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N°93 - 09.2018

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N°93 ­ 09.2018

Prozessbericht zum ersten Urteil gegen Jan

"Bin ich für dich (k)ein Mensch?" – Solidarität für die Antipsychiatrie Bewegung

Stellt euch eine Welt ohne Bullshit-Jobs vor – David Graeber über Gewerkschaften, Automatisierung und die "Pflegeklasse"

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Editorial

02 [ ] Gai DàoN°93 — September 2018

Chemnitz, eine 240 000-Einwohner*innen-Stadt, war für mehrere Tage in der

Hand eines Nazi-Mobs. Wir müssen das als Zeichen sehen, uns auf mehreren

Ebenen anzustrengen. Sowohl durch strategische Bündnisse mit gemässigteren

Teilen der Gesellschaft und Jugendarbeit, aber auch Selbstschutz. Es gibt diesen

fiesen Nazi-Sticker: “Liebe Antifa: Ohne Polizei wärt ihr alle tot”. Vielleicht gibt

es Situationen in denen das stimmt, aber wir können uns nicht auf den Staat

verlassen, da der Deutsche parlamentarische Kapitalismus erwiesenermassen

nach rechts ziemlich offen ist.

Jan aus Nünberg (siehe GaiDao #88) wurde verurteilt, wegen Widerstands ge-

gen Vollstreckungsbeamte. Leider war die Strafe der eifrigen Staatsanwaltschaft

noch zu mild und sie ist in Berufung gegangen. Jan, wir wünschen dir und al-

len anderen viel Kraft!

Das Sommerloch ist vorbei! Die GaiDao ist mit 32 Seiten wieder merklich vol-

ler. Wir freuen uns, dass mit den Beiträgen über Psychatriekritik und dem In-

terview mit dem ABC Dresden gleich zwei Themenstränge weitergeführt

werden, die in der letzten GaiDao angefangen wurden.

Dazu fällt mir ein, dass wir in unseren Kollektiven häufig Menschen mit psy-

chosozialen Problemen haben. Manchmal ist zumindest mir nicht ganz klar, ob

wir Anarchist*innen dafür anfälliger sind, weil uns die einfachen Erklärungs-

muster für die Probleme derWelt fehlen, oder ob der Anarchismus einfach eher

sensible/traumatisierte Menschen anzieht. Oder ist das alles Quark und alle

“modernen” Menschen haben einen Knacks, reden aber nicht darüber und die

Psychatrie wird als Unterdrückungsmechanismus verwendet? Auf jeden Fall ist

unser Wohlbefinden ein wichtiges Thema, das wir nicht vergessen dürfen, weil

viele Leute spätestens bei der nächsten Midlifecrisis dann doch lieber Yoga ma-

chen (nix gegen Yoga, ihr wisst was gemeint ist…), anstatt im Plenum auf eine

bessere Welt hinzuarbeiten.

Wir freuen uns über Artikel für kommende Schwerpunktthemen:

● Repression und Antirepressionsarbeit

● Gesundheit: wie könnte eine alternative Gesundheitsversorgung orga-

nisiert sein?

● Konkrete Beispiele anarchistischer Praxis/Projekte

hamo von die GaiDao-Redaktion

ÜBER UNS

Gai Dào ist die monatliche

Zeitschrift der Föderation deutsch-

sprachiger Anarchist*innen (FdA).

Sie versteht sich trotzdem als autonomes

Projekt, das auch Menschen, Gruppen und

Strukturen offensteht, die kein Mitglied der

FdA sind, sofern sie die Ideen des

Anarchismus und die Prinzipien der FdA

unterstützen, gerne auch solidarisch-

kritisch.

Die Gai Dào bietet einen

monatichen Querschnitt von Theorie und

Praxis der anarchistischen und ihr

nahestehender Bewegungen auf lokaler

und besonders auf internationaler Ebene.

Dabei versteht sich Gai Dào als

explizit pluralistisches Medium, das Raum

für verschiedene anarchistische Ström-

ungen bietet, sowie darüber hinaus allen,

die sich für eine Überwindung der

bestehenden Verhältnisse, hin zu einer

befreiten Gesellschaft einsetzen.

Wir freuen uns immer über Artikel,

Rezensionen, Gedichte, Aufrufe, Fotos oder

Zeichnungen. Besonders freuen wir uns

über Menschen, die dauerhaft an der

Gaidao mitarbeiten wollen, sei es als

regelmäßige*r Autor*in, Übersetzer*in

oder im Layout.

Wir behalten uns natürlich vor, zuge-sandte

Beiträge nicht zu veröffentlichen, die

unseren Prinzipen im Besonderen und die

des Anarchismus im Allgemeinen

entgegenstehen oder diese unsolidarisch

diffamieren.

Alle Ausgaben unter:www.fda-ifa.org/gaidao

Impressum:

Herausgeber*innen: [ ] Gai Dào - RedaktionskollektivV.i.S.d.P.: Gai Dao

c/o Alarm e.V.Postfach 10 01 6177621 Offenburg

Druck und Verlag: EigenverlagErscheinungsweise: monatlichKontakt: [email protected]

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03[ ] Gai DàoN°93 — September 2018

Inhalt

04 Prozessbericht zum ersten Urteil gegen

Jan

Das Urteil gegen Jan wurde verkündet,

Staatsanwaltschaft legt Berufung ein

08 Jans Prozesserklärung vom 2. August 2018

30 Kurznachrichten

09 Proudhons Paris – Eine touristische

Annäherung

13 Interviewmit dem Anarchist Black Cross

Dresden

18 Leistungsdruck im Manga "AliceAcademy. Mode als ideologischer StoffErziehung zum Gehorsam im japanischen

Comic "Alice Academy"

28 Rezension zurQueerulant_in #10

30 Die Circle-A #5 ist da!

19 StelltEuch eineWeltohneBullshit-Jobs vorDavid Graeber über Gewerkschaften,

Automatisierung und die "Pflegeklasse"

24 "Bin ich für dich (k)ein Mensch?" –Solidarität für die AntipsychiatrieBewegung!

31 FdA hautnahRegelmäßige Termine der FdA-Mitglieder

Eigentumsvorbehalt

Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Broschüre solange Eigentumder/des Absender*in, bis es den Gefangenen ausgehändigt worden ist.„Zur-Habe- Nahme“ ist keine Aushändigung im Sinne des Vorbehalts.Wird die Broschüre den Gefangenen nicht persönlich ausgehändigt, istes der/dem Absender*in mit dem Grund der Nichtaushändigung zu-rückzuschicken.Verteiler*in bzw. Absender*in ist nicht identisch mit den Ersteller*in-nen.

Hinweis zur Sprache:

Das in den Texten verwendete „*innen“ (Gender Gap) soll die Funk-tion haben, dass nicht nur weiblich oder männlich sozialisierte Men-schen beachtet werden, sondern auch Menschen, die sich selbstzwischen bzw. außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit verorten.

FdA/IFA

Weltweit

TermineBewegung

Kultur & Alltag

Kultur & Alltag

Analyse & Diskussion

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04 Gai DàoN°93 — September 2018

Prozessbericht zum ersten Urteil gegen JanAm 2. August 2018 fand der Prozess gegen Jan vor dem Amtsgericht Nürnberg statt. Für“Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte” im Rahmen der Abschiebeblockade vom 31. Mai 2017wurde er zu 2.700 Euro Geldstrafe verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte 6 Monate Haft ohneBewährung gefordert und ist offensichtlich entschlossen, die Freiheitsstrafe trotz der mauenBeweislage doch noch durchzusetzen: Eine Woche später ging sie in Berufung gegen das Urteil.Es ist also wieder alles offen.

Zum 31. Mai 2017, als 300 Schüler*innen und andere Akti-vist*innen versuchten, die Abschiebung eines Berufsschü-lers nach Afghanistan zu verhindern, gab es bisher schonvier Gerichtsverfahren. In jedem davon wurden die Ange-klagten vom Gericht beispielsweise für Widerstand, ge-fährliche Körperverletzung, tätlichen Angriff undähnlichen scharf klingenden Vorwürfen für “schuldig” be-funden und erhielten hohe Strafen wie Geldzahlungen, Ar-beitsstunden und bis zu 9 Monate Knast (ausgesetzt zurBewährung auf 3 Jahre).Nicht nur diese Urteile wiesenbereits auf den hohen Belas-tungs- und Verurteilungswillenhin, von dem wir auch bei JansProzess befürchteten, dass Ge-richt und Staatsanwaltschaft ihnverfolgen würden. Auch die Tat-sache, dass der Richter KuchAnfang des Jahres Nachermitt-lungen anordnete, stimmte dar-auf ein, dass sie Jan unbedingtdranbekommen wollten. Zu-rückgezogen wurde die Aktedeshalb, weil dem Richter dieBeweislage nicht ausreichte, umStraftaten in Jans Handeln zuerkennen. Was zunächst viel-leicht gut klingt und darauf hof-fen ließ, dass es dem Staatschwerfallen würde, etwas ge-gen Jan zu konstruieren, erwiessich im Prozess schlicht undeinfach als Versuch, die Beweis-lage gegen Jan noch so gut wie möglich zu verdichten, umdie Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung zu erhöhen. Of-fensichtlich auch mit Absprachen der Zeugen untereinan-der und Vorwürfen, die so abstrus waren, dass selbst dieStaatsanwaltschaft sie zum Schluss fallen ließ, wie im Lau-fe dieses Berichts deutlich werden soll.

Eine andere Besonderheit waren die schikanösen Aufla-

gen, wie sie im Mai31-Zusammenhang erst einmal in ähn-licher Form angeordnet worden waren: Nämlich bei demProzess gegen Sercem im Oktober vergangenen Jahres. Wiedamals standen nun für alle Unterstützer*innen und selbstdie Verteidigung doppelte Einlasskontrollen an, inklusiveAbtasten des Körpers, Kopieren der Personalausweise –sehr zur Freude des Staatsschutzes – und dem Verbot,Schreibmaterial mit in den Gerichtsaal zu nehmen. BeimProzess gegen Jan, den die Bullenzeugen in ihren Aussagen

mehrmals als “den Punker” titu-lierten, wurde außerdem erlas-sen, dass “verwahrlosten undalkoholisierten Personen” derZutritt verwehrt werde, ebensowie solchen, die in einem “pro-vozierend erscheinenden Auf-zug” erscheinen würden.

Breite Unterstützung & Soli-darität

Vor Beginn der Gerichtsver-handlung organisierte dasNürnberger Antirepressions-Bündnis “Widerstand Mai 31 –Solidarität ist kein Verbrechen”eine Kundgebung, an der sichknapp 100 solidarische Men-schen beteiligten. Trotz etwaswackeliger Technik wurden etli-che Reden gehalten, die denkrassen Verfolgungswillen durchPolizei und Staatsanwaltschaft

thematisierten, oder auch die Funktion von Knast undStrafe und die Notwendigkeit, diese zu überwinden. In denkleinen Gerichtssaal, in dem verhandelt wurde, drängtensich anschließend rund 40 kritische Prozessbeabachter*in-nen. Durch das hohe Interesse und die enormen Sicher-heitsvorkehrungen hatte die Verhandlung schon langebegonnen, bevor die Zuschauer*innenbänke voll besetztwaren.

Von: Ausbruch Aufbruch Anarchie – Freiheit für Jan und alle anderen

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05Gai DàoN°93 — September 2018

Gleich zu Beginn der Verhandlung verlas Jan seine Prozes-serklärung, um vorweg die politischen Beweggründe zuschildern, die mensch aktiv werden lässt gegen Abschie-bungen: Er thematisierte die zum Himmel schreiende Un-gerechtigkeit von Machtverhältnissen, die Gewalt gegenMenschen zulassen und fördern. Egal ob es sich um Ab-schiebungen und deren Folgen handelt, um die Verschlep-pung anarchistischer Genoss*innen in Argentinien oderPolizeigewalt. Gesetze, die eine solche Logik festschreiben,sollten gebrochen werden!Das Publikum applaudierte heftig, was den Richter verlei-tete, cholerisch mit der Räumung des Saales zu drohen. Inseinen Augen missachte dies die Ordnung des Gerichtesund sei respektlos dem Angeklagten gegenüber. Nach kur-zem Lachen aufseiten des Publikums begann die Verneh-mung der Zeugen.

Über prügelnde Bullen und abgestimmte Zeugenaussa-gen

Alle vier geladenen Zeugen sind (männlich* gelesene) Poli-zisten, die am 31. Mai im Einsatz waren. Aufgrund derNachermittlungen gingen wir bereits davon aus, dass sichdie Zeugenaussagen nicht groß unterscheiden würden,sondern gut aufeinander abgestimmt wären. Jedoch gab eseinen klaren Unterschied zwischen den Aussagen derStreifenbullen (Balin und Böhner) und denen der geschlos-senen Einheiten (E-Zug Erlangen).So waren die Aussagen der ersten beiden Streifenbeamtenvor allem durch fehlende Erinnerungen und vage Be-schreibungen ausgezeichnet. Sie schilderten hauptsächlichdie “chaotischen Situation” vor Ort. Trotzdem wollte einervon ihnen irgendwie gesehen haben, wie Jan in RichtungPolizeikette geschlagen habe, konnte dabei jedoch nicht sa-gen, ob der vermeintliche Schlag jemanden getroffen hatte.Der zweite Zeuge Böhner war dem Publikum schon ausdem letzten Verfahren gegen einen anderen Aktivisten des31. Mai bekannt. Bei jenem Verfahren wurde festgestellt,dass dem Angeklagten keine gewalttätigen Handlungenangelastet werden können, dem Cop aber sehr wohl. Böh-ner hatte mit seinem Schlagstock auf den Aktivisten einge-prügelt, wie damals auch das Gericht nicht leugnenkonnte. In Jans Prozess bestätigte sich die Vorliebe Böhnerszu Gewalt erneut: Mithilfe einer der vielen Videoaufnah-men, die das Geschehen des 31. Mai dokumentieren, soll-ten Beweise für Jans angebliche Straftaten gesichtetwerden. Statt jedoch Gewalt zu zeigen, die von Jan aus-ging, ist ein Schlag mit dem Ellenbogen in Jans Gesicht zusehen – ausgeführt von ebenjenem Böhner, der sich schonzuvor durch Schläge profiliert hatte. “Verpassen Sie demAngeklagten da einen Ellbogen-Check?!” witzelte derRichter ziemlich unbeschwert bei diesem Anblick. GegenBöhner wurden wegen dieser Vorfälle interne Ermittlun-

gen geführt. Wie nicht anders zu erwarten, waren dieseaber bereits eingestellt, bevor bei den Genoss*innen dieAnklageschriften eintrudelten.

Während die ersten beiden Streifenbullen also eher unzu-sammenhängend erzählten und so gut wie keine Erinne-rungen an die Abläufe des Tages mehr zu haben schienen,sagten die darauf folgenden Erlanger USKler Schwemmleund Koch sehr gezielt und belastend aus. Generell fiel auf,dass zunächst ziemlich hoch gepokert wurde, um Jan zubelasten: Zunächst behaupteten sie “gezielte Schläge mitder Faust in Richtung der Köpfe” von Beamt*innen gese-hen zu haben. Je länger sie durch die beiden Verteidigerbefragt wurden, desto mehr relativierten sie jedoch ihreeigenen Aussagen und sprachen schließlich nur noch voneinem “Umherfuchteln” Jans mit seinen Armen. Ebensoverhielt es sich mit der Behauptung, Jan habe “massivenWiderstand” geleistet; hieraus wurde die Feststellung, dasser wohl nur seine Arme ein wenig gedreht und gewundenhabe.

