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Kommunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugen
VDaimler-Benz Aerospace
Übersicht
Zwischen der Auslegung und der Bewertung ei-nes Flugzeugs gibt es klare Zusammenhänge.Die Auslegung folgt zuvor definierten Forderun-gen, die sich von einem konkreten Bedarf(Transport von n Passagieren über eine Reich-weite x, Bekämpfung eines Luft- oder Boden-ziels in einem gegebenen Szenario) ableitenlassen. Die Bewertung erfolgt auf der Basisfestgelegter Kriterien. Diese Kriterien stehenlogisch in einem direkten Zusammenhang mitden gegebenen Forderungen an das Flugzeug.
Im zivilen Flugzeugbau werden zur Erfüllungunterschiedlicher Nutzlast-Reichweiten-Forde-rungen entsprechende Flugzeugmuster ausge-legt. Dabei wird aus einer Vielzahl von Grün-den, zu denen auch Aspekte der Kornmunalitätzählen, häufig die Vorgehensweise der Varian-ten- oder Derivatentwicklung gewählt.
Komrnunalität wird dabei als ein Auslegungskri-terium so verstanden, daß zwischen diesen un-terschiedlichen Flugzeugmustern ein möglichstgroßes Maß an Übereinstimmung (Rumpf-, Flü-gel-, Cockpitauslegung, Systeme) erzielt wer-den kann. Dies bedeutet nicht notwendigerwei-se die völlige Identität z.B. einzelner Struktur-komponenten (siehe A330- und A340-Flügel).
Im zivilen Bereich gibt es einen "homogenen"Markt, d.h. ähnliche Kunden (Fluggesellschaf-
ten) mit einem identischen Ziel (Transport vonPersonen über irgendeine Reichweite). Die Ar-ten der Forderungen sind ebenfalls "homogen":Nutzlastmenge, Reichweite, Start-, Lande-,Reiseflugleistung, niedrige DOC. Insbesonderesind Passagiere (mit ihrem Gepäck) der einzige"Nutzlast-Typ", der die Auslegung bestimmt.
Diese Eigenschaften des Marktes sind eineGrundvoraussetzung für die Ausnutzung derKommonalitätsvorteile bei Bildung einer Flug-zeug-Familie (z.B. A320, A321, A319, ...).
Die Komrnunalität steht in teilweisem Wider-spruch zur Notwendigkeit der Optimierung. Dieerforderlichen Kompromisse werden von einemKunden nur dann akzeptiert, wenn er in dieAuslegung einbezogen war, und/oder wenn dieKomrnunalität auch ihm überwiegend zumNutzen wird (Flottenpolitik!).
Demgegenüber sehen sich im militärischenFlugzeugbau z.B. die am Eurofighter beteilig-ten Industriepartner einem völlig "inhomoge-nen" Markt gegenüber: vier Nationen (Deutsch-land, England, Italien, Spanien) als "LaunchingCustomers" mit unterschiedlichen nationalenSicherheitsinteressen, Bedrohungen und Bünd-nisverpflichtungen. Weiterhin leiten sich ausden bereits existierenden Arsenalen (andereKampfflugzeuge, Bewaffnungstypen) unter-schiedliche Bedarfe (z.B. Leistungen, Einfüh-rungszeitpunkt) an ein neues Flugzeug ab.
Aus diesem "inhomogenen" Markt ergeben sichdeshalb ebenso "inhomogene" Forderungen.Die Vielfalt der Forderungsarten übersteigtdabei die der zivilen Auslegungsforderungen.Zudem sind manche der Forderungen bzw. derdaraus abgeleiteten Entwurfsaufgaben gegen-einander konträr (z.B. Aerodynamik - großeAußenlasten - Stealth - Kosten).
Die wesentliche Randbedingung zur Deckungdieses nur scheinbar gemeinsamen Bedarfsbesteht darin, daß die technische Lösung miteinem einzigen Flugzeugmuster dargestelltwerden muß. Diese bedeutet Identität derStruktur, der Hardware und Software bei denSystemen sowie der Fähigkeit zur Durch-führung aller geplanter Missionen (mit den ent-sprechenden Waffen).
