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Interpretationsleitfaden für das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken Merkblatt vom 20.12.2019 Version 1.0 April 2020

Interpretationsleitfaden für das BaFin-Merkblatt zum Umgang ......Ad-hoc-Arbeitsgruppe aus Vertretern von Instituten, Verbänden und Servicedienstleistern einen Interpretationsleitfaden

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  • Interpretationsleitfaden für das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken Merkblatt vom 20.12.2019

    Version 1.0 April 2020

  • Interpretationsleitfaden für das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken

    Copyright DSGV Alle Rechte vorbehalten 1

    Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband stellt den Instituten der Sparkassen-Finanzgruppe diesen Interpretationsleitfaden für das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisi-ken zur Verfügung. Alle Rechte an den Inhalten liegen beim Deutschen Sparkassen- und Giro-verband. Bei Verwendung von Inhalten wird um die Beachtung des Copyrights und eine ange-messene Zitierung gebeten.

    Impressum

    HERAUSGEBER

    Deutscher Sparkassen- und Giroverband e. V. (DSGV)

    Charlottenstraße 47

    10117 Berlin

    Telefon: 030 20225-0

    Telefax: 030 20225-250

    Abteilung Strategische Banksteuerung und Rechnungslegung

    Dr. Maik Grabau

    Dr. Johannes Voit

    Stephan Reichert

  • Vorwort Nachhaltigkeit ist eine der großen Zukunftsaufgaben für die Menschheit. Sie umfasst Umweltschutz und dabei vor allem den Klimawandel, soziale Aspekte und gute Unternehmensführung. Die Sparkassen-Finanzgruppe unterstützt aktiv die Entwicklung zu einer nachhaltigen Gesellschaft und zu nachhaltigem Wirtschaften. Deshalb hat der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) die Principles for Responsible Banking gezeichnet. Die Sparkassen-Finanzgruppe hat durch ihr regionales, bürgernahes Geschäftsmodell, den öffentlichen Auftrag und ihre dezentrale Organisation eine lange Tradition in sozialem Engagement. Auch stellt gute, verantwortungsvolle Unternehmensführung ein Kernelement unserer Organisation dar. Damit hat die Sparkassen-Finanzgruppe einen wichtigen Startvorteil, wenn es nun darum geht, Nachhaltigkeit ganzheitlich und zukunftsorientiert in unserer Gesellschaft zu leben. Parallel nehmen auch Regulierungsbehörden und die Bankenaufsicht das Thema einer nachhaltigen Finanzwirtschaft auf. Speziell hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Dezember 2019 ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht. Zu diesem Leitfaden hat eine beim DSGV angesiedelte Ad-hoc-Arbeitsgruppe aus Vertretern von Instituten, Verbänden und Servicedienstleistern einen Interpretationsleitfaden erarbeitet, der Orientierung im Umgang mit dem Merkblatt der BaFin bietet und erste Hinweise zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken für die Institute liefert. Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre und viele Inspirationen für den Umgang mit dem wichtigen Thema Nachhaltigkeitsrisiken. Ihr Dr. Maik Grabau Direktor Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V.

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    Präambel

    Nachhaltigkeit nimmt in der Gesellschaft einen immer höheren Stellenwert ein. Ausgehend von den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen über das Pariser Kli-maabkommen wird Nachhaltigkeit immer stärker in nationalen und internationalen Normen adressiert. Auf europäischer Ebene wird das Thema intensiv vorangetrieben, wie z. B. aus dem European Green Deal und dem Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums ersicht-lich wird. Auch die Bundesregierung hat Nachhaltigkeit und insbesondere den Klimawandel auf der Agenda, was sich z. B. in der Initiative zum Kohleausstieg widerspiegelt.

    Die Sparkassen-Finanzgruppe unterstützt die Bemühungen, die globale Wirtschaft nachhaltig und insbesondere CO2-neutral auszurichten. Aus diesem Grund plant der DSGV die Unter-zeichnung der „Principles for Responsible Banking“ im Jahr 2020.

    Viele Institute der Sparkassen-Finanzgruppe haben Nachhaltigkeit bereits in ihr unternehme-risches Handeln einbezogen, indem sie z. B. ihren Ressourcenverbrauch spürbar senken, Grundsätze für ihre Eigenanlagen anwenden und ihre Kunden durch Finanzierungen bei der Transformation zu CO2-neutralen Geschäftsmodellen unterstützen.

    Der DSGV unterstützt das Engagement der Institute mit zentralen Dienstleistungen:

    Die deutsche Bundesregierung hat das politische Ziel ausgerufen, Deutschland zu einem füh-renden Sustainable-Finance-Standort auszubauen. Die BaFin unterstützt die Bundesregierung

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    bei diesem Vorhaben. Das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken ist als Baustein dieser Bemühungen zu sehen.

    Das Risikomanagement der Institute ist ein sensibler Bereich mit aufsichtlicher Relevanz. An-passungen im Risikomanagement erfolgen insbesondere aufgrund sachlogischer Notwendig-keiten. Der Interpretationsleitfaden stellt daher Anwendungsmöglichkeiten und Gestaltungs-spielräume für die Institute zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikoma-nagement dar.

    Das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken ist ausdrücklich nur als Orientie-rungshilfe zu verstehen. Die BaFin weist aber auch darauf hin, dass das Merkblatt weder aktu-elle noch ausstehende aufsichtliche Vorgaben zur Integration von Nachhaltigkeitsrisiken ab-schwächt oder erweitert.

    Laut BaFin erhalten die Marktteilnehmer mit dem Merkblatt das Signal, dass die Aufsicht Um-welt-, Sozial-und Governance-Risiken (ESG-Risiken) künftig stärker in den Fokus nimmt: „Er-klärtes Ziel ist, dass Kreditinstitute […] Nachhaltigkeitsrisiken systematisch in ihr Risikoma-nagement integrieren. Im Jahr 2020 entwickelt die BaFin ein Konzept und eine Strategie, um das aufsichtliche Ambitionsniveau für das Management von Nachhaltigkeitsrisiken zu konkre-tisieren. Ab 2021 sollen Nachhaltigkeitsrisiken systematisch durch bestehende Aufsichtsin-strumente der BaFin erfasst und adressiert werden.“1

    1 Vgl. BaFin „Aufsichtsschwerpunkte 2020“.

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    Inhalt 0 Einleitung 6 0.1 Juristische Einordnung und Anwendungsbereich des

    BaFin-Merkblatts 6 0.2 Hinweise zur Benutzung des Leitfadens 7 0.3 Verständnis von Nachhaltigkeitsrisiken 10 1 Allgemeines 16 2 Einführung 20 3 Strategien beaufsichtigter Unternehmen 25 4 Verantwortliche Unternehmensführung 28 4.1 Strategieverantwortung 28 4.2 Verständnis von Nachhaltigkeitsrisiken 28 4.3 Verantwortlichkeiten 29 4.4 Vorbildfunktion 30 5 Geschäftsorganisation 32 5.1 Organisationsrichtlinien 32 5.2 Prozesse 34 5.3 Verantwortlichkeiten 36 5.4 Ressourcen 36 5.5 Spezielle Nachhaltigkeitseinheit 37 5.6 Front-Desk/Markt/Portfoliomanagement 37 5.7 Back-Office/Marktfolge 39 5.8 Risikocontrolling-Funktion 39 5.9 Compliance-Funktion 40 5.10 Funktion der internen Revision 40 5.11 Notfallmanagement 41 6 Risikomanagement 42 6.1 Allgemeine Anforderungen an die Integration von

    Nachhaltigkeitsrisiken in die Risikoidentifikations-, -steuerungs- und -controllingprozesse 42

    6.2 Methoden 47 6.3 Nutzung von Risikoanalyse- bzw. -

    klassifizierungsverfahren 49 6.4 Tools zur Risikoinventur bzw. Portfolioanalyse 55 6.5 Interne Berichterstattung 55 6.6 Besonderheiten für nach KWG beaufsichtigte Institute 56 7 Risikomanagement: Stresstests einschließlich

    Szenarioanalysen 57 7.1 Unternehmensindividuelle Stresstests 57 7.2 Szenarioanalysen 57

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    7.3 Transitionsszenarien 59 7.4 Auswirkungsszenarien 59 7.5 Proportionalität 60 7.6 Interpretation 60 7.7 Besonderheiten für nach KWG beaufsichtigte Institute 61 8 Auslagerung/Ausgliederung 62 8.1 Auslagerungsrichtlinie 62 8.2 Risikoanalyse 63 8.3 Auslagerungsvertrag 64 8.4 Zentrales Auslagerungsmanagement 64 9 Gruppensachverhalte 65 9.1 Organisationsrichtlinien 65 9.2 Nachhaltigkeitseinheit 65 9.3 Konzentrationsrisiken 65 9.4 Nachhaltigkeitsstandards 66 10 Verwendung von Ratings 67 10.1 Kreditratings 67 10.2 ESG-Ratings 67 10.3 Einheitliche Standards 67 10.4 Plausibilisierung 67 11 Fazit und Ausblick 69 12 Anhang 71

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    0 Einleitung 0.1 Juristische Einordnung und Anwendungsbereich des BaFin-Merk-

    blatts

    Das Merkblatt hat keinen gesetzlichen oder normenkonkretisierenden Charakter wie z. B. die MaRisk. Aufsichtliche Maßnahmen und Prüfungsanforderungen lassen sich aus dem Merkblatt somit nicht unmittelbar ableiten. Diese ergeben sich grundsätzlich aus den heute bestehen-den gesetzlichen Vorgaben und ihren Konkretisierungen.

    Das BaFin-Merkblatt ist keine eigenständig umzusetzende Rechtsvorschrift.

    Der juristische Charakter des Merkblatts wird von der BaFin durch folgenden Satz verdeutlicht:

    Das Merkblatt kann als Anstoß einer sinnvollen Ergänzung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement für Kreditinstitute, […] gesehen werden und verfolgt nicht das Ziel, kon-krete Prüfungsanforderungen zu formulieren. (Vgl. Zusammenfassung)

    Die Formulierung „kann … gesehen werden“ eröffnet den Instituten grundsätzlich zwei mögli-che Positionierungen:

    1. Ein Institut kann sich dagegen entscheiden, das BaFin-Merkblatt als Ergänzung der MaRisk zu sehen. In diesem Fall stellt das Merkblatt vor allem eine Orientierung über Vorgehensweisen dar, die im Rahmen einer zukünftigen Umsetzung von dann verbind-lichen Vorgaben herangezogen werden können. Aus dem Merkblatt selbst ergeben sich keine Umsetzungsanforderung für das Institut. Dieser Interpretationsleitfaden (künftig als Leitfaden bezeichnet) informiert dann ein solches Institut darüber, wie eine mögliche zukünftige Umsetzung aus einer MaRisk-Perspektive gestaltet werden könnte.

    2. Ein Institut kann sich in eigener Verantwortung und ohne Verpflichtung dafür ent-scheiden, das BaFin-Merkblatt als eine Ergänzung der MaRisk zu sehen.

    Für diese Institute interpretiert der Leitfaden das BaFin-Merkblatt aus der MaRisk-Per-spektive und arbeitet Basisempfehlungen (abgeleitet von aufsichtlichen Mindestanfor-derungen der MaRisk) sowie mögliche Ausbaustufen für eine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement heraus.