Die Aussagen der beiden ähnelten sich erstaunlich stark.Während der erste USKler Schwemmle jedoch nach undnach zurückruderte und seine Aussagen unter dem Druckder Verteidigung so nicht aufrechterhalten konnte, wirkteKoch in seinem Vorgehen, Jan zu belasten, sehr stringentund routiniert. Er stützte die vorhergehenden Angaben vorallem darin, wo Schwemmles Aussagen Lücken gelassenhatten.

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06 Gai DàoN°93 — September 2018

Dass sich Cops bei Gerichtsverfahren absprechen, ist na-türlich nichts Neues. In diesem Fall aber spielten die Ab-sprachen trotz ihrer Offensichtlichkeit im Urteil am Endekeine Rolle. So wurde im Verfahren durch die Verteidigeraufgedeckt, dass sich die USKler das Video bei der zweitenZeugenerklärung infolge der Nachermittlungen gemein-sam angesehen hatten, um ihre “Erinnerungen aufzufri-schen”. Eigentlich verbietet die Strafprozessordnung einegemeinsame Vorbereitung von Zeug*innen. Aber natürlichgelten die eigenen Regeln für den Staat nur dann, wenn sieihm in den Kram passen. Jans Verteidigung stellte dahereinen Antrag, dass diese Zeugenaussagen nicht in das Ur-teil einfließen dürften.

Anscheinend sah der Richter das anders. Die Verurteilungvon Jan wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt*in-nen stützte sich nämlich genau auf die vorausgegangenenAussagen. Zwar sei auf den Videos keine Widerstands-handlung zu sehen, der Vorfall habe sich aber wohl ereig-net, als zufällig keine Kamera in der Nähe war. Damithaben wir ein ziemlich klassisches Verfahren gegen einenlinken Aktivisten, wie es gewiss keine Seltenheit sind: Kei-ne der Videoaufnahmen liefert belastendes Material, so-dass lediglich über abgesprochene Zeug*innenaussagenirgendeine Straftat verurteilt werden kann, und zufälliger-weise fehlen diese Sekunden auf den Videoaufnahmen.

Staatsanwaltschaft legt Berufung ein

Aufgrund der mauen Beweislage versuchte die Verteidi-gung in einem Rechtsgespräch Richter und Staatsanwalt-schaft von einem Freispruch bzw. einer Einstellung zuüberzeugen. Die Staatsanwältin lehnte dies (nach Rück-sprache mit ihrem Vorgesetzten) jedoch ab, da sie der Mei-nung waren, für solch schwere Vorwürfe müsse es dochmindestens eine Freiheitsstrafe geben. Dementsprechend

plädierte die Verteidigung auf Freispruch, während dieStaatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von 6 Monate ohneBewährung forderte. Wohlgemerkt: Auch die Staatsan-waltschaft sah keine Hinweise auf tätlichen Angriff oderversuchte Körperverletzung. Der Vorwurf des Widerstan-des reichte für diese Forderung.Der Richter folgte der Staatsanwaltschaft in seinem Urteilnicht. Er legte eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzenà 30 € fest. Der Staatsanwaltschaft passte dies nicht – sielegte Berufung ein. Noch ist leider nicht klar, ob sie dengesamten Prozess anfechten wollen oder nur ein höheresStrafmaß für den bereits “festgestellten” Widerstand errei-chen wollen.

Jans Prozess war nun schon der dritte zum31. Mai, nach welchem gegen das UrteilBerufung eingelegt wurde. Bei Jan und ei-nem weiteren Aktivisten erfolgte diesedurch die Staatsanwaltschaft, in einemFall durch die Verteidigung (Hier war einejunge Frau* zu 8 Monaten auf 3 Jahre Be-währung verurteilt worden, die das ersteMal überhaupt polizeilich in Erscheinunggetreten war, dafür aber per Öffentlich-keitsfahndung gesucht wurde).Bemerkenswert ist hierbei vor allem, dassdie Staatsanwaltschaft bei den beiden an-deren Berufungen bereits hohe Strafen er-reicht hatte. Zum Beispiel bei demAktivisten, dem letztlich nicht mehr vor-geworfen werden konnte, als sein Fahrrad

in der Nähe der Cops geschoben und dabei irgendwie et-was blockiert zu haben. Dass letzterem Aktivisten – übri-gens am Ende auch “nur” wegen Widerstand – 8 MonateFreiheitsstrafe (auf 3 Jahre Bewährung) und eine vierstelli-ge Geldstrafe aufgebrummt wurden und die Staatsanwalttrotz dieses scharfen Urteils in Berufung gegangen ist –deutlicher könnte sich der staatliche Verfolgungswillenwohl kaum zeigen.

Keine Abschiebungen und keine Knäste – egal wohin,egal für wen!

Nachdem der Staat bereits auf allen Ebenen Verleumdun-gen gegen die Antirassist*innen vom 31. Mai gefahren hatund die vormals noch einigermaßen solidarische Öffent-lichkeit über ein Jahr nach den Vorfällen immer weiter ab-geflaut ist, soll nun offensichtlich ausgelotet werden, wieweit sich die verschärfte Gesetzgebung und ein sich rasantnach rechts bewegendes gesellschaftliches Klima zur Ver-folgung politischer Feind*innen nutzen lassen können.Und so reiht sich auch dieser Prozess und das Urteil gegenJan in eine lange Reihe von Versuchen ein, den 31. Mai im

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07Gai DàoN°93 — September 2018

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Nachhinein als eine von der linksautonomen Szene verur-sachte und kontrollierte, “blinde Randale” darzustellen, an-statt als den breiten, auch und vor allemzivilgesellschaftlich getragenen Widerstand gegen einemenschenverachtende Asylpolitik, der an diesem Tag soviele Menschen berührt und erreicht hat. Doch dass sichnoch mehr Menschen als die marginalisierte Linke an denrassistischen Zuständen in Bayern und Deutschland stö-ren, das hat die regierende CSU ja auch unabhängig vom31. Mai schon immer konsequent negiert. Erst am 14.8. istvon München aus wieder ein Abschiebeflug nach Afgha-nistan abgehoben, ungeachtet des Protestes hunderter Ab-schiebegegner*innen.

Mensch darf sich also spätestens jetzt darauf einstellen,weiter und noch heftiger gegen den tödlichen Rassismushier zu kämpfen – ebenso wie gegen die schärfer werden-de Repression gegen all jene, die sich dem entgegenstellen.Knast wird dabei als schärfstes Mittel eingesetzt, die Ein-haltung der herrschenden Verhältnisse zu erzwingen:Durch Freiheitsstrafen (oder auch nur die Drohung damit)sollen Menschen davon abschreckt werden, aktiv zu sein.Denn dem System der Strafe kommt im bürgerlich-demo-kratischen Staat eine tragende Bedeutung zu: Mit seinerHilfe werden die gegenwärtigen Machtverhältnisse legiti-miert, geschützt und gestützt.

So kann leider auch in Jans Repressionsfall noch keineEntwarnung in puncto Knaststrafe gegeben werden – ganzdavon abgesehen, dass selbst bei einer Beibehaltung diesesUrteils noch immer die Möglichkeit besteht, dass seine Be-währung widerrufen wird. Der Staat hat ihn längst alseinen optimalen Schuldigen ausgemacht.

Die Nürnberger BILD-Zeitung hat dieses Spiel übrigenswunderbar mitgespielt, als sie am Tag nach dem Prozessunter einem großen Bild von Jan titelte: “Linker Chaotgreift Polizisten bei Abschiebung an – und bleibt dennochauf freiem Fuß”. Ungeachtet des tatsächlichen Schuld-spruchs (ohne dass wir dessen Wahrheitsanspruch oder dieUrteile irgendeines Gerichts legitimieren wollten), war indem Zeitungstext von “brutalem Zuschlagen nach Polizis-ten” zu lesen. Willkommen im postfaktischen Zeitalter!

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08 Gai DàoN°93 — September 2018

Nicht die Ungerechtigkeit ist das Schlimmste, sondern dasssie hingenommen wird.

Wie mehrfach in vergangenen Prozessen zum WiderstandMai 31 von Seiten der Justiz geäußert wurde, soll nicht daspolitische Engagement der angeklagten Aktivist*innen be-straft werden, sondern deren aktive Gesetzesübertretung.Das ist eine Lüge, getragen durch Absprachen zwischenStaatsanwaltschaft und Polizei. Denn wir alle haben andiesem Tag nichts anderes getan als uns aus Mitgefühl undSolidarität um denWagen herumzustellen.Um zu verhindern, dass Asif diesen Ort verlassen muss;den Ort, an dem er glaubte eine Perspektive zu haben undversucht hat sich etwas aufzubauen, nachdem er den Ver-hältnissen in Afghanistan entkam und einen beschwerli-chenWeg hierher bestritt.

So wie Asif geht es vielen Menschen, die in ähnlichen Ver-hältnissen wie in Afghanistan aufwachsen. Diese Verhält-nisse sind nicht gottgegeben, sondern es wird Armut insogenannte Drittweltländer durch westliche Politik expor-tiert.Jetzt, wo die globalen Auswirkungen zu spüren sind, wiewir sie in den Menschen sehen, die in die Länder kommen,die Jahrhunderte von Ausbeutung und Unterdrückungprofitiert haben, wird eine verachtenswerte Kampagnekonsequent durchgezogen von Seiten der Politik.Die Folgen unseres Handelns schlagen uns jetzt entgegenund die europäischen Nationalstaaten versuchen, auch imallgegenwärtigen Rechtsruck mit aller Härte zurück zuschlagen und nehmen dabei den unmittelbaren Tod tau-sender Menschen billigend in Kauf.Es ist offensichtlich, dass Menschen nach besseren Bedin-gungen streben, statt permanent unter Hunger und Angstzu leiden, und dass sie sich dafür einen neuen Ort zu lebensuchen.Und dabei ist es auch egal, woher ein Mensch kommt, obaus sogenannten „sicheren Herkunftsländern“, OsteuropaoderWestafrika.

Denn Flucht bedeutet nie Spaß und kein Mensch ist illegal.

Wenn Menschen wegen ihrem Bestreben nach einer besse-ren Welt, wie zum Beispiel in Argentinien der AktivistSantiago Maldonado, von der Regierung verschleppt undermordet werden, macht mich das wütend und traurig.Wenn Menschen in Deutschland aufgrund ihrer Hautfarbevon Rassisten ermordet werden, wie zum Beispiel Oury

Jalloh, macht mich das wütend und traurig. Wenn Men-schen abgeschoben werden und deshalb Selbstmord bege-hen, macht mich das wütend und traurig. WennMenschen, die sich zusammen gegen eine Abschiebungaussprechen, verprügelt und mit harten Anklagen kon-frontiert werden, macht mich das wütend und traurig.

Es lässt mich aber auch hoffen, denn 300 Menschen andiesem Tag und noch viel mehr Menschen nach diesemTag zeigten und zeigen sich weiterhin solidarisch mit Asifund den angeklagten Menschen, kämpfen gegen Abschie-bungen, Unterdrückung und Repression.

An diesem Tag, der wohl ein Stück weit eingeht in dieNürnberger Menschenunrechtsgeschichte, standen wir umdas Auto in der Gewissheit, dass Asif abgeschoben werdensoll. Wir waren fest entschlossen, das nicht geschehen zulassen und das, ohne jemanden zu Schaden kommen zulassen. Jedoch konnten wir nicht damit rechnen, dass unsmit solcher Brutalität entgegengetreten würde in Form vonscharfen Hunden, Pfefferspray und dem Einsatz der Knüp-pel.

UND dass diese Schläger*innen von Seiten des Staates malwieder keine Konsequenzen zu fürchten brauchen, wiraber die komplette Härte des vermeintlichen Rechtsstaateszu spüren bekamen in Form von psychischer wie physi-scher Gewalt sowie schärfster Verurteilung.Wenn das, was wir an diesem Tag getan haben, nämlicheinen Freund vor der Abschiebung zu bewahren, Gesetzegebrochen haben soll, sind sie das Papier nicht wert, aufdem sie geschrieben sind. Ein solcher Umgang mit Men-schen von Seiten der Obrigkeiten sollte für eine jede Per-son, die Mitgefühl empfindet, nicht hinnehmbar sein, dennwenn Recht zu Unrecht wird, wirdWiderstand zu Pflicht.

Somit bleibt mir zum Abschluss noch zu sagen:

Refugees welcome and bring your families.

Hoch die internationale Solidarität!

Jans Prozesserklärung vom 2. August 2018Von: Jan

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09Gai DàoN°93 — September 2018

Pierre-Joseph Proudhon (1809-1865) ist im deutschsprachi-gen Raum – im Gegensatz zu seiner Rezeption Frankreich– mit einem sehr negativen Ruf behaftet,1 obwohl er vonKropotkin als „Vater der Anarchie“ tituliert wurde und mitseinen Überlegungen die wesentlichen Strömungen desAnarchismus maßgeblich beeinflusste. In Paris, wo der inBesançon geborene Sozialist einen Großteil seines Lebensverbrachte und auch die folgenschwere Begegnung mitKarl Marx im Jahr 1844 stattfand, erinnert noch manchesan ihn. Es lohnt sich daher, in der Seine-Metropole aufSpurensuche zu gehen – trotz der Zerstörung des alten Pa-ris von Baron Haussmann im Rahmen der Aufstandsvor-beugung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Die erste Adresse, die es sich lohnt aufzusuchen, ist dieRue Jacob (Foto 1). Am Haus Nr. 14 findet sich eine Ge-denktafel für Richard Wagner, der hier zeitweilig wohnte.In seiner Autobiographie „Mein Leben“ schreibt Wagner:

„Sogleich machten wir uns auf, um in Paris uns eine kleineWohnung zu mieten, welche wir in der Nähe unsrerFreunde, in einem Hintergebäude des Hauses Nr. 14 derrue Jacob, fanden. Später erfuhr ich, dass kurze Zeit nachuns Proudhon dieselbe Wohnung innegehabt hat.“

Weiterführende Informationen und Unterstützung

Unter ausbruchaufbruch.noblogs.org könnt ihr euch über den aktuellen Stand des Berufungsverfahrensinformieren und über alles, was gerade zur Antirepressions-Kampagne geschieht. Schickt uns gerne Berichte vonAktionen, Solifotos, noch anstehende Termine etc. zu, damit sie aufderWebsite gesammelt werden!

Für alle Angeklagten nach dem 31.Mai 2017 hat das Nürnberg Antirepressionsbündnis "Widerstand Mai31 -Solidarität ist kein Verbrechen" ein zentrales Spendenkonto eingerichtet:

Empfänger*in: Rote Hilfe OG NürnbergGLS BankIBAN: DE85430609674007238359BIC: GENODEM1GLSKennwort: 31.Mai

Proudhons Paris – Eine touristischeAnnäherung*

Text von: Maurice Schuhmann, Fotos von: Yvonne Schwarz undMaurice Schuhmann

[*] Der folgende Beitrag ist ein Exzerpt aus einem geplanten Stadtführerfür das anarchistische Paris.[1] Proudhon wird Frauenfeindschaft und Antisemitismus nachgesagt. Diese Vorwürfe beruhen leider häufig auffehlender Kentnnis der Quellen undder Biographie Proudhons.

Foto 1: Gedenktafel für Wagner am Haus, wo später Proudhonwohnte.

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10 Gai DàoN°93 — September 2018

Wagner war zumindest in jener Zeit noch ein Verfechterdes Proudhon‘schen Sozialismus – und kannte sein 1840verfasstes Werk „Was ist das Eigentum?“.

