59
Research Collection Journal Issue disP - The Planning Review Publication Date: 1996 Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000981948 Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection . For more information please consult the Terms of use . ETH Library

In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

Research Collection

Journal Issue

disP - The Planning Review

Publication Date: 1996

Permanent Link: https://doi.org/10.3929/ethz-a-000981948

Rights / License: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted

This page was generated automatically upon download from the ETH Zurich Research Collection. For moreinformation please consult the Terms of use.

ETH Library

Page 2: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

M a r t i n a K o l l - S c h r e t z e n m a y r, M a r t i n M e i e r

Zur Geschichte der Landesplanung in der Schweiz

Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft.Wilhelm von Humboldt

«Planung ist ein Metier, dessen Auf-merksamkeit ganz auf die Zukunft – undallenfalls noch auf die Gegenwart – ge-richtet ist...» [1] Mit diesen Worten be-gann 1998 ein Beitrag in der DISP, derdem Aufbau eines Planungsarchives amdamaligen ORL-Institut der ETH Zürichgewidmet war. Wozu aber bedarf es einer Geschichte der Landesplanung,wenn es bei Planung um die Zukunftgeht?

Geschichte stiftet Identität. Das Wissenum die Erfolge und Fehlschläge ist vonzentraler Bedeutung für die Stärke einesFaches. Der Blick auf die gemeinsameHerkunft, auf das, was Forscher undPraktiker verbindet, fördert die Identitätinnerhalb der Planerzunft und damitauch den Auftritt des Faches in der Öf-fentlichkeit.

Aus der Vergangenheit lernen – nichtnur aus den Fehlern, sondern auch ausden Erfolgen. Nicht alles, was gut ist,muss neu erfunden werden! Auch dieLandesplanung unterliegt Moden. Einmalwurde technokratischer argumentiert,einmal ideologischer. Einmal wollte mankonkrete Probleme lösen, ein andermaldie Welt verändern. Jede Epoche ist ein-malig, und gerade die Planung als zu-kunftsgerichtetes Fach muss immer wie-der neue und kreative Ansätze finden.Doch liessen sich mit dem Blick auf dieVergangenheit manche zeitraubendenFehler vermeiden und manche Erfolgeschneller herbeiführen. «Erfolgreiche Pla-nung hat sehr viel mit Erfahrungswissenzu tun», folgerte denn auch der eingangserwähnte Artikel.

Die groben Fakten – die Chronologieder schweizerischen Landesplanung –sind bekannt. Man kann drei Hauptpha-sen unterscheiden:• Die Vorgeschichte bis zum Ersten Welt-krieg. Hier wurden zwar landesplaneri-sche Instrumente eingesetzt, aber immernur punktuell ohne ganzheitlichen An-spruch. Zu nennen wären die städtebau-lichen Massnahmen im Kampf gegen diehygienischen Missstände in den Altstäd-ten oder die Meliorationen zur Sicherungdes Landes vor Überschwemmungen.• Die Übergangsphase in der Zwischen-kriegszeit. Die Überzeugung, dass die

Gesellschaft als Ganzes zu planen sei, hatsich im Ersten Weltkrieg breit gemachtund wurde durch die krisenhaften 1930er-Jahre sowie die Kriegswirtschaft im Zwei-ten Weltkrieg («Anbauschlacht») weitergefördert. Landesplanerische Pioniere wieHans Bernhard und Armin Meili übertru-gen die von sozialökonomischen Überle-gungen abgeleitete Planungsidee auf dieräumliche Ordnung des menschlichen Zu-sammenlebens (z.B. Trennung von Wohn-und Arbeitszonen, Bekämpfung der Zer-siedelung).• Die 1940er-Jahre markieren den Be-ginn der Phase der Institutionalisierungder Landesplanung: Eckdaten sind dievom Geografen Heinrich Gutersohn1942 an der ETH Zürich organisierte Ta-gung zur Landesplanung, 1943 die Grün-dung der Vereinigung für Landesplanung(VLP) und die Errichtung einer Zentralstellefür Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedertwurde. Aus der Zentralstelle entwickeltesich 1961 das ORL-Institut als eigenstän-diges Institut. Auf politischer Ebene sinddie zahlreichen Planwerke auf kommuna-ler und kantonaler Ebene zu nennen, derVerfassungsartikel 22quater von 1969 alsGrundstein für die nationale Raumpla-nung (welche den Begriff der «Landespla-nung» ablöste) sowie 1980 das Inkraft-treten des Raumplanungsgesetzes (RPG)und die Einsetzung des Bundesamtes fürRaumplanung, des heutigen Bundesamtesfür Raumentwicklung (ARE).

Zu diskutieren wäre, ob nach 1980eine vierte Phase (Konsolidierung) be-gann und ob wir gegenwärtig nicht gar ineine neue, fünfte Phase eintreten, in derdie Raumplanung unter grossen politi-schen Legitimationsdruck gerät.

Die Liste möglicher Forschungsthemen,die für die Geschichte der Landesplanungrelevant sind, ist lang. Zu nennen wärenetwa der militärische Festungsbau, Melio-rationen, Verkehrsentwicklung, Infrastruk-tur, Städtebau, Quartier- und Regionalent-wicklung sowie Umweltschutz.

