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MIT ANDEREN AUGEN Sein Stil ist extravagant, seine Bilder zeigen einen farbgewaltigen Mix aus Kunst und Mode. Nicht umsonst gilt Daniel Sannwald derzeit als einer der gefragtesten Fashion-Fotografen der Branche. FOTOS DANIEL SANNWALD TEXT FLORIAN STURM 28 Sommer 2017 PORTFOLIO

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MIT ANDEREN AUGENSein Stil ist extravagant, seine Bilder zeigen einen farbgewaltigen Mix

aus Kunst und Mode. Nicht umsonst gilt Daniel Sannwald derzeit als einerder gefragtesten Fashion-Fotografen der Branche.

FOTOS DANIEL SANNWALD TEXT FLORIAN STURM

28 Sommer 2017

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VORHERIGE SEITE ZweiMotive aus einem Shoot fürdas englische ModemagazinPop. Die Strecke war fürSannwald ein Türöffner imBeauty- und Musikbereich.RECHTS Sannwalds erstesCover für das legendäreMagazin Dazed.

In der Fotografie gibt es fünf Arten vonBildern: die schlechten und mittelmä-ßigen, die guten und herausragenden –und die, die irgendwie anders sind.

Letztere sind so selten, dass selbst Fotografen,Artdirectors oder Journalisten, Leute also, dietäglich mit der Branche zu tun haben, die Fotoszunächst kritisch drehen und wenden, sollten siedurch Zufall darauf gestoßen sein.

Die Bilder von Daniel Sannwald sind so ein Fall:unkonventionell, außergewöhnlich, experimentell.Wer die anfängliche Skepsis überwunden hat undsich näher über den Deutschen informieren will,also Sannwalds Homepage ansteuert, der ist erstmal vor den Kopf gestoßen. Statt der klassischenAufmachung – Portfolio, Vita, Kunden, Kontakt –flackern rasant geschnittene, teils völlig abstruseBild- und Videosequenzen über denMonitor. Infor-mationsgehalt gleich null. Aber es macht den Typdahinter interessant.Wir bitten um ein Interview.

Die Extravaganz von Sannwalds Bildern undVermarktung sowie seine rasante Karriere im Hin-terkopf, erwarten wir zum Gespräch eine dement-sprechende Persönlichkeit: selbstbewusst mit Hangzur Arroganz, kühl, abgebrüht. EinMedia-Pro-fessional. Doch stattdessen spricht da ein überaussympathischer, humorvoller, bodenständiger undunkomplizierter Künstler.

„Ich brauche keine Bulldoggen ummich herum“,sagt er und erzählt in seinem Londoner Apartmentseine Geschichte. Die beginnt zunächst ziemlichunspektakulär: Geburt in Kempten, Kindheit inMünchen. Als Teenager entdeckt er auf dem Dach-boden eine Kiste mit Foto- und Filmmaterial, dassein Vater einst gemacht hatte. Vom Stil her ähnlichexperimentell wie Sannwald junior heute. Der hatkaum Erinnerungen an den Senior. Er nahm sichdas Leben, als sein Sohn gerade sieben Jahre alt war.Der Schatz auf dem Dachboden ist das Tor zu seinerPersönlichkeit – und entfacht in seinem Sohn dieLeidenschaft fürs Fotografieren und Filmen.

Nach der Schule schließlich die große Frage:Wastun mit meinem Leben?Weil die passende Antwortfehlt, reist Sannwald fünf Jahre durch Griechen-land, Indonesien, Japan und Thailand. Dort jobbt ermit 24 in einer Fotoagentur, die sich um europäischeShootings in Bangkok kümmert. Sannwalds Plänesehen den baldigen Umzug nach London vor, doch

sein Chef in Thailand empfiehlt ihm stattdessenAntwerpen. Dem Deutschen ist die Stadt zunächstunbekannt, doch als er sich über die Antwerp Six –sechs legendäre Modedesigner, die Anfang der1980er Jahre alle ihren Abschluss in Antwerpenmachten – informiert, steht sein Entschluss fest:„Das konzeptionelle, erfrischende und auch radikaleVerständnis vonMode dort fand ich überaus span-nend. Also ging ich 2002 nach Antwerpen, ohne mirvorher groß den Kopf darüber zu zerbrechen.“

Die nächsten fünf Jahre verbringt er an derRoyal Academy of Fine Arts, zunächst mit derAbsicht, Kunstfotograf zu werden. Doch wer inAntwerpen lebt und lernt, kommt unweigerlichmit Mode in Berührung. Die Hochschule verfügtüber eine der bestenModefakultäten weltweit, dasstark künstlerisch geprägte Verständnis für Designund Kleidung setzt noch immer internationaleMaßstäbe. Dieses Standing zu nutzen, um nicht nurerstklassige Designer auszubilden, sondern auchhochqualifizierte Modefotografen hervorzubrin-gen, war jedoch nicht Plan der Dozenten. „Bei unsals Fotografiestudenten war es verpönt, Fashion-bilder zu machen. Die Fotografie stand permanentim Schatten der Modeschule“, erinnert sich Sann-wald. Er fühlt sich trotzdem hingezogen zurWeltder Stoffe und Designs – und arbeitet außerhalb desUnterrichts viel mit Modestudenten zusammen.

