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Bericht über mein Blockpraktikum (SP-2) in einer Gehörlosen- und einer Blindenschule in Gujarat, Indien
Mein Aufenthalt in Indien
Praktikumsbericht von:
Avila Maschke
Studiengang: Sonderschullehramt
Fächer: Englisch, Deutsch, Geschichte
Hochschule: PH-Heidelberg
Gefördert durch: DAAD-Programm PROMOS
Dauer: 3.8.2010 – 16.9.2010
Mamta Mandir Schools
– Manav Kalyan Trust
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Inhaltsverzeichnis
Das Projekt – die Schulen ....................................................................................................................2
In Navsari ....................................................................................................................................2
In Dang .......................................................................................................................................3
Schulleben ......................................................................................................................................4
Meine Arbeit.......................................................................................................................................6
In der Gehörlosenschule..............................................................................................................6
In der Blindenschule ....................................................................................................................9
Fazit .................................................................................................................................................. 11
In der Gehörlosenschule
2
Im Sommer 2010 fuhr ich bereits zum dritten Mal nach Indien in die Schulen des Manav Kalyan Trust,
die Mamta Mandir Schools, diesmal, um dort mein Blockpraktikum (SP-2) zu machen. Obwohl ich
bereits zweimal dort gewesen war, habe ich auch diesmal wieder ganz neue Erfahrungen machen
können. Es war gleichfalls aber auch schön, an die altbekannten Orte zurückzukehren, die Menschen
wieder zu treffen und in den Schulen zu arbeiten. Das Wiedersehen war sehr, sehr herzlich und ich
war sofort wieder in die Gemeinschaft und das indische Leben integriert und hatte folglich einen
einfachen und schnellen Start.
Schon als ich das erste Mal in Indien war, habe ich hauptsächlich in der Blinden- und
Gehörlosenschule gearbeitet. Demnach waren auch diesmal die Erwartungen da, dass ich in beiden
Schulen verweilen würde. Da sie der gleichen Organisation angehören und vom gleichen Ort aus
gelenkt werden, besteht eine enge Bindung und es findet ein regelmäßiger Austausch statt. Ich sah
es folglich als Chance an, zwischen beiden Schulen hin und her zu wechseln (nach mehreren
Wochen) und so meine Erfahrungen direkt vergleichen zu können.
Das Projekt – die Schulen In Navsari
Der Manav Kalyan Trust ist mittlerweile eine der größten NGO's in Indien und beinhaltet v.a. drei
Schulen, genannt Mamta Mandir: eine für Gehörlose, eine für Geistigbehinderte und eine für Blinde.
Die ersten beiden befinden sich im Vorort der Stadt Navsari, im Staat Gujarat. Ihre Anfänge gehen
auf 1970 zurück, als Mahesh Kothari, der Gründer und der Chef der Schulen, bzw. des Trustes, jene
zu Ehren seines früh verstorbenen Bruders aufzubauen begann. Neben dem normalen
Schulunterricht bietet der Trust ebenfalls Wohnmöglichkeiten an. Die Schulen sind also vergleichbar
mit einem hiesigen Internat, wobei die Schüler Verpflegung und Unterkunft kostenlos zur Verfügung
gestellt bekommen. Die meisten von ihnen stammen aus sehr, sehr einfachen und teilweise
ärmlichen Verhältnissen, sodass es sich die Eltern manchmal kaum leisten können, einige Cent/Euro
für den Bus oder Zug zu bezahlen, um ihre Kinder an Feiertagen nach Hause zu holen.
Für die Schüler ist es selbstverständlich, dass alle mithelfen. Während besonders die Älteren zweimal
am Tag in der Küche gebraucht werden, müssen die Jüngeren vornehmlich die Wege sauber halten,
d.h. jeden Morgen fegen.
