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Pädiatrische Endokrinologie
Eine Reihe von genetischen Ursachen der hyper-insulinämischen Hypoglykämie (HH) sind bekannt, die ATP-abhängige Kaliumkanäle oder auch Stoff-wechselwege beeinflussen. Auch nicht genetische Ursachen der HH sind möglich.
15 – 19Das 3M-Syndrom
NEWSLETTER 50/16
Das 3M-Syndrom ist eine sehr seltene auto-
somalrezessiv vererbte Skelettdysplasie. Ty-
pische Krankheitszeichen sind u.a. niedriges
Geburtsgewicht und pränataler und postna-
taler Minderwuchs.
3 – 6Kongressbericht
11 – 14Hyperinsulinämische Hypoglykämie
Kleinwuchs ist einer der häufigsten Vorstel-
lungsgründe für Kinder und Jugendliche bei
einem pädiatrischen Endokrinologen. Neue
Analysemöglichkeiten haben in den letzten
Jahren eine Fülle von neuen Erkenntnissen in
Bezug auf die genetischen Ursachen für Klein-
wuchs geliefert.
7 – 10Genetischer Kleinwuchs
ENDO Annual Meeting – Endocrine Society Boston, 1. bis 4. April 2016
EditorialIMPRESSUMNewsletter Pädiatrische
Endokrinologie
Herausgeber:Ferring Arzneimittel GmbH
MarketingEndokrinologieFabrikstraße 7
24103 KielTel.: +49 (0)431/58 52–0
Fax: +49 (0)431/58 52–74
Organisation:biomedpark Medien GmbH
Schneidmühlstr. 2169115 Heidelberg
Tel.: +49 (0)6221/13 747 [email protected]
Fachliche Betreuung:Dr. Reiner Schmedemann
Ferring Arzneimittel GmbH
PD Dr. Klaus HartmannMedizinisches Kinder- und Jugendzentrum für Endo-krinologie & Diabetologie
Walter Kolb Str. 9–1160594 Frankfurt am Main
Lektorat und Layout:Kirsten Külker, Berlin
Grafik:Erika Heil/art for biomed,
Frankfurt am Main
Copyright:Copyright und Copyright-nachweis für alle Beiträge, Nachdruck, auch auszugs-
weise, sowie Vervielfälti-gungen jeder Art nur mit
schriftlicher Genehmigung des Verlages
Wichtiger Hinweis:Herausgeber und Autoren
dieses Werkes haben große Sorgfalt darauf verwendet,
dass die in diesem Werk gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Die Erkennt-nisse in der Medizin unter-
liegen jedoch laufendem Wandel durch Forschung und
klinische Erfahrungen. Auto-ren, Herausgeber und Verlag bitten daher um Verständnis dafür, dass sie keine Haftung
für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben übernehmen können. Ferner
ersetzen die Informationen dieses Werkes nicht die
individuelle Beurteilung und Entscheidung des Arztes.
Dieses Heft ist der 50. Newsletter Pädiatrische Endokrinologie!
Wir freuen uns, nachdem der erste Newsletter im Herbst 1998 erschienen ist, über das
fortlaufende Interesse und die positiven Rückmeldungen unserer Leserschaft zum Newslet-
ter. Diese Resonanz hat uns bestärkt, das inhaltliche Konzept beizubehalten, während das
Layout inzwischen modernisiert worden ist. Der Newsletter ist auf www.Zomacton.de auch
in digitaler Version und zum Download online erhältlich.
Vergleichsweise häufig auftretende Erkrankungen wie Diabetes mellitus oder Wachs-
tumsstörungen fanden und finden in dem Newsletter ebenso ihren Platz wie sehr seltene
Syndrome oder Übersichtsarbeiten zu neuen Erkenntnissen aus der Molekularbiologie. In
der aktuellen Ausgabe gibt es beispielsweise erstmalig einen Beitrag zum 3M-Syndrom.
Die Bezeichnung geht auf die Initialen der Wissenschaftler Miller, McKusick und Malvaux
zurück, die als Erste in der Literatur davon berichtet haben. Eine Suche in Pubmed zu dem
Thema ergibt 53 Items. Zum Vergleich: Das Silver-Russel-Syndrom wartet mit 861 Litera-
turzitaten auf. Fortschritte in der Molekularbiologie ermöglichen immer umfangreichere Er-
kenntnisse über genetische Ursachen verschiedener Krankheitsbilder. So werden in diesem
Heft neue genetische Ursachen des Kleinwuchses vorgestellt. Um aktuelle Erkenntnisse
krankheitsmachender molekularer Veränderungen geht es auch im Beitrag „Hyperinsulinä-
mische Hypoglykämie“.
In unserer Jubiläumsausgabe berichtet Frau Dr. Susanne Fricke-Otto, Leitende Ärztin
der Pädiatrischen Endokrinologie der Helios-Kliniken Krefeld, in einem Gastbeitrag über
einige Vorträge des ENDO Annual Meetings der Endocrine Society Boston, das im April
2016 stattgefunden hat.
Resümierend sehen wir, dass sich Forschung und moderne Endokrinologie sehr stark
mit der Molekulargenetik in der Diagnostik auseinandersetzen. Nachdem Anfang Juli 2016
in Zusammenarbeit mit der Barmer GEK bundesweit mit PädExpert ein telemedizinisches
Konsiliararztsystem in der Kinder- und Jugendmedizin etabliert wurde und somit neueste
Technologie Einzug in die kinderärztliche Versorgung gehalten hat, ist zu wünschen, dass
auch der molekulardiagnostische Fortschritt bei der Behandlung endokrinologischer Er-
krankungen adäquat berücksichtigt wird.
Viel Vergnügen beim Lesen der Jubiläumsausgabe!
Katja Thode
3
ENDO
Mit über 9000 Teilnehmern, fast 3000 Abstracts und über 200 Sitzungen ist das ENDO Annual Meeting einer der wichtigsten Kongresse auf dem Gebiet der endokrinologischen Forschung und klinischen Versorgung endokrinologischer Patienten. In einem Gastbeitrag stellt Dr. Su-sanne Fricke-Otto, leitende Ärztin der Pädi-atrischen Endokrinologie der Helios-Kliniken Krefeld, wichtige Inhalte einiger Vorträge des diesjährigen Meetings der Endocrine Society Boston vor, das im April 2016 stattgefunden hat.
WachstumThe Effect of Growth Hormone on Mouse Intestinal Length and WeightJonathan A. Joung et al., USA
Eine interessante Studie beschäftigte sich mit dem
Effekt von Wachstumshormon bei Kurzdarmsyn-
drom und bei der Behandlung entzündlicher
Darm erkrankungen bei Mäusen. Viele Frühgebo-
rene leiden nach einer nekrotisierenden Enteroko-
litis unter einem Kurzdarmsyndrom. Die Therapie
ist zurzeit meist die parenterale Ernährung, um
das Gewicht der Kinder zu erhöhen. Es gibt einige
andere Therapieansätze, um die gesundheitliche
Situation der Kinder zu verbessern. Dazu gehören
chirurgische Interventionen wie z.B. die Operati-
on nach Bianci, bei der die Darmoberfläche durch
eine Duplikatur des Darmes verbessert werden
soll. Auch die hormonelle Behandlung mit Wachs-
tumshormon (GH, growth hormone) mit und ohne
Glutamin sowie die Therapie mit IGF-1 (Insulin-like
growth factor1) oder GLP2 (Glucagonlike pepti-
de) werden erprobt.
Die Autoren wählten verschiedene Mausmo-
delle, um den Effekt von Wachstumshormon auf
das Darmwachstum und das Körpergewicht zu zei-
gen. Die vier Mausmodelle umfassten transgene
Mäuse für Rinderwachstumshormon, Mäuse mit
einem GH-Rezeptordefekt (GH-Rezeptor-Knock-
out-Maus), GH-Antagonist-transgene Mäuse und
Knock-out-Mäuse, bei denen nur im Darm der
GHRezeptor ausgeschaltet war.
Wie wirkt sich die genetische Modifikation der
Tiere auf die Länge des Darms, des Dickdarms
sowie auf Körperlänge und Körpergewicht aus?
Bei den Mäusen, die transgen für bovines Wachs-
tumshormon waren, zeigte sich eine verbesserte
Länge des Dünn und des Dickdarms. Bei den
Mäusen mit einem Antagonisten, der transgen
erzeugt worden war, zeigte sich keine Verbesse-
rung der Länge des Dünn und Dickdarms. Die
GHRezeptordefizienten Mäuse und die Mäuse
mit nur im Darm vorhandenem GHRezeptordefizit
zeigten ebenfalls keine Verbesserung der Dünn
und Dickdarmlänge.
Wird die verbesserte Darmlänge in Bezug zum
Körpergewicht der Tiere gesetzt, so ergibt sich ein
umgekehrtes Bild: Die für bovines Wachstumshor-
mon transgenen Mäuse hatten ein deutlich er-
höhtes Körpergewicht, sodass die Verlängerung
der Darmlänge insgesamt in geringerem Ausmaß
erfolgte, als es durch die Verbesserung des Kör-
pergewichts zu erwarten gewesen wäre. Damit hat
Wachstumshormon nur einen geringen Effekt auf
die Darmlänge. In aktuellen Studien wird unter-
sucht, ob sich mit Wachstumshormon eine Verbes-
serung der Darm bzw. der Zottenoberfläche und
damit der Gesamtoberfläche des Darms bewir-
ken lässt. Aber auch der Einfluss auf funktionelle
Parameter und Entzündungsaktivität muss unter-
sucht werden.
SAGhE-Studie (Safety and Appropriateness of Growth hormone treatments in Europe)Cerebrovascular Morbidity and Mortality in GH treated Children and AdultsCecilia Camacho-Hubner et al., USA
Vor einigen Jahren sorgte eine französische Stu-
die von JeanClaude Carel für Verunsicherung
Kongressbericht Endocrine Society Boston, USA, 2016 (1. bis 4. April 2016)
4
ENDOwort zu geben. Es wird gefordert, eine höhere Zahl
Erwachsener nach Wachstumshormontherapie zu
untersuchen, um den Verdacht eines Schlaganfallrisi-
kos nach Wachstumshormontherapie auszuräumen.