    Der Begriff einer „Mindestanforderung“ wird in diesem Leitfaden in einem normativen Kontext zugunsten einer „Basisempfehlung“ vermieden, um der Unverbindlichkeit des Merkblatts als Grundlage der Interpretation Rechnung zu tragen. Dies impliziert in der Praxis auch, dass die Institute auch die Möglichkeit haben, nur bestimmte einzelne Basisempfehlungen umzuset-zen, sich also flexibel zwischen den beiden Gruppen zu positionieren oder aber im Zeitverlauf

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    sich von Gruppe 1 hin zu Gruppe 2 zu entwickeln. In verneinenden Zusammenhängen („keine Mindestanforderung“) oder bei Bezugnahme auf die MaRisk wird der Begriff „Mindestanforde-rung“ jedoch verwendet.

    Aus dem Merkblatt sollen keine Prüfungsanforderungen abgeleitet werden. Prüfungsanforde-rungen ergeben sich erst aus späteren, verbindlichen Vorgaben an die Institute. Auf solche-ggf. kommende, eigenständig umzusetzende Rechtsvorschriften, die dann Grundlage für auf-sichtliche Maßnahmen und Prüfungsanforderungen sind, weist die BaFin wie folgt hin:

    Entsprechende, später auch prüfungsrelevante Vorgaben werden jedoch in Umsetzung von europäischen Verordnungen, Richtlinien und Leitlinien auf die beaufsichtigten Unternehmen zukommen (Vgl. 1.1).

    Die sprachliche Formulierung des weiteren Leitfadens zielt auf die Lesart derjenigen Institute, die das BaFin-Merkblatt als eine sinnvolle Ergänzung der MaRisk ansehen wollen (Gruppe 2). (Institute der Gruppe 1 können alle Formulierungen lediglich als Information über zukünftig potenziell mögliche Umsetzungen interpretieren.)

    Die folgende Interpretation des Leitfadens beruht auf dem BaFin-Zitat, dass verbindliche ge-setzliche oder aufsichtliche Vorgaben im Hinblick auf Nachhaltigkeitsrisiken durch das Merk-blatt weder abgeschwächt noch erweitert werden. Frei formuliert:

    Kreditinstitute müssen die gesetzlichen Vorgaben, konkretisiert z. B. durch die MaRisk, unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken erfüllen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

    Die BaFin weist deutlich darauf hin, dass sowohl die dargestellten Grundsätze und Prozesse als auch die Beispiele unverbindlich sind. Diese sind weder abschließend, noch sind sie kumu-lativ zu verstehen. Institute können sich daran orientieren, sind aber dazu nicht verpflichtet. Alternative Vorgehensweisen sind möglich.

    0.2 Hinweise zur Benutzung des Leitfadens Am 20. Dezember 2019 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht. Mit dem Merkblatt möchte die BaFin die Finanzdienstleistungsindustrie dabei unterstützen, die sich abzeichnenden veränderten Rahmenbedingungen im Thema „Nachhaltigkeit“ erfolgreich zu begleiten bzw. zu managen.

    Dieser Leitfaden soll zunächst die Aussagen des Merkblatts für die Anwender in den Instituten erläutern und insbesondere unbestimmte Begriffe einordnen und anwendbar machen. Der Leitfaden fokussiert dabei auf Sparkassen. Das Merkblatt selbst enthält auch spezifische Rege-lungen für Asset Manager und Versicherungen, auf die in diesem Leitfaden in der Regel nicht eingegangen wird.

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    In Kapitel 0 wird der aufsichtliche Begriff „Nachhaltigkeitsrisiken“ zunächst in die Risikoarten-Systematik der Sparkassen eingeordnet und somit ein gemeinsames Verständnis von Nach-haltigkeitsrisiken hergestellt. Anschließend erfolgt die Interpretation des BaFin-Merkblatts, wobei sich der Leitfaden an der Gliederung des Merkblatts orientiert.

    Der Leitfaden soll Hinweise für die Institute der Gruppe 2 („Merkblatt als sinnvolle Ergänzung der MaRisk“) geben, wo die bereits vollzogene MaRisk-Umsetzung ggf. mit Blick auf Nachhal-tigkeitsrisiken zu schärfen ist. Unter Berücksichtigung des Proportionalitätsgedankens wird unterschieden zwischen

    Basisempfehlungen,

    Hinweisen für eine sinnvolle Umsetzung oberhalb der Basisempfehlungen und

    Ausbaustufen. Diese nennen darüberhinausgehenden Umsetzungsmöglichkeiten für Institute, die ihr Risikomanagement im Thema Nachhaltigkeit ambitionierter aufstellen wollen bzw. dies aufgrund von Größe, Komplexität und Risikogehalt müssen.

    Grafik 1: Ausbaustufen zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement

    Die Ausbaustufen (A1, A2, A3, …) sind nicht immer trennscharf und sind auch nicht als sich ausschließende Optionen zu verstehen, sondern vielmehr als Handlungsspielraum, falls ein Institut über die Basisempfehlungen hinausgeht. Ambitioniertere Institute sollten je nach Themengebiet entscheiden, wo sie über die Basisempfehlungen hinausgehen wollen. Es ist nicht notwendig, durchgängig eine bestimmte Ausbaustufe anzustreben.

    Ausbaustufe 3Ausbaustufe 2Ausbaustufe 1

    Hinweis auf ein sinnvolles Vorgehen zur Umsetzung oberhalb der Basisempfehlungen

    Basisempfehlungen bei relevanten NachhaltigkeitsrisikenBasisempfehlungen bei nicht relevanten Nachhaltigkeitsrisiken

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    Grafik 2: Verwendung von Ausbaustufen

    Der Leitfaden stellt sowohl Basisempfehlungen bei Relevanz2 als auch bei Nicht-Relevanz dar. Die Umsetzung der im Leitfaden genannten Basisempfehlungen stellt für viele Sparkassen eine angemessene Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement dar. Diese Basisempfehlungen werden im Grundsatz bereits heute durch die gängige Praxis in den Instituten umgesetzt und sind nun ggf. im Hinblick auf die Berücksichtigung von Nachhaltig-keitsrisiken zu schärfen.

    Der vorliegende Leitfaden ergänzt bestehende Leitfäden und Konzepte der Sparkassen-Fi-nanzgruppe (z. B. MaRisk-Interpretationsleitfaden). Dort getroffene Festlegungen (z. B. zum Begriff der Wesentlichkeit) werden hier nicht wiederholt, es sei denn, die Fokussierung auf Nachhaltigkeitsrisiken führt zu zusätzlichem Erklärungsbedarf.

    2 Der Begriff der Relevanz wird im Praxisleitfaden RIV der S-Rating und Risikosysteme GmbH im Kontext der Bestandteile einer Risikokate-gorie sowie der Risikofaktoren und damit auf anderen als der in diesem Dokument beschriebenen Ebenen verwendet. In Absprache mit den Gremien wird die operative Ausgestaltung und Wahl der Begrifflichkeiten noch festzulegen sein.

    FinanzgruppeDeutscher Sparkassen- und Giroverband

    Verwendung von Ausbaustufen

    Umsetzung oberhalb der im Interpretationsleitfaden

    genannten Basisempfehlungen

    (z. B. über die Ausbaustufen)

    Strategisch ambitionierte

    Institute beim Thema Nachhaltigkeit

    Institute mit entsprechender

    Größe, Komplexität und Risikogehalt

    Die Verwendung der im Interpretationsleitfaden genannten Ausbaustufen kann aus unterschiedlichen Gründen angezeigt sein.

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    0.3 Verständnis von Nachhaltigkeitsrisiken Risikotreiberperspektive

    Die BaFin definiert Nachhaltigkeitsrisiken wie folgt (alle Zitate werden im Leitfaden wie nach-folgend dargestellt):

    Nachhaltigkeitsrisiken im Sinne dieses Merkblatts sind Ereignisse oder Bedingungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung […], deren Eintreten tatsächlich oder potenziell negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines beaufsichtigten Unternehmens haben können. (Vgl. 2.4)

    Im Bezug auf andere Risikoarten werden Nachhaltigkeitsrisiken wie folgt eingeordnet:

    Die BaFin sieht Nachhaltigkeitsrisiken als Faktoren […] bekannte[r] Risikoarten. Eine separate Risikoart „Nachhaltigkeitsrisiken“ wird abgelehnt; eine Abgrenzung wäre kaum möglich. Nach-haltigkeitsrisiken können auf alle diese bekannten Risikoarten erheblich einwirken und als Faktor zur Wesentlichkeit dieser Risikoarten beitragen. (Vgl. 2.7)

    Die MaRisk nennen vier grundsätzlich wesentliche Risiken, die im Folgenden Risikoarten ge-nannt werden:

    Adressenausfallrisiken Marktpreisrisiken operationelle Risiken und Liquiditätsrisiken.

    Teilrisiken in diesen Risikoarten werden als Risikokategorien bezeichnet. Zinsänderungsrisi-ken, Aktienrisiken, Währungsrisiken etc. sind z. B. Bestandteil des Marktpreisrisikos. Die Risi-kokategorien werden wiederum von Risikofaktoren beeinflusst. Sofern eine Risikokategorie als wesentlich eingestuft wird, sind die hierin wirkenden Risikofaktoren grundsätzlich auch wesentlich bzw. „relevant“. Die im Merkblatt getroffene Einordnung von Nachhaltigkeitsrisiken als Faktoren bestehender Risikoarten passt somit nicht in die Systematik der Sparkassen.

    Risikofaktoren sind modellunabhängige Größen, deren Variation eine Veränderung des Risi-kos bzw. Verlustpotenzials nach sich zieht. Die Risikoinventur der S-Rating und Risikosysteme GmbH (SR) unterstützt die Institute bei der Identifizierung wesentlicher Risikofaktoren3.

    Das Merkblatt spricht einerseits von Nachhaltigkeitsrisiken, lehnt aber andererseits Nachhal-tigkeitsrisiken als eigenständige Risikoart ab. Dieser anscheinende Widerspruch kann durch die Einführung des Begriffs Risikotreiber aufgelöst werden.

    3 Dabei werden bei Einstufung einer Risikokategorie als wesentlich die zugehörigen (relevanten) Risikofaktoren ebenfalls als wesentlich eingestuft. Das Risikohandbuch gibt einen Überblick über die relevanten Risikofaktoren.

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    Der Leitfaden spricht sich daher für die Behandlung von Nachhaltigkeitsrisiken als Risikotrei-ber mit Wirkung auf die bestehenden Risikoarten und -kategorien aus.

    Die Einführung des Begriffs „Risikotreiber“ ermöglicht es, einerseits von Nachhaltigkeitsrisi-ken zu sprechen, andererseits Nachhaltigkeitsrisiken als eine eigenständige Risikoart abzu-lehnen.

    Grafik 3: Risikotreiberperspektive. Hinweis: Die obere Abbildung vereinfacht die Darstellung, indem sie (formal ungenau) nicht

    zwischen Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsrisiken bzw. dem Brexit und Risiken aus dem Brexit unterscheidet. Eine genauere,

    aber unübersichtliche Darstellung würde diese Unterscheidung treffen.

    Als Risikotreiber bezeichnet man einen Impuls, der eine Auswirkung auf einen oder mehrere Risikofaktoren hat und eine Veränderung desselben bewirkt. Risikotreiber basieren z. B. auf wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, (geo-)politischen Ursachen und Umweltentwicklungen (die BaFin spricht im Merkblatt von „Ereignissen und Bedingungen“), die ursächlich Risikofak-toren beeinflussen. Beispiele für Risikotreiber sind Konjunkturentwicklungen, der Brexit, der Handelskrieg der USA mit China oder die Digitalisierung, der Klimawandel oder die Demogra-fie. Die Risikotreiber wirken i. d. R. auf mehrere Risikofaktoren; z. B. beeinflusst der Handels-krieg der USA mit China die Bonität einzelner Firmenkunden, die Spreads von Unternehmens-anleihen und ggf. Wechselkurse von Währungen.

