57
Skript zur Vorlesung Mathematik 2 ur Studierende der Bachelorstudieng¨ ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L¨ obhard 27. Juni 2016

Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

  • Upload
    others

  • View
    31

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

Skript zur Vorlesung

Mathematik 2fur Studierende der Bachelorstudiengange Chemie und Biophysik

Dr. Caroline Lobhard

27. Juni 2016

Page 2: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016
Page 3: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

Inhaltsverzeichnis

1 Differentialgleichungen II 51.1 Lineare Differentialgleichungen hoherer Ordnung . . . . . . . . . . . . . . 51.2 Lineare homogene Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten . 81.3 Lineare inhomogene Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten 91.4 Exakte Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

2 Vektorraum, Basis und Dimension 172.1 Grundlegende Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172.2 Lineare Hulle und Erzeugendensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.3 Basis und Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

3 Skalarprodukt und Orthogonalitat 233.1 Skalarprodukt und Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.2 Orthogonalitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253.3 Orthogonales Komplement und orthogonale Projektion . . . . . . . . . . 26

4 Lineare Abbildungen und Matrizen 314.1 Lineare Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314.2 Isomorphismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334.3 Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

5 Lineare Gleichungssysteme und Determinanten 395.1 Lineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395.2 Der Gauß-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405.3 Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435.4 Determinanten und lineare Gleichungssysteme . . . . . . . . . . . . . . . 45

6 Eigenwerte und Eigenvektoren 476.1 Eigenwert, Eigenraum, Eigenvektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476.2 Basiswechsel und Diagonalisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496.3 Definitheit von Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

7 Anwendungen der Linearen Algebra 537.1 Extremwertaufgaben mit Nebenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . 537.2 Systeme linearer Differentialgleichungen 1. Ordnung mit konstanten Ko-

effizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

3

Page 4: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016
Page 5: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

1 Differentialgleichungen II

1.1 Lineare Differentialgleichungen hoherer Ordnung

Definition 1.1. Gegeben sind n ∈ N, ein Intervall I ⊂ R, Koeffizientenfunktionena0(t), a1(t), a2(t), . . . , an(t), wobei an(t) 6= 0 fur (mindestens) ein t ∈ I, und eine Storfunktionh(t), die jeweils fur t ∈ I definiert sind . Eine lineare Differentialgleichung n-ter Ordnunghat die Form

an(t)y(n)(t) + an−1(t)y(n−1)(t) + · · ·+ a1(t)y

′(t) + a0(t)y(t) = h(t). (?)

Die Differentialgleichung heißt

inhomogen, falls fur (mindestens) ein t ∈ I gilt: h(t) 6= 0,

homogen, falls fur alle t ∈ I gilt: h(t) = 0,

explizit , falls fur alle t ∈ I gilt: an(t) 6= 0,

implizit , falls t1, t2 ∈ I existieren mit an(t1) 6= 0 und an(t2) = 0,

mit konstanten Koeffizienten, falls die Koeffizientenfunktionen alle konstant sind.

Bemerkung 1.2. In der Schreibweise aus MaI, Def. 10.1, ist

F (t, x0, x1, . . . , xn) = an(t)xn + an−1(t)xn−1 + · · ·+ a1(t)x1 + a0(t)x0 − h(t),

und falls die Differentialgleichung explizit ist, so ist in MaI, Def.10.3

g(t, x0, x1, . . . , xn−1) =1

an(t)(h(t)− an−1(t)xn−1 − an−2(t)xn−2 − · · · − a1(t)x1 − a0(t)x0) .

Beispiel 1.3.

5

Page 6: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

1 Differentialgleichungen II

Satz 1.4 (Existenz und Eindeutigkeit der Losung). Ist die Differentialgleichung (S) inDefinition 1.1 explizit, und sind alle Koeffizientenfunktionen und die Storfunktion stetig,so besitzt das Anfangswertproblem

y(n)(t) = g(t, y(t), y′(t), . . . , y(n−1)(t)), y(t0) = y0, y′(t0) = y1, . . . , y

(n−1)(t0) = yn−1

mit g aus Bemerkung 1.2 genau eine Losung.

Beweis.

Satz 1.5. (i) Genauso wie in Ma.I Satz 10.20(ii) ist die allgemeine Losung yc einerexpliziten linearen Differentialgleichung die Summe aus einer partikularen Losungyp der inhomogenen Gleichung (mit einem beliebigen Anfangswert) und der allge-meinen Losung yh,c der zugehorigen homogenen Gleichung, d.h.

yc(t) = yh,c(t) + yp(t).

(ii) Es sei κ ∈ R ein Konstante, y1 eine Losung der Gleichung (S) mit der rechtenSeite h1, und y2 sei eine Losung der Gleichung (S) mit der rechten Seite h2. Dannlost y = y1 + κy2 die Gleichung (S) mit der rechten Seite h1 + κh2.

Beweis. (i)

(ii) siehe Ubung.

6

Page 7: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

1.1 Lineare Differentialgleichungen hoherer Ordnung

Wir befassen uns jetzt mit der Struktur der Losungsmenge yh,c von linearen homoge-nen Differentialgleichungen n-ter Ordnung.

Satz 1.6. Die allgemeine Losung einer expliziten linear homogenen Differentialgleichungbesitzt die Form

yh,c(t) = c1y1(t) + c2y2(t) + · · ·+ cnyn(t),

wobei c1, c2, . . . , cn ∈ R, und y1, y2, . . . , yn n verschiedene, linear unabhangige Losungender Differentialgleichung sind.

”Linear unabhangig“ bedeuted hier:

Wenn fur alle t ∈ I gilt

k1y1(t) + k2y2(t) + · · ·+ knyn(t) = 0,

so folgt, dass alle Konstanten k1 = k2 = · · · = kn = 0 Null sein mussen.Um ein Anfangswertproblem zu losen, setzt man die allgemeine Losung in die An-

fangsbedingungen ein und ermittelt aus diesen Gleichungen c1, c2, . . . , cn.

Beispiel 1.7.

In den folgenden Abschnitten betrachten wir lineare homogene Differentialgleichungenmit konstanten Koeffizienten a0, a1,. . . ,an

any(n)(t) + an−1y

(n−1)(t) + · · ·+ a1y′(t) + a0y(t) = 0 (LHK)

und die lineare inhomogene Differentialgleichungen mit der Storfunktion h

any(n)(t) + an−1y

(n−1)(t) + · · ·+ a1y′(t) + a0y(t) = h(t). (LIK)

7

Page 8: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

1 Differentialgleichungen II

1.2 Lineare homogene Differentialgleichungen mitkonstanten Koeffizienten

Bemerkung 1.8 (Anleitung zum Finden der allgemeinen Losung von (LHK)).

1. Man macht den Ansatz: y(t) = eλt.

2. Einsetzen in (LHK) liefert

0 =any(n)(t) + an−1y

(n−1)(t) + · · ·+ a1y′(t) + a0y(t)

=anλneλt + an−1λ

n−1eλt + · · ·+ a1λeλt + a0e

λt.

Weil eλt 6= 0 ist, bekommt man die Gleichung

anλn + an−1λ

n−1 + · · ·+ a1λ+ a0 = 0.

3. Man muss also die Nullstellen λ1, λ2, . . . , λs ∈ C des obigen Polynoms mit denVielfachheiten k1, k2, . . . , k3 bestimmen – das heißt, man berechnet die Faktorisie-rung

anλn + an−1λ

n−1 + · · ·+ a1λ+ a0 = (λ− λ1)k1(λ− λ2)k2 · · · · · (λ− λs)ks .

4. Man bekommt die folgenden linear unabhangigen Losungen:

a) falls λl ∈ R: eλlt, teλlt, . . . , tkl−1eλlt,

b) falls λl ∈ C \ R, λl = a+ bi:eat cos(bt), teat cos(bt), . . . , tkl−1eat cos(bt),eat sin(bt), teat sin(bt), . . . , tkl−1eat sin(bt).

5. In Schritt 4 bekommt man genau n linear unabhangige Losungen. Die allgemeineLosung ist dann

yh,c(t) = c1y1(t) + c2y2(t) + · · ·+ cnyn(t).

Definition 1.9. Das Polynom

P (λ) = anλn + an−1λ

n−1 + · · ·+ a1λ+ a0

heißt charakteristisches Polynom der Differentialgleichung (LHK) bzw. (LIK), die Glei-chung

P (λ) = 0

heißt charakteristisches Gleichung von (LHK) bzw. von (LIK).

8

Page 9: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

1.3 Lineare inhomogene Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten

Beispiel 1.10.

1.3 Lineare inhomogene Differentialgleichungen mitkonstanten Koeffizienten

In diesem Abschnitt werden zwei Losungsverfahren fur lineare inhomogene Differential-gleichungen (LIK) mit konstanten Koeffizienten a0, a1,. . . ,an und der Storfunktion h(t)behandelt.

