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Miteinander Miteinander Gemeinsam leben & lernen in Europa e.V. Ausgabe 8 / Juli 2014 Das Magazin von Gemeinsam leben und lernen in Europa e.V. Ein Austauschprojekt für ältere Freiwillige zwischen Deutschland und Tschechien Sonderheft ImpulsSenioren

Miteinander Ausgabe 8 (Juni 2014) - Sonderheft ImpulsSenioren

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Die neue Ausgabe unserer Vereinszeitschrift "Miteinander" ist fertig: Sie ist ganz dem Austausch älterer Freiwilliger zwischen Bayern und Böhmen gewidmet. Erstellt wurde sie von unserer Praktikantin Julia Reiterer.

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Page 1: Miteinander Ausgabe 8 (Juni 2014) - Sonderheft ImpulsSenioren

MiteinanderMiteinanderGemeinsam leben & lernenin Europa e.V.

Ausgabe 8 / Juli 2014

Das Magazin von Gemeinsam leben und lernen in Europa e.V.

Ein Austauschprojekt für ältere Freiwillige zwischen Deutschland und Tschechien

Sonderheft ImpulsSenioren

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Miteinander - das Magazin von Gemeinsam leben und lernen in Europa e. V.

Editorial

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Überblick ImpulsSenioren

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Totem-Haus Pilsen

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Kommentar Maria

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Gruppenprofile

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Interview Perdita

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Projekt und Hochwasser

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Uvidíme - Schau ma mal

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Tagesausflug Burghausen

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Impressionen (Fotos)

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ImpressumMiteinander - Das Magazin von Gemeinsam leben und lernen in Europa e. V.

Herausgeber: Gemeinsam leben und lernen in Europa e. V., Leopoldstraße 9, 94032 PassauTelefon: 0851 - 213 2739 Mail: [email protected]

Chefredaktion: Julia Reiterer Grafik: Franz SzaboV. i. S. d. P.: Perdita Wingerter, Geschäftsführerin GLL

Miteinander erscheint unregelmäßig. Text- und Bildkopien nur mit Genehmigung

Inhaltsverzeichnis

Titelbild: ImpulsSenioren treffen sich für eine Führung durch die Interkulturellen Gärten am Stelzlhof mit Valentine, die dort selbst einen Garten pflegt. Von links: Wally, Gertraud, Hana, Julia (Praktikantin), Jiří, Valentine, Jana

Vorstellung des Projektes

ImpulsSenioren - ein Projekt, das für äl-tere Freiwillige ins Leben gerufen wurde, damit diese ihre Fähigkeiten und Fertig-keiten auch außerhalb des von ihnen Gewohnten Umfeldes einsetzen und vor allem auch erweitern können.

Ziele und Ergebnisse

Das Projekt war für vier Gruppen, je zwei deutsche und zwei tschechische, ausgelegt. Jede dieser Gruppen konn-te andere Erfahrungen sammeln und hatte andere Erlebnisse - auch die per-sönlichen Ziele unterscheiden sich von Person zu Person.

Kulturelle Differenzen

Die Teilnehmer konnten Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten der beiden Kulturen hautnah erfahren. Mit den aus den Diffe-renzen entstehenden Problemen umzuge-hen war dabei eine Herausforderung, die für das Bestreiten künftiger Projekte weg-weisen sein wird.

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Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

unter den vielen, spannenden Projekten, die unser Verein für verschiedenste Zielgruppen or-ganisiert, befand sich für 2013 und 2014 auch ein Programm zum Austausch älterer Freiwilli-ger. Sein voller Titel „Impulse für Kultur, Bildung und Freizeit: Aktive Senioren in der Grenzregion Bayern – Böhmen“ (oder einfach kurz ImpulsSe-nioren) lässt die Grundziele des Projektes bereits erkennen: Ehrenamtlich tätige Senioren sollten die Gelegenheit bekommen, ihre Freiwilligenar-beit ins jeweilige Nachbarland zu tragen um dort neue Impulse für ihr Engagement zu bekommen und gleichzeitig Impulse von sich selbst weiter-geben zu können.

Ich selbst durfte dabei den Aufenthalt der vierten und letzten Austauschgruppe größten-teils organisieren und die drei tschechischen Senioren in Passau begleiten. So habe ich aus erster Hand deren schier grenzenlose Unter-nehmungslust für Freizeit wie Freiwilligenarbeit erfahren. Außerdem konnte ich dabei die deut-schen Projektteilnehmer kennenlernen, welche ihre tschechischen Kollegen mit Fleiß und Eifer ebenfalls bei ihrem Aufenthalt in unserer Stadt unterstützten. Von ihnen habe ich auch viel über ihre Zeit in Tschechien erfahren und wie es ihnen dort erging. Die Rezension für das Projekt fiel im Großen und Ganzen sehr positiv aus – und die weniger guten Erfahrungen zeigen, wo wir und

die tschechische Seite noch etwas dazulernen und verändern müssen. Aber genau das gehört ja auch zu den Zielen des Projektes: Einander überkulturell verstehen und miteinander umzu-gehen lernen.

Durch meinen direkten Kontakt mit den Senioren habe auch ich viel dazugelernt und mein Bild über unsere Nachbarn angepasst und erweitert. Aus Evaluationsgesprächen und schriftlichen Wochenberichten und nicht zuletzt aus vielen Fotos habe ich auch einen guten Überblick über den Austausch der anderen Gruppen bekommen. Bei meiner Recherche habe ich außerdem einige ältere Dokumente von anderen Beteiligten ent-deckt, die hier ebenfalls veröffentlich werden.Zu dieser Sonderausgabe zum ImpulsSenioren-Projekt bewegt haben uns schließlich das große Engagement aller Beteiligten und vor allem auch die Bereitschaft von Senioren, gute und wichtige Freiwilligenarbeit nicht nur in der Heimat son-dern auch im Ausland zu leisten. Nicht zuletzt soll mit dieser Ausgabe aber auch allen anderen kleineren Projekten Tribut gezollt werden, die so wichtig für das Miteinander in Europa sind – lei-der aber immer seltener werden.

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihre

Julia Reiterer

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Julia Reiterer, Praktikantin

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Das Projekt „ImpulsSenioren“ hat während seiner Laufzeit von zwei Jahren aktive, ältere Freiwillige wort-wörtlich über die Grenzen ihres sonst möglichen Wirkungsbereiches hi-nausgebracht. Der zwischen unserem Verein „Gemeinsam leben und lernen in Europa“ und dem Freiwilligenzen-trum „Totem“ in Pilsen veranstaltete Austausch brachte vier Gruppen von jeweils drei Senioren in die Heimat-stadt des gastgebenden Vereins, wo die Teilnehmer neue Impulse für Kul-tur, Bildung und Freizeit bekommen konnten.

Das Projekt selbst wird dabei von dem EU-Förderprogramm „Grundtvig“ unter-stützt, welches nach einem dänischen Vorreiter in der Erwachsenenbildung be-nannt wurde. Entsprechend fördert das „Programm für lebenslanges Lernen“ Pro-jekte für Erwachsene und Senioren so-wie Aktionen, die für die Verständigung zwischen den Generationen eintreten.

Das Ziel des Projektes „ImpulsSenioren“ war dabei die Aktivierung älterer Freiwilliger zu einem länderübergreifenden Austausch von Erfahrungswerten, Konzepten und Metho-den im Ehrenamt, welche die Teilnehmer nach Möglichkeit auch in ihrem heimatli-chen Tätigkeitsfeld umsetzen können. Eben diese „neuen Impulse“ sind es, die das Pro-jekt anstrebt – für die gemeinnützigen Or-ganisationen wie auch für jeden Einzelnen.