    Nachhaltigkeitsrisiken wirken über eine Veränderung von Risikofaktoren auf verschiedene Ri-sikokategorien. Der Begriff Nachhaltigkeitsrisiken kann deshalb als Oberbegriff für die nach-haltigkeitsbezogenen Risikotreiber verstanden werden. Wie andere Risikotreiber wirken Nach-haltigkeitsrisiken auf unterschiedliche Risikofaktoren: Die Zunahme von Extremwetterlagen in Folge des Klimawandels wirkt sich z. B. auf die Bonität eines Kunden und auf den Aktienkurs bestimmter Unternehmen aus.

    RisikotreiberRisikofaktor/

    Risikoparameter z. B. PD, LGD etc

    Risikoart/ Risikokategorie

    z. B. ADR

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    Die Risikotreiber-Sicht ermöglicht es Instituten, Nachhaltigkeitsrisiken qualitativ zu beschrei-ben und zu beurteilen sowie perspektivisch quantitativ zu bewerten (heute mangels Daten kaum möglich und auch perspektivisch extrem schwierig). Die qualitative Sicht ist daher pri-mär anzuwenden und ggf. um Szenarioanalysen zu ergänzen, um den Erwartungen der Auf-sicht gemäß Merkblatt zu genügen.

    Sofern künftig von Nachhaltigkeitsrisiken gesprochen wird, sind diese als Oberbegriff für nachhaltigkeitsbezogene Risikotreiber zu verstehen.

    Dies bedeutet im Rückschluss, dass für die Institute nicht die Notwendigkeit besteht, ihre Ri-sikoartensystematik um eine neue Risikoart „Nachhaltigkeitsrisiko“ zu erweitern.

    Wirkungsrichtung von Nachhaltigkeitsrisiken

    Eine explizite Unterscheidung von Nachhaltigkeitsrisiken gemäß ihrer Wirkungsrichtung er-folgt im Merkblatt nicht. Übliche Praxis in der Industrie und auch auf Seiten der Regulatoren ist aber eine Unterscheidung gemäß der Wirkungsrichtung wie folgt:

    1. Nachhaltigkeitsrisiken können von „außen“, d. h. aus Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, etc. auf die internen Risikofaktoren des Instituts wirken (z. B. häufigeres Auftre-ten von Naturkatastrophen in Folge des Klimawandels). Für diese Perspektive wird der Begriff „Outside-in-Perspektive“4 verwendet. Dieser Bereich ist aufsichtlich relevant, da die aufsichtlichen Anforderungen darauf zielen, einen angemessenen Umgang mit Risiken, denen das Institut ausgesetzt ist, und insbesondere die Risikotragfähigkeit sicherzustellen.

    2. Nachhaltigkeitsrisiken, die das Institut durch sein Handeln (im eigenen Geschäftsbe-trieb und in der Geschäftstätigkeit) in Umwelt und Gesellschaft verursacht (z. B. Finan-zierung von CO2-intensiven Unternehmen, Berücksichtigung von sozialen Aspekten in der Unternehmensführung), und somit aus dem Institut heraus wirken. Für diese Per-spektive wird der Begriff „Inside-out-Perspektive“5 verwendet. In die Inside-out-Per-spektive fallen Maßnahmen, welche die institutsindividuelle Haltung zu Nachhaltigkeit ausdrücken (z. B. CO2-Neutralität im Geschäftsbetrieb). Dazu gehören auch strategi-sche Maßnahmen zur Steuerung von außengerichteten Nachhaltigkeitsrisiken im Kre-dit- oder Eigengeschäft (z. B. Ausschluss bestimmter Geschäfte). Mittelbar können diese wiederum das innen gerichtete Nachhaltigkeitsrisiko reduzieren. Denn Nachhal-tigkeitsrisiken aus der Inside-out-Perspektive können indirekt als Reputations- oder Rechtsrisiko auf das Institut zurückwirken und somit zu Outside-in-Risiken werden.

    4 Alternative Begrifflichkeiten können sein: innengerichtete Wirkung, risikobezogene Perspektive oder aufsichtsrechtliche Perspektive. 5 Alternative Begrifflichkeiten können sein: außengerichtete Wirkung, nachhaltigkeitsbezogene Perspektive oder strategische Perspektive.

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    Zur Erfüllung gesetzlicher und normkonkretisierender Anforderungen wie den MaRisk müssen Institute Nachhaltigkeitsrisiken insbesondere im Sinne der Outside-in-Perspektive identifizie-ren, beurteilen, steuern sowie überwachen und kommunizieren. Zudem sind Reputations- und Rechtsrisiken aus der Inside-out-Perspektive zu berücksichtigen.

    Im Rahmen strategischer Überlegungen zu Nachhaltigkeit und zur Steuerung von Nachhaltig-keitsrisiken (z. B. Ausschlüsse von Unternehmen mit schlechtem ESG-Rating) sind beide Per-spektiven zu berücksichtigen.

    Relevanz von Nachhaltigkeitsrisiken

    In den MaRisk hängen zahlreiche Anforderungen an der „Wesentlichkeit von Risiken“, die in der Risikoinventur ermittelt wird. Ausgehend von den MaRisk hängt die Interpretation des BaFin-Merkblatts bzw. ein daraus abzuleitender Handlungsbedarf ebenso von der „Wesent-lichkeit“ der Risikotreiber ab.

    Gemäß der SR-Risikoinventur erfolgt die Wesentlichkeitsprüfung auf Ebene der Risikoarten bzw. Risikokategorien unter Berücksichtigung aller Risikofaktoren. Auf diese Risikofaktoren wirken auch Nachhaltigkeitsrisiken als Risikotreiber. Folgt man der Logik aus der SR-Risikoin-ventur ist es nicht sachgerecht, die Risikotreiber aus Nachhaltigkeitsrisiken einer Wesentlich-keitsprüfung zu unterziehen. Für Risikotreiber bietet sich – analog für Risikofaktoren – der Be-griff der Relevanz an.

    Nachhaltigkeitsrisiken sollen daher als Risikotreiber auf ihre Relevanz geprüft werden, die dann wiederum bei der Wesentlichkeitsprüfung der Risikoarten berücksichtigt wird6. Wie In-stitute hier vorgehen können, wird in Kapitel 6.1 dieses Leitfadens beispielhaft dargestellt.

    Falls das Institut auf Basis der eingesetzten Verfahren zum Ergebnis kommt, dass Nachhaltig-keitsrisiken relevant sind, kann in der Folge eine Vertiefungsanalyse hilfreich sein, welche die drei Dimensionen „E“ (Environmental, Umwelt), „S“ (Social, Soziales) und „G“ (Governance bzw. Unternehmensführung) getrennt auf Relevanz hin untersucht. Der vielfach diskutierte Aspekt des Klimawandels und die ggf. damit verbundenen Risiken sind in „E“ enthalten und stellen sicher aktuell den Schwerpunkt der Nachhaltigkeitsrisiken dar. Ggf. kann bder Aspekt „E“ im ersten Schritt auch auf den Klimawandel eingeschränkt werden.

    Exkurs 1: Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken

    Konzeptionell und methodisch stellt sich die Herausforderung der Bewertung von Nachhaltig-keitsrisiken. Ohne künftigen Methoden vorweggreifen zu wollen, werden im Folgenden grund-sätzliche Gedanken zu einer möglichen Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken dargestellt. Ziel

    6 Das Vorgehen für die Prüfung nachhaltigkeitsrisikogetriebener Effekte wird die SR in Zusammenarbeit mit den Gremien mittelfristig fest-legen und im Praxisleitfaden Risikoinventur implementieren.

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    ist es, mit diesen Erläuterungen die Institute auch bei der qualitativen Beurteilung von Nach-haltigkeitsrisiken zu unterstützen und Grundlagen für künftige quantitative Ansätze aufzuzei-gen.

    Die Bewertung der Relevanz von Nachhaltigkeitsrisiken als Risikotreiber ist ggf. komplexer als die Bewertung einzelner Risikoarten. Neben der qualitativen Herleitung wäre eine Relevanz-einschätzung beispielsweise auf Basis der beiden folgenden Größen denkbar:

    Aktuelle Risikoausprägung unter Berücksichtigung eines Nachhaltigkeitsrisikotreibers abzüglich der Risikoausprägung bei „abgeschaltetem“ Risikotreiber (Bruttobewertung).

    Zukünftige Risikoausprägung unter Berücksichtigung eines in der Zukunft denkbaren Nachhaltigkeitsrisikotreibers abzüglich aktueller Risikoausprägung unter Berücksichti-gung eines Nachhaltigkeitsrisikotreibers (Nettobewertung). Es wird also auf die gegen-über dem heutigen Stand veränderten Nachhaltigkeitsrisiken in der Zukunft abgestellt.

    Beispiel: Man betrachte Wetterereignisse wie z. B. Dürren und dabei speziell Ernteausfälle in der Landwirtschaft. Diese haben in der Folge des Klimawandels in der jüngeren Vergangenheit (ca. 150 bis 200 Jahre) zugenommen, und es ist zu erwarten, dass sie in der Zukunft weiter zu-nehmen werden.

    Bruttobewertung: Hierbei geht es zunächst darum, den (Sockel-) Wert der Ernteaus-fälle vor Beginn des Klimawandels zu ermitteln. Der Bruttowert für klimawandelbe-dingte Ernteausfälle wäre dann der auf dem Planungshorizont in der Zukunft abge-schätzte Wert abzüglich des Werts vor Beginn des Klimawandels.

    Nettobewertung: Hier wird davon ausgegangen, dass die Folgen des bisher durch den Klimawandel hervorgerufenen Niveaus von Ernteausfällen in der Landwirtschaft be-reits in der aktuellen Risikoquantifizierung enthalten sind. Diese sind auf allen Daten bis zum letzten Stichtag kalibriert. Gleichwohl wird erwartet, dass die Ernteausfälle in der Zukunft zunehmen. Hier ist nun die Aufgabe, die Differenz zwischen dem Niveau von Ernteausfällen am zukünftigen Planungshorizont zum aktuellen Niveau zu bewer-ten.

    In keinem Fall ist es sachgerecht, alle Ernteausfälle in der Landwirtschaft dem Klima-wandel zuzuschreiben und damit als schlagend werdendes Nachhaltigkeitsrisiko ein-zustufen.

    In der Nettoperspektive, in der auf die gegenüber dem heutigen Stand veränderten Nachhal-tigkeitsrisiken in der Zukunft abgestellt wird, sollte die BaFin-Definition von Nachhaltigkeitsri-siken in den Bereichen Klima und Umwelt aus Konsistenzgründen ergänzt werden um den Nachsatz

    … wenn die Wahrscheinlichkeit des Eintritts nicht hinreichend in die Bewertung der betroffe-nen Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten eingepreist ist. (Vgl. 2.4)

    Diesen wichtigen Nachsatz, der eine entscheidende Bedeutung für die Herangehensweise der Institute hat, verwendet die BaFin bei der Definition von Nachhaltigkeitsrisiken in den Bereichen Soziales und Unternehmensführung.

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    Während die Bruttobewertung wissenschaftlich-akademisch sauber erscheint, dürfte nur die Nettobewertung pragmatisch umsetzbar sein.

