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Berlin. Die CDU schafft, was anderen Parteien in Deutschland nicht gelingt – sie besetzt die entscheidenden Spitzenposten mit Frauen. Auch wenn die CDU und erst recht die CSU oft wie ein reiner Männerverein wirken, ar- beitet Bundeskanzlerin Angela Merkel offen- bar ein geheimes Kaderkonzept feministi- scher Nadelstiche ab und hat nun, nach Ur- sula von der Leyens Wahl zur neuen EU-Kom- missionspräsidentin, die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Bun- desverteidigungsministerin ernannt. Schwe- rer als das Geschlecht dürfte freilich wiegen, dass es sich in beiden Fällen um Vertraute der Bundeskanzlerin handelt, die ganz nach Mer- kel’scher Art Schritt um Schritt an einer Machtübergabe arbeiten, die spätestens im Herbst 2021 vorbereitet sein muss, wenn die- se Legislaturperiode endet. Wie bereits Ursula von der Leyen muss al- lerdings auch Annegret Kramp-Karrenbauer heftige Misstrauensbekundungen verdauen. Die bisherige Verteidigungsministerin war am Dienstagabend vom EU-Parlament mit einer dünnen Mehrheit von neun Stimmen (52,3 Prozent der Stimmen) gewählt worden. So hat- ten ihr auch die 16 SPD-Parlamentarier in Brüssel die Zustimmung verweigert, weshalb Kramp-Karrenbauer am Mittwoch bereits ein kritisches Gespräch mit dem Koalitionspartner ankündigte. Möglicherweise genügt dort ein Verweis auf die sozialdemokratische Frakti- onschefin im EU-Parlament, Iratxe García Pé- rez, die bereits von der Leyens Pläne für ein »so- ziales und grünes Europa« lobte. Die Grünen verteidigten hingegen ihr Nein bei der Wahl. Kramp-Karrenbauers Ernennung wird ebenfalls von kritischen Äußerungen beglei- tet. Sie sind vor allem von Zweifeln an ihrer Eignung für das neue Amt diktiert. Doch auch ihre politischen Äußerungen rufen misstraui- sche Kommentare hervor. Von einer »gefähr- lichen Fehlbesetzung« sprach der Verteidi- gungsexperte der LINKEN im Bundestag Ale- xander S. Neu. Die Vereidigung Annegret Kramp-Karrenbauers soll am nächsten Mitt- woch auf einer Sondersitzung des Bundestags erfolgen. nd Seiten 2, 3, 10 und 15 STANDPUNKT Und nun ein Flugzeugträger? René Heilig ist skeptisch gegenüber der neuen Verteidigungsministerin Merkel kann’s noch! Ihre Ent- scheidung, die CDU-Chefin ins Kabinett zu holen und zudem mit dem Verteidigungsressort zu be- trauen, kam sehr überraschend. Dass der von Experten fast schon gesetzte Jens Spahn weiter auf Gesundheit machen muss, hat Weitblick. Doch gilt das auch für die Entscheidung pro Annegret Kramp-Karrenbauer? Klar, Merkel holt sie in ihre Nähe; Kramp-Karrenbauer kann so studieren, wie »Kanzlern« geht. Zugleich aber – Friedrich Merz wird’s freuen – setzt Merkel die CDU-Vorsitzende auf einen Schleudersitz. Wer immer dem schwierigen Verteidigungsminis- terium politisch vorsteht: Sie oder er kann eigentlich nichts richtig machen. Schon gar nicht, wenn man außen- und sicher- heitspolitisch so unerfahren ist wie die jetzt Ernannte. Zugegeben, das ließ sich auch von deren Vorgängerin sagen. Doch von der Leyen hatte Berater an der Hand, war rasch internati- onal vernetzt, konnte so mancher US-Begehrlichkeit entgehen. Die Einflüsterer, die Kramp-Karren- bauer bislang beschäftigte, sind offenbar von schwächerem Kali- ber. Man erinnere sich nur an die Idee mit dem deutsch-französi- schen Flugzeugträger. Und wie unbedarft sich Kramp-Karren- bauer für eine noch rasantere Steigerung des Verteidigungsetats ausgesprochen hat, lässt ebenso nichts Gutes ahnen. Das Amt bräuchte vor allem jemanden, der internationale Brände löschen hilft. Das kann und will auch die Neue nicht. Sie ist eine Fehlbesetzung. UNTEN LINKS Volkswagen hat »Fridays for Fu- ture« für sich entdeckt. Oder vielmehr die Werbeagentur von VW. Für seinen neuen Car-Sha- ring-Dienst mit Elektroautos »We Share« wirbt VW mit Plakaten, auf denen eine lachende junge Frau mit ebenso lachender Tochter abgebildet ist. Der Slo- gan lautet: »Endlich können wir die Kinder zur Klimademo fah- ren.