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Klaus von Werder Klinische Neuroendokrinologie Zweite, u ¨ berarbeitete Auflage

Klaus von Werder Klinische Neuroendokrinologie Zweite, u ... fileProf. Dr. med. Klaus von Werder Schlosspark-Klinik, Abteilung Innere Medizin Heubnerweg 2, 14049 Berlin ISBN 3-540-21864-5

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Klaus von Werder

Klinische Neuroendokrinologie

Zweite, uberarbeitete Auflage

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Klaus von Werder

KlinischeNeuroendokrinologie2. Auflage

Mit 124 Abbildungen, 42 Tabellenund 14 Ubersichten

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Prof. Dr. med. Klaus von WerderSchlosspark-Klinik, Abteilung Innere MedizinHeubnerweg 2, 14049 Berlin

ISBN 3-540-21864-5Springer Medizin Verlag Heidelberg

Bibliografische Information der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber http://dnb.ddb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschutzt. Die dadurch begrundeten Rechte, insbesondere die derUbersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funk-sendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfaltigung auf anderen Wegen und der Speicherungin Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. EineVervielfaltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzender gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulassig. Sie ist grundsatzlich vergutungspflich-tig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

Springer Medizin Verlag.Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media

springer.deF Springer Medizin Verlag Heidelberg 2005Printed in the Netherlands

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werkberechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinneder Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutztwerden durften.

Produkthaftung: Fur Angaben uber Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vomVerlag keine Gewahr ubernommen werden. Derartige Angaben mussen vom jeweiligen Anwenderim Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit uberpruft werden.

Planung: Hinrich KusterProjektbetreuung: Gisela Zech-WillenbacherLektorat: Annette Allee, DinslakenDesign: deblik Berlin

SPIN 10818845Satz: Mitterweger & Partner Kommunikationsgesellschaft mbH, PlankstadtDruck: Krips, Meppel, Niederlande

Gedruckt auf saurefreiem Papier 26/2126/SM – 5 4 3 2 1 0

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Meiner Familieund meinen

endokrinologischen Weggefahrten und Freundengewidmet.

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Vorwort zur 2. Auflage

Vor sechs Jahren ist die erste Auflage der Kli-nischen Neuroendokrinologie erschienen. In derZwischenzeit hat sich das Gebiet in unveranderterGeschwindigkeit weiter entwickelt. Zwar sindkeine neuen Hypophysenhormone entdeckt wor-den, aber unsere Kenntnisse uber die Regulationder HVL-Funktion auf der einen Seite und dieHormonrezeptor-Interaktion auf der anderen Sei-te haben nicht nur deutlich zugenommen, son-dern auch Eingang in die Klinik gefunden.

Ich bin deshalb dem Springer-Verlag und derFirma Novartis, die sich bei der Entwicklung vonPharmaka auf dem Gebiet der klinischen Neuro-endokrinologie sehr engagiert hat, dankbar, dasssie ermoglicht haben, die Klinische Neuroendo-krinologie in einer neuen Auflage erscheinen zulassen. In der zweiten Auflage wird auch vornehm-lich die Klinik abgehandelt, d. h. Pathophysiolo-gie, klinisches Bild, Diagnostik und Therapie.Auf molekularbiologische und physiologischeGrundlagen ist nur eingegangen worden, sofernsie fur die Klinik von Belang sind. Der Verfasser,Chefarzt einer allgemein internen Abteilung einesakademischen Lehrkrankenhauses mit einer gro-ßen endokrinologischen Ambulanz, ist seit derersten Auflage zwangslaufig weniger mit der

Grundlagenforschung auf dem Gebiet der experi-mentellen Neuroendokrinologie befasst gewesen.Dies hat sicher mit dazu gefuhrt, dass sich die Dar-stellung der molekularmedizinischen Grundlagenauf das klinisch Relevante beschrankt und prakti-sche Aspekte, wie das Hervorheben der Anamne-se, die Vereinfachung der Diagnostik und einepraxisbezogene Therapie in den Vordergrund ge-ruckt sind. Ich hoffe, dass das Buch mit den er-wahnten Einschrankungen vor allem den klinischtatigen Internisten, Frauen- und Kinderarzten so-wie Neurochirurgen von Nutzen ist. Dank gilt mei-nen alten Weggenossen aus der Munchener Zeit,Herrn R. Fahlbusch, jetzt Erlangen, und den Her-ren P. C. Scriba, O. A. Muller, J. Schopohl, G. K.Stalla und M. Buchfelder, jetzt Gottingen, sowieC. J. Strasburger und den anderen Berliner Kolle-gen, die sich in der Praxis von Herrn U. Bognerregelmaßig zu einem lebhaften Gedankenaus-tausch getroffen haben, fur die Anregungen, dieich immer wieder in Gesprachen und Diskussio-nen mit ihnen erfahren durfte. Ein besondererDank gilt meiner Sekretarin, Frau E. Juran, furdie Erstellung des Manuskripts.

Berlin, Dezember 2004 Klaus von Werder

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Vorwort zur 1. Auflage

Es gibt im deutschen Schrifttum kein Buch, dassich ausschließlich mit der Klinik der Neuroendo-krinologie befasst. Die Bucher, die im angelsach-sischen Sprachraum zu diesem Thema erschienensind, sind »Viel-Manner-Bucher«, bei denen dieeinzelnen Kapitel von Spezialisten � Molekular-biologen, Physiologen, Endokrinologen, Neuro-chirurgen und anderen � verfasst wurden. Dassein klinisch tatiger Arzt sichmit den neuesten Ent-wicklungen auf dem Gebiet der Grundlagenfor-schung in diesem weit verzweigten, fachubergrei-fenden Spezialgebiet so auskennt wie der spezia-lisierte Wissenschaftler, ist nicht moglich. Warumdann uberhaupt ein Buch zu diesem Thema, voneinem Einzelnen verfasst?

Ich hoffe, dass der Leser aus den geschildertenBeobachtungen, die ich bei der Betreuung von Pa-tienten mit hypothalamisch-hypophysaren Er-krankungen gemacht habe, so viel Nutzen ziehenkann, wie es mir Spaß gemacht hat, diese Erfah-rungen zusammenzustellen. Es begann mit derEntwicklung radioimmunologischer Bestim-mungsmethoden fur Hypophysenvorderlappen(HVL)-Hormone Ende der 60er-Jahre, nachdemYalow und Berson in New York und Grodskyund Forsham in San Francisco die Methode furInsulin 1961 eingefuhrt hatten. Ich hatte damalsGelegenheit, zwei Jahre in der Metabolic ResearchUnit von Professor P. H. Forsham in San Francis-co zu arbeiten und mich mit der HVL-Hormona-nalytik zu befassen. Die Therapie der Akromegaliebestand zu dieser Zeit in einer radikalen Hypo-physen-ablativen Methode (Kryohypophysekto-mie) und des zentralen Cushings in der bilateralenAdrenalektomie. Das Prolaktinom als Prolaktin-sezernierender Hypophysentumor war noch nichtbekannt.