    Exkurs 2: Nachhaltigkeit ist mehr als Nachhaltigkeitsrisiko

    Der Aufsicht fokussiert naturgemäß beim Thema Nachhaltigkeit auf Nachhaltigkeitsrisiken und die Frage, ob diese für Institute, Institutsgruppen und das Finanzsystem beherrschbar sind. Für Institute umfasst Nachhaltigkeit jedoch weit mehr:

    Chancen, z. B. durch das Anbieten attraktiven Kundenprodukte.

    Kostensenkungspotenziale z. B. durch einen niedrigen Energieverbrauch durch bau-technische Maßnahmen.

    Betriebliche Aspekten wie das Erreichen von CO2-Neutralität im Geschäftsbetrieb.

    Soziale Aspekte wie z. B. Spenden oder der Ausschluss von Investitionen in Unterneh-men mit mangelnden sozialen Standards.

    Positive Auswirkungen auf die Umwelt durch Projekte zum Klima- und Umweltschutz z. B. regionale Projekte zur Renaturierung von Flüssen.

    Die Gesamtheit aller Impulse, Bedingungen und Handlungsfelder zum Thema Nachhaltigkeit, die direkt oder indirekt für das Institut relevant sind, werden für die Zwecke dieses Leitfadens als Nachhaltigkeitsfaktoren7 bezeichnet. Nachhaltigkeitsfaktoren sind somit unabhängig von der Fragestellung, ob dem Institut aus ihnen ein Risiko erwächst oder nicht. Nachhaltigkeitsfaktoren wirken zum einen von außen auf das Institut ein (z. B. physische Nachhaltigkeitsrisiken oder politischer Druck zur Herstellung von CO2-Neutralität). Zum an-dere umfassen sie die Auswirkungen des unternehmerischen Handelns auf Nachhaltigkeit, und gehen somit vom Institut aus.

    Grafik 4: Nachhaltigkeit ist mehr als Nachhaltigkeitsrisiko

    7 Alternativ kann auch der Begriff „Nachhaltigkeitsaspekte“ verwendet werden.

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    1 Allgemeines Die BaFin ordnet das Merkblatt wie folgt ein:

    Mit dem Merkblatt möchte die BaFin den von ihr beaufsichtigten Unternehmen eine Orientie-rungshilfe im Umgang mit dem immer wichtiger werdenden Thema „Nachhaltigkeitsrisiken“ geben […]. (Vgl. Zusammenfassung)

    Die bestehenden gesetzlichen Vorgaben, konkretisiert beispielsweise durch die MaRisk, […] sind in jedem Fall zu beachten. […] Die BaFin weist darauf hin, dass verbindliche gesetzliche oder aufsichtliche Vorgaben im Hinblick auf Nachhaltigkeitsrisiken durch das Merkblatt weder abgeschwächt noch erweitert werden. (Vgl. 1.1)

    Bedeutung für das Risikomanagement der Institute

    Die Basisempfehlungen im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken ergeben sich grundsätzlich aus den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) sowie der weiteren aktuell gültigen gesetzlichen und aufsichtlichen Anforderungen, welche auch unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken einzuhalten sind.

    Gemäß den MaRisk sind die Institute heute schon verpflichtet, ein angemessenes Risikoma-nagement zu installieren und alle wesentlichen Risiken zu identifizieren, zu bewerten, zu überwachen, zu steuern und zu kommunizieren.

    Nachhaltigkeitsrisiken können auf alle […] bekannten Risikoarten erheblich einwirken und als Faktor

    - Risikotreiber im Sinne dieses Leitfadens -

    zur Wesentlichkeit dieser Risikoarten beitragen. (Vgl. 2.7)

    Das Merkblatt weist nun darauf hin, Nachhaltigkeitsrisiken bei der Befassung mit den Risiken eines Instituts mit zu berücksichtigen (als Risikotreiber der bekannten Risiken). Die Auseinan-dersetzung mit Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen der Befassung mit den Risiken des Instituts beinhaltet prozessuale Aspekte und Dokumentationsanforderungen (angefangen beim Strate-gieprozess über die Risikoinventur und ggf. Organisationsrichtlinien der Institute). Auf diese wird im Merkblatt hingewiesen, inhaltlich ergeben sie sich aber bereits aus dem Gesetz über das Kreditwesen (KWG) und den MaRisk.

    Der mögliche Umsetzungsaufwand für das BaFin-Merkblatt wird davon abhängen, wie rele-vant (der Begriff „wesentlich“ wird hier vermieden, da Nachhaltigkeitsrisiken keine eigenstän-dige Risikoart sind) verschiedene Nachhaltigkeitsrisiken im Risikoprofil eines Instituts sind.

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    Bei nicht-relevanten Nachhaltigkeitsrisiken entstehen keine fundamentalen neuen Anforde-rungen. Sind Nachhaltigkeitsrisiken relevant, so gelten sinngemäß die MaRisk-Anforderungen für wesentliche Risiken.

    Das im Merkblatt beschriebene Proportionalitätsprinzip ist im Sinne der MaRisk zu verstehen, d. h. Institute sollen

    im Umgang mit […] Nachhaltigkeitsrisiken einen ihrem Geschäftsmodell und Risikoprofil angemessenen Ansatz entwickeln […]. (Vgl. 1.3)

    Für die Befassung mit dem Merkblatt können somit zwei Niveaus unterschieden werden:

    1. Umsetzung von Basisempfehlungen (die für alle Institute gelten, unabhängig von Größe, Komplexität und Risikogehalt): Eine dem Geschäftsmodell und dem Risikoprofil angemessene Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement kön-nen viele Sparkassen durch die Umsetzung der in diesem Leitfaden dargestellten Ba-sisempfehlungen sicherstellen.

    2. Umsetzung höherer Ausbaustufen: Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement, oberhalb der für alle Institute geltenden Basisempfehlungen, ist für zwei Gruppen von Instituten relevant:

    a. Große und komplexe Institute mit entsprechendem Risikoprofil. Die Basis-empfehlungen für diese Institute liegen oberhalb der in diesem Leitfaden darge-stellten Basisempfehlungen.

    b. Institute, die sich strategisch ambitioniert beim Thema Nachhaltigkeit aufstel-len. Entscheidet sich z. B. ein strategisch ambitioniertes Institut, ESG-Kriterien im Depot A zu berücksichtigen, indem es Unternehmen mit schlechtem ESG-Ra-ting von Investitionen ausschließt, ist die Einhaltung dieser Ausschlüsse auch in den Risikosteuerungs- und controllingprozessen zu überwachen.

    Das Merkblatt und der DSGV-Leitfaden setzen keine konkrete strategische Positionierung der Institute beim Thema Nachhaltigkeit voraus. Das heißt, die Institute werden durch das Merk-blatt nicht gezwungen, im Risikomanagement eine ambitionierte Strategie im Thema Nachhal-tigkeit zu verfolgen. Das Merkblatt gilt gleichermaßen für Institute, die bewusst nur Basisemp-fehlungen erfüllen wollen, als auch für die Vorreiter auf diesem Gebiet. Wie sich ein Institut zu Nachhaltigkeit positioniert, ist eine Entscheidung seines Vorstands. Davon zu trennen sind die bankaufsichtlichen Mindestanforderungen an das Risikomanagement.

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    Bedeutung der „Good-Practice-Ansätze“

    Zahlreiche der im Merkblatt genannten Beispiele bzw. „Good-Practice-Ansätze“ (unverbindli-che Verfahrensweisen, Vgl. Kapitel 1.1) gehen über Basisempfehlungen hinaus8. Häufig wer-den „Inside-out“-Faktoren aufgegriffen, die aufsichtlich nur relevant wären, wenn das Institut relevanten Nachhaltigkeitsrisiken ausgesetzt ist und diese zur Sicherstellung seiner Risiko-tragfähigkeit steuern muss. Bei vielen Sparkassen ist dies nicht der Fall.

    Die Beispiele richten sich somit insbesondere an Institute, welche höhere Ausbaustufen um-setzen. Wenn eine Sparkasse, die keinen relevanten Nachhaltigkeitsrisiken unterliegt, ledig-lich die gesetzlichen und aufsichtlichen Mindestanforderungen erfüllen möchte, sind auch we-sentlich einfachere Umsetzungen als die im BaFin-Merkblatt beschriebenen möglich.

    Es liegt entsprechend im Ermessen des Instituts (insbesondere hinsichtlich der eigenen stra-tegischen Positionierung zu Nachhaltigkeit), inwieweit man sich diese Verfahrensweisen zu Eigen macht. Der Ausgangspunkt geeigneter Maßnahmen ist dabei stets das konkrete Risi-koprofil zu Nachhaltigkeitsrisiken des einzelnen Instituts sowie seine Größe, Komplexität und Risikogehalt.

    Die Darstellung im Merkblatt legt nahe, dass von strategisch ambitionierten Instituten im Thema Nachhaltigkeit auch eine ambitioniertere Befassung mit Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement erwartet wird.

    Nachhaltigkeitsrisiken sind kein Neuland

    Große Institute unterliegen schon heute strengeren gesetzlichen Vorgaben mit Nachhaltig-keitsbezug. Institute mit mehr als 500 Mitarbeitern unterliegen gemäß dem CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) bestimmten Berichtspflichten. Außerdem sind große Institute stärker im Fokus von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Nachhaltigkeits-Ratingagen-turen. Diese Faktoren können Ausgangspunkt für eine strategisch ambitioniertere Aufstellung des Instituts zu Nachhaltigkeit sein. Solche Institute müssten dann auch eine ambitioniertere Umsetzung des BaFin-Merkblatts prüfen – mit entsprechenden Auswirkungen auf Strukturen, Prozesse und Methoden (Vgl. Beispiel oben zu ESG-Kriterien im Depot A).

    Auch für kleine Institute sind Nachhaltigkeitsrisiken heute kein Neuland. Bei allen risikorele-vanten Entscheidungen zieht das Institut über die Informationen aus den Risikomesssyste-men hinaus immer auch die Möglichkeit von Veränderungen der wirtschaftlichen und gesell-schaftlichen Rahmenbedingungen mit in Betracht. Dies gilt für Nachhaltigkeitsrisiken genauso wie für Digitalisierung oder andere strukturelle Verschiebungen in der Wirtschaft. Diese be-reits bestehende Befassung des Instituts mit Nachhaltigkeitsrisiken sollte im angemessenen Umfang dokumentiert werden, auch um Fragen der Aufsicht beantworten zu können. Die Do-kumentation erfolgt unter Berücksichtigung des Proportionalitätsgedankens und abhängig von der der Relevanz von Nachhaltigkeitsrisiken.

    8 An einigen Stellen sind sie für das Geschäftsmodell und das Risikoprofil von Sparkassen unpassend.

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    Herausforderungen

    In Kapitel 1.3 erwähnt die BaFin, dass ihr bewusst sei, …

    …dass Nachhaltigkeitsrisiken aufgrund der häufig fehlenden historischen Datengrundlage, der vielen zu berücksichtigenden Faktoren und diverser Unsicherheiten über zukünftige Klima- und Politikszenarien teilweise schwierig zu messen und zu steuern sind. (Vgl. 1.3)

    Sie führt weiter aus, dass dies möglicherweise…

    …auch ein Anstoß sein [kann], bisherige Prozesse anzupassen und neue, innovative Mess-, Steuerungs- und Risikominderungsinstrumente, je nach Risikoprofil, zu entwickeln. (Vgl. 1.3)

    Insbesondere die Entwicklung von Instrumenten zur Messung von Nachhaltigkeitsrisiken steckt noch in den Kinderschuhen. Beispiele für innovative Steuerungs- und Risikominde-rungsinstrumente könnten Katastrophenanleihen (CAT-Bonds), Wetterderivate, Covenants und Trigger in Kreditverträgen, Schuldscheinkonditionen sein.