Auch die methodischen Zugänge sindanalog zu den beteiligten Wissenschaf-ten vielfältig – darunter juristische, polito-logische, geografische. Einige Hinweisesollen genügen: Interessant wäre einementalitätshistorische Arbeit über dieVorstellung von Landschaft. Welche Art

von Landschaft wird als «schön», als «äs-thetisch», als «natürlich» empfunden?Eine Ideengeschichte der Landesplanungist ebenfalls ein Desiderat – zu untersu-chen wären hier die Einflüsse von ande-ren gesellschaftlichen Vorstellungen aufdie Raumordnung (Utopien, Reform-ideen). Ein anderes, bisher überhauptnicht behandeltes Thema ist die Entwick-lung der Landesplanung als Wissen-schaft: Wie hat sich die Landesplanungals neue Disziplin innerhalb des Hoch-schulwesens institutionalisiert? Gegenwelche traditionellen Fächer musste siesich abgrenzen? Welche Lehrinhalte wur-den vermittelt? Wie wurden internatio-nale Ideen in der schweizerischen Raum-planung rezipiert? Ein letzter Hinweissoll der Geschichte der Landesplanungals Teil einer Schweizer Verwaltungsge-schichte dienen: Wie hat sich die Lan-desplanung innerhalb der Politik, konkretinnerhalb der staatlichen Verwaltung,etablieren können? Entsprechend derMethodik der Politikfeldanalyse (policyanalysis) können in diesem Zusammen-hang folgende Fragen gestellt werden:Wer formuliert ein (landes-/raumplaneri-sches) Problem, wer setzt es auf die politi-sche Agenda, wer entwirft eine dazuge-hörige Politik (d.h. entwirft Problemlösun-gen)?

Die Landesplanung begann in derSchweiz auf kommunaler und kantonalerEbene. Dies erschwert die Erarbeitung ei-ner Quellenbasis. Ausserdem handeltenviele Gremien, z.B. Planungsgruppen,zwar im staatlichen Auftrag, galten abernicht als staatlich. Das hatte Folgen fürdie Archivführung: Oft wurde bei Platz-mangel oder bei einem Präsidenten-wechsel umfangreiches Material ent-sorgt. Ein erster Schritt in der Erforschungder Geschichte der Landesplanung in derSchweiz muss deshalb die Suche, Sicher-stellung und Erfassung der Quellen sein.Dies ist die Aufgabe des sich im Aufbaubefindlichen Planungsarchives NSL.

[1] Michael Koch, Martina Koll-Schretzen-mayr: Dem Gedächtnis auf die Sprünge hel-fen. Das «ORL-Archiv zur jüngeren Planungs-geschichte seit 1950» im Aufbau, in: DISP,135, October 1998, pp. 53–56

DISP 159 2 2004

Page 3: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

M a r t i n a K o l l - S c h r e t z e n m a y r, M a r t i n M e i e r

On the History of Regional Planning in Switzerland

Only those who know the past have a future.Wilhelm von Humboldt

“The focus of the métier of planning is en-tirely on the future – and if need be alsoon the present...” [1] It was with thesewords that an article published in DISP in1998 began; the article was dedicated tothe creation of a planning archive at whatwas then known as the ORL Institute at theFederal Institute of Technology ETH inZurich. But why do we need a history ofregional planning when planning is de-voted solely to the future?

History creates identity. Knowledgeabout past successes and failures is ofcrucial importance for the viability andstrength of a subject. A view of our com-mon past, of that which unites re-searchers and practitioners, promotesidentity within the planning métier andthus also the public presence of the pro-fession.

Learning from the past – not only fromthe mistakes but also from the successes.Not everything that is good is necessarilynew! Like other métiers, regional plan-ning is subject to fashion. Sometimes thearguments are based on technocracy, atothers on ideology. Sometimes the aim isto solve concrete problems, at others tochange the world. Every epoch isunique, and planning in particular, as afuture-orientated field, must find constantnew and creative approaches. But a ret-rospective glance at the past could helpto avoid many time-consuming mistakesand accelerate many successes. “Suc-cessful planning has a lot to do with em-pirical knowledge”, is the conclusionreached in the aforementioned article.

The approximate facts – the chronol-ogy of Swiss regional planning – arewell known. Three main phases can bedistinguished:• Past history up to World War I. Al-though regional planning instruments wereused, they were only employed in certaincases, without any claim to integrality, forexample the urban planning measures inthe battle against the deplorable hygienicconditions in the old towns, and meliora-tion and the canalisation of rivers for pro-tection against flooding.• The transition phase period betweenthe two wars. The conviction that societyas a whole must be planned became wide-

spread during World War I and wasfurther promoted by the critical 1930sand the war economy – the endeavoursto achieve self-sufficiency as regardsfood – of World War II. Regional plan-ning pioneers such as Hans Bernhardand Armin Meili implemented the plan-ning ideas that originated from socio-economic considerations to the spatialorganisation of human communal life(e.g., the separation between living andworking zones and the fight against ur-ban sprawl).• The 1940s signalled the beginning ofthe institutionalisation of regional plan-ning in Switzerland. Key events were theregional planning conference organisedby the geographer Heinrich Gutersohn atthe ETH Zurich in 1942, the foundationof the Association of Regional Planning(VLP, Vereinigung für Landesplanung) in1943, and the establishment of a centraloffice for regional planning, affiliated tothe Geographical Institute of the ETH, inthe same year. The central office develo-ped into an independent institute knownas the ORL Institute in 1961. Importantactivities on the political level includednumerous planning works on both com-munal and cantonal levels, 1969 the ar-ticle 22quater of the federal constitutionas the foundation stone of national spa-tial planning, the coming into force of theSpatial Planning Law (RPG, Raumpla-nungsgesetz), and the appointment ofthe Federal Office for Spatial Planning,today’s Federal Office for Spatial Deve-lopment (ARE, Bundesamt für Raument-wicklung).

