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1 Universität Bielefeld Abteilung Sportwissenschaft Tag des Schulsports (9.10.2013) Zuordnung: Primarstufe Inhaltsbereich 9: „Ringen und Kämpfen“ Referent und Verfasser: Victor Kure-Wu (B.A.) Email: [email protected] Kung Fu „Tierisch“ gut für den Sportunterricht - Spielerische Gleichgewichtsübungen zur bewussten Bewegungssteuerung - Inhaltsverzeichnis 1. Bedeutung und Praktizierung von Kung Fu in China 1 2. Tierstile im Kung Fu 3 3. Einordnung von Kung Fu in den Lehrplan Sport von 9 Nordrhein-Westfalen 4. Bedeutung des Bewegungsfeldes Kämpfen 11 5. Kung Fu im Sportunterricht realisieren 12 6. Literaturverzeichnis 18 7. Videomaterial aus China 20

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Universität Bielefeld – Abteilung Sportwissenschaft Tag des Schulsports (9.10.2013) Zuordnung: Primarstufe Inhaltsbereich 9: „Ringen und Kämpfen“ Referent und Verfasser: Victor Kure-Wu (B.A.) Email: [email protected]

Kung Fu – „Tierisch“ gut für den Sportunterricht

- Spielerische Gleichgewichtsübungen zur bewussten

Bewegungssteuerung -

Inhaltsverzeichnis

1. Bedeutung und Praktizierung von Kung Fu in China 1

2. Tierstile im Kung Fu 3

3. Einordnung von Kung Fu in den Lehrplan Sport von 9

Nordrhein-Westfalen

4. Bedeutung des Bewegungsfeldes Kämpfen 11

5. Kung Fu im Sportunterricht realisieren 12

6. Literaturverzeichnis 18

7. Videomaterial aus China 20

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1. Bedeutung und Praktizierung von Kung Fu in China

Chinesisches Kung Fu wird für gewöhnlich in China als „Nationale Kampfsportkunst“

bezeichnet. Tatsächlich meint „Chinesisches Kung Fu“ die Verbindung von

Verteidigungskunst, Techniken und Training der verschiedenen Methoden zur

Erhaltung der Gesundheit. Viele Sportarten wie Leichtathletik, Gewichtheben oder

das Turnen fordern, aufgrund der nachlassenden physischen Kraft, den Rücktritt des

Athleten ab einem Alter von ungefähr dreißig Jahren. Anders hingegen wird Kung Fu

auch noch im hohen Alter trainiert (Vgl. Jason, 1992, S. 2).

Terminologisch wird der Begriff Kung-Fu wird in verschiedener Literatur einheitlich

wie folgt übersetzt: Kung Fu (chinesisch, ursprünglich: „Gong fu“) bedeutet übersetzt

„hartes Arbeiten“ oder „intensives Üben“ im körperlichen oder geistigen Sinne. Die

Menschen in China verwenden den Begriff um eine erworbene Fähigkeit oder

Fertigkeit nach langer oder harter Arbeit zum Ausdruck zu bringen. Der Begriff Kung

Fu kann im alltäglichen Verständnis der Chinesen kann zum Beispiel in der Kunst,

guten Tee zuzubereiten oder eine gut verrichtete Tischlerarbeit zum Ausdruck

gebracht werden. „Gong fu“ allein sagt also nicht über Kampfkunst aus (Vgl.

Kronmüller, 2005, S.30).

Die traditionelle chinesische Kampfkunst wird allgemein eigentlich unter dem Begriff

„Wushu“ zusammengefasst. Wushu setzt sich aus den Zeichen Wu und Shu

zusammen. Wu steht für alle kriegerisch-militärische Dinge wie zum Beispiel die

Kampfkunst, Waffen, Krieger, stark und tapfer. Shu bezeichnet unter anderem eine

Übungspraxis, eine Methode oder eine Strategie. In Verbindung drückt Wushu das

Phänomen der chinesischen Kampfkunst aus, in der Kampftechniken, Waffen,

sportliche Elemente, medizinisches Wissen, künstlerische Ausdrucksformen usw. zu

einem umfassenden Komplex vereint wird. In der Republikzeit führt man den Begriff

der Landesküste Guoshu ein (Vgl. Filipiak, 2001, S.9).

Die Regierung und die Bevölkerung der Republik China nehmen Kung Fu sehr ernst

und Verteidigungssportarten sind fester Bestandteil des schulischen Turnunterrichts.

Die „Chinese Cultural University“ hat eine Abteilung für Kampfsportkunst in der

Fakultät für Leibeserziehung zur Ausbildung von Lehrern und Berufssportlern

eingerichtet, wobei selbst heute noch Medizinstudenten während ihres gesamten

Medizinstudiums Kurse in heilgymnastischen Übungen belegen müssen.

