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Neurologische Symptome und Syndrome 2/4 Karl Zeiler, Christian Wöber Univ.-Klinik für Neurologie Wien

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Neurologische Symptome und Syndrome

2/4

Karl Zeiler, Christian Wöber

Univ.-Klinik für Neurologie Wien

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Unwillkürliche Bewegungen

Athetotische Bewegungen

Definition: mit freiem Auge sichtbare, unwillkürliche, langsam und un- regelmäßig ablaufende, träge, „wurmförmige“, oft torquierende Bewegungen, meistens die distalen Extremitätenabschnitte be- treffend (gleichzeitig Innervation von Agonisten und Antagonisten)

Phänomenologie

► Hände und Finger, ev. auch Füße und Zehen sind ständig in Bewe- gung, wechselnd extreme Beugestellungen und Überstreckungen der Gelenke, meistens für wenige Sekunden► Bewegungen wirken gequält, verkrampft, übertrieben und bizarr► Willkürbewegungen werden dadurch erheblich beeinträchtigt► ev. ist die mimische Muskulatur mitbetroffen: ständiges Grimassieren► Artikulation: ev. erheblich beeinträchtigt

Zugrundeliegende Läsionen: im Stammganglien-Bereich

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Unwillkürliche Bewegungen

Choreatische Bewegungen

Definition: mit freiem Auge sichtbare, unwillkürliche, unregelmäßig asymmetrisch ablaufende, kurzdauernde Zuckungen, die durch sehr rasche (oft blitzartige) Kontraktionen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen ausgelöst werden und mit einem erheblichen Bewegungseffekt des betroffenen Körperabschnitts einhergehen

Phänomenologie

► Muskeltonus: herabgesetzt► bei gering ausgeprägter Symptomatik: ev. „Einbauen“ der unwillkür- lichen Bewegungen in Willkürbewegungen► ev. schwere Beeinträchtigung im Alltagsleben, v.a. auch beim Gehen► Gesichtsbereich: ständiges Grimassieren► Erregung, intendierte Bewegungen: verstärken die Hyperkinesen► Schlaf: Sistieren der Bewegungen

Zugrundeliegende Läsionen: im Bereich des Corpus striatum

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Unwillkürliche Bewegungen

Ballistische Bewegungen

Definition: mit freiem Auge sichtbare, unwillkürliche, unregelmäßige, blitzartig ablaufende, heftige, schleudernde, weit ausfahrende Bewegungen von größeren Gliedmaßenabschnitten bzw. einer ganzen Extremität

Phänomenologie

► meistens ist primär die Obere Extremität betroffen, bevorzugt die proximalen Abschnitte► der Arm (oder das Bein) wird vom Körper weggeschleudert bzw. schlägt gegen den eigenen Rumpf (Verletzungsgefahr)► Muskeltonus: fakultativ herabgesetzt► Erregung, intendierte Bewegungen: begünstigen die Manifestation► Schlaf: Sistieren der Bewegungen

Zugrundeliegende Läsionen: im Bereich des N. subthalamicus (Corpus subthalamicum) Luysi, oft auf vaskulärer Basis („Hemiballismus“)

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Unwillkürliche Bewegungen

Dystone Bewegungen

Definition: mit freiem Auge sichtbare, unwillkürliche, langsam ablaufende tonische Kontraktionen und Verkrampfungen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen mit Bewegungseffekten und konsekutivem Einnehmen von unphysiologischen Haltungen (Koordinationsstö- rungen zwischen Agonisten und Antagonisten)

Phänomenologie

► bei ein und demselben Patienten sind immer die gleichen Muskeln bzw. Muskelgruppen betroffen► Erregung, intendierte Bewegungen: begünstigen die Manifestation bzw. verstärken das Ausmaß► Schlaf: Nachlassen bzw. Sistieren der Bewegungen► DD: fokale, segmentale und generalisierte Dystonien

Zugrundeliegende Läsionen: im Stammganglien-Bereich

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Unwillkürliche Bewegungen

Myoklonien

Definition: mit freiem Auge sichtbare, unwillkürliche, blitzartige, mei- stens kurzdauernde, unregelmäßige Zuckungen von Muskel- abschnitten, Muskeln oder Muskelgruppen, ev. einer ganzen Extremität oder des gesamten Körpers

Manifestation

► spontan► als Reaktion auf äußere Reize („Reflexmyoklonien“)► durch eine (intendierte) Bewegung ausgelöst („Aktionsmyoklonien“)

Zugrundeliegende Läsionen: Kortex des Großhirns (pathologische Ver- änderungen im EEG), subkortikales Marklager, Stammganglien, Hirnstamm, Kleinhirn, Rückenmark

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Myoklonien

Symptomatik und Ursachen (1)

Physiologische Myoklonien

► kurzdauernde Myoklonien in der Einschlafphase („benigne Myo- klonien beim Einschlafen“), während Traumphasen, in der Aufwachphase► Myoklonien in vor kurzem überlasteten Muskeln► Zusammenzucken (als Schreckreaktion)

Myoklonien im Zusammenhang mit epileptischen Anfällen, Epilepsien

Myoklonien im Zusammenhang mit Synkopen

► während oder unmittelbar nach Synkopen: ev. vereinzelte, mei- stens generalisierte Myoklonien

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Myoklonien

Symptomatik und Ursachen (2)

Postanoxische Myoklonien

► Folge einer ausgeprägten hypoxischen / anoxischen Hirnschädigung („Lance-Adams-Syndrom“), meistens nach Herzkreislauf-Stillstand mit verzögerter Reanimation► intermittierend, salvenartig oder permanent; segmental oder gene- ralisiert ► prognostisch sehr ungünstiges Zeichen

Weitere Ursachen von Myoklonien

► entzündliche Erkrankungen (Enzephalitiden, M. Whipple, CJD)► metabolische Enzephalopathien (Leber-, Nierenfunktionsstörungen)► degenerative Erkrankungen (M. Parkinson, Chorea Huntington, MSA)► toxisch bedingte Läsionen (L-Dopa, illegale Drogen)► paraneoplastisch (Myoklonus-Opsoklonus-Syndrom)► „idiopathisch“

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Unwillkürliche Bewegungen

Faszikulationen

Definition: mit freiem Auge sichtbare, unwillkürliche, unregelmäßige, nur Sekundenbruchteile dauernde Kontraktionen einzelner Muskel- faserbündel in wechselnder Lokalisation ohne Bewegungseffekt in einem benachbarten Gelenk