Übersichtsvortrag
Inhaled Corticosteroids and Growth: Still an Issue after All These YearsDavid Bruce Allen, USA
Inhalative Glukokortikoide spielen in der Therapie
des kindlichen Asthmas eine große Rolle, können
aber das Längenwachstum negativ beeinflussen.
Sie stimulieren den Somatostatin-Tonus und redu-
zieren damit die hypophysäre Wachstumshormon-
ausschüttung. Zudem wird die Expression des
GHRezeptors in verschiedenen Zielzellen durch
Glukokortikoide beeinflusst. Kelly et al. hatte in ei-
ner 2012 im New English Journal of Medicine ver-
öffentlichten Arbeit den Einfluss inhalativer Gluko-
kortikoide auf das Wachstum gezeigt [1].
Die Budenosidinhalation über längere Zeit
führt zur Wachstumsreduktion. Unterschiedliche
Präparate haben eine unterschiedliche Bioverfüg-
barkeit. 40 bis 90 Prozent der inhalativen Kortiko-
steroide werden verschluckt (weniger bei Spacern
oder anschließender Mundspülung). Budenosid
wird zu 34 Prozent aus dem MagenDarmTrakt
absorbiert, was bei 200 µg pro Tag zu einer Ver-
langsamung des Wachstums um 1,4 cm pro Jahr
geführt hatte.
Beclometason wird zu 25 bis 40 Prozent resor-
biert. Dagegen werden Fluticason, Mometason
oder Ciclesonid fast nicht resorbiert (weniger als
ein Prozent aus dem MagenDarmTrakt). Die Bio-
verfügbarkeit der Glukokortikoide nach Resorpti-
on über die Zunge ist fast genauso ausgeprägt
wie aus dem MagenDarmTrakt. Somit ist die
weit verbreitete Einschätzung falsch, dass diese in-
halativen Steroide weniger problematisch für das
Wachstum seien.
Veränderungen der Applikationsform mit Er-
höhung des Transportanteils von inhalativen Kor-
tikosteroiden in die kleinen Atemwege führen
zu einem ausgeprägteren Effekt von inhalativen
unter Endokrinologen. Er hatte berichtet, dass
nach Wachstumshormontherapie im Kindesalter
die Mortalität und Morbidität im Erwachsenenalter
erhöht sei. Spätere Publikationen aus skandina-
vischen Ländern fanden keine erhöhte Mortalität
und relativierten Carels Studie damit.
Anhand der „Real-Live-Datenbanken“ KIGS
(Pfizer International Database) und KIMS (Pfizer
International Metabolic Database) wurde die In-
zidenz zerebrovaskulärer Ereignisse bei Kindern
und Erwachsenen unter Wachstumshormonbe-
handlung ermittelt. In der KIGSDatenbank sind
ca. 80 000 Patienten unter 18 Jahren unter Wachs-
tumshormontherapie erfasst, in der KIMS-Da-
tenbank ca. 700 erwachsene Patienten, die mit
Wachstumshormon behandelt werden.
In der KIGS-Datenbank wurden drei Risiko-
gruppen gebildet:
• geringes Risiko I: idiopathischer Wachstums
hormonmangel, idiopathischer Kleinwuchs (idi-
opathic short stature, ISS), Small for Gestatio-
nal Age (SGA)
• mittleres Risiko II: organischer Wachstumshor-
monmangel (Unfall, gutartige Tumoren), Ull-
rich-Turner-Syndrom (UTS) und Prader-Willi-
Syndrom (PWS, wegen Vaskulopathien)
• hohes Risiko III: organischer Wachstumshor-
monmangel durch bösartige Tumoren oder
chronische Niereninsuffizienz (CRI)
In der KIMS-Datenbank wurden die Daten
von Erwachsenen analysiert, die seit der Kindheit
Wachstumshormon erhalten haben.
Im Ergebnis zeigte sich in der Risikogruppe III
mit Wachstumshormonmangel nach bösartigen Tu-
moren oder bei chronischer Niereninsuffizienz ein
deutlich erhöhtes Risiko für Schlaganfälle. Insge-
samt wurden 27 zerebrovaskuläre Ereignisse in der
KIGSDatenband dokumentiert. In der KIMSDa-
tenband fand sich nur ein Schlaganfall bei einer
allerdings deutlich niedrigeren Patientenzahl.
Insgesamt gibt es nach dieser Untersuchung
keinen Hinweis auf eine deutlich gesteigerte Rate
von Schlaganfällen bei Kindern und jungen Er-
wachsenen unter 40 Jahren nach oder unter einer
Wachstumshormontherapie.
Die Fallzahl der erwachsenen Patienten ist aller-
dings zu gering, um hier eine aussagekräftige Ant-
5
ENDOthie ohne tastbare Schilddrüsenveränderungen
präsentieren.
Das Ziel der bisherigen Behandlung war ne-
ben einer möglichst frühzeitigen Diagnose die
operative Sanierung mit anschließender Radiojod-
therapie. Damit ist zwar die Überlebensrate deut-
lich angestiegen, allerdings ist auch die Rate an
Komplikationen durch die Therapie hoch. Daraus
entstand die neue amerikanische Leitlinie (2015)
für kindliche Schilddrüsenkarzinome. Hier werden
erstmals drei Risikogruppen für das Wiederauftre-
ten eines Schilddrüsenkarzinoms mit unterschied-
lichem Therapiemanagement eingeteilt.
In der Vergangenheit beinhaltete die Therapie
die totale Thyreoidektomie plus Lymphknotenent-
fernung plus Radiojodtherapie für alle Patienten
mit DTC. Dieses Vorgehen wurde jetzt durch die
aktuelle Leitlinie modifiziert, da man neue Erkennt-
nisse über das papilläre Schilddrüsenkarzinom hat.
Man geht davon aus, dass Kinder und Jugendliche
mit papillärem Schilddrüsenkarzinom trotz Vor-
handenseins von lokalem Lymphknotenbefall und
eventuellen Fernmetastasen ein niedriges Morta-
litätsrisiko haben. 98 Prozent haben eine 40Jah-
reÜberlebensrate nach Operation und Radiojod
therapie. Zuletzt bestand aber der Verdacht, dass
Zweitmalignome durch diese Therapie signifikant
ansteigen, vor allem bei jungen Patienten.
Die Leitlinien fordern deshalb ein prä- und
postoperatives Staging von Kindern und Jugend-
lichen mit Schilddrüsenkarzinom, sodass eine gut
geplante Therapie durchgeführt werden kann
und ggf. auch ohne Radiojodtherapie eine ausrei-
chende Versorgung gewährleistet ist. So sollten
die Patienten mit niedrigem Risiko für ein Wie-
derauftreten zwar generell eine Thyreoidektomie
erhalten, aber nur bei persistierender oder fort-
schreitender Erkrankung auch eine Radiojodthera-
pie. Somit erhalten nur wenige LowRiskPatienten
eine Radiojodtherapie.
Eine weitere Änderung im Vorgehen stellt das
Management mit den zervikalen Lymphknoten
dar. Eine Halsdissektion wird nicht mehr generell
durchgeführt, dafür aber ein gezieltes postopera-
tives Staging. In der LowRiskGruppe reicht hier
ein supprimiertes Thyreoglobulin als Marker zur
Kontrolle aus. In der mittleren Risikogruppe er-
Steroiden auf das Wachstum. Pulverinhalationen
werden als günstiger beschrieben.
Neue Techniken zur Verabreichung der inhala-
tiven Glukokortikoide verbessern die Versorgung
der Atemwege mit Glukokortikoiden, haben aber
auch zu einem deutlich höheren Auftreten von
Wachstumsstörungen geführt. Auch die Annahme,
Wachstumsprobleme träten eher bei älteren Kin-
dern auf als im Kleinkindesalter, ist nicht korrekt.
Begleitmedikationen müssen beachtet werden.
Zudem kann eine eingeschränkte Ernährungssi-
tuation nicht nur einen additiven, sondern sogar
einen potenzierenden Effekt auf das Wachstum
ausüben. Allen empfahl in seinem Vortrag, die in-
halativen Glukokortikoide nach Bioverfügbarkeit
auszuwählen und die Inhalationsgeräte kritisch
zu bewerten. Nicht immer sei das Präparat, das
in den kleinen Atemwegen am besten ankommt,
bezogen auf das Wachstum das bessere. Es sollten
potenzierende Effekte beachtet und das Wachs-
tum im Verlauf beobachtet werden.
Im Kleinkindalter werde der Effekt auf das
Wachstum oft nicht durch späteres Aufholwachs-
tum kompensiert. Im späteren Kindesalter führe
die Verlangsamung des Wachstums zu keiner nen-
nenswerten Änderung der Endgröße, betonte Al-
len.
SchilddrüseThyreoid nodules and cancer in children Gary L. Francis, USA
Schilddrüsenkarzinome (DTC, differentiated
thyroid carcinoma) im Kindesalter sind eine sel-
tene Erkrankung. DTC machen ca. 1,4 Prozent
der kindlichen Malignome aus. Die Inzidenz bei
15 bis 19Jährigen ist deutlich erhöht. Adoles-
zente haben ein ca. zehnfach erhöhtes Risiko
gegenüber jüngeren Kindern, an einem Schild-
drüsenkarzinom zu erkranken, und es stellt sich
eine Mädchenwendigkeit (5:1) dar. Meist tritt
das Schilddrüsenkarzinom als Schilddrüsenkno-
ten auf. In den überwiegenden Fällen handelt es
sich um ein papilläres Schilddrüsenkarzinom. Dies
kann sich aber auch nur als zervikale Adenopa-
6
ENDObei papillärem Schilddrüsenkarzinom muss indi-
vidualisiert werden, um die Nebenwirkungen der
Therapie zu limitieren. Ein lebenslanges Followup
wird gefordert.
Eine zusätzliche Therapie bei niedrigem
TGSpiegel unter 10 ng/dl sollte nur bei anato-
mischem Beweis eines Rezidivs oder ansteigenden
TGSpiegeln im Verlauf durchgeführt werden.
Dr. med. Susanne FrickeOtto
Ltd. Ärztin Pädiatrische Endokrinologie
Fachärztin Kinder- und Jugendmedizin,
Endokrinologie und Diabetologie
Literatur
1. Kelly HW et al.: Effect of inhaled glucocorticoids in child-hood on adult height. N Engl J Med. 2012;367(10):904912
folgen eine Bestimmung des Thyreoglobulins nach
einer TSH-Stimulation, ein Ganzkörper-Radiojod-
scan sowie regelmäßig Ultraschalluntersuchungen
und ein SPECTCT.