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Mittlerweile besuchen mehr als 300 Schüler
die Gehörlosenschule und knapp 200 die
Schule für Geistigbehinderte. Sie führen
momentan bis zu 8. Klasse, wobei einige
Klassenstufen doppelt vertreten sind.
Demnach sind in jeder Klasse zwischen 10 und
20 Schülern. Zusätzlich gibt es drei
Vorschulklassen (Nursery, Junior Cagie, Senior
Cagie), und eine Fortsetzung des Unterrichts
bis zur 10. Klasse wird angestrebt.
Neben den Schulen gibt es auch noch einen Workshop auf dem Gelände, in welchem einige der
älteren Schüler arbeiten und Geld verdienen können. Er beinhaltet mehrere Abteilungen, darunter
eine Druckerpresse und Buchbinderei, welche auch das in der Nähe liegende College mit Materialien
versorgen, eine Weberei und eine Kunstwerkstatt.
In den Schulen gibt es sowohl einen Arzt, als auch eine Physiotherapie Praxis. Beide bieten auch den
Anwohnern besonders kostengünstige Dienste an.
In Dang
Die Blindenschule befindet sich im Dang-Distrikt, vermutlich die ärmste Gegend ganz Indiens. Es ist
ein sehr ländliches Gebiet in den Bergen, welches stark bewaldet ist und von den Bewohnern auch
„Jungle“ genannt wird.
Die Schule wurde vor etwa vier Jahren gegründet, konnte jedoch aus rechtlichen Gründen erst nach
vielen Monaten auf ihr eigentliches Gelände umsiedeln. Bis heute verfügt sie kaum über
angemessene Gebäude, sondern muss sich noch immer mit temporären Kuppelbauten zufrieden
geben, die weder genügend Platz bieten und noch in der Monsunzeit ausreichend Schutz bieten.
Im Gegensatz zu Navsari, leben hier alle Schüler und Mitarbeiter, abgesehen von einer Lehrerin und
dem Manager, auf dem Schulgelände. Zurzeit sind es knapp 100 Schüler, die die 1.-10. Klasse
besuchen. Aus Platz- und Personalgründen werden die erste und zweite, sowie die dritte und vierte
Klasse zusammen unterrichtet.
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Schulleben
Die Schule beginnt in Navsari i.d.R. montags bis freitags um 11 Uhr morgens und dauert bis 17 Uhr. In
diesem Zeitraum finden 7 Unterrichtsstunden à 40 Minuten statt, wobei täglich zunächst mit einem
gemeinsamen Gebet begonnen wird. In der Gehörlosenschule singen die Lehrer dieses, während die
Schüler stumm dasitzen und für sich beten oder meditieren. Anschließend werden die Nachrichten
an die Tafel geschrieben und erläutert. Erst dann beginnt der Unterricht. Neben zwei kleineren
Pausen à 10 Minuten gibt es eine 40-minütige Mittagspause, in welcher die Schüler einen Snack
bekommen. Um 17 Uhr endet die Schule für alle gemeinsam mit der Nationalhymne, welche per
Tonband abgespielt wird. Hierbei wird strengstens darauf geachtet, dass sich die Schüler nicht
bewegen oder anderweitig beschäftigen, sondern der Hymne „lauschen“, da dies sonst als
Beleidigung des Landes angesehen würde.
Da Samstage in Indien normale Arbeitstage sind, findet folglich auch der Schulunterricht statt.
Allerdings ist es die sog. „morning school“. D.h. es wird schon um 8 Uhr mit dem Gebet begonnen
und statt der üblichen sieben Unterrichtsstunden gibt es hier nur vier, bis um 11:10 Uhr. Danach
haben die Lehrer frei und die Schüler können ihren täglichen Pflichten nachkommen.