Pathophysiologie

► Ursache sind Läsionen im Bereich der motorischen Vorderhorn-Gang- lienzellen bzw. der proximalen Abschnitte der peripheren motori- schen Neurone► generalisierte Faszikulationen: v.a. im Rahmen degenerativer Vorder- horn-Ganglienzell-Erkrankungen, ev. im Rahmen von vaskulären oder entzündlichen Prozessen► „benigne Faszikulationen“: beim Gesunden, meistens im Bereich der Waden- und Fußgewölbe-Muskulatur bzw. periorbital

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Unwillkürliche Bewegungen

Fibrillationen

Definition: unwillkürliche, nur Sekundenbruchteile dauernde Kontrak- tionen einzelner Muskelfasern in wechselnder Lokalisation ohne Bewegungseffekt auf benachbarte Gelenke

Pathophysiologie

► Zungenmuskulatur: Fibrillationen mit freiem Auge sichtbar► Muskulatur der Peripherie: Fibrillationen mit freiem Auge nicht sicht- bar, Nachweis mittels EMG (Hinweis auf Läsion im Bereich der motorischen Vorderhorn-Ganglienzellen bzw. der Axone der peripheren motorischen Neurone)

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Unwillkürliche Bewegungen

Myokymien

Definition: mit freiem Auge sichtbare, unwillkürliche, unregelmäßige, kurzdauernde Kontraktionen von Gruppen von Muskelfasern (Bild des „Muskelwogens“), geringer oder kein Bewegungs- effekt

Pathophysiologie

► Myokymien im Gesichtsbereich: u.a. im Rahmen einer Multiplen Sklerose► Myokymien: ev. auch beim Gesunden

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Anatomische und physiologische Grundlagen (1)

Anatomisch relevante Strukturen

► Wurm, die beiden Hemisphären (in denen sich je 4 Kerne be- finden, darunter der N. dentatus)► afferente Impulse: u.a. vom Vestibularapparat, von der Groß- hirnrinde, aus der Peripherie über das Rückenmark► efferente Verbindungen: u.a. zum Hirnstamm, zum Thalamus, zu den Stammganglien, zum Rückenmark

Aufgaben des Kleinhirns: v.a.

► Regulation des Muskeltonus und der Stützmotorik► Koordination der Zielmotorik und der Blickmotorik► Kontrolle komplexer Bewegungen► Integration afferent vermittelter Reize in die Willkürmotorik

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Anatomische und physiologische Grundlagen (2)

Archicerebellum (Vestibulocerebellum; median gelegen)

► Regulation der Motorik im Rumpfbereich (Rumpfkontrolle, Kon- trolle des Sitzens, Stehens und Gehens)

Paläocerebellum (Spinocerebellum; Oberwurm, vorderer Teil der Hemisphären)

► Regulation der Motorik im Bereich der proximalen Extremitäten- muskulatur (Kontrolle des Stehens und Gehens)

Neocerebellum (Pontocerebellum; Hemisphären)

► Regulation der Motorik im Bereich der distalen Extremitäten (Kontrolle der raschen Zielmotorik)

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Kleinhirnfunktionsstörungen – Klinische Prüfung

→ Tonus der Muskulatur

→ Vorhalteversuch der Arme

→ Diadochokinese, Feinmotorik

→ Finger-Nase-Versuch (FNV), Knie-Hacken-Versuch (KHV)

→ Barany-Zeigeversuch

→ Schriftprobe

→ Rebound-Phänomen

→ Sitzen, Steh- und Gehversuche

→ Sprechen

→ Blickfolgebewegungen

→ optokinetischer Nystagmus, andere Nystagmen

→ vestibulo-okulärer Reflex (VOR)

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Prüfung (1)

Tonus der Muskulatur

► Muskeltonus herabgesetzt, bei einseitiger Läsion ipsilateral► Eigenreflexe jedoch unauffällig oder nur gering abgeschwächt auslösbar

Vorhalteversuch der Arme

► Absinken des Armes (ipsilateral)► ev. Abweichen der Arme zur Seite der Läsion► ev. Überkompensation: Ansteigen des Armes (ipsilateral)

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Prüfung (2)

Diadochokinese (1)

► sehr rasch aufeinander folgende Innervation von Agonisten und Antagonisten► Prüfung: der Patient nimmt die Ausgangsstellung des Vorhalte- versuchs der Arme ein und schließt die Augen; über Auffor- derung führt er mit beiden Armen möglichst rasch abwech- selnd Pronations- und Supinationsbewegungen durch (die Handflächen werden abwechselnd nach oben und unten gewendet)► Alternative: der sitzende Patient schlägt so rasch als möglich alternierend mit den Handflächen und den Handrücken auf die eigenen Oberschenkel (immer an dieselbe Stelle)

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Prüfung (3)

Diadochokinese (2)

► unauffälliger Bewegungsablauf beim Gesunden: „Eudiadocho- kinese“► Kleinhirnfunktionsstörung: die Fähigkeit, Agonisten und Antago- nisten rasch hintereinander abwechselnd zu innervieren, ist reduziert („Hypodiadochokinese“), koordinationsgestört („Dysdiadochokinese“) oder hochgradig beeinträchtigt („Adiadochokinese“)► Beeinträchtigung der Diadochokinese auch im Rahmen zentraler Paresen, peripherer Paresen und Erkrankungen des extra- pyramidalen Systems möglich !

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Prüfung (4)

Feinmotorik

► die beeinträchtigte Koordination der beteiligten Muskulatur führt zu einer Störung der Feinmotilität („Dyssynergie“)► Beeinträchtigung der Feinmotorik auch im Rahmen zentraler Paresen, peripherer Paresen und Erkrankungen des extra- pyramidalen Systems möglich !