Bei der Durchführung des Ganzkörper-
Radiojod scans will man aufgrund der vorher
notwendigen, induzierten Hypothyreose mög-
lichst zurückhaltend sein. Stattdessen sollen Ul-
traschalluntersuchungen des Halses sowie Thyreo-
globulinmessungen durchgeführt werden.
Whole-body radioactive iodine scan (WB-RAI,
GanzkörperJodszintigrafie) soll den Patienten mit
Lungenmetastasen und ansteigenden Thyreoglo-
bulinwerten oder auffälligen sonografischen Be-
funden oder CTBefunden vorbehalten bleiben.
Verschiedene Studien führten zu der Erkenntnis,
dass man nicht alle Kinder mit DTC karzinomfrei
bekommen kann. Jedoch konnte bei Kindern mit
Lungenmetastasen gezeigt werden, dass bei 65
Prozent der jungen Patienten die Erkrankung zum
Stillstand kam und keines dieser Kinder verstarb.
Auch das langsame Ansteigen der TG-Werte nach
Radiojodtherapie über Jahre kam zum Stillstand.
Deshalb wird in den amerikanischen Leitlinien
empfohlen, die Krankheitsentwicklung vor der zu-
sätzlichen Therapie zu dokumentieren.
Bei dieser Diskussion muss zukünftig gut un-
terschieden werden zwischen den Patienten, die
ein hohes Risiko für ein Rezidiv haben – und dann
auch entsprechend behandelt werden müssen –,
und den Patienten mit niedrigem Risiko für ein
Rezidiv, um sie vor einer potenziell schädigenden
Radiojodtherapie zu schützen. Es wird darauf hin-
gewiesen, dass die Erkenntnisse über Serum-Thy-
reoglobulin-Spiegel und Langzeitverläufe des
Thyreoglobulins bei jungen Patienten mit DTC
erweitert und klare, geeignete Ziele der Therapie
festgelegt werden müssen. Die neue amerika-
nische Leitlinie versucht erstmals, diese Ziele zu
berücksichtigen.
Suspekte Knoten sollten einer Feinnadelpunk-
tion unterzogen werden (hier gelten als hinwei-
send Kalzifikationen, unregelmäßige Begrenzung,
subkapsuläre Lokalisation und zentraler Blutfluss
bzw. das Wachstum im Verlauf).
Ca. 26 Prozent der kindlichen Schilddrüsenkno-
ten sind maligne. Das Management der Therapie
7
KleinwuchsDie individuelle maximale Körpergröße im Er-wachsenenalter wird zum überwiegenden Teil von genetischen Faktoren bestimmt [1]. Studi-en haben gezeigt, dass die interindividuellen Variationen in der Körpergröße innerhalb einer durchschnittlichen Population bis zu 80 Prozent durch einzelne Gene oder durch die kombi-nierten Effekte einer Vielzahl von Genen beein-flusst werden [2]. Störungen im Längenwachs-tum fallen vor allem im Kleinkindalter und in der Pubertät auf, da dort größere Wachstumsschü-be zur normalen Entwicklung gehören. Deshalb ist der Kleinwuchs einer der häufigsten Vorstel-lungsgründe für Kinder und Jugendliche bei einem pädiatrischen Endokrinologen [3]. Trotz dieses Zusammenhangs zwischen Körpergröße und Genetik spielen genetische Tests bei der Diagnostik von Kleinwuchs bei Kindern und Ju-gendlichen zum jetzigen Zeitpunkt bis auf we-nige Ausnahmen keine Rolle [4]. Ein Zustand, der sich mit dem großen Erkenntniszuwachs in Bezug auf die genetischen Ursachen für Klein-wuchs in der Zukunft nach Meinung einiger Autoren ändern könnte und sollte [3, 4]. Dieser Beitrag gibt einen kleinen Überblick über eini-ge neuere Erkenntnisse im Zusammenhang mit Kleinwuchs und seine genetischen Ursachen. Für einen umfassenderen Überblick sei unter anderem auf die beiden bereits zitierten Re-views verwiesen [3, 4].
GH-IGF-1-AchseDie zentrale Schaltstelle für die Wachstumsregulati-
on ist die GHIGF1Achse. Genetische Störungen
entlang dieser Achse können sich klinisch unter an-
derem als Wachstumshormonmangel (GHD, growth
hormone deficiency), GHResistenz und einen Man-
gel an insulinähnlichem Wachstumsfaktor-1 (IGF-
1D) oder IGF1Resistenz manifestieren [3].
GH-Mangel-assoziierte Mutationen betreffen
entweder das Gen für GH (GH1) oder das für den
Rezeptor (GHRHR), an den das GH-freisetzende
Hormon (GHRH, GH releasing hormone) in der
Hypophyse bindet [4]. Interessanterweise gibt es
bis jetzt noch keinen Fall von GH-Mangel, der auf
eine Mutation in GHRH selbst zurückgeht [3]. Für
Patienten mit GH-Mangel-Typ-IA sind homozy-
gote Deletionen im GH1, aber auch heterozygote
LeserasterMutationen und homozygote Nonsen-
seMutationen beschrieben. Besonders zu beach-
ten sind dabei Betroffene mit einer homozygoten
Deletion im GH1, da sie bei einer GH-Therapie
häufig AntiGHAntikörper entwickeln.
Aber auch eine Reihe weiterer Mutationen mit
in der Regel weniger schwerwiegenden klinischen
Erscheinungsformen sind in der Literatur beschrie-
ben: TypIBGHMangel kann das Ergebnis von Le-
seraster, Missense oder NonsenseMutationen in
GH1 oder GHRHR sein. GHSpiegel sind dadurch
deutlich verringert, aber Anti-GH-Antikörper bei
GHBehandlung nicht beschrieben [4]. TypIIGH
Mangel basiert auf einem Spleißfehler, durch den
das Exon 3 von GH1 verloren geht. Als Folge wird
eine nur 17,5 kDa große GHIsoform produziert,
die zu einer verminderten Freisetzung von biolo-
gisch aktivem GH führt und zudem die Sekretion
anderer Hypophysenhormone wie Thyreotropin
(TSH), luteinisierendes Hormon (LH) und Prolaktin
beeinflusst [4]. Dies ist deshalb besonders inte-
ressant, weil es die Beobachtung einer Studie er-
klären könnte, bei der etwa zwei Prozent der Pati-
enten, die ursprünglich mit isoliertem GH-Mangel
diagnostiziert worden waren, später einen multi-
plen hypophysären Hormonausfall (MPHD, multi-
ple pituitary homone deficiency) entwickelten [5].
Dies resultierte bei den Betroffenen in einer deut-
lich geringeren Körperhöhe im Vergleich zu Pati-
enten, bei denen es bei einem isolierten GH-Man-
gel blieb, die also eine andere Ätiologie für den
GHMangel aufwiesen.
Wie für den GH-Mangel ist auch für die GH-Re-
sistenz eine Vielzahl von genetischen Ursachen
beschrieben [3]. Die erste war eine homozygote
Loss-of-function-Mutation im Gen für den GH-Re-
zeptor (GHR), die für das Laron-Syndrom verant-
wortlich ist [6]. Mittlerweile sind mehr als 70 Muta-
tionen für die unterschiedlichsten Bereiche dieses
Genetische Ursachen des Kleinwuchses – Implikationen für Therapie und Diagnostik
8
Kleinwuchs
Abbildung:Schematische Übersicht
über das Zusammenwirken einiger genetischer und
epigenetischer Verände-rungen auf das Längen-
wachstum
GH=growth hormone, Wachstumshormon
GHD=GHdeficiency, GH-Mangel
GHI=GH-insensitivity, GH-Resistenz
GHRH=GH-releasing hormone, GH-freisetzendes
Hormon
GHRHR=GH-releasing hormone receptor
IGF-1=insulinähnlicher Wachstumsfaktor 1
IGF-1R=IGF-1-Rezeptor
STAT=Signaltransduktoren und Aktivatoren der
Transkription
FGF=fibroblast growth factor, Fibroblastenwachs-
tumsfaktor
FGFR=FGF-Rezeptor
CNP=CTypnatriuretisches Peptid
NPR2=natriuretischer Peptidrezeptor 2
SHOX=short stature homeobox, Kleinwuchs-
Homöobox
ERK=extrazellulär regulierte Kinase
Träger einer dieser heterozygoten Mutation im
IGF ALS ist [10]. Ist das Gen von IGF1 direkt von ei-
ner Mutation mit negativer Auswirkung betroffen,
können schwere prä- und postnatale Wachstums-
störungen und Entwicklungsverzögerungen die
Folge sein, wobei auch hier ein Gen-Dosis-Effekt
beobachtet wird: Homozygote Träger sind deut-
lich schwerer betroffen als heterozygote [11].
IGF-1-Resistenz beruht in der Regel auf Dele-
tionen im Gen für den IGF-1-Rezeptor, von denen
eine Vielzahl bekannt sind [12]. Die Autoren gehen
davon aus, dass bis zu drei Prozent aller SGA-Ba-
bys (Small for Gestational Age) IGF-1R-Mutationen
aufweisen, wobei heterozygote, kombinierte Mu-
tationen zu einem ausgeprägteren Phänotyp füh-
ren [13, 14]. Aber auch eine gestörte Micro RNA
Regulation des IGF-1-Signaltransduktionsweges
[15] oder epigenetische Veränderungen können
eine IGF1Resistenz hervorrufen (siehe unten).
Transmembranrezeptors bekannt [7]. GHResistenz
kann aber auch die Folge genetischer Verände-
rungen in den Komponenten des GH-Signaltrans-
duktionsweges sein. So wurde 2003 erstmals eine
Mutation mit negativer Auswirkung für die Kom-
ponente STAT5B (Signaltransduktoren und Ak-
tivatoren der Transduktion 5B) beschrieben [8].