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In der Grundschule wird Kung Fu häufig durch Reime, Rhythmen und Musik

verstärkt, sodass die Schüler synchrone Choreografien oder Bühnenbilder

entwickeln. Während Kinder Kung Fu für eine gezieltere und bewusstere

Körperbeherrschung ausüben, praktizieren die Älteren Kung Fu, um ihren Körper zu

stärken, ihr Leben zu verlängern oder einfach fit zu bleiben. Kung Fu wird eben in

China unter vielen Perspektiven ausgeübt: Hierbei wird zwischen „innerem“ und

„äußerem“ Training unterschieden. Während das „äußere“ Kung Fu die Sehnen,

Knochen und die Haut trainiert, soll das „innere“ Kung Fu den Geist, das Chi und den

Willen ausbilden (Vgl. Hu, 1992, S. 2 – 9).

Die Chinesen gehen davon aus, dass eine Krankheit von innen heraus entstehe und

nicht von „äußerem“ Ursprung sei, wie zum Beispiel bakterielle Infektionen oder

Umwelteinflüsse. Krankheiten hätten ihrer Meinung nach weniger Chancen zu

entstehen wenn man der inneren Schwäche durch Körpertraining entgegenwirken

würde. Die Chinesen erwarten weniger positive Auswirkungen auf größere und

stärkere Muskelgruppen. Sie interessieren sich hauptsächlich für die Stärkung der

inneren Organe, Nerven, Gelenke, Bänder und Blutgefäße (Vgl. Minick, 1986, S. 8).

Bei genauer Literaturrecherche ist es schwierig die Entstehung des chinesischen

Boxens einer Person oder an einen genauen Zeitpunkt festzumachen. Viele Fakten

deuten daraufhin, dass es durch die Jahrhunderte verfeinert und weiterentwickelt

wurde. Die ersten Vasenfunde und Wandfresken bei Thiensin („VR China“, Provinz

„Hopei“), deuten auf erste Faustkampftechniken hin, welche bereits aus dem Jahre

700 v. Chr stammen. Viele Legenden gehen jedoch noch weiter zurück, auf die ich

nicht näher eingehe. An vielen Stellen verschiedener Literatur gibt es jedoch zwei

wichtige Personen, die das Kung Fu entwickelt und eingeführt haben. Erstens der

indische Mönch „Bodhidharma“ und zweitens der berühmte Arzt „Hua To“. Beide

Personen besaßen enormes medizinisches Wissen und betrachteten das Kung Fu

unter dem Gesichtspunkt der Heilmethode zur Stärkung der Muskulatur, Sehnen und

Bänder. Aufgrund des Umgangs der Arbeit wird die geschichtliche Entstehung beider

Begründer nicht weiter aufgegriffen.

2. Tierstile im Kung Fu

Kung Fu wird oftmals in verschiedene Stile und Systeme eingeteilt. Ein gemeinsames

Merkmal der verschiedenen Stilrichtungen besteht in der Orientierung an

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verschiedene Tierstile wie zum Beispiel die des Tigers, des Affen, des Kranichs, der

Schlange oder des Adlers usw. (Vgl. Pabst, 1988, S.20). Die Tierformen nennt man

auch „Tier-Imitations-Boxen“ und wurde auf der Basis von Tierbeobachtungen

entwickelt (Vgl. Kronmüller, 2005, S.112).

Abb. 1: Handtechniken der Tierstile (nach Pabst, 1988, S.23)

Damit man etwas imitieren kann, muss man es erst kennenlernen. Nur wer wirklich

weiß, wie sich die Schlange, der Adler oder der Tiger usw. bewegt, wird das Tier

auch in seinem Kung Fu imitieren können. Das Ziel besteht darin, sich völlig mit dem

Tier identifizieren zu können und im Moment des Übens völlig eins zu werden mit

dem Charakter des Tieres (Vgl. Kronmüller, 2005, S.112). Dies ist nur ein Auszug der

bekanntesten Tierstile, was eine Vielzahl anderer Tierstile nicht ausschließen soll.

Den Tiger imitieren: Der Tiger ist ein kraftvolles Tier und ein erfolgreicher Jäger,

indem er sich an seine Beute anschleicht und diese gezielt in die Enge treibt, um es

zu erlegen. Dies ist das Kampfkonzept des Tigers. Der Shaolinkämpfer versucht den

Angreifer durch starke Arm- und Beintechniken zu bedrängen, um ihn anschließend

kampfunfähig zu machen. Der Tigerstil wird mit viel Kraft geübt und ständige

Wechsel von hohen und tiefen Angriffen fördern die Muskulatur. Die Handhaltung der

Tigerklaue stärkt die Unterarme und die Kraft des Greifens zugleich (Vgl. Kronmüller,

2005, S.113).