Eine andere Adresse Proudhons lautete Rue de Passy Nr.12 (Foto 2). Hier erinnert noch eine Gedenktafel an ihn.„Am 15. Januar 1809 in Besançon geboren ist am 19. Janu-ar 1865 in diesem Haus gestorben.“ heißt es lapidar. Es warseine letzte Adresse vor seinem Tod im Jahre. Hier ver-fasste er u.a. das unvollendet gebliebene Werk „Von derBefähigung arbeitender Menschen zur Politik“.

Trotz des sprichwörtlichen Anti-parlamentarismus des Anarchis-mus agierte der „Vater derAnarchie“ zeitweilig in der zwei-ten Republik als Abgeordneter inder Assemblée Nationale (Rue del'Université Nr. 126, Foto 3). Das1728 erbaute Palais Bourbon wur-de im Rahmen der französischenRevolution verstaatlicht unddiente seitdem als Sitz der Assem-blée Nationale. Es ist möglich, dasGebäude auch zu besichtigen.

Proudhon wirkte nicht nur alsTheoretiker, sondern versuchteseinen Sozialismus auch in die Tatumzusetzen. Aus diesem Grundgründete er die Volksbank, dieÄhnlichkeiten zu den heutigenMikrokredit-Ideen in der Entwick-lungshilfe aufweist. Es sollte auchKredit an Menschen ohne eigenen

oder mit nur geringem Eigenkapital bei niedrigen Zinsenvergeben werden. Sein Konzept beeinflusste zeitweilig u.a.

Foto 2: Gedenktafel am Haus, wo Proudhon verstarb.

Foto 3: Die Assemblée Nationale

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11Gai DàoN°93 — September 2018

einen Sprössling der jüdischen-deutschen BankiersfamilieMendelssohn, was dessen Verwandtschaft weniger pri-ckelnd fand. Ebenso wenig war die französische Ober-schicht von jenem Konzept begeistert. Seine 1848gegründete Volksbank wurde verboten – und er kam in dasheute nicht mehr existierende Gefängnis Sainte Pélagie. Esbefand sich in der Rue du Puits-de-l'Ermite Nr. 14 undwurde 1899 abgerissen. Ein anderes Gefängnis, das Proud-hon kennenlernte, war die heute als Museum dienendeConciergerie (Boulevard du Palais Nr. 2), in der u.a. diefranzösische Königin Marie Antoinette ihre letzten Tagevor ihrer Hinrichtung verbrachte. Hier lohnt sich eine Be-sichtigung, auch wenn auf keiner Tafel an Proudhon erin-nert wird.

Die Volksbank Proudhons befand sich in der FaubourgSaint-Denis Nr. 25, wo nichts mehr an ihn erinnert. Eindeutscher Kritiker jenes Konzepts schrieb in der zeitweiligvon Karl Marx redigierten „Neuen Rheinischen Zeitung“darüber:

„Als Proudhon, vor seiner Wahl zum Repräsentanten, mitseiner Tauschbank auftrat und einen Produkten-Austauschzu Wege bringen wollte, ohne Vermittlung des Geldes, undalle Produzenten aufforderte, bei ihm einzukehren in derRue Jean Jacques Rousseau [damalige Wohnadresse vonProudhon] , um die Welt des friedlichen Verkehrs, eine Weltohne Geld zu errichten, da wurde auf einmal der friedlicheVerkehr durch Barrikaden gehemmt.“Kurz nach jenem Gefängnisaufenthalt in Saint Pélagie er-schienen auch seine „Bekenntnisse eines Revolutionärs“,die er u.a. im Gefängnis verfasste und in denen er sichüber das Scheitern der 1848er Revolution in Frankreich äu-ßert.

Das Grab von Proudhon – ein Familiengrab – findet sichauf dem Friedhof Montparnasse (Boulevard Edgar QuinetNr. 3, Foto 4). Es ist ein Prominentenfriedhof, auf dem sichneben ihm noch die sterblichen Überreste der Existenzia-list*innen Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir, desDichters Charles Baudelaire und der LiteraturtheoretikerinSusanne Sontag finden. Die Lage von Proudhons Grab istauf dem offiziellen Friedhofsplan verzeichnet. Es ist nebenMontmartre und Père Lachaise der dritte, große Prominen-tenfriedhof in Paris.

Die Schüler*innen Proudhons bildeten einen Flügel inner-halb der 1864 gegründeten Internationalen Arbeiter Asso-ziation (IAA). Das Pariser Büro der IAA befand sich imHinterhaus des Hauses Rue des Gravilliers Nr. 44 und istlängst einem Neubau gewichenen.

Foto 4: Grab von Proudhon aufdem ProminentenfriedhofMontparnasse

Foto 5: Portrait Pierre-Joseph Proudhons

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[2] Die Darstellung des Gedenkens bzw. der politischen Vereinnahmung der Commune ist Thema für ein eigenes Kapitel.

Ebenfalls einen großen Einfluss hatte sein Denken auf dieAufständischen der Pariser Commune. Das Gedenken anjene Erhebung ist in Paris noch sehr wach, wenn auch po-litisch vereinnahmt – sowohl von den Kommunist*innenals auch von den Demokrat*innen. Im Rahmen der Dar-stellung der Pariser Commune fällt auch ab und an derName Proudhons.2

Die Freundschaft Proudhons mit dem Maler GustaveCourbet hat dazu geführt, dass sich noch ein PorträtProudhons (Foto 5) – und eines seiner Frau – im renom-mierten Musée d‘Orsay (Rue de la Légion d'Honneur Nr.1), dem neben dem Louvre wohl bekanntesten Museumsvon Paris befindet.

Es ist aber nicht das einzige Museum, welches Proudhonwürdigt. Im Musée des lettres et manuscrits (BoulevardSaint-Germain Nr. 222) sind mehrere Autographen Proud-hons in der ständigen Ausstellung zu finden (Foto 7).

Eine Rue Proudhon (Foto 6) hingegen sucht man in Parisselber vergeblich – so etwas gibt es aber im nördlich an-grenzten Vororten Saint Denis, einer Banlieue, was durchdie mehr oder weniger regelmäßigen Ausschreitungen einetraurige Berühmtheit genießt, sowie in Saint-Ouen.

Foto 6: Rue Proudhon in Saint-Denis

Foto 7: Autograph von Proudhon

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Wie lange gibt es euch als Gruppe schon?Hallo, uns gibt es als Anarchist Black Cross Dresden seitAugust 2014. Anarchist Black Cross (ABC) Gruppen gibt esallerdings schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Damalsnoch unter dem Namen Anarchist Red Cross, begannendiese wohl irgendwann zwischen 1905 und 1907 erstmalsmit Antirepressionsarbeit.

WelcheTätigkeitsschwerpunkte deckt ihr ab?Wir möchten antiautoritäre politische Gefangene und an-geklagte Menschen unterstützen, hierzu gehört Unterstüt-zung im Knastalltag und bei Gerichtsverhandlungen. InZusammenarbeit mit anderen ABC Gruppen unterstützenwir dabei auch Menschen außerhalb von Dresden und au-ßerhalb Deutschlands, da dann vor allem finanziell unddurch Öffentlichkeitsarbeit.Ein weiterer wichtiger Punkt unserer Arbeit ist die Ver-breitung politischer Debatten mit Bezug auf das Knastsys-tem unserer Law and Order Gesellschaft. Dazu gehörenVorträge, Diskussionen, Workshops oder Filmpräsentatio-nen wie beispielsweise auch bei den libertären Tagen inDresden, die bald wieder stattfinden werden.Das Thema Solidarität ist uns ebenfalls sehr wichtig, beiRepression, aber auch im Alltag. Da zwar das Wort immersehr hochgehalten wird in politischen Zusammenhängen,aber dann oft die direkte Solidarität fehlt.Wir wollen also Menschen in den unerwünschten Folgenihrer Kämpfe unterstützen, selbst den Kampf gegen dasKnast- und Strafsystem führen und uns für eine solidari-sche Gemeinschaft stark machen.

Welche Kämpfe unterstützt ihr aktuell?Wir unterstützen momentan finanziell und durch Öffent-lichkeitsarbeit verschiedene laufende Fälle, wie zum Bei-spiel Röszke, G20, Russland etc. Gerade gibt es keinenlokalen Fall, dem wir uns über einen längeren Zeitraumwidmen. Deshalb legen wir zur Zeit den Fokus darauf, inDresden und anderen Städten präsent zu sein und Men-schen über Workshops und Vorträge zum Thema Knastund Solidarität zu erreichen.

Unterstützt ihr nur erklärte Anarchist*innen? Werkann zu euch kommen?Als Anarchist*innen gilt unsere Solidarität allen Men-schen, die Unterstützung im Kampf gegen staatliche Un-

terdrückung und Repression brauchen. Allerdings habenwir begrenzte Ressourcen, welche wir dann oft gezielt fürMenschen einsetzen wollen, die für eine antiautoritäreWelt kämpfen. Wir unterstützen also nicht nur erklärteAnarchist*innen. Die einzelnen ABC-Gruppen entschei-den, welche Menschen sie unterstützen. Uns geht es nichtunbedingt nur um die politische Sichtweise, sondern umdie Ursache der jeweiligen Repression. Aber das ist amEnde immer eine Einzelfallentscheidung.

Die Rote Hilfe als strömungsübergreifende linke So-lidaritätsorganisation deckt wichtige Felder der An-ti-Repressionsarbeit ab (wie Vermittlung vonRechtsberatung, Öffentlichkeitsarbeit, Deckung vonRepressionskosten) und ist (zumindest in der BRD)fast flächendeckend regional präsent. Warum habtihr euch zu einer eigenständigen Organisierung imRahmen des ABC-Netzwerks entschlossen? Wart ihrschon vorher in derAnti-Repressionsarbeit aktiv?Das stimmt. Für Anarchist*innen ist jedoch der Aspekt,dass die Rote Hilfe (RH) in einer hierarchischen zentralis-tischen Struktur organisiert ist, die dann dem Individuummit seinen Problemen helfen soll, zumindest diskussions-würdig.Hinzu kommen politische Differenzen zwischen ABC-Gruppen und der RH schon in der Geschichte beiderGruppen. Als ABC-Gruppen finden wir vor allem die Un-terstützung autoritärer kommunistischer Strömungen ab-lehnenswert.Vor allem die Positionen der RH zu den in den letzten Jah-ren geführten Debatten zur Unterstützung sogenannterAntifaschist*innen in der Ukraine oder das Verhältnis derRH zur ehemaligen DDR, deren Funktionär*innen und Re-pressionsorganen ist für uns völlig inakzeptabel. Insbeson-dere für unsere Freund*innen aus den ehemaligenOstblockländern sind das Handeln und die inhaltlichenPositionen der RH absolut unverständlich.Ein weiterer Grund für eine eigene anarchistische Strukturliegt in den Rahmenbedingungen der RH. Menschen, diekeine politischen Absichten angeben, werden nicht unter-stützt. Menschen, die einen klar politischen Prozess führenwollen, haben es manchmal schwer. Die Laienverteidigungwird beispielsweise prinzipiell nicht unterstützt. DiesesMittel nutzen einige Aktivist*innen allerdings gerne, umdie Lächerlichkeit und Irrationalität mancher Gerichtspro-

Interview mit dem Anarchist Black CrossDresden

Interview von: madalton und hamo

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zesse offenzulegen, während der Einsatz von Rechtsan-wält*innen zwar oft die Strafe verringern kann, jedoch zueinem ruhigen und sauberen Prozess beiträgt. Das ist nurein Beispiel einer Aktionsform, die wir im Einzelfall be-trachten und diskutieren würden, bevor wir sie grundsätz-lich ablehnen.

Wir möchten Menschen die Möglichkeit geben, auch ande-re Gruppen um Unterstützung anzusprechen zu können.Für uns ist es wichtig eigene anarchistische Strukturen zuetablieren und Alternativen zu Leben.Wir verstehen uns nicht nur als Antirepressionsgruppe.Unsere Kritik ist grundlegender, wir kritisieren das Straf-und Knastsystem als strukturelles gesellschaftliches Pro-blem, das alle Menschen betrifft.Die Menschen in unserer Gruppe haben unterschiedlicheGeschichten, Beweggründe und eigene Betroffenheit. Da-durch haben sich manche vorher schon viel mit dem The-ma Knast und Repression beschäftigt in Kampagnen oderanderen Gruppen, manche noch nicht. Es ist für uns auchein ständiger Lern- und Diskussionsprozess, den wir in un-

seren Veranstaltungen mit offenen Diskussionen auch füruns selber weiter entwickeln.

Arbeitet ihrmit der Roten Hilfe zusammen?Wir arbeiten nicht mit Rote Hilfe-Gruppen zusammen.

Woher kommt der aktuelle Schub, dass in der letztenZeit wieder mehrere neue ABC-Gruppen in der BRDentstanden sind?Das Thema staatliche Repression und Knast war in denletzten 25 Jahren wenig präsent innerhalb der Linken - voneiner Anti-Knast-Bewegung kann kaum die Rede sein.Spätestens mit G20 war die eigene Betroffenheit plötzlichwieder sehr spürbar. Dabei gab es in den letzten Jahrenbereits ziemlich viele Menschen im Knast, wie zum Bei-spiel im Kontext des Hambacher Forstes, was die Grün-dung des ABC-Rhineland zur Folge hatte. Es ist schwer,eine generelle Aussage zur Gründung der Gruppen zu tref-fen, da die Situation in den einzelnen Städten unterschied-lich ist. Vermutlich ist ein Aspekt, dass Menschen inSolikampangen oder Repressionsfällen ihre Positionennicht in den bestehenden Antirepressionsstrukturen wie-derfinden und beschließen selbst aktiv zu werden. DieTendenz geht wieder mehr dahin einen Angriff auf einevon uns als einen Angriff auf uns alle wahrzunehmen. DasThema Knast bekommt dadurch wieder mehr Öffentlich-keit und ABC-Gruppen haben einen ganz klaren Anti-knast-Schwerpunkt in ihrer Arbeit.Außerdem gibt es ein Bedürfnis, sich von den reformisti-schen Knastdebatten innerhalb der Gesellschaft abzugren-zen und eigene Alternativen zu Knast und Strafe zuentwickeln. Und nicht zuletzt sich solidarisch gegen Ab-schiebeknäste zu positionieren.Deswegen finden wir diese Entwicklung toll und uns ist eswichtig, Menschen zu ermutigen dezentralisierte Antire-pressionsstrukturen aufzubauen und eine Alternative zurzentralisierten RH zu schaffen und Antiknastarbeit voran-zutreiben. Deshalb geben wir auch Workshops darüber,wie ihr eine ABC-Gruppe gründen könnt. Außerdem istgerade eine “How to ABC”-Broschüre entstanden, in deralle wichtigen Fragen diskutiert werden, welche die Grün-dung einer Gruppe und der Unterstützungsarbeit betref-fen. (Die findet ihr auf unserer Seite.)

Aktuell nehmen wir in der BRD seit einiger Zeit sichimmer weiter verstärkende Repressionsmaßnahmenwahr: In Form von neuen Gesetzen oder Gesetzesver-schärfungen, des gesellschaftlichen Klimas, Krimi-nalisierung von Widerstand und abweichendenLebensentwürfen. Wie schätzt ihr diese Entwicklungein? Und wo seht ihr konkrete Angriffspunkte umdiesen Entwicklungen etwas entgegenzusetzen?Tatsächlich fällt mir gerade kein Land ein, in dem ein

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Trend hin zu stärkerer Repression gegen politische Akti-vist*innen nicht zu beobachten wäre. Die Gründe hierfürsind sicher sehr komplex und der Versuch in einigen Wor-ten diese zu erfassen wird mit Sicherheit scheitern oderzumindest stark verkürzt ausfallen, aber versuchen wir es.

