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Industrieland Deutschland stärken - VCI · Deutschland ist der viertgrößte Industriestandort der Welt – hinter den USA, China und Japan. Es hat einen Anteil an der globalen Industrieproduktion

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Industrieland Deutschland stärken

Grundlinien einer nachhaltigen Industriepolitik

Empfehlungen des VCI für ein starkes Industrieland Deutschland im Jahr 2020

Inhaltsverzeichnis

Executive Summary 3

Grundlinien einer nachhaltigen Industriepolitik – Einführung 5

Industrieland Deutschland stärken 7

Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft erhalten und weiterentwickeln 9

Nachhaltige Sicherung der Energieversorgung, nachhaltiger Klimaschutz und nachhaltige Steigerung der Energieeffizienz 12

Nachhaltige Sicherung der Rohstoffversorgung und Steigerung der Ressourceneffizienz 16

Nachhaltiger Umwelt- und Verbraucherschutz, wettbewerbsfähige Regulierungen und wissenschaftlich fundiertes Risikomanagement 18

Stärkung des Forschungs- und Innovationsstandorts 21

Verbesserung des Bildungssystems und des Zugangs zu qualifizierten Mitarbeitern 23

Freier Welthandel in einer nachhaltigen Weltwirtschaftsordnung 25

Optimierung und Modernisierung der Infrastruktur und des Verkehrs 27

Vereinfachung des Steuersystems, Verschlankung des Staates 29

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Industrieland Deutschland stärken

Grundlinien einer nachhaltigen Industriepolitik

Empfehlungen des VCI für ein starkes Industrieland Deutschland im Jahr 2020

Executive Summary

Dezember 2009

1. Deutschland ist ein Industrieland. Die deutsche Industrie beschäftigt direkt 6 Millionen Menschen und erwirtschaftet rund 500 Milliarden Euro pro Jahr an Werten. Das ist knapp ein Viertel der deutschen Wirtschaftsleistung. Das Industrienetzwerk ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaftskraft und die Chemie als „Industrie der Industrie“ ist ein wichtiges Schlüsselelement in diesem Netzwerk. Die Industrie ist der Motor des Fortschritts. Mit ih-ren Innovationen macht sie das Leben einfacher, komfortabler und gesünder – erzeugt Lebensqualität. Sie entwickelt Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft im Be-reich Energie, Klimaschutz, Mobilität, Gesundheit und demographischem Wandel.

2. Nachdem der Anteil der Industrie über viele Jahre zurückgegangen ist, hat er seit 2002

wieder zugenommen. Die Industrie war der Motor des letzten Aufschwungs: Während das Gewicht der Industrie in nahezu allen Ländern der EU, in Japan und den USA schrumpft, ist es in Deutschland in den letzten 10 Jahren sogar gewachsen. Die aktuelle globale Finanz- und Wirtschaftskrise hat die deutsche Industrie besonders getroffen und droht, die industrielle Basis entscheidend zu schwächen. Darüber hinaus wird die Industrie durch zwei weitere Entwicklungen bedroht: Im Inneren steckt der Staat den Rahmen für die Entwicklung und Einsatz von Technologien immer enger ab, wobei er zwischen zukunfts-fähigen und veralteten Branchen, zwischen gewünschten und gefährlichen Technologien und zwischen guten und schlechten Gütern zu unterscheiden sucht. Die ökologische In-dustriepolitik ist ein Beispiel für diesen Ansatz. Von außen ist die deutsche Industrie be-droht, weil immer mehr Länder ihre Industrie aktiv fördern - durch strategische Handels- und Industriepolitik, durch Subventionen, Beihilfen und die Verweigerung Treibhaus-gasemissionen zu senken. Diese Entwicklungen schaden der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.

3. Um gestärkt aus der Wirtschaftskrise hervorzugehen und der Wirtschaft neue Wachs-

tumsimpulse geben zu können, braucht die deutsche Industrie ein industriepolitisches Gesamtkonzept, damit Deutschland auch zukünftig einer der wettbewerbsfähigsten In-dustriestandorte der Welt ist.

4. Die Industriepolitik muss nachhaltig sein, also ausgewogen ökonomische, ökologische

und soziale Ziele berücksichtigen. Eine einseitige Ausrichtung der Industriepolitik ist nicht zielführend. Und nur mit einer wettbewerbsfähigen Industrie können ökologische und ge-sellschaftliche Ziele verwirklicht werden. Industriepolitik muss ordnungspolitischen Grundsätzen folgen, gute Rahmenbedingungen auf Märkten setzen und technologieoffen sein. Sie darf weder direkt und selektiv einzelne Unternehmen, Branchen oder Produkte auf Kosten anderer fördern oder belasten noch direkt in unternehmerische Entscheidungen eingreifen.

5. Damit eine nachhaltige Industriepolitik Erfolg hat und Akzeptanz findet, muss sie in einem

Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und wichtigen gesellschaftlichen Gruppen entwickelt werden.

6. Viele Regelungen, die die deutsche Industrie belasten, kommen aus Brüssel. Deutschland

als stärkstes Industrieland Europas muss zum Anwalt der Industrie in Brüssel werden.

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7. Der VCI versteht nachhaltige Industriepolitik als Querschnittsaufgabe, die alle Bereiche

umfasst, die die Standortbedingungen der Industrie determinieren und die Wettbewerbsfä-higkeit der Industrie beeinflussen. In diesen Bereichen muss der Staat die richtigen Rah-menbedingungen setzen. Das industriepolitische Gesamtkonzept muss dabei langfristig orientiert sein, alle wichtigen Politikfelder miteinander verzahnen, konsistent sein und auch die Wertschätzung der Industrie in der Gesellschaft im Blick haben:

Im Rahmen der Industriepolitik muss die soziale Marktwirtschaft gestärkt werden.

Deutschland braucht eine integrierte Energie- und Klimapolitik, die langfristig den An-forderungen des Klimaschutzes gerecht wird und gleichzeitig die Energieversorgung zu international wettbewerbsfähigen Preisen sicherstellt. Da Deutschland ein rohstoffarmes Land ist, braucht die deutsche Industrie darüber hinaus eine sichere Rohstoffversor-gung aus internationalen Quellen.

Die deutsche Bevölkerung hat zu Recht hohe Ansprüche an den Umwelt- und Ver-braucherschutz. Die Industrie investiert in umweltschonende Prozesse und entwickelt verbraucherfreundliche Produkte, um die hohen Ansprüche zu verwirklichen. Staatliche Regelungen im Umwelt- und Verbraucherschutz müssen aber so effizient wie möglich sein, um nicht zu einseitigen Kostenbelastungen für die deutsche Industrie zu führen, die die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen.

Innovationen sind der Schlüssel, damit die deutsche Industrie auch in Zukunft wettbe-werbsfähig ist und die Zukunftsherausforderungen annehmen kann. Die Sicherstellung guter Forschungsbedingungen – u.a. durch Einführung einer steuerlichen Forschungs-förderung – und die Verfügbarkeit hervorragender Fachkräfte durch gute Bildung und Ausbildung sind daher Grundvoraussetzungen für ein industriepolitisches Gesamtkon-zept.

Die deutsche Industrie braucht offene Gütermärkte. Sie ist seit Jahren Exportweltmeis-ter und hat dank der Exporte den Wohlstand in Deutschland gesteigert. Auch in Zukunft muss sie einerseits ihre innovativen Produkte weltweit absetzen können, und anderer-seits ist sie auf diskriminierungsfreien Zugang zu Rohstoffen angewiesen.

Die Infrastruktur ist bisher ein großer Standortvorteil Deutschlands. Diese Stärke gilt es auszubauen. Neue Vorhaben stoßen aber auf Widerstände in Teilen der Bevölke-rung. Eine erfolgreiche Industriepolitik muss unter dem Postulat der Nachhaltigkeit Rahmenbedingungen für neue Projekte verbessern und der Bevölkerung Erfordernisse neuer Infrastrukturen vermitteln.

Investitionen in Forschung, Bildung, Energie und andere Infrastrukturen sowie den Kli-maschutz erfordern staatliche Mittel. Gleichzeitig sind die Defizite der öffentlichen Hand infolge der Wirtschaftskrise gestiegen, und die Belastungen liegen über dem EU-Durchschnitt. In den kommenden Jahren ist eine vorsichtige Fiskal- und Steuerpolitik geboten, die das internationale steuerliche Umfeld im Blick behält. Der letzte Auf-schwung hat erneut gezeigt, dass Wachstum Freiräume im Staatshaushalt und den So-zialversicherungssystemen schafft. Eine wachstumsfördernde nachhaltige Industriepoli-tik ist der beste Weg, neue Ausgaben und konsolidierte Finanzen miteinander zu ver-einbaren.

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Industrieland Deutschland stärken

Grundlinien einer nachhaltigen Industriepolitik

Empfehlungen des VCI für ein starkes Industrieland Deutschland im Jahr 2020

Deutschland ist ein Industrieland

Die deutsche Industrie beschäftigt direkt 6 Millionen Menschen und erwirtschaftet rund 500

Milliarden Euro pro Jahr an Werten. Das ist knapp ein Viertel der deutschen Wirtschaftsleis-

tung. Während das Gewicht der Industrie in nahezu allen Ländern der EU, in Japan und den

USA schrumpft, ist es in Deutschland in den letzten 10 Jahren sogar gewachsen. Das Indust-

rienetzwerk ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaftskraft. Die Chemie mit ihren 440.000

Beschäftigten ist als „Industrie der Industrie“ ein Schlüsselelement in diesem Netzwerk.

Wir wollen, dass Deutschland im Jahr 2020 noch immer ein starkes Industrieland ist

Infolge der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise ist die industrielle Basis in Deutschland

unter Druck geraten. Deutschland braucht aber auch in der Zukunft eine wettbewerbsfähige

Industrie, um seinen Wohlstand zu halten und Lösungen für die zentralen Zukunftsherausforde-

rungen im Bereich Energie, Klimaschutz, Mobilität, Gesundheit und demographischem Wandel

zu entwickeln. Deshalb muss Deutschland als Industriestandort fit für die Zukunft gemacht

werden: Wir brauchen eine Industriepolitik mit dem Ziel, Deutschland auch im Jahr 2020 als

einen der stärksten und wettbewerbsfähigsten Industriestandorte der Welt zu erhalten.

Eine derartige Industriepolitik schafft die Basis für eine nachhaltige Industrie in Deutschland.