Homozygote Träger dieser Loss-of-function-Muta-
tionen im STAT5B wiesen eine deutlich geringere
Körperhöhe auf als heterozygote Träger [9]. Aber
auch Veränderungen in der Expression oder biolo-
gischen Aktivität von IGF-1 kann zu einer GH-Re-
sistenz führen. So haben Kinder, die heterozygote
Träger einer Mutation in der säurelabilen Unterein-
heit (ALS, acid-labile subunit) sind, einen geringen
Kleinwuchs und eine verzögerte Pubertät [4]. Un-
tersuchungen legen nahe, dass ein Teil der Kin-
der und Jugendlichen mit einer Diagnose idiopa-
thischer Kleinwuchs (ISS, idiopathic short stature)
CH3
CH3
9
KleinwuchsParakrine Faktoren
Neben der GHIGF1Achse spielt eine Vielzahl
parakriner Faktoren bei der Regulation der Wachs-
tumsvorgänge in der Epiphysenfuge eine wichtige
Rolle, wobei die komplexen Interaktionen unter-
schiedlicher Faktoren bis jetzt nur im Ansatz ent-
schlüsselt sind [4]. Exemplarisch sollen hier Fibro-
blastenWachstumsfaktor (FGF, fibroblast growth
factor) und CTypnatriuretisches Peptid (CNP)
betrachtet werden, deren Zusammenspiel bei der
Regulation von Chondrozytenproliferation und -dif-
ferenzierung in den letzten Jahren aufgeklärt wurde
und bereits zu neuen Therapieansätzen geführt hat.
FGF spielen als negative Regulatoren eine entschei-
dende Rolle beim Knochenwachstum [16]. Durch
Bindung an ihre spezifischen Rezeptoren (FGFR) ak-
tivieren FGF unter anderem den ERK(extrazellulär
regulierten Kinase)-Signaltransduktionsweg, der
zur Inhibition von Chrondrozytenproliferation und
differenzierung führt [17, 18]. Infolgedessen be-
einträchtigen aktivierende Mutationen im FGFR3-
Gen das Knochenwachstum, wobei Grad und
Ausmaß der aktivierenden Mutation das klinische
Bild entscheidend beeinflussen [4]. Die am besten
beschriebenen Beispiele sind hier die Hypochon-
droplasie (HCH) und die Achondroplasie (ACH), für
die jeweils andere Loci auf dem FGFR3 verantwort-
lich sind. Während homozygote Träger einer akti-
vierenden ACH-Mutation nicht lebensfähig sind,
weisen Träger einer kombinierten ACH-HCH-He-
terozygotie zwar schwerere Skelettdysplasien auf,
sind aber lebensfähig. Träger heterozygoter, akti-
vierender ACH-Mutationen weisen wiederum ein
nochmals milderes klinisches Bild auf [4].
Dass das CTypnatriuretische Peptid CNP eine
wichtige Rolle in der Wachstumsregulation spie-
len könnte, wurde erstmals aufgrund von Ergeb-
nissen bei CNPKnockoutMäusen vermutet, die
extreme Formen von Kleinwuchs aufwiesen [19].
Mittlerweile ist bekannt, dass CNP seine Effekte
über seinen spezifischen Rezeptor NPR2 (natriure-
tischer Peptidrezeptor) ausübt [20]. Während eine
GainoffunctionMutation im NPR2 in einer Fami-
lie zu extremen Größenwachstums führte [20], sind
Loss-of-function-Mutationen in diesem Gen für die
Ausbildung einer akromesomelen Dysplasie Typ
Maroteaux (AMDM) verantwortlich [21]. Bei diesen
inhibierenden Mutationen kann analog zu FGFR3
ein GenDosisEffekt beobachtet werden: Homo-
zygote Träger der Loss-of-function-Mutationen
sind deutlich schwerer als ihre heterozygoten Ver-
wandten betroffen. Es wird geschätzt, dass hetero-
zygote inaktivierende Mutationen in NPR2 bis zu
drei Prozent aller Fälle von ISS erklären könnten
[22]. Weitergehende Studien am Mausmodell ha-
ben darüber hinaus aufgedeckt, dass CNP seine
Wirkung auf die Chrondrozytenproliferation wie
FGF über den ERK-Signaltransduktionsweg ausübt
und die Effekte von FGF antagonisiert. So begün-
stigte die Gabe von CNP in einem ACHMausmo-
dell das Mauswachstum [23] und erste klinische
Studien zu CNPAnaloga an Kindern, die an ACH
leiden, sind auf dem Weg [4].
TranskriptionsfaktorenNeben parakrinen Faktoren können auch Mutati-
onen in Transkriptionsfaktoren zu Kleinwuchs bei-
tragen. Hierbei kommen Aberrationen im Gen
für den Transkriptionsfaktor SHOX (short stature
homeobox) relativ häufig vor [4]. SHOX wurde vor
knapp 20 Jahren beschrieben und liegt auf der
pseudoautosomalen Region des XChromosoms.
Auch hier führen Mutationen zu einer Bandbreite
von klinischen Symptomen, die wie bei NPR2 und
FGFR3 GenDosisEffekte aufweisen: Homozygote
LossoffunctionMutationen in SHOX führen zur
mesomelen Dysplasie Typ Langer (MDL), während
heterozygote Träger Léri-Weill-Dyschondrosteose
(LWD) aufweisen oder sich klinisch als ISS darstellen
[4]. Bis zu 15 Prozent aller Patienten mit ISSDiagno-
se könnten heterozygote SHOXMutationen aufwei-
sen [24]. Einige Mediziner haben deshalb versucht,
diagnostische Kriterien zur Bestimmung heterozy-
goter Träger von SHOXMutationen zu erarbeiten
[25], aber aufgrund der Heterogenität der klinischen
Symptome und Ausprägungsformen haben diese
bis jetzt existierenden Parameter nur einen geringen
positiven Voraussagewert [4]. SHOX scheint darüber
hinaus auch bei dem beim Ullrich-Turner-Syndrom
beob achteten Kleinwuchs eine Rolle zu spielen,
auch wenn diese Chromosomenanomalie nicht ty-
pisch mit Skelettdysplasie assoziiert ist [4].
10
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Chromosomenanomalien und epigenetische Einflüsse
Neben dem UllrichTurnerSyndrom wird Klein-
wuchs auch bei einer Vielzahl von weiteren nume-
rischen Chromosomenaberrationen wie Trisomie
21, 13 oder 17 beobachtet [26], auf die in die-
sem Artikel aber nicht weiter eingegangen wird.
Im Fokus der Wissenschaft sind momentan unter
anderem Mikrodeletionen und -duplikationen, die
zu Kopienzahlvarianten einzelner Chromosomen-
abschnitte führen. So ist das Chromosom18De-
letionsSyndrom (18q22.3q) ebenso mit einem
GH-Mangel assoziiert wie das Smith-Magenis-Syn-
drom, bei dem eine Deletion auf Chromosom
17p11.2 vorliegt [27, 28]. Im Gegensatz dazu führt
eine Duplikation von 17q21q25 zu einer GHRe-
sistenz [29]. Diese Beispiele unterstreichen noch
einmal die mögliche Bedeutung, die in Zukunft
bei entsprechenden technologischen Vorausset-
zungen genetische Tests für eine zielgerichtete
Therapie von Kleinwuchs haben könnten.
Neben den genetischen Veränderungen wer-
den auch immer mehr epigenetische Modifikati-
onen beschrieben, die für Kleinwuchs verantwort-
lich sind, sei es durch Methylierungsfehler oder
uniparentale Disomie. Neben bereits bekannten
Syndromen wie dem Silver-Russell (SRS)- oder
dem Prader-Willi (PWS)-Syndrom haben aktuelle
Studien unter anderem herausgefunden, dass
auch Teile des IGF-1-vermittelten Signaltransduk-
tionsweges unter epigenetischer Kontrolle stehen
[4]. So konnte gezeigt werden, dass die Methylie-
rung eines IGF-1-Promotors IGF-1-Spiegel und
damit das Wachstum negativ beeinflusst [29].
Bei einer Studie war diese Methylierung zu 30
Prozent für die verminderte IGF-1-Antwort nach
GH-Stimulierung bei Kindern mit ISS verantwort-
lich [30, 31].
Dieser kurze Überblick über einige genetische
und epigenetische Ursachen für Kleinwuchs bei
Kindern und Jugendlichen zeigt die komplexen
Mechanismen, die mithilfe moderner Analyseme-
thoden nach und nach aufgedeckt werden. Diese
Erkenntnisse zusammen mit effektiven und finan-
zierbaren Analysemethoden könnten in der Zu-
kunft eine noch stärker individualisierte Therapie
11
Tabelle: Überblick unterschied-
licher Ursachen der hyperinsulinämischen
Hypoglykämie
Quelle: modifiziert nach [2]
HHUnter physiologischen Bedingungen synthe-tisieren, speichern und sezernieren die Beta-zellen des Pankreas Insulin auf feinregulierte Weise und stellen so sicher, dass der Blutglu-kosespiegel in einem engen Bereich von 3,5 bis 5,5 mmol/l gehalten wird [1]. Bei der hyperin-sulinämischen Hypoglykämie (HH) ist die Insu-linsekretion trotz niedriger Blutglukosespiegel hochreguliert. Die schwersten Fälle von konge-nitalem HH werden durch genetische Defekte in den Genen ABCC8 beziehungsweise KCNJ11 verursacht, deren Genprodukte die ATP-abhän-gigen Kaliumkanäle bilden. Mildere Formen von HH können auch aufgrund von Mutationen in Genen auftreten, die Enzyme kodieren, die am Metabolismus beteiligt sind. Auch nicht gene-tische Ursachen der HH sind möglich.
Die schwersten Formen der HH sind meist konge-
nital (CHH). HH kann jedoch auch aufgrund se-
kundärer Ursachen auftreten. Azizun Nessa und
Kollegen haben in einer kürzlich erschienenen
Übersichtsarbeit zu den molekularen Mechanis-
men der hyperinsulinämischen Hypoglykämie [2]
mögliche Ursachen der HH zusammengefasst (sie-
he Tabelle).
Die bisher bekannten genetischen Ursachen,
die zur hyperinsulinämischen Hypoglykämie füh-
ren, gehen mit Defekten bzw. Störungen entwe-
der des ATP-abhängigen Kaliumkanals (KATP-Ka-
nal) oder von am Glukosestoffwechsel beteiligten
Enzymen einher. Dementsprechend wird bei den
Gendefekten, die zu kongenitalem HH führen, zwi-
schen Kanalopathien und Metabolopathien unter-
schieden.
