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Menschen hautnah „Mit kleinen Tricks wird aus einer einfachen Begegnung ein Highlight im Alltag“ W ie alt sind Sie eigent- lich, Frau Reich?“ Vera Reich lächelt. Dass die Frage unhöflich war, ignoriert die Dame mit dem dunklen Blazer und den wei- chen Gesichtszügen char- mant. Eine Antwort bekommt der Fragende nicht. Eine Situation, die zeigt, wie leicht man mit Äußerungen und Verhaltensweisen ins Fettnäpfchen treten kann. Wie sich das leicht vermeiden lässt, weiß niemand besser als die Münchner Knigge-Traine- rin Vera Reich. Sie versteht es perfekt, Begegnungen zu et- was Besonderem zu machen. „Genau das ist ja der Sinn von Knigge: Begegnungen freundlich machen!“, bringt sie es auf den Punkt. Das hat sie schon als Vierjährige mit großer Freude ge- übt. „Ich komme aus einem Unter- nehmerhaushalt und meinen El- tern war gutes Benehmen sehr wichtig.“ Um das früh zu ler- nen, durfte sie schon als klei- nes Mädchen mit in gute Restau- rants. Ganz stolz habe sie da als Kind zwischen den Erwachsenen beim Essen gesessen. „Und als der Kellner mich dann fragte, ob ich noch etwas möchte, habe ich gesagt: ,Nein danke, ich bin schon voll.‘“ Vera Reichs erstes Fettnäpfchen! „Aber meine Eltern haben mich nicht vor allen Leuten in Verlegenheit gebracht und mich belehrt. So was wurde einfach später beredet, ganz ohne Druck. Deswegen hat mir das alles auch so Spaß gemacht! Ich durfte mit in die Oper, ins Theater, dabei sein, wenn die Großen sich unterhielten. Ich fand das alles herrlich.“ Knigge ist heute ein Erfolgsfaktor So lernte Vera Reich spiele- risch von klein auf Be- nimm-Regeln. „Ich habe da- durch früh erkannt, dass man mit gutem Benehmen mehr erreicht im Leben. Dass man sich mehr Wege und Chancen damit offenhält.“ Wie mache ich eine Begeg- nung angenehm? Diese Frage ist für Vera Reich so eine Art Knigge-Kompass. Zum Bei- spiel dann, wenn sie sich Ge- danken um ihr Outfit zu einem bestimmten Anlass macht. Aber auch an der Kasse im Discounter stellt sie sich diese Frage. „Weil ich da genauso Teil einer Begegnung bin. Mit der Kassiererin. Und warum soll ich nicht versuchen, diese Begegnung schön zu machen, indem ich freundlich bin, auf- munternd und ihr mit Respekt begegne. Dass sie vielleicht sogar durch mein Verhalten neue Motivation findet. Wenn ich das so einfach bewirken kann, ist das doch ein tolles Alltags-Highlight!“ Ohne viele Worte positiv wirken – das kann Vera Reich. Vielleicht habe die Kassiere- rin auch genau deswegen ein- mal extra für sie eine neue Kasse aufgemacht. Jeder wird täglich Teil von Begegnungen, gestaltet sie bewusst oder unbewusst. Knigge- Regeln sind die perfekten Helfer, um das Miteinander angenehm zu machen. Aber natürlich geht die Eti- kette auch mit der Zeit. So wird die berufstätige Frau von heute nicht mehr so wie einst hofiert. Im moder- nen Alltag hält z. B. auch nicht mehr nur der Mann einer Frau, sondern jeder jedem die Tür auf und das Du bietet nicht mehr die Frau als Erste an, hier hat jetzt der Ältere das Vor- recht. Ganz so streng wie früher geht es also nicht mehr zu, aber Achtung: Aus der Mode kommen gute Manieren bestimmt nicht. Handy-Alarm beim Essengehen Telefonieren im Restau- rant ist ein absolutes No-Go! Das fängt schon beim lauten Klingeln an. Tipps: Das Gerät hier immer stumm schalten! Sehr wichtige Anrufe vor dem Ausgehen unbedingt ankündigen und später zum Telefonieren den Raum verlassen, damit niemand gestört wird. Stilvoll aus dem Auto aussteigen Seine Helfergeste ist nach wie vor in. Umso mehr sollte die Dame auf den eleganten Ausstieg ach- ten. Tipp: Rock nach vorn zupfen, Beine geschlossen halten und in dieser Hal- tung langsam zur Tür dre- hen und aufstehen. Ach- tung: an die Handtasche denken, denn der Griff zurück