Denn nur mit einer starken Industrie können wir auch die ökologischen und gesellschaftlichen

Herausforderungen bewältigen, vor denen wir stehen. Dafür wollen und müssen die Unterneh-

men weiterhin die innovativsten Produkte entwickeln, auf den Markt bringen, und die weltweit

effizientesten Verfahren anwenden. Wir können unser Ziel aber nur im Schulterschluss mit

Partnern erreichen. Deutschland wird nur dann als Industriestandort erfolgreich sein können,

wenn alle Beteiligten das wollen und ihren Beitrag hierzu leisten: Die Industrie braucht hierfür

auch Politik und Gesellschaft. Gemeinsam mit der Politik wollen wir in Deutschland die weltweit

besten Bedingungen für Forschung, Investition und Produktion von industriellen Produkten

schaffen. In der Gesellschaft wollen wir ein neues Verständnis für die Bedeutung der Industrie

in Deutschland erreichen und die Wertschätzung industrieller Aktivitäten und neuer Technolo-

gien in der Bevölkerung steigern.

Dialog zwischen Politik, Gesellschaft und Industrie

Gemeinsam mit unseren Partnern aus der Industrie wollen wir einen industriepolitischen Dialog

mit Politik und anderen gesellschaftlichen Gruppen aufnehmen, um die Bedeutung einer star-

ken Industrie für die nachhaltige Entwicklung Deutschlands zu diskutieren. Mit der Politik wollen

wir konkrete Ziele und Maßnahmen für einen modernen und wettbewerbsfähigen Industrie-

standort im Jahr 2020 erarbeiten. Die zentralen Ziele aus Sicht der chemischen Industrie sind

dabei:

den Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft erhalten und weiterentwickeln

nachhaltige Sicherung der Energieversorgung, nachhaltiger Klimaschutz und nachhalti-

ge Steigerung der Energieeffizienz

nachhaltige Sicherung der Rohstoffversorgung und Steigerung der Ressourceneffizienz

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nachhaltiger Umwelt- und Verbraucherschutz, wettbewerbsfähige Regulierungen und

wissenschaftlich fundiertes Risikomanagement

Stärkung des Forschungs- und Innovationsstandorts

Verbesserung des Bildungssystems und des Zugangs zu qualifizierten Mitarbeitern

Freier Welthandel in einer nachhaltigen Weltwirtschaftsordnung

Optimierung und Modernisierung der Infrastruktur und des Verkehrs

Vereinfachung des Steuersystems, Verschlankung des Staates

Die Industriepolitik muss bestimmte Grundsätze beachten:

1. Mit einem industriepolitischen Gesamtkonzept gegen die Krise angehen

Industriepolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Besser aufeinander abgestimmte Ressortpolitiken

in Deutschland und Europa sind unabdingbar für eine Erholung der deutschen Industrie. Am

wichtigsten sind dabei bessere Forschungsbedingungen, die Ausbildung von qualifiziertem

Nachwuchs, eine wettbewerbsfähige Energie- und Rohstoffversorgung, der Ausbau der Infra-

struktur und die weitere Abschaffung von Handelshemmnissen im In- und Ausland. Da wesent-

liche Rahmenbedingungen der Industrie in Brüssel gesetzt werden, muss Deutschland als

größtes Industrieland Europas dabei auch zum Anwalt der Industrie in der EU werden.

2. Auf interventionistische und protektionistische Staatseingriffe verzichten

Industriepolitik sollte sich darauf beschränken, verlässliche und wettbewerbsfähige Rahmenbe-

dingungen zu setzen. Protektionismus und Interventionismus mögen kurzfristig einzelnen Un-

ternehmen oder Branchen helfen, langfristig schaden sie der Industrie und dem gesamten

Land. Selektive Eingriffe darf es nur in Ausnahmefällen geben, die stichhaltig begründet wer-

den müssen.

3. Nachhaltige Industriepolitik statt einseitiger Zielsetzungen

Industriepolitik muss ausgewogen ökonomischen, ökologischen und sozialen Werten folgen,

statt einseitig ökologisch ausgerichtet zu sein. Nur mit einer wettbewerbsfähigen Industrie kön-

nen ökologische und soziale Ziele verwirklicht werden.

4. Sachverstand der Industrie nutzen

Gute Industriepolitik berücksichtigt die wirtschaftlichen Auswirkungen von Gesetzen. Die In-

dustrie kennt diese Auswirkungen am besten. Diese Expertise sollte sich die Politik bei der Er-

arbeitung eines industriepolitischen Ansatzes zu Nutzen machen.

Im Folgenden stellen wir zu den neun Zielen gegenüber,

wo das Industrieland Deutschland heute steht

welchen Herausforderungen Industrie und Gesellschaft bis 2020 gegenüberstehen

und welche Rahmenbedingungen wir im Jahr 2020 haben müssen, damit wir einen der

wettbewerbsfähigsten Industriestandorte haben.

Im Anschluss daran werden wichtige Schritte aufgeführt, damit Politik, Gesellschaft und

Industrie gemeinsam ein wettbewerbsfähiges Industrieland Deutschland erhalten und

erfolgreich an den Herausforderungen der Zukunft arbeiten.

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Industrieland Deutschland stärken

Die Diagnose:

Deutschland ist der viertgrößte Industriestandort der Welt – hinter den USA, China und

Japan. Es hat einen Anteil an der globalen Industrieproduktion von 8,5 Prozent.

Die Industrie hat in Deutschland im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften ein deutlich

höheres Gewicht. Der Anteil der industriellen Wertschöpfung am Bruttoinlandsprodukt

(BIP) liegt bei fast 24 Prozent. Zwischen 1997 und 2007 ist ihr Anteil um 1,5 Prozent-

punkte gestiegen.

Deutschland ist ein guter Industriestandort. Ob bei industriellen Clustern und der Quali-

tät lokaler Zulieferer und Forschungseinrichtungen, der Infrastruktur sowie der Zusam-

menarbeit von Industrie und Wissenschaft oder beim Einsatz modernster Technologien:

Stets findet sich Deutschland unter den besten 10 Standorten der Welt.

Deutschland verfügt kaum über eigene Vorkommen an Rohstoffen und fossiler Energie.

Es ist vor allem auf seine Innovationskraft angewiesen.

Die öffentlichen Ausgaben für F+E stagnieren seit Jahren bei 0,75 Prozent des BIP. Die

Industrie hingegen hat ihren Anteil sukzessive auf 1,8 Prozent ausgebaut.

Deutschland gibt insgesamt 5,1 Prozent seines BIPs für Bildung aus. Das ist deutlich

unter dem OECD-Durchschnitt von 5,8 Prozent und auch unterhalb des EU-Schnitts.

Die Energiepreise in Deutschland liegen über denen in anderen Ländern – im europäi-

schen wie im globalen Vergleich. Deutschland ist von wenigen Rohstofflieferländern

abhängig.

Die Gesellschaft erkennt die Bedeutung der Industrie an und steht ihr mehrheitlich posi-

tiv gegenüber. Mittelstand und Unternehmer haben hohe Sympathiewerte. Die Bedeu-

tung von Investitionen und Innovationen sind der Bevölkerung aber häufig nicht klar.

Daher stoßen einzelne Großprojekte und moderne Technologien auf Akzeptanzproble-

me.

Die Herausforderungen

Die Wachstumszentren der Weltwirtschaft verschieben sich. Die Industrie in den

Schwellenländern wächst dynamisch. Teile der Industrie verlagern ihre Produktion in

Niedriglohnländer. Der internationale Wettbewerb gewinnt an Schärfe.

Diese Entwicklung wird durch ungleiche internationale Rahmenbedingungen, z. B. beim

Handel oder dem Klimaschutz, forciert.

Andere Industrie- und Schwellenländer haben Wettbewerbsvorteile. Sie haben

o dank ihrer Energiepolitik oder ihres Energiemixes niedrigere Energiepreise,

o attraktive Forschungsförderungs-Systeme,

o und wirtschafts- und innovationsfördernde Steuersysteme.

Immer mehr Staaten – auch innerhalb der EU - versuchen sich darüber hinaus durch

industriepolitische Eingriffe einen Vorteil zu verschaffen.

Der demographische Wandel erschwert in Deutschland und anderen Industrieländern

zusehends den Zugang zu qualifiziertem Nachwuchs.

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Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat das Vertrauen in freie, unregulierte Märkte erschüt-

tert. Neue nationale und internationale Regeln müssen die Funktionsweise der Märkte

verbessern und Vertrauen wiederherstellen.

Die Bevölkerung in anderen Ländern ist eher bereit, Industrieansiedlungen zu akzeptie-

ren und neue Technologien einzusetzen.

Das Ziel für 2020:

Es gibt eine gemeinsame Vision von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, Deutschland

als Industrieland zu stärken.

Deutschland ist eine hochentwickelte Industriegesellschaft mit funktionsfähiger sozialer

Marktwirtschaft, hohem Bildungsniveau und hoher Lebensqualität und damit einer der

stärksten, innovativsten und wettbewerbsfähigsten Industriestandorte der Welt.

Die deutsche Industrie

o ist sehr innovativ,

o verfügt über ausreichend gut qualifizierten Nachwuchs,

o kann sich auf eine sichere Energie- und Rohstoffversorgung zu wettbewerbsfä-

higen Preisen verlassen,

o ist sehr energie- und ressourceneffizient,

o ist mit ihren Produkten erfolgreich in Europa und auf den Weltmärkten,

o und leistet mit Produkten und Verfahren ihren Beitrag zum weltweiten Klima-

schutz.

Deutschland erreicht durch das Zusammenwirken von Staat und Unternehmen unter

Einsatz der kostengünstigsten Technologien seine Klimaschutz- und andere Umweltzie-

le im Rahmen globaler Anstrengungen.

Deutschlands Bevölkerung steht zur Industrie und ist industriellen und Infrastruktur-

Projekten gegenüber aufgeschlossen.

Der gemeinsame Weg:

Industrie, Politik und andere gesellschaftliche Gruppen nehmen einen Dialog auf, um

die Wertschätzung der Industrie in der Gesellschaft zu erhöhen.

Deutschland entwickelt ein industriepolitisches Gesamtkonzept. Hierzu wollen wir ge-

meinsam mit anderen Industriebranchen einen Dialog mit der Politik aufnehmen. Der

Dialog soll sich an folgenden Maßgaben orientieren:

o Die Unternehmen leisten ihren Beitrag, indem sie ihre starke Wettbewerbspositi-

on ausbauen und sich weltweit eine Spitzenstellung bei Forschung, Innovation

und ihrer Umsetzung am Markt verschaffen.

o Die Politik wird der Bedeutung der Industrie für Deutschland auf nationaler und

EU-Ebene besser gerecht.

o Industrie und Politik verständigen sich im Dialog auf gemeinsame industriepoliti-

sche Ziele und konkrete Handlungsempfehlungen und Maßnahmen.

o Industrie und Politik bemühen sich gemeinsam um mehr Wertschätzung für in-

dustrielle Projekte und für neue Technologien in Deutschland.