Falls die Storfunktion h eine spezielle Form hat (Summe/Produkt von Polynom, Si-nus, Kosinus und Exponentialfunktion), so kann man die Struktur der Losung

”erraten“

und muss dann nur noch einige Parameter durch Einsetzen in die Differentialgleichungbestimmen. Die Ansatzfunktion hangt ab von

• den Nullstellen des charakteristischen Polynoms P der Differentialgleichung,

• der Storfunktion h.

9

Page 10: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

1 Differentialgleichungen II

Satz 1.11. Gegeben ist eine lineare inhomogene Differentialgleichung der Form (LIK)mit den Koeffizienten a0, a1, . . . , an ∈ R. Wir definieren Typen von Storfunktionen h(t)und zughorige Ansatzfunktionen yp(t) wie folgt:

Typ I h(t) = p(t)eλt,

P (t) = (t− λ)kq(t) und q(λ) 6= 0,

wobei p ein Polynom vom Grad m, und λ eine k-fache Nullstelle des charakteri-stischen Polynoms ist. k = 0 bedeuted, dass λ keine Nullstelle von P ist.

Ansatz: yp(t) = r(t)tkeλt, wobei r ein Polynom vom Grad m ist.

Typ II h(t) = p(t)eλ1t cos(λ2t) + q(t)eλ1t sin(λ2t),

P (t) = (t− (λ1 + λ2i))k q(t) und q(λ1 + λ2i) 6= 0,

wobei p und q Polynome vom Grad m sind, und λ = λ1+λ2i eine k-fache Nullstelledes charakteristischen Polynoms ist.

Ansatz: yp(t) = r(t)tkeλ1t cos(λ2t) + s(t)tkeλ1t sin(λ2t), wobei r und s Poly-nome vom Grad m sind.

Falls h vom Typ I bzw. II ist, so lost eine Funktion yp der im jeweiligen Ansatz gegebenenForm die Differentialgleichung (LIK).

Beispiel 1.12.

10

Page 11: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

1.3 Lineare inhomogene Differentialgleichungen mit konstanten Koeffizienten

Bemerkung 1.13 (Ansatzmethode zum Losen von (LIK)).

1. Prufe, ob h vom Typ I oder II aus Satz 1.11 ist. Falls ja, dann kann man dieGleichung mit der Ansatzmethode losen. Falls nicht, so muss man ein anderesLosungsverfahren wahlen.

2. Bestimme die Nullstellen des charakteristischen Polynoms der Differentialgleichung.

3. Klassifiziere h nach den Kriterien aus Satz 1.11 und wahle den passenden Ansatz,z.B.

yp(t) = (p0 + p1t+ p2t2 + · · ·+ pmt

m)eλt.

4. Setze den Ansatz in die Differentialgleichung (LIK) ein. Dazu mussen die Ablei-

tungen y′p, y′′p ,. . . ,y

(n)p berechnet werden.

5. Aus der Gleichung aus Schritt 4 kann man die Koeffizienten r0, r1,. . . ,rm von rund evtl. die Koeffizienten s0, s1,. . . ,sm von s berechnen.

6. Die allgemeine Losung der inhomogenen Gleichung ist yc = yh,c + yp. Falls einAnfangswertproblem gelost werden soll, so konnen die Konstanten c aus yh,c in ycaus den Anfangswerten bestimmt werden.

Beispiel 1.14.

11

Page 12: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

1 Differentialgleichungen II

Satz 1.15. Es sei yh,c(t) = c1y1(t)+c2y2(t)+ · · ·+cnyn(t) =∑n

k=1 ckyk(t) die allgemeineLosung der zu (LIK) gehorenden homogenen Gleichung. Außerdem seien C1(t), C2(t),. . . , Cn(t) differenzierbare Funktionen, die das folgende Gleichungssystem erfullen,

n∑i=1

C ′i(t)yi(t) = 0,

n∑i=1

C ′i(t)y′i(t) = 0,

. . .n∑i=1

C ′i(t)y(n−2)i (t) = 0,

n∑i=1

C ′i(t)y(n−1)i (t) =

h(t)

an.

Dann lost yp(t) =∑n

i=1Ci(t)yi(t) die lineare inhomogene Differentialgleichung (LIK).

Beweis.

Bemerkung 1.16. Mit den Mitteln der linearen Algebra kann man nachweisen, dassdas Gleichungssystem aus Satz 1.15 losbar ist. Außerdem gibt es eine Formel, wie diegesuchten Funktionen C ′1(t), C

′2(t), . . . , C ′n(t) berechnet werden konnen. Um die par-

tikulare Losung der inhomogenen Differentialgleichung zu bestimmen, muss man derenStammfunktionen C1(t), C2(t), . . . , Cn(t) bestimmen.

Beispiel 1.17.

12

Page 13: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

1.4 Exakte Differentialgleichungen

1.4 Exakte Differentialgleichungen

Es seien Funktionen P,Q : I×M → R, mit Intervallen I,M ⊂ R gegeben. Wir betrach-ten hier Differentialgleichungen der Form

F (t, y(t), y′(t)) = 0, mit F (t, x0, x1) = P (t, x0) +Q(t, x0)x1. (#)

Definition 1.18. Die Differentialgleichung (#) heißt exakte Differentialgleichung, fallsdas Vektorfeld N(t, x0) = (P (t, x0), Q(t, x0)) exakt ist (vgl. MaI Def.3.27). Satz 3.28 ausMaI besagt, dass N genau dann exakt ist, wenn fur alle t ∈ I, x ∈M gilt

dP (t, x)

dx=dQ(t, x)

dt.

Satz 1.19. Ist ϕ ein Potential von N(t, x0) aus Definition 1.18, so ist die Losung derGleichung (#) implizit gegeben durch die Auflosung der Gleichung

ϕ(t, y(t)) = c

nach y(t).

Beweis.

13

Page 14: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

1 Differentialgleichungen II

Bemerkung 1.20 (Zur Bestimmung des Potentials ϕ).

1. Der Ansatz dϕ(t,x)dt

= P (t, x) liefert

ϕ(t, x) =

∫P (t, x) dt+ C(x).

2. Durch Einsetzen ergibt sich

Q(t, x) =dϕ(t, x)

dx=

d

dx

(∫P (t, x) dt+ C(x)

)=

∫d

dxP (t, x) dt+ C ′(x).

Man bestimmt C(x) also durch Integration von

C(x) =

∫ (Q(t, x)−

∫d

dxP (t, x) dt

)dx.

Beispiel 1.21.

Definition 1.22. Es sei N = (P,Q) : I ×M → R2 ein beliebiges Vektorfeld, wobeiI, M Intervalle in R sind. Eine stetig differenzierbare Funktion µ : I ×M → R heißtintegrierender Faktor zu N , falls fur alle t ∈ I und alle x ∈M gilt: µ(t, x) 6= 0, und fallsdas Vektorfeld µN = (µP, µQ) exakt ist.

14

Page 15: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

1.4 Exakte Differentialgleichungen

Satz 1.23. Es seien Funktionen P,Q : I ×M → R, mit Intervallen I,M ⊂ R gegebenund µ sei ein integrierender Faktor des Vektorfelds N = (P,Q). Eine Funktion y lostdie Differentialgleichung (#), genau dann, wenn sie die exakte Differentialgleichung

µ(t, y(t))P (t, y(t)) + µ(t, y(t))Q(t, y(t))y′(t) = 0

lost.

Beweis.

Bemerkung 1.24 (Zur Bestimmung eines integrierenden Faktors). Im Allgemeinen istdie Bestimmung eines integrierenden Faktors genauso schwer, wie das direkte Losen derDifferentialgleichung. Aus dem Kriterium aus MaI.3.28 bekommt man die Bedingung

µx(t, x)P (t, x) + µ(t, x)Px(t, x) = µt(t, x)Q(t, x) + µ(t, x)Qy(t, x).

Im speziellen Fall, dass µ nur von t abhangt ist µx(t, x) = 0 und die Bedingung lautet

µ(t, x)Px(t, x) = µt(t, x)Q(t, x) + µ(t, x)Qy(t, x), d.h.

µt(t, x) =Px(t, x)−Qt(t, x)

Q(t, x)µ(t, x).

Das ist (fur jedes t) eine lineare homogene Differentialgleichung erster Ordnung fur µ– diese kann evtl. mit den Mitteln aus MaI Kap.10 gelost werden. Analog kann manvereinfachte Differentialgleichungen herleiten, wenn µ nur von x, oder beispielsweise nurvon t+ x abhangt.

Beispiel 1.25.