Ein nicht unwesentlicher Faktor ist vermutlich die Organi-sation eines Staates, der sich das alleinige Recht vorbehält,das gesellschaftliche Leben durch Gesetze zu strukturieren.Menschen, die das von staatlicher Seite vordefinierte Recht„brechen“, müssen in der Logik bestraft werden. Zu langehaben Menschen sich an dieser simplen Vorstellung vonGerechtigkeit festgehalten und verinnerlicht, dass die ein-zige Form einer gerechten Gesellschaft auf Strafe und Ver-folgung beruht.

Nun leben wir in einer Zeit, in der mehr und mehr alte Er-klärungsmuster als zu einfach erscheinen. Die Gesetze, dieauf uns angewendet werden, wurden nicht von uns ausge-handelt. Nehmen wir zum Beispiel den Klimawandel, derjetzt momentan unser Leben akut beeinflusst und verän-dert. Der Klimawandel ist mit einfachen Folgeketten nichtzu erklären. Der Versuch einer Erklärung erfordert es, fun-damental unsere Verwertungslogik und Ausbeutung an derUmwelt zu hinterfragen. Diese Ausbeutung wird uns je-doch von Tag zu Tag als der richtige und einzige Weg ver-mittelt. Alternative Lebenskonzepte wie in der ZAD oderim Hambi werden mit aller staatlichen Härte bestraft. AmBeispiel dieser Kämpfe wird daher auch deutlich, wie weitdie Rechtslogik des Staates von einem für uns erstrebens-wertem Recht auf gutes Leben entfernt ist.

Das System, in dem wir leben, also ein kapitalistischerRechtsstaat innerhalb einer neoliberalen Marktlogik, führtnun zu einer zunehmenden Konzentration von finanziel-lem und sozialem Kapital bei einzelnen Institutionen undPersonen, begleitet von einem stetigen Abbau des Sozial-staates, sofern dieser vorhanden war. Soziale Isolation,Verarmung und Entfremdung führen zu sozialen Spannun-gen. Versuchen Menschen nun von ihrer Position inner-

halb der Gesellschaft auszubrechen, wird das alsVerletzung der Ordnung, als Ungerechtigkeit empfundenund als bestrafenswert beurteilt.Die zunehmenden Spannungen innerhalb der Gesellschaftführen von Seiten des Staates, der sein hierarchisches Sys-tem gerne stabilisieren möchte, letztlich zu stärkerer Re-pression.

Das wäre ganz kurz eine Überlegung wieso die Repressioninnerhalb der letzten Jahre zunimmt.

Und wo seht ihr konkrete Angriffspunkte um diesenEntwicklungen etwas entgegenzusetzen?Angriffspunkte dagegen sind eine gemeinschaftliche Orga-nisierung mit einer Vielfalt an Strategien. Im politischenFeld scheint es uns wichtig Kämpfe zu verbinden, da Re-

pression in allen Themenspektren auftritt. Eine Solidarisie-rung über die einzelnen politischen Themenfelder hinauszeigt die Willkür und verhindert eine Isolation Einzelner.Da fällt uns das Thema Abschiebeknast auf, wo ein ganzerTeil unserer Gesellschaft struktureller Repression unter-worfen ist.In diesem Sinne erscheint es uns auch sinnvoll, Kämpfeniedrigschwellig und breit aufgestellt zu organisieren. AmBeispiel von den diversen Polizeigesetzen zeigt sich gera-de, dass wieder verstärkt breite Kampagnen entstehen, diegrundsätzlich erstmal weniger angreifbar sind und einenBlick aus der eigenen Blase heraus ermöglichen und mehrMenschen erreichen.Generell erscheint es uns wichtig die Selbstorganisierungkleinerer Zellen, zum Beispiel einer Hausgemeinschaftoder Nachbarschaft, voranzutreiben und damit ein Pro-blembewusstsein und Handlungsoptionen für mehr Men-schen zu schaffen. Daraus können zum BeispielGemeinschaften entstehen, die durch Empathie und ge-genseitiges Vertrauen soziale Konflikte auch ohne Polizeilösen. Eine Zwangsräumung lässt sich auch viel leichterverhindern, wenn sich die Hausgemeinschaft persönlichkennt. Und eine Kriminalisierung Einzelner ist dann nichtso leicht.

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Ein weiterer Angriffspunkt ist die sogenannte Ersatzfrei-heitsstrafe weiter in den öffentlichen Fokus zu rücken. Im-mer mehr Menschen sitzen Haftstrafen ab, da sieGeldbußen nicht bezahlen können, die ihnen aufgedrücktwerden, weil sie öffentlichen Nahverkehr oder Nahrungs-mittel nicht bezahlen können. Hier handelt es sich also

ganz klar um eine Kriminalisierung von Armut. Tatsäch-lich sitzt ein großer Teil der Menschen aus diesem Grundim Knast, was nicht dem Bild des kriminellen Gewalttätersentspricht, welches der Staat gern zur Legitimierung vonHaft und Strafe nutzt. Da bedarf es Strategien für Solidari-tät in Alltag. Wir denken, dass es wichtig ist eine Verknüp-fung von sozialer Frage und Repression sichtbar zumachen, was beispielsweise in Zwangsräumungsbündnis-sen geschieht.

Zum Ziel einer Gesellschaft ohne Knäste: Wie kanneine solche Gesellschaft aussehen? Und welche Mög-lichkeiten gibt es Konflikte und destruktives Verhal-ten ohne (staatliche) Repression zu bewältigen?

Schauen wir uns die Gesetzesbücher der BRD an, dannstellen wir fest, dass die meisten Gesetze sich mit demSchutz des Staates bzw. staatlicher Interessen oder demSchutz des Eigentums befassen. Gewalt gegen Menschenfüllt nur circa ein Viertel der Gesetze.Kommen Menschen wegen materieller Probleme in denKnast, sollte eine Gesellschaft sich lieber fragen, wiesodiese materiellen Probleme bestehen und ob sie nicht aufeinem anderen Weg zu lösen sind. In einer Gesellschaftohne Eigentum müsste auch kein Mensch aufgrund einerdurch Armut angetrieben Handlung in den Knast.Das eine globale Gesellschaft ohne Eigentum mit demmitteleuropäischen Lebensstandard unmöglich umzuset-zen ist, sollte allen verständlich sein. Die Konsequenzenfür unsere Gesellschaft und uns als Individuen liegen aufder Hand: sinnvoller Verzicht, der Kampf gegen den blin-den Konsum und gegen die Ausbeutung von Lebewesenund natürlichen Ressourcen.Nehmen wir also an, wir befinden uns auf demWeg in ei-ne Gesellschaft ohne Eigentum, in unseren Communitiesversuchen wir unsere finanziellen Mittel und unsere Ar-beit zu teilen, sodass innerhalb der Gesellschaft Eigen-tumsstreitigkeiten kein Problem darstellen. Es bleibtdennoch das Problem der gewaltförmigen Sozialisation.Gewaltförmige Sozialisation bedeutet, dass Menschendurch Umgangsformen erzogen werden oder in Umgangs-formen aufwachsen, die durch Druck und Zwang oderdurch die Angst benachteiligt zu werden funktionieren.Dadurch lernen Menschen, dass durch gewaltförmige Ver-haltensweisen, also dominantes Auftreten und Sprechen,Drohen, unnachgiebiges Verhalten und im schlimmstenFall durch Anwendung von Gewalt Probleme gelöst wer-den können.Aber wie ist das nun ohne staatliche, also ohne zentrali-sierte Gewalt zu lösen? Wir sind mit Strafe sozialisiert unddeshalb fällt es nicht leicht außerhalb davon zu denken.Allerdings entmündigen wir uns, wenn wir die Problemlö-sung an den Staat abgeben. Deshalb ist der erste Schritt zuverstehen, dass es hier um eine Selbstermächtigung geht.Oftmals sind wir heute nicht mal mehr in der Lage diekleinsten Konflikte mit Menschen in unserem direktenUmfeld auszuhandeln. Eine der größten Hürden ist eswohl, Verantwortung für das eigene Handeln zu überneh-men und die Fähigkeit zu erlernen Konflikte im InteresseAller aufzulösen.Wir alle können es lernen die Grenzen und Bedürfnisseder Personen um uns herum zu respektieren und eigeneGrenzen zu formulieren. Dafür braucht es kein striktes Re-gelwerk, sondern einen freien Zusammenschluss zwischenMenschen, die konkrete Probleme anhand ihrer Bedürfnis-se durch möglichst gute Absprachen lösen. Grundlage da-für ist, dass die Menschen sich selbstbestimmt und aktiv inder Gestaltung all ihrer Lebensbereiche beteiligen.

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Es braucht also verschiedene Schritte: Hierarchien undAusbeutung abschaffen, Möglichkeiten der direkte Kom-munikation und Verantwortungsübernahme lernen undStrukturen aufbauen, die mit Gewalt umgehen.

Beschäftigt ihr euch auch mit alternativen Konzeptenzu Knast und Strafe?Also für uns ist ein wichtiger Punkt unserer Arbeit nichtnur gegen die Repression und Ungerechtigkeit des beste-henden Systems anzugehen, sondern mit den Menschenauch über alternative Konzepte zu reden. Wir alle habenein Ungerechtigkeitsempfinden und persönliche Grenzen,die wir nicht überschritten wissen wollen. Viel zu oft den-ken Menschen, dass unser Rechtsstaat der einzige Weg istum das Miteinander von Menschen zu regeln.Wir wollen gemeinsam alternative Konzepte diskutieren,weiterentwickeln und auch ausprobieren.Gewaltvolles Verhalten und Grenzüberschreitung wird esauch in einer utopistischen Gesellschaft noch geben, damitmüssen wir uns auseinandersetzen.

Das kann beispielsweise durch Community-Accountabili-ty-Gruppen innerhalb unserer Gemeinschaften umgesetztwerden. Das Konzept der Community Accountability -oder gemeinschaftliche Verantwortungsübernahme -kommt aus den Black Communities in den USA. Aufgrundder rassistischen Gewalt, der sich die Black Communitiesgegenübersahen, mussten eigene Wege gefunden werden,um soziale Probleme innerhalb der Gemeinschaft zu lösen,ohne die Institution Polizei, Gerichte etc. Zentrales Mo-ment dabei ist, die Unterstützung der von der Gewalt be-troffenen Menschen durch eine eigeneUnterstützer*innengruppe. Das ist ja sonst im staatlichenSystem nicht vorgesehen. Da ist "Gerechtigkeit" ja nachder Verurteilung hergestellt. Der zweite wichtige Aspektist, dass Menschen, die Leid verursachen, nicht aus der Ge-

meinschaft ausgeschlossen werden, sondern nach denGründen für ihr Handeln gesucht wird undWege gefundenwerden, wie dieses Handeln in Zukunft verhindert werdenkann. So kann es tatsächlich zu einer Auseinandersetzungmit der Gewalt kommen, nicht nur bei den akut betroffe-nen Personen, sondern auch in dem Umfeld, das diese Ge-walt ermöglicht hat. Diesem Ansatz liegen verschiedenetheoretische Konzepte zu Grunde, die aber den Rahmendieses Interviews sprengen.

Wie kann mensch euch und eure Projekte oder Kam-pagnen unterstützen?Am besten unterstützt ihr unsere Arbeit natürlich, wennihr bei euch Zuhause euer lokales ABC unterstützt oderliebe Menschen findet und mit ihnen zusammen eine eige-ne ABC-Gruppe gründet. Wenn das nicht möglich ist,schaut einfach immer mal auf den Blog eines ABC in eurerNähe nach. Wenn ihr einen Fall unterstützenswert findet,spendet Geld und teilt die Information - https://ab-cdd.org/spende/

Ansonsten, Kopf hoch! Eine neue Gesellschaft baut sichnicht von selber. Versucht Community-Accountability-Konzepte umzusetzen, unterstützt euch solidarisch beiemotionalen und materiellen Problemen, tragt anarchisti-sche Konzepte weiter und lebt sie vor!

Falls ihr dabei Hilfe braucht, meldet euch bei uns!

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Kontakt ABC Dresden

Mail: [email protected]

Website: abcdd.org

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Durch die Sternränge werden das Ver-halten und das Talent jedes Schulkin-des vom Lehrpersonal bewertet undmit Sternanstecknadeln belohnt, dieam Kragen der Schuluniform für allesichtbar befestigt werden.1 Die Hierar-chie baut von null bis drei Sterne auf,wobei ein Spezialstern den höchstenRang darstellt. Mit jeder Rangerhe-bung erfolgen Privilegien bei der Un-terkunft und der Nahrung. Als witzigeÜbertreibung wird die Beschwerde derjungen Protagonistin Mikan abgetan,die aufgrund ihres Null-Sterne-Rangsein zu kleines Abendessen erhält, umdavon satt zu werden.2 Hungrig ver-sucht das Kind im Null-Sterne Dach-bodenzimmer einzuschlafen.Spätestens hier ergibt sich die Frage,wieso der Sternrang diese Vernachläs-sigung eines Kindes rechtfertigt. Dabeilässt sich ein auffälliger Zusammen-hang mit den Ehren- und Schandklas-sen der französischen Militärschuledes 18. Jahrhunderts erkennen. DerSpezialsternrang gleicht der Sehr-Gu-ten Klasse der Militärschule, die einsilbernes Schulterstück tragen durfte.In beiden Schulen wird der sozialeRang durch ein Attribut zur Uniformmarkiert. Der Dreisternerang ent-spricht der Guten-Klasse mit rot-sil-bernem Schulterstück. DerZweisternerang wird von der Mittel-mäßigen-Klasse mit rotem Leinen alsSchulterstück gebildet. Der Einstern-rang gleicht der Schlechten-Klasse, die

braunes Leinen als Schulterstück er-hält. Der Nullsternrang ähnelt dertemporär eingeführten Schandklasse,die braune Wolle tragen musste.3 BeideSchulen belohnen gehorsames Verhal-ten mit bestimmten Privilegien undder öffentlichen Darstellung des er-reichten Ranges durch Uniformacces-soires. Während in Alice Academy dasLehrpersonal den Rang zuweist, warenin der Militärschule Professoren undOffiziere dafür zuständig.4 Genausowird die Einhaltung der Regeln für dieSchuluniform in japanischen Schulenvom Lehrpersonal überwacht und in-struiert.5 Der Konformitätsdruck kannzwischen Europa und Japan sichernicht gleichgesetzt werden, die Kultu-ren sind aber in verschiedenen Aus-maßen davon geprägt.

Mitunter durch Belohnungen und Be-strafungen zeigt die Schule ihre ideo-logische Funktion, um gehorsames undkonformes Verhalten und Denken her-vorzubringen.6 Am Beispiel der Schul-uniformen in Japan erfolgt dasbesonders nachvollziehbar. Die japani-sche Schuluniform wurde erstmals1879 als Kimono eingeführt. Durch denRussisch-Japanischen Krieg von 1904bis 1905 entwickelte Japan ein Interes-se für Matrosenuniformen, die sich inden 1950ern als Standarduniformgroßteils etablierten.7 In den 70ern än-derte sich durch den Einfluss der briti-schen Royal Navy die

Leistungsdruck im Manga „Alice Academy“.Mode als ideologischer StoffKunst hat die Fähigkeit die Weltordnung in einem Mikrokosmos abzubilden. Im japanischenComic „Alice Academy“ wird Gehorsamkeit in der Schule durch Sternränge gefördert, die ihreÄhnlichkeit zur französischen Militärschule des 18. Jahrhunderts nicht kaschieren können.

