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Namen für Rossoschka
Schicksale aus
Stalingrad
erzählt vonFreunden und Förderern
des VolksbundesDeutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
Band12-Stalingrad.qxp:Band12-Stalingrad 18.04.2007 9:57 Uhr Seite 1
Inhalt
Vorwort 8
Kapitel I Ohne Antwort 13
Karin Lütz Papa kommt nichtüber Johannes Paul Kroll 14
Renate Rust Läuse etwas wenigerüber Hermann Rust 19
Emmy Wilmink Unter dem Schirm des Höchstenüber Wilhelm Weege 21
Ingrid Gross Briefe an meinen Sohnüber Erich Felsch 24
Hero Kuck Heute viele Gräber fotografiertüber Heinrich Kuck 31
Peter Hehnke Mein süßes Herzileinüber Willi Schlünz 34
Kapitel II Verlust und Trauer 37
Isolde Fiedler Lasst die Sonne scheinenüber Fritz Göbel 38
Dorle Diesselhorst Abschied vom Herbstüber Ludwig Frick 40
Hannelore Breithor Vaters Briefeüber Ernst Elstermann 42
Doris Fay Bummeln auf der Köüber Hans Kost 44
Schicksale aus Stalingrad 3
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4 Namen für Rossoschka
Ilsemarie Heimbeck Er liebte das Lebenüber Jürgen Turner 47
Gisela Marx Sein Name blieb ungehörtüber Ottmar-Walter Stahlschmidt 48
Luise Schwab Musik war seine Weltüber Karl Dünkelberg 50
Karin Bohl, Marc Staniewski Die unvergessene Träneüber Konrad Faust 53
Wally Striewski Ein Schatten liegt über unsüber Wilhelm Striewski 54
Margarete Tölle Der einzige Bruderüber Alfred Beez 57
Erika Weigel Weihnachtenüber Eberhard Pfeifer 58
Sieglinde Naumann Meine Gedanken waren dortüber Erich Hinkel 60
Marianne Böhm Am Flughafen Wolgogradüber Hermann Bruckmüller 63
Kapitel III Namen für Rossoschka 67
Nico Patric Kittel Ruf aus der Vergangenheitüber Alfred Vollmar 68
Heinz Kiesewetter Ein kurzes Lebenüber Erich Kiesewetter 72
Prof. Dr. Wilhelm Mühlenberg Ein grasgrüner Laubfroschüber Dr. Rudolf Mühlenberg 81
Ralf Dietrich Enkel ohne Großvaterüber Julius Richard Karl Dietrich 87
Gerhard Bethmann Zwei Söhne – Ein Schicksalüber Hermann und Heinrich Harig 89
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Prof. Dr. Dr. Zerstörte LuftschlösserKarl-Heinz Hillmann über Kurt Heinrich Julius Kaatz 91
Otto Hiegel Vermächtnis eines 19-Jährigenüber Robert Hiegel 93
Kapitel IV Letzte Lebenszeichen 99
Eva Wolff Es geht mir langsam besserüber Walter Auert 100
Herbert Thomas Jedes Wort ist Liebeüber Karl Thomas 102
Heidi Vollmer Silvesterüber Max Breuer 108
Isolde Kuhnle Wie die Hölleüber Wilhelm David Gütinger 110
Doris Gambka Kreuze malenüber Ernst Hermann Krämer 115
Dieter Jakob Wir müssen jetzt stark seinüber Karl Suess 121
Hildegard Vollmer Die Tage werden schon wieder länger!über Otger Kobold 122
Hubert Weber, Werner Haas Tränen des Vatersüber Kurt Haas 125
Familie Weise Wer ist noch bei uns?über einen unbekannten Soldaten 128
Wiltraud Wolff Auf Wiedersehen!über Franz Gottwald 132
Eva Warnken Letzter Grußüber Bruno Heinz Helmuth Willrodt 135
Heinz-Günther Risse Mal sehen, was wird!über Heinz Risse 136
Schicksale aus Stalingrad 5
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6 Namen für Rossoschka
Jutta Ziegler Liebe Muttiüber Alf Bernhard Zinner 143
Margarete Riemann Letzte Umarmungüber Ernst Riemann 144
Gisela Schröder Sei nochmals geküsstüber Rudolf Löbel 145
Karin Sigrid Oelrichs Ja, was ist der Mensch!über Heinz Waldemar Becker 148