Ich hatte das Gluck, nach meiner Ruckkehrnach Munchen in der Abteilung von ProfessorP. C. Scriba arbeiten zu durfen, wo ich zusammenmit meinem Kollegen und Freund O. A. Mullereine Arbeitsgruppe mit den Mitarbeitern G. K.Stalla, J. Schopohl, M. Losa, J. Alba-Lopez undDoktoranden aufbauen konnte, die eng mit demNeurochirurgen R. Fahlbusch, jetzt Direktor der

Neurochirurgischen Universitatsklinik Erlangen,zusammenarbeitete. In dieser Zeit hat die klini-sche Neuroendokrinologie einen rasanten Verlaufgenommen. Die Hormonanalytik wurde perfek-tioniert, die Releasinghormone und die Bedeu-tung des Prolaktins fur die Reproduktion undals Marker fur Hypophysentumoren entdeckt.Mit der Entdeckung und Einfuhrung des erstenDopaminagonisten Bromocriptin und des Soma-tostatinanalogon Octreotide � beides aus denForschungslaboratorien der Firma Sandoz AG,Basel � ist die medikamentose Therapie von Hor-monexzessen klinisch etabliert worden. Begleitetwurde diese Entwicklung durch die Perfektionie-rung der operativen Verfahren bei der Behand-lung von Hypophysenadenomen � Einfuhrungdes Operationsmikroskops, intraoperative Endo-skopie, Sonographie und Kernspintomographie.Insbesondere Letztere hat als Kronung der bildge-benden Verfahren die Diagnostik von Raumforde-rungen im Hypothalamus, Hypophysenstiel undHypophysenbereich grundlegend verbessert.

Das vorliegende Buch reflektiert die vom Autorin den letzten 30 Jahren gemachten Erfahrungen,wobei zwangslaufig eine Auswahl getroffen wurdebzw. subjektiv Schwerpunkte gesetzt wurden, diedurch die personlichen Erfahrungen bei der Be-handlung von Patienten mit neuroendokrinologi-schen Krankheitsbildern bedingt sind.

Die Neuroendokrinologie im weiteren Sinnebefasst sich ja nicht nur mit dem Hypothala-mus-Hypophysen-System, sondern auch mit peri-pheren Systemen, insbesondere ist hier die Neuro-endokrinologie des Gastrointestinaltraktes her-vorzuheben. Das vorliegende Buch befasst sich al-lerdings ausschließlich mit der »klassischen« kli-nischen Neuroendokrinologie, d. h. mit Krank-heitsbildern, die aus pathologischen Veranderun-gen im Hypothalamusbereich, Hypophysenstielund in der Hypophyse selbst entstanden sind.

Mit den oben erwahnten Einschrankungenhabe ich versucht, den derzeitigen Kenntnisstandder Physiologie, Pathophysiologie und Klinik die-ser Erkrankungen darzustellen. Fur diejenigen, dieihre Kenntnisse auf den einzelnen Gebieten vertie-

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fen mochten, sei auf die weiterfuhrende Literatur� auch auf die Bucher aus dem angelsachsischenSprachraum � hingewiesen.

An dieser Stelle mochte ich meinen Freunden,Kollegen und Mitarbeitern, insbesondere R. Fahl-busch, P. C. Scriba, O. A. Muller und M. Losa,

herzlich danken. Ein besonderes Dankeschongilt meiner Sekretarin, Frau M. Wendermin, furdie Erstellung des Manuskripts.

Berlin, im Fruhjahr 1998 Klaus von Werder

X Vorwort zur 1. Auflage

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Inhaltsverzeichnis

1 Historische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

2 Anatomie der hypothalamisch-hypophysaren Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.1 Makroanatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.2 Mikroskopische Anatomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.3 Einwicklungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.3.1 Hypophyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.3.2 Hypothalamus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

3 Physiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153.1 Allgemeine Strategien der Signalubertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.1.1 Unterschiedliche Formen der Sekretion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.1.2 Hormonrezeptoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163.2 Hypothalamisch-hypophysare Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183.2.1 Regelmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203.2.2 Neurotransmitterkontrolle des Hypothalamus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213.2.3 Hypophysiotrope Hormone. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263.2.4 Hypophysenhinterlappenhormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333.2.5 Hypophysenvorderlappenhormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

4 Untersuchungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534.1 Hormonbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 544.2 Endokrinologische Funktionsdiagnostik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564.2.1 Stimulationstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584.2.2 Suppressionstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604.2.3 Hypophysenhinterlappendiagnostik (Diabetes insipidus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 604.3 Anatomische Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634.4 Zusammenfassung der Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

5 Funktionsstorungen des Hypothalamus-Hypophysen-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675.1 Hypothalamisch-hypophysare Insuffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695.1.1 Hypothalamisch-hypophysare Tumorsyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705.1.2 Funktionsstorungen des Hypothalamus-Hypophysen-Systems ohne Raumforderung . . . . 835.1.3 Wachstumshormonmangel (somatotrope Partialinsuffizienz, hypophysarer Kleinwuchs) . 885.1.4 Hypothalamisch-hypophysarer (angeborener) Hypogonadismus bei Kindern. . . . . . . . . . 915.1.5 Hypogonadismus des Erwachsenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 935.1.6 Thyrotropin-(TSH-)Mangel (sekundare Hypothyreose) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 965.1.7 ACTH-Mangel (sekundare und tertiare Nebennierenrindeninsuffizienz) . . . . . . . . . . . . . 965.1.8 Diabetes insipidus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 985.2 Mehrsekretion von HVL-Hormonen/endokrin aktive Hypophysenadenome . . . . . . . . . . 1015.2.1 Hyperprolaktinamie/Prolaktinome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1045.2.2 Akromegalie (Gigantismus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1345.2.3 ACTH-produzierende Hypophysenadenome, Kortikotrophinome, Morbus Cushing . . . . . 1595.2.4 Glykoproteidhormon-produzierende Adenome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1815.2.5 Hypophyseninzidentalome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

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5.2.6 Hypophysenadenome � Zusammenfassung der Therapieverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 1895.2.7 Hypophysentumoren und Schwangerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1915.3 Ektope Hormonsyndrome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1935.3.1 Syndrom der inappropriaten ADH-Sekretion (SIADH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1945.3.2 Nicht-Inselzell-bedingte Tumorhypoglykamie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

6 Nichtendokrine hypothalamische Storungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198

7 Medikamentose Einflusse auf die Hypothalamus-Hypophysen-Funktion . . . . . . . . . . . . . 201

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205A Pharmaka zur Diagnostik und Therapie neuroendokriner Erkrankungen . . . . . . . . . . . . 206B Datenbanken und sonstige Informationsquellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223

XII Inhaltsverzeichnis

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Abkurzungsverzeichnis

ACTH adrenokortikotropes HormonADH antidiuretisches HormonALS »acid labile subunit«ANF atrialer natriuretischer FaktorAP »agouti protein related peptide«AVP Arginin-VasopressinBZ BlutzuckerBZD BenzodiazepinecAMP zyklisches AdenosinmonophosphatCCK CholecystokininCLIP »Corticotrophin like intermediate lobe peptide«CREB »cAMP responsive element binding protein«CRH Kortikotropin ReleasinghormonDA DopaminDDAVP 1-Desamino-8-d-Arginin-VasopressinEGF »epidermal growth factor«FSH Follikel-stimulierendes HormonGABA GammaaminobuttersaureGAP GnRH-assoziiertes PeptidGH Growth hormone, Wachstumshormon, SomatotropinGHBP »growth hormone binding protein«GHD »growth hormone deficiency«, GH-MangelGHRH Growth-hormone-ReleasinghormonGHRIH Growth-hormone-release-Inhibitinghormon, Somatotropin-Inhibitinghormon,