Finger-Nase-Versuch (FNV)

► Prüfung: der Patient nimmt die Ausgangsstellung des Vorhalte- versuchs der Arme ein und schließt die Augen; über Auffor- derung führt er den Zeigefinger einer Hand in einer langsa- men und gleichmäßigen Bewegung in einem Bogen an die eigene Nasenspitze

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Prüfung (5)

Knie-Hacken-Versuch (KHV)

► Prüfung: der entspannt am Rücken liegende Patient schließt die Augen; über Aufforderung führt er eine der beiden Fersen in einer langsamen und gleichmäßigen Bewegung in einem Bogen durch die Luft auf das Knie des anderen Beins; an- schließend führt er die Ferse entlang der vorderen Schien- beinkante des kontralateralen Beins langsam nach distal

Beurteilung des FNV und des KHV

► Abweichen von der idealen Bewegungslinie ? konstante Ge- schwindigkeit ? Tremor ? Ataxie ? Zielsicherheit ?► Gesunder: Bewegungsablauf ruhig, gleichmäßige Geschwindig- keit, kein Schwanken bzw. Abweichen von der Ideallinie, kein Tremor

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Prüfung (6)

Pathologische Muster beim FNV und beim KHV (1)

► „Vorbeizeigen“ beim FNV: Verfehlen des Ziels, Abweichen zur Seite der Läsion► „Dysmetrie“: mangelnde Kontrolle der Synergie zwischen Ago- nisten und Antagonisten, Ausmaß und Tempo der Bewe- gungen sind nicht ausreichend kontrollierbar; Folge: Willkür- bewegungen erfolgen nicht flüssig, sondern ruckartig, oft weit ausfahrend► „Hypermetrie“: Bewegungen überschießend, über das Ziel hinaus► Blickfolgebewegungen: ebenfalls beeinträchtigt

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Prüfung (7)

Pathologische Muster beim FNV und beim KHV (2)

► Extremitätenataxie: Bewegungen in einer Zick-Zack-Linie, sakka- diert, um die Ideallinie herum schwankend; die Beine (Stand-, Gangataxie) sind meistens mehr betroffen als die Arme► Endstücksataxie: das Ausmaß der ataktischen Bewegungsstörung nimmt im letzten Abschnitt der intendierten Bewegung zu► Intentionstremor: Aktionstremor mit meistens niedriger Frequenz, dessen Amplitude während der Bewegung deutlich zunimmt („Crescendo-Charakter“), das Ziel wird oft verfehlt; v.a. bei Läsionen des N. dentatus bzw. seiner Verbindungen

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Prüfung (8)

Barany-Zeigeversuch

► ev. Vorbeizeigen zur Seite der Läsion

Schreiben

► Schriftprobe oft gravierend beeinträchtigt, verursacht durch redu- zierten Tonus, Dysmetrie, Dyssynergie, Extremitätenataxie und Intentionstremor► Schrift ausfahrend, verwackelt und oft vergrößert („Makrographie“)

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Prüfung (9)

Rebound-Phänomen

► Test, ob die Antagonisten bei Bedarf reflektorisch prompt und kon- trolliert eingesetzt werden► Prüfung: der Patient sitzt, Arm im Ellbogengelenk 90° gebeugt, die Beugemuskulatur ist angespannt; der Untersucher zieht den Unterarm des Patienten gegen dessen Widerstand zu sich heran, läßt dann ohne Vorwarnung den Unterarm des Patienten plötzlich los (Cave: Verletzungsgefahr !); alternativ: Prüfung durch isometrische Innervation der Strecker► Gesunder: prompte Aktivierung der Antagonisten (der Strecker), die Beugebewegung wird sofort abgebremst► Kleinhirnfunktionsstörung: die Bewegung wird nicht adäquat abge- bremst, der Patient schlägt mit dem Unterarm nach hinten

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Prüfung (10)

Sitzen

► Test der Funktionsfähigkeit der Rumpfmukulatur: wird der Rumpf unwillkürlich ruhig und stabil gehalten ?► Prüfung: der sitzende Patient wird gebeten, die Arme vorzu- strecken und die Augen zu schließen

Steh- und Gehversuche

► Romberg-Versuch► freies Gehen► Unterberger-Tretversuch► Strichgang► Blindgang

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Prüfung (11)

Rumpfataxie

► der sitzende Patient kann nicht ruhig und bewegungslos verharren, er schwankt mit dem Körper nach vorne und hinten, ev. zur Seite

Standataxie

► ev. ungerichtetes Schwanken, ev. inkonstante oder konstante Zug- und Falltendenz in eine bestimmte Richtung► Extremfall: Patient kann nicht frei stehen und fällt (bei unilateraler Läsion) zur Seite der Läsion um

Gangataxie

► Gang unsicher, breitbeinig, schwankend, ev. schleudernd, manche Patienten wirken wie betrunken► ev. Zug- und Falltendenz in eine bestimmte Richtung

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Prüfung (12)

Sprechen

► unkontrolliert, zu laut, verwaschen, stockend, abgehackt, einzelne Silben werden explosiv („skandierend“) hervorgestoßen► Ursache: Koordinationsstörung der Sprechmuskulatur, u.a. Behin- derung der Stimmgebung und der Sprechatmung

Blickfolgebewegungen, sakkadische Funktionen

► Blickfolgebewegungen laufen sakkadiert ab („Blickdysmetrie“)► Prüfung der sakkadischen Funktionen: Störungen im Sinne einer Dysmetrie, oft überschießende („hypermetrische“) Blickbewe- gungen

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Prüfung (13)

Optokinetischer Nystagmus

► häufig beeinträchtigt

andere Nystagmen

► oft grobschlägiger Nystagmus zur Seite der Läsion, dessen Ampli- tude bei Blickwendung zum Herd noch zunimmt► u.a.: Spontannystagmus, Blickrichtungsnystagmen, Lagenystag- men, Lagerungsnystagmen, richtungswechselnde Nystagmen, ev. erworbener Pendelnystagmus

Vestibulo-okulärer Reflex (VOR)

► häufig unkontrolliert überschießend► meistens ist es nicht möglich, den VOR durch visuelle Fixation zu unterdrücken

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Symptomatik (1)

Läsionen im Bereich des Archicerebellums

► ausgeprägte ungerichtete Stand-, Gang- und Rumpfataxie► an den Extremitäten keine wesentliche ataktische Störung► häufig Gleichgewichtsstörungen, Schwindelsensationen, ev. mit Übelkeit, Erbrechen► Okulomotorik: z.B. sakkadierte Blickfolgebewegungen, Nystag- men, fehlende Suppression des VOR durch Fixation► ev. zerebelläre Sprechstörungen

Läsionen im Bereich des Paläocerebellums

► oft steht eine Stand- und Gangataxie mit Schwanktendenz nach vorwärts und rückwärts im VordergrundNB: bei Prüfung mit geschlossenen Augen deutliche Zunahme der Symptomatik (visuelle Teilkompensation möglich) !