Im Laufe des Jahres finden immer wieder verschiedene Wettbewerbe statt (Malen, Henna, Rangoli,
Schönheitswettbewerbe, Tanz, Karate, Volleyball, Schach…), zu welchen ein Teil der Schüler fahren
darf. Sie bilden immer einen Höhepunkt im Schulalltag und bestimmen dann meist für mehrere
Wochen den Stundenablauf. Da in die Vorbereitungen jeweils mehrere Lehrer miteingebunden sind,
kommt es häufig vor, dass besonders am Nachmittag viele Schüler keinen Unterricht mehr haben. –
Auch als ich dort arbeitete, gab es verschiedene Sonderprogramme, welche mir zum einen die
Chance gaben, etwas Neues zu erleben, zum anderen aber auch immer wieder „lehrerlose Klassen“
überließen, die ich unterrichten konnte.
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Vor Beginn des normalen Schulunterrichts wird jeden Morgen um 6:30 Uhr eine dreiviertel Stunde
Yoga gemacht. Zusätzlich gibt es das Angebot der Karate-Stunden, welche viermal in der Woche
angeboten werden, jeweils für eine andere Zielgruppe.
Die Blindenschule
Die Grundstruktur in der Blindenschule ist die gleiche wie in Navsari, wobei der Rhythmus etwas
verschoben ist. Hier beginnt der Unterricht bereits um 11 Uhr, wobei ihm ebenfalls das Gebet voraus
geht. Diesmal singen die Schüler die religiösen Lieder selber, jeden Morgen drei. Anschließend
müssen immer einige etwas aus dem Unterricht vortragen und es werden ihnen dann die neuesten
Ereignisse aus der Zeitung vorgelesen. Die gemeinsame Runde endet jeden Tag mit einem
„Versprechen“, einer Art Gelöbnis, dem eigenen Land treu zu bleiben, es zu lieben und die anderen
Menschen zu ehren (s.u.).
PLEDGE
India is my country.
All Indian are my brothers and sisters.
I love my country and I am proud of its rich and varied heritage.
I shall always strive to be worthy of it.
I shall respect my parents, teachers and all my elders and treat everyone with courtesy.
I pledge my devotion to my country and its people.
My happiness lies in their well-being and prosperity.
6
Da jede Unterrichtsstunde nur 35 Minuten dauert, haben die Schüler hier acht Stunden am Tag.
Beendet wird dieser, wie in Navsari auch, mit der Nationalhymne, welche hier jede Klasse
selbstständig und aus vollem Herzen singt.
Momentan ist die Blindenschule noch sehr im Aufbau und verfügt über wenige Ressourcen. Aus
diesem Grunde sind hier sämtliche außerlehrplanmäßige Aktivitäten, abgesehen gelegentlichem
Kricket-Spiel, auf den Gesang beschränkt, haben jedoch wenig Einfluss auf den Unterricht.
Meine Arbeit
In der Gehörlosenschule
Auf Grund der anderen Landessprache (Gujarati), die ich zwar sprechen kann, im Unterricht jedoch
nur bedingt verstehe, habe ich versucht möglichst viele Englischstunden mitzuerleben, zumal dies
auch Teil meines Studiums in Deutschland ist. Dies stellte sich zunächst insofern als schwierig heraus,
als dass sich kein Lehrer sich in der Lage sah, mir einen kompletten Stundenplan zu geben, welcher
sämtliche Englischstunden enthalten hätte. Glücklicherweise waren alle so offen, sodass ich,
nachdem ich dann schließlich herausgefunden hatte, zu welchen Zeiten die fremde Sprache
angeboten wurde, neben Englisch auch andere Unterrichte besuchen konnte. Da ersteres täglich nur
drei bis fünf Stunden abdeckte, hatte ich reichlich Gelegenheit dazu. Es gab aber auch häufig
Stunden, in welchen der ein oder andere Lehrer nicht da war und die Schüler mich baten, in ihre
Beim Gebet
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Klasse zu kommen. Meist unterrichtete ich dann Englisch oder (neue) Spiele. Letzteres machte ich
besonders deshalb, da es in der Schule nur sehr wenige Möglichkeiten zur physischen Betätigung gibt
und sowohl Lehrer, als auch Schüler für neue Ideen sehr dankbar waren. Die Herausforderung lag für
mich besonders darin, das Spiel in Gebärdensprache zu erklären und dann sowohl darauf zu achten,
dass die Schüler die Regeln befolgten, als auch, dass sie sie überhaupt richtig anwendeten. Und da
man nicht einfach Anweisungen in die Runde rufen konnte, musste ich immer das gesamte Spiel
unterbrechen, um Korrekturen oder Erläuterungen zu geben.