15

Page 16: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016
Page 17: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

2 Vektorraum, Basis und Dimension

2.1 Grundlegende Definitionen

Definition 2.1. Es sei K = R oder K = C. Ein K-Vektorraum ist eine Menge V miteiner Vektoraddition ⊕ : V ×V → V , einer skalaren Multiplikation � : K ×V → V undeinem Nullvektor 0 ∈ V , so dass die folgenden Rechenregeln gelten:

V1 (u⊕ v)⊕ w = u⊕ (v ⊕ w) (Assoziativitat)

V2 u⊕ v = v ⊕ u (Kommutativitat)

V3 v ⊕ 0 = v (Neutrales Element)

V4 ∀v ∈ V ∃v′ ∈ V mit v ⊕ v′ = 0 (inverse Elemente v′ = −v)

V5 (λ+ µ)� v = λ� v ⊕ µ� v (Distributivgesetz I)

V6 λ� (v ⊕ w) = λ� v ⊕ λ� w (Distributivgesetz II)

V7 (λ · µ)� v = λ� (µ� v)

V8 1� v = v

Beispiel 2.2.

17

Page 18: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

2 Vektorraum, Basis und Dimension

Satz 2.3. (i) In jedem Vektorraum gibt es genau einen Nullvektor.

(ii) Fur jeden Vektor v ∈ V ist 0� v = 0.

(iii) Fur jeden Vektor v ∈ V ist (−1)� v = −v.

(iv) Zu jedem Element v des Vektorraums gibt es genau ein inverses Element v′ = −v.

Beweis.

Definition 2.4. Eine Teilmenge U ⊂ V eines Vektorraums V , die selbst ein Vektorraumist, heißt Untervektorraum von V .

Beispiel 2.5.

Bemerkung 2.6. (i) Anstatt ⊕ und � schreibt man meistens + und ·. Die Unter-scheidung zu Addition und Multiplikation in K ergibt sich dann aus dem Zusam-menhang.

(ii) Achtung: Vektoren kann man im Allgemeinen nicht multiplizieren und dividieren!

18

Page 19: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

2.2 Lineare Hulle und Erzeugendensystem

2.2 Lineare Hulle und Erzeugendensystem

Definition 2.7. Es sei V ein Vektorraum, r ∈ N, und fur i = 1, 2, . . . , r seien Vektorenvi ∈ V und Zahlen λi ∈ K gegeben. Die endliche Summe

r∑i=1

λivi = λ1v1 + λ2v2 + . . . λrvr

heißt Linearkombination der Vektoren vi.Die Menge

L ({v1, v2, . . . , vr}) =

{n∑i=1

λivi

∣∣∣∣∣λi ∈ K}

heißt lineare Hulle von {v1, v2, . . . , vr}. Fur eine (evtl. unendlich große) Teilmenge M ⊂V ist die Lineare Hulle L(M) die Menge aller endlichen Linearkombinationen aus Vek-toren in M .

Beispiel 2.8.

Satz 2.9. (i) Eine Teilmenge U ⊂ V ist ein Untervektorraum von V genau dann,wenn

U1 U 6= ∅,U2 fur alle u, v ∈ U auch deren Summe in U liegt, u+ v ∈ U und

U3 wenn sie zu jedem v ∈ U auch beliebige Vielfache λ� v (λ ∈ K) enthalt.

(ii) Fur jede Teilmenge M ⊂ V ist L(M) ein Untervektorraum von V .

19

Page 20: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

2 Vektorraum, Basis und Dimension

Beweis.

Definition 2.10. Eine Teilmenge U ⊂ V heißt Erzeugendensystem von V , wenn

L(U) = V.

Beispiel 2.11.

2.3 Basis und Dimension

Definition 2.12. Eine Menge B ⊂ V heißt linear unabhangig wenn fur jede Linear-kombination von Vektoren b1, b2, . . . , br aus B gilt: Ist

λ1b1 + λ2b2 + . . . λrbr = 0,

so mussen alle λ1 = λ2 = · · · = λr = 0 Null sein. Aquivalent dazu darf kein Vektor inB die Linearkombination der restlichen Vektoren sein. Eine Menge von Vektoren heißtlinear abhangig, wenn sie nicht linear unabhangig ist.

Beispiel 2.13.

20

Page 21: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

2.3 Basis und Dimension

Definition 2.14. Eine Menge B ⊂ V heißt Basis von V wenn B linear unabhangig undein Erzeugendensystem von V ist.

Beispiel 2.15.

Satz 2.16. Ist B = (b1, b2, . . . , bn) eine geordnete Basis von V , so gibt es fur jedenVektor v ∈ V genau einen Tupel (λ1, λ2, . . . , λn) ∈ Kn von Zahlen in K, so dass

v = λ1b1 + λ2b2 + . . . λnvn.

Die Zahlen λi heißen Koordinaten von v in der Basis B und man schreibt

vB = (λ1, λ2, . . . , λn).

Beispiel 2.17.

Satz 2.18. Es sei B = {b1, b2, . . . , bn} eine Basis eines Vektorraums V .

(i) Man kann ein Basiselement bj ∈ B austauschen durch eine Linearkombination

c = λ1b1 + λ2b2 + · · ·+ λnbn,

wobei λj 6= 0 sein muss. Die Menge B = {b1, b2, . . . , bj−1, c, bj+1, . . . , bn} ist dannwieder eine Basis von V .

(ii) Ist C = {c1, c2, . . . , cm} eine weitere Basis von V , so gilt n = m (die Anzahl derBasiselemente ist immer die gleiche).

21

Page 22: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

2 Vektorraum, Basis und Dimension

Beispiel 2.19.

Definition 2.20. Falls V eine endliche Basis besitzt, so ist die Zahl n an Basiselementenaus Satz 2.18(ii) die Dimension von V . Ansonsten ist die Dimension von V unendlich.Man schreibt

dim(V ) = n bzw. dim(V ) =∞.

Beispiel 2.21.

22

Page 23: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

3 Skalarprodukt und Orthogonalitat

3.1 Skalarprodukt und Norm

Definition 3.1. Es sei V ein K-Vektorraum (K = R oder K = C).

(i) Eine Verknupfung 〈·, ·〉 mit 〈v, w〉 ∈ K heißt Skalarprodukt auf V , falls fur u, v, w ∈V und λ ∈ K die folgenden Regeln gelten:

SP1 〈v, w〉 = 〈w, v〉 (Symmetrie)

SP2 〈λv, w〉 = λ〈v, w〉 (Homogenitat)

SP3 〈u+ v, w〉 = 〈u,w〉+ 〈v, w〉 (Linearitat)

SP4 〈v, v〉 ≥ 0 fur alle v ∈ V, v 6= 0⇒ 〈v, v〉 6= 0 (positive Definitheit)

(ii) Eine Abbildung ‖ · ‖ : V → R heißt Norm auf V , falls fur u, v ∈ V und λ ∈ K diefolgenden Regeln gelten:

N1 ‖v‖ ≥ 0 und ‖v‖ = 0⇔ v = 0 (positive Definitheit)

N2 ‖λv‖ = |λ|‖v‖ (Homogenitat)

N3 ‖u+ v‖ ≤ ‖u‖+ ‖v‖ (Dreiecksungleichung)

Beispiel 3.2.

23

Page 24: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

3 Skalarprodukt und Orthogonalitat

Satz 3.3 (Cauchy-Schwarz’sche Ungleichung). Es sei V ein K-Vektorraum mit demSkalarprodukt 〈·, ·〉 und ‖v‖ =

√〈v, v〉 (vgl. Satz 3.4). Dann gilt fur alle v, w ∈ V dass

|〈v, w〉| ≤ ‖v‖‖w‖

und es gilt die Gleichheit |〈v, w〉| = ‖v‖‖w‖ genau dann, wenn die Menge {v, w} linearabhangig ist.

Satz 3.4. Es sei V ein K-Vektorraum mit dem Skalarprodukt 〈·, ·〉. Dann wird durch‖v‖ =

√〈v, v〉 eine Norm auf V definiert.

Beweis.

Beispiel 3.5.

24

Page 25: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

3.2 Orthogonalitat

3.2 Orthogonalitat

Definition 3.6. Fur Vektoren v, w ∈ V \ {0} ist die Zahl α ∈ [0, π[ mit

cos(α) =〈v, w〉‖v‖ · ‖w‖

∈ [−1, 1]

der Winkel zwischen v und w. Vektoren v, w ∈ V mit 〈v, w〉 = 0 heißen zueinanderorthogonal und man schreibt v ⊥ w. Die Zahl ‖v‖ ∈ R ist die Lange von v.

Beispiel 3.7.

Satz 3.8. Es sei V ein K-Vektorraum mit dem Skalarprodukt 〈·, ·〉 und B ⊂ V \ {0}sei eine Teilmenge von V mit paarweise orthogonalen Vektoren ungleich Null, d.h. furbeliebige v, w ∈ B mit v 6= w gilt 〈v, w〉 = 0. Dann ist B linear unabhangig.