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Klinische Symptomatik (2)

Läsionen im Bereich der Kleinhirnhemisphären

► ipsilaterale Koordinationsstörungen mit Reduktion des Muskel- tonus, Beeinträchtigung der Diadochokinese, Dyssynergie der Bewegungen, Dysmetrie, Extremitäten- und Endstücks- ataxie, Intentionstremor und Schreibstörungen► Steh- und Gehversuche: ev. Zugtendenz, Falltendenz, Abweich- tendenz bzw. Drehtendenz zur Seite der Läsion► Okulomotorik: oft sakkadierte Blickfolgebewegungen, Blickdys- metrie, ev. Blickrichtungsnystagmus► zerebelläre Sprechstörungen (häufig)

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Kleinhirn-Funktionsstörungen

Ursachen

► zerebrale Durchblutungsstörungen auf ischämischer Basis (Kleinhirn-Infarkt)

► spontane intrazerebrale Hämatome (Kleinhirn-Blutung)

► entzündliche Erkrankungen (z.B. Multiple Sklerose)

► Tumoren (auch: Paraneoplasien)

► traumatisch verursachte Läsionen

► toxisch bedingte Funktionsstörungen

► primär degenerative Erkrankungen

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Augenmotilitätsstörungen

Anatomische und physiologische Grundlagen (1)

Frontales Augenfeld

► Lokalisation: an der Konvexität des Frontallappens (Gyrus frontalis medius, Area 8)► afferente Impulse: von der supplementär-motorischen Area, vom parieto-okzipitalen Kortex► efferente Impulse: über die Corona radiata und die Capsula interna zum Hirnstamm (Kreuzung der Fasern nach kontralateral)► Funktion: Einleitung von willkürlichen Sakkaden nach kontralateral, Unterdrückung von Sakkaden (zur Fixation eines Objekts), Auf- rechterhaltung der visuellen Aufmerksamkeit

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Augenmotilitätsstörungen

Anatomische und physiologische Grundlagen (2)

Parieto-okzipitales Augenfeld

► Lokalisation: an der Konvexität des Okzipitallappens bzw. des parieto-okzipitalen Kortex (visuelle Assoziationsfelder, Area 18 und 19)► efferente Impulse: zum frontalen Augenfeld, über den Thalamus zur Area praetectalis, über die Capsula interna zum Hirnstamm► Funktion: (langsame) visuelle Folgebewegungen zur Gegenseite, optokinetischer Nystagmus

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Augenmotilitätsstörungen

Anatomische und physiologische Grundlagen (3)

Blickzentren im Bereich des Hirnstamms

► paramediane pontine Formatio reticularis (PPRF): Generierung der horizontalen Blickbewegungen; Aktivierung des Kerns des ipsi- lateralen N. abducens und des Kerns des kontralateralen N. oculomotorius über den Fasciculus longitudinalis medialis (FML); Ergebnis: konjugierte Blickbewegung (Sakkade) nach ipsilateral

► mesenzephale retikuläre Formation: generiert zusammen mit dem rostralen Anteil der PPRF vertikale Blickbewegungen (Sakkaden)

Hirnnerven III, IV und VI: siehe Hirnnerven-Läsionen

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Augenmotilitätsstörungen

Anatomische und physiologische Grundlagen (4)

Blickfolgebewegungen

► Definition: langsam ablaufende, konjugierte Bulbusbewegungen► Zweck: ein einmal visuell erfaßtes bewegtes Objekt zu fixieren und damit in der Fovea zu zentrieren► auch: langsame Komponente des optokinetischen Nystagmus

Sakkaden

► Definition: rasch ablaufende, konjugierte Bulbusbewegungen („Blicksprünge“)► Zweck: ein bisher nicht erfaßtes Objekt zu fixieren und damit in der Fovea zu zentrieren► Auslösung: willkürlich oder unwillkürlich (als Reaktion auf visuelle, akustische oder taktile Reize)► auch: schnelle Komponente des optokinetischen Nystagmus

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Augenmotilitätsstörungen

Anatomische und physiologische Grundlagen (5)

Optokinetischer Nystagmus

► physiologische Nystagmus-Form► anatomisch relevante Strukturen: visuelle Assoziationsfelder im Bereich des okzipitalen bzw. parieto-okzipitalen Kortex (Area 18 und 19), Kleinhirn, vestibuläres System, Hirnstamm► Serie von langsamen Folgebewegungen (Objekt wird fixiert in der Fovea gehalten) und raschen Rückstellbewegungen (Sakka- den) in Gegenrichtung („Eisenbahn-Nystagmus“)► willkürliche Unterdrückung ist möglich („Fixations-Suppression“)

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Augenmotilitätsstörungen

Anatomische und physiologische Grundlagen (6)

Vestibulo-okulärer Reflex (VOR)

► physiologisch auslösbarer optokinetischer Reflex► Zweck: Erhaltung der Blickstabilität im Raum während Eigenbewe- gungen des Individuums; die aktuelle Kopfhaltung bzw. -bewe- gung wird in den Prozeß der Objekt-Fixation mit einbezogen► anatomisch relevante Strukturen: periphere Vestibularis-Apparate, Vestibularis-Kerne, deren Verbindungen zu den pontinen Blick- zentren► Beispiel: wenn während der Fixation eines Objekts der Kopf zur Seite weggedreht wird, erfolgt eine kompensatorische Blick- wendung zur Gegenseite (Objekt bleibt in der Fovea)► willkürliche Unterdrückung ist möglich („VOR-Suppression“): z.B. Fixieren des eigenen mitbewegten Daumens während einer Drehbewegung

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Augenmotilitätsstörungen

Klinische Prüfung (1)

Stellung der Bulbi in Ruhe

► Doppelbilder ?► Abweichung eines Bulbus ?► kompensatorische Kopfhaltung ?► Blickdeviation ?► Spontannystagmus ?► ev. „Cover-Test“ (Abdecktest): Abdecken eines Auges, während der Patient ein Objekt fixiert► ev. „Uncover-Test“ (plötzliches Entfernen der Abdeckung): im Falle einer latenten Parese wird eine Einstellbewegung des freigege- benen Auges beobachtet

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Bulbusbewegungen (Folgebewegungen)

► Patient fixiert den Finger des Untersuchers und folgt den Bewegun- gen des Fingers, ohne den Kopf zu bewegen► Prüfung aller 8 Hauptblickrichtungen (oben rechts – Mitte – links; Mitte rechts – links; unten rechts – Mitte – links)► Bulbusbewegungen frei und koordiniert ?► Nystagmus ?► ev. Abdecken eines Auges, Prüfung nur unilateral► Doppelbilder: maximales Auseinanderweichen bei Bewegung in die Aktionsrichtung des betroffenen Muskels► Abdecken eines Auges in dieser Position: das Bild des Auges, das von der Parese betroffen ist, ist stets das peripher gelegene► Vd. a. Myasthenie / Myopathie: kann die Blickwendung über 30-60 sec aufrecht erhalten werden, ohne daß Doppelbilder auftreten ?