    Spektrum der Umsetzungsmöglichkeiten:

    Hinsichtlich möglicher Instrumente zur Messung, Steuerung und Risikominderung von Nach-haltigkeitsrisiken wird auf Kapitel 6 verwiesen.

    Die Entwicklung innovativer Mess-, Steuerungs- und Risikominderungsinstrumente stellt keine Basisempfehlung dar.

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    2 Einführung Die BaFin definiert Nachhaltigkeitsrisiken als:

    Ereignisse oder Bedingungen aus den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensfüh-rung […], deren Eintreten tatsächlich oder potenziell negative Auswirkungen auf die Vermö-gens-, Finanz- und Ertragslage sowie auf die Reputation eines […] Unternehmens haben können. (Vgl. 2.4)

    Der Begriff Nachhaltigkeitsrisiko wird synonym zum Begriff ESG-Risiko verwendet, der in der Fortschreibung von CRR II (Kapitaladäquanzverordnung, Art. 449a) und CRD V (Eigenkapital-richtlinie, Art. 98) genutzt wird. Die Überschrift von Kapitel 2.3 „Nachhaltigkeitsrisiken sind ESG-Risiken“ lässt hier keine Zweifel aufkommen.

    Nachhaltigkeitsrisiken im Bereich Klima und Umwelt

    Im Bereich der Klima- und Umweltrisiken unterscheidet die BaFin zwischen physischen Risiken und Transitionsrisiken.

    Physische Risiken:

    Physische Risiken ergeben sich sowohl im Hinblick auf einzelne Extremwetterereignisse und deren [direkte] Folgen […] als auch in Bezug auf langfristige Veränderungen klimatischer und ökologischer Bedingungen. […] Physische Risiken können auch indirekte Folgen haben […]

    wenn z. B. in Folge eines Extremwetters Lieferketten zusammenbrechen, oder wenn physische Risiken über den Kunden/Kreditnehmer auf das Institut wirken.

    Schließlich könnten die Verursacher von Umweltschäden bzw. Unternehmen, die den Klima-wandel befördert haben, staatlich […] oder gerichtlich für die Folgen verantwortlich gemacht werden.9 (Vgl. 2.4)

    Direkte physische Risiken sind Treiber der operationellen Risiken und können das Institut in der originären Geschäftstätigkeit treffen (z. B. Störung Filialbetrieb); indirekte physische Risiken können auch die anderen Risikoarten eines Instituts treiben. Z. B. kann die Betroffen-heit des Kreditnehmers durch physische Risiken zu einem erhöhten Adressenausfallrisiko bei dem Kreditinstitut führen.

    9 Das staatlich oder gerichtlich zur Verantwortung ziehen von Verursachern von Umweltschäden bzw. Unternehmen, die den Klimawandel befördert haben, wird von der TCFD als rechtliches Transitionsrisiko bezeichnet.

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    Transitionsrisiken:

    Transitionsrisiken bestehen im Zusammenhang mit der Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft: Politische Maßnahmen können zu einer Verteuerung und/oder Verknappung fossi-ler Energieträger führen […] oder zu hohen Investitionskosten aufgrund erforderlicher Sanie-rungen von Gebäuden und Anlagen. Neue Technologien können bekannte verdrängen […], veränderte [Kunden-]Präferenzen und gesellschaftliche Erwartungen können nicht angepasste Unternehmen gefährden. (Vgl. 2.4)

    Transitionsrisiken sind insbesondere über ihre indirekte Wirkung für die Institute relevant: die Veränderungen und Anpassungen in der Primärwirtschaft wirken als Risikotreiber z. B. über veränderte Bonitäten oder Sicherheitenwerte auf die Kreditnehmer. Die direkte Wirkung von Transitionsrisiken ist für Institute von geringerer Relevanz (notwendige Sanierung von Immo-bilien im Eigenbestand o. ä.).

    Interdependenzen zwischen physischen Risiken und Transitionsrisiken:

    Der Begriff der Transitionsrisiken beschreibt Risiken aus einem Strukturwandel, der sich dadurch ergibt, dass der Übergang zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft bis zu einem be-stimmten Zieldatum erfolgen soll. In diesem Denkmodell wird der erzwungene Übergang umso drastischer, je größer der Abstand zwischen Sollzustand und Istzustand ist, d. h. je spä-ter er stattfindet. Dies würde die Wechselwirkung zwischen physischen Risiken und Transiti-onsrisiken beeinflussen. Offenbar verwendet auch die BaFin dieses Denkmodell, wie durch den Verweis der BaFin auf Interdependenzen ersichtlich wird:

    Eine starke Zunahme der physischen Risiken würde eine abruptere Umstellung der Wirtschaft erfordern, was wiederum zu höheren Transitionsrisiken führt. Wird die notwendige Reduzie-rung der Treibhausgasemissionen nicht rechtzeitig vorgenommen, steigen die physischen Ri-siken und der Handlungsdruck. Im ungünstigsten Szenario zwingen extreme klimabedingte Schäden infolge einer lange hinausgezögerten Energiewende schließlich zu einer plötzlichen und radikalen Umstellung der Wirtschaft. (Vgl. 2.4)

    Nachhaltigkeitsrisiken in den Bereichen Soziales und Unternehmensführung

    Auch Ereignisse, Entwicklungen oder Verhaltensweisen, die den Bereichen Soziales und Unter-nehmensführung zuzuordnen sind, können negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Fi-nanz- und Ertragslage eines Unternehmens entfalten, wenn die Wahrscheinlichkeit des Ein-tritts nicht hinreichend in die Bewertung der betroffenen Vermögenswerte oder Verbindlich-keiten eingepreist ist. Auch Auswirkungen auf die Reputation sind möglich. Soziale Risiken kennzeichnen sich auch durch negative Auswirkungen auf Stakeholder des Unternehmens […]. (Vgl. 2.4)

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    Für Sparkassen wirken die im Merkblatt aufgeführten Beispiele meist nur indirekt über ihre Kreditnehmer. Gescheiterte Baugenehmigungen wegen Umwelt- oder Artenschutz oder Vor-würfe bzgl. der Unternehmensführung des Instituts können aber auch unmittelbar denkbare Ereignisse sein.

    Aus Sicht der BaFin sollten […] alle ESG-Risiken (Environmental, Social and Governance – Um-welt, Soziales und Unternehmensführung) berücksichtigt werden; […]. (Vgl. 2.3)

    Als Beispiele für „ESG“ nennt die BaFin folgende Nachhaltigkeitsfaktoren – welche davon als Risikotreiber auf ein Institut wirken, ist von Institut zu Institut verschieden:

    Environmental / Umwelt Social / Soziales Governance / Unternehmensfüh-

    rung

    Klimaschutz Anpassung an den Klimawandel Schutz der biologischen Vielfalt Nachhaltige Nutzung und

    Schutz von Wasser- und Mee-resressourcen

    Übergang zu einer Kreislauf-wirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling

    Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung

    Schutz gesunder Ökosysteme Nachhaltige Landnutzung

    Einhaltung anerkannter arbeits-rechtlicher Standards (keine Kin-der- und Zwangsarbeit, keine Diskriminierung)

    Einhaltung der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes

    Angemessene Entlohnung, faire Bedingungen am Arbeitsplatz, Diversität sowie Aus- und Wei-terbildungschancen

    Gewerkschafts- und Versamm-lungsfreiheit

    Gewährleistung einer ausrei-chenden Produktsicherheit, ein-schließlich Gesundheitsschutz

    Gleiche Anforderungen an Unter-nehmen in der Lieferkette

    Inklusive Projekte bzw. Rück-sichtnahme auf die Belange von Gemeinden und sozialen Minder-heiten

    Steuerehrlichkeit Maßnahmen zur Verhinderung

    von Korruption Nachhaltigkeitsmanagement

    durch Vorstand Vorstandsvergütung in Abhän-

    gigkeit von Nachhaltigkeit Ermöglichung von Whistle Blo-

    wing Gewährleistung von Arbeitneh-

    merrechten Gewährleistung des Datenschut-

    zes Offenlegung von Informationen

    (Vgl. 2.3)

    Die BaFin konkretisiert in Kapitel 2.7 anhand hypothetischer Beispiele wie Nachhaltigkeitsrisi-ken auf bekannten Risikoarten wirken können. Einige dieser Beispiele beziehen sich auf an-dere von der BaFin beaufsichtige Unternehmen (Versicherungen) und wurden in der folgenden Liste weggelassen, andere Beispiele wurden modifiziert.

    „Outside-in“-Wirkungsweise:

    Kreditrisiko/Adressenausfallrisiko: Ein Institut vergibt einen Kredit an einen Zulieferer oder Maschinenbauer für Verbrennungsmotoren; das Geschäftsmodell des Unterneh-mens wird z. B. aufgrund von strengeren Grenzwerten negativ beeinflusst.

    Markt(preis)risiko: Das Institut hat über das Depot A in ein Sondervermögen investiert, das z. B. Anlagen in Unternehmen des Energiesektors, Schwerindustrie o. ä. hält. Diese Werte verlieren aufgrund einer veränderten Marktstimmung abrupt an Wert.

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    Liquiditätsrisiko: Nach einer katastrophalen Überflutung kommt es zu einem kurzfristi-gen/starken Liquiditätsabfluss der Kundeneinlagen. Das Institut verstößt in der Folge gegen z. B. die LCR-Quote und muss mit Maßnahmen der Aufsicht rechnen.

    Operationelles Risiko: Durch Überflutungen werden die Filialen des Instituts in Mitlei-denschaft gezogen.

    „Inside-out“-Wirkungsweise:

    Reputationsrisiko: Ein Institut finanziert ein Unternehmen (oder ist langjähriger Ge-schäftspartner), das sich nicht an Umweltstandards o. ä. hält und Auslöser eines Vor-falls mit Folgen für die Umwelt ist; bei einem „Aufdecken“ wird das Institut als Inves-tor/Finanzierer mit in der Presse genannt. Ein weiteres Beispiel wären Reputations-schäden in Folge eines Greenwashing-Skandals.

    Über diese Beispiele hinaus wäre eine systematische Zuordnung von Nachhaltigkeitsfaktoren zu Risikoarten bzw. -kategorien wünschenswert. Erste, vorläufige Überlegungen zur Wirkung dieser Nachhaltigkeitsfaktoren auf die bekannten Risikoarten und Risikokategorien finden sich im Anhang (s. Kapitel 12).

    Die im Kapitel 2.7 ebenfalls genannte Risikoart Strategisches Risiko wird nicht explizit in den MaRisk aufgeführt. Gleichwohl sollten Nachhaltigkeitsrisiken genauso wie andere Risikotrei-ber in strategische Überlegungen einbezogen werden.

    Reputationsrisiken

    Reputationsrisiken verknüpfen die Outside-in- mit der Inside-out-Wirkung von Nachhaltig-keitsrisiken. Hier kann grundsätzlich ein Risiko für ein Institut alleine aufgrund seiner Geschäftstätigkeit / einer Geschäftsbeziehung erwachsen, wobei zu beachten ist, dass eine Verschlechterung der Reputation nicht zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung des laufen- den Geschäfts/des Vertriebserfolges einer Sparkasse führt.