Molekulare Ursachen der hyperinsulinämischen Hypoglykämie
Genetische Ursachen
(betroffene Gene) und kodiertes
Protein
Sekundäre Ursachen
(vorübergehend)Metabolische
UrsachenSyndromal bedingte
HH Sonstige Ursachen
ABCC8Sulfonyl-Harnstoff-rezeptor der Beta-zellen (SUR1)
insulinpflichtiger Gestationsdiabetes
kongenitale Glykosylierungsstörung
Beckwith-Wiedemann-Syndrom
postprandiale hyperinsulinämische Hypoglykämie:a. I nsulinrezeptorMutationb. DumpingSyndromc. NonInsulinoma pankreatogenes HypoglykämieSyndrom (NIPHS) d. InsulinAutoimmunSyndrome. bariatrische Chirurgief. Insulinom
KCNJ11Sulfonyl-Harnstoff-rezeptor der Beta-zellen (Kir6.2)
intrauterine Wachstumsstörung
Tyrosinämie Typ I Kabuki-Syndrom NichtInselzellHypoglykämie
GCK perinatale Asphyxie Trisomie 13 Hypoglycaemia factitia
SCHAD Rhesus-Inkompatibilität
zentrales Hypoventilationssyndrom
arzneimittelinduziert
GLUD1 Leprechaunismus (Insulinresistenz-Syndrom)
SLC16A1 Mosaikform des Ullrich-Turner-Syndroms
HNF1A Sotos-Syndrom
HNF4A Usher-Syndrom
UCP2 Timothy-Syndrom
Costello-Syndrom
12
HHrapie. Für die atypische CHH wurden mit Ausnah-
me eines Patienten mit einer ABCC8Nonsense-
mutation [7] bisher keine assoziierten Mutationen
nachgewiesen [2].
Störung des ATP-abhängigen Kalium-kanals – Hauptursache der CHHDer Transport von Ionen, Molekülen und ver-
schiedenen Proteinen durch die Membran ist von
zentraler Bedeutung für die Funktion der Zellen.
Beim Menschen wurden 48 verschiedene ATPBin-
dungskassetten (ABC)-Transporter beschrieben
[8]. Zu Erkrankungen, die durch Mutationen in den
ABC-Genen bedingt sind, gehören die zystische
Fibrose, Diabetes mellitus und CHH [9].
Beim schweren neonatalen Hyperinsulinismus
handelt es sich fast immer um eine genetische Stö-
rung des Sulfonylharnstoff-Rezeptors (SUR1-Pro-
tein) oder des inwardrectifier Kaliumkanals (KIR
6.2Protein), die gemeinsam den ATPabhängigen
Kaliumkanal (KATP-Kanal) der Betazelle des Pan-
kreas bilden. Das SUR1Protein wird vom ABCC8
Gen kodiert, das auf Chromosom 11p15.1 lokali-
siert ist. ABCC8 steht für ATPBinding Cassette,
SubFamily C, Member 8. Das SUR1Protein steu-
ert als regulatorische Untereinheit des KATP-Kanals
die Aktivität der Kir6.2Untereinheit. Auch vermit-
telt es die Antwort auf Sulfonylharnstoffe wie Gli-
benclamid [10] und Kanalaktivatoren wie Diazoxid,
die zur Behandlung der CHH eingesetzt werden
[11]. KCNJ11, ebenfalls auf Chromosom 11p15.1
lokalisiert, kodiert das Kir6.2Protein. Im KATP-Ka-
nalkomplex fungieren Kir6.2Proteine als Poren
des Kanals, die den K+Ionen den Durchfluss er-
möglichen. Ein KATP-Kanal wird durch vier SUR1-
und vier Kir6.2Untereinheiten gebildet.
Steuerung der Insulinsekretion durch KATP-KanalDie KATP-Kanäle der Betazellen spielen eine zentra-
le Rolle für die Glukosehomöostase. Die Schlüs-
selregulatoren der KATP-Kanäle sind intrazelluläre
Nukleotide, insbesondere ATP und ADP (siehe
Abbildung). Über den Einfluss des Energieträgers
ATP auf die Aktivität der KATPKanäle ist die Verbin-
Histologische Charakterisierung der kongenitalen hyperinsulinämischen Hypoglykämie
Histologisch wird zwischen fokaler, diffuser und
atpyischer CHH unterschieden [2]. Bei der fokalen
Form finden sich an einer oder mehreren definierten
Stellen in der Bauchspeicheldrüse histologisch auf-
fällige Betazellen. Das umgebende Pankreasge-
webe ist histologisch unauffällig. Die fokale CHH
scheint das Ergebnis zweier Ereignisse zu sein:
erstens eine väterlich geerbte KATP-Kanalmutation
und zweitens der Verlust des korrespondierenden
mütterlichen Allels innerhalb des fokalen Bereichs.
Dies führt zu einem Ungleichgewicht der Expression
verschiedener imprinteter Gene. Dies umfasst die
Expression des insulinähnlichen Wachstumsfaktors
2 (IGF2) [3] und der Tumorsuppressorgene H19
und CDKN1C (Cyclinabhängiger KinaseInhibitor
1C). Diese Gene fördern die BetazellHyperplasie
und werden väterlich und mütterlich exprimiert [2].
In einzelnen Fällen hat auch die väterliche Alleldu-
plikation von Chromosom 11 eine fokale CHH ver-
ursacht [4]. Der Hauptteil der fokalen CHH durch
heterozygote väterlich ererbte Mutationen im
ABCC8 oder KCNJ11Gen ist für etwa 30 bis 40
Prozent aller CHHFälle verantwortlich. Die opera-
tive Entfernung der Läsion ist in der Regel kurativ.
Bei der diffusen CHH verteilen sich dagegen die
auffälligen Inselzellen über das ganze Pankreasge-
webe, die Inselzellmorphologie bleibt aber erhal-
ten [5, 6]. Patienten mit einer diffusen CHH haben
entweder homozygot rezessive oder zusammenge-
setzt heterozygote Mutationen in den KATP-Kanal-
genen (s.u.). Diese Form der CHH macht 60 bis 70
Prozent aller CHHFälle aus. Die Patienten spre-
chen in der Regel nicht auf eine medikamentöse
Behandlung an und benötigen eine fast vollstän-
dige Pankreatektomie. Dies führt häufig zu einem
lebenslangen Diabetes und exokriner Insuffizienz.
Unter atypischer CHH werden die Formen zu-
sammengefasst, die histologisch weder der foka-
len noch der diffusen Form zugeordnet werden
können. Die Patienten sprechen auf die Behand-
lung sehr unterschiedlich an. Während ein Teil der
Patienten erfolgreich operativ behandelt werden
kann, benötigen andere eine medikamentöse The-
13
HH
Abbildung:Schematische Darstel-
lung der Regulation des ATP-sensitiven K+-Kanals
durch Nukleotide und die dadurch vermittelte
Insulinfreisetzung aus den Betazellen
Quelle: modifiziert nach [2]
dung zum zellulären Metabolismus sichergestellt.
Bei Anstieg der intrazellulären ATP-Konzentration
schließt sich der KATPKanal. Dies führt zur Depola-
risation der Betazellmembran, was die Aktivierung
der spannungsabhängigen Kalziumkanäle triggert.
Der Einstrom von Ca2+-Ionen in die Betazelle indu-
ziert die Exozytose von Insulin. Es sind rezessive
und dominante Mutationen in den ABCC8 bzw.
KCNJ11Genen beschrieben worden, die sich un-
terschiedlich auf den KATPKanal auswirken. So kön-
nen entweder Regulation, Biogenese, Transport
zur Membran gestört sein oder es kann zu Affini-
tätsänderungen gegenüber ATP oder ADP kom-
men [2]. Kanalopathien sind die häufigste Ursache
der CHH.
Metabolopathien als Ursache der CHHEs sind auch genetische Defekte bekannt, die zu
den selteneren metabolischen Ursachen der CHH
führen. Dabei wurden Defekte in den Genen GCK,
SCHAD; GLUD1, SLC16A1, HNF1A, HNF4A und
UCP2 beschrieben [12, 13]. Das GLUD1Gen ko-
diert die Glutamat-Dehydrogenase (GDH), die in
der mitochondrialen Matrix exprimiert wird. Gluta-
mat wird durch GDH zu Alpha-Ketoglutarat um-
gewandelt und dient im Krebszyklus der ATP-Ge-
winnung. Aktivierende Mutationen im GLUD1, die
GDH weniger ansprechbar auf die Inhibition durch
ATP und GTP machen, können CHH verursachen.
Die GDHÜberaktivität geht mit einer vermehrten
Bildung von Alpha-Ketoglutarat und Ammoniak
einher, was zu der Bezeichnung Hyperinsulinis-
musHyperammonämieSyndrom geführt hat. Das
von dem GCK-Gen kodierte Enzym Glukokinase
katalysiert die Phosphorylierung von Glukose zu
Glukose6Phosphat und dient in der Betazelle als
Sensor für die Regulation der Insulinsekretion. Inak-
tivierende Mutationen der GCK führen zum MODY2,
dominante Gain-of-function-Mutationen dagegen
zum CHH. Es wurden 15 mit CHH assoziierte Mutati-
onen beschrieben [14]. Patienten mit CHH aufgrund
von GCK-Mutationen unterscheiden sich sowohl
bezüglich des Alters bei Diagnose als auch bezüg-
lich des Schweregrads der Erkrankung [15]. Auch
autosomal rezessive Mutationen im HADH-Gen, das
das an der BetaOxidation beteiligte Enzym Short
chain-3-hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase (SCHAD)
kodiert, sind eine seltene Ursache des CHH [16].
Meist sind konsanguine Familienmitglieder betrof-
fen und auch hier variieren das Alter bei Diagnose
und Ausprägung der Erkrankung.
Auch Mutationen in den beiden Hepatozy-
tenNuklearFaktor 1 und 4 (HNF1A und HNF4A),
die zur Familie der nuklearen Hormonrezeptoren
gehören, können CHH verursachen. HNF1A ist
ein Transkriptionsfaktor, der die Expression von
leberspezifischen Genen und von Genen in der
Bauchspeicheldrüse verstärkt [17]. Heterozygote
LossofFunctionMutationen verursachen CHH.