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Abb. 2: Der Tigerstil (nach Kronmüller, 2005, S.113)

Die Schlange imitieren: Die Schlange ist der Legende nach ein listiges Tier. Sie

gleitet geschmeidig und nahezu lautlos durch das Gras bis sie blitzschnell mit ihren

Giftzähnen zubeißt und der Beute keine Chance lässt zu entkommen. Die

Würgeschlange hingegen rollt das Opfer mehr und mehr ein, um es langsam und

qualvoll zu erwürgen. Dies sind die beiden Konzepte des Schlangenboxens. Die

Angriffe des Gegners werden sanft abgewehrt oder ins leere gelenkt, damit der Weg

frei ist, um schnelle, harte und punktgenaue Angriffe auszuführen. Ist der Gegner

vorsichtig und arbeitet mit trickreichen Angriffen, verschafft sich der Shaolinkämpfer

wie die Würgeschlange nach und nach mehr Zugang, um am Ende eine vollständige

Kontrolle über den Gegner zu erlangen (Vgl. Kronmüller, 2005, S.114).

Abb. 3: Der Schlangenstil(nach Kronmüller, 2005, S.114)

Den Leoparden imitieren: Der Leopard ist erheblich kleiner und daher auch

schwächer als der Tiger. Er gehört aber zu den schnellsten Raubtieren der Erde und

setzt seine Beute durch seine hohe Geschwindigkeit unter Druck, um es final mit

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einem einzigen Nackenbiss zu töten. Schnelligkeit ist hier das oberste Prinzip des

Leopardenstils. Im Gegensatz zum Tiger attackiert der Leopard seinen Gegner mit

vielen schnellen und kurzen Angriffen, das ein Kontern nahezu unmöglich macht. Die

Leopardenklaue dient zum Reißen an der Muskulatur, aber auch zum Schlagen mit

den Fingerknochen. (Vgl. Kronmüller, 2005, S.115)

Abb. 4: Der Leopardenstil(nach Kronmüller, 2005, S.115)

Den Drachen imitieren: Der Drache ist, das einzige nicht real existierende Tier. In

der Kampfkunst stellt man sich den Drachen fliegend zwischen den Wolken vor, was

den ständigen Wandel symbolisieren soll. Er vereint die Konzepte der einzelnen

Tiere und passt sich immer den Gegebenheiten an.

Der Shaolinkämpfer im Drachenstil ist immer in Bewegung und weicht den Angriffen

des Gegners geschickt aus, um ihn dann aus einer ganz anderen Richtung

anzugreifen. Der Drachenkämpfer steht bewegungslos und ruhig wie ein Baum bis er

den Gegner schnell wie ein Leopard angreift. Zum Beispiel mit harten und

gesprungenen Beintritten. Die Bewegungen des Drachen sind so weich wie die

Schlange und so hart wie der Tiger. (Vgl. Kronmüller, 2005, S.116)

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Abb. 5 Der Drachenstil (nach Kronmüller, 2005, S. 116)

Die Gottesanbeterin imitieren: Der Stil der Gottesanbeterin wurde von Wang Lang

im Shaolinkloster eingeführt, wo er bis heute gelehrt wird. In diesem Stil werden die

Angriffe des Gegners mit harten Arm- und Handtechniken auf- oder abgefangen. Die

so entstehende Öffnung des Gegners wird dann mit punktuellen Angriffen attackiert,

um ihn anschließend kampfunfähig zu machen (Vgl. Kronmüller, 2005, S.117).

Abb. 6: Fangbewegung der chinesische Gottesanbeterin (Tai Mantis) (nach Pabst,

1988, S.21)

Den Adler imitieren (Ying Zhou Quan): Der Adler ist das mächtigste Tier im

Himmel. Majestätisch kreist er in den Wolken, visiert seine Beute an und stürzt sich

sogar auf Tiere, die größer sind als er selbst. Mit den Krallen hält er seine Beute fest,

während sich die Flügel um die Beute legen und der scharfe Schnabel Fleischstücke

herauspickt. Dieses Verhalten imitiert der Shaolinkämpfer, indem er den Angreifer mit

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ausladenden Bewegungen bedrängt und ihn mit Klauentechniken festhält.

Anschließend schlägt er mit punktgenauen Hand- und Beintechniken zu. Der Adlerstil

ist auch durch überlegtes Handeln, eine gute Übersicht und offene Kampfstellungen

geprägt. Er kann blitzartig zwischen Angriff und Verteidigung wechseln (Vgl.

Kronmüller, 2005, S.118).

Abb. 7: Der Adlerstil (nach Kronmüller, 2005, S. 118)

Den Affen imitieren (Hou Quan): Der Affe ist äußerst verspielt, trickreich, mutig und

hat fast nie Angst. So kämpft auch ein Kämpfer im Affenstil. Zu den Merkmalen des

Affenstils zählt trickreiches Kämpfen, verspielte Aktionen, Finten, Scheinangriffe,

Akrobatik, ständiges Fallen und Wiederaufstehen, Springen, Rollen und vieles mehr.

Der Affe tut immer das Unerwartete. Der Affe ist das dem Menschen ähnlichste Tier.

Deshalb ist der Affenstil auch der einzige Tierimitationsstil, der eine Waffenform

beinhaltet: der Affenlangstock (Shaolin Hou Gun) (Vgl. Kronmüller, 2005, S.119).