    Reputationsrisiken sind ein wesentlicher Aspekt von Nachhaltigkeitsrisiken. Zum einen be-steht als zusätzliche Folge eintretender Ereignisse, Entwicklungen oder Verhaltensweisen ein finanzielles Schadenpotenzial im o. g. Kontext. Zum anderen sind […] Unternehmen einem Schadenpotenzial auch unabhängig davon ausgesetzt, dass konkrete Ereignisse eintreten, le-diglich aufgrund der Unterhaltung einer Geschäftsbeziehung mit einem Unternehmen, wel-ches möglicherweise einem Nachhaltigkeitsrisiko ausgesetzt ist.

    Aber auch das Unterlassen ausreichender nachhaltiger Aktivitäten in der Außen- und Innen-wahrnehmung, welches Vertrauensverluste bei Vertragspartnern und Mitarbeitern nach sich ziehen kann, stellt ggf. ein wesentliches Reputationsrisiko dar. (Vgl. 2.4)

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    Institute können das Reputationsrisiko grundsätzlich als Risikotreiber oder als eigenständige Risikoart betrachten. Im Rahmen dieses Leitfadens werden Reputationsrisiken als Risikotrei-ber betrachtet, ohne dass dadurch die andere Sichtweise abgelehnt wird. Unter Berücksichti-gung von Nachhaltigkeitsrisiken sind zwei Situationen denkbar:

    1. Institute, die das Reputationsrisiko bisher als nicht wesentlich beurteilen: Im Rahmen der Risikoinventur sind die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf das Reputati-onsrisiko zu prüfen. Unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken ist nun eine Si-tuation denkbar, in der erkannt wird, dass das Reputationsrisiko wesentlich wird. In der Folge wären diese Institute gehalten, das Reputationsrisiko in ihre Risikosteuerungs- und -controllingprozesse einzubeziehen.10

    2. Institute, die das Reputationsrisiko bisher schon als wesentlich beurteilen: Auch diese Institute müssen im Rahmen ihrer Risikoinventur die Auswirkungen von Nachhaltig-keitsrisiken auf das Reputationsrisiko prüfen und ggf. ihre Risikosteuerungs- und -con-trollingprozesse anpassen.

    Kreditinstitute können aber auch aus strategischen Erwägungen das Reputationsrisiko in ihre Risikosteuerungs- und -controllingprozesse einbeziehen (Ambitionsniveau über Basisempfeh-lungen). Ein aktives Management der Reputation kann ungeachtet der Wesentlichkeitsbe-trachtung in vielen Fällen sinnvoll sein. Dadurch kann z. B. der positive Wert der Marke „Spar-kasse“ bzw. der Sparkassen-Finanzgruppe als Ganzes gesichert werden.

    10 Johannes Voit: Den guten Ruf bewahren. Betriebswirtschaftliche Blätter, 5. Dezember 2016. Zugänglich über das Archiv von www.spar-kassenzeitung.de

  • Interpretationsleitfaden für das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken Strategien beaufsichtigter Unternehmen

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    3 Strategien beaufsichtigter Unternehmen Die BaFin erwartet laut Merkblatt entweder die Formulierung einer eigenständigen, auf den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken ausgerichteten Strategie (also eine Nachhaltigkeitsrisi-kostrategie oder allgemeiner: Nachhaltigkeitsstrategie) oder eine Anpassung bestehender Strategien (i. d. R. also der Geschäftsstrategie und der Risikostrategie) um das Thema Nach-haltigkeitsrisiken. Andererseits sollen Anforderungen aus MaRisk etc. weder abgeschwächt noch verschärft werden.

    Bei der Formulierung einer eigenständigen Nachhaltigkeitsstrategie ist darauf zu achten, dass diese konsistent zu den anderen Strategien des Instituts ist. Der mit einer eigenständigen Nachhaltigkeitsstrategie verbundene Aufwand wird daher, im Vergleich zur Integration in be-stehende Strategien, als deutlich höher eingeschätzt.

    Die MaRisk fordern in AT 4.2, dass ein Institut eine nachhaltige Geschäftsstrategie sowie eine damit konsistente Risikostrategie festlegt. „Nachhaltigkeit der Geschäftsstrategie“ ist in den MaRisk (Fassung vom 27.10.2017) jedoch im Sinne der ökonomischen (finanziellen) Nachhal-tigkeit zu interpretieren. Aus der Perspektive des Merkblatts muss ein Institut also sicherstel-len, dass die ökonomische Nachhaltigkeit der Geschäftsstrategie auch unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken gegeben ist.

    Dabei ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Aspekte der Nachhaltigkeit und bestimmte Nachhaltigkeitsrisiken - vor allem im Bereich des Klimawandels - auf den langen Zeitskalen stattfinden, die typischerweise in strategischen Überlegungen abgegriffen werden. Hier kann man an signifikant veränderte Umweltverhältnisse denken (physische Risiken), aber auch an politisch-gesellschaftliche Entwicklungen, die über die aktuell geplante Gesetzgebung hinaus-gehen (transitorische Risiken). Dies gilt im Übrigen grundsätzlich auch für andere Risikotrei-ber wie z. B. den demographischen Wandel.

    Auch bei einer vereinfachten Umsetzung der Anforderungen an die Strategien, ist es dennoch wichtig, diese Auseinandersetzung angemessen zu dokumentieren und transparent zu ma-chen. Hierbei sollte an den Strategieprozess gemäß MaRisk angeknüpft werden.

    Darüber hinaus ist es empfehlenswert, die Positionen und Sichtweisen der relevanten Stake-holder des Instituts, wie der regionalen Wirtschaft, Kunden, Mitarbeiter, Träger und der inte-ressierten Öffentlichkeit, zu analysieren. Hieraus können Rückschlüsse gezogen werden, wel-che Anforderungen sich aus deren Perspektive an die Strategie des Instituts ergeben bzw. wel-cher Anpassungsbedarf bestehen könnte.

    Zur Unterstützung der Institute bei der Integration von Nachhaltigkeit in ihre Geschäftsstrate-gie arbeitet der DSGV an einem strategischen „Zielbild 2025“. Für weiterführende Überlegun-gen zur Ausgestaltung der Strategie in Bezug auf Nachhaltigkeit, die über die sich aus dem

  • Interpretationsleitfaden für das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken Strategien beaufsichtigter Unternehmen

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    BaFin-Merkblatt ergebenden Anforderungen hinausgehen, verweist der Leitfaden daher auf das „Zielbild 2025“.11

    Spektrum der Umsetzungsmöglichkeiten:

    B – Basisempfehlung:

    Es muss eine ganzheitliche Überprüfung bestehender Strategien (Geschäfts- und Risi-kostrategie) unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken erfolgen.

    Die Geschäftsführung muss sich bei ihrer strategischen Ausrichtung mindestens mit der Frage auseinandersetzen, ob bzw. inwieweit sie die in den Geschäftsaktivitäten angelegten Nachhaltigkeitsrisiken kennt und beherrscht.

    Ausgangspunkt der Befassung mit Nachhaltigkeitsrisiken ist die regelmäßig, mindestens jährlich, und ggf. anlassbezogen durchzuführende Risikoinventur (Vgl. Kapitel 6.1 dieses Leitfadens). Auf Basis des Ergebnisses der Risikoinventur erfolgen ggf. weitere Schritte.

    Wenn Nachhaltigkeitsrisiken nicht relevant sind, kann ein Ergebnis der ganzheitlichen Überprüfung auch darin bestehen, die bisherige Geschäftsstrategie weiterzuführen, jedoch ergänzt um die Aussage, dass das Institut bei seiner Geschäftstätigkeit Nach-haltigkeitsrisiken berücksichtigt. In der Risikostrategie ist das entsprechende Vorge-hen zu thematisieren bzw. näher auszuführen.

    Unterliegt das Institut relevanten Nachhaltigkeitsrisiken, werden Anpassungen an der Geschäfts- sowie der Risikostrategie kaum vermeidbar sein.

    Der strukturierte Blick auf Nachhaltigkeitsaspekte inklusive institutsspezifischer Nachhal-tigkeitsziele sollte stets angemessen dokumentiert werden (z. B. Protokollierung der Befas-sung in Gremien wie dem Verwaltungsrat, mindestens Dokumentation der Betrachtung im Rahmen des jährlichen Risikoinventur-Prozesses).

    Die Kommunikation zu Nachhaltigkeit erfolgt im Rahmen der Kommunikation der Ge-schäfts- und Risikostrategie (Erörterung mit dem Aufsichtsorgan sowie geeignete Kommu-nikation innerhalb des Instituts). Eine darüberhinausgehende externe Darstellung ist nicht notwendig12.

    A – Ausbaustufen:

    Nimmt ein Institut aufgrund seiner strategischen Ambition zu Nachhaltigkeit Vorgaben zu Nachhaltigkeitsfaktoren in seine Strategie auf (z. B. keine Wertpapiere mit schlechtem ESG-Rating) müssen im Institut Prozesse zur Sicherstellung dieser Vorgaben installiert

    11 Das Zielbild zeigt Instituten unterschiedliche Ambitionsniveaus für die Ausgestaltung ihrer Strategie auf, die aber immer oberhalb ge-setzlicher und aufsichtlicher Mindeststandards/-anforderungen liegen, da das „Zielbild 2025“ auch gesellschaftliche Erwartungen an die Institute berücksichtigt. Die Ausgestaltung des Risikomanagements wird, neben dem strategischen Ambitionsniveau des Instituts zum Thema Nachhaltigkeit, insbesondere durch seine Größe, Komplexität und dem Risikogehalt seiner Geschäfte bestimmt. Die in diesem Leitfaden genannten Ausbaustufen lassen sich daher nicht eins zu eins einem strategischen Ambitionsniveau zuordnen. Der Leitfaden spricht daher von den Ausbaustufen 1, 2 und 3, wohingegen im „Zielbild 2025 die Ambitionsniveaus „Einsteiger“, „Standard“ und „Vorrei-ter“ verwendet werden.

    12 Sofern für ein Institut nicht andere Regelungen (DisclosureVO, CSR-Berichtspflicht) zu berücksichtigen sind.

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    werden (z. B. Prozesse zur Limit-Überwachung um sicherzustellen, dass Ausschlüsse und Limits eingehalten werden). Dabei ist zu beachten, dass Ausschlüsse und Limits unab-hängig von ökonomischen Fakten einzuhalten sind, also allein aufgrund der Ausprägung eines bestimmten Nachhaltigkeitsfaktors. Beispielsweise kann der Kurs einer Unterneh-mensanleihe in Folge eines Nachhaltigkeitsskandals unverändert bleiben, wohingegen das ESG-Rating deutlich herabgestuft wird. Hat das Institut Mindestvorgaben für ESG-Ratings in seiner Strategie verankert, wäre die Anleihe zu verkaufen.

    Das „Zielbild 2025“ unterstützt Institute bei der Integration von Nachhaltigkeit in die Ge-schäftsstrategie.

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    4 Verantwortliche Unternehmensführung 4.1 Strategieverantwortung Die Geschäftsleitung ist für die strategischen Überlegungen des Kapitels 3 und die Umsetzung der Strategie(en) verantwortlich. Diese Verantwortung ist nicht delegierbar; jedoch kann sich die Geschäftsleitung…

    …von Experten, beispielsweise aus der Risikocontrolling-Funktion, unterstützen lassen. (Vgl. 4.1)

    Bei der Umsetzung der Strategien gelten die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation gemäß AT 4.2 sowie AT 3 der MaRisk.

    Spektrum der Umsetzungsmöglichkeiten:

    B - Basisempfehlung:

    Die Strategieverantwortung liegt bei der Geschäftsleitung. Das Merkblatt führt hier zu kei-ner Änderung.