ist gar nicht fein! Gläser nicht mehr klingen lassen Anstoßen bitte nur zu besonderen Anlässen oder an Silvester – und dann nur im Stehen! Bei mehr als acht Personen entfällt der Gläserklang komplett und auch, wenn die Gläser nicht die gleiche Form haben. Üblich ist, dass der Gastgeber das Wohlsein einleitet und die Gäste sich in der Luft zuprosten. Respekt im täg- lichen Miteinander Höflichkeit und Respekt zieht man nicht mit dem Sonntagskleid aus! Gute Manieren haben im stres- sigen Alltag gerade heute, wo alles schnell gehen soll, großen Wert. Denn auch an der Ladenkasse zeigt sich guter Stil. Knigge-Regeln gehen mit der Zeit, so wie diese hier … Fotos: Fotolia (4), knigge-reich.de Knigge-Trainerin Vera Reich ist Expertin für gutes Benehmen und Stil „Im Zug würde neben mir sicher niemand laut in sein Handy schreien!“, da ist sie sich sicher. So wie sie sich gibt und anderen begegnet, so begegnen andere ihr, das habe ihr die Erfahrung gezeigt. Ganz unkompliziert sei das! Denn wie man in den Wald ruft, so schallt es auch zurück. Ein stilsicheres Auftreten mache selbstbewusst. Dafür ist sie das beste Beispiel. „Und es ist auch ein gu- tes Mittel, nicht zu vergessen, sich selbst wertzu- schätzen“, er- gänzt sie. Was Vera Reich macht, wenn sie sich zu Hau- se etwas Gu- tes tun will? „Dann koche ich. Richtig auf- wendig und kreativ muss es sein. Da spielt auch die Farbkomposition der Zutaten auf dem Teller eine große Rolle und ihre An- ordnung.“ Zum Hauptgang serviert Frau Reich gerne Wild oder einen Braten, sie deckt den Tisch mit gutem Porzellan und Kristall und mit Stoffservietten. Stil hat auch eine kreative Seite Sie hat eben ein Faible für guten Stil! Auch ihre Blumen-Arrangements kre- iert sie selbst: „Ein Hobby, das mich richtig glücklich macht.“ Aber wohl mindestens ge- nauso glücklich macht es sie, dass sie ihre Leidenschaft für Stil und Höflichkeit zum Be- ruf machen konnte. Denn die Knigge-Trainerin brennt für ihr Thema. Seit 13 Jahren gibt sie ihr Wissen nun schon in Seminaren und Kursen wei- ter. Nicht nur an Business- Die Knigge-Expertin zeigt, wie man mit gutem Benehmen und Stil einfache Begegnungen zu Highlights macht leute. Auch an die Frau von nebenan, die sich vielleicht im Restaurant oder bei der anste- henden Feierlichkeit auf je- den Fall von ihrer besten Seite zeigen will. Auch der Bewer- bungskandidat oder ganze Unikurse profitieren von Vera Reichs Tipps, die auch Sprach- fertigkeit und Kleiderwahl einbeziehen. Eben alles für einen ansprechenden und an- gemessenen Auftritt. Die Trainerin weiß noch genau, wie es kam, dass sie ihren außerge- wöhnlichen Beruf er- griff: „Ich wollte ur- sprünglich in die Mo- debranche. Wollte Ent- würfe zeich- nen, kreativ sein“, erzählt sie. Das Talent hatte sie, dennoch entschied sich Vera Reich gegen die Gla- mourwelt. Warum? „Nur durch die Garderobe wirken, das war mir dann doch zu wenig. Was nützt ein Designerkleid, wenn man kein vernünftiges Gespräch füh- ren kann?“ Auf diesem Funda- ment gründete sie ihr „Knig- ge-Reich“ – so der Name ihres Unternehmens. Ein Reich, in dem das Sein wichtiger ist als der äußere Schein. Ob Vera Reich eigentlich auch wenn sie allein ist, z. B. mitten in der Nacht, wenn einmal der kleine Hunger wach wird, immer die Etiket- te einhält? Wieder dieses ver- schmitzte Lächeln in ihrem Gesicht: „Na ja, nachts um drei vorm Kühlschrank, da erlaube ich mir schon ein- mal, das Hähnchen mit der Hand zu essen!“ Sie lacht, denn Knigge hin oder her – manchmal heißt’s eben auch im Knigge-Reich einfach nur: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein. Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge († 1796) schrieb einst über den Umgang mit Menschen. Heute steht Knigge für das 1 x 1 des guten Stils 14 FRAU IM TREND FRAU IM TREND 15