« Ja, das ist ja schön. Die Kinder, die ohne Zutun – und teils sogar gegen den Willen – der Eltern freitäglich die Schule sausen lassen, um für eine bes- sere Klimapolitik zu demonstrie- ren, lassen sich bestimmt gerne von ihren Eltern zur Kundge- bung chauffieren. Und das am besten mit Elektroautos, die mit Kohlestrom fahren. Elektromo- bilität klingt zwar schön grün, ist es aber nicht zwingend. Und ist weit davon entfernt, wenn wie in Berlin die meisten Zapfsäulen von Innogy aufgestellt werden, einer Tochter des kohlefreundli- chen Unternehmens RWE. Da lässt der Hambacher Forst grü- ßen. jot Russland-Sanktionen schaden dem Osten Sachsens Regierungschef fordert Abbau der Handelsbeschränkungen Berlin. Fünf Jahre Russland-Sanktionen ha- ben der Wirtschaft in Ostdeutschland mehr geschadet als Unternehmen im Westen. Nach einer Aufstellung des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft ging von 2013 bis 2018 das Handelsvolumen Sachsens mit Russland mit 72,5 Prozent am stärksten zurück, in den fünf ostdeutschen Ländern (ohne Berlin) zu- sammen waren es im Schnitt 28,7 Prozent. Im Westen schrumpfte der Warenaustausch um 17,0 Prozent. Der Geschäftsführer des Ost- ausschusses, Michael Harms, führt das Ge- fälle vor allem darauf zurück, dass ostdeut- sche Maschinenbauer stark auf Russland aus- gerichtet waren. »Das sind keine Großkon- zerne, das sind alles Mittelständler. Die Aus- fälle haben dann eine enorme Bedeutung.« Sachsens Regierungschef Michael Kretsch- mer (CDU) plädierte am Mittwoch erneut für den Abbau der Strafmaßnahmen. »Die Lö- sung des Ukraine-Konflikts ist wichtig und wir müssen dafür alles tun; die Sanktionen ha- ben uns da aber keinen Schritt weiterge- bracht«, sagte er. dpa/nd Journalisten in der Türkei freigesprochen »Reporter ohne Grenzen«-Mitarbeiter standen seit 2016 vor Gericht Istanbul. Der Türkei-Korrespondent von »Reporter ohne Grenzen« (ROG), Erol Ön- deroglu, und zwei Mitangeklagte sind am Mittwoch in Istanbul freigesprochen wor- den. Die Journalistenorganisation zeigte sich »außerordentlich erleichtert« über das Ur- teil. Önderoglu und die beiden anderen Männer, Sebnem Korur Fincanci und Ahmet Nesinstand, standen seit November 2016 wegen angeblicher Terrorpropaganda vor Gericht. Hintergrund war ihre Teilnahme an einer Solidaritätsaktion für die mittlerweile geschlossene pro-kurdische Zeitung »Özgür Gündem«. »Wir freuen uns sehr über die Freisprü- che«, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. Ab dem 7. November steht Önde- roglu erneut wegen Terrorpropaganda vor Gericht. »Angesichts des jetzigen Urteils soll- te die türkische Justiz die noch bestehende, ebenso absurde Anklage gegen Önderoglu zü- gig niederschlagen«, forderte Rediske. epd/nd ISSN 0323-3375 Was kostet fairer Kaffee? Röster wollen Transparenz in den Handel bringen. Seite 8 Foto: mauritius images/Alamy/Aliak G7-Finanzminister haben Libra nicht lieb Facebook-Währung wird einhellig abgelehnt / Digitalsteuer bleibt umstritten Auch für die G7-Finanzminister rückt die digitale Welt zuneh- mend in den Mittelpunkt des In- teresses. In Sachen Besteuerung ist Einigkeit nicht in Sicht. Von Kurt Stenger Es ist selten geworden, dass sich die G7-Staaten in einem Punkt wirklich einig sind. Doch beim zweitägigen Treffen der Finanz- minister und Notenbankchefs aus den sieben Ländern, die sich als wichtigste Industrienationen an- sehen, auf Schloss Chantilly bei Paris war dies der Fall. Die Pläne des Internetkonzerns Facebook, im kommenden Jahr ein virtuelles Zahlungsmittel namens Libra ein- zuführen, stieß auf einhellige Skepsis bis Ablehnung. »Wir wol- len nicht, dass Privatunternehmen die Möglichkeit haben, eine sou- veräne Währung zu schaffen«, sagte Gastgeber Bruno Le Maire zum Auftakt am Mittwoch. Es be- dürfe strenger Regelungen und Verpflichtungen, so Frankreichs Finanzminister. Sein US-Kollege Steven Mnuchin äußerte die Be- fürchtung, dass Libra zur Geld- wäsche und zur finanziellen Un- terstützung von Terroristen miss- braucht werden könne. Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum oder Litecoin, die auf ei- ner besonderen Verschlüsselung aufbauen, sich dem Eingriff der Zentralbanken entziehen und Geldtransfers unter Umgehung von Banken ermöglichen, gibt es schon seit Jahren. Doch sie sind ein Randphänomen. Dies würde sich ändern, wenn Facebook seinen 2,5 Milliarden Nutzern eine eigene Währung anbieten würde. Bei Lib- ra arbeiten weitere Onlinekonzer- ne wie Ebay, Uber und Spotify, aber auch große Kreditkartenfir- men mit. Es könnte so ein neues monetäres System jenseits staatli- cher Regulierung entstehen, das zudem die Geldpolitik aushebeln und Facebook auch noch wichtige Finanzdaten zuschustern würde. Die Bedenken in der G7 konnte der Konzern bisher auch nicht mit der Beteuerung beenden, Libra bleibe Teil des staatlichen Geldsystems und baue auf einem Korb wichti- ger Währungen auf. Damit war es mit den Gemein- samkeiten auch schon vorbei: Wie bei G7-Treffen inzwischen üblich, gab es auch in Chantilly Vierau- gengespräche, um über Dispute zumindest zu sprechen. Dass Frankreich die großen Internet- konzerne, die meist aus den USA kommen, mit einer speziellen Steuer auf digitale Umsätze zur Kasse bitten will, sorgte in Wa- shington für heftige Reaktionen. Frankreich erhoffte sich zwar Rü- ckendeckung aus dem Kreis der G7-Kollegen, Finanzminister Le Maire rechnete aber mit »schwie- rigen Verhandlungen« mit seinem Amtskollegen Mnuchin. Dieser sieht eine »unfaire« Behandlung von US-Firmen, während Paris ar- gumentiert, dass Unternehmen aus allen Ländern ab einer be- stimmten Größe betroffen seien. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz hatte sich bisher ge- gen Alleingänge ausgesprochen und setzt auf eine Einigung im größeren Rahmen in der G20. Oh- nehin möchte er angesichts des laufenden Handelskonflikts die USA nicht weiter reizen. Der LIN- KE-Politiker Fabio De Masi findet dafür klare Worte: »Scholz hat Frankreich aus Hasenfüßigkeit die europäische Solidarität bei der Digitalsteuer verweigert.« »Wir wollen nicht, dass Privatunter- nehmen die Mög- lichkeit haben, eine souveräne Währung zu schaffen.« Bruno Le Maire, Finanzminister Frankreichs Donnerstag, 18. Juli 2019 74. Jahrgang/Nr. 165 Einzelverkaufspreis 2,00 € www.neues-deutschland.de Handy-Mutanten Das selbst gewählte Smartphone-Joch verändert das Skelett. Seite 9 Es war einmal ein Palast Die Kunsthalle Rostock zeigt eine Ausstellung über Bau, Blüte und gewollte Zerstörung des größten DDR-Kulturhauses. Seite 17 Foto: Fotoagentur Nordlicht/Frank Hormann Lebenslang für »El Chapo« Mexikanischer Drogenboss in USA zu 12-Milliarden-Dollar-Strafe verurteilt New York. Der mexikanische Drogenboss Joaquín »El Chapo« Guzmán muss für den Rest seines Lebens ins Gefängnis. Der 62-Jäh- rige sei zu lebenslanger Haft plus 30 Jahre verurteilt worden und dürfe keinen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen, sagte Rich- ter Brian Cogan am Mittwoch in New York. Außerdem forderte das Gericht »El Chapo« auf, eine Summe von 12,6 Milliarden Dollar, etwa 11,2 Milliarden Euro, zu zahlen. Dies sei eine »konservative Schätzung« der Sum- me, die Guzmán aus der Drogenkriminalität eingenommen habe, hatte die Staatsanwalt- schaft zuvor mitgeteilt. In einem der größten Prozesse zu Dro- genkriminalität in der Geschichte der USA hatte eine Jury »El Chapo« vor fünf Monaten in allen zehn Anklagepunkten für schuldig befunden – unter anderem wegen Beteili- gung an einer Verbrecherorganisation, Her- stellung und internationaler Verbreitung der Drogen Kokain, Heroin, Methamphetamin und Marihuana sowie wegen Geldwäsche und Gebrauchs von Schusswaffen. dpa/nd Foto: Reuters/Fabrizio Bensch Die Frauen-Union Merkel zufrieden: Ministerin wird EU-Kommissionschefin, CDU-Vorsitzende wird Ministerin