Abb. 8: Der Affenstil (nach Kronmüller, 2005, S.119)

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Den Kranich imitieren (He Quan): Kronmüller geht nicht weiter auf den Kranichstil

ein, da er von Meister Liu Haichao, Direktor des Song Shan Shaolin Wushu

Vocational Institute, nicht unterrichtet wird und weil der Kranichstil sich unabhängig

von den Shaolin-Techniken entwickelt hat (Vgl. Kronmüller, 2005, S.120). Der

Kranichstil wird von Heek wie folgt beschrieben: In diesem Stil vermeidet man

absichtlich den Kontakt zum Gegner. Stattdessen ermöglicht eine flinke Beinarbeit

dem Gegner auszuweichen und ihn blitzschnell von der Seite anzugreifen wie die

Flügelschläge des Kranichs. Unmittelbar vor einer wuchtigen Technik zeigt der

Kranich absolute Entspanntheit. Dieser Wechsel von Entspannung und explosivem

Krafteinsatz wird durch bestimmte Atemtechniken oder dem Kranich-Qigong erreicht.

Manchmal werden die Schläge mit den Fingerspitzen ausgeführt wie der Schnabel

des Kranichs. Dadurch sollen die Schläge gezielt und punktuell an die Vitalpunkte

des Gegners erfolgen (Vgl. Heek, 2003, Zugriff unter http://www.e-k-

o.org/d/kranich.htm).

Kronmüller merkt abschließend an, dass nicht nur die verschiedenen Formen Namen

von Tieren tragen, sondern auch einzelne Techniken wie der „Sprungtritt“, der als

„Schmetterlingstritt“ bezeichnet wird oder der zentrierte Stand, der mit dem Reiten

auf einem Pferd verglichen wird und deswegen auch „Ma Bu“ Pferde- oder

Reiterstellung genannt wird.

3. Einordnung von Kung Fu in den Lehrplan Sport von

Nordrhein-Westfalen

In erster Linie kann der Unterrichtsgegenstand Kung Fu durch den Lehrehrplan Sport

von Nordrhein-Westfalen legitimiert werden. Der neue Lehrplan von 2008 sichert

dem Kämpfen neben anderen Bewegungs- und Themenfeldern ein eigenständiges

und gleichwertiges Bewegungsfeld zu, welches unter den Inhaltsbereich 9 „Ringen

und Kämpfen – Zweikampfsport“ gefasst wird (Vgl. Richtlinien und Lehrpläne für die

Grundschule, 2008, S.118). Zuvor waren bereits einige Kampfsportarten wie Judo,

Ringen oder Boxen, überwiegend in den osteuropäischen Bundesländern, im

Lehrplan eingebettet (Vgl. Laging, 2009, S.246).

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Abb. 1: Bewegungs- und Themenfelder des Lehrplans Sport in der Grundschule

NRW (nach Landesstelle für den Schulsport NRW, 2008)

In Anlehnung an Schmoll weisen die aktuellen Lehrpläne und Richtlinien des

Schulsports auf zwei wesentliche Veränderungen im Bewegungsfeld Ringen und

Kämpfen - Zweikampfsport hin. Erstens wird Kämpfen oder Zweikampfsport zum

obligatorischen Bestandteil des Schulsports erklärt. Dies muss von der Sportlehrkraft

thematisiert werden. Zweitens kommt gerade hier der Doppelauftrag des

Sportunterrichts zur Geltung, da nicht nur die einseitige Sportartenvermittlung

stattfindet, sondern auch die Persönlichkeits- und Entwicklungsförderung

gleichermaßen geschult wird (Vgl. Scheid & Prohl, 2012, S.279).

Im Auszug aus dem Lehrplane von Nordrhein-Westfalen für die Grundschule wird

das Bewegungsfeld Ringen und Kämpfen – Zweikampfsport wie folgt formuliert:

„Beim Ringen und Kämpfen im Sportunterricht steht der spielerische, regelgeleitete

Aspekt der körperlichen Auseinandersetzung im Vordergrund. Oberstes Prinzip ist das

verantwortungsbewusste Handeln gegenüber der Partnerin/ dem Partner bzw. der

Gegnerin/ dem Gegner, d.h. die Beherrschung von Emotionen und die Sorge um die

körperliche Unversehrtheit der Partnerin bzw. des Partners müssen das Kräftemessen

steuern.“ (Vgl. Richtlinien und Lehrpläne für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen,

2008, S.118)

Dieses neue pädagogisch geleitete Orientierungsfeld nimmt vor allem die

Handlungssituationen während des Miteinander- oder Gegeneinanders in den Fokus

und löst sich von der Spezialisierung verschiedener Kampfsportarten. Das bedeutet

genauer gesagt, dass es weniger darauf ankommt die genaue Technik oder die

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Wettkampfbestimmungen einer speziellen Kampfsportart zu beherrschen, sondern es

wird mehr Wert auf Körpererfahrungen, Krafteinsatz, Verantwortungsbewusstsein,

emphatisches Verhalten oder Wertschätzung gelegt (Vgl. Happ, 2009, S.246).