Besonders charakteristisch an dem Unterricht, welchen ich beobachtete, war der immer gleiche
Ablauf, der sich durch alle Fächer hindurch zog. Meiner Erfahrung nach gibt es im Wesentlichen nur
ein Schulbuch für jedes Fach und jede Klassenstufe, welches sowohl eine Ausgabe für Schüler, als
auch eine für Lehrer mit sämtlichen Lösungen (und Übersetzungen) enthält. Der Unterricht gestaltete
sich dann meist so, dass der Lehrer etwas an die Tafel schrieb, i.d.R. einen langen Text, welchen die
Schüler abschreiben mussten. Bis zum Stundenende wurde die Bedeutung dann zunächst von den
Lehrern, anschließend auch
teilweise von Schülern, als
eine Art Verständnistest,
erklärt, übersetzt und
erläutert. Letzteres war
besonders notwendig, da
die Schüler sonst kaum den
Inhalt verstanden hätten.
Das liegt vor allem daran,
dass die Grundstruktur der
Gebärdensprache, ihrer
Muttersprache, eine andere
als die der Lautsprachen ist
und insgesamt auch das Vokabular wesentlich geringer ist, die Schulbücher jedoch keineswegs für
Gehörlose konzipiert sind. So gibt es zwar in jedem Buch viele verschiedene Aufgabenformate und
auch inhaltliche Unterschiede, meist können diese aber nicht wie angegeben durchgeführt werden
(vgl. im Englischunterricht: „Repeat after your teacher.“). Da die Arbeitsmoral in Indien nicht
besonders hoch ist, war es folglich für viele Lehrer sehr einfach, lediglich die Texte der Bücher durch
einen Tafelanschrieb zu vermitteln. Für die Schüler hatte das aber zur Folge, dass sie sich sieben
Unterrichtsstunden lang auf die gleiche Art und Weise neue Inhalte merken mussten. Dass das nicht
effektiv ist, erklärt sich von selbst. Die Aufgabe der Schüler war es dann, die Texte oder Fragen
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selbstständig zu lernen, um sie dann in den Prüfungen, in welchen lediglich der Inhalt des Buches
abgefragt wird, wiedergeben zu können. Das lief aber im Enddefekt darauf hinaus, dass die meisten
die Texte auswendig lernten, so gut sie konnten.
Generell bedeutet diese Art des Unterrichts, dass die Schüleraktivität im Unterricht einen kaum
nennenswerten Anteil ausmachte. Speziell in Bezug auf Englisch bedeutete das aber auch, dass die
Schüler selbst in höheren Klassenstufen nicht in der Lage waren selbstständig Sätze zu konstruieren,
d.h. die fremde Sprache, abgesehen von vereinzelten Vokabeln, überhaupt zu verwenden.
Dies war einer meiner größten Kritikpunkte an dem Unterricht in den Schulen, folglich aber auch ein
Ansatzpunkt für meinen eigenen Unterricht. Anstatt den Text oder die Worte lediglich an die Tafel zu
schreiben und zu erklären, forderte ich die Schüler der achten Klasse beispielsweise einmal auf, sich
zunächst selbstständig über die Bedeutung der Worte auszutauschen und mir diese dann mitzuteilen.