It is open to discussion whether afourth phase (consolidation) began in1980, and whether we are currently inthe throes of a fifth phase in which spa-tial planning is under great pressure tojustify its existence.

The list of possible research subjects rel-evant to the history of regional planning islong. It might, for example, include thethemes of military fortress construction,melioration, traffic development, infra-structure, urban planning, urban districtdevelopment, regional development andenvironmental protection.

Methodical approaches are also multi-faceted, analogous to the participatingsciences – including the legal, political

and geographical. A few referencesshould suffice: it would be interesting tocarry out mentality-historical research onthe concept of the landscape. Whichkinds of landscape are perceived as“beautiful”, as “aesthetic”, as “natural”?A history of the ideas on regional plan-ning would also be desirable, with inves-tigations into the influence of other ideason spatial organisation (utopias and re-form concepts). Another, hitherto totallyneglected, theme is the development ofregional planning as a science: How didregional planning become established asa new discipline within the system ofhigher education? From which traditionalsubjects did it dissociate itself? Whatwas the content of the teaching? Howwere international ideas accepted bySwiss regional planning? A final refer-ence is connected with the history of re-gional planning as part of a Swiss historyof administration: how did regional plan-ning manage to become establishedwithin politics, more precisely within thestate administration? According to themethods of policy analysis, the followingquestion can be asked in this context:Who formulates a (regional/spatial)problem, who puts it onto the politicalagenda, and who translates it into publicpolicy (i.e. who designs problem solu-tions)?

Regional planning began in Switzer-land on a communal and cantonal level.This complicates the elaboration of asource basis. Apart from this, many com-mittees, e.g., planning groups, acted onthe instructions of the state but neverthe-less were not valid as state authorities.This had consequences for archiving: inthe case of lack of space, or of a changeof president, much material was fre-quently disposed of. A first step for the re-search into the history of regional plan-ning in Switzerland must therefore be thesearch for, finding and recording of thesources. This is the task of the NSL plan-ning archives now under construction.

Translation: Maureen Oberli-Turner, Vitznau

[1] Michael Koch, Martina Koll-Schretzen-mayr: Dem Gedächtnis auf die Sprünge hel-fen. Das «ORL-Archiv zur jüngeren Planungs-geschichte seit 1950» im Aufbau, in: DISP,135, October 1998, pp. 53–56

DISP 159 3 2004

Page 4: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

R a c h e l L i n o s s i e r, S a r a h R u s s e i l , R o e l o f Ve r h a g e , M a r c u s Z e p f

Entre conflits et synergiesRenouvellement urbain et patrimonialisation

The transformation of the existing urban

fabric in projects of urban renewal is the

product of a negotiation process between

urban actors with different interests. The

choice to renew a particular urban area

implies a bipolar reflection on the value

of the existing urban fabric and its her-

itage potential on the one hand, and the

actions and measures to transform the ur-

ban fabric on the other. At first view,

processes of preservation and of renewal

are diametrically opposed, which leads

to the question whether the existing ur-

ban fabric should be preserved and val-

orized in order to transmit architectural

and urban design heritage, or whether it

should be erased for the construction of a

modern urban fabric. This paper points

out the connections between the issues of

urban renewal and preservation by ana-

lyzing these processes in three types of

urban fabrics in the main conurbations of

France (i.e., the historical city centre,

peri-central spaces, and large-scale so-

cial housing estates). Three types of rep-

resentations (i.e., sentimental, economic

and cultural) of the urban fabric are used

to demonstrate that the relationship be-

tween urban renewal and preservation is

not necessarily discordant but can be

synergetic, according to the type of area

under scrutiny and the extent to which

the representations of this area are

shared.

Les processus de renouvellement urbainrelèvent d’un choix politique, c’est-à-dire d’un choix collectif plus ou moinspartagé par le plus grand nombre. Or,ce choix implique une double réflexion,d’une part, sur le tissu urbain existant etsur sa dimension patrimoniale et, d’au-tre part, sur la conduite de l’action à me-ner: s’agit-il de préserver et valoriser cepatrimoine urbain dans le cadre d’unprojet d’urbanisme pour le transmettreaux générations futures ou au contrairede l’effacer? [1] La représentation dupatrimoine urbain qu’ont les différents

acteurs de la ville conditionne la ma-nière dont les processus de renouvelle-ment s’opèrent sur les différents espa-ces. L’élargissement sémantique du pa-trimoine des dernières décennies s’ac-compagne de la prise en compte d’unnombre croissant d’éléments architectu-raux et urbanistiques, désormais limitésni à une époque de construction etd’aménagement, ni à une localisationgéographique particulières (Choay1992). Les ambiances urbaines (Am-phoux 1998) [2] et même les identitéssociales territorialisées participent au-jourd’hui à ce vaste mouvement de pa-trimonialisation du phénomène urbain,entendu comme la définition du patri-moine à partir d’une identification detout ou partie des éléments urbainscomme éléments de patrimoine (Bourdin1996).