Definition 3.9. Es sei V ein K-Vektorraum mit dem Skalarprodukt 〈·, ·〉 und B ⊂V \ {0} sei eine Teilmenge von V wie in Satz 3.8. Eine solche Menge heißt Orthogonal-system. Besitzen alle Vektoren v ∈ B die Norm 1, d.h. ‖v‖ =

√〈v, v〉 = 1, so heißt B

Orthonormalsystem. Ist B eine Basis von V , so spricht man von einer Orthogonal- bzw.Orthnormalbasis (ONB).

Beispiel 3.10.

25

Page 26: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

3 Skalarprodukt und Orthogonalitat

Satz 3.11. Es sei V ein endlichdimensionaler K-Vektorraum mit dem Skalarprodukt〈·, ·〉 und der dadurch induzierten Norm ‖ · ‖.

(i) Es sei B eine Basis von V . Es gilt

v = w ⇔ ∀b ∈ B : 〈v, b〉 = 〈w, b〉.

(ii) Es sei B = {b1, b2, . . . , bn} eine orthonormale Basis von V und v ∈ V . Es gilt

v =n∑i=1

〈v, bi〉bi.

Beweis.

3.3 Orthogonales Komplement und orthogonaleProjektion

Definition 3.12. Es sei V ein K-Vektorraum mit dem Skalarprodukt 〈·, ·〉 und U ⊂ Vsei eine Teilmenge von V . Dann ist

U⊥ = {v ∈ V | ∀u ∈ U : 〈u, v〉 = 0}

das orthogonale Komplement von U in V .

Satz 3.13. Fur jede Teilmenge U ⊂ V ist U⊥ ein Untervektorraum von V .

26

Page 27: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

3.3 Orthogonales Komplement und orthogonale Projektion

Beispiel 3.14.

Satz 3.15. Es sei V ein K-Vektorraum mit dem Skalarprodukt 〈·, ·〉, U ⊂ V sei einUntervektorraum von V und v ∈ V sei ein Vektor in V . Dann existiert genau ein Vektoru? ∈ U , so dass der Abstand

d(v, U) = min{‖v − u‖ |u ∈ U} = ‖v − u?‖

von v zu U in u? minimal ist. Man definiert eine Abbildung PU : V → U durch PU(v) =u?. PU heißt orthogonale Projektion von V auf U .

Beispiel 3.16.

Satz 3.17. Die Abbildung PU aus Satz 3.15 besitzt die folgenden Eigenschaften:

(i) Es gilt PU(v) = 0 genau dann, wenn v ∈ U⊥.

(ii) Es gilt PU(v) = v genau dann, wenn v ∈ U .

(iii) Es ist PU ◦ PU = PU , d.h. fur alle v ∈ V ist PU(PU(v)) = PU(v).

(iv) Fur alle v ∈ V ist v − PU(v) ∈ U⊥.

27

Page 28: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

3 Skalarprodukt und Orthogonalitat

Beweis.

Satz 3.18. Es sei V ein K-Vektorraum mit dem Skalarprodukt 〈·, ·〉 und U ⊂ V sei einUntervektorraum von V mit einer Orthonormalbasis B = {b1, b2, . . . , br}. Dann gilt furalle v ∈ V

PU(v) =r∑i=1

〈v, bi〉bi.

Beispiel 3.19.

28

Page 29: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

3.3 Orthogonales Komplement und orthogonale Projektion

Bemerkung 3.20 (Orthonormalisierungverfahren von Schmidt). Es sei V ein K-Vek-torraum mit dem Skalarprodukt 〈·, ·〉 und der dadurch induzierten Norm ‖·‖. Außerdemsei A = {a1, a2, . . . , ar} eine endliche linear unabhangige Teilmenge von V . Man kannaus A eine Orthonormalbasis wie folgt konstruieren,

1. k = 1, b1 = 1‖a1‖a1,

2. k = k + 1, bk = ak −∑k−1

i=1 〈ak, bi〉bi,

3. bk = 1‖bk‖

bk,

4. falls k = r → fertig, und B = {b1, b2, . . . , br} ist eine Orthonormalbasis von V ,ansonsten weitermachen mit Schritt 2.

Beispiel 3.21.

29

Page 30: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016
Page 31: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

4 Lineare Abbildungen und Matrizen

4.1 Lineare Abbildungen

Definition 4.1. Es seien V , W K-Vektorraume. Eine Abbildung f : V → W heißtlinear oder Homomorphismus, wenn fur alle u, v ∈ V und λ ∈ K gilt

L1 f(u+ v) = f(u) + f(v), L2 f(λu) = λf(u).

Beispiel 4.2.

Satz 4.3. Die Menge aller linearen Abbildungen von V nach W wird mit Lin(V,W )bezeichnet und ist ein Untervektorraum des Vektorraums X = Abb(V,W ) aller Abbil-dungen von V nach W .

Beweis.

31

Page 32: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

4 Lineare Abbildungen und Matrizen

Satz 4.4. (i) Sind f : V → W und g : W → Z lineare Abbildungen, so ist auch dieVerkettung f ◦ g : V → Z (mit (f ◦ g)(v) = f(g(v))) eine lineare Abbildung.

(ii) Ist f : V → W eine lineare Abbildung und besitzt f eine Umkehrfunktion f−1, soist auch die Umkehrfunktion linear.

Satz 4.5. Es sei V ein Vektorraum mit einem Skalarprodukt und U ein Untervektorraumvon V . Die orthogonale Projektion PU : V → U aus 3.15 ist linear.

Definition 4.6. Es sei f : V → W eine lineare Abbildung. Dann ist

Im(f) = f(V ) = {f(v) | v ∈ V }

das Bild von f , undKer(f) = {v ∈ V | f(v) = 0}

der Kern von f .

Beispiel 4.7.

Satz 4.8. Ist f : V → W eine lineare Abbildung, so ist Im(f) ein Untervektorraumvon W , und Ker(f) ein Untervektorraum von V .

Beweis.

32

Page 33: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

4.2 Isomorphismen

4.2 Isomorphismen

Definition 4.9. Besitzt eine lineare Funktion f : V → W eine Umkehrfunktion f−1 :W → V , so heißt f Isomorphismus. Die Vektorraume V , W heißen zueinander isomorph,falls es einen Isomorphismus f : V → W gibt.

Beispiel 4.10.

Satz 4.11. Ist V ein Vektorraum mit der Basis B = {b1, b2, . . . , bn}, so kann man einelineare Abbildung f definieren, indem man die Bilder der Basisvektoren festlegt. D.h. furf : V → W wahlt man w1, w2, . . . , wn ∈ W , und setzt f(bi) = wi. Dann ist f definiertdurch

f(v) = f

(n∑i=1

λibi

)=

n∑i=1

λif(bi) =n∑i=1

λiwi.

Beispiel 4.12.

Satz 4.13. Es seien V , W K-Vektorraume, und f : V → W sei eine lineare Abbildung.

(i) Schrankt man den Bildbereich von f auf f(V ) ein, so ist die Abbildung f : V →f(V ) mit f(v) = f(v) invertierbar, genau dann, wenn Ker(f) = {0}.

(ii) Es sei B = {b1, b2, . . . , bn} eine Basis von V . f ist ein Isomorphismus, genau dannwenn die Menge {f(b1), f(b2), . . . , f(bn)} eine Basis von W ist.

(iii) Gilt Dim(V ) = Dim(W ), so ist f invertierbar, genau dann wenn Ker(f) = {0}.

(iv) Ist V ein endlichdimensionaler Vektorraum, so gilt

Dim(V ) = Dim(Im(f)) + Dim(Ker(f)).

33

Page 34: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

4 Lineare Abbildungen und Matrizen

Satz 4.14. Es sei V ein K-Vektorraum der Dimension n. Dann ist V isomorph zumVektorraum Kn.

Beweis.

4.3 Matrizen

Es sei V ein Vektorraum mit der geordneten Basis B = (b1, b2, . . . , bn), W sei ein Vek-torraum mit der geordneten Basis C = (c1, c2, . . . , cm), und f : V → W sei eine lineareAbbildung. Denkt man an Satz 4.11, so ist f bereits vollstandig gegeben durch dieDefinition von

f(b1) = w1, f(b2) = w2, . . . f(bn) = wn.

Stellt man die Vektoren wi als Linearkombinationen in der Basis C dar (vgl. Satz 2.16),so bekommt man das Schema

f(b1) = a11c1 + a21c2 + . . . am1cm,

f(b2) = a12c1 + a22c2 + . . . am2cm,

......

f(bn) = a1nc1 + a2nc2 + . . . amncm.

Die lineare Abbildung f ist also durch das Zahlenschema

A =

a11 a12 . . . a1na21 a22 . . . a2n...

......

...am1 am2 . . . amn

(?)

eindeutig definiert.