SomatostatinGHS Growth-hormone-SekretagogaGIP »gastric inhibitory polypeptide«GnRH Gonadotropin-ReleasinghormonGR Glukokortikoid-RezeptorGsp Stimulierendes G-ProteinGsp-Oncogen Mutiertes stimulierendes G-ProteinhCG humanes ChoriongonadotropinhCS humanes ChorionsomatomammotropinHHA Hypothalamus-Hypophysen-AchseHHL HypophysenhinterlappenhMG humanes Menopausen-GonadotropinhPL »human placental lactogen«HVL HypophysenvorderlappenIA ImmunoassayICSH »interstitial cell stimulating hormone«IGF »Insulin like growth factor«IGFBP »IGF-binding protein«IHH idiopathischer hypothalamischer HypogonadismusIHT InsulinhypoglykamietestIL Interleukin

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I(R)MA Immuno-(radio-)metrischer AssayJAK Januskinase (»just another kinase«)LH luteinisierendes HormonLPH lipotropes Hormon, LipotropinLTH luteotropes HormonMCP MetoclopramidMC1R Melanocortin-1-Rezeptor (Haut)MC4R Melanocortin-4-Rezeptor (Hypothalamus)MEN multiple endokrine NeoplasieMRC Medical Research CouncilMSH Melanozyten-stimulierendes HormonNETA NorethisteronacetatNFA »non functioning adenoma«NGF »nerve growth factor«NMR »nuclear magnetic resonance«NN NebennierenNNR NebennierenrindeOT OxytocinPACAP »pituitary adenylate cyclase activating polypeptide«PET PositronenemissionstomographiePIF(H) Prolaktin-Inhibitingfaktor (-hormon)Pit-1 »pituitary transscription factor«-1POMC ProopiomelanocortinPPAR-c »peroxysome proliferator activated receptor-c«PRF Prolaktin-ReleasingfaktorPRL ProlaktinProp-1 »prophet of Pit 1«SHBG »sex hormone binding globulin«SIADH Syndrom der inappropriaten ADH-SekretionSRIF Somatotropin Release Inhibiting Faktor, SomatostatinSRL Somatostatin-Rezeptor-LigandenSS SomatostatinSSR SomatostatinrezeptorSTAT Signal-Transducer und Aktivator der TransskriptionSTH somatotropes HormonSU SubunitTBG Thyroxin bindendes GlobulinTGF »transforming growth factor«TIDA tuberoinfundibulares dopaminerges NeuronTR a+ b »thyroid hormone receptor« a + b (Schilddrusenhormonrezeptor)TRH Thyrotropin-ReleasinghormonTRIAC TrijodothyroessigsaureTSH »thyroid stimulating hormone«, Thyrotropin, Thyreoida-stimulierendes HormonVIP vasoaktives intestinales PeptidWHO World Health Organization/WeltgesundheitsorganisationZNS Zentralnervensystem

XIV Abkurzungsverzeichnis

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Historische Aspekte

1

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Zwar maßen die Arzte in der griechischen Antikeden Korpersaften eine große Bedeutung zu, dasKonzept der inneren Sekretion bzw. der humora-len Steuerung war ihnen aber vollig unbekannt. Sowar Hippokrates das klassische neuroendokrineKrankheitsbild, das Galaktorrho-Amenorrho-Syndrom, das er in seinen Aphorismen erwahnt,zwar bekannt, er hatte aber keine Vorstellung, wo-durch es verursacht wurde. Aristoteles beschriebdie sich mit den Mondphasen verandernde Großeder Gonaden bei der Wasserschnecke, hatte abernoch keinerlei Vorstellung uber deren neuroendo-krine Ursachen. Bekannt sind auch Schilderungenvon Riesen im Alten Testament und von Zwergen,aber die Beziehung zur Hypophyse war selbstver-standlich unbekannt. Galen (129 – 201 n. Chr.)glaubte, dass die Hypophyse das »Phlegma«vom Gehirn uber den Nasopharynx zur Ausschei-dung bringen wurde. Bis in die Renaissance unddas Barockzeitalter hinein galt die Vorstellung Ga-lens, dass die in den Blutgefaßen enthaltene »Le-benskraft« des Gehirns in eine »animalischeKraft« verwandelt wird, wobei die Abfallprodukteaus diesem Prozess uber die Glandula pituitariaals Nasenschleim (»pituita«) ausgeschieden wer-den. Diese Vorstellung von der Hypophyse alsSchleimdruse wurde erst Ende des vorletzten Jahr-hunderts korrigiert, nachdem Berthold 1849 erst-mals die Freisetzung von Substanzen in das Blutpostuliert hatte, die an anderen Stellen des Kor-pers biologischeWirkungen entfalten. Zuvor hatteschon Soemmering (1755 – 1830) aus Gottingenden Begriff »Hypophysis cerebri« gepragt, undRathke hatte im Jahr 1838 deren Entwicklung be-schrieben.

Berthold hatte dem zentralen Nervensystembei der Kontrolle der Hypophyse eine wesentlicheRolle zugeschrieben. Hiss, der 1893 erstmals denBegriff Hypothalamus pragte, hatte hingegennoch keine Vorstellung uber dessen Funktion.

Im Jahre 1864 beschrieb der Anatom und Pa-thologe Verga aus Mailand die Akromegalie, dieer Prosopectasia nannte. Er hatte auch schonauf einen Hypophysentumor, der zu einer Kom-pression des Chiasma opticum gefuhrt hatte, hin-gewiesen. Erst 22 Jahre spater, 1886, pragte derfranzosische Neurologe Marie den Namen Akro-megalie. Er hatte jedoch die Bedeutung der Hypo-physe als Ursache der Erkrankung nicht erkannt.

Obwohl Minkowski ein Jahr spater darauf hinwies,dass moglicherweise die Ursache fur den akrome-galen Riesenwuchs in einer Veranderung der Hy-pophyse zu suchen ist, erwahnte Rudolf Virchow13 Jahre spater mit keinem Wort die Hypophyse,als er in der Berliner Anthropologischen Gesell-schaft den Riesen Lewis Wilkins vorstellte(. Abb. 1.1). 1901 beschrieb Frohlich einen Hypo-physentumor ohne klinische Zeichen der Akrome-galie bei einem 14 Jahre alten ubergewichtigenJungen mit retardierter sexueller Entwicklung.Das adiposogenitale Syndromwar wahrscheinlich,wie Frohlich spater selbst bemerkte, nicht auf denHypophysentumor, sondern auf eine sekundareVeranderung im Bereich des Hypothalamus zu-ruckzufuhren.

Der osterreichische Neurochirurg Aschner be-obachtete, dass die Hypophysektomie zumWachstumsstillstand fuhrt, nicht aber zu einemvermehrten Fettansatz. Letzterer schien nur auf-zutreten, wenn gleichzeitig der Hypothalamus be-schadigt wurde, eine Auffassung, die spater vondemWiener Pathologen Erdheim bestatigt wurde.

Durch zahlreiche Fallbeschreibungen, Post-mortem-Studien und klinische Beobachtungenwurde der Zusammenhang zwischen Wachstumund Hypophyse bzw. Riesenwuchs und Hypophy-sentumor immer deutlicher. 1921 konnten Evansund Long erstmals in dem spater bekannt gewor-denen Hormonlabor der Universitat von Kalifor-nien in Berkley bei Ratten einen Riesenwuchsdurch Hypophysenextrakte erzeugen. Der Argen-tinier und spatere Nobelpreistrager Houssayzeigte 1923, dass die Hypophyse Blutzucker-anhe-bende Substanzen freisetzt. Er konnte zeigen, dassnach der Entfernung der Hypophyse bei Hundeneine Besserung der diabetischen Stoffwechsellageauftrat (Houssay-Phanomen).