Konkret bedeutet das, dass die Rentner in kulturelle und soziale Projekte der Aus-tauschstadt mit einbezogen wurden, wo ihre Erfahrungen aus Ehrenamt und Leben und häufig auch ihre zweisprachigen Kenntnisse besonders nützlich waren. So durfte etwa die erste Gruppe aus Tschechien bei der Jahres-ausstellung südböhmischer Künstler in Pas-sau, dem „Intersalon AJV“ 2013 mitwirken; die erste deutsche Gruppe beteiligte sich am „Dritten Festival“ “, einer tschechischen Veranstaltung für die dritte Generation. Ne-ben solchen Großereignissen wurden die Senioren in Einrichtungen für Kinder und Senioren eingesetzt, in denen sie ebenfalls

„ImpulsSenioren“ – aktive Senioren in der Grenzregion Bayern – Böhmen

Ein Sprach- und Erfahrungsaustausch für ältere Freiwillige:

Vortreffen 2012: Gll-Chefin Perdita Wingerter (li.) und Totem-Oberhaupt Vla-stimila Faiferlíková (Mitte re.) sowie weitere Freiwillige besprechen ihre Pläne

Rückblick Projekt „New

Horizons“:

Bereits 2012 konnte ein ähn-

liches Projekt wie „ImpulsSe-

nioren“ durch unseren Verein

verwirklicht werden, das un-

ter dem Titel „New Horizons

for active Seniors“ lief. Dabei

fand der Austausch zwischen

unserem Verein in Passau

und der prager Organisati-

on „Hestia“ statt und wurde

ebenfalls vom Grundtvig-Pro-

gramm gefördert.

Zwei der Teilnehmer dieses

Vorgänger-Projektes nahmen

sich für „ImpulsSenioren“ ein

weiteres Mal Zeit: Valentine

Antoni und Michael „Mike“

Bauer haben sich nach ihren

positiven Erfahrungen in Prag

auch an den Austausch nach

Pilsen herangewagt.

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aktiv mithelfen durften. Besonders im Umgang mit diesen beiden Altersgruppen konnten dabei auch kulturelle Unterschiede festgestellt werden.

In ihrer Freizeit haben die Teilnehmer die Kultur des Nachbarlandes weiter erfahren und hatten Gelegenheit, Senioren aus der Region kennen-zulernen. Ganz vorne stehen dabei natürlich die Projektteilnehmer des jeweils anderen Landes, aber auch deren Freunde und Bekannte sowie ge-nerationenübergreifend Vertreter verschiedener Vereine und Mitglieder der teilnehmenden Orga-nisationen – alle zeigten eine bewundernswerte Bereitschaft, den „ImpulsSenioren“ ihren Aufent-halt so spannend und interessant wie möglich zu gestalten. So wird nicht nur offiziell eine Gemein-schaft gestiftet, sondern ganz selbstverständlich auch im privaten, von Mensch zu Mensch, das ge-genseitige Bild von der Nachbarkultur aufgebaut und mögliche unrechtmäßige Klischees aufgelöst

– ein Projekt zur Völkerverständigung zwischen Deutschland und Tschechien auf ganzer Ebene.

Vom Austauschprogramm profitierten aber nicht nur die beteiligten Senioren, auch die beiden ent-sendenden Organisationen stehen in regem Aus-tausch und werden so zunehmend miteinander vernetzt, wodurch wiederum neue Ideen von einer Seite zur anderen getragen werden. Das Prinzip des Totem-Hauses etwa, einen physischen Rah-men und vielfältige Möglichkeiten für Begegnungen und Aktionen zu bieten, nimmt Perdita Wingerter mit einem begeisterten „So etwas will ich auch ha-ben!“ auf und beginnt sofort, die Realisierbarkeit eines solchen Unterfangens abzuwägen. Neben diesen Impulsen können die beiden Organisationen auch durch die Kommunikation über aufgetretene Probleme im Projekt nur verbessert werden: Eine Grundlage für die Offenheit zu weiteren, deutsch-tschechischen Projekten in der Zukunft entsteht.

„ImpulsSenioren“ – aktive Senioren in der Grenzregion Bayern – Böhmen

Ein Sprach- und Erfahrungsaustausch für ältere Freiwillige:

Teilnehmer am Austausch 2014: Mike, Jana, Alfred, Hana, Valentine und Jiří (von links) treffen sich vor Ende des Projekts ein letztes Mal

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Das regionale Freiwilligenzentrum „TOTEM“ setzt sich für die Ausbrei-tung der freiwilligen Dienste ein und bietet mit dem Totem-Haus einen Ort für soziale und kulturelle Aktivitäten für Senioren, Familien und die breite Öffentlichkeit.

Durch das vielfältige Angebot finden Jung und Alt Zugang zu Totem und machen das Mehrgenerationenzentrum so erst möglich. Die Projektbeteiligung an „ImpulsSenioren“ fällt dabei in den Einsatz von TOTEM für lebenslanges Lernen, in welchem Selbstbe-wusstsein und Ehrgeiz von Senioren geför-dert werden sollen.

In diesem Rahmen bietet das Freiwilligen-zentrum Kurse an, an denen auch unsere Teilnehmer bei ihrem Besuch mitwirken konnten. Gertraud und Wally beteiligten sich etwa an einem Backkurs für Frauen, wo sie gute, teils alt-traditionelle Rezepte austauschen konnten. Unsere Gruppe, die dieses Jahr das TOTEM-Haus besuchte, sang bei der Seniorenkapelle mit und konnte dank Mikes Liederbuch sogar das deutsche Kindheitslied einer tschechischen Senioren ausfindig machen. Und auch die erste Aus-tauschgruppe nach Tschechien erlebte die

Wichtigkeit des Mus i z ie rens , welches „erfri-schend für das dritte Alter“ ist, wie Wally schreibt.

Diese und noch viel mehr Akti-onen kann man im Mehrgenerationenhaus machen, häufig werden Kurse sogar direkt von den Seni-oren dort selbst gestaltet und angeboten.

Besonders wichtig für unser Projekt waren dabei auch die Sprachkurse, welche als Grundlage für den Besuch der tschechischen Senioren bei uns gelten können. Aber auch unsere deutschen Teilnehmer konnten bei Sprach- und Konversationskursen des TO-TEM-Hauses mitwirken, indem sie nicht nur als Muttersprachler mit den tschechischen Lernenden üben konnten, sondern auch regionales über ihr Herkunftsland und den Kreis Passau erzählen konnten.

Regionales Freiwilli-genzentrum TOTEM

Unsere Partnerorganisation in Pilsen:

Alte und neue Rezepte werden im Backkurs erprobt

Weitere von Grundtvig ge-

förderte Projekte des Ver-

eins:

„SMILE - Senior Mentoring for

Intergenerational Learning“

Ziel: Aktiver Austausch zwi-

schen den Generationen

„Gender Problem Scanning

Techniques“ Ziel: Verringern

von Ungleichheiten zwischen

den Geschlechtern im Ar-

beitsumfeld

„emPower-Engaged migrants:

Pathways overcoming Worries,

Exclusion & Racism“ Ziel: Bes-

sere Einbindung von Migranten

und deren Erfahrungen

„Reference - Valuing and using

skills development through vo-

lunteering as a pathway into

employment“ Ziel: Entwick-

lung einheitlicher Referenz-

schreiben für Freiwillige

... und noch einige Projekte

mehr

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Am ImpulsSenioren-Projekt haben sich viele engagierte Menschen beteiligt und mitgeholfen, den Senioren einen schönen und möglichst reibungslosen Aufenthalt während ihres Austauschs zu ermöglichen. Von unserem Verein aus war für die erste Gruppe aus Tschechien vor allem die Prak-tikantin Maria Ullrich zur Stelle, die für die drei Herren ein abwechslungsreiches Pro-gramm ausgearbeitet hatte und sie oft be-gleitete. Aus der Zeit direkt nach dem ersten Austausch stammt auch der folgende kleine Kommentar, der die Stimmung während der Austauschreisen bestens ausdrückt:

„Die Organisation des Seniorenfreiwilligenaus-tausches CZ-DE im Rahmen des Grundtvig-Pro-jektes „Impulssenioren“ war in jeder Hinsicht bereichernd für mich. Schon während der Vorbe-reitungen und Planungen des Austausches knüpfte ich viele interessante Kontakte zu Initiativen und Organisationen in Passau, die für dieses Projekt mit uns zusammen arbeiten wollten. Sie ließen sich so schnell begeistern und sicherten so direkt und ohne Einschränkungen ihre Hilfe zu, dass ich immer wieder neu für das Projekt motiviert wur-de.So war ich auch überaus gespannt auf die Ankunft der tschechischen Freiwilligen, welche sich als drei sehr sympathische, charmante und humor-volle Herren herausstellten. Es war eine Freude zu beobachten, wie auch sie sich begeistern ließen und der neuen Situation positiv begegneten. Auf alle Organisationen gingen sie mit so einer Neu-gierde zu, wie man sie von Kindern kennt, und auch an ihren Deutschkenntnissen feilten sie mit ständigem Elan. Gar untereinander in ihrer Pensi-on übten sie die Sprache! Natürlich kam es auch zu sprachlichen Missver-ständnissen, die hin und wieder für Verwirrung, aber vor allen Dingen für großes Gelächter sorgten. Die Gemeinschaft aus den Freiwilligen und uns