34

Page 35: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

4.3 Matrizen

Definition 4.15. Ein Zahlenschema der Form (?) heißt m× n-Matrix. Die Menge allersolcher Zahlenschemata wird mit Km×n bezeichnet. Man kann zwei m × n-Matrizenaddieren wie folgt,a11 a12 . . . a1na21 a22 . . . a2n...

......

...am1 am2 . . . amn

+

b11 b12 . . . b1nb21 b22 . . . b2n...

......

...bm1 bm2 . . . bmn

=

a11+b11 a12+b12 . . . a1n+b1na21+b21 a22+b22 . . . a2n+b2n

......

......

am1+bm1 am2+bm2 . . . amn+bmn

und mit einer Zahl λ ∈ K multiplizieren,

λ ·

a11 a12 . . . a1na21 a22 . . . a2n...

......

...am1 am2 . . . amn

=

λa11 λa12 . . . λa1nλa21 λa22 . . . λa2n

......

......

λam1 λam2 . . . λamn.

Mit diesen Operationen + und · ist die Menge Km×n ein K-Vektorraum.

Definition 4.16. Es sei A ∈ Km×n und B ∈ Kn×p. Man kann das Produkt C = A ·B ∈Km×p definieren wie folgt,

a11 a12 . . . a1na21 a22 . . . a2n...

......

...am1 am2 . . . amn

·b11 b12 . . . b1pb21 b22 . . . b2p...

......

...bn1 bn2 . . . bnp

=

c11 c12 . . . c1pc21 c22 . . . c2p...

......

...cm1 cm2 . . . cmp

,

wobei ckj =∑n

i=1 akibij = 〈ak, bj〉, wobei ak die k-te Zeile von A, und bj die j-te Spaltevon B ist (

”Zeile mal Spalte“). Das neutrale Element der Matrixmultiplikation in Kn×n

ist die Einheitsmatrix

E = En =

1 0 . . . 00 1 . . . 0...

.... . .

...0 0 . . . 1

.

Beispiel 4.17.

35

Page 36: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

4 Lineare Abbildungen und Matrizen

Satz 4.18. Es seien Matrizen A, B, C, D gegeben so dass die jeweiligen Rechenopera-tionen ausfuhrbar sind. Dann gilt

(i) E · A = A · E = A,

(ii) (A ·B) · C = A · (B · C),

(iii) A · (B + C) = A ·B + A · C und (B + C) ·D = B ·D + C ·D.

Im Allgemeinen gilt

(iv) A ·B 6= B · A,

(v) A ·B = 0 6⇒ A = 0 oder B = 0.

Zu Beginn dieses Abschnitts haben wir gesehen, dass man lineare Abbildungen zwi-schen endlichdimensionalen Vektorraumen als Zahlenmatrix darstellen kann. Der folgen-de Satz besagt, dass auch umgekehrt durch jede Zahlenmatrix eine lineare Abbildungdefiniert wird.

Satz 4.19. Durch eine Matrix A ∈ Km×n wird eine lineare Abbildung fA : Kn → Km

definiert wie folgt:fur x ∈ Kn = Kn×1 ist fA(x) = A · x.

Beweis.

Definition 4.20. Die Anzahl linear unabhangiger Spalten einer Matrix A ∈ Km×n istgleich der Anzahl linear unabhangiger Zeilen der Matrix. Diese Zahl heißt Rang von Aund wird mit Rang(A) bezeichnet. Eine quadratische Matrix A ∈ Kn×n heißt regular,wenn Sie vollen Rang hat, d.h., wenn Rang(A) = n. Ansonsten heißt die Matrix singular.

Beispiel 4.21.

36

Page 37: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

4.3 Matrizen

Satz 4.22. (i) Sind A ∈ Km×n, B ∈ Kn×` Matrizen und fA : Kn → Km, fB : K` →Kn die zugehorigen linearen Abbildungen, so gilt fA ◦ fB = fA·B, d.h., fur x ∈ K`

ist(fA ◦ fB)(x) = fA(fB(x)) = fA(B · x) = A · (B · x) = (A ·B) · x

(vgl. Satz 4.18 (ii)).

(ii) Eine Matrix A ∈ Kn×n ist regular, genau dann wenn die durch A induzierte li-neare Abbildung fA eine Umkehrfunktion besitzt. Die Matrix A besitzt dann eineInverse A−1 (die Darstellungsmatrix von f−1A ) und es gilt A · A−1 = A−1 · A = E.

Beispiel 4.23.

Satz 4.24. Es seien A,B ∈ Kn×n.

(i) Ist A ·B = En, so sind A und B regular und es ist A = B−1 und B = A−1.

(ii) Sind A und B regular, so ist auch das Produkt A ·B regular und es gilt

(A ·B)−1 = B−1 · A−1.

Definition 4.25. Es sei

A =

a11 a12 . . . a1na21 a22 . . . a2n...

......

...am1 am2 . . . amn

∈ Km×n.

Dann ist

A> =

a11 a21 . . . an1a12 a22 . . . a2n...

......

...a1m a2m . . . anm

∈ Kn×m

die zu A transponierte Matrix.

37

Page 38: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

4 Lineare Abbildungen und Matrizen

Beispiel 4.26.

Satz 4.27. Es seien A,B,C,D Matrizen, so dass die folgenden Operationen durch-gefuhrt werden konnen. Es gilt

(A+B)> = A> +B>, (C ·D)> = D> · C>.

Ist F eine quadratische, regulare Matrix, so ist

(F−1)> = (F>)−1.

Beispiel 4.28.

38

Page 39: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

5 Lineare Gleichungssysteme undDeterminanten

5.1 Lineare Gleichungssysteme

Definition 5.1. Bei einem linearen Gleichungssystem (LGS) sind nUnbekannte x1, x2, . . . , xnso zu bestimmen, dass ein System von m linearen Gleichungen erfullt ist, d.h. fur vor-gegebene Zahlen aij, bi (i = 1 . . .m, j = 1 . . . n) soll gelten:

a11x1 + a12x2 + · · ·+ a1nxn = b1,

a21x1 + a22x2 + · · ·+ a2nxn = b2,

......

......

am1x1 + am2x2 + · · ·+ amnxn = bm.

(?)

Wenn man

A =

a11 a12 . . . a1na21 a22 . . . a2n...

......

...am1 am2 . . . amn

, b =

b1b2...bm

, x =

x1x2...xn

setzt, so ist (?) aquivalent zu A · x = b. Ist b = 0, so nennt man (?) homogen, an-sonsten inhomogen. Das Gleichungssystem (?) kann als erweiterte Koeffizientenmatrixgeschrieben werden wie folgt,

a11 a12 . . . a1n b1a21 a22 . . . a2n b2...

......

......

am1 am2 . . . amn bm

,

wenn die rechte Seite b = 0 ist, so kann sie in der Koeffizientenmatrix auch weggelassenwerden.

Satz 5.2. (i) Die Losungsmenge eines homogenen linearen Gleichungssystems ist derKern der zur Matrix A gehorenden linearen Abbildung fA, und damit ist die Losungsmengenach Satz 4.8 ein Untervektorraum des Kn.

(ii) Wenn Ax = b gilt, so ist die Losungsmenge des inhomogenen linearen Gleichungs-systems Ax = b die Menge

M = {x+ y | y ∈ Kn so, dass Ay = 0} = x+ Ker(fA).

39

Page 40: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

5 Lineare Gleichungssysteme und Determinanten

(iii) Das lineare Gleichungssystem (?) ist losbar genau dann, wenn b ∈ Im(fA).

(iv) Es gilt Dim(Im(fA)) = Rang(A) = n−Dim(Ker(fA)).

Beispiel 5.3.

Satz 5.4. Wenn m = n und A eine regulare Matrix ist, dann ist das GleichungssystemAx = b fur jedes b ∈ Kn eindeutig losbar. Der Losungsvektor ist x = A−1 · b.

Beweis.

5.2 Der Gauß-Algorithmus

Satz 5.5. Die folgenden Operationen andern die Losungsmenge eines linearen Glei-chungssystems nicht:

(i) Vertauschung zweier Zeilen,

(ii) Multiplikation einer Zeile mit einer Zahl λ 6= 0,

(iii) Addition des Vielfachen einer Zeile zu einer gegebenen Zeile.

Diese Operationen kann man nutzen, um die Losung eines linearen Gleichungssystemszu bestimmen.

40

Page 41: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

5.2 Der Gauß-Algorithmus

Bemerkung 5.6 (Gauß-Algorithmus zum Losen linearer Gleichungssysteme). Gegebenist die erweiterte Koeffizientenmatrix eines linearen Gleichungssystems Ax = b.

1. Man fangt mit der ersten Spalte an, und wahlt den kleinsten Zeilenindex i, so dassai1 6= 0 (d.h., falls a11 6= 0, i = 1, falls a11 = 0 aber a21 6= 0, i = 2, etc.). Falls diegesamte erste Spalte gleich Null ist, dann springt man zu Schritt 5 und sucht inder zweiten Spalte, anfangend von der ersten Zeile, einen Eintrag ungleich Null.