Auf den Zusammenhang zwischen Gonaden-funktion und Hypophyse wurde erstmals 1759von de Haen aus Wien hingewiesen, der die Ame-norrho bei einem Hypophysentumor erwahnte.Die essentielle Bedeutung des Hypophysenvorder-lappens (HVL) fur die Gonadenfunktion wurdevon Cushing im Jahre 1910 aufgezeigt. Schon1898 hatte der Schweizer Arzt Comte die Vergro-ßerung der Hypophyse wahrend der Schwanger-schaft beschrieben und 10 Jahre spater konntenErdheim und Stumme in Wien die histologischen

2 Kapitel 1 � Historische Aspekte

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. Abb. 1.1. Rudolf Virchow bestaunt den 24-jahrigen RiesenLewis Wilkins, den er den Mitgliedern der BerlinerAnthropologischen Gesellschaft vorstellte (Verhandl. der Ber-

lin. Anthropol. Ges. 32: 78 (1900); Medizinhistorisches Museum,Charite, Berlin)

3 11 · Historische Aspekte

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Schwangerschaftsveranderungen des HVL aufzei-gen. Die Post-partum-Nekrose des Hypophysen-vorderlappens wurde erstmals 1913 von Glinski be-schrieben, in polnischer Sprache, weshalb seineBeobachtung nur geringe Verbreitung fand. 1939berichtete Sheehan uber Patientinnen mit Post-partum-Hypophysennekrose; dieses Syndromging anschließend als Sheehan-Syndrom in die Li-teratur ein.

Dass die Ovarialfunktion von hypophysarenGonadotropinen abhangig ist, wurde erstmalsvon Aschheim und Zondeck 1926 gezeigt. Der ne-gative Effekt der Sexualhormone auf die Gonado-tropin-Freisetzung wurde von Moore 1932 doku-mentiert, nachdem Hohlweg schon 1930 den nurbei Frauen beobachteten positiven Feedback auf-gezeigt hatte.

Cushing, ein amerikanischer Neurochirurg, derschon einen Zusammenhang zwischen Hypophy-senvorderlappen und Reproduktion erkannthatte, begann sich zu Anfang des letzten Jahrhun-derts fur die Hypophyse und besonders deren Tu-moren zu interessieren. Er konnte zeigen, dass dieHypophyse lebensnotwendig ist und beschrieb zu-letzt 1929 die nach ihm benannte Erkrankung.

Dass der Diabetes insipidus sich vom Diabetesmellitus unterscheiden lasst, wurde erstmals vonJohann Peter Frank (1745 – 1821) erkannt. Sein Na-mensvetter Alfred Erich Frank (1884 – 1957) be-schrieb spater den Zusammenhang zwischen Hy-pophysenhinterlappen (HHL) und dem Krank-heitsbild Diabetes insipidus.

Die Charakterisierung der Vorderlappen- undHinterlappenhormone sowie deren Synthese er-folgten in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg. Siesind mit den Namen Li (ACTH und Wachstums-hormon), Papkoff (Gonadotropine) � beide ausdem Hormonlabor der Universitat von Kalifor-nien �, du Vigneaud (antidiuretisches Hormon)und dem Kanadier Friesen (Prolaktin) verknupft.Das Prolaktin wurde erst 1970 als letztes eigen-standiges Hormon des HypophysenvorderlappensbeimMenschen nachgewiesen. Zuvor wurde ange-nommen, dass der Mensch im Gegensatz zu ande-ren Spezies kein eigenstandiges Prolaktin freiset-ze, da dessen laktogene Aktivitat im Wachstums-hormon voll reprasentiert sei und der luteotropheEffekt, der bei anderen Spezies typisch fur Prolak-tin ist (Prolaktin ist gleich Luteotropes Hormon ¼

LTH), im humanen luteinisierenden Hormon(LH) reprasentiert sei.

Dass die Hypophyse mit dem Hypothalamusuber den Hypophysenstiel verbunden ist, wurdezuerst von Lieutaud (1703 – 1780) aus Aix-en-Pro-vence beschrieben. 1860 wurden von von Luschkadie kapillaren Schlingen des Portalgefaßsystemsbeschrieben. Erste, allerdings noch vage Vermu-tungen uber neuroendokrinologische Beziehun-gen wurden Anfang der 30er-Jahre geaußert,nachdem Popa und Fielding das den Hypothala-mus mit dem HVL verbindende Portalgefaßsy-stem in seiner Gesamtheit beschrieben hatten.

1945 wurde von Harris die Hypothese von derhypothalamischen Steuerung des HVL durch Neu-rohormone aufgestellt.

1950 konnten Bargmann und Scharrer auchmorphologisch die Neurosekretion anhand intra-axonaler Granula demonstrieren.

1972 wurde von Schally das erste NeurohormonThyrotropin Releasinghormon (TRH) aus Hun-derttausenden von Schweinehypothalamusparti-keln extrahiert und in seiner Struktur aufgeklart;anschließend konnte die Arbeitsgruppe von Guil-lemin die Strukturen von Gonadotropin Releasing-hormon (GnRH) und Somatostatin aufklaren. Bei-de erhielten 1977 zusammen mit Frau R. Yalow denNobelpreis fur Medizin. Sie war gemeinsam mitS. Berson maßgeblich an der Entwicklung der ra-dioimmunologischen Methodik zur Bestimmungvon Hormonen beteiligt, der Voraussetzung furdie rasante Entwicklung in der Endokrinologie.

1981 erfolgte die Isolierung und Strukturaufkla-rung des Corticotropin Releasing Faktors (CRF)vom Schaf durch Vale.

1982 wurde das bis jetzt letzte Releasinghor-mon des Hypothalamus, das Growth hormone Re-leasinghormon (GHRH) durch die beiden Arbeits-gruppen von Guillemin und Vale aus dem Salk-Institut in La Jolla charakterisiert. Im Gegensatzzu allen anderen hypophysiotropen Neurohormo-nen erfolgte die Extraktion von GHRH ausmenschlichem Pankreastumorgewebe von Patien-ten, die eine Akromegalie bei ektopem GHRH-Syndrom hatten.

Die hypophysiotropen Releasing- und Inhibi-tinghormone wurden nicht nur imHypothalamus,sondern auch in vielen anderen Hirnarealen nach-gewiesen. Zusammen mit gastrointestinalen Hor-

4 Kapitel 1 � Historische Aspekte

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monen reprasentieren sie das peptiderge Nerven-system. Guillemin nannte deshalb Anfang der80er-Jahre das Gehirn die großte endokrine Dru-se. Die Fachgebiete Neurologie und Endokrinolo-gie begannen sich zu uberlappen bzw. in der Neu-roendokrinologie zu verschmelzen.

Die Entdeckung und Synthese der hypophysio-tropen Neurohormone hat die Diagnostik von Hy-pophysenerkrankungen in den letzten beidenJahrzehnten revolutioniert.

Nach der Entdeckung des im Fettgewebe gebil-deten und zentral wirksamen Leptins und des inder Magenschleimhaut gebildeten und ebenfallszentral aktiven »Hungerhormons« Ghrelin istdie neuroendokrine Beeinflussung des Stoffwech-sels deutlicher geworden. Letzteres hat nicht un-erheblich zum besseren Verstandnis der Geneseder Adipositas beigetragen.