Augenmotilitätsstörungen

Klinische Prüfung (2)

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Sakkaden

► der Untersucher (sitzt dem Patienten gegenüber) positioniert je einen Finger in das rechte und in das linke Gesichtsfeld des Patienten, bewegt dann die beiden Finger abwechselnd; der Patient (Kopf unbewegt) richtet den Blick immer auf jenen Finger, der sich gerade bewegt► Einstellbewegungen prompt und zielsicher ?

Konvergenzreaktion der Bulbi und der Pupillen: vgl. N. III

Optokinetischer Nystagmus

► der Untersucher dreht vor dem Patienten langsam die Nystag- mus-Trommel (mit vertikal verlaufenden Streifen)► es sind abwechselnd langsame Blickfolgebewegungen und Sakkaden (rasche Rückstellbewegungen) zu beobachten

Augenmotilitätsstörungen

Klinische Prüfung (3)

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Vestibulo-okulärer Reflex (VOR)

a. kalorische Prüfung: vgl. Nystagmus

b. klinische Prüfung:

► der Patient fixiert ein Objekt; der Untersucher dreht den Kopf des Patienten in eine Richtung und beobachtet, ob der Blick des Patienten weiterhin starr auf das Objekt gerichtet bleibt► dann: Prüfung der Fähigkeit der VOR-Suppression: der stehende Patient dreht den Oberkörper zur Seite und fixiert den Daumen seines vorgestreckten (mitgedrehten) Armes; wenn keine Ny- stagmen auftreten, ist die VOR-Suppression vollkommen

Augenmotilitätsstörungen

Klinische Prüfung (4)

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Augenmotilitätsstörungen

Klinische Symptomatik (1)

Strabismus concomitans (Begleitschielen)

► Schielwinkel konstant (unabhängig von der Blickrichtung)► häufig liegt eine Amblyopie (angeborener oder früh erworbener Visusverlust) vor, keine Doppelbilder► isolierte Prüfung: Bulbusmotilität bds. intakt► Einwärtsschielen: „Strabismus convergens“► Auswärtsschielen: „Strabismus divergens“► latenter Strabismus: „Heterophorie“

Strabismus paralyticus (Lähmungsschielen)

► Schielwinkel nicht konstant, ändert sich je nach Blickrichtung► in den ersten Wochen nach der Manifestation: Doppelbilder

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Déviation conjuguée

► konjugiertes tonisches Abweichen der parallel stehenden Bulbi in eine bestimmte (meistens horizontale) Richtung► keine willentliche Korrektur möglich► üblicherweise liegt gleichzeitig eine horizontale Blickparese zur Gegenseite vor► Läsion im Bereich des frontalen Augenfeldes: Überwiegen der Aktivität der gesunden Seite, Blickwendung und meistens auch Kopfwendung zur Seite der Läsion („Patient blickt sich die Be- scherung an“); DD fokaler Anfall (Reizung): Abweichen der Bulbi nach kontralateral ► Läsion im Bereich der PPRF im Pons: Déviation conjuguée nach kontralateral, Blickparese zur Seite der Läsion („Patient blickt vom Herd weg“)

Augenmotilitätsstörungen

Klinische Symptomatik (2)

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Horizontale Blickparese

► Patient ist nicht imstande, die parallel stehenden Bulbi willkürlich in eine der beiden Richtungen (rechts oder links) zu bewegen► ev. „blickparetischer Nystagmus“: nystaktische Zuckungen beim Versuch, in Richtung der Blickparese zu schauen► Läsion im Bereich des frontalen Augenfeldes: Überwiegen der Aktivität der gesunden Seite, horizontale Blickparese nach kontralateral, Remissionstendenz gut► Läsion im Bereich der PPRF im Pons: horizontale Blickparese zur Seite der Läsion, Remissionschance gering► horizontale Blickparese nach beiden Seiten: fast immer durch Läsionen im Pons verursacht

Augenmotilitätsstörungen

Klinische Symptomatik (3)

Page 44: Neurologische Symptome und Syndrome 2/4 Karl Zeiler, Christian Wöber Univ.-Klinik für Neurologie Wien

Vertikale Blickparese

► Patient ist nicht imstande, die parallel stehenden Bulbi willkürlich nach oben und/oder nach unten zu bewegen► meistens Blickparese nach oben bzw. nach oben und unten, nur selten Blickparese ausschließlich nach unten► Ursache: beidseitige Läsion im Mittelhirn bzw. im Bereich der ponto-mesenzephalen Übergangsregion► „Parinaud-Syndrom“: vertikale Blickparese nach oben und Kon- vergenzparese

Augenmotilitätsstörungen

Klinische Symptomatik (4)

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Internukleäre Lähmung (internukleäre Ophthalmoplegie, INO)

► horizontale Blickwendung: Abduktion intakt, kontralaterale Adduk- tion verlangsamt, beeinträchtigt oder ausgefallen► Patient sieht nebeneinanderstehende Doppelbilder► ev. dissoziierter Blickrichtungs-Nystagmus am abduzierten Auge► Konvergenzreaktion der Bulbi: nicht beeinträchtigt► Ursache: i.B. auf die Adduktion ipsilateral gelegene Läsion des Fasciculus longitudinalis medialis► Manifestation häufig bilateral (beidseitige Adduktionsparese)► „Eineinhalb-Syndrom“: einseitige Läsion im Bereich der PPRF (horizontale Blickparese) und im Bereich des ipsilateralen Fasciculus longitudinalis medialis (INO) – der Patient kann nur noch ein Auge abduzieren, sonst ist keine horizontale Bulbus- bewegung mehr möglich

Augenmotilitätsstörungen

Klinische Symptomatik (5)

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„Schwimmende Bulbi“

► spontane, langsame, pendelnde, horizontale, teils konjugierte, teils nicht konjugierte Bulbusbewegungen► Ursache: gravierende Läsionen im Bereich des Fasciculus longi- tudinalis medialis