Sie nickten freundlich, machten aber nicht die geringsten Anstände meine Aufgabe zu erfüllen. Es
stellte sich heraus, dass sie mich nicht richtig verstanden hatten, was zum einen an meinen nicht
perfekten Gebärdensprachkenntnissen lag, zum anderen aber vor allem an der Neuheit der Aufgabe.
Sie waren im Prinzip völlig überfordert damit, wagten es aus Höflichkeitsgründen aber nicht, mir ihr
Unverständnis aber mitzuteilen.
Da auch ich mich nach dem Schulbuch richten musste, hatte ich wenige Ausweichmöglichkeiten.
Meist ging es darum, den anstehenden Text zu vermitteln. Ein weiteres Problem war, dass ich häufig
erst in der Stunde selber erfuhr, dass ich unterrichten sollte, bzw. was anstünde. So kam es, dass wir
teilweise zu zweit unterrichteten. Generell habe ich jedoch immer versucht, die Schüler so viel wie
möglich miteinzubeziehen. Sie mussten deshalb häufig nach vorne an die Tafel kommen, Dinge
erklären oder wurden durch persönliche Nachfrage von mir am Unterrichtsgeschehen beteiligt.
Was mir schnell auffiel war, dass die Schüler mit den Worten, die ihnen in Englisch vermittelt wurden
überhaupt nichts verbanden. Deshalb kam es häufig vor, dass sie diese falsch buchstabierten, d.h.
Buchstaben vertauschen oder wegließen. Dies hängt vermutlich auch damit zusammen, dass sie die
Worte nie zu hören bekommen, hat aber zur Folge, dass wir beim Unterrichten sehr oft wiederholen
mussten. Um das etwas interessanter zu gestalten, verwendete ich häufig das Spiel
„Galgenmännchen“1, in den verschiedensten Variationen.
1 Hierbei denkt sich der Lehrer ein Wort aus und malt eine, den Buchstaben entsprechende Anzahl an Strichen an die Tafel. Die Schüler raten dann daraufhin mögliche Buchstaben, die zu dem Wort gehören. Je nach Schwierigkeitsgrad können der erste oder auch mehrere Buchstaben des Wortes angegeben werden.
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In der Blindenschule
In der Blindenschule konnte ich sehr bald ein ähnliches Phänomen wie in Navsari beobachten. Auch
hier orientierten sich die Lehrer sehr stark an dem Lehrbuch, wobei ebenfalls ein Großteil der
Aufgaben nicht durchgeführt wurde. Es ging im Prinzip nur darum den Text vorzulesen und den Inhalt
u.U. nochmals zu erklären. Anschließend wurden die Fragen bearbeitet. Ein Grund für das Auslassen
der anderen Aufgaben war u.a., dass nicht alle Schüler über die Bücher verfügten und somit die
meisten Übungen nicht durchführbar waren. Hinzu kommt das Problem, dass einige Aufgaben nicht
für Blinde geeignet waren. – Im Fach Englisch lag es vor allem aber auch an fehlenden
Sprachkenntnissen der Schüler und der Lehrkraft. Ich musste leider feststellen, dass auch hier
keinerlei Basis vorhanden war und die Schüler lediglich die Texte und Fragen, teilweise wörtlich,
auswendig lernten.
Meine Anregungen zu freierem Unterricht mit verstärkter Schüleraktivität wurden grundsätzlich sehr
positiv aufgefasst, allerdings mit dem Verweis, dass dafür auf Grund der anstehendenden Prüfungen
momentan keine Zeit sei, erst einmal auf später verschoben. Somit hatte ich leider auch relativ wenig
Gelegenheit etwas Neues auszuprobieren. Wenn ich mit der Lehrerin gemeinsam unterrichtete, so
war es meist meine Aufgabe auf die Aussprache zu achten, ich konnte Fragen und Antworten
diktieren und ihr beim Übersetzen helfen oder auch mal eine Übung konzipieren.