La patrimonialisation est un processusrencontré essentiellement dans les villesque Pelletier et Delfante (1989) dési-gnent comme «les villes du monde occi-dental européen». Selon cette analyse,«le poids de l’histoire», constituant l’unedes caractéristiques de ces villes, se ma-nifeste par des stratifications urbainesliées aux périodes de construction etpar la présence habituelle de quartiershistoriques intouchables. La patrimonia-lisation semble traduire une tendancedans le monde occidental européen àune valorisation du poids de l’histoiredans le rapport entre la société et laville. Les territoires métropolitains en re-nouvellement sont précisément les scè-nes où se rencontrent les politiques derenouvellement urbain et les politiquesde patrimonialisation de l’urbain. Elless’emparent ainsi des mêmes objets ar-chitecturaux et urbanistiques, mais avecdes logiques d’action tantôt convergen-tes, tantôt divergentes.

Parmi la très grande variété de terri-toires métropolitains concernés par lesdémarches de renouvellement, certainsrecèlent un patrimoine urbain qui faitl’objet d’un consensus quasiment géné-ral de la part des acteurs de la ville (ré-sultant éventuellement de conflits politi-ques ou de luttes urbaines), que ces der-niers soient ou non favorables à laconservation et à la valorisation de cepatrimoine. D’autres territoires sont, au

contraire, caractérisés par un très fortdissensus entre les acteurs (Linossier etJaton 2004) quant à l’appréhension dupatrimoine urbain potentiel qu’ils abri-tent. Le statut socio-fonctionnel [3] et laposition géographique des différentsterritoires de la métropole agissent éga-lement comme facteurs de patrimoniali-sation. Ils constituent, in fine, des critè-res importants dans le choix des moda-lités opérationnelles du renouvellementurbain. Nous avons donc choisi d’ana-lyser différents processus de renouvelle-ment urbain à partir du type d’espacemétropolitain qu’ils visent, du centre àla périphérie urbaine, pour éclairer lesmodalités d’intervention collective enfonction de la perception dominante dupatrimoine urbain en présence.

Renouvellement urbain etpatrimoine: une relation étroiteBien que le terme renouvellement urbainsoit central dans la loi française Solida-rité et Renouvellement Urbain de 2000[4], il n’y est guère développé. La por-tée globale de la loi semble indiquerune interprétation large: le terme s’ap-plique aux interventions sur le tissu ur-bain existant. De telles interventions vi-sent à adapter ce tissu aux exigencesactuelles. Cette interprétation (Piron2002), est notamment fondée sur l’ex-périence lilloise de «La Ville Renouve-lée». Avec ce concept novateur, le gou-vernement métropolitain lillois a définidepuis 1993 une ambition qui s’estconcrétisée depuis sur le terrain. Aucœur de cette démarche se trouve unepolitique volontaire, destinée à remettre«dans le coup» les territoires de la villeconsidérés comme «en panne» de déve-loppement et d’attractivité, à les réinté-grer dans un cercle vertueux de créationde valeur (Roussel 1997). Pour atteindreces objectifs, les leviers utilisés, ainsique les dispositifs pour les activer, sonttrès divers: renouveler physiquement lesterritoires concernés, renouveler les rap-ports économiques et sociaux en leursein ou, à une échelle plus petite, entreces territoires et le reste de la métropole.

Certains écrits ou d’autres contexteshistoriques privilégient des vocablessensiblement différents pour désigner

DISP 159 4 2004

REFEREED

Page 5: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

l’acte de reconstruire la ville sur la ville.Parmi les plus significatives, la régéné-ration urbaine inspirée des approcheset pratiques anglo-saxonnes (Chaline1999) et la rénovation urbaine, qui,après avoir été farouchement critiquéedans les années 1960–1970, opère unretour remarqué sur la scène politiquefrançaise à travers les récents textes lé-gislatifs relatifs à la ville, notamment laloi Borloo [5]. Il n’existe pas de défini-tion du renouvellement urbain qui fassel’unanimité, tant dans les sphères politi-ques et de la pratique que dans cellesde la recherche scientifique. Une rapideanalyse de l’utilisation du terme de re-nouvellement urbain à partir des opéra-tions officiellement labellisées commetelles en France conduit même à unetoute autre lecture. Dans ce cas, le re-nouvellement urbain s’applique essen-tiellement aux quartiers relevant de lagéographie prioritaire de la Politique dela Ville, où il est décliné comme unenouvelle relance, une sorte d’opérationde la dernière chance de cette politique(Bonneville 2003). Le terme de renou-vellement urbain est officiellement rem-placé par le terme rénovation urbainedans la Loi Borloo de 2003, pour dési-

gner les opérations lourdes de démoli-tion – reconstruction réalisées dans lecadre de la Politique de la Ville.

Nous utilisons le terme de renouvelle-ment urbain dans sa première acceptionde «mise en valeur» des morceaux de laville aussi bien par des mécanismesphysiques qu’économiques, sociaux etculturels. Les territoires du renouvelle-ment urbain peuvent ainsi se trouverpartout dans la ville et avoir une voca-tion résidentielle, économique ou mixte(Piron 2002) [6]. Cette typologie inclutaussi bien les cas où tissu urbain et fonc-tions initiales sont conservés que les cascaractérisés par une évolution vers plusde mixité ou par un changement fonc-tionnel total. La ville étant un organismedynamique en constante transformation,les possibilités d’évolution se trouventpartout a priori, aussi bien en périphé-rie, dans les zones péricentrales quedans les centres. Une idée semble entout cas admise par les acteurs de l’ur-banisme: le recours au renouvellementurbain s’impose surtout pour les territoi-res qui ne fonctionnent plus ou très mal(marginalisation, exclusion, relégation,mais aussi déprise, dévalorisation, voireabandon). Ce n’est pas le type de terri-

toire qui détermine s’il y a ou non re-nouvellement urbain, mais d’abord lavolonté publique et politique d’interve-nir pour revaloriser ce territoire.