Nachdem die HVL- und HHL-Hormone unddie die HVL-Sekretion regulierenden hypothala-mischen Neurohormone in ihrer Struktur aufge-klart worden waren, begann die Erforschungder Rezeptorstruktur der einzelnen Hormone.Letzteres ist durch molekularbiologische Metho-den moglich geworden und hat zu neuen patho-physiologischen Erkenntnissen bei neuroendokri-nen Erkrankungen gefuhrt. So konnen Rezeptor-mutationen einerseits zu einer Insuffizienz, zumanderen uber eine konstitutionelle Rezeptorakti-vierung ohne Bindung des Hormonliganden anden Rezeptor zu einer klinisch fassbaren Steige-rung der Hormonwirkung fuhren.

Fur die Klinik bedeutsam wurde zunachst dieSubstitutionstherapie der HVL-Insuffizienz, dienach der Entdeckung des Thyroxins, des Korti-sons und der Sexualsteroide moglich gewordenwar. Darauf folgte die Substitution mit den Hypo-physenhormonen selbst, d. h. mit Gonadotropi-nen, Vasopressin und dessen Analoga und zuletztmit Wachstumshormon.

Durch die in den letzten 20 Jahren gewon-nenen Erkenntnisse uber die neuroendokrineSteuerung der Hypophysenfunktion ist zudemeine effektive Pharmakotherapie hypophysarerMehrsekretionszustande moglich geworden, wiedie Dopamin-(DA-)Agonistentherapie der Prolak-tinome und die Behandlung mit Somatostatin-Analoga bei somatotropes-Hormon-(STH-) und

Thyroidea-stimulierendes Hormon-(TSH-)produ-zierenden Adenomen.

Ein ganz neues therapeutisches Prinzip stelltdie Behandlung der Akromegalie mit demWachs-tumshormonantagonisten Pegvisomant dar. Die-ses biosynthetisch veranderte, STH-ahnliche Mo-lekul, hat keinen Einfluss auf die Sekretion vonSTH, sondern hemmt dessen Bindung an denSTH-Rezeptor und damit seine Aktivierung.

Nach wie vor unverzichtbar ist die operativeEntfernung von klinisch relevanten hypophysarenRaumforderungen bzw. endokrin aktiven Adeno-men. Die erste erfolgreiche Operation eines Hypo-physentumors wurde 1906 durch HermannSchloffer in Innsbruck auf transnasalem Wegedurchgefuhrt. Diesen Zugang hat Oskar Hirsch,Chirurg aus Wien, spater perfektioniert. HarveyCushing operierte Hypophysentumoren ebenfallsinitial transnasal/transsphenoidal. Wegen intra-und postoperativer Probleme hat Cushing selbstdiesen Zugang verlassen und die Patienten mitHypophysentumoren auf transkraniellem Wegeoperiert.

Erst 1967 hat Guiot, Paris, den transsphenoida-len Zugang wieder benutzt, wobei die Methodevon J. Hardy aus Montreal weiter perfektioniertwurde.

Die Einfuhrung des Operationsmikroskops vor25 Jahren, neue Methoden wie Endoskopie, Endo-sonographie, Neuronavigation und intraoperativeKernspintomographie, haben den transsphenoi-dalen Eingriff zur mikrochirurgischen Entfernungvon intrasellaren und auch suprasellaren Prozes-sen immer mehr perfektioniert.

Eine weitere Therapiemodalitat entstand paral-lel zur chirurgischen Behandlung in Form derStrahlentherapie, die erstmals 1909 von Gramegnaund Beclere durchgefuhrt wurde. 1979 wurde dieerste große Serie von konventionell bestrahltenPatienten von Eastman und Mitarbeitern publi-ziert. Zwischenzeitlich sind ganz neue Bestrah-lungstechniken wie das Linac-Verfahren oderdas »gamma knife« entwickelt worden, die eine fo-kussierte Bestrahlung der Tumoren erlauben.

Die Kombination von Pharmakotherapie, Ope-ration und Bestrahlung ermoglicht heute in nahe-zu allen Fallen mit hypophysaren oder hypothala-mischen Tumoren eine effektive Therapie.

5 11 · Historische Aspekte

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Anatomie der hypothalamisch-hypophysaren Einheit

2.1 Makroanatomie – 8

2.2 Mikroskopische Anatomie – 11

2.3 Entwicklungsgeschichte – 12

2.3.1 Hypophyse – 12

2.3.2 Hypothalamus – 14

2

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2.1 Makroanatomie

Die Hypophyse befindet sich in einer knochernenAusbuchtung, Turkensattel oder Sella turcica ge-nannt, die vornehmlich durch das Os sphenoidalegebildet wird. Der vordere Teil der Sella bestehtaus dem Tuberculum sellae und den vorderen Cli-noidfortsatzen. Der hintere Teil, das Dorsum sel-lae, wird von den hinteren Clinoidfortsatzen gebil-det (. Abb. 2.1). Das Diaphragma sellae, eine Du-plikatur der Dura, stellt das Selladach dar und istan den jeweiligen Clinoidfortsatzen befestigt. Dieaußere Schicht der Dura mater kleidet die Sellaturcica aus bzw. bildet das Periost in der Hypo-physengrube. Die Hypophyse ist also extraduralgelegen und hat keinen Kontakt zum Liquor.

Lateral wird die Sella turcica vom kranialenTeil des Sinus cavernosus begrenzt (. Abb. 2.2),der zwischen dem Os sphenoidale und der Durader mittleren Schadelgrube gelegen ist. Dieser Si-nus cavernosus erhalt Blut aus den Venen der Or-bita, der Schadelbasis und aus den 2 Sinus sphe-noparietales. Das Blut aus dem Sinus cavernosusfließt in den Sinus petrosus inferior, dessen Blut indie Jugularvenen drainiert wird. In der klinischenPraxis werden uber die Vv. femorales und dieVv. jugulares die Sinus petrosus inferiores auf bei-den Seiten katheterisiert, die einen Großteil des

venosen Blutes aus der Hypophyse abfuhren,um sich uber die sekretorische Aktivitat desHVL zu informieren (. Kap. 5.2.3, Abb. 5.78). DerSinus cavernosus wird von der A. carotis internadurchzogen, nachdem diese durch das Foramenlacerum (. Abb. 2.1) in das Schadelinnere einge-treten ist. Im weiteren Verlauf schwingt sich dieA. carotis interna auf, um das Duradach des Sinuscavernosus auf der medialen Seite der vorderenClinoidfortsatze zu perforieren. Neben der Carotisziehen lateral vom Sinus cavernosus und dem Ossphenoidale eine Reihe von Hirnnerven vorbei �kranial sind der Oculomotorius, darunter derTrochlearis und weiter darunter der N. ophthal-micus und N. maxillaris, Aste des Trigeminus, ge-legen. Der N. abducens zieht unterhalb der A. ca-rotis mitten durch den Sinus cavernosus(. Abb. 2.2).