Auf Grund dessen, dass ich nach einigen Wochen von der Gehörlosenschule in die Blindenschule
wechselte, war ich plötzlich mit den gleichen Texten erneut konfrontiert und konnte sie ein weiteres
Mal unterrichten, diesmal jedoch in Gujarati, nicht in Gebärdensprache, für Menschen mit
2 Klassenzimmer
10
eingeschränkter Sehkraft, statt für Gehörlose. Dies stellte sich als sehr interessant heraus, da ich hier
einen direkten Vergleich hatte.
Da der Englischunterricht in den Blindenschule immer lediglich in den ersten vier Unterrichtsstunden
stattfand, hatte ich nachmittags die freie Wahl bei welchem Lehrer und in welcher Klasse ich
zuschauen wollte. Um selber unterrichten zu können, musste ich leider immer darauf hoffen, dass
ein Lehrer mir seine Klasse übergab oder ausnahmsweise ausfiel. Folglich waren meine Nachmittage
immer sehr unterschiedlich gestaltet. Meistens versuchte ich eine gute Mischung von Hospitation
und eigenem Unterricht zu realisieren. Da ich jedoch nie vorher wusste, welche Klasse ich haben
würde, war eine Planung sehr schwierig. Von meinem ersten Aufenthalt kannte ich dieses Problem
bereits und konnte mich folglich gut damit abfinden. Mir war klar, dass es unmöglich sein würde für
die ganze Zeit meines Aufenthalts einen Stundenplan zu erhalten und so nahm ich in Kauf, dass auch
die Unterrichtsqualität darunter leiden würde.
Die Stunden, die mir übergeben wurden, nutzte ich dazu, mich auch etwas nach den Interessen und
Bedürfnissen der Schüler zu richten. Meist war ich allein mit ihnen und hatte völlige Freiheit. So kam
es, dass ich in den höheren Klassen vor allem Englisch unterrichtete und in den unteren vornehmlich
Musik. Dazu hatte ich teilweise vier Klassen zusammen, da die Räume nur durch eine, das Haus
durchteilende Holzwand getrennt sind und mein Unterricht sämtliche Konzentration auf sich lenkte.
Neben dem Lehren von neuen
Liedern, achtete ich auch stets
darauf, dass wir zunächst
einige Stimmübungen
machten und anschließend
eine gute Mischung aus
Neuem und Alten,
melodischen und
Sprachübungen hatten.
Hierfür waren besonders die
jüngeren Klassen sehr
dankbar, da sie mit vollem
Elan und Begeisterung mitmachten, auch wenn sie manchmal stimmlich sehr daneben lagen.
Mit den älteren Schülern konnte ich sowohl Englisch, als auch Musik üben. Bei ersterem ging es
hauptsächlich darum, bereits vermitteltes Wissen zu festigen, Vokabeln zu wiederholen,
Buchstabieren zu üben, etc. Neue Texte nahm ich nicht sehr häufig durch, da dies eine Wort-für-
Wort-Übersetzung vom Englischen ins Gujarati erforderte, zu welcher ich nicht in der Lage war. Ich
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konnte also nur den Inhalt erklären, was den Schülern aber auch etwas nützte. Um die Stunden
etwas aufzulockern, kombinierte ich teilweise auch beide Unterrichtsfächer, Englisch und Musik, was
den Schülern besonders Spaß machte, da sie hier viel Abwechslung hatten.