Knigge-Regeln gehen mit „Mit kleinen Tricks wird aus … · als der Kellner mich dann fragte, ob ich noch etwas möchte, habe ich gesagt: ,Nein danke, ich bin schon voll.‘“

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Menschen hautnah

„Mit kleinen Tricks wird aus einer einfachen Begegnung ein Highlight im Alltag“

W ie alt sind Sie eigent-lich, Frau Reich?“ Vera Reich lächelt.

Dass die Frage unhöflich war, ignoriert die Dame mit dem dunklen Blazer und den wei-chen Gesichtszügen char-mant. Eine Antwort bekommt der Fragende nicht.

Eine Situation, die zeigt, wie leicht man mit Äußerungen und Verhaltensweisen ins Fettnäpfchen treten kann. Wie sich das leicht vermeiden lässt, weiß niemand besser als die Münchner Knigge-Traine-rin Vera Reich. Sie versteht es perfekt, Begegnungen zu et-was Besonderem zu machen. „Genau das ist ja der Sinn von Knigge: Begegnungen freundlich machen!“, bringt

sie es auf den Punkt.Das hat sie schon

als Vierjährige mit großer Freude ge-übt. „Ich komme aus einem Unter-nehmerhaushalt und meinen El-tern war gutes Benehmen sehr wichtig.“ Um das früh zu ler-nen, durfte sie schon als klei-nes Mädchen mit in gute Restau-rants. Ganz

stolz habe sie da als Kind

zwischen den Erwachsenen beim Essen gesessen. „Und als der Kellner mich dann fragte, ob ich noch etwas möchte, habe ich gesagt: ,Nein danke, ich bin schon voll.‘“ Vera Reichs erstes Fettnäpfchen! „Aber meine Eltern haben mich nicht vor allen Leuten in Verlegenheit gebracht und mich belehrt. So was wurde einfach später beredet, ganz ohne Druck. Deswegen hat mir das alles auch so Spaß gemacht! Ich durfte mit in die Oper, ins Theater, dabei sein, wenn die Großen sich unterhielten. Ich fand das alles herrlich.“

Knigge ist heute ein Erfolgsfaktor

So lernte Vera Reich spiele-risch von klein auf Be-nimm-Regeln. „Ich habe da-durch früh erkannt, dass man mit gutem Benehmen mehr erreicht im Leben. Dass man sich mehr Wege und Chancen damit offenhält.“

Wie mache ich eine Begeg-nung angenehm? Diese Frage ist für Vera Reich so eine Art Knigge-Kompass. Zum Bei-spiel dann, wenn sie sich Ge-danken um ihr Outfit zu einem bestimmten Anlass macht. Aber auch an der Kasse im Discounter stellt sie sich diese Frage. „Weil ich da genauso Teil einer Begegnung bin. Mit der Kassiererin. Und warum soll ich nicht versuchen, diese Begegnung schön zu machen, indem ich freundlich bin, auf-munternd und ihr mit Respekt begegne. Dass sie vielleicht sogar durch mein Verhalten neue Motivation findet. Wenn ich das so einfach bewirken kann, ist das doch ein tolles Alltags-Highlight!“

Ohne viele Worte positiv wirken – das kann Vera Reich. Vielleicht habe die Kassiere-rin auch genau deswegen ein-mal extra für sie eine neue Kasse aufgemacht.

Jeder wird täglich Teil von Begegnungen, gestaltet sie – bewusst oder unbewusst. Knigge- Regeln sind die perfekten Helfer, um das Miteinander angenehm zu machen. Aber natürlich geht die Eti-kette auch mit der Zeit. So wird die berufstätige Frau von heute nicht mehr so wie einst hofiert. Im moder-

nen Alltag hält z. B. auch nicht mehr nur der Mann einer Frau, sondern jeder jedem die Tür auf und das Du bietet nicht mehr die Frau als Erste an, hier hat jetzt der Ältere das Vor-recht. Ganz so streng wie früher geht es also nicht mehr zu, aber Achtung: Aus der Mode kommen gute Manieren bestimmt nicht.

Handy-Alarm beim EssengehenTelefonieren im Restau-rant ist ein absolutes No-Go! Das fängt schon beim lauten Klingeln an. Tipps: Das Gerät hier immer stumm schalten! Sehr wichtige Anrufe vor dem Ausgehen unbedingt ankündigen und später zum Telefonieren den Raum verlassen, damit niemand gestört wird.

Stilvoll aus dem Auto aussteigenSeine Helfergeste ist nach wie vor in. Umso mehr sollte die Dame auf den eleganten Ausstieg ach-ten. Tipp: Rock nach vorn zupfen, Beine geschlossen halten und in dieser Hal-tung langsam zur Tür dre-hen und aufstehen. Ach-tung: an die Handtasche denken, denn der Griff zurück ist gar nicht fein!