Der Hypophysenstiel mit seinen Blutgefaßendurchdringt das Diaphragma sellae, das an dieserStelle fenestriert ist (. Abb. 2.3). Die Große derSella variiert von Individuum zu Individuum;im Mittel ist sie 10 mm tief, 13 mm lang und6 mm breit. Die Hypophyse ist ein walzenformigesOrgan, das das Cavum der Sella nahezu vollig aus-fullt. Das Hypophysenvolumen liegt bei etwa600 mm3. Das Gewicht schwankt zwischen 0,4und 0,9 g und ist bei Frauen im Vergleich zu Man-

Crista galliLamina cribrosa

Sulcus chiasmatis,dahinter Tuberculum sellae

Processus clinoideus anteriorSella turcica

Canalis opticus

Foramen rotundum

Foramen ovale

Foramen lacerum

Foramen spinosum

Hiatus canalis facialis

Porus acusticus internus

Foramen jugulare

Processus clinoideus posterior

Sulcus sinus petrosi inferioris

ClivusSulcus sinus petrosi superioris

Dorsum sellae

Sulcus sinus sigmoidei

. Abb. 2.1. Die knocherne Schadelbasis mit Aufsicht auf die Sella turcica. (Aus Hafferl 1957)

8 Kapitel 2 � Anatomie der hypothalamisch-hypophysaren Einheit

2

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nern etwas hoher. Insbesondere wahrend derSchwangerschaft nimmt das Gewicht der Hypo-physe aufgrund der Hyperplasie der laktotrophenZellen des HVL bis auf das Doppelte des Aus-gangsgewichtes zu (. Kap. 3.2).

Die arterielle Versorgung der Hypophyse er-folgt uber die A. carotis interna, von der die Aa. -hypophysiae superiores, mediae und inferioresabgehen. Die arteriellen Gefaße bilden ein Kapil-

largeflecht im Bereich der Eminentia mediana (ex-terner und interner Plexus), dessen Blut in langenund kurzen Portalgefaßen uber den Hypophysen-stiel den Vorderlappen erreicht; dort entsteht wie-der ein Netzwerk von Kapillaren. Die mittlerenund unteren Hypophysenarterien versorgen denHypophysenstiel und den Hinterlappen. Den Vor-derlappen erreichen sie aber nicht, so dass er prak-tisch kein arterielles Blut direkt erhalt, sondern

V2

V1

VI

IV

III

A. carotis interna

Chiasma opticum

Hypophyse

. Abb. 2.2. Sinus cavernosus in koronarerProjektion. Die durch den Sinus cavernosus zie-hende A. carotis ist angeschnitten. Die Beziehun-gen zu den Hirnnerven III, IV, den beiden Astenvon V, die alle lateral gelegen sind und dem un-terhalb der A. carotis gelegenen N. abducens (VI)sind aufgezeigt

HHL

Hypothalamus

A. carotisHVL

Os sphenoidale

Hypophysenvenen

Sinus sphenoidalis

Hypophysenaterien

Diaphragma sellae

Hypophysenvenen

Eminentia mediana

III. Ventrikel

Chiasma opticum

lange Portalgefäße

kurze Portalgefäße

monoaminerge oderpeptiderge Neurone

tuberohypophysealeNeurone

Dura mater

Tractus hypophysealissupraopticuset paraventricularis

. Abb. 2.3. Schematische Darstellung der hypothalamisch-hypophysaren Einheit. (Aus von Werder 1997)

2.1 · Makroanatomie9 2

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ausschließlich uber die Portalgefaße aus dem ex-ternen und internen Plexus der Eminentia media-na mit Sauerstoff versorgt wird.

Der venose Abfluss erfolgt uber verschiedeneVenen in den Sinus cavernosus.

Ob wirklich Blut aus dem HVL in das Gehirnzuruckfließt, ist nicht sicher geklart. Der nachge-wiesene Blutfluss vom Hypothalamus zur Adeno-hypophyse bildet die Basis fur die neurohormonaleSteuerung der Adenohypophyse durch hypophy-siotrope Hypothalamushormone. Der umgekehrteBlutfluss wurde den direkten Feedback hypophy-sarer Hormone auf den Hypothalamus erklaren.

Im Gegensatz zum HVL, der Adenohypophyse,handelt es sich beim HHL, der Neurohypophyse,um eine Extension des ventralen Hypothalamus indie Sella turcica. Dieser Anteil hat ein Gewicht vonetwa 0,1 g und erstreckt sich vom Infundibulumoder der Eminentia mediana in den hinterenTeil der Sella turcica. Dort bildet er die Pars ner-vosa, die von den mittleren und unteren Hypo-physenarterien versorgt wird. Im Gegensatz zurAdenohypophyse erstrecken sich keine Portalge-faße in die Neurohypophyse, sondern markloseNervenfasern, in denen zahlreiche neurosekretori-

sche Granula nachweisbar sind. Diese neurosekre-torischen Neurone stammen hauptsachlich ausden supraoptischen und paraventrikularen Kerna-realen des Hypothalamus. Sie enden in der Neu-rohypophyse in Form verdickter Strukturen aneinem weit verzweigten Kapillarnetz, in das sie di-rekt ihre Produkte (Vasopressin, Oxytocin, Neu-rophysine) abgeben.

Nicht alle vasopressinergen und oxytocinergenNeurone enden in der Neurohypophyse. So gibt esNeurone, die sich in die Stria terminalis, den Man-delkern und die Wand des 3. Ventrikels projizie-ren, wo die Neurohormone moglicherweise direktin den Liquor abgegeben werden (. Abb. 2.4).

Der Hypothalamus ist der basale Hirnteil, derdirekt oberhalb der Sella turcica und um den3. Ventrikel angeordnet ist (. Abb. 2.4) und sichvon kranial vom Chiasma opticum bis kaudalzu den Mamillarkorpern erstreckt. Lateral wirdder Hypothalamus vom Tractus opticus begrenzt.Mit Eminentia mediana (»median eminence«)wird der Teil des Hypothalamus bezeichnet, deram Boden des 3. Ventrikels angeordnet ist undungefahr dem Tuber cinereum entspricht. Der Hy-pothalamus lasst sich unterteilen in einen

Innere ependy-male Zone

Tractus tubero-infundibularis

III. Ventrikel

Tanizyten

Eminentia mediana

BasalmembranPortalgefäßePars tuberalis

Tractus supra-opticushypophysealis

ÄußerePalisadenzone

4

2

3

1

. Abb. 2.4. Eminentia mediana. Die Eminentia mediana, dieeine ependymale innere und ventrikelnahe sowie eine außerePalisadenzone aufweist, ist der Ort, an dem die Neurone desTractus tuberoinfundibularis Kontakt finden zu den Portalge-faßen (1). Daruber hinaus gibt es axoaxonische Kontakte (2).Einige Neurone enden an den Ependymzellen, die als Tanizy-ten Kontakt zwischen dem III. Ventrikel und der außeren Zoneder Eminentia mediana herstellen (3); einige Neurone haben

direkten Kontakt mit dem Liquor cerebrospinalis, indem siein den III. Ventrikel hineinragen (4). Fur den Tractus supraop-ticohypophysialis ist die mittlere Zone der Eminentia mediananur Durchgangsstation auf dem Weg zum HHL. Ferner zieheneinige Neurone von diesem Trakt auch bis zur außeren Palisa-denzone der Eminentia mediana (Freisetzung von Vasopressinals Releasinghormon fur ACTH)

10 Kapitel 2 � Anatomie der hypothalamisch-hypophysaren Einheit

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4 medialen, ventrikelnahen und4 einen lateralen Anteil.