Zusätzlich sind im neuen Lehrplan auch nicht nur klassische Kampfsportarten

zugelassen, sondern auch ausdrücklich nicht-normierte, an keine Technik

gebundenes Kämpfen wie zum Beispiel das Rangeln oder das Raufen. Dies bezieht

sich zumindest auf die Sekundarstufe I, im Rahmen eines erziehenden

Sportunterrichts. (Vgl. Beudels, 2012, S.279).

4. Bedeutung des Bewegungsfeldes Kämpfen

Im schulischen Bezug zum Kämpfen geht es hauptsächlich um das spielerische und

technikgebundene Kräftemessen im Sinne des Ringen und Raufens und nicht um

kriegerische oder gewaltsame Handlungen, die den Gegner verletzen oder sogar

vernichten soll (vgl. Happ, 2009, S.246). Das Kämpfen steht hierbei unter der

leitenden Perspektive eines geregelten und kultivierten körperlichen Mit-und

Gegeneinanders, bei dem die wesentlichen Grundprinzipien wie Fairness, Respekt

und gegenseitiges Vertrauen zählen (Vgl. Beudels, 2012, S.275).

Dennoch tauchen heute noch Schwierigkeiten auf, dass Bewegungsfeld Kämpfen zu

legitimieren. Viele kritische Stimmen meinen, dass anstelle verbaler ausschließlich

körperliche Konfliktlösungsstrategien vermittelt werden oder sogar aggressives

Handeln beigebracht werden würde. Schmoll (2006) verweist dabei darauf, dass es

keine empirischen Nachweise dafür gibt, ob und in welcher Weise das Kämpfen oder

der Zweikampf einen Beitrag zur Entwicklungsförderung der SuS leistet (Vgl.

Beudels, 2012, S.282). Grundsätzlich kann das Kämpfen viele erzieherisch

bedeutsame Perspektiven ansprechen, auf der anderen Seite jedoch Prügeleien

oder Gewalt entfachen. Man könnte sagen, dass die Liste aller positiven

Erwartungshoffnungen mindestens genauso lang ist, wie die der Ängste, Sorgen und

Gefahren. Darin besteht die Ambivalenz des Kämpfens, nämlich in „guten“ oder

„bösen Absichten“. In Anbetracht der vielen kritischen Stimmen, legen Lange und

Sinning vermehrt Wert auf die Art und Weise der Inszenierung. Damit meinen sie das

Schaffen einer angemessenen Unterrichtsatmosphäre, die Moderation der Spiele,

Aufgaben und Gespräche zwischen den SuS durch die Lehrperson und das Finden,

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Festlegen und Einhalten von Regeln. Die einschlägigen Lernmöglichkeiten ergeben

sich aus den charakteristischen Anforderungen, die das Kämpfen, Wettkämpfen oder

das Zweikämpfen an die Kämpfer stellt (vgl. Lange & Sinning, 2009, S. 11). Dadurch

kann es darum gehen, mit dem Partner (Konflikt-)Situationen auszuhandeln

(Kämpfen als Anlass für Kontakt und Kommunikation), sich mit seinem eigenen

Körper auseinanderzusetzen (Kämpfen als Mittel zur Identitätsfindung und

Körpererfahrung) oder die eigenen Aggressionen kennenzulernen, zu verarbeiten

oder zu kanalisieren (Kämpfen als Methode zur Gewaltprävention). Durch diese

vielfältige Bedeutungszuschreibung des Kämpfens werden nicht nur die positiven

Entwicklungsmöglichkeiten beschrieben, sondern auch die pädagogischen

Perspektiven thematisiert, die das Bewegungsfeld Kämpfen legitimieren.

5. Kung Fu als Thema im Sportunterricht realisieren

Generell konnte ich keine Literatur zur Durchführung eines Kung Fu Trainings im

Sportunterricht der Grundschule finden. Dies kann zum Teil daran liegen, dass Kung

Fu überwiegend im Vereinssport angesiedelt ist und weitestgehend noch keine

Konzepte für die Grundschule vorliegen. Bei genauerer Betrachtung haben sich

jedoch bereits viele Sportpädagogen intensiv damit beschäftigt, wie das Thema

Kämpfen im Sportunterricht umgesetzt werden kann. Daraus können erste Ansätze

zur Realisierung von Kung Fu im Sportunterricht der Grundschule entstehen.

Wenn Kung Fu als ein neues Unterrichtsthema begonnen wird, bietet sich

grundsätzlich am Anfang der Stunde ein Unterrichtsgespräch an, indem folgende

Fragen geklärt werden können: „Was ist Kung Fu? Warum machen wir…? Wie

machen wir…? Welche Regeln und Rituale sind zu beachten? Welche

Sinnorientierung wird verfolgt oder nach welchen Kriterien wird die Gestaltung und

Ausführung der Tierstile beurteilt?“ Allgemein ist es gerade in der Grundschule

ratsam keine komplizierten Fachbegriffe zu verwenden, um

Verständnisschwierigkeiten zu vermeiden. Dies soll zusätzlich gewährleisten, dass

die SuS nicht verunsichert werden und sich explizit auf das neue Unterrichtsthema

freuen können. Das Thema Kung Fu kann weitestgehend auch durch andere Medien

eingeführt werden, zum Beispiel durch ein Hörspiel, einem Videoausschnitt oder

einem Phasenbild. Hier können sportartspezifische Kenntnisse vermittelt werden, die

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das sportmotorische Lernen unterstützen können (Vgl. Groth, 1998, S.171).

