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EDITORIAL ZfCM | Controlling & Management Sonderheft 1 | 2008 1 Bernhard Hirsch Utz Schäffer Jürgen Weber Liebe Leser, Controller sind Inbegriff von rationaler Nüchternheit, Analytik und Zahlenfokussie- rung. Für sie zählen Fakten, keine Emotionen oder Intuition. Sie wollen betriebswirt- schaftliche Folgen von Entscheidungen und Handlungen unverzerrt aufzeigen. Sie stellen dem Management objektive Messinstrumente zur Verfügung, an denen sich dieses orientieren kann. So steht es in den meisten Lehrbüchern, so liest man es in zahllosen Publikationen. Wir meinen, dass das nur ein Teil der Wahrheit ist. Controller unterstützen Manager. Gerade Manager sind individuelle, eigenstän- dige Charaktere. Manager haben unterschiedlichen Zugang zu betriebswirtschaft- lichem Denken, sind unterschiedlich geprägt und verfolgen durchaus sehr unter- schiedliche Ziele, mal mehr die des Unternehmens, mal stärker eigene. Controller, die diese Unterschiedlichkeit nicht erkennen, erstellen Leistungen quasi von der Stange. „One size fits all“ funktioniert in Produktmärkten schon lange nicht mehr. Im Controlling ist das nicht anders. Controller müssen sich, wenn sie erfolgreich sein wollen, auf die individuellen Eigenschaften und Präferenzen ihrer Manager einrichten. Sie müssen wissen, wie sie bestimmte Themen anbringen können, wie viel (oder wenig) Zeit sie zur Erklärung von Informationen aufwenden müssen, wie umfangreich sie Manager betriebswirt- schaftlich coachen müssen, bei welchem Manager sie wie stark damit rechnen müs- sen, dass dieser ein opportunistisches Spiel spielt. Controller müssen weiterhin eine realistische Einschätzung haben, ab wann Manager durch betriebswirtschaftliche Instrumente und Methoden überfordert werden. Das Phänomen goldener Wasser- hähne gibt es nicht nur bei Ingenieuren! Controller müssen auch eine Einschätzung haben, in welchen Situationen Manager typischerweise falsch entscheiden bzw. die Gefahr besteht, dass sie dies tun. Zeitliche Überlastung, die Gefahr, das Gesicht zu verlieren, ein gruppenbedingtes Überlegen- heitsgefühl oder auch eine zu enge fachliche Perspektive sind „klassische“ Themen, für die es eine Vielzahl von empirischen Belegen gibt – und auch vielfältige Ratschlä- ge, wie man den Problemen Herr werden kann. Damit ist das Feld für die Notwendigkeit abgesteckt, sich als Controller stärker als in der Vergangenheit mit verhaltensbezogenen, fälschlich als „weich“ bezeichneten Themen zu beschäftigen. „Verhaltensorientiertes Controlling“ ist hierfür ein program- matisches Kürzel. Das stärkere Eingehen auf den „Faktor Mensch“, auf Verhalten, Präferenzen und „typische menschliche“ Fehler darf nicht bedeuten, die bisherige Basis der Controller aufzugeben. Vielmehr bedarf es der Ergänzung. Controller müs- sen beides können, auf der Klaviatur der Analytik spielen, aber eben auch Verhaltens- fähigkeiten besitzen und einsetzen. Wie wir aus eigenen empirischen Erhebungen wissen, ist es Letzteres, was wesentlich den Unterschied zwischen einem erfolg- reichen und einem wenig erfolgreichen Controller ausmacht. Betriebswirtschaftliche Analytik hat heute den Stand einer Hygienefähigkeit erreicht. Ohne Analytik geht es nicht, aber sie hilft nicht, Controller wirklich unentbehrlich zu machen. Kommuni- kationsfähigkeit, Konfliktlösungsfähigkeit, Standfestigkeit und ähnliche Fähigkeiten machen letztlich den Unterschied aus. Aus diesem Grund haben wir dem Thema ein komplettes, umfangreiches Sonderheft gewidmet. Viel Spaß beim Lesen! Bernhard Hirsch Utz Schäffer Jürgen Weber DOI: 10.1365/s12176-012-0183-2