C’est justement face au problème dela (re)mise en valeur des territoires endifficulté que la question du rôle du pa-trimoine dans les processus de renouvel-lement urbain se pose. Le patrimoinepeut en effet être perçu comme un han-dicap entravant les volontés et contrai-gnant les pratiques du renouvellementurbain. A l’inverse, il peut égalementêtre appréhendé et utilisé comme un le-vier d’évolution, un outil opérationnelau service de la revalorisation urbainede certains quartiers.

La juridiction qui a trait au patrimoines’est développée, en France, depuis lafin du XVIIIe siècle. Progressivement, lanotion a vu son sens s’élargir [7], dumonument historique au monument, puisau quartier de valeur architecturale etau patrimoine urbain (Choay 1992).Cependant si des lois définissent ce quifait patrimoine d’un point de vue cultu-rel, il convient de souligner deux élé-ments caractéristiques de cet objet.D’abord, le patrimoine n’existe pas apriori (Leniaud 1992), il s’agit d’uneconstruction, d’une invention (Choay1992), résultant d’interactions entre dif-férents groupes sociaux (Lamy 1996;Grange et Poulot 1997). Le patrimoine,a fortiori le patrimoine urbain, est doncun construit socio-politique. Toutefois, lepatrimoine n’existe formellement pourl’ensemble de la société que lorsqu’il estreconnu légalement: le «décret publicpatrimonial» (Paulhiac 2002) institue etconsacre un bien en tant que patrimoine(Leniaud 1992).

De nombreux auteurs affirment que lepatrimoine urbain est soumis à des logi-ques d’action qui se confrontent(Grange et Poulot 1997). Ce sont, parexemple, la conservation du patri-moine, le développement métropolitain,la gestion des flux touristiques, la pré-servation et l’amélioration du cadre devie, etc. Les politiques qui prennent ap-pui sur le patrimoine ou celles dont il estla cible ne résultent en effet pas systé-matiquement des mêmes stratégies. Lariche littérature portant sur le sujet metaussi en avant les multiples enjeux du

DISP 159 5 2004

Fig. 1: Valorisation du patrimoine architectu-ral, passage Thiaffait, Lyon Croix-Rousse.(Photo: Roelof Verhage)

Page 6: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

patrimoine, qu’ils soient sociaux, éco-nomiques, politiques ou culturels (Ger-main 1991). Ces enjeux sont souventcombinés, certains prenant le pas surd’autres selon les circonstances. Ils ré-pondent à des représentations distinctesdu patrimoine. Nous en avons identifiétrois principales: la représentation senti-mentale, qui correspond à la relation del’individu à son environnement (bâti-ments, espaces publics, ambiances,etc.) et fonde en partie son identité; lareprésentation culturelle (ou collective),qui renvoie à la relation entre la collec-tivité et son environnement et enfin la re-présentation économique, qui corres-pond à la valeur d’échange et d’exploi-tation du bien. La combinaison de cestrois représentations du patrimoine,lorsqu’elles existent effectivement, per-met une représentation politique du pa-trimoine. C’est alors, et alors seulement,que le «décret patrimonial» est obtenu.

La patrimonialisation des centres historiquesLes quartiers centraux constituent en gé-néral le cœur historique des métropoles.Ils présentent un tissu urbain particuliè-rement dense et ancien, objet d’une at-tention croissante des pouvoirs publicsdepuis plusieurs décennies (Lamy 1996;Grange et Poulot 1997). Leurs formesarchitecturales et esthétiques spécifi-ques sont reconnues tant par les profes-sionnels du patrimoine, par les associa-tions de défense, par la population quepar les différents échelons gouverne-mentaux et les élus locaux [8]. Ces quar-tiers bénéficient ainsi d’un consensusautour de la nécessité de conserver etde valoriser leur patrimoine. Cette situa-tion est le résultat d’un apprentissagecollectif issu des luttes urbaines qui ontopposé les élus locaux, artisans de la ré-novation urbaine, aux associations dedéfense et aux professionnels du patri-moine favorables à sa protection aucours des années 1960–1970. Cesconflits ont entraîné l’élaboration, pources territoires particuliers, de normes ju-ridiques [9] contraignantes et de politi-ques visant à concilier protection du pa-trimoine et développement de la ville(Grange et Poulot 1997). Les acteurs ur-

bains agissent aujourd’hui dans cesquartiers à partir de cadres d’action ex-trêmement restrictifs qui tendent à figerl’évolution du tissu bâti en le protégeantde la démolition.

L’usage, suite aux politiques des an-nées 1960–1970, a montré le potentieltouristique et économique que représen-tent les quartiers historiques. La mise envaleur des atouts des centres histori-ques, qui se poursuit aujourd’hui, ré-pond aux exigences du tourisme urbainainsi qu’aux enjeux commerciaux qui luisont liés, largement favorisés par lesélus locaux et les promoteurs du déve-loppement économique des villes (Of-fice de tourisme et des congrès, Cham-bres de commerce et d’industrie, etc.).Ces acteurs sont aidés dans leurs dé-marches par les associations de défenseet de mise en valeur du patrimoine [10].Les quartiers centraux sont donc sujets àdes processus spécifiques et l’éventaildes possibles en matière de renouvelle-ment urbain y est très limité.