„Wer eine gute Bewegungsinformation erhält, lernt effektiver, die Praxis kann intensiver

gestaltet werden.“ (Zit. n. Groth, 1998, S.171)

Lange und Sinnig gliedern eine Unterrichtseinheit grob in drei Phasen: Einstimmung,

Anspannung und Entspannung. Anders gesagt, könnte man den Unterricht auch in

Stundenanfang, Hauptteil und Stundenabschluss gliedern. Dieser „Fahrplan“ kann

auch auf die Unterrichtsplanung von Kung Fu übertragen werden. Demnach wird

empfohlen, den Stundenanfang zunächst mit Körperkontaktspielen zu beginnen (Vgl.

Lange & Sinnig, 2009, S.26). Ich möchte im weiteren Verlauf für jede Phase ein

Beispiel nennen, das zeigen soll, wie Kung Fu im Sportunterricht thematisiert werden

kann.

Abb. 1: Phasierung von Unterrichtssequenzen zum Thema „Kämpfen“ (nach Lange &

Sinning, 2009, S. 26)

Für die Unterrichtsplanung mehrerer Doppelstunden zum Thema Kämpfen wird

prinzipiell ein modularer oder steigernder Aufbau vorgeschlagen: Modul 1:

„Bewegungsfreude entwickeln“. Modul 2: „Körperkontakt aufnehmen und

akzeptieren“. Modul 3: „Vertrauen Aufbauen und stabilisieren.“ Modul 4: „Mit

oder gegen einen Partner kämpfen.“ Modul 4: „Mit oder gegen einen Partner

kämpfen in geregelten (Sportart-)Wettkämpfen und komplexen Situationen.“ Die

Module sind voneinander zu unterscheiden, bauen aufeinander auf und sind in

gewisser Weise hierarchisch angeordnet. Dieser „Fahrplan“ enthält bereits konkrete

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Zielsetzungen, die die SuS erreichen müssen, um zum nächsten Modul

überzugehen. Eine Doppelstunde könnte somit zum Beispiel das erste und zweite

Modul aufgreifen und in der nächsten Doppelstunde das dritte Modul thematisieren

usw. (Vgl. Beudels, 2012, S.282-284).

Zur Einstimmungsphase: Für den Stundenanfang im Sinne einer Aufwärmphase

gibt es allgemein zahlreiche Vorschläge. Es kann zum Beispiel läuferisch,

gymnastisch oder spielerisch erfolgen wie durch Laufen, Laufgymnastik,

Ganzkörpergymnastik, Seilgymnastik, Partnerübungen oder Bewegungsspiele.

Natürlich können auch Kombinationen aus den genannten Aufwärmformen erfolgen

(Vgl. Maehl & Höhnke, 1988, S.10).

Der Deutsche Judo-Bund sieht vor allem in drei spielerischen Betätigungsweisen ein

unverzichtbares Mittel für Übungsstunden mit Kindern: Das Spielen mit etwas

(Umgangs-. Geschicklichkeits-, Funktionsspiele wie zum Beispiel verschiedene

Varianten des Laufens), das Spielen als etwas (Darstellungs-, Rollen-,

Imitationsspiele wie zum Beispiel Tiere darstellen) und das Spielen um etwas

(Wettspiele, Kampfspiele, Sportspiele wie zum Beispiel Fangspiele) (Vgl. Deutscher

Judo-Bund, 2009, S.186). Diese drei Spielformen ermöglichen der Lehrperson nun

eine Fülle von Einstiegs- oder Einstimmungsspielen am Stundenanfang. In den

Spielen stellen sich Kinder immer neuen Anforderungen und steigern ihre

sportmotorischen Fähigkeiten. Beudels merkt zugleich an, in Bezug auf seine

Module, dass hier erst einmal Bewegungsfreude für alle SuS entsteht und ein erster

Körperkontakt stattfinden sollte. Der Einsatz von kleinen Spielen ist hierfür besonders

geeignet, weil einerseits keine großen Anforderungen an die motorische

Leistungsfähigkeit gestellt werden, diese schnell zu initiieren sind und keine oder nur

wenig Geräte oder Materialien benötigt werden (Vgl. Beudels, 2012, S.283). Hierbei

ist auch wichtig Motivation bei den Kindern zu schaffen und diese in den folgenden

Schritten zu erhalten oder zu steigern. Deshalb müssen die Spiele bezüglich ihrer

Anforderungen variiert werden, damit das Spielen weiterhin als spannungsvoll erlebt

wird (Vgl. Deutscher Judo-Bund, 2009, S. 187). Auch Faktoren wie Aufmunterung

und Lob durch die Lehrperson sind von wichtiger Bedeutung (Vgl. Horn, 2009,

S.197).