Journalisten Die Frauen-Union - Neues Deutschland · beiG7-Treffeninzwischenüblich, gabesauchinChantillyVierau-gengespräche,umüberDispute zumindest zu sprechen. Dass FrankreichdiegroßenInternet-konzerne,diemeistausdenUSA

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Page 1: Journalisten Die Frauen-Union - Neues Deutschland · beiG7-Treffeninzwischenüblich, gabesauchinChantillyVierau-gengespräche,umüberDispute zumindest zu sprechen. Dass FrankreichdiegroßenInternet-konzerne,diemeistausdenUSA

Berlin. Die CDU schafft, was anderen Parteienin Deutschland nicht gelingt – sie besetzt dieentscheidenden Spitzenposten mit Frauen.Auch wenn die CDU und erst recht die CSUoft wie ein reiner Männerverein wirken, ar-beitet Bundeskanzlerin Angela Merkel offen-bar ein geheimes Kaderkonzept feministi-scher Nadelstiche ab und hat nun, nach Ur-sula von der Leyens Wahl zur neuen EU-Kom-missionspräsidentin, die CDU-VorsitzendeAnnegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Bun-desverteidigungsministerin ernannt. Schwe-rer als das Geschlecht dürfte freilich wiegen,dass es sich in beiden Fällen um Vertraute derBundeskanzlerin handelt, die ganz nach Mer-kel’scher Art Schritt um Schritt an einer

Machtübergabe arbeiten, die spätestens imHerbst 2021 vorbereitet sein muss, wenn die-se Legislaturperiode endet.Wie bereits Ursula von der Leyen muss al-

lerdings auch Annegret Kramp-Karrenbauerheftige Misstrauensbekundungen verdauen.Die bisherige Verteidigungsministerin war amDienstagabend vom EU-Parlament mit einerdünnen Mehrheit von neun Stimmen (52,3Prozent der Stimmen) gewählt worden. So hat-ten ihr auch die 16 SPD-Parlamentarier inBrüssel die Zustimmung verweigert, weshalbKramp-Karrenbauer am Mittwoch bereits einkritisches Gespräch mit dem Koalitionspartnerankündigte. Möglicherweise genügt dort einVerweis auf die sozialdemokratische Frakti-

onschefin im EU-Parlament, Iratxe García Pé-rez, die bereits von der Leyens Pläne für ein »so-ziales und grünes Europa« lobte. Die Grünenverteidigten hingegen ihr Nein bei der Wahl.Kramp-Karrenbauers Ernennung wird

ebenfalls von kritischen Äußerungen beglei-tet. Sie sind vor allem von Zweifeln an ihrerEignung für das neue Amt diktiert. Doch auchihre politischen Äußerungen rufen misstraui-sche Kommentare hervor. Von einer »gefähr-lichen Fehlbesetzung« sprach der Verteidi-gungsexperte der LINKEN im Bundestag Ale-xander S. Neu. Die Vereidigung AnnegretKramp-Karrenbauers soll am nächsten Mitt-woch auf einer Sondersitzung des Bundestagserfolgen. nd Seiten 2, 3, 10 und 15