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Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft erhalten und weiterentwickeln

Die Diagnose

Deutschlands Wirtschaftssystem ist die soziale Marktwirtschaft. Sie hat uns in den zu-

rückliegenden Jahrzehnten Wachstum, Wohlstand, Innovationen, Freiheit und sozialen

Frieden gebracht.

Die soziale Marktwirtschaft ist anderen Wirtschaftsordnungen überlegen. Die dirigisti-

sche staatliche Lenkung der Wirtschaft ist ebenso gescheitert wie das angelsächsische

Modell einer Marktwirtschaft mit gering regulierten Märkten.

Das Industrieland Deutschland profitiert von der hohen Rechtssicherheit und Rechts-

staatlichkeit am Standort.

Aufgrund eines zunehmenden Einflusses einzelner Gruppen auf die Politik haben in den

zurückliegenden Jahren interventionistische und dirigistische Eingriffe in die Wirtschaft

zugenommen. Die Regelungsdichte in Deutschland ist hoch. Im IW-Regulierungsindex

liegt Deutschland auf dem schlechten dritten Platz. Auf den Finanzmärkten verzichtete

der Staat hingegen zunehmend auf eine effektive Regulierung.

Diese schleichende Abkehr vom Leitbild einer sozialen Marktwirtschaft hat zu Proble-

men geführt: Das Wachstum war niedriger als in anderen Industrieländern, das Wohl-

standsgefälle in Deutschland nahm zu, und die - in Teilen - unregulierten Finanzmärkte

lösten eine tiefe Wirtschaftskrise aus.

Die soziale Marktwirtschaft hat in der Bevölkerung zwar noch immer eine hohe, aber

seit Jahren sinkende Akzeptanz in Deutschland.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise sorgt für Kritik an Teilen der Marktwirtschaft: Manager

und Banken haben an Ansehen verloren, es gibt einen Vertrauensverlust. Der Mittel-

stand, die Unternehmer und die Industrie werden weiterhin positiv wahrgenommen.

Auf europäischer Ebene hat die Lissabon-Strategie ihr Ziel, den Industriestandort Euro-

pa zu stärken, trotz vereinzelt guter Ansätze nicht erreicht.

Es gibt Initiativen, die Regulierungen effizienter auszugestalten. Die Better Regulation-

Initiativen sowie der Bürokratieabbau in der EU bieten zwar einige gute Ansätze, besit-

zen bisher aber wenig Durchschlagskraft. Vielversprechender ist der deutsche Ansatz,

Bürokratiekosten systematisch zu messen, die Kostenbelastung deutlich zu reduzieren

(25%) und neue Gesetzesvorlagen vom unabhängigen Normenkontrollrat auf die büro-

kratischen Lasten „überprüfen“ zu lassen.

Die Herausforderungen

Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise droht die Akzeptanz für die soziale Markt-

wirtschaft weiter abzunehmen. Eine länger anhaltende Krise muss verhindert werden,

um den sozialen Frieden zu erhalten.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise brachte 2008/2009 einen Dammbruch bei Eingriffen

des Staates (Enteignung, Staatshilfen) mit sich. Die resultierenden Staatsschulden en-

gen den Handlungsspielraum auf Jahre hinaus ein.

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Der Druck von Teilen der Politik und Gesellschaft auf einen Umbau hin zu einer grünen bzw. ökologisch-sozialen Marktwirtschaft mit dirigistischen Elementen nimmt zu.

Auch von Seiten der EU sind zusätzliche Initiativen zur Beschränkung von Märkten und

Wettbewerb zu erwarten. Die EU-Industriepolitik soll am Leitbild einer „low carbon eco-

nomy“ ausgerichtet werden, und Initiativen wie „Sustainable Consumption and Produc-

tion“ (SCP) greifen massiv in die Konsumentenfreiheit ein.

Das Ziel für 2020

Deutschland verfügt über eine stabile und funktionsfähige soziale Marktwirtschaft.

Die Finanzmärkte sind national und international angemessen reguliert und stabil.

Alle Akteure orientieren sich am Leitbild der 3 Säulen der Nachhaltigkeit – ökonomisch,

ökologisch und sozial.

Der Staat agiert als Rahmensetzer, der für das Zustandekommen von Wettbewerb

sorgt, und betätigt sich nicht selbst als Unternehmer. Er schafft verlässliche Rahmen-

bedingungen, die langfristige Investitionen ermöglichen.

Die Rolle des Privateigentums, der Vertragsfreiheit und des eigenverantwortlichen Han-

dels werden gestärkt.

Zur Begrenzung von Marktversagen setzt der Staat wenige, aber klare und wirksame

Regeln. Notwendige Regulierungen sind so ausgestaltet, dass sie ihre Ziele mit den ge-

ringsten Kosten erreichen.

Unternehmen, Unternehmer und Manager übernehmen im Rahmen guter Unterneh-

mensführung unternehmerische, gesellschaftliche und ökologische Verantwortung.

In der Bevölkerung wächst das Bewusstsein um die Stärken und Vorteile der sozialen

Marktwirtschaft. Sie hat gute Kenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge.

Der gemeinsame Weg

Deutschland setzt sich in Europa und den G20 Staaten nachdrücklich für eine stärkere

Regulierung der internationalen Finanzmärkte ein, die eine krisenfeste Finanzierung der

Industrie sicherstellt. (Politik)

Unternehmen, Unternehmer und Manager treten mit der Öffentlichkeit in einen Dialog,

um Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft zurückzugewinnen. (Industrie)

Initiativen zur Stärkung der sozialen Marktwirtschaft werden gestärkt. (Industrie)

Die Wirtschaft gestaltet das Leitbild der Nachhaltigkeit aktiv mit. (Politik, Industrie)

In Deutschland werden nicht nur die bürokratischen Kosten der Informationspflichten

gemessen und reduziert, sondern auch alle Folgekosten aus gesetzlichen Regelungen.

Das Standardkostenmodell und das Mandat des Normenkontrollrats sind entsprechend

zu erweitern. Die Lösungskompetenz der Industrie wird dabei genutzt. (Politik, Industrie)

Das bestehende EU-Regelwerk wird nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit über-

prüft und verschlankt. Vorbild ist der deutsche Bürokratieabbau. (Politik)

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Gesetzgebungsverfahren werden zum Beispiel durch Gesetzesfolgenabschätzungen,

verbessert, um ihren ökonomischen, ökologischen und sozialen Nutzen für das Indust-

rieland Deutschland zu steigern. (Politik)

Das Fach Wirtschaftskunde an Schulen wird ausgebaut und das Leitbild der sozialen

Marktwirtschaft darin stärker vermittelt. (Politik)

Die Wirtschaft unterstützt die Bildungspolitik darin, an Schulen die Vorteile der sozialen

Marktwirtschaft zu vermitteln. (Industrie – Unternehmen und Verbände)

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Nachhaltige Sicherung der Energieversorgung, nachhaltiger Klimaschutz und nachhalti-

ge Steigerung der Energieeffizienz

Die Diagnose

Die Industrie ist auf eine sichere Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Preisen

angewiesen. Industrielle Produktion ist in vielen Bereichen naturgemäß mit einem ho-

hen Energiebedarf verbunden (in Deutschland 82 Mio. t SKE jährlich). Damit ist Energie

für die Unternehmen ein wesentlicher Kosten- und Wettbewerbsfaktor. Das gilt insbe-

sondere für die besonders energieintensive Chemieindustrie.

Die deutsche Energieversorgung beruht vor allem auf endlichen Energieträgern. Diese

werden langfristig knapper und teurer. Die deutsche Energieversorgung ist stark im-

portabhängig: Rund 80 Prozent der in Deutschland verbrauchten Primärenergie (Erdöl,

Erdgas, Uran, Steinkohle) stammt aus dem Ausland. Der Atomausstieg ist beschlossen.

Obwohl die Energieträger auf dem Weltmarkt eingekauft werden, ist Energie in

Deutschland im Vergleich zu wichtigen Wettbewerbern teuer. Das liegt vor allem an

staatlich verursachten Preisaufschlägen. Preistreibend auf die Energie wirken in

Deutschland die ehrgeizigen Klimaziele, eine inkohärente Energiepolitik (nicht abge-

stimmte Instrumente wie EEG und ETS, Ausbau der EE über EEG, EE-bedingte Investi-

tionen in die Infrastruktur, Energiesteuern) und der Kernenergieausstieg.

Beim Strom sorgt ein Angebotsoligopol bei der Stromerzeugung und dem daraus resul-

tierenden mangelnden Wettbewerb für weitere Preissteigerungen.

Deutschland ist Vorreiter im Klimaschutz: Seit 1990 wurden die Treibhausgas-

Emissionen um über 20 Prozent gesenkt.

Die Industrieproduktion in Deutschland ist im internationalen Vergleich besonders CO2-

effizient. Die Wirtschaftsleistung in Relation zum Energieverbrauch liegt über EU-

Durchschnitt und weit über den Werten der USA oder Russlands. Die deutsche Indust-

rie hat erhebliche Anstrengungen zur Steigerung der Energieeffizienz unternommen -

Ihr spezifischer Energieverbrauch sank zwischen 1990 und 2005 um 19 Prozent.

Die Chemieindustrie hat seit 1990 ihren spezifischen Energieverbrauch sogar nahezu

halbiert. Sie hat ihre Selbstverpflichtung zur Reduktion energiebedingter CO2-

Emissionen und des spezifischen Energieverbrauchs eingehalten.

Die Lasten der Reduktion von Treibhausgasen sind international ungleich verteilt. Gro-

ße Emittenten beteiligen sich bisher gar nicht an Klimaschutzmaßnahmen bzw. stellen

ihre Klimaschutzzielsetzung hinter wirtschaftliche Erwägungen. Dadurch haben sie ei-

nen Wettbewerbsvorteil gegenüber Deutschland.

Die deutsche Industrie - und speziell die Chemieindustrie - bietet bereits heute ein brei-

tes Spektrum an klimaschützenden Technologien. Ohne Industrieprodukte ist Klima-

schutz in keinem Bereich möglich. Die Produkte der deutschen Industrie leisten einen

unverzichtbaren Beitrag dazu, Energie in allen Lebensbereichen so sparsam und wirk-

sam wie möglich einzusetzen. Deutschlands Industrie stellt Energietechnologien auf

höchstem internationalem Niveau her und ist in vielen Bereichen Weltmarktführer.