Zum internationalen Durchbruch verhalfenSannwald etwa zwanzig handschriftliche Briefe,die er mit der Anfrage für eine Veröffentlichung andie größtenMagazine schickte, die ihm einfielen.Darunter auch das legendäre Dazed. Dessen Creati-ve Director, Nicola Formichetti, zögert keine halbeStunde, ehe seine Antwort beim damals 24-jährigenDeutschen im Postfach landet: „Hi Daniel. DeineFotos sind spannend. Lass uns gemeinsamwas

„ICH ARBEITE SPONTAN,INTUITIV UNDMIT DENUNTERSCHIEDLICHSTENMETHODEN – VOMHANDY,ÜBERS FAXGERÄT BIS HINZUM KÖRPERSCANNER.“

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„DEN GROSSTEIL MEINERARBEITSZEIT INVESTIEREICH IN RECHERCHE. ZUMFOTOGRAFIEREN KOMMEICHMEIST NUR DREI,VIER MAL IMMONAT.“

LINKE SEITE Aus einemEditorial für das New YorkerMagazin Document.OBEN Für das Pop Maga-zine fotografierte Sannwalddas französische Model Si-grid Agren mit dem iPhone.LINKS Porträt des ameri-kanischen BalletttänzersDavid Hallberg.

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machen.“ Kurz darauf wollte auch das nicht wenigerbekannte i-D-Magazine mit ihm arbeiten. In denvergangenen Jahren folgten unzählige weitere:Arena Homme+, Numéro Paris, GQ Style UK, dieVogue in England, Russland, Italien, Japan.

Sein Heimatland jedoch hielt sich mit offenerUnterstützung lange zurück. Neun Jahre dau-erte es, ehe die deutsche Vogue Interesse zeigte.„Experimentierfreudige Querdenker wie ich habenes in Deutschland schwer, denn die Szene ist sehrkonservativ. Die deutschen Redaktionen wolltenerst mit mir arbeiten, als sie über Jahre sahen, dassmeine Bilder in England, Frankreich und den USAerfolgreich sind.“

Um sich als Modefotograf international einenNamen zu machen, seien drei Orte unumgänglich,erzählt Sannwald: London, Paris, New York. „Eng-land fördert junge, kreative Fotografen wie kaumein anderes Land, Frankreich legt den Schwerpunktauf allerhöchste Qualität und in den USA lässt sichgutes Geld verdienen.“

Mittlerweile kann er es sich leisten, nur drei, vierMal imMonat zu fotografieren. Den Großteil seinerArbeitszeit verbringen er und zwei seiner Mitar-beiter damit, neue Konzepte zu entwickeln und zu

recherchieren. Ein komplettes Ideenarchiv sei dabeiinzwischen zusammengekommen, sagt er und wirftohne Pause hinterher: „Mein ganzes Leben ist einriesiger Pitch!“

Bis vor einem Jahr war Sannwald nicht mal imBesitz einer eigenen Profikamera. Für ein Shootingmietet er sich entweder einModell – meist einePhase One – oder arbeitet mit dem, was sich geradein Reichweite befindet: ein Scanner, Faxgerät oderaltes Handy, Überwachungskameras oder Körper-scanner. Seine Arbeitsweise vergleicht der Deutschemit dem Ansatz des britischen Technik-AficionadosNick Knight: spontan, experimentell, mit vielNeugierde und dem unterschiedlichstenWerkzeug.„Es sind stets die Art des Jobs und meine Intuition,die den Takt vorgeben.“ Und der schlägt bei DanielSannwald ziemlich wild und schnell, aber stets imperfekten Rhythmus.

Daniel Sannwald (*1979) stammt aus Kemptenund lebt seit 2010 in London. Erwin Blumenfeld,Tyrone Lebon und Jamie Hawkesworth nennt er alsseine Idole. Er arbeitet unter anderem für Adidas,

Nike, Hugo Boss, Dazed und Vogue, drehte Musikvideos fürArca, John Legend undM.I.A. und schoss Albumcover fürWoodkid, Kelela undM.I.A. danielsannwald.com

„IMMODEBUSINESS KOMMSTDU AN DREI STÄDTEN NICHTVORBEI: LONDON IST DER BESTE,WEIL KREATIVSTE ORT FÜRJUNGFOTOGRAFEN, IN PARISGEHT’S UM QUALITÄT UND INNEWYORK SITZT DAS GELD.“

OBEN Für die deutscheAusgabe des IntermissionMagazine fotografierteSannwald die Reflexion desModels in einer Spiegelfolie.RECHTS Dieses Motiv fürdas englische Modema-gazin 10 Men entstand alsSolarisation während derNachbearbeitung.

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