2. Diese i-te Zeile teilt man durch a1i und tauscht sie mit der ersten Zeile (wenni = 1, dann ist dieser Schritt uberflussig). Im Gleichungssystem steht jetzt linksoben eine 1.

3. Im nachsten Schritt nutzt man die 1 links oben im Gleichungssystem, um alleEintrage a1k zu Null zu machen: Falls a1k 6= 0, so subtrahiert man von der k-tenZeile a1k mal die erste Zeile.

4. Die erste Spalte des Gleichungssystems lautet nun 1, 0, . . . , 0.

5. Jetzt ignoriert man die erste Zeile und die erste Spalte, und sucht in der zweitenSpalte, ab der zweiten Zeile den obersten Eintrag ai2 6= 0 (i ≥ 2). Falls die gesamtezweite Spalte ab der zweiten Zeile abwarts gleich Null ist, dann springt man zuSchritt 8 und sucht in der dritten Spalte weiter, etc.

6. Man teilt diese Zeile wieder durch ai2 und tauscht sie mit der 2-ten Zeile.

7. Nun wird wieder von jeder Zeile k ≥ 3 a2k mal die zweite Zeile subtrahiert undman erhalt die zweite Spalte a12, 1, 0,. . . ,0.

8. Analog geht man spaltenweise durch das gesamte Gleichungssystem und erhalt amEnde so etwas wie

1 a12 a13 . . . a1n b10 1 a23 . . . a2n b2...

......

......

0 0 . . . 0 1 bm

.

9. Durch die Umformungen in Schritt 1 bis 8 andert sich die Losungsmenge des Glei-chungssystems nicht (vgl. Satz 5.5). Die Losung kann man durch Rucksubstitutionaus der Form in Schritt 8 berechnen.

41

Page 42: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

5 Lineare Gleichungssysteme und Determinanten

Beispiel 5.7.

Bemerkung 5.8. (i) Will man ein und dasselbe Gleichungssystem (A|b) fur mehrererechte Seiten b, c, d, . . . losen, so kann man in der erweiterten Koeffizientenmatrixmehrere rechte Seiten nebeneinander schreiben, (A|b c d . . . ) und dann den Gauß-Algorithmus simultan durchfuhren.

(ii) Will man ein und dasselbe Gleichungssystem mit n Unbestimmten und n Glei-chungen fur mehr als n verschiedene rechte Seiten losen, so kann es sich lohnen,die Inverse A−1 von A zu berechnen und dann Satz 5.4 zu benutzen.

(iii) Um eine Matrix zu invertieren, kann man auf die rechte Seite der erweitertenKoeffizientenmatrix eine Einheitsmatrix schreiben, (A|E), und dann die Matrix soweit umformen, dass links eine Einheitsmatrix steht. Die Matrix auf der rechtenSeite ist dann die Inverse von A (d.h. man formt um zu (E|A−1)).

Beispiel 5.9.

42

Page 43: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

5.3 Determinanten

5.3 Determinanten

Definition 5.10. Es sei A ∈ Kn×n eine Matrix mit den Eintragen ai,j in der i-tenZeile, j-te Spalte. Außerdem sei fur i, j ∈ {1, 2, . . . , n} die (n− 1)× (n− 1)-UntermatrixAij gegeben als die Matrix, welche durch Streichen der i-ten Zeile und der j-ten Spalteentsteht. Fur n ≥ 2 ist die Determinante von A definiert durch

det(A) = |A| =n∑k=1

(−1)k+1a1,k det(A1,k).

Die Determinanten det(A1k) lassen sich rekursiv nach der gleichen Formel berechnen,solange sie mindestens 2× 2 Matrizen sind. Fur n = 1 ist die Determinante

det(A) = det(a11) = a11.

Beispiel 5.11.

Satz 5.12 (Zur Berechnung von Determinanten).

(i) Fur A ∈ K2×2 ist det(A) = a11a22 − a12a21.

(ii) (Regel von Sarrus:) Fur A ∈ K3×3 ist

det(A) = a11a22a33 + a12a23a31 + a13a21a32 − a13a22a31 − a11a23a32 − a12a21a33.

(iii) (Laplace’scher Entwicklungssatz) Die Determinante einer Matrix A ∈ Kn×n kannnach jeder Zeile oder Spalte von A entwickelt werden:

• Entwicklung nach der i-ten Zeile (liefert fur i = 1 die Definition):

det(A) =n∑k=1

(−1)k+iai,k det(Ai,k).

• Entwicklung nach der k-ten Spalte:

det(A) =n∑i=1

(−1)k+iai,k det(Ai,k).

43

Page 44: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

5 Lineare Gleichungssysteme und Determinanten

Beispiel 5.13.

Satz 5.14 (Eigenschaften der Determinante).

(i) Die Determinantenabbildung ist linear in der Zeilen/Spalten der Matrix A, d.h.,es gilt z.B.

det

a11 . . . a1,j−1 x1 + λy1 a1,j+1 . . . a1na21 . . . a2,j−1 x2 + λy2 a2,j+1 . . . a2n...

......

...an1 . . . an,j−1 xn + λyn an,j+1 . . . ann

= det

a11 . . . a1,j−1 x1 a1,j+1 . . . a1na21 . . . a2,j−1 x2 a2,j+1 . . . a2n...

......

...an1 . . . an,j−1 xnq an,j+1 . . . ann

+ λ det

a11 . . . a1,j−1 y1 a1,j+1 . . . a1na21 . . . a2,j−1 y2 a2,j+1 . . . a2n...

......

...an1 . . . an,j−1 yn an,j+1 . . . ann

(ii) Das Vertauschen von Zeilen oder Spalten in einer Matrix andert das Vorzeichen

ihrer Determinante.

(iii) Addiert man das Vielfache einer Zeile/Spalte zu einer anderen Zeile/Spalte, soandert sich die Determinante der Matrix nicht.

(iv) det(A) = det(AT ), det(AT ) = det(A)

(v) det(A ·B) = det(A) · det(B),

(vi) det(En) = 1, det(A−1) = (det(A))−1,

44

Page 45: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

5.4 Determinanten und lineare Gleichungssysteme

5.4 Determinanten und lineare Gleichungssysteme

Satz 5.15 (Determinanten und die Losbarkeit eines linearen Gleichungssystems).Eine Matrix A ist regular genau dann, wenn det(A) 6= 0. Das lineare GleichungssystemAx = b besitzt fur jedes b genau eine Losung, genau dann, wenn A regular ist, d.h. wenndet(A) 6= 0. Ansonsten besitzt das Gleichungssystem unendlich viele, oder gar keineLosungen.

Beispiel 5.16.

Satz 5.17 (Cramer’sche Regel). Es sei A ∈ Kn×n eine regulare Matrix und b ∈ Kn seiein Vektor. Die Matrix Ak sei diejenige Matrix, welche durch Ersetzen der k-ten Spaltevon A mit dem Vektor b entsteht. Die Losung des linearen Gleichungssystems Ax = bist gegeben durch x = (x1, x2, . . . , xn) mit

xk =det(Ak)

det(A).

Beispiel 5.18.

Bemerkung 5.19. Satz 5.17 liefert einen Algorithmus zum Losen von linearen Glei-chungssystemen. Typischerweise ist es jedoch wesentlich weniger Aufwand, den Gauß-Algorithmus aus Bemerkung 5.6 zu verwenden.

45

Page 46: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016
Page 47: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

6 Eigenwerte und Eigenvektoren

6.1 Eigenwert, Eigenraum, Eigenvektor

Definition 6.1. Es sei V ein Vektorraum und f : V → V eine lineare Abbildung. Istλ ∈ K und v ∈ V mit v 6= 0 und f(v) = λv gegeben, so heißt die Zahl λ Eigenwert(EW) von f , und v heißt Eigenvektor (EV) von f . Spricht man von Eigenwerten bzw.Eigenvektoren einer Matrix A ∈ Kn×n, so meint man die Eigenwerte/Eigenvektoren derdurch A induzierten Abbildung fA(v) = Av. Zu einem gegebenen Eigenwert λ heißtU = {v ∈ V | f(v) = λv} Eigenraum zum Eigenwert λ, und man schreibt U = Eig(f, λ)bzw. U = Eig(A, λ).

Beispiel 6.2.

Satz 6.3. Der Eigenraum Eig(f, λ) einer linearen Abbildung f : V → V zu einemEigenwert λ ∈ K ist ein Untervektorraum von V .

Beweis.

47

Page 48: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

6 Eigenwerte und Eigenvektoren

Satz 6.4. (i) Eine Zahl λ ist Eigenwert einer Matrix A, genau dann, wenn

det(A− λ · En) = 0.