Le renouvellement urbain s’y opère eneffet au travers d’actions qui visent es-sentiellement à confirmer, consolider la

valeur historique et l’image symboliquedu centre: mise en scène par un Plan lu-mière, candidature sur la Liste du patri-moine mondial de l’Unesco [11], etc.Ces actions n’ont pas un impact définitifsur le bâti, protégé par la juridiction na-tionale: elles portent essentiellement surla requalification et l’aménagement desespaces publics et traduisent globale-ment un effort de mise en scène du pa-trimoine architectural et urbain [12].

Or ces quartiers n’en constituent pasmoins des construits sociaux extrême-ment importants pour leurs habitantscomme pour la population de la métro-pole dans son ensemble (Veschambre2002). Les conflits d’usage y sont parti-culièrement intenses, entre touristes ethabitants par exemple. En parallèle auxprocessus présentés ci-dessus, des stra-tégies d’action sont mises en œuvredans ces centres historiques pour éviter«la mise sous cloche», la «muséifica-tion» de ces quartiers et conserver leurintégration dans la ville. L’objectif est lemaintien de la population en place, lapréservation d’un certain cadre de vie,c’est-à-dire la difficile conciliation entre

DISP 159 6 2004

Fig. 2: Mis en scène d’un parcours urbain,montée de la Grande Cote, Lyon Croix-Rousse.(Photo: Roelof Verhage)

Page 7: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

pratiques touristiques et vie quoti-dienne. Venise en est certainement au-jourd’hui l’exemple le plus flagrant: lamunicipalité réfléchit actuellement à lamise en place de taxes limitant la pré-sence des touristes dans la ville. D’au-tres municipalités comme Québec etLyon étudient l’opportunité de mesureslégislatives pour protéger au maximumle cadre de vie [13]. Elles y sont incitéespar les associations de quartier et les ré-sidents, qui recourent aux rhétoriquesdu «développement durable» et de la«qualité de vie» pour asseoir leurs re-vendications.

Ces processus modifient cependantsensiblement les fonctions et les usagesde ces territoires. Les quartiers centrauxainsi mis en valeur deviennent plus pro-pices aux ballades urbaines pour les ha-bitants et les touristes, mais aussi plus at-trayants, d’une part pour la fonction ré-sidentielle, renforçant cependant sou-vent les phénomènes de gentrification etde polarisation socio-spatiale [14], etd’autre part pour les activités commer-ciales, culturelles et touristiques. Lesconflits d’intérêts liés aux représenta-tions du patrimoine perdurent donc en-tre responsables politiques, aména-geurs, investisseurs économiques et po-pulation, malgré les législations concer-nant le patrimoine des centres urbains.Cependant, ni le statut, ni les valeurs dece patrimoine ne sont remises en cause.

Ces actions sont liées aux politiquesmenées sur les autres territoires de lamétropole dans le cadre d’un projet ur-bain global, fondé sur la complémenta-rité des lieux et les fonctions économi-ques, sociales et culturelles de la ville.Elles peuvent être assimilées à du renou-vellement urbain car elles sont destinéesà réintégrer les centres historiques dansles marchés et dans le fonctionnementde la ville. Depuis plusieurs décennies,un phénomène d’apprentissage collectifde la représentation politique du patri-moine urbain s’est développé dans lesquartiers historiques. Les effets et lesusages qui en sont issus perdurent etpeuvent servir d’exemple pour favoriserl’apprentissage de ce qui est ou fait pa-trimoine dans les quartiers plus périphé-riques, qui font actuellement l’objet deprocessus de renouvellement urbain.

Emergence d’une représentationpolitique du patrimoine dans leszones péricentralesLes quartiers péricentraux sont situés àproximité immédiate du noyau centraldes métropoles. Ils correspondent géné-ralement aux anciens faubourgs et auxbanlieues ouvrières des villes, formésentre le XIXe siècle et le début du XXe siè-cle: quartiers de Vaise et du Confluent àLyon, Villeurbanne dans l’aggloméra-tion lyonnaise, Boulogne-Billancourtprès de Paris, périmètres d’Euroméditer-ranée à Marseille ou quartier de la gareà Lille. Ils présentent une morphologieurbaine assez floue et peu structurée, untissu bâti peu dense souvent organiséautour d’infrastructures ferroviaires ouportuaires, où s’entremêlent vastes em-prises industrielles désaffectées (usines,hangars, entrepôts, etc.) et poches d’ha-bitat ancien souvent dégradé. Depuisles années 1970, ces espaces connais-sent une forte déprise économique et ré-sidentielle et voient se former d’impor-tantes friches urbaines et industrielles.Ces dernières représentent le «syn-drome le plus évident d’une dévitalisa-tion des économies urbaines» (Chaline1999), correspondant au changementde rationalité survenu dans la localisa-tion des activités productives et logisti-ques au sein des métropoles.