STANDPUNKT

Und nun einFlugzeugträger?René Heilig ist skeptisch gegenüberder neuen Verteidigungsministerin

Merkel kann’s noch! Ihre Ent-scheidung, die CDU-Chefin insKabinett zu holen und zudem mitdem Verteidigungsressort zu be-trauen, kam sehr überraschend.Dass der von Experten fast schongesetzte Jens Spahn weiter aufGesundheit machen muss, hatWeitblick. Doch gilt das auch fürdie Entscheidung pro AnnegretKramp-Karrenbauer?Klar, Merkel holt sie in ihre

Nähe; Kramp-Karrenbauer kannso studieren, wie »Kanzlern«geht. Zugleich aber – FriedrichMerz wird’s freuen – setzt Merkeldie CDU-Vorsitzende auf einenSchleudersitz. Wer immer demschwierigen Verteidigungsminis-terium politisch vorsteht: Sieoder er kann eigentlich nichtsrichtig machen. Schon gar nicht,wenn man außen- und sicher-heitspolitisch so unerfahren istwie die jetzt Ernannte.Zugegeben, das ließ sich auch

von deren Vorgängerin sagen.Doch von der Leyen hatte Berateran der Hand, war rasch internati-onal vernetzt, konnte so mancherUS-Begehrlichkeit entgehen. DieEinflüsterer, die Kramp-Karren-bauer bislang beschäftigte, sindoffenbar von schwächerem Kali-ber. Man erinnere sich nur an dieIdee mit dem deutsch-französi-schen Flugzeugträger. Und wieunbedarft sich Kramp-Karren-bauer für eine noch rasantereSteigerung des Verteidigungsetatsausgesprochen hat, lässt ebensonichts Gutes ahnen.Das Amt bräuchte vor allem

jemanden, der internationaleBrände löschen hilft. Das kannund will auch die Neue nicht. Sieist eine Fehlbesetzung.

UNTEN LINKS

Volkswagen hat »Fridays for Fu-ture« für sich entdeckt. Odervielmehr dieWerbeagentur vonVW. Für seinen neuen Car-Sha-ring-Dienst mit Elektroautos »WeShare« wirbt VW mit Plakaten,auf denen eine lachende jungeFrau mit ebenso lachenderTochter abgebildet ist. Der Slo-gan lautet: »Endlich können wirdie Kinder zur Klimademo fah-ren.« Ja, das ist ja schön. DieKinder, die ohne Zutun – undteils sogar gegen den Willen –der Eltern freitäglich die Schulesausen lassen, um für eine bes-sere Klimapolitik zu demonstrie-ren, lassen sich bestimmt gernevon ihren Eltern zur Kundge-bung chauffieren. Und das ambesten mit Elektroautos, die mitKohlestrom fahren. Elektromo-bilität klingt zwar schön grün, istes aber nicht zwingend. Und istweit davon entfernt, wenn wie inBerlin die meisten Zapfsäulenvon Innogy aufgestellt werden,einer Tochter des kohlefreundli-chen Unternehmens RWE. Dalässt der Hambacher Forst grü-ßen. jot

Russland-Sanktionenschaden dem OstenSachsens Regierungschef fordertAbbau der Handelsbeschränkungen