Betreuenden - Zuzka, Perdita und mir - war so harmonisch, dass sich mit Humor jede Unebenheit glätten ließ!Die Lebensfreude von Karel, Jaroslav und Petr hat mich fasziniert und ich wünsche mir, mir die meine genauso zu erhalten wie sie das getan haben! Die werde ich wohl auch brauchen, wenn ich im Alter von 70 Jahren Tschechisch lernen werde!“

Eine Praktikantin zum Freiwilligenaustausch im Frühjahr 2013

Marias Kommentar

Maria flankiert von Karel (links) und Jaroslav

Die Stiftskirche in Engelhartszell: Barock oder Rokkoko? „Beides!“ einigen sich Maria und Karel schließlich.

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Jaroslav Pech war als früherer Schlos-ser besonders am Handwerk in Passau in-teressiert und konnte sich mit dem Leiter der „Wissenswerkstatt“, Herrn Grützner, bestens austauschen. Besonders überra-schend war für ihn dabei das Konzept der Einrichtung, interessierte Kinder praxisnah an Technik und Naturwissenschaft heranzu-führen. Die Zusammenarbeit mit den neu-gierigen Jungen und Mädchen hat Jaroslav sehr viel Spaß gemacht, vor allem ihnen sein Wissen vermitteln zu können war für beide Seiten eine Bereicherung. Etwas Ähn-liches hätte er auch für die Kinder in Pilsen

gerne im Angebot.Auch sein großes Interesse an Sprache und Kultur im Gastland konnte durch Besuche hiesiger Ausstellungen, den Kontakt zu den Einheimischen und nicht zuletzt auch durch den Besuch von bayrischen Gaststätten ge-stillt werden.

Karel Zoch wollte sich gerne über Na-tur- und Umweltschutz informieren und als ausübender Architekt auch gerne über regi-onale Baukunst und Gartenarchitektur aus-tauschen. Er hatte die Gelegenheit, einem Vortrag über Passau als Stadt der Architek-

Die vier Gruppen im ProfilWas unsere Impuls Senioren ausmacht und was sie geleistet haben

Karel, Jaroslav und Petr beim Besuch der Vernissage „Prag durch das Objektiv der Geheimpolizei“ an der Passauer Uni

Für einen länderübergreifenden Austausch braucht es immer Mut, denn wie man mit der neuen Umgebung, mit unbekannten Personen und Gepflogenheiten zu-rechtkommt, erfährt man immer erst vor Ort. Und obwohl gerade ältere Personen oft eher dazu neigen, in ihrem gewohnten Umfeld zu bleiben, haben unsere Im-pulsSenioren für ihre Freiwilligenarbeit den Sprung ins „Ungewisse“ gewagt. Was genau dabei ihre Motivation war und welche Impulse sie schlussendlich mitneh-men konnten ist von Mensch zu Mensch verschieden.

Austausch

Nr. 1 vom

18.05. bis

03.06.2013

nach Passau

Erste Eindrücke unserer

ImpulsSenioren:

Petr schreibt nach

kurzem: „Schon heute

sprechen wir davon, dass

das Projekt Impulsseni-

oren ausgezeichnet ist –

so viele interessante Sa-

chen haben wir gesehen,

mit vielen Leuten gespro-

chen, vieleInformationen

bekommen – nach zwei

Tagen!“

Hana erzählt nach der

ersten Woche: „Ich bin

nicht nur zufrieden, son-

dern sehr begeistert! Be-

sonders über die Leut-

seligkeit von allen, mit

denen wir arbeiten.“

Wally berichtet „Ich bin

mit der ersten Woche

sehr zufrieden! Das für

uns von Petr vorbereitete

Programm ist sehr gut.“

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Drei tschechische Herren gestalten Passau

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tur beizuwohnen und sich im Architekturverband Passau einzubringen, wo er bei einem Bildvortrag über die Verbindung von Beton und Natur mitdis-kutieren konnte.Außerdem traf er Herrn Haberzettel, Vorsitzenden des Bund Naturschutz Passau, am ökologischen Zentrum Stelzlhof, mit dem er sich über die Na-tionalparks Bayerischer Wald und Šumava sowie denen Unterschiede austauschte. Die geplante Ex-kursion in das Naturschutzgebiet Soldatenau fiel leider wegen des Hochwassers aus.

Petr Kostner ist als ehemaliger Marketing Mana-ger verantwortlich für die EU-Projekte von TOTEM und koordiniert diese. Schon alleine deshalb war die persönliche Teilnahme an einem dieser Pro-jekte für ihn persönlich sinnvoll, denn so konnte er die Abläufe eines solchen Projektes hautnah erfahren und auch die Strategien der Umsetzung vergleichen. Sein Ziel war es deshalb auch, mit unserem Verein eine weitere Organisation ken-nenzulernen, die solche Projekte gemeinsam mit anderen Ländern der EU durchführt. Während sei-nes Aufenthalts bekam er viel Gelegenheit dazu, sich mit unserer Organisation auszutauschen.Neben diesm Benefit für die durch ihn gesteuerten EU-Projekte wurde dem Kamerabegeisterten die Möglichkeit gegeben, einen Fotoworkshop für An-fänger anzubieten, der auch die digitale Bearbei-tung der Bilder miteinschloss.

Alle drei haben beim Passauer Kulturmodell in der Bräugasse für die Ausstellung „Intersalon“ des AJV einen großen Beitrag geleistet. Sie halfen nicht nur beim Aufbau der Ausstellung, sondern nahmen sich auch um Übersetzungsarbeiten des Katalogs für tschechische Besucher an, gestal-teten deutsche und tschechische Führungen und übernahmen an einigen Tagen die Aufsicht über die Veranstaltung. Der geplante Abend über Pilsen als Kulturhauptstadt 2015 musste dabei leider we-gen des damaligen Hochwassers ausfallen.Neben dieser Haupttätigkeit beim Intersalon wa-ren die drei Teilnehmer auch am Malteser Senio-renstift im Einsatz, womit sie nach Wunsch eine deutsche Seniorenorganisation kennen lernen und mit den Einrichtungen in Tschechien vergleichen konnten. Petr kam dabei zum Schluss, dass die Senioren in tschechischen Seniorenheimen meist noch aktiver sind als es bei uns in Deutschland der Fall ist.

Die vier Gruppen im ProfilWas unsere Impuls Senioren ausmacht und was sie geleistet haben

Jaroslav, Karel und Petr beim Aufbau und den Vorbereitungen für die Intersa-lon- Ausstellung

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Gertraud Wander als sehr aktive Seni-orin freute sich besonders darauf, unsere tschechischen Nachbarn kennen und ver-stehen lernen zu können. Vom Totem-Haus als Raum für Begegnungen aller Art war sie deshalb sehr angetan. Da Gertraud schon aus ihrer Jugend Grundkenntnisse der tsche-chischen Sprache mitbrachte, und diese vor dem Austausch erweiterte, lernte sprach-lich besonders sie etwas dazu. Bezüglich Sprache war sie auch davon fasziniert, dass den Kindern in Tschechien bereits in der Vorschule eine Fremdsprache beigebracht wird. Ein ähnliches, unbenotetes System fände sie auch in Deutschland sinnvoll.Gertraud nutzte auch die Gelegenheit, un-terstützt durch Petr, das Grab eines im Krieg gefallenen Onkels in Pilsen zu besuchen.