Von: Alina

[1] Higuchi, Tachibana: „Alice Academy. Band 2“. Hamburg: Carlsen Verlag 2007, S. 33, 36.[2] Vgl. ebenda, S. 56.[3] Foucault, Michel: „Überwachen und Strafen“. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1994, S. 234f.[4] Vgl. ebenda, S. 234.[5] McVeigh, Brian J.: „Wearing Ideology. State, Schooling and Self-Presentation in Japan“. Oxford: Berg 2000, S. 70.[6] Chomsky, Noam: „Eine Anatomie derMacht. Der Chomsky-Reader“. Hamburg: Europa Verlag 2004, S. 294.[7] Vgl. McVeigh 2000: S. 47f.

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Stellt Euch eine Welt ohne Bullshit­Jobs vor*In diesem Interview zu seinem neuesten Buch diskutiert David Graeber die Bedeutung von Ge-werkschaften, die Herausforderungen der Automatisierung und die „Revolte der Pflegeklasse“.

Interview von: Chris Brooks (RAOR Magazine) /Übersetzung: VincentHeßelmann

Mädchenuniform zur typischen „sailor fuku“ mit Plissee-rock, Bluse, Matrosenkragen und Schleife. Die Jungenuni-form namens „gakuran“ ist der preußischenArmeeuniform nachgebildet mit dunkler Hose, weißemHemd, Jacke mit Metallknöpfen und Stehkragen. Die japa-nischen Schuluniformen entstanden also durch die Vorbil-der von Armee und Kriegsmarine.8 Das Tragen derSchuluniform erreicht verschiedene Zwecke, von denenGehorsamkeit, Übersichtlichkeit durch Gleichheit und In-formationsvermittlung (Sozialstatus, Geschlecht, Schule,etc.) die Offensichtlichsten sind. Innerhalb des Uniform-systems wird die Gleichheit aber durch die Beispiele vonSchulterstücken oder Sternnadeln hierarchisiert. Der Ver-gleich der französischen Militärschule mit dem Schulsys-tem in Alice Academy wirkt aufgrund dieses Hintergrundssogar naheliegend. Abschließend drängt sich die Frage auf,ob ein Weltbild ausschließlich aus Disziplin, Gehorsamkeitund Leistungsdruck in der Jugendliteratur und Comickunst

den Verstand von Kindern und Jugendlichen prägen soll.Unabhängig davon, aus welcher Kultur oder Sprache die-ser Manga stammt, erreicht seine Übersetzung in Europaein tendenziell junges Zielpublikum, das die in der Comi-cerzählung versteckte Ideologie erst zu hinterfragen lernenmuss. Dabei kann der europäische Leistungsdruck in derGesellschaft nicht einfach mit dem japanischen gleichge-setzt werden. In Bezug auf Comics für Jugendliche kannjedoch gezeigt werden, wie er als selbstverständlich insze-niert wird, ohne die Möglichkeit einer intrinsisch moti-vierten Arbeit zu berücksichtigen, was wahrscheinlich andem im Manga präsentierten Schulsystem insgesamt liegt.Soll durch die darin eingesetzte Ideologie das junge Lese-publikum zu selbstständigem Denken, Kreativität und un-gewöhnlichen Problemlösungsfähigkeiten inspiriertwerden oder zur sternnadelförmigen Konformität im Den-ken und Handeln?

[8] Vgl. HTML: https://www.japanwelt.de/blog/schuluniformen-in-japan/ [Zugriff: 22.9.2017].

Ist dein Job sinnlos? Hast Du das Gefühl, deine Stellekönnte gestrichen werden und alles würde problemlosweitergehen? Vielleicht, fragst du dich, wäre die Gesell-schaft sogar ein wenig besser dran, wenn es deinen Jobniemals gegeben hätte?

Wenn du diese Fragen mit „ja“ beantwortest, tröste dich.Du bist nicht allein. Nahezu die Hälfte der Arbeit, die diearbeitende Bevölkerung jeden Tag erledigt, könnte alssinnlos angesehen werden, meint David Graeber, Professorfür Anthropologie an der London School of Economics,Autor des Buches Bullshit Jobs: A Theory.1

Graeber zufolge haben die marktradikalen Maßnahmen,die das Leben und die Arbeit von so vielen Arbeiter*innenin den letzten Jahrzehnten schwerer gemacht haben,gleichzeitig mehr hochbezahlte Manager*innen, Telefon-verkäufer*innnen, Versicherungsangestellte, Anwält*innenund Lobbyist*innen hervorgebracht, die den ganzen Tagnichts Nützliches machen. Der Arbeitsjournalist ChrisBrooks hat David Graeber interviewt, um herauszufinden,

wie so viele sinnlose Jobs geschaffen wurden und was dasfür Arbeitsaktivist*innen heißt.

★★★

Chris Brooks: Du unterscheidest in deinem Buch zwi-schen Bullshit-Jobs und Scheißjobs. Kannst ein wenigerläutern, was derUnterschied ist?David Graeber: Naja, das ziemlich einfach: Scheißjobssind einfach schlechte Jobs. Welche, die du niemals gernehaben würdest. Aufreibend, unterbezahlt und unbeachtet,Leute, die ohne Würde und Respekt behandelt werden…Der Punkt ist vor allem, dass Scheißjobs nicht Bullshitsind, also nicht sinnlos und unnütz, weil dabei meist etwasgetan wird, was wirklich getan werden muss: Leute durchdie Gegend fahren, Sachen bauen, sich um Menschenkümmern, hinter ihnen aufräumen…

Bullshit-Jobs sind meistens recht gut bezahlt, sind mit net-ten Begünstigungen verbunden, du wirst behandelt, alswärst du wichtig und würdest etwas machen, was tatsäch-

[*] Original unter: https://roarmag.org/essays/graeber-bullshit-jobs-interview.[1] Erschienen unter dem Titel Bullshit Jobs: Vom wahren Sinn der Arbeit am 30. August 2018 im Klett-Cotta Verlag, übers. von Sebastian Vogel. [An-merkung des Übersetzers]

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[2] In den 80er Jahren entwickelte Gestaltungstechniken für Fertigungs- und Verteilungsabläufe in der Industrie. Dabei wird durch genau geplanteAbläufe und den Abbau von „Verschwendung“, also Vorgängen, die nicht unmittelbar zur Wertschöpfung beitragen, eine Effizienzsteigerungherbeigeführt. [A.d.Ü.]

lich notwendig ist – aber in Wirklichkeit ist das nicht so.Insofern sind das in der Regel Gegenteile.

Wie viele dieser Bullshit-Jobskönnten deiner Meinung nachgestrichen werden? Und waswären die gesellschaftlichenAuswirkungen?Nun, so ziemlich alle – das ist ge-wissermaßen der Punkt. Bullshit-Jobs sind solche Stellen, bei denendie Person, die sie ausfüllt, heim-lich überzeugt ist, dass wenn derJob (oder manchmal die ganzeBranche) verschwinden würde,das keinen Unterschied macht.Oder vielleicht, wie bei Telefon-verkäufer*innnen, Lobbyist*innenoder vielen Großkanzleien, dieWelt dann sogar besser wäre.Und das ist noch nicht alles: denkan all die Menschen, die echte Ar-beit zur Unterstützung der Bulls-hit-Jobs erledigen, dieBürogebäude putzen, Securityoder Schädlingsbekämpfung ma-chen, sich um die psychologischenund sozialen Schäden kümmern,die anderen Leuten zugefügt wer-den durch Menschen, die zu hartan gar nichts arbeiten. Ich bin si-cher, wir könnten problemlos die Hälfte unserer Arbeitloswerden und das hätte sehr positive Auswirkungen aufalles Mögliche, von Kunst und Kultur bis zum Klimawan-del.

Mich hat die Verbindung fasziniert, die du zwischendem Aufkommen der Bullshit-Jobs und der Entkopp-lung von Arbeitsproduktivität und Lohn ziehst.Kannst du diesen Vorgang erklären und wie die Ent-wicklung der letzten Jahrzehnte ausgesehen hat?Ehrlich gesagt bin ich nicht sicher, ob das wirklich so eineneue Idee ist. Mir ging es nicht so sehr um Produktivitätim wirtschaftlichen Sinn als um sozialen Wert. Wenn je-mand putzt, Kinder pflegt, kocht oder einen Bus fährt,dann weißt du genau, was sie tun und warum das wichtigist. Das weißt du aber überhaupt nicht bei einem*einerMarkenmanager*in oder Finanzberater*in. Es gab schonimmer so etwas wie eine umgekehrte Proportionalität zwi-schen der Nützlichkeit einer bestimmten Form von Arbeitund der Vergütung. Es gibt ein paar Ausnahmen, etwa

Ärzt*innen und Pilot*innen, aber im Großen und Ganzenstimmt die Annahme.

Verändert hat sich also nicht dasMuster, sondern der enorme Zu-wachs an nutzlosen und relativgutbezahlten Jobs. Wir bezeich-nen das irreführend als Dienst-leistungsökonomie, aber diemeisten wirklichen Dienstleis-tungsjobs sind nützlich undschlecht bezahlt – Kellner*innen,Uber-Fahrer*innen, Friseur*in-nen, und sowas – und deren An-zahl hat sich nicht wesentlichgeändert. Wirklich angestiegen istdie Zahl an Jobs in Verwaltungund Management, deren Ge-samtanteil an den Arbeiter*innensich im letzten Jahrhundert ver-dreifacht hat. Und hier kommendie sinnlosen Jobs ins Spiel.

Kim Moody vertritt die Positi-on, dass die steigende Pro-duktivität bei geringenLöhnen nicht durch Automa-tisierung hervorgerufen wird,sondern mehr mit intensiver-en Management-Techniken zutun hat, wie etwa schlanke

oder Just-in-Time-Produktion und Überwachungs-technologie zur Kontrolle von Arbeiter*innen. Wenndas stimmt, scheinen wir in einem Teufelskreis fest-zustecken: Firmen schaffen zusätzliche Bullshit-Jobs,um Arbeiter*innen zu managen und zu überwachen,wodurch sie deren Jobs beschissener machen. Wasdenkst du dazu?Also wenn wir über Amazon, UPS oder Walmart reden, istdas auf jeden Fall richtig. Man könnte argumentieren, dassdie Überwachungsjobs nicht wirklich Bullshit sind, da sieetwas tun, wenn auch etwas wenig Erfreuliches. In der In-dustrie haben Roboter aber wirklich große Steigerungender Produktivität bewirkt, sodass Belegschaften verkleinertwerden – allerdings werden die Wenigen, die noch dasind, besser bezahlt als in anderen Sektoren.

Nichtsdestotrotz gibt es die Tendenz, nutzlose Ebenen vonManager*innen zwischen den Boss*innen und den Arbei-ter*innen einzuziehen. Deren „Leitung“ beschleunigt über-haupt nichts, sondern verlangsamt die Dinge nur. Das ist

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um so zutreffender, je weiter man in Richtung Care-Sektorgeht, also Bildung, Erziehung, Gesundheit, Sozialwesen.Dort hat die Schaffung von bedeutungslosen Verwaltungs-jobs und die damit einhergehende Bullshitisierung vonwirklicher Arbeit, die Krankenpfleger*innen, Ärzt*innen,Lehrer*innen und Professor*innen dazu zwingt, endlosFormulare auszufüllen, zur massiven Senkung der Produk-tivität geführt. Ich sage „damit einhergehend“, weil dieFormulare zwar mit der Digitalisierung gerechtfertigt wer-den, aber in Wirklichkeit nur dafür da sind, nutzlosen Ver-waltungsangestellten etwas zu tun zu geben.

Das zeigen auch die Statistiken: Die Produktivität in derIndustrie schießt nach oben, zusammen mit den Gewin-nen, während beispielsweise im Gesundheits- und Bil-dungswesen die Produktivität sinkt und Gewinne nurnoch durch das Drücken der Löhne erzielt werden können.Das erklärt auch, warum in so vielen Ländern die Leh-rer*innen, Krankenpfleger*innen und sogar Ärzt*innenund Professor*innen streiken.

Eine andere deiner Positionen ist, dass dieStruktur moderner Unternehmen mehr mit demFeudalismus gemein hat als mit dem Ideal deshypothetischen marktwirtschaftlichen Kapitalis-mus. Was meinst Du damit?Naja, im College hat man mir beigebracht, dass es im Ka-pitalismus Kapitalist*innen gibt, die produktive Ressour-cen besitzen, meinetwegen Fabriken, in denen sie Leutebeschäftigen, um Zeug herzustellen und zu verkaufen. Al-so können sie ihren Arbeiter*innen nicht so viel bezahlen,dass sie keinen Gewinn mehr machen, aber müssen ihnenwenigstens so viel bezahlen, dass sie die Produkte der Fa-brik kaufen können. Feudalismus ist demgegenüber, wenndu deine Gewinne einfach direkt einziehst, indem du Mie-te verlangst, Gebühren und Beiträge und Menschen so inSchuldsklaven verwandelst oder sie auf andere Weise aus-raubst.

Nun, heutzutage kommt der ganz überwiegende Teil derUnternehmensgewinne nicht aus der Produktion und demVerkauf von Sachen, sondern aus den „Finanzen“. Das istein Euphemismus für Schulden – aus Mieten und Gebüh-ren und Zinsen und sowas. Das ist Feudalismus im klassi-schen Wortsinn, „direkte juristisch-politische Extraktion“,wie es manchmal genannt wird.

Das bedeutet auch, dass die Rolle der Regierung eine ganzandere ist: im klassischen Kapitalismus beschützt sie nurdein Eigentum und hält vielleicht die Arbeiter*innen unterKontrolle, damit sie nicht zu schwierig werden. Im Finanz-kapitalismus dagegen entziehst du deinen Gewinn über

das Rechtssystem, daher sind die Regeln und Bestimmun-gen absolut entscheidend – im Grunde muss Dir die Re-gierung den Rücken freihalten, während du ihre Schuldenabpresst.

Und das ist auch hilfreich bei der Erklärung, weshalbMarktradikale Unrecht haben mit ihrer Behauptung,es wäre unmöglich, dass der Kapitalismus Bullshit-Jobs hervorbringt.Ja, genau. Witzigerweise werde ich hierin sowohl von Li-bertären als auch von Marxist*innen angegriffen. DerGrund dafür ist, dass beide noch von einer Vorstellung vonKapitalismus ausgehen, wie er vielleicht in den 1860erJahren existiert hat – eine Menge kleiner Firmen konkur-riert darin, Produkte herzustellen und zu verkaufen. Klar,das stimmt auch noch für besitzer*innengeführte Restau-rants, da würde ich zustimmen, dass sie wahrscheinlichkeine Leute einstellen werden, die sie nicht wirklich brau-chen.

Wenn wir aber über große Unternehmen reden, die unsereWirtschaft heute dominieren, so funktionieren sie nach ei-ner völlig anderen Logik. Wenn also Gewinne durch Ge-bühren, Mieten und die Erzeugung von Schulden erzieltwerden, wenn der Staat eng verbunden ist in der Schöp-fung des Mehrwerts, nun, dann löst sich die Trennungzwischen wirtschaftlicher und politischer Sphäre immerweiter auf. Politische Loyalität für deine Abschöpfungsun-ternehmungen zu kaufen stellt selbst ein wirtschaftlichesGut dar.