Berlin. Fünf Jahre Russland-Sanktionen ha-ben der Wirtschaft in Ostdeutschland mehrgeschadet als Unternehmen im Westen. Nacheiner Aufstellung des Ostausschusses derDeutschen Wirtschaft ging von 2013 bis 2018das Handelsvolumen Sachsens mit Russlandmit 72,5 Prozent am stärksten zurück, in denfünf ostdeutschen Ländern (ohne Berlin) zu-sammen waren es im Schnitt 28,7 Prozent. ImWesten schrumpfte der Warenaustausch um17,0 Prozent. Der Geschäftsführer des Ost-ausschusses, Michael Harms, führt das Ge-fälle vor allem darauf zurück, dass ostdeut-sche Maschinenbauer stark auf Russland aus-gerichtet waren. »Das sind keine Großkon-zerne, das sind alles Mittelständler. Die Aus-fälle haben dann eine enorme Bedeutung.«Sachsens Regierungschef Michael Kretsch-

mer (CDU) plädierte am Mittwoch erneut fürden Abbau der Strafmaßnahmen. »Die Lö-sung des Ukraine-Konflikts ist wichtig und wirmüssen dafür alles tun; die Sanktionen ha-ben uns da aber keinen Schritt weiterge-bracht«, sagte er. dpa/nd

Journalistenin der Türkeifreigesprochen»Reporter ohne Grenzen«-Mitarbeiterstanden seit 2016 vor Gericht

Istanbul. Der Türkei-Korrespondent von»Reporter ohne Grenzen« (ROG), Erol Ön-deroglu, und zwei Mitangeklagte sind amMittwoch in Istanbul freigesprochen wor-den. Die Journalistenorganisation zeigte sich»außerordentlich erleichtert« über das Ur-teil. Önderoglu und die beiden anderenMänner, Sebnem Korur Fincanci und AhmetNesinstand, standen seit November 2016wegen angeblicher Terrorpropaganda vorGericht. Hintergrund war ihre Teilnahme aneiner Solidaritätsaktion für die mittlerweilegeschlossene pro-kurdische Zeitung »ÖzgürGündem«.»Wir freuen uns sehr über die Freisprü-

che«, sagte ROG-Vorstandssprecher MichaelRediske. Ab dem 7. November steht Önde-roglu erneut wegen Terrorpropaganda vorGericht. »Angesichts des jetzigen Urteils soll-te die türkische Justiz die noch bestehende,ebenso absurde Anklage gegen Önderoglu zü-gig niederschlagen«, forderte Rediske. epd/nd

ISSN 0323-3375

Was kostet fairer Kaffee?Röster wollen Transparenz in denHandel bringen. Seite 8Foto: mauritius images/Alamy/Aliak

G7-Finanzminister haben Libra nicht liebFacebook-Währung wird einhellig abgelehnt / Digitalsteuer bleibt umstritten

Auch für die G7-Finanzministerrückt die digitale Welt zuneh-mend in den Mittelpunkt des In-teresses. In Sachen Besteuerungist Einigkeit nicht in Sicht.

Von Kurt Stenger

Es ist selten geworden, dass sichdie G7-Staaten in einem Punktwirklich einig sind. Doch beimzweitägigen Treffen der Finanz-minister und Notenbankchefs ausden sieben Ländern, die sich alswichtigste Industrienationen an-sehen, auf Schloss Chantilly beiParis war dies der Fall. Die Plänedes Internetkonzerns Facebook, imkommenden Jahr ein virtuellesZahlungsmittel namens Libra ein-zuführen, stieß auf einhelligeSkepsis bis Ablehnung. »Wir wol-len nicht, dass Privatunternehmendie Möglichkeit haben, eine sou-veräne Währung zu schaffen«,sagte Gastgeber Bruno Le Mairezum Auftakt am Mittwoch. Es be-dürfe strenger Regelungen und

Verpflichtungen, so FrankreichsFinanzminister. Sein US-KollegeSteven Mnuchin äußerte die Be-fürchtung, dass Libra zur Geld-wäsche und zur finanziellen Un-terstützung von Terroristen miss-braucht werden könne.Kryptowährungen wie Bitcoin,

Ethereum oder Litecoin, die auf ei-ner besonderen Verschlüsselungaufbauen, sich dem Eingriff derZentralbanken entziehen undGeldtransfers unter Umgehungvon Banken ermöglichen, gibt esschon seit Jahren. Doch sie sind einRandphänomen. Dies würde sichändern, wenn Facebook seinen 2,5Milliarden Nutzern eine eigeneWährung anbieten würde. Bei Lib-ra arbeiten weitere Onlinekonzer-ne wie Ebay, Uber und Spotify,aber auch große Kreditkartenfir-men mit. Es könnte so ein neuesmonetäres System jenseits staatli-cher Regulierung entstehen, daszudem die Geldpolitik aushebelnund Facebook auch noch wichtigeFinanzdaten zuschustern würde.