In Teilen der Gesellschaft gibt es eine Ablehnung von Strom aus Kernenergie und Koh-

le. Hinzu kommt eine Skepsis gegenüber dem Ausbau der Netzinfrastruktur.

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Die Herausforderungen

Durch den Kernenergieausstieg und die Unsicherheiten in der künftigen Energie- und

Klimapolitik und den resultierenden Verzögerungen beim Bau von Neuanlagen droht in

Deutschland eine Strom-Versorgungslücke. Die Dena schätzt diese Lücke – trotz sin-

kendem Stromverbrauch - auf 11.700 MW.

Der internationale Wettbewerb um energetische Rohstoffe gewinnt an Schärfe. Wenn-

gleich bisher Deutschland nicht betroffen war, sind Lieferungen (z. B. beim Gas) an ein-

zelne EU-Staaten unsicherer geworden. Die strategische Handelspolitik einzelner Län-

der gefährdet (z. B. durch langfristige Lieferverträge) die Versorgung zusätzlich.

Ein funktionierender Wettbewerb auf dem Stromerzeugungsmarkt ist nicht absehbar.

Die Struktur des deutschen Stromerzeugungsmarktes mit einer geringen Zahl von An-

bietern wird durch Unternehmenszusammenschlüsse auch auf europäischer Ebene

fortgeführt.

Die Begrenzung des Klimawandels erfordert die Senkung des Ausstoßes von Treib-

hausgasen. Dabei ist Klimaschutz ist eine globale Aufgabe. Die Einbindung aller großen

Volkswirtschaften und Emittenten in die Stabilisierung des Weltklimas ist unerlässlich.

Die in internationalen Abkommen und europäischen bzw. nationalen Programmen fest-

gelegten Treibhausgasemissionsminderungen müssen mit den kosteneffizientesten

Maßnahmen erreicht werden.

Politische Vorgaben zum Klimaschutz aus der EU und von Seiten der Bundesregierung

setzen einen klaren Rahmen: Deutschland will bis 2020 die Treibhausgase um 30 oder

möglicherweise sogar um 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Bei der Zielsetzung

für die Zukunft ist man somit hierzulande ehrgeiziger als anderswo: Die EU hat bislang

nur ein Minderungsziel von 20 Prozent und möglicherweise 30 Prozent festgelegt, inso-

fern trägt Deutschland erneut den Löwenanteil der Minderung innerhalb Europas.

Die Strompreise in Deutschland werden durch den Zertifikatehandel voraussichtlich

stark steigen. Der Wettbewerbsnachteil der deutschen Industrie bei den Energiekosten

vergrößert sich.

Es ist absehbar, dass die Lasten der Reduktion von Treibhausgasen international wei-

terhin ungleich verteilt bleiben. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass die Stan-

dortentscheidungen der energieintensiven Industrie dadurch nicht beeinflusst werden.

Ein Carbon Leakage muss verhindert werden.

Erneuerbare Energie soll bis 2020 20 Prozent im Endenergieverbrauch ausmachen.

Dies macht im Strombereich zusätzlich erhebliche Investitionen in die Netzinfrastruktur

notwendig, um lokale Versorgungsengpässe zu vermeiden.

Bis 2020 soll die Energieeffizienz in der EU um 20 Prozent zunehmen. Sie muss daher

in vielen Bereichen gesteigert werden. Dabei muss ein Fokus auf die besonders kos-

teneffizienten Potenziale gelegt werden.

Auf die deutsche Industrie kommen erhebliche Anstrengungen und Kosten zu, um die

ehrgeizigen Emissionsminderungs- und Effizienzsteigerungsziele zu erfüllen. Gleichzei-

tig nehmen die Potenziale für Steigerungen der Energieproduktivität ab.

Der Vorsprung Deutschlands bei Energietechnologien schmilzt.

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Das Ziel für 2020:

Deutschland hat eine langfristige Energie- und Klimastrategie. Ziel der Strategie ist eine

sichere, wettbewerbsfähige und umweltfreundliche Energieversorgung.

Der Energiemix ist diskriminierungsfrei und ausgewogen. Er berücksichtigt verschiede-

ne Bezugsquellen unter Einschluss von Erneuerbaren Energien, Kernenergie und Koh-

le. Der deutsche Energieerzeugungsstandort ist attraktiv.

Die deutsche Industrie bezieht Energie zu international wettbewerbsfähigen Preisen.

Staatlich verursachte Energiepreiskomponenten sind auf ein international übliches Maß

reduziert. Unter einer größeren Zahl von Energieversorgern existiert ein Wettbewerb auf

dem Erzeugungsmarkt.

Der Treibhausgas-Ausstoß wird reduziert – in Deutschland, in Europa und weltweit. Das

EU-Klimaschutz-Ziel von -20 Prozent wird erreicht. Ehrgeizigere Ziele werden nur an-

genommen, wenn auch die anderen Staaten entsprechende Minderungsverpflichtungen

eingehen.

EU-Vorgaben zum Klimaschutz werden je nach Ausgang der internationalen Klimaver-

handlungen so gewählt, dass sie im globalen Vergleich nicht zu einer einseitigen Belas-

tung der EU-Wirtschaft werden. Deutschland gibt sich Klimaziele, die einem fairen EU-

internen Burding sharing entsprechen und darüber nicht hinausgehen.

Zur Erreichung des Ziels werden die kosteneffizientesten Maßnahmen, wie beispiels-

weise der Technologietransfer in Entwicklungs- und Schwellenländer, und neue wett-

bewerbsfähige Technologien eingesetzt. Alle relevanten Sektoren, vor allem auch der

Gebäude- und Transportbereich, die privaten Haushalte sowie die Landwirtschaft, leis-

ten ihren Beitrag – nicht nur die Industrie. Es gibt beim Klimaschutz keine technischen

Tabus (Kernenergie, CCS, weiße und grüne Biotechnologie).

Klimaschutzmaßnahmen erfolgen weltweit dort, wo es am ökonomischsten ist. Ein fai-

rer, globaler Emissionshandel, der die Wirtschaft in allen miteinander im Wettbewerb

stehenden Volkswirtschaften in vergleichbarer Weise erfasst, trägt hierzu bei.

Die energie- und klimapolitischen Instrumente sind aufeinander abgestimmt. Im We-

sentlichen werden nur ein Klimainstrument und ein FuE-Förderinstrument für die Ent-

wicklung neuer Technologien, nicht deren Anwendung, benötigt.

Deutschland ist Vorreiter bei wettbewerbsfähigen erneuerbaren Energien und Energie-

effizienztechnologien. Neue, wettbewerbsfähige Klimaschutztechnologien (Energieer-

zeugung, Energieeffizienz) sind marktreif.

Die Industrie schöpft ihre Klimaschutz-Potenziale bei der Produktion nach Kosteneffizi-

enz-Kriterien aus.

Um das Ziel der Umweltverträglichkeit zu erreichen, werden mehr öffentliche Mittel für

Forschung und Entwicklung bereit gestellt und die Energieeffizienz in allen Bereichen

wirtschaftlich erhöht.

Deutschland verfügt über zuverlässige und kosteneffiziente Energienetze, die ohne

Engpässe an den nationalen Grenzen in ein EU-Netzsystem integriert sind.

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Der gemeinsame Weg:

Deutschland entwickelt ein integriertes Energie- und Klimakonzept. Eine langfristig (auf

mehr als 10 Jahre) angelegte Energie- und Klimagesetzgebung erlaubt der Wirtschaft

wieder stärker, in energieeffiziente Technologien zu investieren. (Politik, Industrie)

Die bestehenden energie- und klimaschutzpolitischen Instrumente werden überprüft und

aufeinander abgestimmt. Bei fortbestehenden Instrumenten werden Belastungsbegren-

zungen für die Industrie beibehalten, Belastungen weiter abgebaut und zusätzliche

staatliche Belastungen vermieden. (Politik)

Schaffung eines globalen Emissionshandels unter Einbeziehung aller miteinander im

Wettbewerb stehenden Volkswirtschaften mit level playing field. Bis dahin Anerkennung

der Chemie als exposed sector im EU-Emissionshandel. Die von der EU-Kommission in

der Richtlinie zum Emissionshandel vorgesehene optionale Belastungsbegrenzung für

energieintensive Industrien wird von der Bundesregierung weitestgehend ausgeschöpft.

(EU, Bundesregierung)

Verzerrungsarme Förderung CO2-sparender Technologien (Bau, Mobilität) und der

Steigerung der Energieeffizienz nach ökonomischen Kriterien. Die EEG-Förderung wird

zeitlich begrenzt, die erneuerbare Energieerzeugung zügiger als bisher an den Markt

herangeführt oder aus der Förderung genommen. (Politik)

Die Forschung wird intensiviert mit der Zielsetzung, weitere Vermeidungspotenziale zu

erschließen und kostengünstige Anpassungspotenziale zu ermitteln. Die Energiefor-

schung für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz wird deutlich ausgebaut. (Indust-

rie, Politik)

Energiebezugsquellen und -routen werden diversifiziert. Der Kernenergieausstieg wird

neu geregelt, Laufzeiten werden verlängert. Dabei ist die Endlagerproblematik politisch

zu lösen. (Politik).

Deutschland unterstützt die EU-Handelspolitik dabei, den Zugang zu den Weltrohstoff-

märkten zu verbessern. (Politik EU)

Der Wettbewerb auf den Strom- und Gasmärkten wird verbessert. (Politik EU, D). Nati-

onale industriepolitische Eingriffe (z. B. Schaffung nationaler Champions) werden von

Deutschland bzw. der EU deutlicher kritisiert bzw. geahndet. (Politik EU)

Die Energienetze werden ausgebaut. (Bund, Länder) Die Integration der EU-

Energiemärkte wird vorangetrieben. (EU)

Notwendigkeiten einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung für die Industrie

werden gegenüber der Bevölkerung dargestellt. Hierzu wird die Aufklärungsarbeit über

energiepolitische Zusammenhänge verstärkt, um die Akzeptanz in der Bevölkerung für

neue Erzeugungsstrukturen zu erhöhen. (Politik, Industrie, Stakeholder)

Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit bzgl. Sicherheitsforschung und Kernenergie. (Politik, Un-

ternehmen)

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Nachhaltige Sicherung der Rohstoffversorgung und Steigerung der Rohstoffeffizienz:

Die Diagnose

Die deutsche Industrie nutzt mineralische, nicht-mineralische und nachwachsende Roh-

stoffe. Ein erheblicher Teil der deutschen Primärrohstoffe wird importiert. Ein Teil der

Importe wiederum kommt aus Staaten, die keine sichere Versorgung garantieren.

