetes eine vergleichbare Reduktion des HbA1c (Beobachtungs-zeit 26 Wochen); die Glukosewerte 1 Stunde postprandial warennach Injektion von schnellem Insulin aspart signifikant niedriger,aber nicht die nach 2 – 4 Stunden nach einer Testmahlzeit. Die Ge-samtraten schwerer Hypoglykämien waren nicht unterschiedlichzwischen den beiden Insulinpräparationen. Das relative Risikovon Hypoglykämien 0 – 2 Stunden postprandial war unter schnel-lem Insulin aspart jedoch signifikant höher: RR 1,60 (95 %-KI1,13 – 2,27) [109].

    Kombination von langwirkendem Insulin plus GLP-1-RA: FixeKombination von langwirkendem Insulin plus GLP-1-RA (derzeitin Deutschland nicht verfügbar) oder freie Kombinationen simul-tan oder konsekutiv haben Vorteile im Vergleich zu einer intensi-vierten Insulintherapie mit prandialem und basalem Insulin in Be-zug auf Therapieadhärenz, Rate von Unterzuckerungen undGewichtsverlauf und den Verbrauch von Insulin. Im Vergleich zueiner intensivierten Insulintherapie traten mit GLP-1-RA jedochhäufiger gastrointestinale Nebenwirkungen auf [110 – 112].

    Begründung zu Therapiestufe 1

    Die Basistherapie umfasst alle lebensstilmodifizierenden, nichtmedikamentösen Maßnahmen. Dazu zählen Schulung und Train-ing des Patienten, Ernährungstherapie, Steigerung der körperli-chen Aktivität und Nichtrauchen (NVL Typ-2-Diabetes mellitus)sowie Stressbewältigungsstrategien. Ein wichtiges Ziel ist die Stär-kung des Willens zu einer gesunden Lebensweise (auf das Rau-chen verzichten, diabetesgerechte Ernährung, Bewegung, Ein-schränkung des Alkoholkonsums) (▶ Abb.3).

    Da sehr viele Menschen mit Typ-2-Diabetes neben der chroni-schen Hyperglykämie eine Vielzahl von weiteren vaskulären Risi-kofaktoren aufweisen, ist die Behandlung dieser Menschen kom-plex und soll alle Risikofaktoren individuell berücksichtigen. Umdies deutlicher hervorzuheben, wurde der bisherige Therapie-algorithmus erweitert, um wesentliche kardiovaskuläre Risikendetaillierter zu adressieren (siehe dazu auch gesondertes KapitelLipidstoffwechselstörungen in diesen Praxisempfehlungen).

    Die arterielle Hypertonie ist ebenfalls ein wichtiger kardiovas-kulärer und renaler Risikofaktor. Detaillierte Angaben zur Behand-lung der Hypertonie wurden in der NVL Nierenerkrankungen beiDiabetes im Erwachsenenalter publiziert [13]. Ein hilfreicher The-rapiealgorithmus zur Behandlung der Hypertonie aus dieser NVList in ▶ Abb. 4 dargestellt. Änderungen der Blutdruckzielwertewerden auch nach den Ergebnissen der viel diskutierten und kriti-sierten SPRINT-Studie für Menschen mit Diabetes weiterhin heftigdiskutiert [113]. Vordringliches Ziel ist die Realisierung der bishergültigen Therapieziele für möglichst viele Patienten [114], wobeidem ambulanten Blutdruckmonitoring eine wichtige Rollezukommt [115].

    Begründung zu Therapiestufe 2

    Die Basistherapie spielt bei jeder weiteren Stufe der Therapiemo-difikation eine wichtige Rolle. Falls diese vom Menschen mit Dia-betes nicht oder unzureichend umsetzbaren lebensstilmodi-fizierenden Maßnahmen auch in absehbarer Zeit (3 bis max.6 Monate) nicht erfolgreich oder nicht sinnvoll sind, ist eine Phar-makotherapie zur Erreichung des individuellenTherapieziels ange-zeigt. Wenn immer möglich, sollte wegen einiger Vorteile mitMetformin in langsam aufsteigender Dosierung begonnen wer-den. Bei Kontraindikationen (eGFR!) oder schlechter Verträglich-keit von Metformin stehen andere Optionen zur Monotherapiezur Verfügung, deren Einsatz nach patientenrelevantem Nutzen(Einfluss auf Körpergewicht, Hypoglykämiegefahr, metabolischeEffekte, Nebenwirkungsprofil und klinische Endpunkte) und ent-sprechender vollständiger Aufklärung des Patienten erfolgen soll.Dabei sollten die Patientenpräferenzen eine bedeutende Rollespielen.

    Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes mit deutlich außerhalb desindividuellen Zielbereichs liegenden HbA1c-Werten bei Diagnose-stellung ist eine initiale Pharmakotherapie, ggf. auch unter Ver-wendung von multiplen Kombinationen, gerechtfertigt. NachHbA1c-Zielerreichung soll die Therapie in individuell vereinbartenIntervallen adjustiert werden.

    Begründung zu Therapiestufe 3

    Eine Zweifachkombination ist für viele Patienten aus metaboli-schen Gründen notwendig und günstiger im Hinblick auf Neben-wirkungen der Einzelsubstanzen, da in der Kombination häufigniedriger dosiert werden kann. Bei Patienten mit vorbestehendenkardiovaskulären Erkrankungen sollen primär Substanzen einge-setzt werden, die nachweislich kardiovaskuläre Erkrankungenund Mortalität reduzieren (derzeit Empagliflozin und Liraglutid;siehe auch ▶ Abb. 5).

    Eine frühzeitige Kombinationstherapie sollte angestrebt wer-den, um die Stoffwechselparameter nicht erst weit aus dem ver-einbarten Zielbereich entgleisen zu lassen [116]. Eine Überprü-fung der Zielwerte sollte in 3- bis 6-monatigen Abständenerfolgen. Für die Auswahl der Kombinationen gibt es inzwischeneine Vielzahl von Publikationen mit guter Evidenz. Auch dabeispielen Patientenpräferenzen, individuelle Therapieziele, Einfach-heit der Behandlung, vorhandene kardiovaskuläre Erkrankungen,eventuelle Kontraindikationen und die in Stufe 2 genannten Über-legungen eine wichtige Rolle. Falls aufgrund der Komplexität derTherapie, der vaskulären Risikofaktoren oder der Komorbiditäten(u. a. COPD, Depression, chronische Schmerzzustände etc.) dieZahl oraler Antidiabetika zu komplex wird, können Kombinations-präparate oder parenterale blutglukosesenkende Prinzipien sinn-voll und für den Patienten hilfreich sein. Je höher das HbA1c, destowahrscheinlicher ist ein früher Einsatz von Insulin notwendig, wasjedoch nicht bedeutet, dass die initiale Insulintherapie nach Stoff-wechselrekompensation fortgesetzt werden muss.

    Die Gabe von mehr als 2 oralen Antidiabetika kann individuellsinnvoll sein, wenn die Therapie mit einem GLP-1-RA oder einemInsulin noch nicht indiziert ist, der Patient mit einer Injektionsthe-rapie noch nicht einverstanden ist oder aus anderen Gründen die-se Therapie hinausgezögert werden soll.

    S159Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

  • Eine orale Dreifachtherapie ist in der Kombination von Metfor-min, einem DPP4-Inhibitor und einem SGLT2-Hemmer eine siche-re und effektive Therapie. Zu beachten ist jedoch auch, dass es beieiner oralen Dreifachkombination zu Pharmaka-Interaktionen undvermehrten Nebenwirkungen kommen kann. Bei Nichtanspre-chen einer Therapie (sogenannte Non-Responder) ist immer die

    Therapietreue mit dem Patienten zu besprechen, bevor eine Eska-lation oder Umstellung der Behandlung erfolgt.

    Begründung zu Therapiestufe 4

    Eine Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes ist in jeder Stufe der The-rapie zumindest initial angezeigt, wenn das HbA1c sehr hoch ist

    Blutdruckmessungin der Praxis evtl. plus ambulantes Blutdruckmonitoring

    (ABDN) und Selbstmessung

    Ziel nicht erreicht, in Abhängigkeitvon Begleiterkrankungen, Verträglichkeit und Blutdruckmessung

    RR 140/90 mmHg RR 130–139/80–89 mmHg

    NichtmedikamentöseMaßnahmen

    + KA,dann zusätzlich Diur.