Christian Zeitler als Bildhauer und Vor-standsmitglied des Bundesverband Bilden-der Künstler ist besonders als kunst- und kulturbegeistert nach Pilsen aufgebrochen. Er konnte den Austausch zusätzlich zu der Mithilfe in Totem auch für den Kontaktauf-bau und -ausbau mit tschechischen Künst-lern nutzen und tschechische Kunst und Kultur näher kennen lernen. Dabei fiel ihm auch besonders der Unterschied in der hö-heren Wertschätzung von Künstlern im Ver-gleich zu Deutschland auf. Eine soziale Or-

ganisation, die ihn besonders beeindruckt hat, ist die Anlaufstelle „Motyl“ für Behin-derte Kinder und deren Familien, die er sich auch für Bayern gut vorstellen könnte.

Wally Hölzl hat sich von unserem Verein anstecken lassen und möchte die Idee „Ge-meinsam leben und lernen in Europa“ gerne weitertragen. Auch sie hat großes Interesse an Tschechien als Nachbarland und konnte während ihres Besuchs dort viele neue Kon-takte knüpfen und Freundschaften schlie-ßen. Was sie gerne Das Totem-Haus als Ort der Begegnung hält sie für eine sehr gute Einrichtung, die auch in unserer Region um-setzenswert wäre. Außerdem engagiert sie sich seit ihrem Austausch in ihrer kleinen Gemeinde aktiv für Flüchtlinge.

Zusammen hatten sie die Gelegenheit, das „Festival des Dritten Alters“ aufzubauen und mitzugestalten. Unter anderem halfen sie dabei auch bei einer Ausstellung Pas-sauer und Budweiser Künstler mit, die gut besucht war und zu vielen, lebhaften Ge-sprächen führte. Auch wohnten alle einem Deutschkurs in Totem bei, wo sie als Mut-tersprachler Konversationen mit den Ler-nenden halten und etwas über das Land selbst erzählen konnten.

Austausch Nr. 2 vom 28.09. bis 18.10.2013:

Deutsche Senioren am Totem-Haus Pilsen

Wally, Christian und Gertraud (von links) unterwegs mit Totem-Chefin Vlasta

Gertraud am Grab ihres gefallenen Onkels

Christian im Gespräch mit einem jungen, tsche-

chischen Künstler

Fortsetzung

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Austausch Nr. 3 vom 27.04. bis

17.05.2014 nach Pilsen:

Totem - die Zweite

Valentine Antoni ist aktiv in der deutsch-rus-sischen Gesellschaft und pflegt einen der interkul-turellen Gärten am Ökologischen Zentrum Stelzl-hof, den sie auch den tschechischen Senioren 2014 zeigte. Ihre Erwartungen für den Austausch war das Kennenlernen der anderen Kultur und ihr Ziel, das Verstehen auf der Ebene Mensch zu Mensch (im Kontrast zu nationaler oder religiöser Ebene) zu fördern, was gut mit dem Konzept des Mehrgenerationenhauses harmonierte. Durch den Kontakt mit einer Dozentin der Pilsener Uni haben sich Ideen zu gemeinsamen Projekten, wie etwa einem Sprachaustausch für Studenten oder auch Senioren entwickelt.

Michael Bauer hatte sich als Ziel gesetzt, in Tschechien Neues an der Freiwilligenarbeit zu entdecken, das er möglicherweise als Gemeinde-rat auch in seiner Gemeinde realisieren könnte. Auch seiner Meinung nach wäre das Totem-Haus selbst eine Umsetzung in unserer Region wert, da den Senioren hier den ganzen Tag die Möglichkeit gegeben wird, sich aktiv einzubringen oder auch selbst etwas zu initiieren. Auch der Kontakt zwi-schen älterer und junger Generation, der ja lei-der in unserer heutigen Gesellschaft zunehmend verloren geht, kann hier nahtlos stattfinden. Ein

solches Freiwilligenzentrum in unserer Gegend würde er jederzeit gerne unterstützen.

Alfred Klauser als langjähriger Ehrenamtlicher wollte sich aktiv einbringen und seine eigenen Fä-higkeiten aktivieren. Die Gelegenheit dazu ergriff der Sprachbegeisterte in den Konversationskursen für die französische und englische Sprache, wo er aus seiner ereignisreichen Vergangenheit u.a. in Frankreich erzählen konnte. Für ihn ergab sich auch die Erfahrung, dass ein „gemischtsprachiges Lernen“ voneinander, also in diesem Fall jemand der Tschechisch und jemand der Deutsch lernen will, einen sehr effizienten Austausch zur Folge hat. Solche Konversationskurse auf ehrenamtlicher Basis könnten als Ergänzung zu kostenpflichtigen Sprachkursen auch in Deutschland angeboten werden.

Alle waren sehr froh über die Möglichkeit, mit Schülern der 7. und 8. Klasse während deren Deutschunterricht in Austausch treten zu können. Die Kinder waren sehr freundlich und vor allem interessiert an der Heimat und dem Leben der drei Senioren, die so etwas Wissen von der deutschen Kultur auch nach Tschechien tragen konnten.Auch während der Deutschkurse am Totem-Haus selbst waren die drei eingesetzt, um sich mit allen Lernenden austauschen zu können. Dabei ergriff Mike auch die Gelegenheit, Fotovorträge über das Passauer Hochwasser 2013 und seine Alpenüber-querung zu halten.

Alfred (li.) und Michael (re.) bei Unternehmungen mit Jaroslav

Valentine kurz vor dem Aufbruch nach Pilsen

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Jana Procházková hat sich als frühere Lehrerin gewünscht, etwas über das Schul-wesen zu erfahren und mit Kindern arbeiten zu können. Abgesehen vom Austausch mit den deutschen ImpulsSenioren hatte sie Ge-legenheit, bei einem Besuch der Kinderstu-be des Passauer Kinderschutzbundes aktiv zu werden. Ein solches Konzept wie das der Kinderstube - Mütter bringen ihre Kleinen dort nur unregelmäßig für einige Stunden hin, wenn sie etwas erledigen müssen - fehlt in Tschechien laut Jana. Auch konnte sie an einem Austauschtreffen unserer Sprachpa-ten teilnehmen und so auch einen Einblick in die ehrenamtliche Arbeit mit Kindern gewin-nen. Neben diesen Bereichen fand Jana auch den Internationalen Kulturabend für Frauen, den sie zusammen mit Hana besuchte, sehr erstrebenswert für ihre Heimat.

Hana Šimánová, die älteste Teilnehmerin des Projektes, war vor ihrer Rente Ärztin und zeigte besonders am deutschen Ge-sundheitswesen im Vergleich zum tsche-chischen Interesse. Austauschen konnte sie sich darüber nicht nur mit der früheren

AOK-Angestellten Gertraud, sondern auch direkt mit Senioren und Pflegern im Malte-ser Seniorenstift Passau. Aber auch Natur und Pflanzenzucht im Passauer Raum wollte sie als Besitzerin eines großen Gartens in Tschechien gerne erleben und konnte sich bei Valentine viele Informationen zu den Interkulturellen Gärten und zum Stelzlhof allgemein holen. Besonders ist ihr bei ihrem Aufenthalt in Passau auch die Organisation in Altenheim und Kindergarten ins Auge ge-stochen, die sie gerne auch für ihre Instituti-on einführen möchte und vorstellen wird.

Jiří Jehlik hatte seinen Fokus auf die Er-kundung des Passauer Raumes für seinen Wanderverein in Tschechien gelegt. Wäh-rend seines Austauschs konnte er viele potenzielle Strecken und Wanderwege ausmachen, die er teils über das Knüpfen verschiedener Kontakte in Passau auch selbst erradeln oder erlaufen konnte. Der Ausflug seines Senioren-Wandervereins nach Passau wird für August dieses Jahres geplant. Jiřís Vorhaben wurde durch seinen Aufenthalt in Passau auch durch die Atmo-

Austausch Nr. 4 vom 11.05. bis 01.06.2014 nach Passau:

Begegnung der Kulturen auf ganzer Linie

FortsetzungFazit unserer Teilnehmer

am Austausch:

Jiří freut sich auf weitere Be-

suche: „Ich muss noch einmal

sagen: Wir hatten excellente

Kontakte mit Senioren, die viel

für uns getan haben und ich

bin ihnen sehr dankbar - und

das ist der schönste Anlass für

die Zukunft!“

Gertraud berichtet un-

der anderem davon: „Die

tschechischen Leute sind

flexibel und unkompliziert.