Die chemische Industrie setzt in der organischen Chemieproduktion zu 90 Prozent fos-

sile Rohstoffe und zu ca. 10 Prozent nachwachsende Rohstoffe ein. Hinzu kommt der

Einsatz mineralischer Rohstoffe.

Einige Staaten schränken den Zugang zu ihren Rohstoffen ein, z. B. durch Exportsteu-

ern oder -quoten. Hiervon ist bei mineralischen Rohstoffen auch die Chemie betroffen.

Bei der Versorgung ihrer chemischen Industrie mit fossilen Rohstoffen haben insbeson-

dere die Erdölförderländer im Mittleren Osten erhebliche Kostenvorteile. Durch unfaire

Praktiken (double pricing) werden diese Vorteile verschärft.

Bei nachwachsenden Rohstoffen behindert die EU-Agrarpolitik den Bezug einiger Roh-

stoffe vom Weltmarkt.

Die staatliche Förderung der energetischen Nutzung nachwachsender Rohstoffe ver-

teuert künstlich den stofflichen Einsatz dieser Rohstoffe.

Die Herausforderungen

Der Rohstoffhunger der Emerging Markets wächst mit ihrer Industrialisierung und ihrer

wachsenden Bevölkerung weiter, während die Erschließung neuer Rohstoffquellen im-

mer teurer wird. Steigende Nachfrage bei langsamer wachsendem und teurerem Ange-

bot führt zu steigenden Rohstoffpreisen.

Deutschland und Europa werden aufgrund ihrer begrenzten Flächenverfügbarkeit auch

in einer verstärkt „biomassebasierten Ökonomie“ in erheblichem Maße von Rohstoffim-

porten abhängig bleiben. Andere Regionen (Asien, Südamerika) haben deutliche

Standortvorteile bei der Produktion nachwachsender Rohstoffe: Große Agrarflächen

und klimatische Bedingungen, die mehrere Vegetationsperioden im Jahr ermöglichen.

Bei alternativen nachwachsenden Rohstoffen für die chemische Industrie vergrößert

sich das Problem der Nutzungskonkurrenz zum energetischen / treibstofflichen Einsatz

(aus Klimaschutzgründen) sowie zum Nahrungseinsatz (aufgrund des Bevölkerungs-

wachstums und veränderter Ernährungsgewohnheiten).

Rohstoffreiche Länder nutzen ihre Rohstoffausstattung zur Industrialisierung, indem sie

durch staatliche Eingriffe verzerrend und diskriminierend in den Handel eingreifen.

Aufgrund unzureichender internationaler Regeln greifen Schwellenländer, z. B. China,

zur Verbesserung ihres Zugangs zu Rohstoffen zunehmend auf eine strategische Han-

dels- und Entwicklungspolitik zurück, die den Zugang traditioneller Industriestaaten zu

Ressourcen erschweren können.

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Das Ziel für 2020:

Deutschland hat eine sichere Rohstoffversorgung zu international wettbewerbsfähigen

Preisen.

Es gibt einen neuen Rohstoffmix, der sich nach ökonomischen Kriterien aus minerali-

schen und fossilen Rohstoffen und der verstärkten Nutzung von Sekundärrohstoffen

und nachwachsenden Rohstoffen zusammensetzt.

Die deutsche Industrie erhält ihre im internationalen Vergleich hohe Ressourceneffizi-

enz und ist führend bei der Entwicklung ressourceneffizienter Technologien.

Die Anschubförderung des Einsatzes nachwachsender Rohstoffe erfolgt diskriminie-

rungsfrei zwischen stofflicher und energetischer Verwendung und ist technologieoffen.

Im energetischen wie im stofflichen Bereich steht die Nutzung im Einklang mit den Ge-

sichtspunkten der Nachhaltigkeit. Dies betrifft die ökologischen Folgen des Anbaus

(Schutz des Regenwaldes etc.) ebenso wie die Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von

Nahrungsmitteln in Entwicklungsländern (Preise für Grundnahrungsmittel).

Es gibt internationale Handelsregeln, die ein level playing field auf den internationalen

Märkten für Rohstoffe und Folgeprodukte herbeiführen.

Internationale Standards bringen Rohstoffbedarf und Umweltschutz besser in Einklang.

Der gemeinsame Weg:

Deutschland entwickelt eine Rohstoffstrategie, die EU entwickelt ihre Rohstoffstrategie

weiter. (Politik in D und EU)

Es gibt verstärkte Investitionen in die Forschung und Entwicklung für die Produktion und

wirtschaftliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Dabei werden ökonomische Krite-

rien, Umweltbelastung und soziale Auswirkungen verschiedener Produkte und Herstel-

lungsverfahren gegeneinander abgewogen. (Industrie, Politik)

o Forschung zu industrieller Biotechnologie, um nachwachsende Rohstoffe nutz-

bar zu machen.

o Forschung zu Pflanzenbiotechnologie, um mehr nachwachsende Rohstoffe mit

maßgeschneiderten Eigenschaften bereitzustellen und Nutzungskonkurrenzen

zu verringern.

o Gezielter Abbau politischer und regulativer Hemmnisse bei der Nutzung bio- und

gentechnischer Produkte und Verfahren in der EU und Deutschland.

Die Zulassung biotechnologisch und gentechnisch verbesserter Organismen für die

kommerzielle Nutzung erfolgt ausschließlich nach international anerkannten wissen-

schaftlichen Maßstäben. Ist ein Produkt aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnis als si-

cher für Mensch und Umwelt zu bewerten, wird es zeitnah zugelassen. Die gesellschaft-

liche Akzeptanz der Biotechnologie ist eine wichtige Voraussetzung, die Chancen nut-

zen zu können. Ein entsprechender gesellschaftlicher Dialog wird gefördert. (Politik)

Durch technischen Fortschritt erhöhen die Unternehmen weiterhin unter Kostenge-

sichtspunkten ihre Ressourceneffizienz. (Unternehmen)

Verhandlungen der WTO führen dazu, dass bessere Handelsregeln verzerrende Maß-

nahmen (Exportsteuern, Double Pricing) untersagen. Die EU und Deutschland setzen

ihre Handels- und Entwicklungspolitik strategisch ein, um Nachteilen der EU-Industrie

beim Zugang zu Rohstoffen zu begegnen. (Politik EU, Deutschland)

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Nachhaltiger Umwelt- und Verbraucherschutz, wettbewerbsfähige Regulierungen und

wissenschaftlich fundiertes Risikomanagement

Die Diagnose

Deutschland ist führend bei Umweltschutztechnologien. Technologien zum Schutz der

Umwelt werden dabei quer durch alle wichtige Branchen entwickelt - und nicht nur in ei-

nigen wenigen Segmenten.

Gerade die chemische Industrie trägt mit ihren Produkten und Technologien wesentlich

zum Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutz bei. Dennoch bringt die Gesellschaft die

chemische Industrie überdurchschnittlich mit Umweltrisiken in Verbindung.

Es gibt umfassende gesetzliche Regelungen in allen Bereichen, wie z. B. Verwen-

dungsbeschränkungen bestimmter Stoffe, zu Emissionen in Wasser, Boden und Luft,

zur Anlagensicherheit, Abfall, Pflanzenschutzmitteln, Biozidprodukten, Wasch- und Rei-

nigungsmitteln, Kosmetikprodukte, Lebensmittel- und Bedarfsgegenstände.

Deutschland hat alle internationalen Abkommen, die sich mit gefährlichen Stoffen be-

fassen, ratifiziert und in nationales Recht umgesetzt.

Die Einhaltung der Umweltvorschriften wird in Deutschland stringent überwacht. Dies ist

in etlichen anderen EU-Mitgliedstaaten noch nicht der Fall. Außerdem wird häufig bei

der Umsetzung europäischer Umwelt- und Verbraucherschutzvorschriften in deutsches

Recht über die Vorgaben der EU hinausgegangen. Europaweit besteht so oft kein level

playing field mit einheitlich hohes Umweltschutzniveau, was in Wettbewerbsnachteilen

für Produktionsstandorte in Deutschland resultiert.

Die Sensibilisierung der Bevölkerung für Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz ist

hoch. Der Lebensstil in Teilen der Bevölkerung wandelt sich hin zu mehr Ökologie.

Die chemische Industrie ist sich ihrer hohen Verantwortung zum Schutz der Umwelt

bewusst. Daher investieren die Unternehmen in den Umweltschutz und engagieren sich

über die gesetzlichen Vorgaben hinaus in zahlreichen freiwilligen Initiativen, wie

Responsible Care und der Global Product Strategy des Weltchemieverbandes ICCA.

Ergebnis der Anstrengungen in Industrie, Politik und Gesellschaft ist, dass die Umwelt-

situation in Deutschland heute die beste seit Ende des 19. Jahrhunderts ist – beispiels-

weise im Hinblick auf die Sauberkeit von Gewässern, Luft und Boden. Trotz der bereits

hohen Regelungsdichte in Deutschland und Europa und der im weltweiten Vergleich

höchsten Standards im Gesundheits- und Umweltschutz wird sowohl auf EU- als auch

auf nationaler Ebene weiter an neuen Vorschriften gearbeitet bzw. bestehende Vor-

schriften weiter verschärft.

Die Herausforderungen

Die Sensibilisierung der Bevölkerung für Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz nimmt

weiter zu.

Es besteht die Gefahr, dass zusätzliche Regelungen im Bereich Klima-, Umwelt- und

Verbraucherschutz die bereits vorhandene Überregulierung weiter verschärfen.

Es gibt Bestrebungen, durch eine umfassende ökologische Industriepolitik die deutsche

Industrie einseitig ökologisch auszurichten, ohne die Maßnahmen auf ihre Verträglich-

keit in Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu überprüfen.

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Bestehende Vollzugsdefizite bei der Umsetzung von EU-Vorschriften in den Mitglied-

staaten sollen durch zusätzliche und noch detailliertere Regelungen behoben werden,

statt für die einheitliche Durchsetzung bestehender Vorschriften zu sorgen.

Nachhaltiger Konsum soll auf dem Verordnungsweg (Eco-Labelling, Eco-Design)

durchgesetzt werden. Hierdurch werden unternehmerische Freiheit, Kreativität bei der

Bewältigung der Herausforderungen und die Konsumentensouveränität eingeschränkt

und die soziale Marktwirtschaft geschwächt.