Lisa Wolter Täglich 200 Gramm Brotüber Harry Wolter 152
Heinz Schwenk Tränen nützen nichtsüber Erich Wilhelm Heinrich Schwenk 154
Waldemar Lauterbach, Wenn es Gottes Wille ist ...Maria Kautz, Josef Hüttemann über Gustav Raab 157
Margret Kreling Mach Dir keine unnötigen Sorgenüber Siegfried Kreling 164
Kapitel V Die Überlebenden 171
Albrecht Appelt Und niemand weinte!über Albrecht Appelt 172
Michael Deiml, Hans Friedlein Stalingradskiüber Michael Deiml 175
Charlotte Esselborn Morgen ist Schluss!über Wilhelm Karl Esselborn 183
Sören Jacobsen Der Himmel über Stalingradüber Sören Jacobsen 188
Hans-Dieter Larbig Aus meinem Lebenüber einen unbekannten Soldaten 190
Franz Nittmann Du hast Glück gehabtüber Franz Nittmann 194
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Schicksale aus Stalingrad 7
Johannes Petzold Nicht mein Name, sondern seinerüber Ewald Bernhard Schönitz 197
Kapitel VI Abschied 201
Ursula Richter Abschied von meinem Vaterüber Günther Nentwig 202
Gerda Dötsch Reise für meinen Vaterüber Heinrich Christian Höllerich 206
Dr. med. Eine Brücke bauenAnnemarie Müller-Andreesen über Hans-Helmut Andreesen 208
Philipp Mertes Wir alle wollen Friedenüber Philipp Mertes 213
Anhang 215
Das Projekt Wolgograd - Rossoschka 216
103 234 Namen mahnen zum FriedenGedenkstätte „Namen für Rossoschka“ eingeweiht 226
Fotoeindrücke 232
Alphabetisches Verzeichnis der Autoren und Zeitzeugen 234
Alphabetisches Verzeichnis der erwähnten Kriegsteilnehmer 236
Bisher in unserer Volksbund-Buchreihe erschienen 238
Impressum 240
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8 Namen für Rossoschka
REINHARD FÜHRERPräsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
VorwortLiebe Leserinnen und Leser!
Die Schlacht um Stalingrad, das heutige Wol go -grad, zählt zu den schrecklichsten und traurigs -ten Er eignissen des Zweiten Welt krieges. Un -säg liches mussten die Menschen erleiden, Un -zäh lige verloren ihr Leben. Tiefer Schmerz er -füllte die Angehörigen der Opfer beider Seiten.Stalingrad ist zu einem Symbol geworden, dasuns daran er innert, wie wertvoll der Frie den ist.
Der Volksbund bemüht sich seit Jahrzehnten er -folg reich, den Kriegstoten würdige Ruhestättenzu geben. Zugleich schaffen wir den Ange hö ri -
gen Orte des Gedenkens. In den kommenden Jahren wird der Volks bund sei -ne Bemü hun gen sogar noch verstärken.
Die Gedenkstätte in Rossoschka ist ein gutes Beispiel für die bisher geleisteteArbeit. In Rossoschka, einem Dorf etwa 30 Kilometer von Wolgograd ent-fernt, begann Anfang der 90er-Jahre der Bau einer weltweit einmaligenKriegsgräberstätte. Seinen vorläufigen Abschluss fand das ehrgeizige Projektam 9. September 2006 mit der Einweihung von 107 Namenwürfeln für über100 000 Vermisste der Kesselschlacht. In den nächsten Jahren werden weite-re Würfel die Namendokumentation vervollständigen.
Für die Angehörigen, die den weiten Weg zur Einweihungsfeier auf sich nah-men, war dies ein ganz besonderer Moment. Das habe ich in vielen persön-lichen Gesprächen deutlich spüren können – und dabei auch viel über die tra-gischen Lebensgeschichten der Verstorbenen erfahren. So war es auch bei der
Reinhard Führer, Präsident desVolksbundes DeutscheKriegsgräberfürsorge e. V.