Wer in Deutschland etwas

in Gang setzen will, wird

erst nach der Qualifikation

gefragt“

Valentine sagt über To-

tem: „Es ist nicht nur für äl-

tere Persoenen ein zweites

Zuhause geworden, es sind

auch sehr viele Kinderakti-

vitäten im Haus angebo-

ten. Es findet ein lebhafter

Austausch zwischen den

Generationen statt!“

Deutschunterricht in einer 7. Klasse: Mike berichtet den Kindern aus sei-ner Heimat

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Page 13: Miteinander Ausgabe 8 (Juni 2014) - Sonderheft ImpulsSenioren

Miteinander - das Magazin von Gemeinsam leben und lernen in Europa e. V.

unten: Jiří, Hana, Frau Kickum und Jana: Auch ein Bus zur Kulturhauptstadt Pilsen 2015 war am Festival der Kulturen geboten

sphäre der Stadt bekräftigt, die er als sehr positiv emp-fand. Wegen seiner früheren Tätigkeit im Marketingbe-reich einer Brauerei freute er sich auch über den Tag der offenen Tür an der Hacklberger Brauerei. Dort konnte er sich auch neue Anregungen für seine Musikkapelle in To-tem holen, mit der er häufig Seniorenheime besucht um deren Bewohnen etwas Freude zu bringen.

Gemeinsam haben die drei Senioren einen riesigen Bei-trag zum Fest der Kulturen geleistet, das vom 29. bis 30. Mai diesen Jahres stattfand. Ohne ihre Übersetzungslei-stung und Korrespondenz wäre es für das organisierende City Marketing Passau wesentlich schwieriger gewesen, die tschechischen Künstler und Marktleute mit Infos zu versorgen und zu koordinieren. Hana, Jana und Jiří konn-ten sogar zwei weitere Gruppen für das Fest organisieren, die vorher noch überhaupt nicht geplant waren - schon dadurch war der Besuch der drei Senioren sehr wertvoll. Besonders Frau Kickum hat sich über das Engagement und die gute Zusammenarbeit mit den drei tschechsichen Herrschaften und besonders über die zusätzlichen Grup-pen sehr gefreut.Weiterhin durften die ImpulsSenioren einige Stunden über Pilsen und ihre Heimat Tschechien im Allgemeinen am Malteser Seniorenstift berichten. So konnten auch die dortigen Senioren etwas über unser Nachbarland erfah-ren und erfragen und hatten ganz nebenbei einen unter-haltsamen Nachmittag. Unsere ImpulsSenioren erfuhren im Gegenzug auch etwas über Senioreneinrichtungen in Deutschland.

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Jiří bei der Arbeit für das City Marketing Passau

rechts: Jana, Wally und Hana bei ihrem Burghausenbesuch

Page 14: Miteinander Ausgabe 8 (Juni 2014) - Sonderheft ImpulsSenioren

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Perdita, du hast dich bewusst dafür entschieden, ein Austauschprojekt für ältere Freiwillige durchzuführen. Was ist war deine Motivation für die Um-setzung eines solchen Projekts?Zu unserem Vereinszweck gehört ja unter anderem, die Begegnung von Menschen in Europa zu fördern. Für dieses Projekt habe ich gezielt Tschechien als Partnerland aus-gewählt, weil es direkt an der Grenze zu uns liegt und eigentlich so nah ist, trotzdem aber immer noch zu wenig konkrete Begeg-nungen von Mensch zu Mensch stattfinden. Es gibt eigentlich nur Austauschprogramme für junge Menschen, und dieses Projekt war eine der ganz kleinen Türen, die die EU geöffnet hat, um das Erleben und Lernen auch für ältere Menschen möglich zu ma-chen. Wir haben in unserem Verein auch viele aktive Senioren, die ganz wichtiges, ehrenamtliches Engagement täglich unter Beweis stellen. Ich glaube, dass wir viel von Senioren lernen können und dass es ande-rerseits auch für sie nie zu spät ist, etwas Neues zu lernen.

Da das Projekt ja nun vorüber ist: Was waren deine Erwartungen? Und in-wieweit wurden sie erfüllt oder eben nicht?Mit den ganzen Projekten und Aktivitäten die ich initiiere, möchte ich Menschen Chan-cen eröffnen, ihren Horizont zu erweitern, neue Erkenntnisse zu gewinnen, mit Men-schen in Kontakt zu treten – einfach etwas Neues zu erfahren. Das ist dann auch meine Erwartung an die beteiligten Freiwilligen: Dass sie durch den Austausch diese Chan-cen nutzten und sich gleichzeitig aber auch selbst einbringen und einlassen, von ihrem Wissen etwas weitergeben aber auch wie-der Wissen mitbringen, damit so auch neue Impulse in unsere Region getragen werden – und dass sie eine gute Zeit haben.Größtenteils sind diese Erwartungen auch erfüllt worden. Etwa ein Zentrum wie das Totem als einen Ort des Lernens zu ha-ben, wo vor allem auch Senioren sehr aktiv

werden, das wäre eine große Bereicherung für unsere Region. Die tschechische Seite konnte auch von uns einiges lernen.Sehr gefreut hat mich, dass die Gruppen des Austauschs sich auch untereinander sehr gut verstanden haben, sodass dort teils auch Lebensfreundschaften entstan-den sind. Der Austausch geht damit auch über den Projektzeitraum hinaus weiter: Einzelne Senioren haben die anderen Teil-nehmer wieder besucht oder lernen weiter-hin Tschechisch beziehungsweise Deutsch.Ich glaube, dass jeder Teilnehmer an die-sem Austausch ein Botschafter für Europa geworden ist. Der einzige Punkt, bei dem meine Erwartungen nicht erfüllt worden sind, ist, dass unsere Deutschen Teilnehmer sich viel aktiver einbringen wollten und viel mehr hätten geben können, wo die tsche-chische Seite den Austausch doch mehr wie einen Study Visit organisiert und verstan-den hat. Das heißt unseren deutschen Seni-oren ist zwar viel gezeigt worden, aber sie bekamen wenige Möglichkeiten, sich selbst aktiv einzubringen. Das liegt natürlich mit-unter an der sprachlichen Barriere, da die Deutschen oft noch nicht auf einem Niveau tschechisch sprechen konnten, mit dem sie sich völlig allein hätten bewegen könnten. Aber es gäbe auch Bereiche, in denen die Sprache keine so große Rolle spielt.

Gab es Erfahrungen, die für dich be-sonders spannend oder überraschend waren?Am überraschendsten fand ich immer noch die Bereitschaft von älteren Menschen, zum Teil mit 70 Jahren noch mit dem Lernen von Tschechisch anzufangen. Mit 70! Das find ich einfach grandios.Überrascht war ich auch, wie wirklich toll alles geklappt hat und dass der Austausch genauso super funktioniert hat, wie ich es mir gewünscht habe.Beeindruckend fand ich auch unsere 83-jährige Hana, die auch erst mit 75 anfing, Deutsch zu lernen und wie toll sie die Spra-che jetzt kann und wie mutig es von ihr ist,

Chancen geben und Chancen nutzenInterview mit Perdita Wingerter über Hi ntergründe und Ergebnisse

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Wer wir sind und was wir tun: Perdita bei einer der Vereinsvorstellungen für die tschechischen Gruppen

Das Projekt aus Perdi-

tas Sicht:

Wo lagen die Stärken und

Schwächen des Projektes,

welche neuen Idenn und

Erkenntnisse sind daraus

entstanden? Perdita ver-

rät es uns und zieht ein

eindeutiges Fazit.

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Miteinander - das Magazin von Gemeinsam leben und lernen in Europa e. V.

sich auf so etwas einzulassen – das find ich ein-fach genial. Es hat mich sehr gefreut, dass diese Begegnung der Menschen wirklich klappt, wenn man offen ist und sich auf etwas einlässt; dass das Zwischenmenschliche über Grenzen hinweg wirklich funktioniert, das ist das Schönste. Ich bin nicht überrascht aber freudig, dass meine Wün-sche in Erfüllung gegangen sind.