Sakkadierte Bulbusbewegungen

► verlangsamte Blickfolgebewegungen, durch wiederholt zwischen- geschaltete rasche Sakkaden unterbrochen

Ausfall der sakkadischen Funktionen

► das Ziel einer Blickbewegung ist nur mit Hilfe von Kopfbewegun- gen erreichbar

Augenmotilitätsstörungen

Klinische Symptomatik (6)

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Okulogyre Krisen

► Blickkrämpfe nach oben► Ursachen: u.a. Neuroleptika-Medikation, Tumoren im Bereich der hinteren Schädelgrube

„Eingemauerte Bulbi“

► horizontale und vertikale Blickparese► Ursache: ausgedehnte Läsionen im Ponsbereich

Störungen des optokinetischen Nystagmus

► Ursachen: Läsionen im Bereich der kontralateralen visuellen Assoziationsfelder (Area 18 und/oder 19), der Verbindungen zwischen diesen Feldern und den pontinen Blickzentren, ipsilateral gelegene Läsionen im Bereich der pontinen Blick- zentren, vestibuläre und Kleinhirn-Funktionsstörungen

Augenmotilitätsstörungen

Klinische Symptomatik (7)

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Störungen des vestibulo-okulären Reflexes (VOR)

► subjektiv: Schwindel und uncharakteristische Sehstörungen, aus- gelöst durch abrupte Kopfbewegungen► Steh- und Gehversuche: ungerichtete Unsicherheit► im Anschluß an rasche passive Kopfbewegungen benötigt der Pa- tient mehrere Einstellsakkaden, um erneut fixieren zu können► Fixations-Suppressions-Test: mehrere Einstellsakkaden zu beob- achten► Ursachen: Läsionen im Bereich des Kleinhirns, des peripheren Vestibularis-Apparates oder der Verbindungen zu den pontinen Blickzentren, (medikamentös-)toxisch (z.B. Antikonvulsiva)

Augenmotilitätsstörungen

Klinische Symptomatik (8)

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Läsionen im Bereich des frontalen Augenfeldes

► Déviation conjuguée zur Seite der Läsion► Ausfall aller Sakkaden zur Gegenseite, Blickparese nach kontra- lateral► Remissionschance gut (bei unilateraler Läsion)► Reizung des frontalen Augenfeldes (z.B. im Rahmen eines fokalen Anfalls): ev. Déviation conjuguée nach kontralateral

Läsionen im Bereich des parieto-okzipitalen Augenfeldes

► Beeinträchtigung der visuellen Folgebewegungen zur Gegenseite (sakkadierte Bulbusbewegungen) und des optokinetischen Nystagmus

Augenmotilitätsstörungen

Klinische Symptomatik (9)

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Läsionen im Bereich der pontinen Blickzentren

► ev. horizontale Blickparese zur Seite der Läsion (ungünstige Pro- gnose) mit oder ohne Déviation conjuguée nach kontralateral► ev. horizontale Blickparese nach beiden Seiten (oft i.R. eines „Locked-in-Syndroms“)► ev. vertikale Blickparese nach oben bzw. nach oben und unten, nur selten ausschließlich nach unten► ev. „eingemauerte Bulbi“ (horizontale und vertikale Blickparese)► ev. ein- oder beidseitige internukleäre Ophthalmoplegie (INO), ev. „Eineinhalb-Syndrom“► ev. gestörter optokinetischer Nystagmus► ev. Beeinträchtigung oder Ausfall des vestibulo-okulären Reflexes (VOR)

Augenmotilitätsstörungen

Klinische Symptomatik (10)

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Augenmotilitätsstörungen

Ursachen (1)

Läsionen im Bereich des frontalen Augenfeldes

► zerebrale Durchblutungsstörungen auf ischämischer Basis

► traumatisch bedingte Läsionen (epidurale, subdurale oder intra- zerebrale Blutungen, Hirnödem, Kontusionsherde)

► spontane intrazerebrale Hämatome

► Tumoren

► entzündliche Prozesse (Meningoenzephalitiden)

Läsionen im Bereich des parieto-okzipitalen Augenfeldes: weitgehendidentisch mit jenen im Zusammenhang mit Läsionen im Bereich desfrontalen Augenfeldes

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Augenmotilitätsstörungen

Ursachen (2)

Läsionen im Bereich der pontinen Blickzentren

► zerebrale Durchblutungsstörungen auf ischämischer Basis (Hirn- stamm-Infarkte)

► traumatisch bedingte Läsionen (Hirnstamm-Kontusionen, Dezere- brations-Syndrome)

► spontane intrazerebrale Hämatome

► Tumoren

► Hydrocephalus occlusus

► entzündliche Prozesse (Hirnstamm-Enzephalitiden, Multiple Skle- rose)

► Syringobulbie

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Nystagmus, Schwindel

Definitionen (1)

► Nystagmen sind unwillkürliche rhythmische Augenbewegungen

► Drehbewegung des Kopfes: reflektorische Bewegung der Bulbi in die Gegenrichtung, um das gerade fixierte Objekt in der Fovea zentriert zu halten (Signal aus dem Gleichgewichts- organ → Vestibularis-Kerngebiete → Augenmuskel-Kern- gebiete)► sobald die Kopfdrehung einen bestimmten Winkel überschreitet, werden die Augen mit einer reflektorischen Sakkade zurück- gestellt (subjektiv meistens unbemerkt)► die Ebene des Nystagmus entspricht der Ebene der Drehbewe- gung des Kopfes (meistens horizontal)

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Nystagmus, Schwindel

Definitionen (2)

physiologischer – pathologischer Nystagmus

► physiologische Nystagmen: optokinetischer N., vestibulärer N., willkürlicher N. (selten)

► pathologische Nystagmen: alle anderen Formen

Rucknystagmus – Pendelnystagmus

► Rucknystagmus: rasche und langsame Phase; die rasche Phase entspricht der reflektorischen Rückstellbewegung (Sakkade), die Schlagrichtung wird nach dieser raschen Phase benannt

► Pendelnystagmus: schlägt in beide Richtungen mit gleicher Ge- schwindigkeit

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Nystagmus, Schwindel

Definitionen (3)

horizontaler – vertikaler – rotatorischer Nystagmus

► Horizontalnystagmus: Bulbusbewegungen in der Horizontalen► Vertikalnystagmus: Bulbusbewegungen in der Vertikalen► rotatorischer Nystagmus: Drehbewegungen der Bulbi um ihre Achse

richtungsbestimmter – richtungswechselnder Nystagmus

► richtungsbestimmter Nystagmus: schlägt immer in die gleiche Richtung, unabhängig von der Blickrichtung der Bulbi► richtungswechselnder Nystagmus: wechselt die Schlagrichtung in Abhängigkeit von der Blickrichtung der Bulbi