(ii) Der Ausdruck det(A − λEn) ist ein Polynom in λ und heißt charakteristischesPolynom von A und wird mit χA(λ) = det(A− λEn) bezeichnet.

(iii) Es gilt χA(λ) = (−λ)n+Spur(A)(−λ)n−1+ · · ·+det(A). Hier bei ist die Spur einerMatrix Spur(A) =

∑ni=1 aii die Summe ihrer Diagonalelemente.

Beweis.

Beispiel 6.5.

Definition 6.6. In der Zerlegung χA(λ) =∏r

k=1(λ − λk)mk des charakteristischen Po-lynoms in Linearfaktoren (in C, alternativ in lineare und quadratische Faktoren in R)sind λk die Eigenwerte von A, und mk ist die algebraische Vielfachheit des Eigenwertsλk.

Satz 6.7. Es sei A ∈ Kn×n eine Matrix mit dem Eigenwert λ.

(i) Der Eigenraum Eig(A, λ) ist die Losungsmenge des linearen Gleichungssystems(A− λEn)x = 0. Das heißt, der Eigenraum ist der Kern der Abbildung fA−λEn.

(ii) Die Dimension des Eigenraums Eig(A, λ) ist q = Dim(Eig(A, λ) = n−Rang(A−λEn). Die Zahl q heißt geometrische Vielfachheit des Eigenwerts λ.

Beweis.

48

Page 49: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

6.2 Basiswechsel und Diagonalisierbarkeit

Beispiel 6.8.

Satz 6.9. (i) Die geometrische Vielfachheit eines Eigenwert ist immer kleiner gleichseiner algebraischen Vielfachheit.

(ii) Sind λ1, . . . , λr verschiedene Eigenwerte einer Matrix A und v1, . . . , vr zugehorigeEigenvektoren, so ist die Menge {v1, . . . , vr} linear unabhangig.

Beispiel 6.10.

6.2 Basiswechsel und Diagonalisierbarkeit

Definition 6.11. Zwei Matrizen A,B ∈ Kn×n heißen ahnlich, wenn einer regulareMatrix T existiert, so dass

AT = TB, bzw. A = TBT−1, bzw. B = T−1AT.

Satz 6.12. Zueinander ahnliche Matrizen haben das gleiche charakteristische Polynom,und damit die gleichen Eigenwerte.

Beweis.

Satz 6.13. Ist A die Darstellungsmatrix einer linearen Abbildung f : Kn → Kn in derkanonischen Basis En = (e1, e2, . . . , en), so ist die Matrix B−1AB die Darstellungsmatrixvon f in der Basis B = (b1, b2, . . . , bn). Mit der Schreibweise B = (b1, b2, . . . , bn) isteinerseits die geordnete Basis mit den Vektoren b1, . . . , bn, und andererseits die Matrixmit den Spalten b1, . . . , bn gemeint.

49

Page 50: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

6 Eigenwerte und Eigenvektoren

Beispiel 6.14.

Definition 6.15. Eine Matrix A ∈ Kn×n heißt diagonalisierbar, wenn es eine MatrixB ∈ Kn×n gibt, so dass B−1AB eine Diagonalmatrix ist, d.h., wenn diese Matrix nurauf der Diagonalen Eintrage ungleich Null hat (aij = 0 fur i 6= j).

Satz 6.16. (i) Eine Matrix A ist diagonalisierbar, genau dann, wenn eine Basis des Kn

aus Eigenvektoren von A existiert. Die Matrix B ist dann die Matrix, die entsteht,wenn man als Spalten die Basisvektoren nimmt (vgl. Satz 6.13).

(ii) Es existiert eine Basis aus Eigenvektoren von A, wenn die geometrische Vielfach-heit jedes Eigenwerts gleich seiner algebraischen Vielfachheit ist.

Beispiel 6.17.

Definition 6.18. Eine Matrix A ∈ Cn×n heißt hermitesch, wenn A> = A (d.h. aij = ajifur i 6= j) ist. Eine Matrix A ∈ Rn×n heißt symmetrisch, wenn A> = A ist (d.h. reellehermitesche Matrizen sind symmetrisch).

Satz 6.19. (i) Hermitesche Matrizen besitzen nur reelle Eigenwerte.

(ii) Aus a) folgt, dass das charakteristische Polynom einer reellen symmetrischen Ma-trix in Linearfaktoren zerlegt werden kann.

(iii) Sind λ, µ zwei verschiedene Eigenwerte einer symmetrischen Matrix, so sind diezugehorigen Eigenvektoren zueinander senkrecht.

50

Page 51: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

6.3 Definitheit von Matrizen

Satz 6.20. Ist A ∈ Rn×n symmetrisch, so existiert eine Orthonormalbasis B, so dass dieDarstellungsmatrix BAB−1 der Abbildung fA bezuglich der Basis B eine Diagonalmatrixist. Ist B eine Orthonormalbasis, so ist B−1 = B>.

Beispiel 6.21.

Bemerkung 6.22 (Vgl. Aufgaben V 9.3, S 9.6a)). Es sei A ∈ Kn×n eine Matrix,D = diag(d1, d2, . . . , dn) ∈ Kn×n sei eine Diagonalmatrix, und B ∈ Kn×n sei invertierbar,so dass A = BDB−1 gilt. Fur naturliche Zahlen k ∈ N ist die k-te Potenz einer Matrixdefiniert als Ak =

∏ki=1A = A · A · · · · · A, und A0 = En. Damit kann man Matrizen in

Polynome und in Potenzreihen einsetzen. Insbesondere ist exp(A) =∑∞

k=01k!Ak.

(i) Fur jedes k ∈ N gilt: Ak = BDkB−1.

(ii) Fur jedes k ∈ N gilt: Dk = diag(dk1, dk2, . . . , d

kn).

(iii) Es ist exp(A) = B · diag(ed1 , ed2 , . . . , edn) ·B−1.

6.3 Definitheit von Matrizen

Definition 6.23. Eine Matrix A ∈ Kn×n heißt

positiv semidefinit , wenn fur alle Vektoren x ∈ Kn gilt x>Ax ≥ 0,

positiv definit , wenn fur alle Vektoren x ∈ Kn, x 6= 0 gilt x>Ax > 0,

negativ semidefinit , wenn fur alle Vektoren x ∈ Kn gilt x>Ax ≤ 0 (d.h. wenn −A positivsemidefinit ist),

negativ definit , wenn fur alle Vektoren x ∈ Kn, x 6= 0 gilt x>Ax > 0 (d.h. wenn −Apositiv definit ist).

Die obigen Definitionen konnen jeweils auf eine Teilmenge des Kn eingeschrankt werden:Eine Matrix A heißt z.B. positiv definit uber einer Menge M ⊂ Rn, wenn die obigeBedingung fur alle x ∈M gilt.

51

Page 52: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

6 Eigenwerte und Eigenvektoren

Beispiel 6.24.

Satz 6.25. Eine reelle symmetrische Matrix ist positiv definit, genau dann, wenn alleihre Eigenwerte positiv sind, und positiv semidefinit, wenn alle Eigenwerte großer gleichNull sind.

Beispiel 6.26.

Satz 6.27. Eine reelle symmetrische Matrix A ∈ Rn×n ist positiv definit, wenn alleHauptabschnittsdeterminenten

Dk = det

a11 . . . a1k...

...ak1 . . . akk

> 0

positiv sind (fur alle k ∈ {1, 2, . . . , n}).

Beispiel 6.28.

52

Page 53: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

7 Anwendungen der Linearen Algebra

7.1 Extremwertaufgaben mit Nebenbedingungen

Bemerkung 7.1. Wir behandeln das Problem: Gegeben ist eine zweimal stetig differen-zierbare Funktion f : Rn → R und ein stetig differenzierbares Vektorfeld g : Rn → Rm,wobei m < n. Gesucht sind Maximal-/Minimalstellen x von f , wobei g(x) = 0 (Maxi-mierungs-/Minimierungsproblem mit Nebenbedingungen):

Minimiere/Maximiere f(x) wobei g(x) = 0. (O)

In MaI, Kap. 8.4 wurden Extremwertaufgaben ohne Nebenbedingungen behandelt. Inden Ubungen traten auch Ungleichungsnebenbedingungen auf, wenn die Menge, uber dieman minimiert oder maximiert hat, abgeschlossen war (z.B. Aufgabe 12.2). In diesemAbschnitt sind nur Gleichheitsnebenbedingungen g(x) = 0 erlaubt.

In MaI, Satz 8.24 steht die notwendige Bedingung fur eine Extremalstelle:

Wenn x0 ∈ Rn eine lokale Extremalstelle von f ist, dann ist ∇f(x0) = 0

(alle Punkte x mit ∇f(x) = 0 heißen kritische Punkte). In MaI, Satz 8.26 wurden imFall n = 1 oder n = 2 hinreichende Bedingungen zweiter Ordnung formuliert:

Fur n = 1 folgt aus f ′′(x0) < 0, dass x0 eine Maximalstelle ist,und aus f ′′(x0) > 0 folgt, dass x0 eine Minimalstelle ist.