Die Senioren sollten neue Impulse setzten und mitnehmen können. Hast du selbst auch einen neuen Impuls bekommen? Totem hast du ja vorher schon erwähnt…Genau, das ist meine Vision: Ein Gebäude wie Totem, so eingerichtet und mit den ganzen An-geboten, die es dort gibt - das finde ich sehr er-strebenswert, so etwas würde ich auch gerne für unsere Stadt haben.Mir ist auch aufgefallen, wie weit entwickelt und wie tief verwurzelt bei uns ehrenamtliches En-gagement ist, bei uns wird wie selbstverständ-lich vieles gemacht, bei dem die Tschechen sich wundern, dass jemand ganz ohne Bezahlung so viel überhaupt tut. Der Austausch macht diesen Schatz, den wir da haben bewusst und zeigt auch, dass in Tschechien dieses Engagement noch wei-ter hinten ansteht, welches bei uns fast schon selbstverständlich ist.Abgesehen davon konnten wir dank diesem Pro-jekt auch intern einige Prozesse in Sachen Aus-tausch verbessern (Vorbereitung, Organisation), so dass wir jetzt gut gerüstet sind, erneut Leute aufzunehmen und ins Ausland zu schicken.Oh, und Tschechen zeigen einem auch immer wieder: Man muss ich nicht alles immer im Detail planen, damit die Dinge funktionieren – es geht auch anders.

Bevor ich zu meiner letzten Frage komme: Gibt es noch etwas, dass du zu diesem Pro-jekt unbedingt loswerden willst?Ja, und zwar… Ich finde es sehr schade, dass es kleine Projekte wie dieses mit relativ geringen nicht mehr gibt, sondern dass jetzt alles wieder größer wird, nur Richtung berufliche Integration geht und sich der Fokus in Europa wieder auf Jugendliche verschiebt. Ich verstehe es, da viele

Länder etwa mit hoher Jugendarbeitslosigkeit zu kämpfen haben, aber ich finde, dass auch Ältere eine ganz aktive Rolle in Europa spielen könnten und zwar im informellen Bereich.Es ist bei so kleinen Projekten immer schwer, wie es die EU-Behörde haben möchte den Effekt zu messen den unsere Maßnahmen haben. Aber mit genau diesen kleinen Projekten bringen wir Men-schen zusammen. Und unsere Senioren sind jetzt total vernetzt, wo es für die meisten Älteren nicht so einfach ist, in Europa zu reisen. Wenn wir Senioren ermöglichen können, Europa durch solche Projekte für kleinere Gruppen di-rekt zu erfahren, dann geht ihr Bild weg von dem reinen Bild der Bürokratie. Für junge Leute ist es selbstverständlich, ein Auslandssemester, eine Reise nach dem Abi oder andere Austauschakti-onen zu machen und zusätzlich zu dieser Bereit-schaft werden sie auch in großem Stil unterstützt und gefördert. Aber Senioren per se machen so etwas von sich aus eher nicht oder nur in organi-sierten Reisegruppen, wo der Kontakt zur ande-ren Kultur sehr schmal ausfällt. Die Europäische Kommission vergibt mit seiner Entscheidung eine große Chance, Europa für die Normalbevölkerung erlebbar zu machen.

Zum Abschluss noch ein kleines Fazit von dir: Würdest du es wieder tun?Ja sicher!

Chancen geben und Chancen nutzenInterview mit Perdita Wingerter über Hi ntergründe und Ergebnisse

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Miteinander - das Magazin von Gemeinsam leben und lernen in Europa e. V.

Hochwasser 2013

Was tun, wenn die Flut ei-

nen von Teilen der Außen-

welt abschneidet und die

geplanten Aktionen buch-

stäblich ins Wasser fallen?

Karel hat sich von der ver-

zweifelten Situation inspi-

rieren lassen und ein pas-

sendes Gedicht verfasst,

das Sie rechts finden.

Die Übersetzung nahm Zuza-

na Janotta vor, die unseren

deutschen ImpulsSenioren

als Tschechischlehrerin der

vhs Passau die Sprache des

Nachbarlandes beibrachte.

Die tschechische Original-

version des Gedichtes ist für

Interessierte am Ende der

Zeitschrift auf Seite 23 ver-

öffentlicht.

Der BrückenheiligeAus dem Tschechischen von Karel Zoch

Übersetzt von Zuzana Janotta

Das Wasser steigt stetig,es hebt sich und überschwemmt gnadenlos bisher trockene Stellen,die vor Kurzem noch aus dem Wasser ragten.

Ich mache lieber das Fenster zu.

Und die Glocke auf dem Kirchturm schlägt immer wieder viertel, halb, drei viertel und die volle Stunde.Sie läutet ohne Rücksichtauf die über die Ufer getretene Ilz.

Ihre Stimme verkündet die Sicherheit,dass sich alles zum Guten wenden wird,dass die Sonne wieder scheinen wird,dass die Freude alle empfindsamen Herzen vereinen wird.

Der Brückenheilige Jan aus Böhmen steht in Bayernan der Brücke in Passau-Hals,das Wasser steht ihm bis zu den Schulternund er schaut starr in das entfesselte Wasser,er schaut in die Zukunft, fast wie in Trance.

Er trägt sein Kreuz und weiß,dass in den klaren Nächten die Sterne am Himmel wieder aufleuchten,so wie die menschlichen Herzen,die sich so nah sind,so nah, dass kein Gitter sie trennt.

Man kann ihn nur noch von Weitem betrachten: Der Brückenhei-lige Johannes Nepomuck - tschechisch Jan Nepomucký - steht an

einer Ilzbrücke umschlossen von der Flut

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Es regnete und regnete ohne Unterlass. Das Jahr 2013 ist jedem Passauer und allen aus der Umgebung im Gedächtnis geblieben. Das Hochwasser, schlimmer als alle, wel-che die lebenden Generationen bis dahin gekannt haben, überflutete weite Teile der Stadt. Unsere ImpulsSenioren Karel, Petr und Jaroslav waren zu dieser Zeit ebenfalls in Passau - ihre Unterbringung lag direkt an der sonst ruhigen und idyllischen Ilz.

Zur ersten Woche ihres Aufenthalts regnete es zwar bereits, aber auch die Sonne ließ sich im-mer wieder blicken. Doch schon in den darauf fol-genden Tagen wurde die Zeit des Regens immer länger und die Dauer der Sonnenstrahlen kürzer und kürzer. „Immer und immer regnet!“ schreibt Petr in seinem Wochenbericht schon zum Donners-tag - der Rest des Aufenthalts sollte nicht besser werden. Vorerst aber schließt er seine Aufzeich-nungen etwas resignativ und fragt sich: „Die gan-ze Woche hat es (außer einem Tag) nur geregnet. Was wir jemandem getan haben?“

Die dritte Woche stand schließlich gänzlich im Zei-chen des Hochwassers: Fast alle geplanten Akti-vitäten mussten abgesagt werden oder traten im Gegensatz zum stetig steigenden Wasser komplett in den Hintergrund. Spätestens als die Pension der drei Senioren erst im Keller, dann auch im Erdge-schoss von der Ilz überflutet war (ihre Ferienwoh-nung lag zum Glück noch höher) und Perdita als Verantwortliche durch das Hochwasser völlig von den Projektteilnehmern abgeschnitten war, war eine Reaktion auf diese Entwicklungen unvermeid-bar.

So wurde, pünktlich zum Pegelhöchststand am 03.06., der erste Teil des Austauschprojektes vor-zeitig abgebrochen. Damit fiel leider auch der noch geplante Pilsen-Abend der Intersalon-Ausstellung wortwörtlich ins Wasser - aber auch das war auf-grund der gegebenen Situation unvermeidbar. Auch in Rücksprache mit dem EU-Büro wurde ein vorgezogenes Ende des Austauschs befürwortet, und so fuhren unsere drei ImpulsSenioren vier Tage früher als geplant nach Hause, wie Petr schreibt „immer im Regen“.

Das Jahrhunderthoch-wasser 2013

Eine Herausforderung für unser Projekt

Freiwillige der Feuerwehr im Einsatz gegen das Hochwasser - direkt vor der Pension unserer tschechischen ImpulsSenioren

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Miteinander - das Magazin von Gemeinsam leben und lernen in Europa e. V.