Gläser nicht mehr klingen lassenAnstoßen bitte nur zu besonderen Anlässen oder an Silvester – und dann nur im Stehen! Bei mehr als acht Personen entfällt der Gläserklang komplett und auch, wenn die Gläser nicht die gleiche Form haben. Üblich ist, dass der Gastgeber das Wohlsein einleitet und die Gäste sich in der Luft zuprosten.

Respekt im täg-lichen MiteinanderHöflichkeit und Respekt zieht man nicht mit dem Sonntagskleid aus! Gute Manieren haben im stres-sigen Alltag gerade heute, wo alles schnell gehen soll, großen Wert. Denn auch an der Ladenkasse zeigt sich guter Stil.

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Knigge-Trainerin Vera Reich ist Expertin für gutes Benehmen und Stil

„Im Zug würde neben mir sicher niemand laut in sein Handy schreien!“, da ist sie sich sicher. So wie sie sich gibt und anderen begegnet, so begegnen andere ihr, das habe ihr die Erfahrung gezeigt. Ganz unkompliziert sei das! Denn wie man in den Wald ruft, so schallt es auch zurück.

Ein stilsicheres Auftreten mache selbstbewusst. Dafür ist sie das beste Beispiel. „Und es ist auch ein gu-tes Mittel, nicht zu vergessen, sich selbst wertzu-schätzen“, er-gänzt sie.

Was Vera Reich macht, wenn sie sich zu Hau-se etwas Gu-tes tun will? „Dann koche ich. Richtig auf-wendig und kreativ muss es sein. Da spielt auch die Farbkomposition der Zutaten auf dem Teller eine große Rolle und ihre An-ordnung.“ Zum Hauptgang serviert Frau Reich gerne Wild oder einen Braten, sie deckt den Tisch mit gutem Porzellan und Kristall und mit Stoffservietten.

Stil hat auch eine kreative Seite

Sie hat eben ein Faible für guten Stil! Auch ihre Blumen-Arrangements kre-iert sie selbst: „Ein Hobby, das mich richtig glücklich macht.“

Aber wohl mindestens ge-nauso glücklich macht es sie, dass sie ihre Leidenschaft für Stil und Höflichkeit zum Be-ruf machen konnte. Denn die Knigge-Trainerin brennt für ihr Thema. Seit 13 Jahren gibt sie ihr Wissen nun schon in Seminaren und Kursen wei-ter. Nicht nur an Business-

Die Knigge-Expertin zeigt, wie man mit gutem Benehmen und Stil einfache Begegnungen zu Highlights macht

leute. Auch an die Frau von nebenan, die sich vielleicht im Restaurant oder bei der anste-henden Feierlichkeit auf je-den Fall von ihrer besten Seite zeigen will. Auch der Bewer-bungskandidat oder ganze Unikurse profitieren von Vera Reichs Tipps, die auch Sprach-fertigkeit und Kleiderwahl einbeziehen. Eben alles für einen ansprechenden und an-gemessenen Auftritt.

Die Trainerin weiß noch genau, wie es

kam, dass sie ihren außerge-

wöhnlichen Beruf er-griff: „Ich wollte ur-sprünglich in die Mo-debranche.

Wollte Ent-würfe zeich-

nen, kreativ sein“, erzählt sie.

Das Talent hatte sie, dennoch entschied sich

Vera Reich gegen die Gla-mourwelt. Warum?

„Nur durch die Garderobe wirken, das war mir dann doch zu wenig. Was nützt ein Designerkleid, wenn man kein vernünftiges Gespräch füh-ren kann?“ Auf diesem Funda-ment gründete sie ihr „Knig-ge-Reich“ – so der Name ihres Unternehmens. Ein Reich, in dem das Sein wichtiger ist als der äußere Schein.

Ob Vera Reich eigentlich auch wenn sie allein ist, z. B. mitten in der Nacht, wenn einmal der kleine Hunger wach wird, immer die Etiket-te einhält? Wieder dieses ver-schmitzte Lächeln in ihrem Gesicht: „Na ja, nachts um drei vorm Kühlschrank, da erlaube ich mir schon ein-mal, das Hähnchen mit der Hand zu essen!“ Sie lacht, denn Knigge hin oder her – manchmal heißt’s eben auch im Knigge-Reich einfach nur: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein. �

Adolph Franz

Friedrich Ludwig

Knigge († 1796) schrieb

einst über den Umgang

mit Menschen. Heute

steht Knigge für das

1 x 1 des guten Stils

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