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Ein weihung der Kriegsgräberstätte im Jahr 1999. Schon damals reifte der Ge -danke, einige dieser Lebensgeschichten in Form eines Erinnerungswerkes fürdie Nachwelt festzuhalten.
So haben wir Mitglieder, Freunde und Förderer des Volksbundes gebeten, unsihre Zeitzeugenberichte für dieses Buchprojekt zur Verfügung zu stellen. DasEcho war beeindruckend: Mehrere tausend Zuschriften haben uns seither er -reicht. Das Material ist sehr facettenreich: Zeitzeugenberichte von Überle -ben den und Angehörigen, Feldpostbriefe, Erklärungen von Dritten, Le bens -läufe, Fotos, Gedichte und Illustrationen.
Für viele war es nicht leicht, sich derart intensiv mit diesem dunklen Kapitelder Geschichte als Teil des eigenen Familienschicksals zu befassen. Mir ist be -wusst, dass das Niederschreiben der persönlichen Leidensgeschichte für vieleAutorinnen und Autoren eine emotionale Hürde bedeutete, die sie als Mah -nung für die kommenden Generationen aber dennoch überwunden ha ben.Da für möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken!
Dieses Zeitzeugenbuch erzählt von Menschen, für die Stalingrad zum Schick -sal wurde. Es ist ein Kaleidoskop der Erinnerung: Im Winter 1942/1943schreiben junge Soldaten ihre letzten Feldpostbriefe an die Hei mat, und wäh-rend die Familie verzweifelt auf Nachricht von ihrem Angehörigen wartet,tobt in Stalingrad der Krieg in einer bis dahin ungeahnten Grausamkeit.Nicht wenige der Briefeschreiber sind tot, bevor ihr Brief seinen Be stim -mungsort erreicht. Und auch die Briefe der Lieben daheim nach Stalingradwerden immer öfter mit dem Vermerk „Unzustellbar – zurück an Absender“gekennzeichnet. Der Beileidsbrief, der dann die traurige Gewissheit brachte,folgte für viele Angehörige erst sehr viel später. Mit ihm beginnt die eigent -liche Trauer, die für viele Betroffene ohne die Einweihung der Namenwürfelund vielleicht auch die Veröffentlichung dieses Erinnerungswerkes für immereine seelische Wunde hinterlassen hätte.
Jedem, der die unendlich langen Reihen der Namen auf den Granitwürfelnsieht, stellt sich die Frage nach den Menschen, die hier ihr Leben ließen. Jedereinzelne Name auf den Steinen ist verbunden mit dem tragischen Schicksal
Schicksale aus Stalingrad 9
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10 Namen für Rossoschka
einer ganzen Familie. Wie viele Frauen verloren ihre Männer, wie vielen Kin -dern fehlten ihre geliebten Väter, wie viele Mütter konnten nicht mehr auf-hören zu weinen? Wer waren die Vermissten von Stalingrad? Wie haben sieund ihre Familien gelebt, gefühlt und gelitten?
Dieses Buch erhebt keinerlei wissenschaftlichen Anspruch. Es ist ein Mo saik -stein unter vielen, der uns hilft, das Leiden der Menschen im Zweiten Welt -krieg besser verstehen zu können. „Gedenket Ihrer und der Opfer aller Krie -ge,“ so steht es auf der Einfriedung der Gedenkstätte Rossoschka. Diese Wid -mung gilt den Toten aller Nationen, so wie unser Gedenken allen Toten, un -ser Mitgefühl allen Angehörigen gilt. Die Mahnung, die von diesem Ort aus-geht, richtet sich an alle Menschen.
Die Schicksale, die in diesem Buch beschrieben sind, stehen beispielhaft fürdas Leid des Krieges und die Trauer der Hinterbliebenen. Die Kriegs gräber -stätte Rossoschka mit dem deutschen und dem russischen Friedhof und derGe denkstätte für die Vermissten zeigt, dass Trauer un teilbar ist. Sie muss dieMenschen nicht entzweien, sie kann sie miteinander verbinden – denn sie istzutiefst menschlich. Unteilbar ist auch der Frieden. Es gibt keinen Frieden,von dem nur eine Seite etwas hat. Frieden verbindet. Deshalb gilt all unserTun der Förderung der Ver ständigung und Ver söhnung zwischen ehemaligenKriegsgegnern. Es gilt der Bewahrung des Gedenkens an die Toten. Und es giltdem Frieden. Mögen die hier abgedruckten Zeitzeugenberichte als mahnendeBeispiele einen be schei den en Beitrag für eine friedliche Zukunft leisten.