    oder BB**,dann zusätzlich -Bl

    + Diur.dann zusätzlichen KA oder BB,

    dann zusätzlich -Bl

    Ziel innerhalb drei Monaten nicht erreicht

    Nichtmedikamentöse Maßnahme+

    ACE-Hemmer*oder

    AT1-Rezeptorantagonist*

    Ziel:Diastolischer Zielblutdruck80 mmHg (systolischerBlutdruck < 140 mmHg).außerdem ggf. Rückbildungvon Albuminurie und links-ventrikulärer Hypertrophie

    * Bei Vorliegen von Kontraindikkationen alternativ Diuretikum, Kalziumantagonist oder Betablocker,bei Frauen im gebärfähigen Alter ohne wirksame Kontrazeption Kalziumantagonist evtl.auch Betablocker

    ** Keine Kombination von Betablocker mit Verapamil oder Diltiazem

    Diur = DiuretikumKA = KalziumantagonistBB = Betablocker-Bl = Alphablocker

    ▶ Abb.4 Algorithmus zur Behandlung einer arteriellen Hypertonie. Quelle: https://www.leitlinien.de/mdb/downloads/nvl/diabetes-mellitus/dm-nie-renerkrankungen-1aufl-vers6-lang.pdf. Leitlinien für das Management der arteriellen Hypertonie; (www.escardio.org/guidelines; www.dgk.org; www.hochdruckliga.de

    S160 Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

    DDG-Praxisempfehlung

  • und eine rasche Stoffwechselverbesserung angestrebt werdensoll. Sobald eine Stoffwechselkompensation (Verminderung derGlukose- und Lipotoxizität) erreicht ist, kann nicht selten, insbe-sondere bei kürzerer Diabetesdauer, wieder auf Insulin verzichtetoder zumindest eine Dosisreduktion vorgenommen werden. Auf-grund der niedrigeren Hypoglykämieraten und eines günstigenKörpergewichtsverlaufs (im Vergleich zu einer intensivierten Insu-lintherapie) empfiehlt sich für die meisten Fälle der Beginn mit ei-nem Verzögerungsinsulin (in der Regel in Kombination mit oralenAntidiabetika basalinsulin unterstützte orale Therapie [BOT] oderGLP-1-RA-unterstützte Therapie [GUT]).

    Eine Kombination von GLP-1-RA mit oralen Antidiabetika isteine effektive Behandlung, wenn das individuelle Therapieziel mitden bisherigen oralen Antidiabetika in Mono- oder Mehrfachkom-binationen nicht erreicht wurde oder Nebenwirkungen zwingendeine neue Therapiestrategie notwendig machen.

    Kombinationen eines GLP-1-RA mit einem Basalinsulin führenzu einer signifikanten Verzögerung der Intensivierung der antidia-betischen Therapie (z. B. Eskalation der Basalinsulindosis oder zu-sätzliche Gabe von prandialem Insulin), zu signifikant bessererStoffwechselkontrolle ohne wesentliche Steigerung des Hypogly-kämierisikos und zu günstigen Gewichtseffekten [117 – 121].

    Erst wenn diese Kombinationstherapien nicht mehr ausrei-chend wirksam oder indiziert sind, wird in einem nächsten Schritteine weitere Intensivierung der Insulintherapie durch prandialesInsulin geboten sein.

    Flexibilität der Therapieentscheidungen aufgrund der Hetero-genität des Typ-2-Diabetes und der individuellen Therapieziele istin jeder Stufe der Behandlung notwendig. Meist sind Überzeu-gungsarbeit zur Akzeptanz einer Injektionsbehandlung und ein(e) ausführliche(s) Schulung/Training des Patienten notwendig.In Einzelfällen ist bei unzureichender Therapiezielerreichung unterICT eine CSII indiziert.

    In ▶ Abb. 5 sind evidenzbasierte vorrangige Therapieoptionenbei besonderen klinischen Konstellationen aufgelistet. Metforminsollte, gute Verträglichkeit vorausgesetzt, bei Menschen mit diesen

    Komorbiditäten die pharmakologische Basistherapie sein. Ab einerNiereninsuffizienz Grad 4 (eGFR < 30ml/min.) ist Metformin jedochkontraindiziert.