Fur n = 2 hatten wir eine Bedingungen fur die gemischten zweiten Ableitungen (d.h.,fur die Eintrage der Hesse-Matrix) aufgeschrieben.

Das Ziel in diesem Abschnitt ist es

(i) Bedingungen erster und zweiter Ordnung fur Minimierungs-/Maximierungsproblememit Nebenbedingungen zu formulieren.

(ii) Die hinreichenden Bedingungen zweiter Ordnung aus Ma1, Satz 8.26 fur beliebigen ∈ N zu verallgemeinern,

53

Page 54: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

7 Anwendungen der Linearen Algebra

Satz 7.2. (Notwendige Bedingung erster Ordnung) Es seien f : Rn → R und g : Rn →Rm stetig differenzierbar, und x0 ∈ Rn erfulle

g(x0) = 0 (Zulassigkeit), Rang(∇g(x0)) = m.

Wenn x0 eine Losung des Optimierungsproblems (O) ist, dann muss

∇f(x0) ∈ L(∇g(xo)) (K)

gelten, d.h. es mussen Zahlen λ1, . . . , λm existieren, so dass

∇f(x0) =m∑k=1

λk∇gk(x0).

Beispiel 7.3.

Definition 7.4. Die Funktion L : Rn+m → R,

L(x, λ) = L(x1, x2, . . . , xn, λ1, λ2, . . . , λm) = f(x) +m∑k=1

λkgk(x)

heißt Lagrange-Funktion zum Optimierungsproblem (O). Punkte x0 ∈ Rn, die zulassigsind (d.h. g(x0) = 0) und die Bedingung (K) erfullen, heißen kritische Punkte, und diezugehorigen Koeffizienten λ1, . . . λm heißen Lagrange-Multiplikatoren von (O) in x0. DieZahlen λk entsprechen jeweils −λk aus Satz 7.2.

54

Page 55: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

7.1 Extremwertaufgaben mit Nebenbedingungen

Bemerkung 7.5. (i) Die Bedingungen g(x0) = 0, ∇f(x0) +∑m

k=1 λk∇gk(x0) bildenein System von n+m Gleichungen mit n+m Unbestimmten x0 = (x0,1, . . . , x0,n),λ = (λ1, . . . , λm). Diese Gleichungen sind typischerweise nicht linear!

(ii) Mit der Lagrangefunktion L(x, λ) aus Def. 7.4 kann man die notwendigen Bedin-gungen aus Satz 7.2 kompakt schreiben als

∇L(x, λ) = 0 ∈ Rn+m.

(iii) Extremwertaufgaben ohne Nebenbedingungen sind als Spezialfall von O mit m = 0zu verstehen. Die Bedingung aus Satz 7.2 liefert dann

∇f(x0) =0∑

k=1

λk∇gk(x0) = 0,

und das ist genau die Bedingung aus Ma1 Satz 8.26 (s.o.).

Satz 7.6 (Hinreichende Bedingung zweiter Ordnung). Es seien f : Rn → R und g :Rn → Rm zweimal stetig differenzierbar, und x0 ∈ Rn sei ein kritischer Punkt zumOptimierungsproblem (O). Wenn die Hesse-Matrix von L bezuglich x

HxL(x0) =

d2

dx21L(x0, λ0)

d2

dx1dx2L(x0, λ0) . . . d2

dx1dxnL(x0, λ0)

d2

dx2dx1L(x0, λ0)

d2

dx22L(x0, λ0) . . . d2

dx2dxnL(x0, λ0)

......

...d2

dxndx1L(x0, λ0)

d2

dxndx1L(x0, λ0) . . . d2

dx2nL(x0, λ0)

positiv definit uber dem Raum U = Ker(∇g(x0)

>) ist, dann ist x0 ein striktes lokalesMinimum von f , wenn sie negativ definit uber U ist, dann ist x0 ein striktes lokalesMaximum von f , und wenn sie indefinit uber U ist, dann liegt in x0 kein Extremum vor.

Beispiel 7.7.

Bemerkung 7.8. Die Bedingungen aus Satz 7.6 liefern fur m = 0 und n = 1 bzw. n = 2genau die Bedingungen aus MaI Satz 8.26.

55

Page 56: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

7 Anwendungen der Linearen Algebra

7.2 Systeme linearer Differentialgleichungen 1. Ordnungmit konstanten Koeffizienten

Definition 7.9. Gegeben sind n ∈ N, ein Zeitintervall I ⊂ R, eine Matrix mit Koef-fizientenfunktionen A(t) = (aij(t)), und ein Vektorfeld h(t) ∈ Kn (t ∈ I). Ein Systemlinearer Differentialgleichungen erster Ordnung oder lineares Differentialgleichungssy-stem hat die Form

y′(t) = A(t)y(t) + h(t), (S)

wobei die gesuchte Losung y(t) = (y1(t), y2(t), . . . , yn(t)) ein Vektor mit n Komponentenist. Das System heißt homogen, falls h(t) = 0 ist, und mit konstanten Koeffizienten,wenn alle Koeffizientenfunktionen konstant in t sind, d.h., A(t) = A hangt nicht von tab.

Beispiel 7.10.

Satz 7.11. Die Losungsmenge eines linearen homogenen Differentialgleichungssystemsmit n Gleichungen und konstanten Koeffizienten ist ein Vektorraum der Dimension n,und besitzt somit eine Basis B = {b1(t), b2(t), . . . , bn(t)}. Eine solche Basis heißt Fun-damentalsystem der Differentialgleichung.

Satz 7.12. (i) Ist λ ∈ R ein Eigenwert von A und v ein zugehoriger Eigenvektor, soist b(t) = eλtv eine Losung von y′(t) = Ay(t).

(ii) Ist λ = α+βi ∈ C ein Eigenwert von A und v = a+bi ein zugehoriger Eigenvektor,dann sind b1(t) = eαt(cos(βt)a− sin(β)b) und b2(t) = eαt(cos(βt)a+ sin(β)b) zweilinear unabhangige reelle Losungen von y′(t) = Ay(t).

(iii) Ist A diagonalisierbar, so besitzt die Differentialgleichung y′(t) = Ay(t) ein Fun-damentalsystem aus Losungen der Form (i) und (ii).

Beweis.

56

Page 57: Mathematik 2loebhard/mathematik_2/skript/Skript...Skript zur Vorlesung Mathematik 2 f ur Studierende der Bachelorstudieng ange Chemie und Biophysik Dr. Caroline L obhard 27. Juni 2016

7.2 Systeme linearer Differentialgleichungen 1. Ordnung mit konstanten Koeffizienten

Bemerkung 7.13. Ist ein homogenes Anfangswertproblem y′(t) = Ay(t), y(t0) = y0 ∈Rn zu losen, so bestimmt man die Koeffizienten c1, c2, . . . cn in der Linearkombinationy(t) =

∑nk=1 ckbk(t) durch Losen des linearen Gleichungssystems

∑nk=1 ckbk(t0) = y0.

Beispiel 7.14.

Bemerkung 7.15 (Variation der Konstanten). Ist eine inhomogene Differentialglei-chung y′(t) = Ay(t) + h(t) zu losen, so kann man wie folgt vorgehen,

1. man bestimmt zunachst die allgemeine Losung yh,c(t) (d.h. ein Fundamentalsy-stem B = {b1(t), . . . , bn(t)}) der zugehorigen linearen Differentialgleichung y′(t) =Ay(t),

2. man setzt den Ansatz

yP (t) =n∑k=1

ck(t)bk(t)

in die inhomogene Differentialgleichung ein. Das liefert ein lineares Gleichungssy-stem fur die Funktionen c′k(t),

3. dessen Losung c′(t) = (c′1(t), c′2(t), . . . , c

′n(t)) man mit der Kramer’schen Regel aus

Satz 5.17 berechnen kann.

4. Die Funktionen ck(t) bestimmt man durch Integration, damit bekommt man diepartikulare Losung yp(t) =

∑nk=1 ck(t)bk(t).

5. Die allgemeine Losung der inomogenen Gleichung ist dann y(t) = yh,c(t) + yP (t).

Bemerkung 7.16. Ist ein inhomogenes Anfangswertproblem y′(t) = Ay(t) + h(t),y(t0) = y0 ∈ Rn zu losen, so bestimmt man die Koeffizienten c1, c2, . . . cn in der allge-meinen Losung y(t) = yP (t) +

∑nk=1 ckbk(t) durch Losen des linearen Gleichungssystems∑n

k=1 ckbk(t0) = y0 − yP (t0).

57