Ihr
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KAPITEL I
Ohne Antwort
„Mein innigst geliebter Mann,wenn ich an Dich denke,
muss ich schier vergehen vor Herzeleid. ...“
(Aleida Weege an ihren Ehemann Wilhelm,vermisst seit Januar 1943)
Schicksale aus Stalingrad 13
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14 Namen für Rossoschka
JOHANNES PAUL KROLL
Papa kommt nichtBeitrag eingesandt von Karin Lütz (Tochter).
Johannes Paul Kroll erblickt am 5. März 1918 in
Güttland im Kreis Danzig-Land das Licht der Welt.
Als Obergefreiter dient er im motorisierten Infan -
terie regiment 120. Er stirbt während der Kämpfe,
etwa 35 Kilometer nordwestlich vor Stalingrad,
am 7. Oktober 1942. Beerdigt wird Johannes Paul
Kroll seinerzeit auf dem Soldatenfriedhof in Wer -
tiatschi am Don. Nachfolgend abgedruckt sind
seine letzten Feldpostbriefe an die Familie. Im
An schluss daran folgen zwei Briefe, die seine Ehe -
frau Erna Kroll an ihn schrieb, auf die sie jedoch
nie eine Antwort erhielt.
Brief von Johannes Kroll,geschrieben in Russland am 17. September 1942:Mein liebes Frauchen.Teile Dir mit, dass ich noch gesund und am Leben bin. Liebe Frau, heute am17. September bin ich am Ziel angekommen, ich bin vor Stalingrad. LiebeFrau, wie geht es Euch, seid Ihr noch gesund, was ich doch hoffe? Liebe Frau,heute kann ich Dir nicht meine Adresse schreiben, wer weiß wann ich denersten Brief von Dir bekommen werde. Liebe Frau, heute Abend gehe ich inStellung. Ich hoffe, dass alles gut geht und dass ich gesund wiederkomme.Liebe Frau, ich bin nicht beim Danziger-Regiment, ich bin bei der sechstenDivision. Liebe Frau, was macht unser Dieter? Ist er noch gesund? Liebe Frau,diesen Brief schreibe ich am Don. Liebe Frau, was machen Mutter und Hilla,sind sie auch noch gesund? Wenn Du schreibst, dann grüße sie doch schönvon mir. Jetzt setzen die Russen ein, die Granatwerfer schießen, aber ichschreibe weiter; das kann uns nicht erschüttern. Also liebe Frau, was gibt es
Johannes Paul Kroll, geborenam 5. März 1918 in Güttland,ge fallen am 7. Oktober 1942bei Stalingrad.
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Schicksale aus Stalingrad 15
in Danzig Neues? Wie ist das Wetter bei Euch? Hier ist es am Morgen sehrfrisch und nass und sehr kalt. Liebe Frau, ich wollt, dass erst der Winter vor-bei wäre, denn im Sommer ist es doch besser. Liebe Frau, ich weiß nichtsmehr zu schreiben, und wie ist es mit meinem zweiten Bild, das ich habenmöchte? Sonst, liebe Frau, ist alles beim Alten, bleibt alle schön gesund bis wiruns wiedersehen. Einen schönen Gruß an Vater, Mutter, Hubert und Fritzund Du, liebe Frau, sei tausendmal gegrüßt und geküsst von Deinem Hans.Bitte bald Antwort.