Dermediale Anteil enthalt die verschiedenen Ker-nareale. Deren Zellen konnen parvizellular sein,d. h. die Zellen in diesen Strukturen sind kleinerals die neurosekretorischen Zellen, die als magno-zellulare Neurone imponieren und besonders imsupraoptischen und paraventrikularen Kern ver-treten sind. Hier werden die kurzkettigen Peptide,ADH und OT gebildet, die intra-axonal in denHHL gelangen. Der vordere Anteil des medialenHypothalamus enthalt den praoptischen und su-prachiasmatischen Kern und andere weitere ma-gnozellulare Kernareale. Im kaudalen Teil des me-dialen Hypothalamus finden sich der Nucleus ar-cuatus und der ventromediale Kern, deren Neu-rone sich in den tuberoinfundibularen Trakt zurEminentia mediana erstrecken.

Der lateraleHypothalamus enthalt keine Kern-strukturen, sondern dient als Verbindungsstationzwischen dem medialen Hypothalamus, dem lim-bischen System und dem Mittelhirn.

Den einzelnen hypothalamischen Kernarealenkonnen verschiedene Neurohormone zugeordnetwerden, die in den Zellkorpern der Nervenzellensynthetisiert und in den Neuronenauslauferntransportiert werden.

Die hochsten Neurohormonkonzentrationenfinden sich allerdings in der Eminentia mediana,der Kontaktzone zwischen den Nervenenden hy-pothalamischer Nervenzellen und den Kapillar-schlingen des Portalgefaßsystems, in das die Neu-rohormone bei entsprechendem Reiz aus den Ner-venendigungen abgegeben werden. Auf diesemWeg, einem »vaskularen Kurzschluss«, erreichendie hypophysiotropen Neurohormone die Zielzel-len des HVL in hoher Konzentration, unverdunntdurch das zirkulierende Blutvolumen. Die Emi-nentia mediana besteht aus 3 Zonen (. Abb. 2.4):4 einer inneren ependymalen, dem 3. Ventrikel

zugewandten Zone,4 einer mittleren, inneren Palisadenzone und4 der außeren Palisadenzone.

Die innere Palisadenzone enthalt die marklosen,zum HHL ziehenden Neurone, die außere Palisa-denzone ist die erwahnte Kontaktzone der tuber-oinfundibularen Neurone mit dem portalen Ge-faßsystem.

2.2 Mikroskopische Anatomie

Mit lichtmikroskopischen und konventionellenFarbemethoden mit Hamatoxylin-Eosin lassensich im HVL durch die Farbung ihrer Granulanur 3 Zelltypen nachweisen:4 azidophile,4 basophile und4 chromophobe Zellen.

Bekanntlich werden aber im HVL mehr als 3 Hor-mone synthetisiert, die alle in spezifischen Zellengebildet und von diesen freigesetzt werden unddie mit einer gewissen Regelmaßigkeit im HVLverteilt sind. Mit immunhistologischen Methodenlasst sich das jeweilige Eiweißhormon, also dasGentranslationsprodukt, spezifisch nachweisenund die einzelnen Zellen entsprechend ihrer endo-krinen Aktivitat unterteilen:4 somatotrophe (Wachstumshormon),4 laktotrophe (Prolaktin),4 somatomammotrophe (Wachstumshormon

und Prolaktin),4 kortikotrophe (Proopiomelanocortin-Ab-

kommlinge),4 thyrotrophe (TSH) und4 gonadotrophe (LH und FSH) Zellen.

Mit Hilfe der Doppelgoldfarbung lassen sich dieeinzelnen Hormone in den Granula nachweisen.So konnte gezeigt werden, dass bei den somato-mammotrophen Tumoren z. B. Wachstumshor-mon und Prolaktin im selben Granulum gespei-chert sein konnen. Wird mit der Immunhistologiedas Hormon nachgewiesen, erlaubt die In-situ-Hy-bridisierung den direkten Nachweis der Hormon-genexpression. Die elektronenmikroskopische Un-tersuchung der HVL-Zellen erlaubt ebenfalls eineEinteilung nach ultrastrukturellen Kriterien. Sounterscheiden wir Zellen mit wenigen großen Gra-nula, die einen Durchmesser bis 1200 nm habenkonnen, von Zellen, die dicht granuliert sind,d. h. voll von uniformen kleineren Granula miteinem Durchmesser um 300 – 500 nm. Im erstenFall handelt es sichmeist um laktotrophe, im zwei-ten Fall um somatotrophe Zellen. Die dicht granu-lierten Zellen waren es, die in den konventionellenFarbeverfahren eosinophil (Wachstumshormon)oder basophil (ACTH) erschienen, die weniger

2.2 · Mikroskopische Anatomie11 2

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granulierten Zellen erschienen als chromophob.Korrespondierend zu den vielen Hormon-gefull-ten Granula der somatotrophen Zelle ist Wachs-tumshormon in der Hypophyse reichlich vorhan-den (5 – 10 mg pro Druse). Dagegen ist Prolaktinals High-turnover-Hormon in den nur schwachgranulierten Zellen der Hypophyse nur in sehr ge-ringer Konzentration nachweisbar (150 lg proDruse), obwohl die Serumspiegel 10fach hohersind als die des Wachstumshormons.

Neben den Vorderlappenzellen, die sich einersekretorischen Leistung zuordnen lassen, findensich auch Zellen, die keinerlei Granula aufweisen,sog. echte Nullzellen. Ferner finden sich sternahn-liche Zellen, ahnlich primitiven Follikeln, derenzellulare Auslaufer in den perivaskularen Raumeindringen (»follicular stellate cells« ¼ FC-Zellen).Etwa 10% der Zellen des HVL sind »follicular stel-late«-Zellen. Die FC-Zellen produzieren u. a. In-terleukin-(IL-)6, den Vascular endothelial growthfactor und exprimieren Rezeptoren fur GnRH undPACAP (»pituitary adenylate cyclase activatingpolypeptide«). Die fruhere Annahme, dass sieals Stammzellen fur andere HVL-Zellen fungieren,ist wohl nicht korrekt. Sicher sind sie vornehmlichmit der parakrinen intrazellularen Kommunikati-on im HVL befasst. Im Gegensatz zur vertikalenSteuerung der HVL-Funktion durch die hypotha-lamischen hypophysiotropen Neurohormonewird die horizontale Koordinierung der Aktivitatder HVL-Zellen durch Zytokine (z. B. IL-1, IL-2,IL-6), Endothelin und »pituitary derived growthfactors« (z. B. IGF-1, EGF, FGF, TGF-a) vermittelt.

2.3 Entwicklungsgeschichte

2.3.1 Hypophyse

Der HVL entwickelt sich aus der Rathke-Tasche,die sich unter dem Einfluss spezifischer Gene(. Abb. 2.5) aus einer ektodermalen Ausbuchtungdes Oropharynx entwickelt hat, aus der auch dieRegion des 3. Ventrikels im Zwischenhirn entstan-den ist. Die Zwischenhirnanlage selbst entwickeltsich z. T. weiter zur Neurohypophyse (HHL).

Die fruhe Entwicklung der Rathke-Tasche wirddurch die Transskriptionsfaktoren Rpx und P-LIM vermittelt. Dabei ist Rpx fur die spatere Ent-

wicklung des HVL von Bedeutung. Im Tiermodellfuhrt die Suppression von Rpx zu einer Hypophy-senhypoplasie (. Abb. 2.5).