    Therapie der Dyslipidämie

    Hier verweisen wir auf:▪ NVL Nierenerkrankungen bei Diabetes im Erwachsenenalter

    [13]; http://www.leitlinien.de/mdb/downloads/nvl/diabetes-mellitus/dm-nierenerkrankungen-1aufl-vers6-lang.pdf)

    ▪ NVL Chronische KHK [13]; http://www.leitlinien.de/nvl/khk/▪ Kapitel zur Lipidtherapie in diesen Praxisempfehlungen.

    Diabetologie und Stoffwechsel Suppl 2, 2018▪ ESC/EAS Guidelines for the Management of Dyslipidaemias [122]

    Therapie der arteriellen Hypertonie

    Hier verweisen wir auf:▪ NVL Nierenerkrankungen bei Diabetes im Erwachsenenalter

    [13]; http://www.leitlinien.de/mdb/downloads/nvl/diabetes-mellitus/dm-nierenerkrankungen-1aufl-vers6-lang.pdf und▶ Abb. 4.

    ▪ www.dgk.org [123]▪ www.hochdruckliga.de [124]

    Schlusswort und EmpfehlungIn der umfangreichen evidenzbasierten NVL „Therapie des Typ-2-Diabetes“ und in Leitlinien der DDG werden neben den Themen,die in den Praxisempfehlungen weitgehend tabellarisch abgehan-delt werden, zusätzliche Probleme diskutiert wie:▪ Besondere Situationen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes▪ Hypoglykämie▪ Perioperatives Management [125]▪ Diabetische Komata▪ Diabetes in der Arbeitswelt▪ Diabetes und Kraftfahren

    Metformin als Basis

    AdipositasBMI > 30 kg/m2

    ▪ GLP1-RA▪ SGLT2-Inhibitoren▪ DPP-4-Inhibitoren

    ▪ SGLT2-Inhibitoren▪ GLP1-RA▪ DPP-4-Inhibitoren

    ▪ Empagliflozin (bei eGFR < 45 ml/min absetzen!)▪ Liraglutid▪ DPP-4-Inhibitoren▪ Insulin

    ▪ Liraglutid▪ Sitagliptin▪ Insuline

    Neigung zuHypoglykämien

    Kardiovaskuläreund renale

    Erkrankungen(eGFR > 30 ml/min)

    Kardiovaskuläreund renale

    Erkrankungen(eGFR < 30 ml/min)

    ▶ Abb.5 Vorrangige Therapieoptionen bei besonderen klinischen Problemen.

    S161Landgraf R et al. Therapie des Typ-2-Diabetes… Diabetologie 2018; 13 (Suppl 2): S144–S165

  • ▪ Versorgungskoordination und Nahtstellenmanagement▪ Hausärzte: Bereich der Grundversorgung (Langzeitbetreuung)▪ Diabetologisch qualifizierte Ärzte und diabetologische

    Schwerpunktpraxen▪ Versorgung zur Prävention und Behandlung von Folgeerkran-

    kungen▪ Stationäre Versorgung▪ Rehabilitative Versorgung

    Alle Inhalte und Aussagen der NVL sind nach der bestverfügbarenEvidenz im Konsens verabschiedet, umfangreich begründet undbelegt worden. Details insbesondere auch zur Pharmakotherapiewerden auch in der Langfassung der NVL ausführlich diskutiert.

    Interessenkonflikt

    R. Landgraf erklärt als Erstautor folgende potenzielle Interessenkonflik-te: Advisory Boards: Lilly Deutschland, Novo Nordisk Pharma; Vortrags-honorare: Bayer Vital, Berlin Chemie, Lilly Deutschland, Novo NordiskPharma. Andere Aktivitäten: Bevollmächtigter des Vorstands der Deut-schen Diabetes Stiftung, Steuerungsgruppe für die Entwicklung undAktualisierung der Nationalen VersorgungsLeitlinen DiabetesM. Kellerer erklärt als Mitautorin folgende potenzielle Interessenkonflik-te: Forschungsunterstützung: GlaxoSmithKline, AstraZeneca; Beratertä-tigkeit: Abbott, AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, Lilly, MSD, NovoNordisk, Vortragstätigkeit: AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, Lilly,MSD, Novo Nordisk, Novartis, Janssen-Cilag, SanofiJ. Aberle erklärt als Mitglied in Beratungsgremien und als Referent Ho-norare von: Astra Zeneca, Berlin-Chemie, Boehringer-