Das Niveau der Umwelt- und Verbraucherschutzvorschriften sowie der Produktsicher-

heit bleibt weltweit unterschiedlich – Umwelt und Verbraucherschutz sind dadurch nicht

für alle Verbraucher gleichermaßen gewährleistet. Das belastet auch die Wettbewerbs-

fähigkeit der deutschen Industrie.

Die Einführung systemfremder Rechtsstrukturen wie „Sammelklagen“, „Private Law En-

forcement“, „Strafschadensersatz“ usw. drohen bewährte Rechtsordnungen in Konti-

nentaleuropa zu unterlaufen.

Das Ziel für 2020:

Es gibt ein breites Verständnis über wirtschaftliche Zusammenhänge und eine Balance

zwischen Umwelt- und Verbraucherinteressen und wirtschaftlichen Interessen in der

Bevölkerung.

Die deutsche und europäische Wirtschafts-, Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik rich-

tet sich an den drei Säulen der Nachhaltigkeit aus: ökonomische, ökologische und sozi-

ale Nachhaltigkeit.

Es gibt wirksame, mit der sozialen Marktwirtschaft konforme Regeln, wo sie nötig sind,

und keine Regeln, wo sie überflüssig sind. Das bestehende Regelwerk ist dahingehend

überprüft worden.

Die Regeln sind so ausgestaltet, dass sie ihre Ziele mit den geringsten ökonomischen

Kosten erreichen. Die Ergebnisse von Gesetzesfolgenabschätzungen werden bei der

Gesetzgebung entsprechend berücksichtigt.

Die möglichst einheitliche Umsetzung und Überwachung von EU-Vorschriften und damit

ein verlässlicher Umwelt- und Verbraucherschutz in den Mitgliedstaaten ist gewährleis-

tet.

Die gravierenden Unterschiede zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungslän-

dern im Umwelt- und Verbraucherschutz wurden verringert.

Der gemeinsame Weg:

Die Politik in Deutschland und in der EU verfolgt eine marktwirtschaftliche orientierte

Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik. Sie bindet hierzu die Stakeholder ein und zieht

Gesetzesfolgenabschätzungen heran. (Politik in D, EU)

Die Unternehmen fördern ein nachhaltiges Wirtschaften, nehmen ihre Produktverant-

wortung wahr und verbessern weiter den Umwelt-, Klima- und Verbraucherschutz. Hier-

zu dient auch die Weiterentwicklung der internationalen Responsible Care-Initiative der

chemischen Industrie. (Unternehmen)

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Gemeinsam setzen sich Politik und Industrie für weltweit angeglichene hohe Standards

ein (z. B. im Rahmen von SAICM und GPS). (Politik, Industrie)

Deutschland ist der Anwalt einer nachhaltigen Industrie-, Umwelt- und Verbraucher-

schutzpolitik in Brüssel. (Politik D)

Die Politik verzichtet auf Regelungen, die nicht marktkonform sind und einzelne Techno-

logien selektiv bevorzugen. (Politik D, EU)

Die möglichst einheitliche Umsetzung und Einhaltung von europäischen Regelungen in

den Mitgliedstaaten wird mit Nachdruck verfolgt. Die Kompensation bestehender Voll-

zugsdefizite durch neue und immer detailliertere Regelungen wird aufgegeben. (Politik

in EU, D)

Verstärktes Engagement im internationalen Wettbewerb der Rechtsordnungen, z. B.

durch Unterstützung der Kampagne „Law – made in Germany“. (Politik)

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Stärkung des Forschungs- und Innovationsstandorts

Die Diagnose:

Deutschland ist ein Forschungsland. Bei den absoluten Aufwendungen für Forschung

und Entwicklung (FuE) liegt es europaweit auf Platz 1, der Anteil der FuE-

Aufwendungen am BIP liegt über dem EU-Durchschnitt.

Allerdings werden nur 2,55 Prozent des deutschen BIP für FuE aufgewendet, das 3-

Prozentziel der EU wird verfehlt. Während der Anteil der privaten FuE in den letzen Jah-

ren zugenommen hat, stagniert der Anteil öffentlicher FuE-Ausgaben.

90 Prozent der privaten deutschen FuE-Aufwendungen kommen aus der Industrie.

Die deutsche Chemie ist der wichtigste Innovationsmotor der deutschen Industrie. Sie

tätigt 17 Prozent der gesamten FuE-Aufwendungen der deutschen Industrie.

Der Forschungsstandort Deutschland ist stark wegen seiner innovativen Unternehmen

und leistungsfähigen Infrastrukturen (Forschungsinstitute, Netzwerke).

Schwächen hat das Industrieland Deutschland v. a. bei der Umsetzung von For-

schungsergebnissen in Innovationen in einzelnen Technologiefeldern und bei der Fi-

nanzierung von innovativen Start-ups.

In vielen anderen europäischen Ländern gibt es im Gegensatz zu Deutschland steuerli-

che Rahmenbedingungen, die gezielt Anreize für mehr Anstrengungen in FuE setzen.

Das europäische Patentwesen ist nicht ausreichend wettbewerbsfähig.

Der unzureichende Schutz geistigen Eigentums in Drittländern führt zu Produktpiraterie.

In Deutschland besteht breite Skepsis gegenüber einzelnen neuen Technologien, z. B.

gegenüber der Pflanzenbiotechnologie und der Nanotechnologie, wodurch die Gefahr

besteht, dass Innovationen behindert werden. Andere Gesellschaften stehen dem Ein-

satz neuer Technologien aufgeschlossener gegenüber.

Die Herausforderungen:

Zukunftsherausforderungen wie Energieversorgung, Klimaschutz, Gesundheit oder Er-

nährung lassen sich nur mit deutlich mehr Forschungsanstrengungen und schnelleren

Genehmigungsverfahren bei gleichbleibend hohen Sicherheitsstandards bewältigen.

Viele asiatische Schwellenländer investieren beträchtlich in FuE und haben hohe Hoch-

schulabsolventenzahlen.

Andere Industrieländer haben die Herausforderungen der Wissensgesellschaft offensi-

ver angenommen. Sie investieren mehr in FuE und haben ihre Fördersysteme optimiert.

Der deutschen Forschung droht aufgrund der demographischen Entwicklung und der

beruflichen Präferenzen der Jugendlichen ein Nachwuchsmangel.

Das Ziel für 2020:

Deutschland ist eine dynamische Wissensgesellschaft und entwickelt sich weiter. Die

deutsche Industrie bleibt innovativ. Die deutsche Chemie bleibt ihr Innovationsmotor

und behauptet sich mit ihrer Kompetenz im internationalen Wettbewerb.

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Die FuE-Ausgaben liegen bei mindestens 3 Prozent des BIPs und werden entspre-

chend ausgebaut. Dabei gibt es einen gesunden Mix aus privaten und staatlichen Auf-

wendungen. Die Unternehmen steigern ihre FuE-Anstrengungen.

Der Staat hat FuE-stimulierende Rahmenbedingungen durch die Einführung einer steu-

erlichen Forschungsförderung gesetzt.

Der Staat hat bestehende Innovationshemmnisse beseitigt (z. B. bei der Pflanzenbio-

technologie) bzw. die Entstehung neuer Innovationshemmnisse vermieden (z. B. bei der

Nanotechnologie).

Der Anteil staatlicher FuE am BIP liegt bei 1 Prozent. Der Staat fördert die Grundlagen-

forschung in Themenfeldern, die langfristig volkswirtschaftlich Bedeutung erlangen kön-

nen, und unterstützt Forschungsfelder mit besonders hohem wissenschaftlich-

technologischen Risiko.

Die im internationalen Vergleich exzellente Forschungsinfrastruktur besteht fort. Es be-

steht eine enge internationale Verflechtung, ausländische Forscher finden einfacher den

Weg nach Deutschland, um hier berufstätig zu werden.

Die staatliche Forschungsförderung erfolgt ausschließlich nach Exzellenz-, Qualitäts-

und Leistungskriterien. Sie ist wettbewerbsorientiert und unbürokratisch.

Energie,- Klima- und Rohstoff- und Pharmaforschung sind gut ausgestatte Forschungs-

gebiete, in denen Staat und Wirtschaft kooperieren.

Die Forschungs- und Technologieförderung ist technologieoffen und stimuliert den

Wettbewerb der Lösungen.

Der gemeinsame Weg:

Die Forschungsausgaben und Innovationsanstrengungen nehmen zu. (Unternehmen)

Alle Unternehmen erhalten Anreize für FuE über eine steuerliche Forschungsförderung,

KMU und Großunternehmen. (Politik)

Der Staat erhöht sukzessive seine Forschungsausgaben. (Politik)

Die Energie-, Rohstoff-, Pharma- und Infrastrukturforschung wird spürbar ausgebaut,

die entsprechenden Rahmenbedingungen hierfür geschaffen. (Industrie, Politik)

Querschnittstechnologien wie Nano- und Biotechnologie werden gefördert, Innovations-

hemmnisse werden abgebaut, neue Hemmnisse vermieden. (Politik)

Politik, Unternehmen und Wissenschaft arbeiten daran, das Vertrauen der Bevölkerung

in Innovationen und neue Technologien zu stärken. Sie treten hierzu in einen gesell-

schaftlichen Dialog über Nutzen und Risiken neuer Technologien.

Der Prozess von der Forschung zum Produkt wird beschleunigt. (Politik, Unternehmen)

Ausländische Forschungs-Fachkräfte können leichter eingestellt werden. (Politik)

Europaweit wird ein einheitliches Patentgerichtssystem und ein Gemeinschaftspatent

geschaffen. (Politik – EU, D)

Der Schutz geistigen Eigentums wird international vorangetrieben. (Politik EU, D)

Technikspezifische Beschränkungen des Patentschutzes unterbleiben. (Politik EU, D)

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Verbesserung des Bildungssystems und des Zugangs zu qualifizierten Mitarbeitern

Die Diagnose:

Das deutsche Bildungs- und Ausbildungssystem gehört zu den besten der Welt. Aller-

dings ist die gute Position in Gefahr.

Im Industrieland Deutschland werden 5,1 Prozent des BIP für Bildung ausgegeben. Das

ist weniger als der OECD-Durchschnitt.

Es gibt in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrie- und auch Schwellenländern

zu wenig Hochschulabsolventen in den MINT-Fächern (2 auf 1000 Beschäftigte).

Deutschland wies zuletzt TIMS-Testergebnisse (mathematische und naturwissenschaft-

liche Leistungen von Schülern) im internationalen Mittelfeld sowie – bei den Naturwis-

senschaften - im Vergleich zu den Vorjahren etwas bessere PISA-Testergebnisse aus.

