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Linearbandkeramik: Einzigartiges Idol-Fragment aus Unterfranken

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Artikel über den Fund einer bandkeramischen Tierapplike (Widderkopf?) in hervorragender Erhaltung in Unterfranken.

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Page 1: Linearbandkeramik: Einzigartiges Idol-Fragment aus Unterfranken

Ein einzigartiges linearbandkeramisches Idolfragment aus Unterfranken (2008 auf www.bandkeramik.eu publiziert)

von Till Ernstson

In Unterfranken mit seinen mehrere hundert linearbandkeramischen Fundstellen war besonders das Maindreieck mit den fruchtbaren Lössböden im Altneolithikum eine bevorzugte Siedlungsregion. Gehäuft treten die kleinen Weiler und vereinzelte Zentralsiedlungen in der Nähe der Flussläufe auf und bilden zum Teil größere Siedlungskammern. Einen der interessantesten und fundreichsten Siedlungsplätze stellt hierbei die Zentralsiedlung Estenfeld – Mühlhausen dar. Die an den Seiten eines kleinen Baches gelegene Fundstelle im Nordwesten Mühlhausens erstreckt sich über eine Fläche von etwa 600 m mal 300 m auf leicht nach SSO abfallenden Geländerücken. Trotz regelmäßiger Begehungen spätestens ab 1980 wird immer wieder reichhaltiges Material des Altneolithikums, weniger auch des Mittelneolithikums und auch der jüngeren Latènezeit ausgepflügt. Während der Anteil der Amphibolit- und Silexartefakte am Fundinventar eher klein ist, so ist besonders die Fülle der Keramik und die Kunstfertigkeit ihrer Herstellung zu beachten. So finden sich auch immer wieder Fragmente von Idolen oder zoomorphen Gefäßen. Bei der routinemäßigen Begehung des frisch gepflügten und mäßig abgeregneten Ackers durch T. Ernstson im August 2005 fand sich nun eine einzigartige Tierapplike. Gerade einmal zwei Tage später wurde die Fläche mit der schweren Kreiselegge bearbeitet – das Stück hätte dies wenn überhaupt nur fragmentiert überlebt. Darüber hinaus zeigt das Tierköpfchen keine rezenten Beschädigungen, ist also wohl frisch ausgepflügt worden.

Page 2: Linearbandkeramik: Einzigartiges Idol-Fragment aus Unterfranken

Linearbandkeramische Tierplastik von Estenfeld-Mühlhausen (Lkr. Würzburg).

Das auf einer maximal 1cm dicken Scherbe sitzende Idolfragment ist etwa 8,5 cm mal 7,5 cm groß und hat symmetrisch modellierte Hörner, die an der Gefäßwandung leicht anliegen. Die Schnauze läuft leicht spitz zu, eine Abflachung am Ende ist mit einer einfachen Kerbe verziert. Die ausdrucksstarken Augen sind tief und fast dreieckig eingestochen und enden in einer Ritzzier, die bis in die Enden der Hörner ausläuft. Eine weitere Ritzzier oberhalb verbindet durchgehend die Spitzen der Hörner. Darüber hinaus finden sich auf der Gefäßwandung ober- und unterhalb des Köpfchens Kerben, über deren weiteren Verlauf nur spekuliert werden kann. Der eigentliche Kopf wirkt abgesehen von den Hörnern und dem Gesicht sowohl von der Größe als auch der Form und Modellierung her wie ein typischer linearbandkeramischer Henkel. Die im Durchmesser etwa 1,5 cm große Öffnung dient aber wohl eher einer Gewichtsreduzierung, und vor allem verhindert sie unkalkulierbare Spannungen beim Brennen des Gefäßes. Wie ein solches Gefäß ausgesehen haben könnte, zeigt in sehr freier Interpretation die Abbildung mit drei selbstgefertigten Replikaten.

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Mögliche Gefäßformen, Länge ca. 20 - 25 cm

Aufgrund des Vorkommens von Tierplastiken im Altneolithikum liegt es nahe, daß es sich hierbei um die Darstellung eines Haustieres handelt, wie sie durch Plastiken von Stier und Schwein aus Siedlungen bekannt sind. Das etwas zu „weiche“ Aussehen könnte allerdings die Deutung als Widder wahrscheinlich machen. Sieht man allerdings von der traditionellen Deutung als domestizierte Tiere ab, ergibt sich die größte Übereinstimmung mit einem Wisent. Die Ausformung der Schnauze und die Form der Augen, aber vor allem die Ausrichtung der Hörner haben die größte Ähnlichkeit zu einem Wisent.

Mögliche Vergleiche: Rind, Widder, Wisent. Bildnachweis v. links: privat, wikimedia, wikimedia.

Allerdings stellt sich die generelle Frage, ob der Töpfer überhaupt eine naturgetreue Darstellung erschaffen wollte, oder ob hier nur eine sehr abstrakte Darstellung vorliegt, möglicherweise sogar ein „Mischwesen“. Seit dem „Löwenmenschen“ aus dem Lonetal ist dies ja sogar schon aus dem Jungpaläolithikum bekannt. Schaut man sich darüber hinaus die vor allem menschlichen Idole der Vinca-Kultur an, so haben diese mehr Ähnlichkeit mit „Aliens“ als daß sie ein natürliches Abbild eines Ahnen oder anderen Menschen zeigen. Nachdem experimentell belegt ist, daß Menschen unter Einfluß starker elektromagnetischer Wellen eben solche Gesichter mit großen mandelförmigen Augen sehen, so ist es durchaus möglich, daß viele Idole, Formen, Symbole oder andere künstlerische Darstellungen auf Erfahrungen im Trancezustand oder Drogenrausch beruhen.

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Löwenmensch, Lonetal; Vinca-Idol; Gefäß mit 3 Tierköpfen, Ungarn. Bildnachweis: links, mitte: Wikipedia; rechts: privat.

Die Datierung ist vergleichsweise leicht, der Ton ist nahezu sicher die typische Grobkeramik der LBK und spricht ebenso wie die einfachen Ritzverzierungen für die Einordnung in die Flomborn Zeit, also etwa 5300 v.Chr. Bis heute sind allerdings im Verbreitungsgebiet der Bandkeramik von Ungarn bis Frankreich keine entsprechenden oder ähnlichen Stücke bekannt, vielleicht aber auch nur aufgrund fehlender Fundmeldungen, Publikationen oder eben einer zu starken Zerstörung der Objekte. Literatur Ernstson, T. & Tillmann, A. (2007): Ein bandkeramischer Widderkopf von Mühlhausen: Wer ist der schönste im ganzen Land? - Das archäologische Jahr in Bayern 2007, 13 - 15.