Brief von Johannes Kroll,geschrieben in Russland am 21. September 1942:Meine liebe gute Frau!Teile Dir mit, dass ich gesund bin und am Leben. Liebe Frau, wie geht es Dir?Bist Du gesund und Dieter auch? Grüß mir den Bengel, und Mutti soll ihnnicht so viel verwöhnen, sonst, wenn ich komme, dann kriegst Du aber was,liebes Muttchen. Ich weiß Dir wirklich nichts zu schreiben, aber ich will Dirdoch wenigstens zeigen, dass ich noch lebe. Liebe Frau, wie hast Du denMontag verlebt? Ich bin ganz gut über den Montag gekommen, denn ichweiß gar nicht, ob es Montag war. Liebe Frau, ich bin in der vorderstenStellung, ich bin ungefähr 500 Meter von den Russen weg. Wenn ich durchmein Fernglas gucke, sehe ich sie ganz genau. Liebe Frau, hier geht es ganzlebhaft zu. Es knallt ganz schön und der Dreck fliegt über uns, aber das kannuns nicht erschüttern. Liebe Frau, hier sind viele von Danzig, die Jungen vomJahrgang 24. Die solltest Du mal sehen, wie die an Leib und Seele zittern. Dahilft alles nichts, es heißt jetzt durchhalten. Liebe Frau, was gibt’s Schönes inder Heimat, und weißt Du, liebe Frau, wir sind hier umzingelt. Nun krachtes von allen Seiten, die sind nicht zu besiegen. Ein Korps sammelt sich, sozwanzig-dreißig, dann geht es wieder weiter. Liebe Frau ich sehne mich sosehr nach einem anständigen Bad und das Beste, ein Bett. Liebe Frau, wennDu abends zu Bett gehst, dann denke, ich bin im Erdloch, gewaschen habeich mich eine Woche nicht mehr, aber das merkt man schon nicht mehr.Sonst, liebe Frau, ist alles beim Alten. Schicke mir bald ein Bild von Euch bei-den. Liebe Frau, dieser Brief ist noch nicht voll, aber was soll ich noch schrei-ben. Nun, liebe Frau, sei tausendmal gegrüßt und geküsst von Deinem Hans.Bitte bald Antwort, und Rauchen und Zündhölzer.
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16 Namen für Rossoschka
Brief von Johannes Kroll,geschrieben in Russland am 5. Oktober 1942:Mein liebes Muttchen,da ich jetzt Posten stehe, will ich Dir gleich ein paar Zeilen schreiben. LiebeFrau, ich bin noch gesund und am Leben, und hoffe von Euch das Gleiche.[…] Ich weiß nicht ob es Sonntag oder Montag ist, hier weiß einer von demanderen nichts. Hoffentlich ist der Krieg bald zu Ende, dass wir erst wissen,dass überhaupt noch Menschen sind. Liebes Frauchen, die Russen sind nichtso schlimm wie die verdammten Läuse, die fressen uns bald auf. […] Vom 17. September bis jetzt erst einmal gewaschen, die Hände sehen nochschlimm aus. […] Liebe Frau, gestern von 4 Uhr abends bis 6 Uhr früh imErdloch gelegen. Ich hatte Wache von 5 bis 8 Uhr, ich stand mit meinem Ma -schi nen gewehr und war voll mit meinen Gedanken bei Euch. Aus meinenGedanken ge rissen wurde ich, als die Russen mit einem Gewehr zwei Metervor mir wa ren und ich lag in der Ecke in meinem Graben und es ging gut,bin wieder auf dem Posten. Nun, liebes Mütterchen, mache dir keine Sorgen,denn es geht alles vorüber. Ich nehme an, dass wir uns bald wieder sehen.Also, liebes Mütterchen, sei Du und unser Dieterchen, seid tausendmal ge -grüßt und ge küsst von Deinem Hans.Grüße an alle.Bitte bald antworten.
Brief von Erna Kroll,geschrieben in Oliva/Danzig am 3. Novem -ber 1942:Mein lieber guter Mann!Da ich seit dem 5. Oktober keine Nachrichtvon Dir habe, muss ich nochmals zur Feder grei-fen und Dich anfragen, was eigentlich los ist!Lie ber Mann, ich bin schon ganz krank, denn so lange hast Du mich noch nicht warten lassen.Selbst Dein kleiner Junge muss etwas merken,denn der fragt immerzu nach seinem Papa,immer sagt er: „Papa kommt nicht.“ Dem Bo -ten gehen wir beide schon immer entgegen,
Erna Luise Kroll, geb. Richert,geboren am 14. April 1922 inOliva/Danzig.