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In Anlehnung an Nils Neuber und das „Spielen als etwas“ könnte das Aufwärmspiel

wie folgt aussehen: Ein oder zwei „Eisteufel“ versuchen die anderen Kinder

abzuschlagen und sie in Eisklötze zu verwandeln (Vgl. Neuber, 2004, S.110). Die

Kinder, die von den Eisteufeln gefangen werden, frieren in verschiedene Tierstile aus

dem Kung Fu ein. Hierfür müssen im Vorfeld die Regeln gemeinsam besprochen und

erarbeitet werden. Welche Tierformen kommen in Frage und wie könnte man diese

nachahmen? Um das kreative Handeln zu begünstigen, werden keine

Zielbewegungen festgelegt, sondern lediglich Vorschläge zur Umsetzung angeboten.

Die eingefrorenen Tierformen können durch zwei andere Kinder befreit werden,

indem sie sich die Hände reichen, den „Eisklotz“ umarmen und laut „warm, warm,

warm“, rufen. Das Auftauen kann im Anschluss an das Spiel auch als Partnerübung

erfolgen, indem der „Eisklotz“ Stück für Stück aufgetaut wird. Hierfür berührt der

Partner nacheinander verschiedene Körperteile, die dann auftauen (Vgl. ebd. S.110).

Das „Spielen als etwas“ gehört im Judo bereits zu einem unverzichtbaren

Bestandteil. Der deutsche Judo-Bund ist der Meinung, dass gerade Imitationsspiele

wie „Tierbewegungen nachahmen“ von den Kindern mit Feuereifer gespielt werden

(Vgl. Deutscher Judo-Bund, 2009, S.187). Ganz gleich ob, sie sich dabei in

Menschen, Tiere oder Gegenstände verwandeln. Sie übernehmen mit Leichtigkeit

verschiedene Rollen und begleiten sich selbst mit Sprache, Geräusch oder Gesang

(Vgl. Neuber, 2004, S. 15). Das Handlungsthema mit Spielen zum „Einfrieren“ nennt

Neuber „Spannung und Entspannung“ (Vgl. ebd. S.110).

Dieses Spiel verdeutlicht beispielhaft, dass viele wichtige Inhalte aus dem Kung Fu

spielerisch aufgegriffen werden können, wie zum Beispiel die Spannung, die

Entspannung und die Darstellung von Tierformen. Dennoch können solche Spiele

bereits eine ganze Doppelstunde füllen, was für die SuS in das Thema „Kung Fu und

fair miteinander Kämpfen“ einführen könnte.

Zur Anspannungsphase: Grundsätzlich schlagen Lange & Sinnig für den Hauptteil

einer Sportstunde Spiele vor, indem die SuS paar- oder gruppenweise mit- oder

gegeneinander kämpfen (Vgl. Lange & Sinnig, 2009, S.26). Genauer betrachtet, sieht

Beudels jedoch vor allem im dritten Modul „Vertrauen aufbauen und stabilisieren“ die

Voraussetzung dafür, um zum Kämpfen mit dem Partner oder in der Gruppe

überzugehen. Deswegen ist es sinnvoll vor Gefechtssituationen die SuS auf die

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Befindlichkeit des anderen zu sensibilisieren. Hierbei geht es um einen respektvollen

und verantwortungsvollen Umgang miteinander. Das Einhalten von Regeln und die

Beachtung von Ritualen gewinnt eine immer größere Bedeutung. Spiele und

Übungen mit der Idee des „Führen und Folgen“ können hierfür zum Ziel führen (Vgl.

Beudels, 2012, S.284). Dies könnte zum Beispiel durch das „Roboterspiel“ erfolgen,

indem ein Partner die Bewegungen des anderen steuert (Vgl. Neuber, 2004, S.111).

Weitere Kriterien, um zum Kampf mit dem Partner überzugehen, ergeben sich aus

der Literatur des Landessportbund NRW zum Judosport. Hier wird vor allem darauf

geachtet, dass folgende Übungen vorher geübt wurden: Sicheres Fallen, das

Ausführen eines Sicheren Wurfes, Haltetechniken und Fixierungsmöglichkeiten

sowie Befreiungstechniken (Vgl. Landessportbund NRW, 2006, S.109). Dies kann

weitestgehend auf das Kung Fu Training bezogen werden, da der Kampf am Boden

oft nicht zu vermeiden ist. Es sei denn, es wird ausdrücklich darauf hingewiesen,

dass nur ein „Stehkampf“ stattfindet.