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Nystagmus, Schwindel

Definitionen (4)

erschöpfbarer – nicht erschöpfbarer Nystagmus

► erschöpfbarer Nystagmus: nur wenige nystaktische Zuckungen, dann spontane Stabilisierung

hoch-, mittel-, niederfrequenter Nystagmus

► Angabe in Abhängigkeit von der Schlagfrequenz

fein-, mittel-, grobschlägiger Nystagmus

► Angabe in Abhängigkeit von der Amplitude

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Nystagmus, Schwindel

Definitionen (5)

Spontannystagmus – Blickrichtungsnystagmus – Endstellnystagmus

► Spontannystagmus: Nystagmus beim Blick geradeaus► Blickrichtungsnystagmus: manifestiert sich bei Blickwendung► Endstellnystagmus: tritt erst bei ausgiebiger Blickwendung auf (im monokulären Gesichtsfeld)

Lagenystagmus – Lagerungsnystagmus

► Lagenystagmus: manifestiert sich beim Einnehmen einer bestimm- ten Lage► Lagerungsnystagmus: wird durch eine bestimmte Bewegung (Lagerung) ausgelöst

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Nystagmus, Schwindel

Definitionen (6)

dissoziierter Nystagmus

► unterschiedliche Frequenz und/oder Amplitude und/oder Schlag- richtung an beiden Bulbi

blickparetischer Nystagmus

► im Zusammenhang mit inkompletten Blickparesen► Manifestation, wenn der Patient versucht, die Bulbi in Richtung der Blickparese zu bewegen (Blickrichtungsnystagmus)► meist niederfrequenter, grobschlägiger Nystagmus mit Schlag- richtung zur Seite der Blickparese► subjektiv kein Schwindelgefühl

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Nystagmus, Schwindel

Definitionen (7)

muskelparetischer Nystagmus

► entsteht beim Versuch, den Bulbus in die Aktionsrichtung eines inkomplett paretischen Augenmuskels zu bewegen► meistens: dissoziierter Nystagmus► Ursachen: Läsionen der Hirnnerven III, IV, VI; Myasthenia gravis

Opsoklonus

► spontan auftretende, konjugierte, sehr rasch und ev. salvenartig ablaufende Hin- und Herbewegungen der Bulbi in verschie- dene Richtungen („Blickmyoklonien“)► Pathophysiologie: Sakkaden ohne Fixation im Intervall

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Nystagmus, Schwindel

Definitionen (8)

systemisierter (systematischer, gerichteter) Schwindel

► Drehschwindel► Schwankschwindel► Liftschwindel

unsystemisierter (unsystematischer, ungerichteter) Schwindel

Oszillopsien

► subjektives Phänomen, das einen Nystagmus begleiten kann► rasch oszillierende horizontale oder vertikale Scheinbewegungen von Objekten, die sich de facto nicht bewegen► Spontannystagmus: ev. spontane Oszillopsien

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Nystagmus, Schwindel

Klinische Prüfung (1)

Untersuchung ohne Hilfsmittel

► Patient blickt geradeaus in die Ferne (keine Fixation) und an- schließend nach rechts, links, oben und unten► dann: Patient fixiert den Finger des Untersuchers, folgt dem Finger nach rechts, links, oben und unten ► Spontan-, Blickrichtungs-, Endstell-Nystagmus ?

Untersuchung mit Hilfe der Frenzel-Brille

► Untersuchung im abgedunkelten Raum► stark konvexe Linsen: Patient kann nicht mehr fixieren, die Augen sind beleuchtet, vergrößert► Aufhebung der Fixationsmöglichkeit, da ein allfälliger Nystag- mus durch Fixieren unterdrückt werden kann

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Nystagmus, Schwindel

Klinische Prüfung (2)

Kopfschütteln

► unspezifisches Provokationsverfahren► ein durch mehrmaliges Schütteln des Kopfes ausgelöster „Kopf- schüttel-Nystagmus“ ist als pathologisch zu werten

Einnehmen verschiedener Kopfpositionen

► Untersuchung in Rücken-, Rechtsseiten- und Linksseitenlage

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Nystagmus, Schwindel

Klinische Prüfung (3)

Lagerungsmanöver

► Patient wird aufgefordert, sich rasch hinzulegen / wieder aufzu- richten, sich zu bücken / wieder aufzurichten► Reklinieren des sich nach hinten auf den Rücken legenden Pa- tienten mit zur Seite (rechts / links) gedrehtem Kopf um 30° (Kopfhängelage)

Drehstuhl-Untersuchung

► das rechte und das linke Labyrinth werden gemeinsam getestet► die visuelle Fixation, durch die der vestibuläre Nystagmus gehemmt wird, muß ausgeschaltet werden (Frenzel-Brille)

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Nystagmus, Schwindel

Klinische Prüfung (4)

Kalorische Prüfung

► getrennte Untersuchung des rechten und linken Labyrinths► Lagerung: Anheben des Kopfes des auf dem Rücken liegenden Patienten um 30° oder Reklination des Kopfes des sitzenden Patienten um 60°► otoskopieren (Ausschluß Trommelfell-Perforation) !► Spülung des äußeren Gehörgangs mit kaltem (30° C) Wasser: beim Gesunden Vorbeizeigen und Falltendenz zur Seite der Spülung, Manifestation eines Horizontalnystagmus, der zur Gegenseite schlägt, subjektiv Schwindel und Übelkeit► Spülung des äußeren Gehörgangs mit warmem (44° C) Wasser: beim Gesunden Manifestation eines Horizontalnystagmus, der zur Seite der Spülung schlägt► Einsatz auch zur VOR-Prüfung („Hirntod“-Diagnostik)

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Physiologische Nystagmus-Formen

Vestibulärer Nystagmus

► Entstehung: Stimulation der Bogengangs-Cupula im Labyrinth durch eine Drehbewegung des Kopfes ► Initialphase (Beschleunigungsphase): langsame Blickfolgebewe- gung gegen die Drehrichtung, um das gerade fixierte Objekt in der Fovea zu halten► dann: Korrekturbewegung (Sakkade) in Richtung der Drehung (sehr rasch, um die Drehbewegung zu „überholen“)► rasche Komponente: weist in die Drehrichtung► dann: Fixieren eines neuen Objekts, langsame Blickfolgebewe- gung, usf.► Drehung des Körpers um die Vertikalachse: nur horizontale Bogengänge betroffen, daher horizontaler Nystagmus► plötzlicher Stop der Drehung: „postrotatorischer Nystagmus“ (Schlagrichtung entgegengesetzt)