    H – Sinnvolles Vorgehen

    Bei den strategischen Überlegungen zu Nachhaltigkeit können auch die daraus resultie-rende Chancen berücksichtigt werden.

    A - Ausbaustufen:

    Mit zunehmenden Ambitionsniveau steigt der Aufwand, der zur Unterstützung der Ge-schäftsleitung betrieben wird. Dies kann von der Definition dezentraler Verantwortlich-keiten für Nachhaltigkeit, über die Einrichtung eines zentral Verantwortlichen für Nach-haltigkeit bis hin zur Etablierung einer speziellen Nachhaltigkeitseinheit bei sehr ambiti-onierten Instituten gehen.

    4.2 Verständnis von Nachhaltigkeitsrisiken Spektrum der Umsetzungsmöglichkeiten:

    B - Basisempfehlung:

    Damit Nachhaltigkeitsrisiken angemessen in den Strategien und bei der Ausgestaltung ei-ner ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation berücksichtigt werden können, soll die Ge-schäftsleitung ein Verständnis für Nachhaltigkeitsrisiken einschließlich der physischen und

  • Interpretationsleitfaden für das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken Verantwortliche Unternehmensführung

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    transitorischen Risiken, deren Charakteristika sowie möglicher Auswirkungen auf die eige-nen Geschäftsaktivitäten, entwickeln.

    Die von der Aufsicht in Kapitel 2 des Merkblatts genannten Erläuterungen, zusammen mit den Beschreibungen dieses Leitfadens vermitteln ein grundlegendes Verständnis der Art und Funktionsweise von Nachhaltigkeitsrisiken.

    A - Ausbaustufen:

    A 1: Das Verständnis der Art und Funktionsweise von Nachhaltigkeitsrisiken kann durch geeignete Zusatzqualifikation sowie dem institutsinternen Austausch, z. B. mit der Risi-kocontrolling-Funktion, vertieft werden. Die in diesem Zusammenhang erlangten Zu-satzqualifikationen (z. B. durch Schulungen) sollten stets dokumentiert werden (siehe auch §25c KWG).

    A 2: Mit zunehmendem Ambitionsniveau kann das Verständnis von Nachhaltigkeit über die Nachhaltigkeitsrisiken hinaus auf die Auswirkungen des unternehmerischen Han-delns auf weitere Nachhaltigkeitsfaktoren wie Umwelt und Gesellschaft erweitert wer-den.

    A 3: Je ambitionierter das Institut ist, desto intensiver wird zudem die Schaffung eines Verständnisses für Nachhaltigkeit im gesamten Unternehmen vorangetrieben (Etablie-rung einer unternehmensweiten Kultur). In der höchsten Ausbaustufe ist im gesamten Unternehmen ein tiefgreifendes Verständnis zu Nachhaltigkeit in beiden Perspektiven (Outside-in und Inside-out) etabliert.

    4.3 Verantwortlichkeiten Die Geschäftsleitung hat für das Management der Risikoarten, d. h. Adressenausfallrisiko, Marktpreisrisiko, Liquiditätsrisiko, Operationelles Risiko und ggf. weiterer Risiken einschl. Nachhaltigkeitsrisiken, Verantwortlichkeiten zuzuweisen.

    Spektrum der Umsetzungsmöglichkeiten:

    B - Basisempfehlung:

    Die Zuweisung von Verantwortlichkeiten für das Management der wesentlichen Risiken in den bekannten Risikoarten muss sicherstellen, dass Nachhaltigkeitsrisiken angemessen be-rücksichtigt werden. Sind Nachhaltigkeitsrisiken relevant, kann die Geschäftsleitung auch eine spezielle Verantwortlichkeit für Nachhaltigkeitsrisiken zuweisen.

    A - Ausbaustufen:

    A 1: Nutzung externer Quellen, wie auf Nachhaltigkeit spezialisierte Datenzulieferer, Publikationen des Umweltbundesamts oder des Potsdamer Instituts für Klimafolgenfor-schung, zur Identifizierung möglicher Nachhaltigkeitsrisiken.

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    A 2: Zuweisung einer Verantwortlichkeit für Nachhaltigkeitsrisiken auch, wenn Nachhal-tigkeitsrisiken nicht relevant sind.

    4.4 Vorbildfunktion Die Vorbildfunktion der Geschäftsleitung umfasst sowohl den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisi-ken im Sinne eines Vorlebens der Risikokultur, als auch die Auswirkungen des unternehmeri-schen Handelns auf Nachhaltigkeitsfaktoren. Zur Vermeidung von Reputationsrisiken ist ins-besondere das unternehmerische Handeln im Kontext der Nachhaltigkeit relevant.

    Spektrum der Umsetzungsmöglichkeiten:

    B -Basisempfehlung:

    Eine angemessene Risikokultur (gemäß Anforderung der MaRisk, AT 3) ist auch unter Be-rücksichtigung relevanter Nachhaltigkeitsrisiken von der Geschäftsleitung vorzuleben und zu fördern.

    A - Ausbaustufen:

    Bei ambitionierten Instituten, die durch ihr unternehmerisches Handeln Nachhaltigkeits-faktoren positiv beeinflussen wollen (z. B. Ressourcenverbrauch im Unternehmen, öf-fentliche Auftritte, Berücksichtigung im Produktkatalog…), erstreckt sich die Vorbild-funktion der Geschäftsleitung auch auf diese Aspekte. Als Hilfestellung können hier die vorausgegangen Leitfragen des Merkblattes (auch aus dem Kapitel 3.2) dienen:

    Vergütungssysteme:

    Das Vergütungssystem darf nicht im Widerspruch zu Zielen aus dem Management der Nachhaltigkeitsrisiken stehen.

    Zudem muss es im Einklang mit einer ggf. vorhandenen Nachhaltigkeitsstrategie ste-hen.

    Sicherstellung des langfristigen Erfolgs:

    Die Sicherstellung des langfristigen Erfolgs betrifft insbesondere Kundenbeziehungen und die daraus resultierenden Erträge, welche von der Umstellung des unternehmeri-schen Handelns zu einer stärkeren Berücksichtigung von Nachhaltigkeit betroffen sein können. Es ergeben sich z. B. Fragen wie:

    Wie lassen sich Erträge kompensieren aus Geschäften, die unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken künftig nicht mehr durchgeführt werden können?

    Welche Möglichkeiten der Einflussnahme sollen genutzt werden, damit Kunden ihre Nachhaltigkeit verbessern und somit der Umfang der Geschäftsbeziehung aufrecht-erhalten bzw. sogar ausgebaut werden kann?

    Wie wird Kunden gegenüber die stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeit erläu-tert, um die Kundenbeziehung nicht zu gefährden bzw. sogar zu intensivieren?

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    Mit Blick auf die Mitarbeiter, Kunden und weiterer Stakeholder sind ggf. kommunikative Maßnahmen zu ergreifen, um das Verständnis unternehmerischer Entscheidungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit zu fördern, aber ggf. auch um unternehmerische Tätig-keiten zu erläutern, die unter reiner Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren nega-tiv gesehen werden. Die Kommunikation ist dabei auf die jeweiligen Anspruchsgruppen anzupassen.

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    5 Geschäftsorganisation 5.1 Organisationsrichtlinien Die Geschäftsaktivitäten der Institute müssen gemäß AT 5 der MaRisk auf der Grundlage von schriftlich fixierten Organisationsrichtlinien betrieben werden. Als Beispiel werden in den Ma-Risk Handbücher, Arbeitsanweisungen oder Arbeitsablaufbeschreibungen genannt.

    Es sollte eine ganzheitliche Prüfung der Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in bestehende interne Organisationsrichtlinien […] erfolgen. (Vgl. 5.1)

    Bei der im Merkblatt genannten Prüfung ist es grundsätzlich ausreichend, wenn sich Sparkas-sen auf gesetzlich und aufsichtlich relevante Bereiche zur Erfüllung der Basisempfehlungen fokussieren. Das sind insbesondere Aktivitäten in denen mögliche Nachhaltigkeitsrisiken ent-stehen, wie z. B. bei Kreditgeschäften oder im Eigenhandel (d. h. aufbau- und ablauforganisa-torische Regelungen zu deren Steuerung), die Risikosteuerungs- und -controllingprozesse, die Organisationsrichtlinien zu den besonderen Funktionen gemäß MaRisk und Auslagerun-gen (Vgl. Kapitel 5.2 des Merkblatts). Die Prüfung in anderen Bereichen kann rudimentär erfol-gen.

    Die Prüfung und der mögliche Umfang der Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in Organisa-tionsrichtlinien ist abhängig von deren Relevanz. Inhalt, Methode und Detaillierungsgrad er-geben sich aus der institutsindividuellen Umsetzung gesetzlicher und aufsichtlicher Mindest-anforderungen.

    Zu prüfen ist ggf., ob der Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken allein in bestehende Organisati-onsrichtlinien einbezogen oder auch separate Dokumente wie eine ESG-Richtlinie eingeführt werden sollen (abhängig von Größe, Komplexität und Risikogehalt des Instituts und seinem strategischen Ambitionsniveau zu Nachhaltigkeit).

    Spektrum der Umsetzungsmöglichkeiten:

    B - Basisempfehlung:

    Die Prüfung der Relevanz von Nachhaltigkeitsrisiken in der regelmäßig und ggf. anlassbezo-gen durchzuführenden Risikoinventur sollte in der zugehörigen Organisationsrichtlinie fi-xiert sein. Nur so kann das Institut sicherstellen, dass es jederzeit eine sachgerechte Ein-schätzung von Nachhaltigkeitsrisiken hat.

    Sofern im Rahmen der Risikoinventur keine relevanten Nachhaltigkeitsrisiken identifiziert wurden und das Institut keine spezifischen Nachhaltigkeitsziele verfolgt, stellt die Prüfung der Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in die bestehenden sonstigen Organisations-

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    richtlinien keine Basisempfehlung dar. Mit Blick auf die in den MaRisk geforderten „ange-messenen Vorkehrungen“ für unwesentliche Risiken können evtl. punktuelle Prüfungen und Ergänzungen erforderlich sein.

    Bei Relevanz von Nachhaltigkeitsrisiken ist sowohl die Prüfung wie auch die Integration des Umgangs mit Nachhaltigkeitsrisiken in betroffene Organisationsrichtlinien erforderlich. So-fern Maßnahmen zur Begrenzung von Nachhaltigkeitsrisiken installiert wurden (z. B. Aus-schlüsse von bestimmten Branchen) sind diese Maßnahmen in die Organisationsrichtlinien zu integrieren.

    Zur Erfüllung der Basisempfehlung sind keine gesonderten Richtlinien oder Leitlinien zu er-stellen.

    H – Sinnvolles Vorgehen

    Die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in die bestehenden internen Organisationsrichtli-nien zu den in Kapitel 5.2 genannten Prozessen (Kreditvergabe/Zeichnung/Anlageentschei-dung, Risikosteuerung und -controlling, Tätigkeiten der besonderen Funktionen im Sinne der MaRisk und Auslagerungen) ist grundsätzlich für die meisten Institute eine sinnvolle Vorgehensweise.

    A - Ausbaustufen:

    Institute, welche z. B. aufgrund strategischer Ambition zu Nachhaltigkeit Vorgaben zu Nachhaltigkeitsfaktoren in ihre Strategie aufnehmen (z. B. keine Wertpapiere mit schlechtem ESG-Rating), müssen Maßnahmen zur Sicherstellung dieser Vorgaben in ihre Organisationsrichtlinien integrieren (z. B. Prozesse zur Limit-Überwachung um sicherzu-stellen, dass Ausschlüsse und Limits eingehalten werden).