Der Eurofighter muß ein definiertes Wachs-tumspotential aufweisen, d.h. nicht - im Gegen-satz zur zivilen Entwurfsaufgabe! -, daß dermomentane Entwurf die Ableitung eines Folge-musters ermöglichen soll, sondern daß dasWachstum später mit den bereits ausgeliefer-ten Flugzeugen realisiert werden muß.
Von dieser "Komrnunalität in Reinform" weichtlediglich das zweisitzige Trainingsflugzeug ab.Allerdings beschränken sich die Änderungengegenüber dem Einsitzer auf Bereiche miteiner geänderten Kontur (Cockpit, Airbrake-Bereich), mit notwendigerweise geändertenoder zusätzlichen Systemen (z.B. Instrurnentie-
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DGLR-Workshop "Bewertung von Flugzeugen", 26.727. Oktober 1998, Garching Dr. Martin Kraus, MT52
Kommunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugen ' ' V ^ ' Daimler-Benz Aerospace
rung und Klima im hinteren Cockpit, Kabelver-legungen). Alle anderen Bereiche (z.B. auchFahrwerk) sind identisch mit dem Einsitzer. AlleComputer sind ohne Änderung (z.B. Ladeneiner anderen Software) beliebig zwischen Ein-und Zweisitzer austauschbar. Ein Zweisitzer istohne Modifikation jederzeit voll operationeil ein-setzbar.
Um ein solches Konzept realisieren zu können,müssen die verschiedenen Anforderungen ineinem gemeinsamen Forderungskatalog, derWaffensystemspezikation, zusammengefaßtwerden. Hierbei handelt es sich um die lang-wierige Suche nach einem "optimalen Kompro-miß". Durch parallele, intensive Studien prüftdie Industrie zusammen mit den "LaunehingCustomers" die Realisierbarkeit. Demzufolgestellen die Bewertungskriterien an die Ausle-gung ebenfalls einen Kompromiß dar. Die spä-tere Bewertung des Waffensystems über diePrototypen- und Serienflugzeug-Erprobung er-folgt zwar ebenfalls in Zusammenarbeit Indu-strie - Kunde. Dies bedeutet jedoch nicht dieFortsetzung des Kompromisses. Hier zählt nurnoch der Nachweis der geforderten Leistungen.Nicht-Erfüllung hat -wie im zivilen Bereich-Vertragsstrafen zur Folge.
Bereits heute verhandeln die Eurofighter-Partner mit einer Vielzahl interessierter Export-kunden. Diese sind im Prinzip nicht in den zu-vor beschriebenen Prozeß eingebunden. Sie
bewerten das Flugzeug und seine Eignung zurDeckung ihres Bedarfs nach ihren eigenenKriterien und treffen dann im Vergleich mitKonkurrenzmustern eine Beschaffungsent-scheidung. Wie im zivilen Bereich kommenauch hier z.B. (industrie-)politische Aspekte zurGeltung.
Abschließend verdient ein weiterer AspektBeachtung, in dem sich die militärischen Pro-gramme - insbesondere in Europa - hinsichtlichder Kommunalität stark von den zivilen Ent-wicklungen unterscheiden. Hochleistungsflug-zeuge zeigen sehr lange Produktlebenszyklen,die inzwischen über 50 Jahre betragen können(z.B. F-4 "Phantom": EntwicklungsbeginnAnfang der 50er, Erstflug 1958, Ausphasungbei der Bundeswehr bis ca. 2005). Die Pro-gramme folgen mit großen zeitlichen Abstän-den aufeinander (z.B. Tornado - Eurofighter:ca. 20 Jahre). Hierdurch ergeben sich nurminimale Möglichkeiten, verfügbare Systemeoder Komponenten für ein neues Flugzeug zuverwenden. Die nahezu vollständige Neuent-wicklung in allen Bereichen erweist sich dabeials ein erheblicher Kostenfaktor.
Der Autor
Dr. Martin Kraus ist seit 1988 im Geschäfts-bereich Militärflugzeuge der Daimler-BenzAerospace AG. Nach den Bereichen Aerody-namik, Entwurf und Vorentwicklung war er von1995 bis 1998 im Eurofighter-Programm in derProgrammleitung Technik tätig. Seit Oktober1998 ist er Leiter der Hauptabteilung Flugtest-technik / Flugdatenanalyse in der Flugerpro-bung des Geschäftsbereichs.