Die Patienten haben eine leichte fetale Makroso-
mie und entwickeln im Alter MODY3. Warum es zu
dem Wechsel zum MODY3 kommt, ist unklar. Die
Inzidenz dieser Form der CHH gilt als sehr gering,
was aber auch an der teilweise sehr schwachen kli-
nischen Ausprägung liegen könnte [2].
Höher ist der Schweregrad des CHH bei Mu-
tationen im HNF4AGen. Das Gen besitzt die bei-
den Promoterregionen P1 und P2. Die Transkrip-
14
HH
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Beim Insulin-Autoimmunsyndrom, das auch als
Hirata-Krankheit bezeichnet wird, kommt es nach
einer Mahlzeit durch die erhöhten Blutglukosespie-
gel zwar zu einer Insulinsekretion, aber aufgrund
der Insulinautoantikörper, die an das Insulin binden
und so seine Bioverfügbarkeit verringern, dennoch
zu einer Hyperglykämie. Nach einigen Stunden mit
sinkenden Blutzuckerspiegeln ensteht aufgrund
der Freisetzung des Insulins aus der Bindung mit
den Antikörpern die Hypoglykämie [26]. Bei bari-
atrischen Patienten kann es als Nebenwirkung zur
postprandialen hyperinsulinämischen Hypoglykä-
mie (PPHH) und Nesidioblastose kommen [27].
Schließlich sind hier noch das NonInsulinoma
pankreatogene HypoglykämieSyndrom (NIPHS)
zu nennen, dessen genetische Ursache unbekannt
ist, sowie das Insulinom, das bei Erwachsenen mit
einer Häufigkeit von vier pro einer Million die häu-
figste Ursache endogener hyperinsulinämischer
Hypoglykämien ist [28].
Dr. Corinna VolzZang
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tion von P2 ist in Betazellen des Pankreas erhöht
und reguliert dort Gene, die an der glukosestimu-
lierten Insulinsekretion beteiligt sind [18,19]. Auch
beeinflusst es das KATPKanalgen KCNJ11 (s.o.).
Allerdings entwickelt nur ein kleiner Teil der Pati-
enten mit dominanten inaktivierenden Mutationen
des HNF4AGens CHH. Ein typisches Merkmal
bei HNF4A CHHPatienten ist die Makrosomie
[20, 21].
Auch GainofFunctionMutationen in SLC16A1,
das den MonocarboxylatTransporter 1 (SLC16A1)
kodiert, der den Transport von Laktat und Pyruvat
in die Betazellen des Pankreas reguliert, können
CHH verursachen. Die Hypoglykämien werden
durch anaerobe körperliche Belastung induziert
(exercixe induced hyperinsulinism) [22]. Die meis
ten Patienten sprechen auf Diazoxid an, jedoch
nicht nach starker körperlicher Anstrengung, die
von den Patienten nicht toleriert wird. UCP2 ko-
diert das Entkopplungsprotein 2 (Uncoupling Pro-
tein 2), ein mitochondriales Carrierprotein, das
hauptsächlich in den Alpha- und Betazellen des
Pankreas gebildet wird. Bei UCP2KOMäusen
entwickelte sich Hyperinsulinismus, sodass vermu-
tet wird, dass UCP2 an der Regulation der Insulin-
sekretion beteiligt ist. Bei zwei Kindern mit CHH
wurden UCP2Genmutationen beschrieben, die
zu einem LossoffunctionEffekt führen [23]. Auch
Mutationen im Insulinrezeptorgen wurden als Ursa-
che für Hypoglykämie bei Patienten mit schwerem
HH identifiziert [24]. Der beobachtete Hyperinsuli-
nismus scheint eher durch eine Verminderung der
Clearance des Insulins als durch eine erhöhte Insu-
linfreisetzung bedingt zu sein, da die C-Peptidkon-
zentrationen im normalen Bereich liegen [2].
Derzeit sind bei etwa 50 Prozent der Patienten
mit hyperinsulinämischer Hypoglykämie gene-
tische Ursachen nachweisbar.
Nicht genetische Ursachen der hyper insulinämischen HypoglykämieEs gibt eine Reihe nicht genetischer Ursachen einer
hyperinsulinämischen Hypoglykämie. Dazu gehört
das Dumping-Syndrom aufgrund von Fundopli-
catio. Hier werden Hyperinsulinämie und Hypo-
glykämie auf auffällig erhöhte Spiegel des Gluca-
15
Abbildung 1: Überblick über den
Aufbau des CUL7- und des OBSL1-Gens und ihrer
Genprodukte
A. Das CUL7-Gen auf Chromosom 6p21.1 (oberer Balken) hat eine kodierende
Länge von 5346 Nukleoti-den und setzt sich aus 26 Exons (Farbe) und Introns
(weiß) zusammen. Das Genprodukt Cullin7 (unterer Balken) besteht aus den drei
funktionellen Hauptdo-mänen CPH, DOC und
Cullin. Beim 3MSyndrom sind bislang mindestens 40
Mutationen im CUL7-Gen bekannt.
B. Das OBSL1Gen auf Chromosom 2q35 (oberer Balken) hat eine kodieren-
de Länge von ca. 3075 Nukleotiden und setzt sich
aus 24 Exons (Farbe) und Introns (weiß) zusammen. Sein Genprodukt OBSL1
(unterer Balken) liegt in drei Isoformen A (1896 AS), B
(1401 AS) und C (1025 AS) vor, die sich hinsichtlich
ihrer Anzahl an C-terminalen IgDomänen unterscheiden.
Insgesamt sind im OBSL1Gen beim 3M-Syndrom bislang mindestens 19
Mutationen beschrieben.
CUL7=Cullin7
OBSL1=Obscurinlike1
SCF=Komplex aus Skp1, Fbw8 und ROC1
AS=Aminosäuren
3M-SyndromBeim 3M- bzw. Triple-M handelt es sich um eine autosomal-rezessiv vererbte Skelettdysplasie, deren Häufigkeit mit weniger als einem Fall auf eine Million sehr selten ist. Die Bezeichnung „3M“ geht auf die Anfangsbuchstaben der Na-men der drei Erstautoren der Erstbeschreibung aus dem Jahr 1975 zurück (Miller-McKusick-Mal-vaux-Syndrom) [1].
Typische Krankheitszeichen sind unter anderem
niedriges Geburtsgewicht, prä- und postnataler
Minderwuchs mit relativ großem dreieckigem
Kopf, ein bereits bei der Geburt charakteristisches
Gesicht („gloomy face“) mit vollen Lippen und
spitzem Kinn, Anomalien des Gaumens und der
Zahnstellung, kurzer breiter Hals mit hervorstehen
dem Trapeziusmuskel, Deformation des Brustbeins
(„Hühnerbrust“), verlängerte Röhrenknochen und
Rippen, hohe Wirbelkörper, vorstehende Fersen
und Gelenkschlaffheit.
Die Diagnose beruht auf dem anatomischen
Phänotyp, der bereits in utero erkennbar ist, und
wird in der Regel durch Bildgebungsverfahren,
z.B. Ultraschall oder Röntgen, und molekularge-
netische Tests bestätigt. Heterozygote Eltern und
Geschwister von Kindern mit 3M-Syndrom haben
keinen auffälligen Phänotyp und sind üblicherwei-
se normal groß [2].
Es gibt mehrere andere intrauterin (primor-
dial) vorhandene SGA (Small for Gestational
Age)-Wachstumsstörungen mit Phänotypähnlich-
keiten (Tabelle S. 16). Im Gegensatz zu den mei-
sten dieser anderen SGA-Syndrome ist die Intelli-
genz bei Kindern mit 3MSyndrom jedoch normal.
Die Körpergröße im Erwachsenenalter bei
3M-Syndrom entspricht ungefähr der bei Pati-
enten mit unbehandeltem Wachstumshormon(GH,
growth hormone) oder IGF1/in sulinähnlicher
Wachstumsfaktor1)Mangel. Endokrinologische
Untersuchungen ergaben jedoch, dass die
GH-Konzentrationen beim 3M-Syndrom in Sti-
mulationstests normal/erhöht sind, während sich
die IGF1Spiegel am unteren Ende des Normbe-
reichs oder darunter bewegen. Aufgrund des zu
geringen Geburtsgewicht und des ausbleibenden
Aufholwachstums bis zum vierten Lebensjahr kom-
men Kinder mit 3M-Syndrom für die Gabe von
GH infrage. Allerdings scheint das Ansprechen
auf die Gabe von rekombinantem GH insgesamt
eher schwach zu sein [3, 4]. Es liegt aber eine er-
hebliche interindividuelle Variabilität in Bezug
auf das Ansprechen auf eine GH-Therapie vor,
sodass eine Hochdosisgabe (z.B. 50 μg/kg/Tag)
vorgeschlagen wurde. Bei Patienten mit norma-
len Wachstumshormonspiegeln und niedrigem
IGF-1-Spiegel, die unzureichend auf die GH-Gabe
ansprechen, könnte möglicherweise eine Therapie
mit rekombinantem IGF1 infrage kommen [4].
GenetikDas 3M-Syndrom ist genetisch heterogen und auf
Mutationen in den drei Genen CUL7 (auf Chro-
mosom 6p21.1, Abbildung 1A), Obscurinlike1
bzw. OBSL1 (auf Chromosom 2q35, Abbildung
1B) und Coiled-Coin-Domain-Containing-Pro-
tein 8 bzw. CCDC8 (auf Chromosom 19q13.32)
zurückzuführen. In CUL7 sind mehr als
40 verschiedene Mutationen in Zusam-
menhang mit dem 3M-Syndrom identi-
fiziert worden, darunter Nonsense und
Missense-Mutationen, die vermutlich
alle Auswirkungen auf die Funktion des
CUL7Genprodukts haben [5, 6]. Das
Genprodukt von CUL7, Cullin7, ist eine
Ubiquitinligase, das Gen produkt von
OBSL1 ist ein Adapter im Zytoskelett,
während CCDC8 ein zytoplasmatisches
Protein mit bislang nicht identifizierter
Funktion kodiert. Anders als Mutationen
16
3M-Syndrom
in den anderen beiden Genen sind Mutationen im
CUL7Gen bei 77,5 Prozent der von der Krankheit
betroffenen Familien und damit am häufigsten
festzustellen [6].