Die Bedenken in der G7 konnte derKonzern bisher auch nicht mit derBeteuerung beenden, Libra bleibeTeil des staatlichen Geldsystemsund baue auf einem Korb wichti-ger Währungen auf.

Damit war es mit den Gemein-samkeiten auch schon vorbei: Wiebei G7-Treffen inzwischen üblich,gab es auch in Chantilly Vierau-gengespräche, um über Disputezumindest zu sprechen. DassFrankreich die großen Internet-konzerne, die meist aus den USA

kommen, mit einer speziellenSteuer auf digitale Umsätze zurKasse bitten will, sorgte in Wa-shington für heftige Reaktionen.Frankreich erhoffte sich zwar Rü-ckendeckung aus dem Kreis derG7-Kollegen, Finanzminister LeMaire rechnete aber mit »schwie-rigen Verhandlungen« mit seinemAmtskollegen Mnuchin. Diesersieht eine »unfaire« Behandlungvon US-Firmen, während Paris ar-gumentiert, dass Unternehmenaus allen Ländern ab einer be-stimmten Größe betroffen seien.Der deutsche Finanzminister

Olaf Scholz hatte sich bisher ge-gen Alleingänge ausgesprochenund setzt auf eine Einigung imgrößeren Rahmen in der G20. Oh-nehin möchte er angesichts deslaufenden Handelskonflikts dieUSA nicht weiter reizen. Der LIN-KE-Politiker Fabio De Masi findetdafür klare Worte: »Scholz hatFrankreich aus Hasenfüßigkeit dieeuropäische Solidarität bei derDigitalsteuer verweigert.«

»Wir wollen nicht,dass Privatunter-nehmen die Mög-lichkeit haben, einesouveräne Währungzu schaffen.«Bruno Le Maire,Finanzminister Frankreichs

Donnerstag, 18. Juli 2019 74. Jahrgang/Nr. 165 Einzelverkaufspreis 2,00 € www.neues-deutschland.de

Handy-MutantenDas selbst gewählte Smartphone-Jochverändert das Skelett. Seite 9

Es war einmalein PalastDie KunsthalleRostock zeigteine Ausstellungüber Bau, Blüteund gewollteZerstörungdes größtenDDR-Kulturhauses.Seite 17

Foto: Fotoagentur Nordlicht/Frank Hormann

Lebenslang für»El Chapo«Mexikanischer Drogenboss in USA zu12-Milliarden-Dollar-Strafe verurteilt

New York. Der mexikanische DrogenbossJoaquín »El Chapo« Guzmán muss für denRest seines Lebens ins Gefängnis. Der 62-Jäh-rige sei zu lebenslanger Haft plus 30 Jahreverurteilt worden und dürfe keinen Antragauf vorzeitige Entlassung stellen, sagte Rich-ter Brian Cogan am Mittwoch in New York.Außerdem forderte das Gericht »El Chapo«auf, eine Summe von 12,6 Milliarden Dollar,etwa 11,2 Milliarden Euro, zu zahlen. Diessei eine »konservative Schätzung« der Sum-me, die Guzmán aus der Drogenkriminalitäteingenommen habe, hatte die Staatsanwalt-schaft zuvor mitgeteilt.In einem der größten Prozesse zu Dro-

genkriminalität in der Geschichte der USAhatte eine Jury »El Chapo« vor fünf Monatenin allen zehn Anklagepunkten für schuldigbefunden – unter anderem wegen Beteili-gung an einer Verbrecherorganisation, Her-stellung und internationaler Verbreitung derDrogen Kokain, Heroin, Methamphetaminund Marihuana sowie wegen Geldwäscheund Gebrauchs von Schusswaffen. dpa/nd

Foto: Reuters/Fabrizio Bensch

Die Frauen-UnionMerkel zufrieden: Ministerin wird EU-Kommissionschefin,CDU-Vorsitzende wird Ministerin