Les volontés politiques d’affectationde nouveaux usages à ces quartiers sontde plus en plus importantes. Ces der-niers sont l’objet d’opérations ambitieu-ses relevant des logiques du renouvelle-ment urbain, entendu ici comme un pro-cessus de reconstruction de la ville surelle-même modifiant sensiblement lesfonctions en place. L’urbanisme de ré-génération urbaine correspond à un tri-ple registre d’intervention publique(Chaline 1999): ampleur spatiale deszones en friche; nécessité pour la col-lectivité de reconquérir ces espaces inu-tilisés afin de leur attribuer de nouvellesfonctions et de les intégrer dans la ville;contexte d’action publique marqué parl’émergence de la démarche «stratégi-que» (Portal 2002), rapprochant les lo-giques du développement urbain decelle du développement économique lo-cal. Cette approche intègre les enjeuxdu développement durable, du dévelop-

pement économique et de la lutte contrel’étalement urbain dans le renouvelle-ment, pour élaborer un projet urbainglobal de restructuration des quartierspariant sur la refondation des baseséconomiques et sociales de la cité. Ils’agit de recréer des quartiers intégrésdans le fonctionnement de la métropolepar une nouvelle vocation économiqueet résidentielle et une orientation straté-gique vers l’accueil d’activités tertiairestechnologiques ou ludiques à forte va-leur ajoutée (NTIC, loisirs marchands,etc.) (Linossier et Zepf 2002). Ces ob-jectifs d’aménagement accompagnentla volonté publique de créer une nou-velle image urbaine, par le jeu deséchelles entre création d’une identité re-nouvelée pour le quartier et intégrationdu projet dans la stratégie globale dumarketing métropolitain. Cette recréa-tion de l’image urbaine passe notam-ment par le réaménagement et la réutili-sation des friches industrielles sur le mo-dèle des Docks londoniens (et des wa-terfronts anglo-saxons), jouant sur unesubtile association entre mise en scèneesthétisante de l’héritage industriel etvalorisation économique des lieux. Il y aainsi conjonction de deux stratégies dedéveloppement urbain sur ces espaces:renforcement des bases fonctionnellesde la ville (économie, logement, équipe-ments), selon une logique intégrée dudéveloppement local; action urbanisti-que génératrice d’une nouvelle imagepositive pour le quartier et la métropole,selon une logique de marketing urbain.

Ces territoires bénéficient d’une loca-lisation géographique dans la ville trèsattractive pour la fonction résidentielleet les activités économiques, grâce à laproximité du centre, aux disponibilitésfoncières et à leur bonne connexion auxréseaux de transport (gares). Ceci leurconfère une valeur stratégique indénia-ble pour les investisseurs économiqueset les promoteurs immobiliers, qui n’estpas sans occasionner des conflits d’inté-rêt autour du potentiel patrimonial queces territoires recèlent. Le consensus au-tour d’une représentation culturelle dupatrimoine de ces quartiers est rare en-tre les différents acteurs du renouvelle-ment urbain (élus, habitants, investis-seurs, etc.). Une telle représentation ré-

DISP 159 7 2004

Page 8: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

side essentiellement dans la présenced’un patrimoine industriel notable parsa forme, son unité et sa représentativitéd’une période économique révolue,voire par sa rareté. La dimension patri-moniale de certains éléments du bâti etla force identitaire de l’héritage indus-triel et ouvrier constituent d’ailleurs uneressource de valorisation non négligea-ble pour les acteurs publics du renouvel-lement, plaçant l’enjeu principal desopérations dans la gestion de la ren-contre du passé et de l’avenir de la villesur ces sites [15]: la référence au passéindustriel est ainsi largement mise enavant dans les stratégies de marketinget de fabrication d’une nouvelle imagepour ces quartiers, y compris par lebiais de la toponymie locale («LesDocks», «Quartier de l’Industrie», «laSoie», etc.). Mais elle constitue égale-ment une source potentielle de conflitd’intérêts, entre, d’une part les partisansdu recyclage des bâtiments existantspar voie de réhabilitation, afin de pré-server ce patrimoine industriel (certainsresponsables publics, les associationsd’habitants, etc.), et d’autre part les in-vestisseurs économiques privés (entre-prises, promoteurs) et une partie desélus locaux, plus soucieux d’assurer laréussite ou la rentabilité immédiate del’opération que de contribuer à la pro-tection et à la mise en valeur du patri-moine industriel et urbain présent sur leterritoire.

Le dissensus autour de leur valeur pa-trimoniale est renforcé par l’absence demesures de protection spécifiques, ana-logues à celles appliquées dans lesquartiers centraux. Des procédures declassement existent, mais elles sont sou-vent inadaptées ou arrivent trop tardpour sauver les éléments remarquables.Le problème de ces quartiers réside es-sentiellement dans l’absence d’unité ar-chitecturale d’ensemble et dans le ca-ractère décousu et disséminé du patri-moine urbain. Ceci peut être illustré parle cas de Vaise à Lyon [16]: la nomina-tion d’un architecte-conseil sur le quar-tier date de 2002, alors que les princi-pales opérations de démolition/réamé-nagement ont été réalisées dès 1999.Entre-temps, de nombreux bâtiments in-dustriels et éléments urbains constitutifs

du patrimoine local ont été détruits pourlaisser place à de nouveaux aménage-ments, à l’image de la Halle de la Na-vigation – initialement incluse dans leprojet architectural du nouveau siègesocial de la firme CEGID, elle s’estmalencontreusement effondrée lors desfouilles archéologiques préventives me-nées dans l’urgence. Le patrimoine ar-chéologique est également menacé parl’urgence économique du renouvelle-ment urbain dans ces quartiers: à Vaise,le délai nécessaire aux fouilles [17] estécourté, voire directement remis encause sous la pression des promoteursimmobiliers et des investisseurs privés(le restaurant Paul Bocuse sur ce site enest un bon exemple). Quelques élémentsde grande taille du patrimoine industrielurbain sont quand même préservés:d’anciennes manufactures d’Etat (des ta-bacs, d’armement, etc.), Halle TonyGarnier à Lyon, bâtiment des Docks àMarseille, etc. Ces réhabilitations sontsurtout le fait de collectivités publiqueset sont rarement assumées par les inves-tisseurs privés.