Liebe Leser,

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EDITORIAL

ZfCM | Controlling & Management Sonderheft 1 | 2008 1

Bernhard Hirsch

Utz Schäffer

Jürgen Weber

Liebe Leser,

Controller sind Inbegriff von rationaler Nüchternheit, Analytik und Zahlenfokussie­rung. Für sie zählen Fakten, keine Emotionen oder Intuition. Sie wollen betriebswirt­schaftliche Folgen von Entscheidungen und Handlungen unverzerrt aufzeigen. Sie stellen dem Management objektive Messinstrumente zur Verfügung, an denen sich dieses orientieren kann. So steht es in den meisten Lehrbüchern, so liest man es in zahllosen Publikationen. Wir meinen, dass das nur ein Teil der Wahrheit ist.

Controller unterstützen Manager. Gerade Manager sind individuelle, eigenstän­dige Charaktere. Manager haben unterschiedlichen Zugang zu betriebswirtschaft­lichem Denken, sind unterschiedlich geprägt und verfolgen durchaus sehr unter­schiedliche Ziele, mal mehr die des Unternehmens, mal stärker eigene. Controller, die diese Unterschiedlichkeit nicht erkennen, erstellen Leistungen quasi von der Stange. „One size fits all“ funktioniert in Produktmärkten schon lange nicht mehr. Im Controlling ist das nicht anders.

Controller müssen sich, wenn sie erfolgreich sein wollen, auf die individuellen Eigenschaften und Präferenzen ihrer Manager einrichten. Sie müssen wissen, wie sie bestimmte Themen anbringen können, wie viel (oder wenig) Zeit sie zur Erklärung von Informationen aufwenden müssen, wie umfangreich sie Manager betriebswirt­schaftlich coachen müssen, bei welchem Manager sie wie stark damit rechnen müs­sen, dass dieser ein opportunistisches Spiel spielt. Controller müssen weiterhin eine realistische Einschätzung haben, ab wann Manager durch betriebswirtschaftliche Instrumente und Methoden überfordert werden. Das Phänomen goldener Wasser­hähne gibt es nicht nur bei Ingenieuren!

Controller müssen auch eine Einschätzung haben, in welchen Situationen Manager typischerweise falsch entscheiden bzw. die Gefahr besteht, dass sie dies tun. Zeitliche Überlastung, die Gefahr, das Gesicht zu verlieren, ein gruppenbedingtes Überlegen­heitsgefühl oder auch eine zu enge fachliche Perspektive sind „klassische“ Themen, für die es eine Vielzahl von empirischen Belegen gibt – und auch vielfältige Ratschlä­ge, wie man den Problemen Herr werden kann.

Damit ist das Feld für die Notwendigkeit abgesteckt, sich als Controller stärker als in der Vergangenheit mit verhaltensbezogenen, fälschlich als „weich“ bezeichneten Themen zu beschäftigen. „Verhaltensorientiertes Controlling“ ist hierfür ein program­matisches Kürzel. Das stärkere Eingehen auf den „Faktor Mensch“, auf Verhalten, Präferenzen und „typische menschliche“ Fehler darf nicht bedeuten, die bisherige Basis der Controller aufzugeben. Vielmehr bedarf es der Ergänzung. Controller müs­sen beides können, auf der Klaviatur der Analytik spielen, aber eben auch Verhaltens­fähigkeiten besitzen und einsetzen. Wie wir aus eigenen empirischen Erhebungen wissen, ist es Letzteres, was wesentlich den Unterschied zwischen einem erfolg­reichen und einem wenig erfolgreichen Controller ausmacht. Betriebswirtschaftliche Analytik hat heute den Stand einer Hygienefähigkeit erreicht. Ohne Analytik geht es nicht, aber sie hilft nicht, Controller wirklich unentbehrlich zu machen. Kommuni­kationsfähigkeit, Konfliktlösungsfähigkeit, Standfestigkeit und ähnliche Fähigkeiten machen letztlich den Unterschied aus. Aus diesem Grund haben wir dem Thema ein komplettes, umfangreiches Sonderheft gewidmet. Viel Spaß beim Lesen!

Bernhard Hirsch Utz Schäffer Jürgen Weber

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