Die Transskriptionsfaktoren Lhx3 und Lhx4, diewie P-LIM zur Gruppe der LIM-Homooboxtrans-skriptionsfaktoren gehoren, sind ebenfalls Regula-toren fur die Entwicklung der Rathke-Tasche unddes HVL. Sie sind ab der Invaginationsphase derRathke-Tasche nachweisbar. Fehlt die Expressionvon Lhx3 und Lhx4, so entwickelt sich nur eine ru-dimentare Rathke-Tasche. Ist nur einer der beidenTransskriptionsfaktoren ausgeschaltet, kommt eszu einer regularen Entwicklung der Rathke-Ta-sche.

Bei Knock-out von Lhx3 oder Lhx4 wird zwardie Rathke-Tasche regular entwickelt, die weitereDifferenzierung in spezialisierte HVL-Zellen isthingegen gestort. Ein weiterer, fruhzeitig expri-mierter Transskriptionsfaktor Prop-1 ist fur dieInduktion von Pit-1 notwenig (Prophet of pit-1).Pit-1 ist der Transskriptionsfaktor, der fur die nor-male Entwicklung der somatotrophen, thyreotro-phen und laktotrophen Zellen des HVL essenziellist. Typisch fur die die Hypophysenentwicklungregulierenden Transskriptionsfaktoren ist, dassdas jeweilige Expressionsmaximum des Trans-skriptionsfaktors vor der Expression der Trans-skriptionsfaktoren auftritt, die die weitere Ent-wicklung der Hypophyse bzw. die Zytogeneseder Hormon produzierenden Zellen reguliert(. Abb. 2.5).

Aus den undifferenzierten primordialen Hypo-physenzellen der Rathke-Tasche entwickeln sichunter dem Einfluss weiterer Transskriptionsfakto-ren die verschiedenen hormonproduzierendenZellen des HVL.

Pit-1 ist wahrscheinlich der Transskriptions-faktor der somatotrophen Stammzelle, aus dersich unter dem Einfluss der »thyrotroph embryo-nic factor« (TEF) die thyreotrophe Zelle entwickelt(. Abb. 2.5). Fur die Entwicklung laktotropherZellen ist der Ostrogenrezeptor (ER-a und ER-b) erforderlich. Aus der somatomammotrophenZelle entsteht einmal die somatotrophe Zelle,die ausschließlich GH produziert, und wohl unterdem Einfluss des Ostrogenrezeptors (ER-b) undAktivierung eines noch nicht identifizierten GH-Suppressors die rein PRL-sezernierende Zelle(. Abb. 2.5).

12 Kapitel 2 � Anatomie der hypothalamisch-hypophysaren Einheit

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Fur die Entwicklung der gonadotrophen Zelleist Pit-1 nicht essenziell. Entsprechend haben Pa-tienten mit Pit-1-Mangel auch eine normale Gona-dotropinsekretion. Hier scheint der Steroidoge-nic-Factor-1 sowie der Ostrogenrezeptor von gro-ßer Bedeutung zu sein. Wenig ist auch uber dieSteuerung der Entwicklung der kortikotrophenZellen bekannt. Die Tatsache, dass die Transskrip-tionsfaktoren CUTE und NEURO-D-1/b-2 nur inkortikotrophen Vorderlappenzellen vorkommenund die Expression von POMC beeinflussen, hatzur Annahme gefuhrt, dass diese Faktoren beider Entwicklung kortikotropher Zellen eine Rollespielen konnten (. Abb. 2.5).

Die Rathke-Tasche entwickelt sich separat inden HVL, um dann spater im Verlauf der Ontoge-nese Kontakt zum Hypophysenstiel und zu denneuronalen Strukturen des Hinterlappens zu ge-winnen. Der Teil der Rathke-Tasche, der zumHHL Kontakt aufnimmt, differenziert sich weni-

ger als Adenohypophyse; er bildet den sog. Mittel-lappen, der aber nur im Embryonalzustand beimMenschen nachweisbar ist. Zellen des Mittellap-pens entwickeln allerdings die Fahigkeit, Proopio-melanocortin-(POMC-)abhangige Peptide zu bil-den. Dabei werden Synthese und Prozessierungvon POMC im Mittellappen anders gesteuert alsin den kortikotrophen Zellen des Vorderlappens(S. 38). Ebenso wie der Mittellappen verschwindetauch das Lumen der Rathke-Tasche wahrend derfetalen Entwicklung der Hypophyse. Allerdingskonnen einige Zellen vom unteren Teil der Rath-ke-Tasche persistieren und somit eine extrasellare,pharyngeale Hypophyse (Rachendachhypophyse)ausbilden.

Die menschliche fetale Hypophysenanlage istzwischen der 4. und 5. Woche der Schwanger-schaft erkennbar. Es erfolgt schnell eine zytologi-sche Differenzierung, wobei die spezifischen se-kretorischen Granula, die die Translationspro-

. Abb. 2.5. Schematische Darstellung der Steuerung der Hy-pophysenentwicklung und Zytogenese der HVL-Zellen. Fehlendie fruhen Transskriptionsfaktoren wie Rpx, P-LIM, Lhx3 undLhx4 sowie Prop-1, kommt es zur Hypophysenhypoplasie.Der Pit-1-Mangel fuhrt zur kombinierten GH-, TSH- und PRL-In-suffizienz. Das Fehlen des Steroidogenic-Factor-1 (SF-1) hat

einen Gonadotropinmangel zur Folge. Ostrogenrezeptoren(ER) sind sowohl fur die Differenzierung der gonadotrophenZellen als auch der laktotrophen Zellen wichtig. CUTE undNeuro-D1/b2 sind Faktoren, die in den kortikotrophen Zellennachgewiesen wurden. (Mod. nach Renner et al. 2001)

2.3 · Entwicklungsgeschichte13 2

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dukte der Hormongentranskripte enthalten, nachdem 1. Trimester der Schwangerschaft nachweis-bar sind.

2.3.2. Hypothalamus

Der endokrine Hypothalamus mit den magnozel-lularen Neuronen im Nucleus supraopticus undparaventricularis und den parvizellularen Neuro-nen in der praoptischen Region und im kaudalenmedialen Hypothalamus, entwickelt sich aus demNeuroepithel des dritten Ventrikels. VerschiedeneTransskriptionsfaktoren sind bekannt, die dieEntwicklung der verschiedenen Kernareale steu-ern. So ist der Transskriptionsfaktor SIM-1 furdie Entwicklung sowohl magnozellularer Neu-

rone, die OT und ADH produzieren, als auchfur die Entwicklung TRH- und CRH- und Soma-tostatin-produzierender Neurone wichtig. DerPOU-Homoodomanen-Transskriptionsfaktor Brn-2 ist fur die Entwicklung des Tractus supraoptico-hypophysialis und damit die Bildung von OT undADH ebenfalls essenziell.

Auch scheint der Steroidogenic-Factor-1, derfur die Entwicklung gonadotropher Zellen aufhypophysarer Ebene essenziell ist, fur die Ent-wicklung des Nucleus ventromedialis wichtig zusein. Diese Erkenntnisse beruhen auf Daten, diemit Knock-out-Tieren, meist Mausen, fur den je-weiligen Transskriptionsfaktor gewonnen wur-den. Inwieweit diese Befunde auf die humane Em-bryogenese des Hypothalamus ubertragbar sind,bleibt offen.

14 Kapitel 2 � Anatomie der hypothalamisch-hypophysaren Einheit

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