Schwache Testergebnisse erzielten vor allem Schüler mit Migrationshintergrund.

Die Umstellung der Hochschulstudiengänge auf das zweistufige Bachelor-/Master-

System ist noch nicht durchgängig gelungen.

Junge Menschen und hier insbesondere Mädchen haben ein relativ geringes Interesse

an Kenntnissen über wirtschaftliche Zusammenhänge und industrielle Aktivitäten.

Die Herausforderungen:

Aufgrund seiner Rohstoffarmut sind Deutschland und die deutsche Industrie auf gut

ausgebildete Arbeitskräfte angewiesen.

Die globalen Herausforderungen erfordern mehr Innovationsanstrengungen. Um diese

ausbauen zu können, müssen die Unternehmen und Forschungsinstitute auf ausrei-

chend viele und qualifizierte Fachkräfte zurückgreifen können.

Der demographische Wandel führt zu kleiner werdenden Jahrgängen und folglich zu ei-

nem Rückgang der Absolventenzahlen an Schulen und Hochschulen. Die Zahl der Per-

sonen unter 20 Jahren sinkt bis 2020 um voraussichtlich 3 Millionen Menschen, ebenso

die der 20- bis 60-jährigen (Stat. Bundesamt). Die Zahl älterer Menschen in Deutsch-

land nimmt im gleichen Zeitraum zu.

Haushaltzwänge dürfen nicht zu verminderter Qualität der Studiengänge und zu fiska-

lisch begründeten Übergangsquoten von einem Bachelor-Studiengang in einen Master-

Studiengang führen. Den Hochschulen ist von den Landesregierungen eine möglichst

große Autonomie zu gewähren.

Die MINT-Fächer an den Schulen haben ein Imageproblem und gelten als schwer zu

bewältigen. Es gibt zu wenig an diesen Fächern interessierte Schüler.

Das Bildungsniveau in den Schwellenländern steigt.

Das Ziel für 2020:

Die Industrie hat Zugang zu qualifizierten Mitarbeitern in ausreichender Zahl, die benö-

tigt werden, um neue Produkte und innovative Verfahren zu entwickeln und zu produ-

zieren und somit die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Qualifizierte Beschäftigte sind

das Rückgrat, um sich erfolgreich den Zukunftsherausforderungen zu stellen.

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Die schulischen Leistungen in Deutschland nähern sich der Weltspitze an.

Die Anzahl und der Anteil der MINT-Absolventen steigen wieder. Hierzu sind auch mehr

Hochschul- und Fachhochschulabsolventen mit Migrationshintergrund erforderlich.

Die Hochschulstudiengänge müssen allen interessierten und qualifizierten jungen Men-

schen eine akademische Ausbildung auf international hohem Niveau erlauben.

Die berufliche Bildung vermittelt moderne Ausbildungsinhalte und schafft die Grundlage

für die Beschäftigungsfähigkeit der Jugendlichen.

Ältere Arbeitskräfte nehmen erfolgreich an Produktions- und Innovationsprozessen teil.

Fachkräfte sind innerhalb der EU und darüber hinaus mobil. Die Mobilität von Fachkräf-

ten wird durch das Erlernen von Sprachen erhöht.

Die Bevölkerung hat ein besseres Verständnis für wirtschaftliche und technisch-

wissenschaftliche Zusammenhänge.

Der gemeinsame Weg:

Die Bildungsausgaben für die Schulen werden schrittweise erhöht. (Politik)

Die Einführung bundesweiter Bildungsstandards und des Zentralabiturs auf Landesebe-

ne ist erfolgt. (Politik)

Die Schulbildung wird stärker auf die MINT-Fächer ausgerichtet, um mehr Nachwuchs

für die Forschung zu gewinnen. (Politik)

Die Qualität der Bildung in den MINT-Fächern wird erhöht. In den Schulen werden das

Interesse und die Neugier der Schüler an/auf die MINT-Fächer gefördert. Die Industrie

unterstützt die Schulen hierbei. (Politik, Industrie)

Die Vermittlung wirtschaftlicher Zusammenhänge im Schulunterricht wird ausgebaut

und verbessert. Die Industrie unterstützt die Schulen hierbei. (Politik, Industrie)

Die Hochschulen werden autonomer, der Wettbewerb unter den Hochschulen wird wei-

ter stimuliert. (Politik)

Die Industrie unternimmt nachhaltige Anstrengungen, das Ausbildungsplatzangebot hoch zu halten. Sie orientiert sich dabei an ihrem absehbaren Bedarf und zieht auch die demografische Entwicklung ins Kalkül. (Unternehmen)

Dem demografischen Wandel wird mit der Förderung älterer Mitarbeiter durch Unter-

nehmen und den Staat begegnet. (Unternehmen, Politik)

Durch erleichterten Zugang nach Deutschland wird der Einsatz ausländischer Fachkräf-

te, insbesondere aus Drittstaaten außerhalb der EU, ausgebaut. (Politik)

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Freier Welthandel in einer nachhaltigen Weltwirtschaftsordnung:

Die Diagnose

Das Industrieland Deutschland ist mit Exporten im Wert von 963 Mrd. Euro Weltmeister

beim Warenexport. 87 Prozent der deutschen Exporte sind Waren. Allein die deutsche

Chemieindustrie exportierte 2008 Produkte im Wert von 140 Milliarden Euro.

In den letzten Jahrzehnten war die Globalisierung ein wichtiger Motor der Weltwirt-

schaft. Seit 1997 nahm der Welthandel jedes Jahr durchschnittlich um 5,5 Prozent zu,

deutlich mehr als das Welt-BIP.

Deutschland und die deutsche Chemie haben von dieser Entwicklung in besonderem

Maße profitiert. Hierzu trägt die Lage des Industrielands Deutschland im Herzen Euro-

pas, dem größten Markt der Welt bei. Seine Industrie ist eng mit seinen europäischen

Nachbarn verknüpft.

Deutschland ist eine sehr offene Volkswirtschaft. Gemeinsam mit seinen europäischen

Nachbarn hat Deutschland einen integrierten Binnenmarkt und ist Mitglied im Euro-

Raum. Nach außen sind die europäischen Industriezölle niedrig. Der europäische Ag-

rarsektor ist allerdings geschützt.

Dank der relativ offenen Märkte ist Deutschland nicht nur Exportweltmeister, sondern

kann – von Ausnahmen im Agrarbereich abgesehen – die benötigten Rohstoffe und

Vorprodukte importieren.

Die Kompetenzen der Handelspolitik liegen bei der EU. Deutschland bestimmt die EU-

Handelspolitik mit.

Die WTO regelt wichtige Bereiche des internationalen Handels. Es gibt aber erhebliche

Lücken im Regelwerk, z. B. für Exportsteuern und Subventionen.

Weltweit herrscht auf den Gütermärkten kein level playing field. Es gibt weiterhin höhere

Zölle auf Industriewaren in den Schwellenländern als in den Industrieländern. Nichtta-

rifäre Handelshemmnisse (NTBs) behindern den Handel ebenfalls. Viele Staaten behin-

dern die Ausfuhr von Rohstoffen.

Die Herausforderungen

Die Wirtschafts- und Finanzkrise erhöht den Druck auf Regierungen, sich protektionis-

tisch zu verhalten.

Nach Überwindung der Wirtschaftskrise werden sich die Globalisierung und der Aufhol-

und Industrialisierungsprozess der Schwellenländer fortsetzen. Dieser Prozess ist zu

begrüßen. Es besteht aber die Gefahr, dass die Zölle der Schwellenländer nicht in dem

Maße sinken, wie ihre Bedeutung und Wettbewerbsfähigkeit zunimmt.

Die WTO-Verhandlungen haben aufgrund ihrer gestiegenen Komplexität – mehr Teil-

nehmer, mehr Themen – an Effizienz verloren. Eine Neujustierung der WTO-Geometrie

ist erforderlich.

Infolge der strategischen Handelspolitik einiger Schwellenländer droht sich der Zugang

zu Rohstoffen zu verschlechtern.

Von bisher international schwach geregelten Bereichen wie den Finanzmärkten, Investi-

tionen oder fehlenden globalen Regeln zum Klimaschutz können Gefahren für die

Weltwirtschaft ausgehen.

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Das Ziel für 2020:

Es gibt deutlich geringere Industriezölle in Industrie- und Schwellenländern und weniger

nichttarifäre Handelshemmnisse.

Es gibt keine Chemiezölle mehr in allen wichtigen Produzentenländern einschließlich

China, Indien und Brasilien.

Die WTO hat effiziente Strukturen und erweiterte Kompetenzen. Alle wichtigen Volks-

wirtschaften sind WTO-Mitglieder.

Es gibt weltweit faire Handelsregeln. Die WTO und Freihandelsabkommen (FTA) haben

effiziente Regeln zu NTBs und effektive Streitschlichtungssysteme geschaffen. Die

Weltrohstoffmärkte sind liberalisiert. Ein weltweites Verbot von „double pricing“ und Ex-

portzöllen besteht.

Die G20 Länder verzichten auf strategische Handelspolitiken und verzerrende industrie-

politische Aktivitäten.

Die EU kann sich durch handelspolitische Schutzinstrumente gegen unfaire Praktiken

wehren.

Es gibt Freihandel und eine enge regulatorische Zusammenarbeit mit den USA.

Mit allen wichtigen Nachbarn hat die EU Partnerschaftsabkommen.

Es gibt funktionierende Regeln für den Weltfinanzmarkt und ein Weltklimaabkommen

mit globalem Emissionshandelssystem.

Es gibt ein internationales Abkommen zu Investitionen.

Der gemeinsame Weg:

Deutschland ist der Anwalt und der Motor offensiver handelspolitischer Industrieinteres-

sen in der EU. (Politik)

WTO-Verhandlungen (Politik):

o Abschluss der Doha-Runde mit Chemie-Sektorabkommen.

o Aufnahme neuer Verhandlungen, in denen die Schwellenländer ihrer gewach-

senen Verantwortung nachkommen.

FTA-Verhandlungen werden mit allen wichtigen Handelspartnern inklusive USA und Ja-

pan geführt. (Politik – D, EU)

In allen Freihandelsabkommen der EU werden WTOplus-Regelungen, darunter Regeln

gegen Exportsteuern und Double Pricing, vereinbart. (Politik)

Die handelspolitischen Schutzinstrumente der EU werden weiterentwickelt.