Einige der Aussagen der Veröffentlichung sindbewußt provozierend formuliert, um eine Dis-kussion während des Workshops anzuregen.Der Autor ist interessiert und gerne bereit,diese Diskussionen auch später fortzusetzen.
Daimler-Benz Aerospace AGMilitärflugzeugeMT52Rechliner Straße85077 ManchingTel: 08458-81-64321Fax: 08459-81-65101
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DGLR-Workshop "Bewertung von Flugzeugen", 26J27. Oktober 1998, Garching Dr. Martin Kraus, MT52
Daimler-Benz Aerospace
Kommunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugen
H Einleitung
H Kommunalität bei Verkehrsflugzeugen
Auslegungsforderungen an ein Hochleistungsflugzeug
Auslegung und Kommunalitäten
Einfluß auf die Bewertung
Zusammenfassung
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DGLR-Workshop "Bewertung von Flugzeugen", 26./27. Oktober 1998, Garching Dr. Martin Kraus, MT52
Kommunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugen JLT
Daimler-Benz Aerospace
Einleitung
Bedarf
Forderungen
^^ \Auslegung
Bewertungs-kriterien
^J»* -^Bewertung
+Produkt
Seile 4
Komrnunalitätsaspekte bei HochleistungsflugzeugenT
Daimler-Benz Aerospace
Kommunalität bei Verkehrsflugzeugen (1)
Homogener Markt
Homogene Forderungsarten
DOC
Fluggesellschaften
Nutzlastmenge (und -typ ?)ReichweiteTransportleistungFlugleistung (Start, Landung, Reise)Kosten (DOC)FÄR
10-20 % günstiger als abzulösendes MusterFlottenbetrachtung zulässig (Kommunalität!)
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DGLR-Workshop "Bewertung von Flugzeugen", 26.127. Oktober 1998, Garching Dr. Martin Kraus, MT52
Kommunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugen J_l Daimler-Benz Aerospace
Kommunalität bei Verkehrsflugzeugen (2)
Genügend ähnlicheForderungen
1 Flugzeugauslegung als Basis (z.B. A320)
Kompromiß: • ursprünglich unterschiedliche Forderungen• Berücksichtigung künftiger Varianten• bedingte Optimierung
±Genügend ähnlicheForderungen
Weitere Auslegungen als Varianten (z.B. A321, A319,...)
Kompromiß: • ursprünglich unterschiedliche Forderungen• Optimierung ?
Kommunalität • zwischen verschiedenen Mustern• (möglichst) gleiche Baugruppen• (möglichst) gleiche Systeme (Cockpit, Triebwerk, Geräte, FCS,• Cross Crew Qualification (einschl. Cabin Crew, Ground Crew)
Seite e
Kornmunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugen Daimler-Benz Aerospace
Kornmunalität bei Verkehrsflugzeugen (3)
Wer bewertet?
Was wird bewertet?
Wie wird bewertet?
Hersteller: Entwicklung, Fertigung, Wirtschaft
Kunde: Technik, Wirtschaft, Piloten (?)
Erfüllungsgrad der eigenen Forderungen
Kompromiß bei der Auslegung interessiert die Kundennur bei eigenem Nutzen (z.B. Flottenkomrnunalität).
Seile 7
DGLR-Workshop "Bewertung von Flugzeugen", 26.727. Oktober 1998, Garching Dr. Martin Kraus, MT52
Kommunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugen Daimler-Benz Aerospace
Auslegungsforderungen an ein Hochleistungsflugzeug (1)
Inhomogener Markt
Inhomogene Forderungen
• zwischen den Nutzern konträr• untereinander konträr
4 Nationen ("Launching Customers")+ potentielle Exportkunden
• nationale Sicherheitsinteressen• Bündnisverpflichtungen• bestehende Arsenale (Flugzeuge, Waffen)
Missionen (Reichweite, Szenarien, Training)Konfigurationen (Nutzlasten)Flugleistung (Start, Landung, Punktleistung)AgilitätStealthSafetyInterchangeability (ICY)Wachstumspotential (Flugzeug, H W/SW)• • •
Kosten (Beschaffung, LCC)Seite 8
Dr Mariin Krouo. MTS2
Kommunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugen Daimler-Benz Aerospace
Auslegungsforderungen an ein Hochleistungsflugzeug (2)
Luft-Luft
Kurzstrecken-FKMitte!strecken-FKUnter-/ÜberschallBeschleunigungAgilität
Luft-Boden
große Außenlastenschneller TiefflugUnterschall
Wachstumspotential
30 Jahre !Kein neues Flugzeug l
Training
Zweisitzeroperationelles FlugzeugEinsitzer-Eigenschaften
Randbedingung:
Die technische Lösung muß mit einem Flugzeugmuster dargestellt werden !