    A 1: Prüfung, ob Nachhaltigkeitsrisiken in die Organisationsrichtlinien zu integrieren sind, auch bei nicht relevanten Nachhaltigkeitsrisiken. Die Prüfung ist zu dokumentieren und die Organisationsrichtlinien abhängig vom Ergebnis der Prüfung anzupassen.

    A 2: Mit zunehmenden Ambitionsniveau werden Aussagen zum Umgang mit Nachhaltig-keitsrisiken über die Organisationsrichtlinien der in 5.2 genannten Prozesse hinaus inte-griert.

    A 3: Institute mit hohem Ambitionsniveau können eigene Leitlinien zu Umgang mit Nachhaltigkeit erstellen, um deren Bedeutung nach innen und ggf. nach außen zu signa-lisieren. Bei der Erstellung eigener Leitlinien zu Nachhaltigkeitsrisiken dürfen keine In-konsistenzen zu anderen Organisationsrichtlinien, wie z. B. zum Management wesentli-cher Risiken, entstehen.

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    5.2 Prozesse Das BaFin-Merkblatt weist darauf hin, dass geprüft werden sollte, ob und wie Nachhaltigkeits-risiken in die bestehenden Prozesse zu

    Kreditvergabe/Zeichnung/Anlageentscheidung

    Risikosteuerung und –controlling (einschließlich eines eventuell eigenen ESG-Risiko-managementsystems)

    Tätigkeiten der Besonderen Funktionen im Sinne der MaRisk und

    Auslagerung

    zu integrieren sind, oder ob für deren Integration separate Prozesse zu schaffen sind.

    Institute berücksichtigen grundsätzlich schon heute relevante Nachhaltigkeitsrisiken, z. B. bei einem Kreditantrag für ein Kohlekraftwerk. Solche bestehenden Prozessschritte können for-malisiert und ihre Durchführung dokumentiert werden.

    Die Anpassung bestehender Prozesse kann beispielsweise durch die Festlegung einer eigenen „Nachhaltigkeitsschleife“ in den relevanten Prozessen erfolgen. Eine solche Schleife umfasst:

    Prüfung, ob relevante Nachhaltigkeitsrisiken bestehen

    Beurteilung, ob der Prozess „normal“ fortgeführt werden kann oder ob Maßnahmen zur Steuerung der Nachhaltigkeitsrisiken umzusetzen sind

    Ggf. Durchführung von Maßnahmen

    Ggf. Einleiten eines Eskalationsprozesses

    Ggf. Kommunikation des Sachverhalts

    Spektrum der Umsetzungsmöglichkeiten:

    B - Basisempfehlung:

    Sofern im Rahmen der Risikoinventur keine relevanten Nachhaltigkeitsrisiken identifiziert wurden, stellt die Prüfung, ob Nachhaltigkeitsrisiken in die genannten Prozesse zu integrie-ren sind, keine Basisempfehlung dar. Mit Blick auf die in den MaRisk geforderten „angemes-senen Vorkehrungen“ für unwesentliche Risiken können evtl. punktuelle Prüfungen und Er-gänzungen erforderlich sein.

    Werden in den im Merkblatt genannten Prozessen Nachhaltigkeitsrisiken bereits heute be-rücksichtigt, sollte dies – soweit noch nicht erfolgt – in die Prozessbeschreibungen/Organi-sationsrichtlinie aufgenommen und die Durchführung des Prozessschrittes dokumentiert werden.

    Bei relevanten Nachhaltigkeitsrisiken ist zu prüfen, ob und wie Nachhaltigkeitsrisiken in die genannten Prozesse integriert werden. Sofern Maßnahmen zur Begrenzung von Nach-

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    haltigkeitsrisiken installiert wurden (z. B. Ausschlüsse von bestimmten Branchen) sind Pro-zessschritte zur Umsetzung dieser Maßnahmen in die Organisationsrichtlinien zu integrie-ren.

    Die Institute haben sicherzustellen, dass die für die genannten Prozesse verantwortlichen Mitarbeiter über ein ausreichendes Verständnis von Nachhaltigkeitsrisiken verfügen (Vgl. Kapitel 5.4).

    H – Sinnvolles Vorgehen

    Die Prüfung, ob Nachhaltigkeitsrisiken in die bestehenden Prozesse zur Kredit-vergabe/Zeichnung/Anlageentscheidung, Risikosteuerung und -controlling, Tätigkeiten der Besonderen Funktionen im Sinne der MaRisk und zur Auslagerung zu integrieren sind, ist grundsätzlich für die meisten Institute eine sinnvolle Vorgehensweise.

    A - Ausbaustufen:

    Institute, welche aufgrund strategischer Ambition zu Nachhaltigkeit, Vorgaben zu Nach-haltigkeitsfaktoren in ihre Strategie aufnehmen (z. B. keine Wertpapiere mit schlechtem ESG-Rating) müssen Prozesse zur Sicherstellung dieser Vorgaben integrieren (z. B. Pro-zesse zur Limit-Überwachung um sicherzustellen, dass Ausschlüsse und Limits eingehal-ten werden).

    A 1: Institute können prüfen, ob und wie Nachhaltigkeitsrisiken in weitere Prozesse inte-griert werden.

    Nachhaltigkeitsfaktoren sollten im Neue-Produkte-Prozess (NPP-Prozess) berücksichtigt werden, um sicherzustellen, dass dem Institut keine unerwünschten Nachhaltigkeitsrisi-ken erwachsen.

    A 2: Bei ambitionierten Instituten kann eine Anpassung der genannten Prozesse auch bei nicht-Relevanz von Nachhaltigkeitsrisiken erfolgen.

    A 3: Prozessuale Verankerung in grundsätzlich allen von Nachhaltigkeitsrisiken betroffe-nen Prozessen (unabhängig von der Relevanz von Nachhaltigkeitsrisiken).

    Ambitionierte Institute können separate Prozesse für die Berücksichtigung von Nachhal-tigkeitsrisiken schaffen. In diesem Fall erwartet die BaFin,

    …dass sich die separaten Prozesse reibungslos [in die bestehenden Prozesse] einfügen. (Vgl. 5.2)

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    5.3 Verantwortlichkeiten Spektrum der Umsetzungsmöglichkeiten:

    B - Basisempfehlung:

    Verantwortlichkeiten für den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken in den Organisationsricht-linien sind festzulegen. Für die Durchführung der Risikoinventur ist die Risikocontrolling-Funktion zuständig. Wurden keine relevanten Nachhaltigkeitsrisiken identifiziert und ver-folgt das Institut keine spezifischen Nachhaltigkeitsziele sind i. d. R. keine weiteren Festle-gungen erforderlich.

    Bei relevanten Nachhaltigkeitsrisiken sind Verantwortlichkeiten in den Organisations-richtlinien explizit festzulegen. Diese können in bereits bestehende Verantwortlichkeiten für die betroffenen Risikoarten integriert werden.

    A - Ausbaustufen:

    A 1: Festlegung von entsprechenden Verantwortlichkeiten (Koordinator für alle Fragen rund um Nachhaltigkeit) auch bei Nicht-Relevanz von Nachhaltigkeitsrisiken.

    A 2. Ausgehend von dem Koordinator (bei großen Häusern kann dies auch in Vollzeit er-folgen) kann ein Nachhaltigkeitsteam gegründet werden, in dem alle von Nachhaltigkeit betroffenen Abteilungen des Hauses vertreten sind. Das Team wird mit den Nachhaltig-keitsspezialisten der jeweiligen Abteilungen besetzt (z. B. aus dem Kreditgeschäft, Risi-kocontrolling, Depot A, Wertpapiergeschäft für Kunden etc.). Gemeinsam steuern sie das Thema Nachhaltigkeit im Institut.

    5.4 Ressourcen Spektrum der Umsetzungsmöglichkeiten:

    B - Basisempfehlung:

    Für die Behandlung von Nachhaltigkeitsrisiken (insbes. im Risikomanagementsystem) sind angemessene personelle und finanzielle Ressourcen vorzuhalten, wobei die personellen Ressourcen über eine ausreichende Qualifikation verfügen müssen. Ein erstes Verständnis von Nachhaltigkeitsrisiken wird mit dem BaFin-Merkblatt und diesem Leitfaden vermittelt.

    A - Ausbaustufen:

    A1: Ggf. Weiterbildung von Mitarbeitern die Verantwortung für die Identifizierung und Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken tragen.

    A2: Ggf. Verstärkung besonderer Funktionen im Sinne der MaRisk.

    A3: Einrichten einer separaten Stelle/Funktion zur Steuerung von Nachhaltigkeitsfakto-ren im Gesamtinstitut z. B. „Nachhaltigkeitsmanager“.

    A4: Einrichten einer speziellen, ggf. bereichsübergreifenden Nachhaltigkeitseinheit.

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    5.5 Spezielle Nachhaltigkeitseinheit Die Einrichtung einer speziellen Nachhaltigkeitseinheit ist grundsätzlich nur für sehr ambitio-nierte Institute relevant und geht deutlich über die Basisempfehlungen hinaus. Der Leitfaden stellt lediglich Anforderungen an das Risikomanagement von Nachhaltigkeitsrisiken im Sinne der MaRisk dar. In der Praxis wird eine Nachhaltigkeitseinheit vor allem viele Aspekte außer-halb des Risikomanagements im Sinne der MaRisk übernehmen.

    Spektrum der Umsetzungsmöglichkeiten:

    B -Basisempfehlung:

    Keine Basisempfehlung in Analogie zu den MaRisk.

    Sofern eine spezielle Nachhaltigkeitseinheit eingerichtet ist, muss deren Integration in be-stehende Prozesse sowie die Schnittstellen zu anderen Funktionen klar geregelt und doku-mentiert werden.

    A - Ausbaustufen:

    A1: Einrichtung einer speziellen Nachhaltigkeitseinheit zur Beratung des Hauses zu und Koordination von Nachhaltigkeitsthemen. Die Nachhaltigkeitseinheit fungiert als Im-pulsgeber in das Institut zu allen Nachhaltigkeitsfaktoren.

    A2: Zusätzlich zu A 1 kann die Nachhaltigkeitseinheit mit Experten für Nachhaltigkeitsri-siken besetzt werden, zur Unterstützung der Marktfolge bei Krediten/Investitionsent-scheidungen in Wirtschaftssektoren mit hohen transitorischen Risiken. Die Nachhaltig-keitseinheit ist auch für die Steuerung des Reputationsrisikos mit Nachhaltigkeitsbezug verantwortlich.

    A3: Zusätzlich zu A 2 ist die Nachhaltigkeitseinheit für die Steuerung aller Nachhaltig-keitsrisiken verantwortlich.

    5.6 Front-Desk/Markt/Portfoliomanagement Bei der Initialisierung von Geschäften (Erstprüfung von Kreditanträgen, Anlage- bzw. Investiti-onsentscheidungen) sollten Informationen zu möglichen Nachhaltigkeitsrisiken der Vertrags-partner bzw. der Investitionsobjekte beschafft, relevante Nachhaltigkeitsrisiken identifiziert und analysiert werden. Dabei sollte zwischen risikorelevanten und nicht-risikorelevanten Ge-schäften differenziert werden (Vgl. BTO 1.1 und BTO 2.1 MaRisk). Hierbei sind bestehende ge-setzliche und aufsichtliche Vorgaben zu berücksichtigen. Wichtige Informationen zur Beurtei-lung von Nachhaltigkeitsrisiken und das Ergebnis der Analyse der mit dem Geschäft verbunde-nen Nachhaltigkeitsrisiken sind in die nachfolg