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Schicksale aus Stalingrad 17
aber immer ist nichts für mich. An meiner Schrift kannst du erkennen, wieaufgeregt ich bin. Lieber Papa, hast Du denn von mir noch keine Nachricht?Es sind doch ein Teil Briefe unterwegs und unser Bild hast Du auch nochnicht. Lieber Mann, Du schreibst mir, ich soll Dir Pulswärmer schicken undden Koffer. Den Koffer habe ich ja noch nicht, aber ich kann das ja nichtschicken, wenn ich keine Freimarken habe, sei doch so gut und schicke mirwelche. Sonst, mein lieber guter Mann, sind wir noch alle gesund und ichhoffe, dass es Dir auch gut geht. Henni hat heute geschrieben. Er hofft DichWeihnachten zu sehen. Fritz schreibt uns, dass es zu Hause doch schöner sei,was Du ja auch eingesehen hast, wie auch Henni. Sonst, mein lieber guterMann, wüsste ich nichts Neues. Sei mir nicht böse, weil ich schon schließe,aber ich bin zu müde, denn Dieter der macht mit mir so ein paar Kilometerden Tag. Manchmal ist er so ein richtiger Schmutzfink. Ich wünsche Dir nunalles Gute, mein lieber Mann, und lass mich doch nicht mehr so lange warten.Sei nun tausendmal gegrüßt und geküsst von Deiner Frau und Söhnchen.Viele Grüße von Vater, Mutter und Hubert. Auch Fritz und Henni lassengrüßen.Gute Nacht!
Brief von Erna Kroll,geschrieben in Oliva/Danzig am 18. November 1942:Mein lieber guter Mann!Zur späten Abendstunde will ich Dir noch ein paar Zeilen schreiben. Habeseit dem 5. Oktober noch immer keine Nachricht von Dir! Aber trotzdemgebe ich die Hoffnung nicht auf, denn ich hoffe immer, dass wir uns wiedersehen. Lieber Mann, es ist für mich bestimmt nicht leicht ohne Nachrichtvon Dir. Dieterchen ist krank, der ruft so oft nach Dir, und ich geh jetzt aufsLetzte. Du kannst verrückt werden, besonders wenn ich dann mal so alleinesitze. Am Tage muss ich Dieterchen öfters Dein Bild geben, tue ich das nicht,so brüllt er mich an: „Papa gucken.“ Nie hat das Kind so oft nach Dir gefragtwie seit der Zeit, wo ich ohne Nachricht von Dir bin. Wenn ein Brief kommtvon Henni oder Fritz, schreit Dieterchen „Papa“. Dann meint er, Du hastgeschrieben. Lieber Papa, hast Du auch noch keine Nachricht von mir? Auchnoch kein Päckchen und auch noch nicht unser Bild? Von all dem was ichDir geschickt habe weiß ich gar nicht, ob Du überhaupt etwas erhalten hast.
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18 Namen für Rossoschka
Ich habe mich schon so gefreut, dachte mit Dirdas Weihnachtsfest zu verleben, und nun blei-ben sogar Deine Briefe aus. Mutter fragt auchschon immer an, ob ich etwas von Dir weiß,und immer wieder muss ich ihr schreiben: Habenoch nichts erhalten. Sonst sind wir gesund au -ßer Dieterchen. Fritz kommt Weihnachten auchnicht in Urlaub, der kommt in diesen Tagenraus nach Frankreich. Der bangt sich so sehrnach Dieterchen. Ich musste ihm schon ein Bildschicken. Henni bekam heute das Pan zer kampf -abzeichen in Bronze. Er weiß noch gar nichtsdavon, denn die Kompanie hat es hier nach
Hau se geschickt, weil sie nicht wissen, wo er steckt. Gestern war wiederAlarm nach langer Zeit. Bin aber nicht raus gegangen. Einen ordentlichenKeller haben wir ja nicht und bei der Kälte werde ich mir ja nicht den Todholen und dann noch mit Dieterchen. Sonst, mein lieber guter Mann, wäreweiter […] [Abruptes Ende des Briefes; Anm. d. Red.]
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Die Kinder der Familie Kroll:Dieter und Karin.
Ausschnitt vom Original des letzten Briefes von Johannes Kroll, geschrieben in Russlandam 5. Oktober 1942.
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