Eine Herangehensweise für die Anspannungsphase besteht im Distanz-Kampf, in

dem auch an die Tierformen des Kung Fu herangeführt werden kann. Dabei kann die

Aufgabe für die SuS darin bestehen, eine „Action-Szene“ mit dem Partner oder der

Kleingruppe nachzuspielen. Hier geht es im ersten Moment um die kreative

Gestaltung einer Kampfszene und nicht um eine richtige oder falsche Technik. Die

SuS könnten sich zum Beispiel in die Tiercharaktere des Films „Kung Fu Panda“

hineinversetzten. „Der Tiger hat etwas gestohlen, während die Schlange ihn zur

Rede stellt. Es beginnt ein Kampf.“ Im nächsten Schritt könnten weitere

Tiercharaktere mit eingebunden werden. Dadurch sollen den SuS

Handlungsspielräume geboten werden, die zum Erkunden und Entwickeln

individueller Bewegungs-, Spiel- oder Ausdrucksmöglichkeiten anregen (Vgl. Neuber,

2004, S.11). Dabei sollte jedoch die Lehrperson die Auswahl der Tiere eingrenzen,

um einen eindeutigen Bezug zu den Kung Fu Tierstilen herzustellen. Im Anschluss

an die Erarbeitung eines Handlungsverlaufs könnte jede Gruppe ihre Ergebnisse

durch eine Vorstellungsrunde präsentieren. Dies ermöglicht auch Gruppen- oder

Reflexionsgespräche: Wie habt ihr euch als Angreifer oder Verteidiger gefühlt?

Ein weiteres Arrangement ergibt sich aus dem brasilianischen Capoeira, eine

tänzerische Form des Kämpfens. Die SuS bilden einen Kreis und klatschen einen

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Rhythmus. Zwei Akteure begeben sich in den Kreis und improvisieren einen Kampf.

Dabei könnten die SuS die Angriffs- oder Verteidigungsformen der Tierstile wie zum

Beispiel Schlagen, Treten, Wegrollen, Ausweichen, Fintieren usw., nachahmen. Sie

werden dann durch ein anderes Paar abgelöst (Vgl. Happ, 2009, S.272). Klare

Regeln und Rituale bilden hierfür immer die Voraussetzung für ein kultiviertes,

respektvolles und sensibles Kämpfen miteinander (Vgl. Beudels, 2012, S.291). Beide

Arrangements bieten die Möglichkeit, auch ohne spezielle Technikschulung und

Vorkenntnisse auf Seiten der Lehrkraft, den Distanzkampf im Kung Fu einzuführen,

zu üben und zu realisieren (Vgl. Happ, 2009, S.273). Neuber weißt jedoch für solche

Arrangements darauf hin, dass die Gestaltung einer Bewegung einen gewissen

Entwicklungsstand voraussetzt und nicht zu den elementaren Handlungsweisen von

Kindern zählt. Trotzdem kann sie spätestens im Grundschulalter als menschliche

Grundtatsache betrachtet werden. Dabei gilt der Mensch generell als

gestaltungsbedürftig und –fähig (Vgl. Neuber, 2004, S.18).

Zur Entspannungsphase: In der Stundenabschlussphase geht es darum von der

Anspannung wieder zurück zur Entspannung zu gelangen. Sigrid Happ ist der

Meinung, dass nach einem intensiven Körpereinsatz auch Ruhemomente eingeplant

werden müssen, da das dauerhafte aufeinander Bezogen und Konfrontiert-Sein mit

einer anderen Person für SuS häufig belastend sein kann. In diesen Momenten

können sich einzelne Paare oder die Gruppe sammeln und konzentrieren. Dies gibt

Gelegenheiten in sich hinein zu spüren und das Erlebte für sich oder mit der Gruppe

zu reflektieren, um auch zu erkennen wie die anderen das Kämpfen empfunden

haben. Diese Form der Selbstbesinnung sollte zum Bestandteil des Rituals gehören

und kann beiläufig während eines ruhigen Partnerwechsels oder in einer

Reflexionsrunde geschehen. Des Weiteren kann dies beim Erläutern der nächsten

Aufgabe mit einfließen oder gezielt in Gesprächen zu zweit nach Aktionsphasen

stattfinden (Vgl. Happ, 2009, S.263). Ebenso können lockere Qi Gong Übungen für

Entspannungsphasen genutzt werden, um den Körper bewusst wahrzunehmen und

Bewegungen kontrolliert auszuführen. Diese Übungen in Verbindung mit Bewegung,

Meditation, Konzentration und Atmung haben immer das Ziel, in Anlehnung an die

traditionelle chinesische Medizin, Blockaden im menschlichen Körper zu lösen und

für eine harmonische und ausgeglichene Qi-Verteilung im Körper zu sorgen.

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Letztendlich sollen der Körper und der Geist zur Ruhe gebracht werden (Vgl.

Kronmüller, 2005, S.138).

6. Literaturverzeichnis

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7. Videomaterial aus China

Fausttechniken in Reiterstellung:

http://www.youtube.com/watch?v=RQPyQ_gSEmU&feature=related

Vorschulkinder in China: http://www.youtube.com/watch?v=AW46bBkz8NY&feature=related http://www.youtube.com/watch?v=bG6dXBZHDgw&feature=related http://www.youtube.com/watch?v=qwOXuO_82KM&feature=related Choreografie: http://www.youtube.com/watch?v=qgy4cGdb2hU&feature=related