Die Schaffung von Bullshit-Jobs hat auch politischeWurzeln. In deinem Buch erwähnst du ein besondersschlagendes Zitat von Barack Obama. Kannst dudieses Zitat erläutern und seine Bedeutung für diepolitische Unterstützung der Bullshit-Jobs?Als ich aufgezeigt habe, dass ein Grund für das Fortbeste-hen von Bullshit-Jobs darin liegt, dass sie für eine Mengemächtige Menschen politisch bequem sind, wurde mir na-türlich von vielen Seiten vorgeworfen, ich sei ein paranoi-der Verschwörungstheoretiker. Eigentlich dachte ich, wasich geschrieben habe war eher eine Anti-Verschwörungs-theorie: Wieso setzen sich nicht mächtige Leute zusammenund versuchen, die Situation zu verbessern?Das Zitat von Obama wirkte wie ein Geständnis in diesemZusammenhang. Er hat in etwa gesagt: „Alle sagen, eingesetzliches Krankenversicherungssystem wäre viel effi-zienter. Klar, vielleicht wäre es das, aber denkt an die Mil-lionen von Menschen, die für diese ganzenkonkurrierenden privaten Krankenkassen arbeiten, geradewegen der ganzen Ineffizienz und Verschwendung. Wassollen wir mit diesen ganzen Leuten machen?“ Er hat hier

[3] Die Krankenversicherung in den USA wird ausschließlich durch private Versicherungsfirmen getragen. Auch dort, wo der Staat eineVersicherungspflicht vorsieht, erfolgt die Versicherung über private Anbieter. [A.d.Ü.]

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also zugegeben, dass der freie Markt weniger effizient ist,zumindest im Gesundheitssektor, und dass er ihn genaudeswegen vorzieht – er erhält Bullshit-Jobs.

Interessanterweise hört man nie, dass Politiker*innen soetwas über klassische Arbeiter*innenberufe sagen – dortgeht es immer um das Gesetz des Marktes, das so vieleJobs wie möglich streicht oder ihre Löhne senkt. Wenn dieArbeiter*innen dann darunterleiden, naja, dann ist da leidernichts zu machen. Obama schiensich zum Beispiel um die Auto-mobilarbeiter*innen bei weitemweniger Sorgen zu machen, diegekündigt wurden oder großeLohnsenkungen hinnehmenmussten, nachdem die BrancheZuschüsse vom Staat bekommenhatte. Manche Jobs sind alsowichtiger als andere.

Bei Obama ist der Grund ziem-lich klar: Tom Frank hat letztensdarauf hingewiesen, dass die De-mokratische Partei in den 80erndie strategische Entscheidunggetroffen hat, die Arbeiter*in-nenklasse weitgehend als Kernk-lientel fallen zu lassen und sichden Manager*innenberufen zu-zuwenden. Das ist jetzt ihre Ba-sis. Und das ist genau derBereich, in dem es die meistenBullshit-Jobs gibt.

Du betonst in deinem Buch, dass nicht nur die Demo-kratische Partei, sondern auch Gewerkschaften insti-tutionell in Bullshit-Jobs verwickelt sind. Kannst dudiese Verwicklung der Gewerkschaften näher erklä-ren und was sie für Gewerkschaftsaktivist*innen be-deutet?Also den Gewerkschaften wird ja sowieso vorgeworfen dieEinstellung übermäßig vieler Leute zu begünstigen, außer-dem sammelt jede Bürokratie einen gewissen Teil vonBullshit-Jobs an. Was ich aber eigentlich gemeint habe istdie ständige Forderung nach „mehr Stellen“ als Lösung füralle sozialen Probleme.

Das ist immer die eine Forderung, der sich niemand ver-wehren kann, weil du ja nicht um Gefälligkeiten bittest,sondern um die Erlaubnis, deinen Unterhalt zu verdienen.Sogar Martin Luther Kings berühmter Marsch auf Wa-shington wurde beworben als Demonstration für „Jobsund Freiheit“ – denn wenn du die Unterstützung der Ge-

werkschaften willst, muss die Forderung nach Jobs aufge-nommen werden. Dabei sind die Leute, die unabhängigarbeiten, als Selbstständige oder sogar in Kooperativennoch nicht mal in Gewerkschaften!

Seit den 60ern hat es deshalb eine radikale Strömung ge-geben, die die Gewerkschaften als Teil des Problems ange-sehen hat. Ich glaube aber, wir sollten die Frage offener

auffassen: Wie kommt es, dassdie Gewerkschaften, die früherfür weniger Arbeit, kürzere Ar-beitszeiten gekämpft haben,heute die komische Gegenüber-stellung von Puritanismus undHedonismus akzeptieren, auf derder Konsumkapitalismus beruht?Warum diese Annahme, dassArbeit „hart“ sein sollte (und gu-te Menschen daher „hart arbei-tende Leute“ sind) und dass dasZiel von Arbeit materiellerWohlstand ist, wir also leidenmüssen für das Recht auf Kon-sum-Spielzeug?

In deinem Buch schreibst duausführlich darüber, dass dietraditionelle Verständnis vonproletarischer Arbeit falschist. Speziell führst du an, dassArbeiter*innenberufe mehrÄhnlichkeit mit Tätigkeitenhaben, die traditionell mitFrauen verbunden werden alsdie Arbeit von Männern in

Fabriken. Das heißt, dass Schaffner*innen mehr ge-meinsam haben mit der Care-Arbeit von Lehrer*in-nen als mit Maurer*innen auf der Baustelle. Kannstdu dazu was sagen und die Verbindung mit Bullshit-Jobs erklären?Wir sind besessen von der Vorstellung von „Produktion“und „Produktivität“ (die wiederum „wachsen“ muss, daher„Wachstum“) – was, glaube ich, theologischen Ursprungsist. Gott hat das Universum erschaffen. Die Menschen sinddazu verdammt, diese Schöpfung nachzumachen, indemsie in Schmerz und Elend das eigene Essen, Kleidung undso weiter herstellen. Also stellen wir uns Arbeit in ersterLinie als produzierend vor, als Dinge machend – jedeBranche wird nach ihrer „Produktivität“ eingeordnet, so-gar Immobilien! – dabei sollte schon bei kurzem Nachden-ken klarwerden, dass die meiste Arbeit nicht im DingeMachen besteht, sondern im Putzen, Polieren, im Behütenund Pflegen, im Helfen, Aufziehen und Reparieren undsonstwie darin, sich um Dinge zu kümmern.

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Du machst einmal eine Tasse. Aber du wäschst sie tau-sendmal ab. Das waren auch immer die Arbeit der Arbei-ter*innenklasse, es hat immer mehr Erzieher*innen undSchuhputzer*innen und Gärtner*innen und Schornsteinfe-ger*innen und Sexarbeiter*innen und Straßenfeger*innenund Küchenhilfen gegeben als Fabrikarbeiter*innen.

Und ja, sogar Schaffner*innen, die scheinbar überhauptnichts mehr zu tun haben seit Tickets aus dem Automatenkommen, sind wirklich dafür da, falls mal ein Kind sichverirrt oder jemand krank wird oder um eine*n Betrunke-ne*n zu beruhigen, der*die Leuten auf die Nerven geht…(Hier ist das Problem, dass die Öffentlichkeit darauf einge-stellt wurde, wie kleinbürgerliche Boss*innen zu denken;daher können sie es nicht akzeptieren, dass Leute, die nurfür den Notfall da sind, in der Zwischenzeit rumsitzen undKarten spielen. Deshalb wird erwartet, dass die Schaff-ner*innen so tun, als würden sie die ganze Zeit arbeiten.)Und doch lassen wir das alles aus in unseren Theorien desWertes, in denen es immer um „Produktivität“ geht.

Ich schlage das Gegenteil vor, wie es feministische Öko-nom*innen getan haben, wir könnten uns auch Fabrikar-beit als eine Erweiterung von Care-Arbeit vorstellen, dadu nur deshalb Autos herstellen möchtest, weil du dichdarum kümmerst, dass Menschen dort hinkommen, wo siehinwollen. Etwas in der Art liegt sicherlich in dem Gefühlvon Leuten, ihre Arbeit habe „sozialen Wert“ – oder ebenvon fehlendem sozialen Wert, wenn sie Bullshit-Jobs ha-ben.

Aber ich halte es für sehr wichtig, dass wir anfangen un-sere Ansichten über den Wert unserer Arbeit zu überden-ken, das wird in Zukunft noch wichtiger werden, je mehrrelative Bedeutung die Care-Arbeit durch die Automatisie-rung erhält. Nicht nur, wie ich schon meinte, weil die Au-tomatisierung in diesen Sektoren den umgekehrten Effekthat und die Arbeit weniger effizient wird, sodass immermehr Leute in diesen Bereichen arbeiten müssen, um die-selbe Wirkung zu erzielen. Noch nicht einmal deshalb,weil das dazu führt, dass hier die wirklichen Konflikte ge-führt werden, sondern weil wir diese Bereiche nicht auto-matisieren wollen. Wir würden nicht wollen, dass einRoboter Betrunkene beruhigt oder verirrte Kinder tröstet.Wir müssen denWert in den Arbeiten sehen, die wir wirk-lich nur Menschen anvertrauen würden.

Welche Folgen hat deine Theorie der Bullshit-Jobs fürArbeitsaktivist*innen? Du schreibst, dass du dir nurschwer vorstellen kannst, wie eine Kampagne gegenBullshit-Jobs aussehen müsste. Kannst du vielleichttrotzdem ein paar Ideen skizzieren, wie Gewerk-

schaften und Aktivist*innen sich dem Thema annä-hern könnten?Ich rede gerne von der „Revolte der Pflege-Klasse“. DieArbeiter*innenklassen waren schon immer die Pflege-Klassen – nicht nur, weil sie fast die gesamte Care-Arbeiterledigt haben, sondern, vielleicht als Ergebnis dessen,weil sie empathischer sind als die Reichen. Das zeigen imÜbrigen auch psychologische Untersuchungen. Je reicherdu bist, desto schwerer fällt es dir, auch nur ein Verständ-nis für die Gefühle anderer Leute aufzubringen. Deshalbist es ein guter Anfang, Arbeit nicht als Selbstzweck oderWert zu entwerfen, sondern als materielle Erweiterung desKümmerns.

Eigentlich würde ich sogar vorschlagen, dass wir „Produk-tion“ und „Konsumption“ durch „Kümmern“ und „Frei-heit“ ersetzen – Kümmern ist jede Handlung mit dem Ziel,eine andere Person oder die Freiheit anderer Leute zu er-halten oder zu erweitern. So wie Mütter sich um Kindernicht nur mit dem Ziel kümmern, dass sie gesund sind undwachsen und gedeihen, sondern ganz unmittelbar, damitsie spielen können, was der stärkste Ausdruck von Freiheitist.

Aber das ist alles langfristiges Zeug. Im kleineren Rahmendenke ich, sollten wir darüber nachdenken, wie wir derÜbermacht des Professionell-Managermäßigen begegnenkönnen, nicht nur in den bestehenden linken Organisatio-nen – wobei in vielen Fällen, wie bei der DemokratischenPartei in den USA, fraglich ist, ob sie überhaupt „links“genannt werden sollten – und uns so wirksam der Bullshi-tisierung entgegenstellen.

Im Moment streiken Krankenpfleger*innen in Neuseelandund eines ihrer Hauptanliegen ist genau das: einerseitssind ihre Reallöhne gesunken, andererseits verbringen sieso viel Zeit mit dem Ausfüllen von Formularen, dass siesich kaum noch um ihre Patient*innen kümmern können.Für viele Pfleger*innen nimmt das mehr als 50 Prozent inAnspruch!Die beiden Probleme sind miteinander verknüpft, da na-türlich das ganze Geld, das sonst in höhere Löhne geflos-sen wäre, stattdessen verwendet wird, neue und nutzloseVerwaltungsangestellte anzustellen, die die Pfleger*innenwiederum mit zusätzlichem Papierkram belasten, um ihreJobs zu rechtfertigen. Diese Angestellten werden aber oftvon den selben Parteien vertreten, sogar von den selbenGewerkschaften.

Wie entwerfen wir ein praktisches Programm, um solcheSachen zu bekämpfen? Ich halte das für eine äußerstwichtige strategische Frage.

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Als ich begann über und gegen Psychiatrien zu arbeiten,wurde ich schnell mit Desinteresse, Unverständnis bis zuVerweigerung über Diskussionen darüber konfrontiert.Psychiatrien gehören irgendwie zu einem System, welchesin radikalen Kreisen kritisiert wird. Menschen wird ihreFreiheit entzogen, das könnte unter Umständen ja unge-rechtfertigt sein! Die bestehenden Zustände können krankmachen, klar. Was es allerdings bedeutet, als krank be-trachtet zu werden im größeren Kontext mit Institutionenwie Psychiatrie, wird wenig besprochen. So weit, so ober-flächlich.

Ich fing an mich darüber zu wundern, warum andere In-stitutionen wie Gefängnisse einer klaren Kritik ausgesetztsind, aber Psychiatrien meistens wie riesige Fichten imWald der Zusammenhänge umgangen werden. Ich nahman, dass die fehlende Auseinandersetzung und die zugege-benermaßen eingeschlafene radikale Bewegung das zuverantworten hätten. Im Laufe meiner Arbeit sollte sichallerdings herausstellen, dass die Problematik weitaustiefer reicht.Die Antipsychiatrie-Bewegung hatte ihre blühende Zeit inden 68er Jahren und formte verschiedene Gruppierungen,Verbände und Aktionen. So entstanden dutzende Schrif-ten, von einfachen Aufrufen und Infoseiten bis hin zukomplexen Analysen, die von den Zuständen und inter-

sektionalen Verstrickungen von Diskriminierungen inPsychiatrien handeln.

Es gibt also genug Material, das auf die menschenverach-tenden Zustände in Psychiatrien aufmerksam macht. Den-noch ist da diese Stille. Dennoch ist da dieses Räuspern,das ungeschickt versucht schnellst möglich das Thema zuwechseln. Früher war es kein Nischenthema, welches ir-gendwie in der emanzipatorischen Praxis in eine andereLebensrealität geschoben werden konnte. Deutschland galtals eines der Zentren von Vordenker*innen der Antipsych-iatrie, indem sich theoretische Arbeiten und scharfe Ana-lysen zu Bewegungen entwickelten, die in der Praxis neueArten des Zusammenlebens probierten und die Konse-quenz aus dem Bruch mit der bürgerlichen Gesellschaftzogen – und radikale Schritte einleiteten.Es wurden Zufluchtsstätten gegründet, Häuser besetzt undin größeren Zusammenhängen gedacht. Kritik am Psych-iatriesystem gehörte in radikalen Kreisen, ob vorerst aka-demisch oder später ganz praktisch, zum guten Ton. Wokommt also die äußerst unhöfliche und unsolidarischeStille her?