Fazit
Ich habe in diesen sechseinhalb Wochen in Indien sowohl für mein Studium, als auch für mich selber
sehr wertvolle Erfahrungen machen können. Auch wenn ich beispielsweise die sehr einfache
Lebensweise dort bereits zuvor erfahren durfte, so hat sie mir dennoch erneut die Gelegenheit
geboten, mich wirklich auf die wesentlichen Dinge im Leben zu konzentrieren und das zu
wertzuschätzen, was man hat. Gerade in der westlichen Welt, in der die meisten Dinge im Überfluss
vorhanden sind, gilt vieles als viel zu selbstverständlich. Es sind jedoch nicht nur diese materiellen
Unterschiede, die einen solchen Lernprozess anregen. Indien, das Land, die Kultur und seine
Menschen unterscheiden sich in vielfältiger Weise von dem deutschen und auch europäischen
Leben. Ich glaube, dass gerade solch kulturell konträren Erlebnisse eine besonders gute Chance zur
Reflektion der eigenen Persönlichkeit und Lebensart bieten. Mein dritter Aufenthalt in Indien hat es
mir ermöglicht, mich viel intensiver mit der indischen Tradition auseinander zu setzten und diese zu
verstehen.
Ich erachte es als sehr wichtig, während des Studiums die Chance zu nutzen, ins Ausland zu gehen. Es
ist eine gute Gelegenheit verschiede Konzepte und Strategien kennen zu lernen, die in dem jeweils
anderen Land die Basis formen. Gerade in Bezug auf die Multikulturelle Gesellschaft, in der wir leben
ist es sehr wichtig auch selber Erfahrungen im Ausland gemacht zu haben. Sie haben mich
weltoffener und toleranter gemacht und mir einen Anstoß und die Gelegenheit gegeben, mein
Menschengefühl und -verständnis zu verfeinern. Ich bin überzeugt davon, dass dieser letzte
Aufenthalt in Indien einen großen Beitrag dazu leisten konnte, auch wenn nicht immer alle
Handlungen der Menschen dort für mich verständlich waren. Doch vielleicht ist es auch gerade dieser
Aspekt, der zur besonderen und intensiven Reflektion des eigenen Verhaltens angeregt hat.
Ich bin sehr froh, dass es wenigstens ansatzweise zu einem Austausch mit den Lehrern in Indien kam
und bin gespannt zu sehen, in wie fern sich „meine Methoden“ in Indien etablieren werden. Die sehr
unterschiedlichen Herangehensweisen boten eine besonders gute Chance die eigenen Methoden zu
reflektieren, verbessern und auch zu begründen. Gerade da in unserem Ausbildungssystem mit
vielen „neuen Ideen und Methoden“, wie beispielsweise Frei- und Gruppenarbeit, gearbeitet wird,
die ein wesentlich größeres Engagement der Lehrkraft fordern, als eine ledigliche Reproduktion des
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Inhalts eines Schulbuches, wie ich es in Indien immer erlebte, ist es sinnvoll sich immer wieder der
Notwendigkeit dessen bewusst zu werden. Für meinen Unterricht bedeutet das, dass ich in Zukunft
wesentlich durchdachter und fundierter unterrichten werde. Da mir Indien sehr ans Herz gewachsen
ist, und ich es auch für deutsche Schüler als wichtig empfinde, sich mit anderen Teilen der Welt
auseinander zu setzten, möchte ich künftig auch möglichst viele interkulturelle Aspekte in die Schule
einbringen.
Insgesamt habe ich eine sehr intensive und erlebnisreiche Zeit in Indien gehabt und bin sehr dankbar
für die Erfahrungen, die ich dort machen konnte. Sowohl das Land, als auch seine Kultur haben einen
großen Reiz für mich, sodass ich auf jeden Fall bald wieder zurückkehren möchte.
Für weitere Informationen und Bilder kann man sich auch gerne meinen Blog anschauen:
www.avilainindiaagain.blogspot.com, oder den meines ersten Aufenthaltes:
www.avilainindia.blogspot.com.
An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz herzlich bei allen bedanken, die mich oder die Schulen in
Indien unterstützt haben. Besonderer Dank gilt dem DAAD, durch dessen Programm PROMOS dieses
Praktikum in Indien finanziert werden konnte.
Ich hoffe, bald wieder die Möglichkeit zu haben, dort zu sein und die Schüler und Mitarbeiter zu
unterstützen.