CUL7/Cullin7 und WachstumCullin7 ist integraler Bestandteil eines Ubiquitin-Li-
gase-Komplexes im Golgi-Apparat, einer zentra-
len Komponente des Ubiquitin-Proteasomen-Pro-
teinAbbauwegs [5]. Der proteolytische Abbau
von Proteinen über das 26SProteasom beinhaltet
die Anlagerung des Ubiquitin-Ligase-Komplexes
an das jeweils abzubauende Zielprotein und den
anschließenden Abbau des Zielproteins durch das
26SProteasom. Weitere Bestandteile des Ubiqui-
tin-Ligase-Komplexes sind, außer Cullin7, das Ad-
ap terprotein Skp1, das FBoxProtein Fbw8 und
das RINGFingerprotein ROC1, wobei letztere drei
Komponenten insgesamt abgekürzt als SCF be-
zeichnet werden. Der Cullin7SCFUbiquitinLiga-
se-Komplex bestimmt durch reversible Bindung an
andere Proteine im Rahmen der Ubiquitinierung
deren Schicksal in der Zelle mit und ist in dieser
Funktion auch an der Regulierung von Signal-
übertragungsketten beteiligt, die nach Einwirkung
externer Stimuli auf die Zelle zu einer Aktivierung
von Genen im Zellkern führen. Beispiele hierfür
sind Signalketten, die durch Bindung der jewei-
ligen Liganden an den Insulinrezeptor, den Wachs-
tumshormonrezeptor oder den IGF-1-Rezeptor
in Gang gesetzt werden und über das Insulinre-
zeptorsubstrat 1 (IRS-1) verlaufen, um eine wachs-
tumsstimulierende Wirkung auf die Zelle ausüben.
Syndrom Prävalenz
Mittlere Verringerung des Geburts-gewichtes in Standardab-weichungen
(SD)
Körper-größe
im Erwachsenen-
alter (in cm)
Lernbe-hinderung Gesichtsphänotyp
Kopfgröße/sonstige auffällige Merkmale
Genanomalie
3M-Syndrom
<1:1 Mio. –3,1 SD 115–150 keine dreieckige Gesichts-form, volle fleischige Lippen, hervorste-hende Stirn, nach oben zeigende Nase
normal/verlänger-te Röhrenknochen und hohe Wirbel-körper, hervorste-hende Fersen (vor allem bei Kindern)
Mutationen in den Genen CUL7, OBSL1 und CCDC8
Silver-Russell-Syndrom
1–30:100 000 –2 SD 142–150 variabel, meist leicht
dreieckige Gesichts-form, breite Stirn, spitzes, kleinen Kinn
normal/Asymme-trie der Gliedma-ßenlänge
genetisch heterogen, Störungen der ge-nomischen Prägung (Imprinting) auf 11p15 oder maternale unipa-rentale Disomie 7
Bloom-Syndrom
1:50 000 bei Ashka-nazi-Juden, ansonsten unbekannt
–2 SD 122–162 vorhanden malare Hypoplasie Dolichozephalie/Telangiektasie-artiges Erythem
gegenüber norma-len Zellen 10fache Erhöhung der Schwe-sterchromatid-Aus-tausch(SCE)-Rate
MULIBREYKleinwuchs
ca. 115 beschriebene Fälle
–2,8 SD 136–150 vorhanden dreieckige Gesichts-form, hervorstehende Stirn
Dolichozephalie/relativ große Hände
Mutationen im TRIM37-Gen (17q22q23).
Seckel-Syndrom
<1:1 Mio. –4,5 SD 90–160 vorhanden vogelkopfähnliches Aussehen, fliehendes Kinn, schmale, hervorstehende, gebogene Nase
Mikrozephalie/Klinodaktylie des 5. Fingers
genetisch heterogen, Mutationen in der Chromosomenregion 3q22.1q24
Dubowitz-Syndrom
ca. 150 beschriebene Fälle
–2,6 SD keine Angabe vorhanden dreieckige Gesichts-form, Mikrognathie
Mikrozephalie/infantiles Ekzem, Blepharophimose
unbekannt
MOPD II sehr selten, genaue Prävalenz unbekannt
–4,5 SD ~100 vorhanden hervorstehende Nase mit Hypoplasie der Nasenspitze, Mikro-gnathie
Mikrozephalie/dysproportionale Gliedmaßenverkür-zung, Hüftdysplasie
unbekannt
Tabelle:Überblick über phäno-
typische und genetische Merkmale autosomal-rezessiv
vererbter Kleinwuchssyn-drome mit phänotypischer
Ähnlichkeit mit dem 3M-Syndrom
Quelle: modifiziert nach [4]
17
3M-Syndromüber eine anomale Erhöhung der Aktivität von p53
und einen dadurch bedingten Stopp des Zellzyklus
eine Reduzierung des Zellwachstums bewirken.
Mehrere Studien konnten überdies zeigen, dass
die Expression von Cullin7-SCF-Komplexen bei ei-
ner Reihe von malignen Tumoren erhöht ist [10].
Die Expression von CUL7 verhinderte die von den
Transkriptionsfaktoren cMyc und NMyc vermittelte
Apoptose. CUL7 wurde daher auch als eine Art
apoptosehemmendes Onkogen bezeichnet [11].
Im Umkehrschluss könnte dies bedeuten, dass der
Verlust des CUL7Genproduktes vor einem unkon-
trollierten Wachstum der Zelle infolge eines Außer-
kraftsetzens von Apoptosemechanismen schützt.
Wie kürzlich in Zusammenhang mit einer neuen Mu-
tation im CUL7-Gen festgestellt worden ist, scheint
eine respiratorische Insuffizienz, die in schweren Fäl-
len zu einem frühen Tod führt, bei manchen Kindern
mit 3M-Syndrom Teil des Krankheitsphänotyps zu
sein [12]. Cullin7 spielt daher vermutlich auch eine
wichtige Rolle bei der Entwicklung der Lunge.
OBSL1Es gibt 3M-Kinder konsanguiner Eltern ohne Mu-
tationen in CUL7. Es wurden bislang mindestens
19 Mutationen in einer genomischen Region auf
Chromosom 2 identifiziert, auf der sich das Gen
OBSL1 befindet. OBSL1 besteht aus mehreren
Immunglobulindomänen und einer Fibronektindo-
mäne und kommt in den drei Isoformen A, B und C
vor. Die in Zusammenhang mit 3MSyndrom iden
tifizierten OBSL1Mutationen führen vermutlich zu
einem vollständigen Funktionsverlust des Genpro-
duktes, wobei alle drei Isoformen betroffen sind
[10]. Aufgrund seiner Domänenstruktur könnte das
OBSL1Genprodukt als Zytoskelettadapter wirken,
der membrangebundene Kernproteine mit zell-
stützenden Strukturen im Zytoplasma verknüpft.
Das OBSL1Genprodukt ist eng mit dem Protein
Obscurin verwandt, das für die Struktur von Mus-
kelzellen eine wichtige Rolle spielt, sodass für
OBSL1 eine ähnliche Funktion angenommen wird.
Ob dies zutrifft, ist jedoch nach wie vor unklar,
zumal bislang kein 3MPatient mit OBSL1Muta-
tionen und Muskelschwäche identifiziert worden
ist. Eine quantitative EchtzeitPCRAnalyse der
Die GHinduzierte vermehrte Aufnahme und Ver-
wertung von Aminosäuren in Muskel-, Leber- und
Knochenzellen und die insulininduzierte vermehrte
Glukoseaufnahme in die Zelle verlaufen über solche
Signalketten, die im Zusammenhang mit Wachstums-
störungen wie dem 3M-Syndrom von besonderem
Interesse sind. In der Zelle stellt der durch Ubiquiti-
nierung veranlasste proteolytische Abbau von IRS-1
in Proteasomen eine regulatorische Komponente
dar, die eine anhaltende, dem IRS-1 nachgeschalte-
te Signalweiterleitung verhindert. Eine ähnliche Rolle
spielt Ubiquitinierung auch im Zellzyklus, indem das
am Zellzyklus beteiligte Cyclin am Ende der mito-
tischen Zellteilung dem Abbau zugeführt wird.
Über den SCFUbiquitinLigaseKomplex
ist Cullin7 in zentrale Regulationswege auf Zell
ebene involviert. Es wurde gezeigt, dass die Cul
lin7SCFKomponente mit IRS1 interagiert bzw.
dessen intrazelluläre Konzentration reguliert, indem
sie IRS1 dem proteolytischen Abbau zuführt [7].
IRS-Proteine spielen bei metabolischen und mito-
genen Prozessen als Übermittler von Signalen vom
Insulinrezeptor (IR), dem IGF-1-Rezeptor und dem
GHRezeptor eine wichtige Rolle. Alle beim 3MSyn-
drom identifizierten Mutationen in CUL7 haben ei-
nen Funktionsausfall des Genprodukts zur Folge.
Ein nicht funktionales Cullin7-Protein (im Folgenden
als 3M-Cullin7 bezeichnet), kann IRS-1 nicht mehr
ubiquitinieren, sodass es zu einer Akkumulation
von IRS1 kommt. Wie einige Daten belegen, kann
es dadurch zu einer Veränderung der vom IR, dem
IGF-1-Rezeptor und GH ausgehenden Signalketten
kommen. In Zelllinien, in denen CUL7 ausgeknockt
wurde, führt die Akkumulation von IRS1 u.a. zu ver-
stärkter Aktivierung von AKT und MAPK (Bestand-
teile von Signalketten) und eine Überstimulierung zu
zellulärer Alterung und vorzeitigem Zelltod [7].