1. Die soziale Hilfsorganisation - Es ist zu deinem Bes-ten

Die Antipsychiatrie Bewegung muss sich als erstes oft ei-nem Bild stellen, das ein verdammt zynisches Licht wirft:Psychiatrien sind nach diesem soziale Gesundheits- undHilfsinstitutionen, die zwar gruselig und stigmatisiert sind,aber immerhin noch sozial. Die dazwischen geschobeneEbene des Sozialen macht es schwieriger, Missbrauch,Machtstrukturen und Menschenrechtsverletzungen klarsichtbar zu kritisieren.„Die wollen Menschen da ja eigentlich nur helfen!“ ist einfadenscheiniges Argument, denn es ignoriert das tatsäch-lich erzeugte Leid und die eigentlichen Mechanismen undnormativen Vorlagen innerhalb von abgeschotteten Psych-iatriesystemen.Die Psychiatrie, im Mantel einer sozialen Gesundheitsin-stitution, wird so depolitisiert.Also: Nur weil „Gesundheit“, „sozial“ und „Hilfe“ drauf-steht, muss der Inhalt dem bei Weitem nicht entsprechen.Die sonst so kritische Linke scheint diesen einfachen Lo-gikschritt mit großem Gefallen zu verweigern. Die Un-

„Bin ich für dich (k)ein Mensch?“ – Solidaritätfür die Antipsychiatrie Bewegung!

Von: merlin

"Niedermit den Mauern der Psychiatrien!"

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schuld des Nichtwissens zieht hier nicht mehr. Das Wissenüber die Zustände ist vorhanden und gut zugänglich, wasalso ist so unbequem an radikaler Psychiatriekritik, odereiner stabilen Solidarität mit der Antipsychiatrie Bewe-gung? Was steht auf der anderen Seite, dass dieser mehrgeglaubt wird?

2. Für mehr Unwissenschaftlichkeit!

Ein weiterer radikaler Schritt, der selbst in der Postmoder-ne vielen noch zu schmerzhaft zu sein scheint, ist das Hin-terfragen von Wissenschaft. Es ist einfach, Menschen ineine Schublade zu stecken, wenn „wissenschaftliche Er-kenntnisse“ dafür breite Trampelpfade liefern. Burnout,Borderline, Persönlichkeitsstörung: wir tun so, als ob dieseabgegrenzten Diagnoseraster in ihrer Natürlichkeit schonimmer bestanden und als Krankheitsbild zum menschli-chen Sein gehören. Was ein Mensch ist und wie dieser sichzu verhalten hat, wurde über Jahrhunderte von Menschendurch Kultur und Sozialstrukturen entworfen. Diemenschliche Erfahrung, oder das, was wir für einen gesun-den Menschen halten, ist letztlich nur eins: ein Konstrukt.Schwere Zeiten und ver_rückte1 Lebensabschnitte könnenauch ohne ein künstliches Krankheitsbild ernst genommenund aufgefangen werden.Werfen wir einen Blick auf die Kämpfe von Trans Akti-vist*innen, kristallisiert sich der Unterdrückungsgeist vonwissenschaftlichen Konstrukten bitter heraus. Das zweige-

schlechtliche System ist genauso konstruiert.Empörte Antifeminist*innen greifen rasch in ihre alteSchulmappe, um ihr Biologiebuch aus der 8. Klasse zuzücken: „Was, aber hier steht es doch schwarz auf weiß, esgibt nur zwei Geschlechter, bla bla bla.“ Unkritisch werdenruntergebrochene und veraltete Erkenntnisse gegen realeLebensrealitäten von tausenden Menschen gestellt. Das istnicht nur absurd und ermüdend.Das unkritische Herunterlabern von WahrheitsmonopolenderWissenschaft ist gefährlich.Es ist notwendig darüber nachzudenken, von wem Nor-men geprägt werden und wer Wissenschaft dominiert.Diagnoseverfahren sind nicht abgekoppelt vom Rest derWelt, die wir erschaffen haben. Sie sind genauso sexistisch,rassistisch, homo- oder transfeindlich wie auch der Restder Gesellschaft und die Personen, die sie durchführen.Was als ver_rückt galt oder heute gilt, ist daher an domi-nierende Vorstellungen der jeweiligen Zeit gebunden.Wissenschaft, oder das Benennen von Krankheit oder Ab-weichung kann auch als Unterdrückungswerkzeug genutztwerden: Es zieht sich durch die Menschheitsgeschichte,dass Menschen abseits der Norm, ob diese nun rebellieren-de Frauen, neurodiverse Personen, Homosexuelle oderTranspersonen sind, stetig von oben nach unten pathologi-siert wurden.Pathologisierung bedeutet, dass Empfindungen, Bedürf-nisse und Verhaltensweisen durch herrschende Normen alskrankhaft definiert werden können. Pathologisierung ist

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News aus aller WeltFokusthema: Der NSU und der NSU‐ProzessCilip: die neuen PolizeigesetzeNürnberg: Aktuelles zur Repression nach verhinderterAbschiebungWo herrscht AnarchieAlltagssolidarität (16)

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[1] Der mitgeschriebene Unterstrich in dem Wort ver_rückt möchte verdeutlichen, dass hinter dieser Bezeichnung oft Fremdbestimmung nachdiskriminierenden gesellschaftlichen Kontroll- und Disziplinierungsmechanismen steht, welche Menschen nach herrschenden Vorstellungen wieder„gerade rücken“wollen.

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daher ein wirklich ekliges Machtinstrument, was wir end-lich und ganz final aus unserem Leben und vor allem un-serer politischen Praxis streichen müssen.

3. Konstrukt des Ver_rückten – was ist schon vernünf-tig?

Von Menschen in Psychiatrien wird ein hochgradig ab-straktes Bild gezeichnet. Die einzigen Fälle über die ge-sprochen wird, sind Personen, diestarke Verhaltensabweichungenzeigen. Dieses Bild des*der völligverwahrlosten Ver_rückten stärktdann das Argument des: „muss jaso“. Es wird verallgemeinert zu ei-nem Menschen, der nur noch eineIdee von ursprünglicher Vernunftist während sich andere Menschenaus Nächstenliebe dazu erbarmenihm aus absoluter Hilfslosigkeitaufzuhelfen.So einfach ist das nicht. In Psych-iatrien leben Menschen, die Bur-nout, Essstörungen, Depressionen,psychotische Schübe und andereArten von Neurodiversität dia-gnostiziert bekommen haben odernoch darauf warten, in eine mehr oder minder hilfreicheSchublade gesteckt zu werden. Abgesehen von dieser Ver-allgemeinerung wird das Bild nicht in Frage gestellt.Es bringt aber zwei weitere Steine ins Rollen: durch Ab-wertung von Menschen, die der Norm nicht entsprechen,identifizieren sich Menschen nicht mit ihnen. Obwohl daseine wirklich miese Praxis ist, solidarisieren sie sich somitauch nicht. Ein weiterer Stein könnte die Solidarität weiterweg rollen lassen: Wenn ver_rückt sein so eine andere Le-bensrealität ist, dann können sich Menschen nicht vorstel-len, auch mal in die Situation zu kommen.Knäste liegen nur einen Steinwurf entfernt, wir tragen dieMauern in unseren Herzen, wir schreiben ganz reale Briefezu unseren Freund*innen, die vor zwei Wochen noch Miss-etaten mit uns planten. Durch die Abstraktion von Men-schen in Psychiatrien, findet diese Art der Identifikationund Solidarität oft nicht statt. Dabei liegen Psychiatrien inähnlicherWeise viel näher als es uns lieb wäre.In Psychiatrien zu landen ist eigentlich ganz leicht, insbe-sondere wenn Personen Minderjährig sind.Let‘s face it: die Welt, in der wir gerade Leben, ist mehr alsbeschissen.Es ist leicht unter Druck zusammenzubrechen, um dannschwere Zeiten und ver_rückte Phasen zu durchleben.Leistungsdruck, Diskriminierung, Repression: Personenhören auf zu funktionieren.

Es gibt noch nicht viele coole Unterstützer*innengruppen,die dieses Leid gut auffangen können. Ob es nun deine El-tern waren, Cops dich aufgesammelt haben oder es erstmal deine fixe Idee war: da bist du nun. Reinkommen isteinfach, rauskommen manchmal nicht.Bist du auch noch von mehr als den verhältnismäßig pri-vilegierten Problemen betroffen, also von Sexismus, Ab-leismus, Rassismus, Armut und Homo- oderTransfeindlichkeit, befindet sich dein Name in mehrfacher

Ausführung in dem Lostopf füreine Einweisung wie bei denf*cking Hungergames der menta-len Gesundheit.Menschen sind komplex, abstrakteVer_rücktheitsbilder müssen ab-gebaut werden. Auch das Kli-scheebild eines Insassen ist nichtnur das, die Person ist ein Mensch.Wir verdienen es, gefragt zu wer-den, was wir für uns selbst fürrichtig halten. Wir verdienen es,vor Eingriffen geschützt zu wer-den. Wir verdienen ein Aushan-deln auf Augenhöhe im Rahmenvon Selbstbestimmung und Frei-heit.

4. Abstraktion – Mehr als nur kriminell und ver_rückt

Da Psychiatrien und die Systematik darum sich als totaleInstitution mit Gefängnissen vergleichen lassen, hilft einBlick auf die anti-Knast Bewegung weiter. Kritik an Knäs-ten ist in der Linken gut etabliert, von umfangreicher Soli-darität dazu, dass kaum eine*r sich bewusst DAFÜRaussprechen würde. Auch wenn Parallelen erkennbar sind,unterscheiden sich beide in Umständen und Mechanismenin verschieden Aspekten.Wenn wir uns auf Gemeinsamkeiten konzentrieren, wirddeutlich, dass die Debatte von einer Frage dominiert wird:Wohin mit dem vermeintlich ver_rückten?

„Na gut. Aber was machen wir dann mit denen?“ ist aucheine Frage, die Aktivist*innen der Anti-Knast Bewegungnach jedem Input an den Kopf geworfen wird. Neben Bei-spielen für gelebte transformative justice, transformierendeGerechtigkeit, hinterfragt die Anti-Knast Bewegung gezieltdie Bilder einer kriminellen Person, welche per se als bös-artig und gewalttätig gezeichnet wird. Kritiker*innen ho-len dann ihren eigenen Tuschekasten raus: das Strafsystembestraft systematisch Marginalisierte und somit auch öko-nomische Verlierer*innen des Kapitalismus und will sie sounter Kontrolle halten. Unter diesem Licht hat Straffällig-keit nichts mehr mit „böse sein“ zu tun.

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Das Kriminelle Subjekt, oder das abstrakte Böse muss indieser Logik verworfen werden.Wird diese Frage allerdings in der Anti-Psychiatrie Debat-te genannt, wird es wieder unheimlich still. Ver_rücktheitist auch ein abstrakter und konstruierter Begriff. Nur istdieser für viele immer noch zu glaubwürdig in der Verbin-dung mit einem vermeintlich sozialen Gesundheitsapparat,welcher ja nur helfen will. Die Abstraktion, die es akzep-tierbar macht Menschen ihre Freiheit zu nehmen, wirdeinfach nicht weiter reflektiert. Ver_rückte werden keineMenschen, sie bleiben in der Idee weiter Ver_rückte.Die Antipsychiatrie Bewegung muss daher schon im An-satz weiter gehen, als nur eine Zwangsinstitution zu kriti-sieren. Wir müssen verstehen, welche gesellschaftlichenNormen andere Lebensentwürfe und Lebensrealitäten ent-werten und warum diese dann mithilfe von Pathologisie-rung unterdrückt werden. Was als ver_rückt und daherkrank gilt, ist eine gesellschaftliche Idee. Dieses Denkenist, da wir alle Teil davon sind, auch in uns verankert. Ab-weichungen dürfen und müssen ertragen werden. Solidari-tät kann nicht bei der Norm aufhören, sie mussallumfassend mit unterdrückten und stigmatisierten Men-schen praktiziert werden. Geht sie nicht weiter, stumpft sieals Waffe für Freiheit und Menschenwürde ab.

Solidarität muss (praktisch) werden

Viele Überlebende von Psychiatrien beschreiben ihre Er-fahrungen als entmenschlichend. Schon die Vordenker*in-nen der Antipsychiatrie Bewegung stellten fest, dass inPsychiatrien Menschen nicht mehr Personen sind, sondernzu Sachen herabgesetzt werden. Unsere Rechte und unsereFreiheit wird beschnitten, wir müssen uns tagtäglich Über-griffigkeiten aussetzen, wir bekommen Drogen verschrie-ben, welche Nebenwirkungen haben, die mit uns nichteinmal besprochen werden. Und der eigentlich größte Wi-derspruch: Uns wird oft nicht geholfen. Therapieangebotefinden nicht statt, oder sie sind so normativ, dass es fürviele an Gewalterfahrung grenzt – was bleibt, sind die Git-ter vor den Fenstern, die die Gesellschaft vor uns schützensollen (?).Aber wer schützt uns vor der Gesellschaft? Wer schütztuns vor ihren gewaltvollen Normen? Wer schützt uns vorkapitalistischem Leistungsdruck und Diskriminierungser-fahrungen? Wenn freiheitliche Menschenrechte nur nochals Schatten existent sind, passiert all das in Psychiatrienungefiltert.Warum sieht die Mehrheitsgesellschaft weg und warummüssen wir um radikale Solidarität auch in linken Zusam-menhängen beinahe betteln? Die Frage, die als Nachge-schmack pelzig auf unseren Zungen liegt: sind wir füreuch keine Menschen?

Normalität(en) zerleben

Argumente für Psychiatrien laufen aus.Wir haben das schon immer so gedacht und demnachkönnen andere Perspektiven nur falsch sein? Seht genauerhin, wer das „Wir“ ist. Wissenschaft muss in emanzipatori-scher Praxis kritisch hinterfragt werden.Psychiatrien wollen nur helfen? Fragt euch unter welchenUmständen und Zuständen soll wie geholfen werden, undob reale Hilfe überhaupt stattfindet. Psychiatrien sind kei-

ne humanistischen Hilfsverbände, die Menschen altruis-tisch retten wollen.Wo sollen all die gefährlichen Ver_rückten hin? Nun, einedieser Ver_rückten spricht gerade mit dir.Ganz frei, ganz zahm.Das einzig Gefährliche an mir ist mein gebrochenes Herz,das die Wut aufbrodeln lässt um nach mehr Solidarität zuverlangen. Normen müssen zerlebt werden, unsere Ver-_rücktheit wurde von Anderen bestimmt.Hört uns zu, wenn wir von der Gewalt sprechen, die wir inPsychiatrien erlebt haben. Fangt endlich an Formen vonsolidarischen Unterstützungsgruppen zu besprechen, umeuch gegenseitig von staatlichen Eingriffen durch schwereZeiten zu helfen. Gebt unseren Kämpfen Raum und Auf-merksamkeit.Wenn ich das nächste Mal „Knäste sollen brennen!“ rufe,will ich, dass ihr umso lauter antwortet: „Psychiatriengleich dazu!“.

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28 Gai DàoN°93 — September 2018

Rezension zur Queerulant_in #10

Von: Jonas Parey

Im Juni wurde die 10. Ausgabe der "Queerulant_in" veröf-fentlicht, eine queerpolitische Zeitschrift, die seit 2006 er-scheint. Die vorherigen Ausgaben habe ich nur sporadischgelesen, das Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe"Queer und Gefangenschaft" weckte diesmal meine Auf-merksamkeit. Wie immer ist die Queerulant_in gespicktmit vielen spannenden Artikeln, Erfahrungsberichten, Ly-rik und Comics.

Das Anarchist Black Cross Wien gibt in dem Artikel"Trans* hinter Gitter" einen Einblick in die Gefängnisreali-tät von Trans*, schreibt über Solidarität mit Gefangenenvon außerhalb des Knastes und untereinander und erläu-tert die Geschichte des "Trans Prisoner Day". Ich war sehr

erfreut darüber, dass die Genoss*innen in dem queerfemi-nistischen Magazin veröffentlichen!