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Pathologische Nystagmus-Formen (1)

Pendelnystagmus

► oft angeboren, ev. familiär gehäuft► konjugierte, hochfrequente, meistens in horizontaler Richtung pendelnde Bulbusbewegungen► die Amplitude des Nystagmus nimmt bei Fixation zu („angebo- rener Fixationsnystagmus“; DD: alle anderen Nystagmen werden durch Fixation unterdrückt)► bei Blickrichtung kann die Amplitude des Nystagmus zunehmen ► i.a. keine Oszillopsien, keine Behinderung im Alltag, kein Krank- heitswert► weitere Ursachen: ein- oder beidseitige Visusreduktion, die zu Problemen bei der Fixation führt (z.B. Amblyopie, N. opticus- Atrophie, „okulärer Nystagmus“); zentrale Läsionen, insbes. im Hirnstamm-Bereich

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Pathologische Nystagmus-Formen (2)

Spontannystagmus

► immer als pathologischer Nystagmus zu bewerten (Ausnahme: kongenitaler Pendelnystagmus)

► rein vertikaler Spontannystagmus: spricht immer für das Vor- liegen einer zentralen Läsion► rein rotatorischer Spontannystagmus: spricht immer für das Vorliegen einer zentralen Läsion► horizontaler Spontannystagmus: kann durch zentrale wie auch durch periphere Läsionen verursacht werden

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Pathologische Nystagmus-Formen (3)

Blickrichtungsnystagmus

► immer als pathologischer Nystagmus zu werten► Schlagrichtung (horizontal, vertikal, rotatorisch) ergibt Hinweise darauf, ob er durch eine zentrale oder durch eine periphere Funktionsstörung verursacht wird

Endstellnystagmus

► symmetrischer Endstellnystagmus beim Blick nach beiden Sei- ten: meistens bedeutungslose physiologische Variante► unilateraler Endstellnystagmus: als pathologisch zu werten

Horizontalnystagmus

► kann bei peripher-vestibulären wie auch bei zentralen Läsionen auftreten

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Pathologische Nystagmus-Formen (4)

Vertikalnystagmus

► isolierter Vertikalnystagmus: immer Ausdruck einer zentralen Läsion► „Upbeat-Nystagmus“: schlägt mit der raschen Phase nach oben; Ursache: meistens rostral gelegene Hirnstamm-Läsionen, ev. zerebelläre Läsionen► „Downbeat-Nystagmus“: schlägt mit der raschen Phase nach unten; Ursache: meistens kaudal gelegene Hirnstamm-Läsionen► Upbeat- und Downbeat-Nystagmen: i.a. bestehen Oszillopsien

Rotatorischer Nystagmus

► isolierter rotatorischer Nystagmus: immer Ausdruck einer zentralen Läsion; Ursache: z.B. Läsion im Bereich der Medulla oblongata► peripher-vestibuläre Läsionen: häufig rotatorische (Begleit)-Kompo- nente

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Pathologische Nystagmus-Formen (5)

Lagenystagmus

► „richtungsbestimmter“ Lagenystagmus: der Nystagmus schlägt in jeder Kopfposition in die gleiche Richtung (meistens nicht er- schöpfbar); Ursache: i.a. periphere vestibuläre Läsion

► „richtungswechselnder“ Lagenystagmus: der Nystagmus schlägt je nach Kopfposition in unterschiedliche Richtungen; Ursachen: zentrale Läsionen (im Hirnstamm bzw. im Kleinhirn) oder Intoxi- kationen [konstant reproduzierbar], Morbus Menière [unbere- chenbar]

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Pathologische Nystagmus-Formen (6)

Lagerungsnystagmus

► häufigste Ursache: benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel

► ev.: zervikogener Lagerungsschwindel, ausgelöst durch Funktions- störungen im System Halswirbelsäule / kraniozervikaler Über- gang / A. vertebralis / Hirnstamm (in diesem Falle: Richtungs- wechsel des Nystagmus in Abhängigkeit von der Drehrichtung der HWS gegenüber dem Rumpf [Drehen des Rumpfes gegen die fixierte HWS])

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Pathologische Nystagmus-Formen (7)

Dissoziierter Nystagmus

► spricht für eine Funktionsstörung im Hirnstamm und wird oft durch das Vorliegen von (mindestens) zwei Herden ermöglicht► Ursachen: bei jüngeren Patienten in erster Linie Multiple Sklerose, bei älteren Patienten primär vaskuläre Genese► weitere Ursachen: i.R. von internukleären Ophthalmoplegien, beim sog. muskelparetischen Nystagmus, im Zusammenhang mit In- toxikationen

Opsoklonus

► Ursachen: verschiedene Erkrankungen des Gehirns (insbes. des Hirnstamms), Intoxikationen, paraneoplastisch

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Schwindel (1)

Systemischer Schwindel

► Definition: gerichtete Sensation, die sich in Form eines Dreh-, Schwank- oder Liftschwindels manifestiert► Ursachen: häufig akute peripher-vestibuläre Läsionen mit oft ausgeprägtem (Dreh-)Schwindel► gewöhnlich beträchtliche vegetative Begleiterscheinungen (Übel- keit, Erbrechen, Schweißausbrüche, Kollapsneigung)► Schwank-, Liftschwindel: i.R. peripherer wie auch zentraler Läsi- onen möglich

Unsystemischer Schwindel

► spricht für das Vorliegen einer zentralen Läsion► Schwindel oft nur gering ausgeprägt (selbst bei deutlichem Ny- stagmus► vegetative Begleiterscheinungen stehen eher im Hintergrund

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Schwindel (2)

Lageschwindel

► Definition: Schwindelsensationen, die sich ausschließlich oder wesentlich verstärkt in bestimmten Kopfpositionen mani- festieren► oft tritt simultan ein Lagenystagmus auf

Lagerungsschwindel

► manifestiert sich im Zusammenhang mit Änderungen der Kopf- position► hält meistens nur für Sekunden (max. eine Minute) an► oft tritt simultan ein Lagerungsnystagmus auf