Die Exportfinanzierung wird durch die staatliche Außenwirtschaftsförderung sicherge-

stellt. (Politik)

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Optimierung und Modernisierung der Infrastruktur und des Verkehrs

Die Diagnose

Im internationalen Vergleich hat das Industrieland Deutschland eine sehr gute Infra-

struktur. Durch die Lage Deutschlands im Herzen Europas ist dies ein Standortvorteil

für die Industrie. Derzeit lebt Deutschland in Hinblick auf die Infrastruktur aber von der

Substanz. Deutlich wird dies z. B. an der zunehmenden Anzahl und Dauer von Staus im

Straßenverkehr. Damit wird der Standortvorteil wieder zunichte gemacht.

Auf Grund des steigenden Verkehrsaufkommens und durch erhebliche Transitverkehre

wird die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland erheblich belastet. Investitionen zum Er-

halt und Ausbau sind dringend notwendig. Jedoch sind die Bruttoanlageinvestitionen

des Staates seit ihrem Maximum im Jahr 2002 rückläufig. Insgesamt gibt es bei der

Verkehrsinfrastruktur eine Unterfinanzierung. Daneben bestehen in einigen Segmenten,

z. B. dem Straßenverkehr, Investitionsstaus.

Für die Chemie ist besonders wichtig, dass über Pipelines effiziente Verkehrswege ge-

schaffen und die Chemiecluster vernetzt bzw. funktionsfähig erhalten werden.

Infrastrukturen sind oft natürliche Monopole, die der intelligenten Regulierung oder der

öffentlichen Bereitstellung bedürfen. Die Bundesnetzagentur arbeitet recht erfolgreich,

dennoch ist der Wettbewerb z. T. eingeschränkt.

In Deutschland gibt es langwierige Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte.

Bei einzelnen Infrastrukturprojekten gibt es Akzeptanzprobleme (Kraftwerke, Stromnet-

ze, Flughäfen, Pipelines, Wasserstraßen) vor allem bei den direkt Betroffenen. Dabei

weiß die Bevölkerung, dass eine gute Infrastruktur ein wichtiger Standortfaktor ist.

Bei Pipelines fehlt oftmals die Unterstützung durch Behörden und Politik, obwohl Pipe-

lines neben den wirtschaftlichen Vorteilen auch ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit, Si-

cherheit und Umweltfreundlichkeit gewährleisten.

Die Herausforderungen

Schwellenländer, z. B. die Golfstaaten und China, bauen ihre Infrastruktur schnell und

massiv aus.

Die Prognosen für die Entwicklung des Güterverkehrs machen eine verbesserte und an

die Zukunftsentwicklung angepasste, erweiterte und modernisierte Verkehrsinfrastruktur

notwendig.

Aufgrund der Lage der öffentlichen Haushalte und von Protesten gegen Einzelvorhaben

droht ein schleichender Verfall der guten Infrastruktur in Deutschland.

Neue Technologien erfordern zusätzlich eine bedarfsgerechte Infrastruktur. So müssen

z. B. Stromnetze zum Ausbau der erneuerbaren Energien (offshore) aus- bzw. umge-

baut werden. Der technische Fortschritt im Bereich der Informations- und Telekommuni-

kationstechnologie erfordert ebenfalls neue Investitionen.

Die dichte Besiedlung führt bei Neu- und Ausbauplänen zu Zielkonflikten mit Natur-

schutz, Lärmschutz etc. und bringt weiter zunehmende Akzeptanzprobleme bei den An-

wohnern mit sich.

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Das Ziel für 2020:

Deutschland hat Infrastrukturen, die angemessene und wettbewerbsfähige Energie-,

Logistik- und Kommunikationskosten sicherstellen und Voraussetzung für eine klima-

und umweltfreundliche Nutzung sind. Diese werden durch Optimierung und kontinuierli-

che Modernisierung und Erweiterung erhalten und ausgebaut. Investitionen werden ge-

tätigt und notwendige Maßnahmen zum Ausbau von Straßen, Schienen- und Wasser-

wegen zügig umgesetzt.

Gerade für die globale Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes ist die infrastrukturelle

Vorbereitung zum Ausbau der Nutzung von multimodalen Verkehrsträgern wichtig; die

Seehafen-Hinterlandverbindungen müssen gesichert sein.

Intelligente Verkehrssysteme (Telematik, Verkehrsmanagementlösungen) tragen zu ei-

ner effizienten Nutzung der Infrastruktur sowie zu optimalen Transportprozessen bei

und sind damit Grundlage für eine nachhaltige Mobilität (sauber, sicher, staufrei).

Chemiecluster sind, wo es ökonomisch geboten ist, national und europaweit z. B. durch

Pipelines vernetzt.

Für eine bessere Versorgungssicherheit und geringere Logistikkosten sind die europäi-

sche Energie- (Strom, Gas) und Verkehrsnetze integriert.

Planungs- und Genehmigungsverfahren von Verkehrsprojekten orientieren sich an den

Bedürfnissen eines nachhaltigen Industrielands und sind effektiv und schnell.

Der gemeinsame Weg

Die gute Infrastruktursubstanz wird nicht nur erhalten, sondern deutlich verbessert und

zur Sicherung des Standortvorteils weiter ausgebaut. (Politik)

Um die vorhandene Verkehrsinfrastruktur zu optimieren, müssen alle Marktteilnehmer

gemeinsame Lösungen entwickeln. (Industrie, Verkehrsunternehmen)

Die Finanzierung muss trotz öffentlicher Defizite sichergestellt werden (Weiterentwick-

lung der Verkehrs-Infrastruktur-Finanzierungsgesellschaft – VIFG). Die Einnahmen aus

der LKW-Maut werden vollumfänglich zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur ver-

wendet. (Politik)

Verstärkter Einsatz neuer Finanzierungsformen zur Entlastung der Haushalte (z. B.

Public Private Partnership). (Politik, Unternehmen)

Es gibt eine technologieoffene Förderung der Entwicklung und Einführung neuer Infra-

struktur-Technologien (Energie, Telematik, Verkehrsmanagementlösungen) in einer

gemeinsamen Anstrengung von Staat und Wirtschaft. (Politik, Unternehmen)

Die Politik arbeitet an einer Beschleunigung der Verfahren, um Investitionsprojekte zü-

gig umsetzen zu können, und beseitigt Investitionshemmnisse (Rechts- und Planungs-

unsicherheit). (PoIitik)

Politik und Industrie erarbeiten gemeinsam sinnvolle Anreize für eine nachhaltige Mobili-

tät (ohne weitere Verteuerungen). (Politik, Industrie)

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Vereinfachung des Steuersystems, Verschlankung des Staates

Die Diagnose

Trotz Reformen gibt es im europäischen Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Steu-

er- und Abgabenlast der Unternehmen in Deutschland. Die tarifliche Gesamtbelastung

liegt bei Kapitalgesellschaften 30,9 Prozent. Bei Personengesellschaften kann die Spit-

zenbelastung mehr als 50 Prozent betragen.

Die Gewerbebetriebe trugen 2008 unmittelbar mehr als 100 Mrd. Euro zum Steuerauf-

kommen bei.

Deutschland hat ein kompliziertes und bürokratisches Steuersystem. Unternehmeri-

sches Handeln wird zunehmend durch Abzugsverbote eingeschränkt. Das deutsche

Steuerrecht ist innovations- und investitionsfeindlich.

Bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte wurden bis 2008 Fortschritte erzielt.

Dennoch lag der Schuldenstand bei über 60 Prozent des BIP.

Die positive Entwicklung bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte wurde durch

die Finanzkrise gestoppt und wird über lange Zeit erheblich zusätzliche Belastungen

der öffentlichen Haushalte sorgen.

Die Herausforderungen bis 2020:

Wegen der Finanzkrise werden die Einnahmen des Staates aus den Einkommen-, Kör-

perschafts- und Gewerbesteuerzahlungen deutlich einbrechen und sich erst langsam

wieder erhöhen. Der Arbeitskreis Steuerschätzung rechnet derzeit mit Einnahmeausfäl-

len des Staates von 315 Milliarden Euro für die Zeit bis 2014. Steuermehreinnahmen

sind daher nicht zu erwarten.

Der Abbau der zusätzlichen Schulden durch die Finanz- und Wirtschaftskrise erschwert

Steuersenkungen.

Im Gegenteil: Das Defizit der öffentlichen Haushalte nimmt in den nächsten Jahren zu.

Der Druck wächst, Steuern zu erhöhen.

Das komplizierte deutsche Steuersystem und die überdurchschnittlich hohe effektive

Steuerbelastung regen zu Steuervermeidung an.

Die Schuldenbremse sorgt für Druck zu sparen. Die Bremse selbst ist erforderlich. Sie

kann aber dazu beitragen, dass notwendige öffentliche Investitionen in die Forschung

oder in die Infrastruktur in Gefahr geraten.

Das Ziel für 2020:

Die effektive Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland liegt im EU-

Durchschnitt.

Deutschland hat ein einfaches Steuersystem, das für Unternehmen günstige Rahmen-

bedingungen für Innovationen und Investitionen bietet und Anreize für Forschung und

Entwicklung in Deutschland schafft.

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Die Einkommensteuer lässt höhere Nettoeinkommen zu.

Es gibt mehr Steuerharmonisierung in der EU, die zu weniger Bürokratie und zu Steu-

erentlastungen der Unternehmen führt.

Deutschland befindet sich auf einem guten Weg zur Konsolidierung der Staatsfinanzen.

Volumen und Anteil der öffentlichen Investitionen sind gestiegen.

Der gemeinsame Weg:

Konsolidierung der Staatsfinanzen ohne Erhöhung der Steuerbelastung der Unterneh-

men durch Abbau von Subventionen, öffentlichem Konsum und Transfers. Einführung

und Einhaltung einer effektiven Schuldenbremse. (Politik)

Vereinfachung des Steuersystems. (Politik)

Reform der Gewerbesteuer: Eingliederung der Gewerbebesteuerung in die Einkommen-

und Körperschaftssteuer. (Politik)

Harmonisierung der Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage in der EU durch Einfüh-

rung einer Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage,

die alle Steuerbelastungen einschließt und eine Verlustverrechnung zulässt. (Politik EU,

D)

Schaffung wettbewerbsfähiger Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und Beschäf-

tigung, um damit höhere Steuereinnahmen zu erzielen und Mittel für Innovationen und

Investitionen zur Verfügung zu haben. (Politik)

Trotz der Konsolidierung werden die staatlichen Ausgaben für Forschung und Bildung

und Infrastrukturinvestitionen erhöht. (Politik)

Einführung einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung für alle for-

schenden Unternehmen, also KMU und Großunternehmen. (Politik)

Bildquelle: BASF SE