Mein persönlicher Höhepunkt war der Artikel "Queers imTV-Knast" von Sam Achilles. Sam beschäftigt sich mit derFrage, was an Knast-Serien so spannend ist und wieso sichgerade Queers so für sie begeistern. Anhand der Serie"Orange is the New Black" (kurz OITNB, Netflix) analy-siert Sam das System Knast und deckt dabei die Mecha-nismen auf, mit denen Knast versucht, Menschen zustrafen, zu reparieren und wieder in die Gesellschaft ein-zufügen. Anhand von OITNB betrachtet Sam immer wie-der die Situationen vom marginalisierten Gruppen imGefängnis und im TV: "Manch eins freut sich vielleichtüber die hohe Diversität: Viele Frauen, wenig Weiße, vieleQueers! Dabei ist es doch schrecklich bezeichnend, dassdieser seltene Fall lediglich bei einer Serie zu beobachtenist, die im Knast spielt." Ein wirklich lesenswerter Artikel!

Worauf ich mich bei jeder Queerulant_in-Ausgabe freue,ist das Glossar, das jedes Mal um viele Begriffe erweitertwird und in leicht verständlicher Sprache viel feministi-sches Fachvokabular erklärt. Das erste Mal stieß ich hierbeim Lesen auf die Abkürzung "MOGAI". MOGAI steht für"'marginalisierte Orientierungen, Geschlechtsidentitätenund Intersex' und ist ein Sammelbegriff, welcher [.. .] ver-sucht, durch nicht konkrete Benennung der einzelnen se-xuellen Identitäten und Geschlechtsidentitäten einenSchwerpunkt auf deren Marginalisierung und Unter-drückung zu setzen". Ich finde das eine Idee, die in anar-chistischen Kontexten Anwendung finden könnte odersollte, da es zum Einen die unterdrückenden Herrschafts-verhältnisse aufdeckt und zugleich die Einordnung einerPerson in diese Gruppe bei der Person belässt, ohne sich ineine vorgegebenen Kategorien (z. B. bei LGBTIQ-Abkür-zungen) einordnen zu müssen.

Information

Erhältlich ist die Queerulant_in bei der FdA-Gruppe"Fabzi - feministische und anarchistische Broschürenund Zines", im Black Pigeon Buchladen in Dortmundund an mehr als 220 Auslageorten im deutschspra-chigen Raum sowie aufderWebsite queerulantin.de

!

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29Gai DàoN°93 — September 2018

Die Circle­A #5 kann hier heruntergeladen werden:https://and.notraces.net/de/2018/08/15/circle­a­5/

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Gai DàoN°93 — September 201830

★★★

Save the Date: Anarchistische Buchmesse Mannheimvom 10. – 12. Mai 2019

Liebe Verlage, Vertriebe, Autor*innen, Kulturschaffende,Übersetzende,

im nächsten Jahr ist es endlich wieder soweit: vom 10. –12. Mai 2019 wird es wieder eine vielseitige und bunte an-archistische Buchmesse in Mannheim geben. Drei Tagelang wird die Stadt libertäre Kultur, zahlreiche Bücher, Le-sungen, Vorträge, Workshops und Konzerte erleben.

Erste Infos zu Veranstaltungsorten, unser Editorial, sowieeinen Überblick über Programm und Beteiligte der vierletzten Buchmessen findet Ihr schon jetzt bzw. sehr baldauf unsererWebsite: buchmesse.anarchie-mannheim.de

Wenn Ihr wieder (oder zum ersten Mal) mitmachen möch-tet, egal ob als Verlag, Vertrieb, Autor*in, Künstler*in, Mu-siker*in oder Band oder einfach weitere engagierte undinteressierte Menschen kennt, sendet einfach eine E-Mailan: [email protected] möchten Euch bitten, uns bis spätestens Mitte Novem-ber dieses Jahres Bescheid zu geben.

Mit libertären GrüßenAnarchistische Gruppe Mannheim

www.anarchie-mannheim.de

Kurznachrichten

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31Gai DàoN°93 — September 2018

FdA hautnahRegelmäßige Termine von Gruppen der Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen

BERLIN

Anarchistisches Kaffeekränzchen: Offener Stammtisch

4. Dienstag im Monat ab 19 Uhr im Café Morgenrot, Kastanienallee 85, Prenzlauer Berg (U2

Eberswalder Str.)

Libertärer Podcast des Anarchistischen Radios Berlin

Jeden 1. des Monats mit einem ernsten und satirischen Rückblick des Vormonats. Daneben

verschiedene Sendungen und Hinweise im Laufe des Monats. aradio.blogsport.de

BIELEFELD

Das ANARCHISTISCHE FORUM OWL trifft sich jeden Mittwoch ab 18 Uhr im FAU-

LOKAL in der Metzer Str. 20 (Ecke Mühlenstr.) in Bielefeld. Hier diskutieren wir, planen

gemeinsame Aktionen, führen Veranstaltungen durch+bereiten die Revolution vor.

ANARCHISTISCHE KLASSIKER*INNNEN: Jeden 2. Mittwoch im Monat stellen wir ab

19.30 Uhr im FAU-Lokal anarchistische Klassiker*innen und ihr Leben undWerk vor.

SCHWARZER FREITAG: Am letzten Freitag im Monat zeigen wir Filme, stellen Bücher vor

oder präsentieren alternative Projekte aus Bielefeld und OWL

LIBERTÄRER LESEKREIS: Alle zwei Wochen lesen wir gemeinsam in Horst Stowassers

Einführung in den Anarchismus, ab 19 Uhr im FAU-Lokal

KÜCHE FÜR ALLE: An jedem 1. Mittwoch im Monat ab 19.30 Uhr im FAU-Lokal

BONN

Offenes Treffen der ASJ Bonn

Jeden 1. Donnerstag im Monat um 19 Uhr im Oscar Romero Haus, Heerstraße 205

DORTMUND

Anarchistisches Buch- und Kulturzentrum – Black Pigeon

Scharnhorststraße 50, 44147 Dortmund

regelmäßige Öffnungszeiten Dienstag bis Freitag 13-19 Uhr

DRESDEN

Wanderungen der Schwarz-Roten Bergsteiger*innen

AufAnfrage mit mind. 3 Wochen Vorlauf an: [email protected]

Wanderungen, Übernachtungen, politisch-historische Führungen gegen Spende für lokale

Projekte im Raum Dresden und Sächsische Schweiz

Gewerkschaftliche Beratung der FAU und BNG

jeden zweiten Dienstag (gerade Wochen) von 18:00 bis 20:00 Uhr

im FAU-Büro: Hausprojekt Mangelwirtschaft, Overbeckstraße 26

mehr Infos unter: dresden.fau.org

FRANKFURT am Main

BR(A)NCH – Veganer Brunch mit wechselndem Programm

ab 12 Uhr Brunch, 14 Uhr Programm (Vortrag o.ä., aktuelle Infos: lila.noblogs.org)

Jeden letzten Sonntag im Monat im Cafe ExZess, Leipziger Straße 91

FREIBURG

„Zum Kuckuck“ – offenes anarchistisches Treffen

Jeden 4. Donnerstag im Monat ab 19:00 Uhr

im Interym/Kyosk, Adlerstr. 2, 79098 Freiburg

Offene anarchistische Bibliothek

Jeden 1. + 3. Sonntag im Monat ab 17 Uhr im SUSI Café, Vaubanallee 2, 79100 Freiburg

GÖTTINGEN

Anarcho-syndikalistische Jugend Göttingen

Halboffene Gruppe mit verschiedenen Schwerpunkten (aktuell: Arbeitskampf an

Hochschulen, anarchistische Agitation und Freiräume)

Kennenlernen jeden letzten Sonntag im Monat, ab 15 Uhr im JuZI (Bürgerstr. 41 - Göttingen)

beim anarchistischen Café Mailadresse: [email protected]

KARLSRUHE

Vegane Vokü

Jeden 3. Donnerstag im Monat ab 19 Uhr

Viktoriastr. 12 (Hinterhaus), 76133 Karlsruhe

Anarchistisches Radio

Jeden 2. Sonntag 18-20 Uhr, Querfunk 104,8 MHz oder querfunk.de

KASSEL

Anarchistisches Info-Café

Jeden zweiten Sonntag des Monats, 15 bis 18 Uhr

Infoladen “…an der Halitstraße” (Holländische Str. 88, Kassel)

Anarchistisches Radio Kassel

Jeden vierten Samstag um 20 Uhr im Freien Radio Kassel

auf 105,8 Mhz oder im Livestream, Sendetermine unter a-o-ks.org/tag/radio/

KÖLN

Offenes Anarchistisches Forum

Jeden 1. Freitag im Monat ab 19 Uhr

im Infoladen des Autonomen Zentrums (Luxemburger Str. 93, U18: Eifelwall)

LEIPZIG

Offenes Plenum der Anarchosyndikalistischen Jugend (ASJL)

Jeden 1. und 3. Dienstag im Monat ab 19:30 Uhr in der Gleiserei

Kontakt über [email protected]

ASJ VEKÜ (Vegane Küche)

Jeden letzten Montag im Monat ab 20 Uhr im Atari (Kippenbergstr. 20, 04317 Leipzig)

TheorieAG der ASJL

Kontakt über Plenum, Vekü oder E-Mail

LUDWIGSBURG

Anka L – das monatliche Antifa-Café

des Libertären Bündnis Ludwigsburg (LB)2 (mit Vokü)

Jeden 4. Mittwoch im Monat ab 19:30 Uhr im DemoZ, Wilhelmstr. 45/1, Ludwigsburg

NÜRNBERG

Vefa (veganes Essen für Alle) von Auf der Suche – Anarchistische Gruppe Nürnberg

jeden zweiten Dienstag im Monat ab 19:00 Uhr

im Projekt 31 (An den Rampen 31, 90443 Nürnberg)

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Unser Ziel ist eine herrschaftsfreie Gesellschaft ohne Grenzen und Staaten, ohne Klassen und Patriarchat, auf Grundlage der freienVereinbarung, der gegenseitigen Hilfe und des anarchistischen Föderalismus, der durch gebundene Mandate seitens der Basisgekennzeichnet ist. Diese Gesellschaft soll pluralistisch sein, damit unterschiedliche Lebensentwürfe und kollektive Grundordnungengleichberechtigt – verbunden durch den Föderalismus – erprobt, gelebt und umgesetzt werden können. Da wir jede Herrschaft überund Ausbeutung von Menschen ablehnen, setzen wir uns ein für die Abschaffung aller Formen von Herrschaft und Ausbeutung inkultureller, politischer, sexueller, sozialer, wirtschaftlicher oder sonstiger Hinsicht.

Die FdA will auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens an die föderalistischen Ideen anknüpfen und sie den Erfordernissen derheutigen Zeit anpassen. Im anarchistischen Föderalismus sehen wir die Grundlage einer wirklichen und dauerhaftenSelbstverwirklichung, die allein die Gewähr für Freiheit, Gleichheit und Solidarität gibt. Wir streben keine Übernahme, sondern dieAbschaffung der politischen Herrschaft an.

Erst Gemeinschaften ermöglichen die gegenseitige Hilfe und bilden die Grundlage, auf der eine anarchistische Gesellschaft wachsenkann. Informelle, unverbindliche Zufallsbegegnungen sind für diese Gemeinschaft nicht ausreichend. Deshalb organisieren wir uns, umSolidarität zu leben, Mut zum Handeln zu geben und die Wirksamkeit unseres Handelns zu steigern.

KONTAKTE

Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen

Kontakt: [email protected]

fda-ifa.org

Internationale der Anarchistischen Föderationen

Kontakt: [email protected]

i-f-a.org

Berlin

Anarchistisches Radio Berlin

Kontakt: [email protected]

aradio.blogsport.de

Anarchistisches Kaffeekränzchen

Anarchistisches Kollektiv Glitzerkatapult

Kontakt: [email protected]

glitzerkatapult.noblogs.org

Dresden

AK Freizeit

Kontakt: [email protected]

dresden.fau.org/freizeit-und-soziales

IK Dokumentation

dresden.fau.org/freizeit-und-soziales

Libertäre Aktion Frankfurt Oder

Kontakt: [email protected]

laffo.blogsport.eu

Schwarz Lila Antifa (Thüsterberg)

Kontakt: [email protected]

schwarzesbrettleineweserbergland.wordpress.com

Karakök Autonome Türkei/Schweiz

Kontakt: [email protected]

karakok.org

Anarchistische Föderation Rhein/Ruhr

Kontakt: [email protected]

afrheinruhr.blogsport.de

Anarchistische Gruppe Dortmund

Kontakt: [email protected]

agdo.blogsport.eu

Anarchistische Gruppe Krefeld

Kontakt: [email protected]

agkrefeld.blogsport.de

Anarchistische Gruppe östliche Ruhrgebiet

Kontakt: [email protected]

afrheinruhr.blogsport.de

Anarchistisches Kollektiv Köln

Kontakt: [email protected]

apjkoeln.blogsport.de

LilaLautstark - queerfeministische Gruppe

Dortmund

Kontakt: [email protected]

lilalautstark.noblogs.org

fabzi – feministische und anarchistische

Broschüren und Zines

Kontakt: mail [email protected]

li(e)berationWuppertal

Kontakt: [email protected]

lieberation.wordpress.com

Anarchistisches Forum Ostwestfalen-Lippe

Kontakt: [email protected]

afowl.noblogs.org

Aktion & Organisierung Kassel

Kontakt: [email protected]

a-o-ks.org

Anarchistisches Netzwerk Südwest*

Kontakt: [email protected]

a-netz.org

Anarchistische Gruppe Freiburg

Kontakt: [email protected]

ag-freiburg.org/cms

Anarchistische Gruppe Mannheim

Kontakt: [email protected]

anarchie-mannheim.de

Anarchistische Initiative Kaiserslautern

Kontakt: [email protected]

aikl.blogsport.eu

Anarchistische Initiative Ortenau

Kontakt: [email protected]

aiog.noblogs.org

Libertäres Bündnis Ludwigsburg

Kontakt: [email protected]

lbquadrat.org

Libertäre Gruppe Karlsruhe

Kontakt: [email protected]

lka.tumblr.com

Auf der Suche (Nürnberg)

Kontakt: aufdersuche@riseup. net

aufdersuche.blogsport.de

Lava Muc - Anarchistische Assoziation (München)

Kontakt: [email protected]

lavamuc.noblogs.org

about:fem – anarcha-feministische Gruppe aus Köln

Kontakt: [email protected]

aboutfem.blogsport.de

ASJ Bonn

Kontakt: [email protected]

asjbonn.blogsport.de

ASJ Göttingen

Kontakt: [email protected]

asjgoe.blogsport.de

ASJ Leipzig

Kontakt: [email protected]

asjl.blogsport.de

LiLa [F] (anarchistische Gruppe Frankfurt)

Kontakt: [email protected]

A4 Unplugged (Zürich)

Kontakt: [email protected] Ort: Koch Areal

Assoziierte Projekte

Allgemeines Syndikat Dresden

Kontakt: [email protected]

fau.org/ortsgruppen/dresden

Anarchistisches Forum Köln

Kontakt: [email protected]

anarchistischesforumkoeln.blogsport.de

IT-Kollektiv

Kontakt: [email protected]

it-kollektiv.com

Black Pigeon (Dortmund)

Kontakt: [email protected]

blackpigeon.blogsport.eu

Schwarze Ruhr Uni Bochum

Kontakt: [email protected]

schwarzerub.blogsport.de

F54-Siebdruckkollektiv

Kontakt: kiezladenf54bleibt@riseup