Cullin7 enthält außerdem eine CPH-Domäne,
die als p53bindende Region wirkt. Es wird daher
angenommen, dass Cullin7 seinen im Normalfall
wachstumsfördernden Einfluss auch über Interak
tionen mit p53 ausüben könnte [8, 9]. Mutationen
in Cullin7 könnten sich auch auf dieses wichtige
Wachstumsregulatormolekül auswirken. p53 wurde
auch als „Wächtermolekül“ bezeichnet, weil es als
Transkriptionsfaktor die Expression beschädigter
Gene reguliert. 3MCullin7 könnte möglicherweise
18
3M-SyndromLiteratur
1. Miller JD et al. Birth Defects Original Article Series. 1975;11:3947
2. Le Merrer M et al.Jour-nal of Medical Genetics. 1991;28:186191
3. Murray P et al. Archives of Disease in Childhood. 2007;92(I):A13A15
4. Clayton PE et al. Clin En-docrinol 2012;77:335342
5. Hanson D et al. Hormone Research in Paediatrics. 2011;76:369378
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7. Xu X et al.: Molecular Cell. 2008;30:403414
8. Andrews P et al.Onco-gene. 2006;25:45344548
9. Kaustov L et al. Journal of Biological Chemistry. 2007;282:1130011307
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11. Kim SS et al. Cancer Rese-arch. 2007;67:96169622
12. Deeb A et al. Endocri-nology, Diabetes & Metabolism Case Reports. 2015;2015:150012
13. Arai T et al. Proc Natl Acad Sci USA. 2003;100:98559860
14. Hanson D et al. American Journal of Human Gene-tics. 2009;84:801806
15. Hanson D et al. American Journal of Human Gene-tics. 2011;89:148153
16. Akawi NA et al. Ame-rican Journal of Me-dical Genetics Part A. 2011;155A:12361245
17. Clayton P et al. J Clin Endocrinol Metab. 2013; E11221130
CUL7, OBSL1 und CCDC8 beim 3M-Syndrom
Die Daten legen nahe, dass Cullin7, OBSL1 und
CCDC8 Bestandteile desselben wachstumsregu-
latorischen Prozesses sind, der beim 3M-Syndrom
gestört ist [5] (siehe Abbildung 2). Es gibt zudem
Hinweise darauf, dass die drei Proteine innerhalb
der Zelle physisch assoziiert sein könnten. Ver-
schiedene Beobachtungen [5, 14, 15] legen nahe,
dass OBSL1 die über Cullin7 und das CCDC8
Gen produkt laufenden intrazellulären Signalwe-
ge als eine Art zentrales Stellglied miteinander
verbindet, was zu seiner postulierten Funktion
als Adapterprotein passt. Es wird angenommen,
dass noch weitere an diesem wachstumsregula-
torischen Prozess und möglicherweise auch beim
3MSyndrom beteiligt sind.
RNA aus Fibroblasten von zwei 3MPatienten
mit unterschiedlichen OBSL1Mutationen zeigte
jedoch veränderte mRNAMengen der IGFBin
dungsproteine IGFBP2 und IGFBP5. Daraus wurde
geschlossen, dass OBSL1 die Expression von IGF
BPProteinen modulieren könnte [10].
CCDC8Ungefähr fünf Prozent der 3M-Patienten mit nor-
malem CUL7 und normalem OBSL1Gen weisen
Mutationen im CCDC8Gen auf [5]. Es sind bislang
mindestens zwei Mutationen in CCDC8gefunden
worden, die zu einem Funktionsverlust des Proteins
führen. Die Funktion des Genprodukts ist nicht be-
kannt, allerdings scheint es, ebenso wie Cullin7, mit
p53 zu interagieren und bei der p53vermittelten
Apoptose als Kofaktor zu dienen. Es gibt außer-
dem Hinweise auf eine Interaktion mit OBSL1 [5].
Abbildung 2: Hypothetische Einflussnahme der 3M-spezifischen Produkte der Gene CUL7, OBSL1 und CCDC8 auf die über IRS-1 (A) und p53 (B) laufenden Signalketten in der Zelle
A. Durch die Mutationen im CUL7-Gen verliert das beim 3M-Syndrom vorhandene Genprodukt 3M-Cullin7 seine Funktion, sodass IRS-1 nach Aktivierung über den IR, den IGF1R und den Wachstumshormonrezeptor nicht mehr proteolytisch durch Ubiquitinierung abgebaut wird. Es kommt zur Akkumulation von IRS1 im Zytoplasma und dadurch zu vorzeitiger Zellalterung und Zelltod.
B. 3MCullin 7, 3MOBSL1 und 3MCCDC8 bewirken gemeinsam eine Erhöhung der Expression von p53, die über p21vermittelte Si-gnalketten zum Anhalten des Zellzyklus führt.
3MCUL7=mutierte Form von Cullin7 beim 3MSyndrom; 3MOBSL1=mutierte Form von OBSL1 beim 3MSyndrom; 3MCCDC8=mu-tierte Form von CCDC8 beim 3MSyndrom; IRS1=Insulinrezeptorsubstrat 1
19
Aktuell T E R M I N E
7. Schilddrüsen-Intensivkurs 2016►23.–24. September 2016, Essen Lehr- und Lernzentrum der Medizinischen Fakultät, Universität Duisburg-Essen Wiss. Leitung: Prof. D. Führer Organisation: EndoScience
EMail: [email protected] OnlineRegistrierung: www.manage.
com/Login.aspx?event=sdik2016 Vorläufiges Programm: www.endo
krinologie.net/files/download/veran staltungen/16042701.pdf
18. YARE-Jahrestagung►21.–23. Oktober 2016, Würzburg YARE (Young Active Research in
Endocrinology) dient in erster Linie
als eine Plattform für junge Endokri-nologen in Deutschland, aber auch andere interessierte Endokrinologen sind willkommen.
www.yareendo.de
XIX. Intensivkurs Klinische Endokrinologie►9.–12. November 2016, Würzburg Wiss. Leitung: Prof. Dr. M. Fassnacht Organisation: EndoScience
Neben Frontalvorträgen, Workshops und „Meet the Expert“-Sessions soll in den meisten Hauptsitzungen ein „besonderer Fall“ präsentiert wer-den, der von einem Fachspezialisten gemeinsam mit dem Auditorium gelöst werden soll.
www.intensivkursendokrinologie.de/2016
Tagung der Sektion Schilddrüse der DGE►25.–26. November 2016, Heidelberg Wiss. Leitung: Prof. Dr. Karin Frank
Raue und Prof. Dr. Friedhelm Raue, Heidelberg
Organisation: EndoScience Hauptthemen: Schilddrüsenhor-monwirkung; medulläres Schilddrü-senkarzinom, differenziertes Schild-drüsenkarzinom, Theranostik bei Schilddrüsenerkrankungen
www.endokrinologie.net/files/down load/veranstaltungen/16022501.pdf
3M-SyndromGenerelles Vorhandensein 3M-spezifi-scher Genmutationen bei Kleinwuchs
Es wird vermutet, dass bereits bekannte Mutati-
onen oder neue Sequenzvarianten in den Genen
CUL7, OBSL1 und CCDC8 an der Pathogenese von
fetalen Wachstumsstörungen beteiligt sind und bei
SGAKindern eine Rolle spielen könnten. Dafür
spricht, dass bei Patienten mit Silver-Russell-Syn-
drom (SRS) ebenfalls Mutationen in CUL7 und
OBSL1 identifiziert worden sind [16]. Molekulares
Screening von CUL7 und OBSL1 von Patienten
mit SRS (n=33) oder intrauteriner Wachstumsretar-
dierung (IUGR) (n=45) ohne klare Ätiologie ergab
zum Beispiel eine Deletion von drei Basenpaaren
in Exon 4 des CUL7Gens bei einem SRS und bei
einem IUGRPatienten, die zu einer Veränderung in
der CPHDomäne des CUL7 Gens führten [4]. Bei
kleinwüchsigen Kindern mit normalen GH-Spie-
geln und ohne klare Ätiologie ergab die Suche
nach möglichen Mutationen in wachstumsrele-
vanten Kandidatengenen, einschließlich wurden
zwei neue homozygote und elf neue heterozygote
Mutationen in CUL7 und vier neue homozygote
und 15 neue heterozygote, potenziell schädliche
Varianten in OBSL1 gefunden, die bei normalwüch-
sigen Kindern nicht vorkamen [4, 17].
Es bedarf allerdings weiterer Untersuchungen,
um gegebenenfalls Zielmoleküle zu identifizieren,
die Ansatzpunkte für neue Therapien der Wachs-
tumsstörungen bieten könnten.
Dr. Sabine Bieg
AbkürzungenCUL7=Cullin7
OBSL1=Obscurinlike 1
CCDC8=CoiledCoinDomainContainingProtein 8
AS=Aminosäuren
IR=Insulinrezeptor
IGF-1=Insulin-like Growth Factor-1 (insulinähnlicher Wachstumsfaktor 1)
IRS-1=Insulinrezeptorsubstrat 1
IGFBP=IGF-Bindungsprotein
GH=Wachstumshormon
rhIGF=rekombinanter humaner IGF-1
Ferring NewsNEU: Central Diabetes Insipidus Die Buchreihe „Endokrinologische Therapie“ hat Zuwachs erhalten! Thema des neuen Buches sind Ätiologie, (Diffe-renzial-)Diagnostik und Therapie des zentralen Diabetes insipidus. Kurz, prägnant und strukturiert wird leicht ver-ständlich und sehr praxisnah auf die einzelnen Themen eingegangen. Mit den Autorinnen Prof. Assunta Albane-se und ihrer Mitarbeiterin Dr. Nirit Braha haben wir zwei exzellente Autorinnen gewonnen, die sich wissenschaftlich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben und auf eine breite praktische Erfahrung zurückblicken können. Das Buch erscheint in englischer Sprache und ist somit auch ei-ner breiteren Leserschaft zugänglich. Erhältlich ist das Buch über den FERRINGSpezialaußendienst oder digital auf www.Zomacton.de bzw. über die bekannte FERRINGApp.
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… und 60 Jahre in Deutschland!FERRING Deutschland wurde 1956 in Düsseldorf gegründet. 1973 siedelte die Firma nach Kiel um und errichtete die erste Produktionsstätte außerhalb Skandinaviens. In Kiel sind Produktion, Marketing und Vertrieb präsent. Im Bereich der Produktion werden un-ter anderem Medikamente zur Behandlung des unerfüllten Kinderwunsches hergestellt und über den Hauptsitz in der Schweiz in über 60 Länder exportiert.
Die Marketing und Vertriebsgesellschaft wurde 1996 von der FERRING GmbH (Produk-tion) getrennt und firmiert seitdem als „FERRING Arzneimittel GmbH“. Insofern besteht dieses Unternehmen 20 Jahre. In der Endokrinologie ist das starke Engagement des Unternehmensgründers spürbar: Mit der Errichtung zweier Stiftungsprofessuren für pä-diatrische Endokrinologie, der exklusiven Unterstützung der ESPE „Summer School“ und „Winter School“ sowie dem jährlich ausgeschriebenen „Dietrich-Knorr-Preis“ setzt sich FERRING für Forschung und Lehre in der Endokrinologie ein.