„Schau ma moi“ sage ich zu „meinen“ drei Tschechen, als sie weitere De-tails zu zukünftigen Aktionen wissen möchten, die erst noch ausführlicher geplant werden müssen – und verfalle dabei ganz unbewusst ins bairische. Meinen Dialekt habe ich zwar für die Drei grundsätzlich einmal abgelegt, aber diese urbairische Redewendung funktioniert nun mal nur in Mundart so richtig. „Uvidíme!“ antwortet Jiří darauf und lacht mich an. „Weißt du“ erklärt er mir mit schwachem Akzent auf meinen fragenden Blick „‘schau ma mal‘ höre ich hier ständig. Und Uvidíme, das heißt ungefähr das glei-che, nur auf Tschechisch.“

In unserer weiteren Zeit wird diese Doppe-lung schon fast zu einem festen Bestandteil

zwischen den drei ImpulsSenioren und mir. Immer wieder fallen die beiden Begrifflich-keiten, wenn gerade Pläne besprochen und Abläufe durchgegangen werden. Ein sehr sympathischer Zufall, dass es in der jeweils anderen Sprache eine so gravierend ähn-liche Entsprechung gibt, die noch dazu in beiden Kulturen etwa gleich häufig genutzt wird. Wenn ein Satz so in der Sprache ver-ankert ist, spiegelt sich dadurch natürlich auch die Mentalität der Verwender wieder: Ein solides „Schau ma moi“ – das bedeutet für mich, je nach Kontext, die Absicht, über eine noch unklare Sache weiter nachzuden-ken, weitere Entwicklungen abzuwarten oder auch einfach etwas spontan entschei-den zu wollen.

Mein Eindruck von Uvidíme war derselbe – bis ich unsere drei deutschen Teilnehmer

„Uvidíme“ - „Schau ma mal“:Ein kleiner aber feiner Unterschied

Von kultureller Nähe und Entferntheit der beiden Mentalitäten

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Was war gut, was weniger gelungen? Alfred und Mike füllen nach dem Eva-luationsgespräch auch die offiziellen Fragebögen der EU zum Projekt aus

Die Planung eines

Projektes wie Impuls-

Senioren ist tatsäch-

lich nicht immer ganz

einfach: Man muss die

meist höheren Bedürf-

nisse der Senioren be-

achten, austarieren,

welche Aktionen ge-

sundheitlich noch mög-

lich sind oder nicht und

idealerweise natürlich

auch die Interessens-

gebiete der Teilnehmer

berücksichtigen.

Wenn man diese Richt-

linien im Kopf behält,

ist die Organisation al-

lerdings leicht zu hand-

haben: Von unserer

Seite haben sich fast

alle kontaktierten Or-

ganisationen und an-

derweitige Partner sehr

offen für das Projekt

gezeigt, wodurch ein

abwechslungsreiches

Programm für den Auf-

enthaltt unserer Seni-

oren zusammengestellt

werden konnte.

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nach ihrem Aufenthalt in Pilsen treffen durfte. „‘Uvidíme‘, immer nur ‚uvidíme‘!“ wiederholt Mike. „Das war der wichtigste Satz.“ Er und die anderen beiden Teilnehmer, Valentine und Alfred, hatten schöne und interessante Momente in Tschechien, aber auch einige nicht so prickelnde Erlebnisse. Zum Beispiel, dass die Planung für ihren Aufent-halt ständig über den Haufen geworfen wurde, Termine ohne Ankündigung ausfielen, sich über-schnitten und allgemein Treffpunkt und Uhrzeit für die verschiedenen Aktionen immer erst müh-sam nachgefragt werden mussten – nur um ein weiteres „Uvidíme“ als Antwort zu erhalten. Ganz deckungsgleich ist der tschechische Ausdruck mit dem des süddeutschen Dialektes wohl doch nicht.

„Ein Kochkurs war angesetzt“ erzählt Valentine „Ich packe zu Hause meine Schürze ein, Kochbü-cher, suche russische Rezepte, und was man nicht alles brauchen könnte – das Zeug ist schwer ge-wesen! Und dann ist der Kurs einfach nicht. Ohne Vorankündigung – alles umsonst mitgenommen.“ Ein bisschen wütend klingt sie dabei schon, wie vorher auch Mike. Alfred wirkt zwar etwas gelas-sener, diktiert mir aber genau die Schreibweise des Wortes und übersetzt es mir noch einmal. Da-mit ich auch weiß, was ich da eigentlich mitschrei-be. „Ja, das ist alles nicht so optimal gelaufen“ meint er.

Mit „alles“ ist dabei auch die Unterbringung der drei gemeint. Während die anderen Gruppen alle recht zufrieden mit ihrer Unterkunft waren, mussten sich Valentine, Alfred und Mike in einem Studen-tenwohnheim wiederfinden – mit kaum möblierten Zimmern, Etagenduschen und –toiletten und ohne Kochmöglichkeit. Und das, nachdem alle auf eine nette Pension eingestellt waren, von der vor der Reise die Rede war. Aber gut, das zumindest kann man wohl nicht allein auf einen kulturellen Unter-schied als vielmehr auf eine ungünstige Planung des tschechischen Koordinators Petr zurückfüh-ren. Und dennoch: In Deutschland wäre das nicht vorstellbar. „Wie kommt man überhaupt auf die

Idee, Senioren in ein Studentenheim zu stecken?“ Auch Perdita ist zuerst einmal schockiert, als sie nach der Rückkehr der drei von diesem Arrange-ment erfährt. „Hättet ihr mir das vorher gesagt, ich hätte alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass ihr eine ordentliche Unterkunft bekommt!“

Unterschiede zwischen den Ländern scheint es auch im direkten Bezug auf das Ehrenamt zu ge-ben. Während die erste Gruppe der tschechischen Senioren die Freiwilligenarbeit in Deutschland sogar als zu viel empfand, wie ich aus den Auf-zeichnungen der damaligen Organisatorin erfah-ren habe, und auch meine drei ImpulsSenioren aus Tschechien manchmal eher mit einer Füh-rung als einer aktiven Teilhabe gerechnet haben, war die aktive Arbeit für den Geschmack unserer deutschen Teilnehmer eher mäßig bis eindeutig zu wenig eingeplant. Zwar konnten sie auch viele Organisationen besuchen und Informationen da-rüber erhalten, doch die Möglichkeiten für aktives Handeln waren zu wenig gegeben. Auch dieser Eindruck war bei der letzten Gruppe besonders vorhanden: „Wir waren dort als Gäste, nicht als Helfer“ formuliert es Valentine. Erst in der letz-ten Woche, als sie im Deutschunterricht an einer Schule eingesetzt waren, haben sich die Drei wirk-lich hilfreich gefühlt.

Schön fanden sie ihren Aufenthalt aber insgesamt trotzdem. Wie alle anderen haben auch sie viel gesehen und viel unternommen. Besonders die riesige Bereitschaft der anderen Teilnehmer, sie zu ihren Veranstaltungen und Programmpunkten zu begleiten und dabei zu sein hat die drei faszi-niert. „Wie aufopferungsvoll alle für uns da waren! Das könnte ich in dem Ausmaß nicht!“ bewundert Valentine den Einsatz von Jiří, Hana und Jana. Da-bei haben auch sie nach ihrer Rückkehr die tsche-chischen Austauschsenioren gerne erneut getrof-fen und begleitet. In dieser Sache besonders eifrig waren auch die deutschen ImpulsSenioren des Vorjahres Gertraud und Wally, die quasi ständig neue Unternehmungen für die tschechischen Frei-

„Uvidíme“ - „Schau ma mal“:Ein kleiner aber feiner Unterschied

Von kultureller Nähe und Entferntheit der beiden Mentalitäten

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Ende gut, alles gut: Trotz mancher Pro-blmeme fiel der Abschied, hier zwischen Valentine und Vlasta, herzlich aus.

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Fortsetzung

Wie die erste deutsche

Gruppe mit der tsche-

chischen Eigenheit um-

ging:

Christian hatte den

„Umstand Uvidíme“

sehr schön umschrie-

ben: „Ein hohes Maß

an Flexibilität war not-

wendig, um die sich

ständig ändernden Pro-

grammpunkte wahrzu-

nehmen.“

Andererseits bringt

dieser Zug der tsche-

chischen Mentalität

auch Vorteile.