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DGLR-Workshop "Bewertung von Flugzeugen", 26.127. Oktober 1998, Garching Dr. Martin Kraus, MT52
Kommunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugenl
Daimler-Benz Aerospace
Auslegung und Kommunalität (1)
Ein Basisflugzeug
• identische Struktur• identische HW und SW• Ausrüstung zu 95 % identisch, sog. "National Fits"• alle Nutzlasten gemäß Auslegung• austauschbare Komponenten (ICY)
Rolle
Luftkampf + Luftüberlegenheit
dominant
Zweisitziges Trainingsflugzeug
• Strukturänderungen nur, wo geometrisch bedingt• minimale Systemänderungen (AVS, PCS, UCS)• ohne Modifikation operationeil einsetzbar
Kommunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugen " " v " " Daimler"Benz AerosPace
Auslegung und Kommunalität (2)
Tornado L «• Ranger 2000 t.
EurofighterAT2000 (?)
Lange Entwicklungszeiten Nutzungsdauer > 25 Jahre
Produktlebenszyklen bis zu 50 Jahre !
Kommunalität zwischen den Programmen vernachlässigbar!99 % Neuentwicklung !
Ansätze, z.B.: Nutzung des Eurofighter-Triebwerks EJ200für Tornado (Nachrüstung), AT2000, JAS-39 "Gripen"
in DiskusssionSeiten
DGLR-Workshop "Bewertung von Flugzeugen", 26.127. Oktober 1998, Garching Dr. Martin Kraus, MT52
Kommunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugen JLl Daimler-Benz Aerospace
Einfluß auf die Bewertung (1)
WaffensystemSpezifikation
Enge Abstimmungzwischen Industrieund "Launching Customers"
Kriterien =Spezifikations-
werte
Exportkunden
Industrie und"Launching Customers"
• theoretische Nachweise• Bodenerprobung• Flugerprobung
Kommunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugen Daimler-Benz Aerospace
Einfluß auf die Bewertung (2)
Flugleistungs-Forderungen, z.B.:
• Start und Landung• Steigleistung• Beschleunigungsfähigkeit• Stationäre und instationäre Punktleistungen
o •*• c n ocnSpecific Excess Power SEP =V dV dh
v = — -jr + 379 dt dt
m = mK(t) + mN(t)
Betriebsleermasse m, wird zum direkten Bewertungskriterium !
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D6LR-Workshop "Bewertung von Flugzeugen". 26.127. Oktober 1998, Garching Dr. Martin Kraus, MT52
Kommunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugen JLl
Daimler-Benz Aerospace
Zusammenfassung
Hochleistungsflugzeuge
Auslegungsforderungen
• umfangreicher
» meist konträr
Auslegung komplexer
Auslegung
Bewertungskriterien
Kommunalität in Reinform
kompromiß-orientiert
Seite 14
Kommunalitätsaspekte bei Hochleistungsflugzeugen \ Daimler"Benz Aerospace
Abkürzungen
AVS Avionics System (Eurofighter)
DOC Direct Operating Cost
FAR Federal Airworthiness Regulations
FCS Flight Control System
FK Flugkörper
HW Hardware
ICY Interchangeability (Forderung nach Austauschbarkeit von Komponenten)
LCC Life Cycle Cost
SW Software
UCS Utility Control System (Eurofighter)
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DGLR-Workshop "Bewertung von Flugzeugen", 26.127. Oktober 1998, Garching Dr. Martin Kraus, MT52