Wally fiel in Tschechien

der Unterschied zur

deutschen Kultur auch

auf: „Die Höflichkeit ist

stärker ausgeprägt - er-

lebbarer. Niemand regt

sich auf, wenn ein Plan

verändert wird (nur

vielleicht wir sind fra-

gend).“

willigen anboten. In diesem Engagement und der Freundlichkeit manifestiert sich ein verwandtes Wesen der beiden Kulturen dann doch wieder.

Und so bekomme ich doch mehr und mehr das Gefühl, dass die mentalen Verschieden-heiten der beiden Länder erst aus Kommu-nikationsschwierigkeiten heraus zu tatsäch-lichen Problemen heranwachsen konnten. Zwar sprechen überraschend viele Men-schen in Tschechien immer noch mehr oder weniger gut Deutsch, die Totem-Chefin Vlasta gehört allerdings leider nicht zu die-ser Gruppe. Und da die Sprachkenntnisse des Tschechischen bei den drei deutschen Senioren nicht ausgereift genug für komple-xere Themen waren, mussten sie sich auf den Organisator als Übersetzter verlassen. Anscheinend hatte dieser aber die Sorgen unserer Senioren einfach auf die leichte Schulter genommen und für Vlasta sinnge-mäß ein unzuverlässiges „Alles gut“ über-setzt.

Zumindest die letzte Woche war dafür kom-munikationstechnisch erfolgreicher: Zwar fiel der eigentliche Hauptansprechpartner Petr aufgrund eines Streits mit der Totem-Chefin weg, durch die Notwendigkeit einer anderweitigen Verständigung mit Vlasta mussten und konnten aber auch neue, di-rektere Kommunikationswege gefunden werden. „Ich hab dann einfach mein Rus-sisch ausgepackt“ berichtet Valentine als gebürtige Russin und so gelang es mit den Russischkenntnissen von Vlasta, die Pro-bleme doch noch anzusprechen und den weiteren Aufenthalt zumindest einigerma-ßen zu planen.

Trotz der Höhen und Tiefen des Projektes, letztendlich war es jedem einzelnen mög-lich, neue Erkenntnisse zu sammeln, Ideen weiterzugeben und neue Impulse mitzu-nehmen. Die Städte der Partnerorganisati-onen, die Vereine selbst und nicht zu ver-gessen die dort geknüpften Kontakte haben den Teilnehmern schließlich so gut gefallen, dass es schon Pläne für weitere Reisen dort-hin gibt – privat oder mit anderen Vereinen. Die Teilnehmer sind zu begeisterten Bot-schaftern für die europäische Idee gewor-den, die ihre Erfahrungen weitertragen und die länderübergreifenden Freundschaften, welche erst durch dieses Projekt entstehen konnten, auch weiterhin pflegen wollen – Uvidíme hin oder her.

Die Praktikantin Felicitas Aschauer, kurz Feli, half beim Besuch der ImpulsSeni-oren aus Tschechien 2014 ebenfalls mit. Über ihren gemeinsamen Besuch Burghausens hat sie folgenden Erleb-nisbericht verfasst.

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Burghausen Ein Ausflug mit guten Aussichten

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Alles für die Aussicht: Während Hana und Jana auf dem Boden blieben wagten sich Gertraud und Jiři sogar auf die Mauer

Felicitas Aschauer, Prakti-kantin und ebenfalls Beglei-tung für die ImpulsSenioren

Mittelalterliche Ritterspiele, der glitzernde Fluss Salzach und die farbenfrohe Altstadt sind nur einige wenige Impressionen mit de-nen die Stadt Burghausen in Verbindung ge-bracht werden können.Am 17.05.2014 unternahmen wir einen Tagesaus-flug mit den Impulssenioren Hanna, Jana und Jiři in diese schöne Stadt. Von den Wetterverhältnis-sen ganz unbeeindruckt, da wir alle mit Regenjacke und Regenschirm gut ausgerüstet waren, begann unsere Erkundungstour auf Europas weltlängster Burg. So wurde unter anderem der Uhrenturm, die Hedwigskapelle und das Foltermuseum genauer un-ter die Lupe genommen. An den Aussichtspunkten staunten die Senioren nicht schlecht beim fabel-haften Ausblick über den Wöhrsee und die Altstadt von Burghausen. „Was, auf der anderen Seite der Salzach ist schon Österreich?“ konnte es Hanna kaum glauben. „Da müssen wir rüber!“ folgte es so-gleich von dem erkundungsfreudigen Jiři. Auf diesen Wunsch hin fuhren wir auf die österreichische Seite der Salzach zum Aussichtsplatz in Ach. Von dort aus hatten wir einen wunderbaren und einmaligen Blick auf die deutsche Herzogsstadt mit der imposanten und eindrucksvollen Burg. Aber die wissbegierigen Senioren machten in der Ferne noch viele weitere interessante Entdeckungen, wie zum Beispiel das Chemiewerk Wacker oder das Riesenrad, der all-

jährlich veranstalteten Maidult. Wie wir alle Wissen machen solch große Entdeckungs-touren hungrig und so beschlossen wir, zum Mittagessen in ein Restaurant in der Altstadt von Burghau-sen einzukehren. Bei typisch bayrischem Essen wie Schwei-nebraten mit Knödel und Sauerkraut wurde das Gesehene noch-mal Revue passiert. Nach der Stärkung ging es mit vollem Ma-gen und guter Laune in die Fußgängerzone namens „Grüben“. Das Highlight in den Grüben ist die Street of Fame. Auf Bronzeplatten sind legendäre Jazzer verewigt, die in Burghausen ihre musikalische Visitenkarte hinter-lassen haben. „Buddy de Franco, den kenne ich!“ verkündete Jiři ganz freudig überrascht. Ein Spazier-gang an der Salzach rundete unseren schönen und aufregenden Tag in Burghausen ab.

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Jiří daheim in seinem Element: Unterwegs mit dem Wanderverein und Mike (hinter der Kamera)

Miteinander - das Magazin von Gemeinsam leben und lernen in Europa e. V.

Zum Abschluss des Projektes und dieser Sonderausgabe von Miteinander:

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Impressionen

Valentine durfte im Pilsner Tier-park ein Eulchen halten

Ein tschechischer Trimmpark mit modernen Geräten wollte auch ausprobiert werden.

Stadtführung mit Herrn Zies-ke (links) vom Forum Pas-sau, den wir ebenfalls für das Projekt gewinnen konnten

Page 23: Miteinander Ausgabe 8 (Juni 2014) - Sonderheft ImpulsSenioren

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Zum Abschluss des Projektes und dieser Sonderausgabe von Miteinander:

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Svatý Jan u mostuKarel Zoch

Voda stále stoupá,zvedá se a zaplavuje místa,která ještě před chvílí byla nad vodou

Raději mache ich das Fenster zu

A zvon ve věži kostelapořád bije čtvrt,půl,tři čtvrtě,celá.Zvoní bez ohledu na rozvodněné vody Ilzu

Jeho hlas je jistotou,že se opět vše v dobré obrátí,že opět bude svítit sluncea že opět radost pospojujevšechna vnímavá srdce

Svatý Jan z Čech stojí tu v Bavorskuu mostu v Pasově- HalsuVoda mu sahá po ramena,upřeně hledí do rozbouřených vod,dívá se do budoucna,jakoby byl v transu

Nese stále svůj kříža ví,že opět hvězdy za jasné nocibudou na obloze zářittak jako lidská srdce,která jsou si blízká.Nebude mezi nimi žádná mříž

Bilder des Austauschs, die bisher noch keinen Platz fanden aber zu schön sind, um nur auf unserer Festplatte zu verstauben: Wir wollen sie Ihnen nicht vorenthalten!

Tschechische Originalfassung des Ge-dichts „Der Brückenheilige“ auf Seite 17. (Der teils deutsche Vers wurde in künstle-rischer Freiheit zweisprachig verfasst und entspricht der Originalversion.)

Ein bisschen Spaß muiss sein:Hier in einer Pilsender Brauerei

Trinken auf Jaroslavs Geburtstag in Passau: Petr und Karel stoßen mit dem Geburtstagskind an

Am Biergarten beim Chinesischen Turm im englischen Garten München: Auch Schunkeln gehört zur bayrischen Kultur

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