Les opérations de renouvellement ur-bain dans les quartiers péricentraux ré-vèlent ainsi des problèmes de mise encohérence des enjeux économiques, so-ciaux, urbains et patrimoniaux dans lecadre d’un projet global de développe-ment territorial. Les éléments bâtis maté-rialisant l’héritage historique sont sou-vent sacrifiés sur l’autel du développe-ment et de la rentabilité économiques.Cette lutte d’intérêts autour des enjeuxde la patrimonialisation rappelle cer-tains aspects de la rénovation urbainedes centres historiques dans les années1960–1970 et les processus d’appren-tissage collectif qu’elle a pu induire pa-rallèlement à l’émergence d’une repré-sentation politique du patrimoine urbainde ces quartiers.

L’effacement du patrimoine urbaindans les grands ensemblesLes grands ensembles d’habitat socialsont le plus souvent situés dans la péri-phérie des grandes villes. Ils ont été ma-joritairement construits entre 1960 et1975 sous le contrôle étatique et selonune conception fonctionnaliste de l’ur-banisme. Ces quartiers sont marqués

par leur monofonctionnalité et uneconcentration des difficultés sociales(pauvreté, chômage, délinquance), quiaboutissent à une dévalorisation géné-ralisée: taux de vacance élevés, espa-ces communs dégradés, absence d’in-vestisseurs privés. Leurs caractéristiquesconstructives initiales (architecture detours et de barres, inadaptation des es-paces publics) rendent les évolutionsvers d’autres usages et les réaménage-ments difficiles, voir impossibles (Piron2001). Globalement, ces quartiers necorrespondent plus à la demande expri-mée en matière d’habitat. Ils constituentactuellement la cible privilégiée des pro-cédures de renouvellement urbain. Leur«traitement» par l’action publique adéjà une longue histoire, amorcée parle programme «Habitat et Vie Sociale»en 1977 [18]. Les démarches qui visentà améliorer l’attractivité et la qualité devie de ces territoires, poursuivies dans lecadre de la Politique de la Ville et com-plétées par des interventions sur les es-paces publics, ont connu des succèsdans les secteurs où il existait un marchépotentiel. Mais ce processus reste limitédans les grands ensembles d’habitat so-cial, conduisant certains à qualifier cesaides «d’investissements publics à fondsperdus» (Comby 2001).

La notion de renouvellement urbain in-troduit une rupture dans le traitement deces quartiers. La démolition des bâti-ments existants doit permettre de fairetable rase, acte jugé nécessaire pour in-troduire des mécanismes économiquespermettant de renverser le cycle de dé-valorisation des valeurs immobilières etd’amorcer la revalorisation (Bonneville2003). Ainsi, le renouvellement desgrands ensembles consiste désormaisessentiellement en des opérations de dé-molition/reconstruction. Une approchedu renouvellement par le patrimoinepeut cependant nuancer le débat sur leschoix d’intervention opérés pour ces ter-ritoires. Ces quartiers ne fonctionnentpas bien et leurs éléments bâtis font l’ob-jet de représentations collectives diver-ses, généralement hostiles à leur recon-naissance patrimoniale. Les projets dedémolition sont peu contestés par laclasse politique et par les administra-tions publiques, ils sont même souhaités

DISP 159 8 2004

Page 9: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

Sur le plan urbanistique, il n’est pasprouvé que la forme architecturale desgrands ensembles soit la cause princi-pale des problèmes qu’ils connaissent.Cela suppose même un rôle directif del’espace sur les comportements, dont onpeut questionner la crédibilité (Genes-tier 2001). Ces quartiers sont égale-ment porteurs d’une représentation cul-turelle forte, donc d’une valeur patrimo-niale potentielle, liée à leur conceptionurbanistique moderne caractéristiquede l’après-guerre. L’urbanisme fonction-naliste représente une étape singulièrede l’urbanisation en France: le rôle cen-tral de l’Etat et l’industrialisation du bâ-timent ont permis de produire sur unecourte période une quantité importantede logements, présentant un confortjusqu’à lors inconnu des couches popu-laires. Démolir les grands ensembleséquivaut ainsi à effacer de la mémoirecollective le patrimoine urbain représen-tatif de cette époque; les ouvrir au mar-ché privé, à officialiser le transfert de laresponsabilité collective vis-à-vis du bâtivers des responsabilités individualisées[21].

D’un point de vue social enfin, la dé-molition a des effets importants sur lavie des habitants: ils voient disparaîtrele foyer et le quartier où ils ont tant bienque mal construit leur vie. Si les grandsensembles ont une représentation senti-mentale certaine pour leurs habitants, ilsont aussi une dimension symboliquepour la société urbaine. Les réactions du

par les investisseurs privés. La mobilisa-tion associative [19] en faveur desgrands ensembles est encore marginale.L’action publique déployée dans cesquartiers révèle la négation de leur di-mension patrimoniale pour l’ensembledes acteurs urbains. Pourtant, lesconstats plaidant en défaveur des dé-molitions sont nombreux et de plus enplus reconnus.

Sur le plan économique, la démolitiond’un patrimoine immobilier qui n’esttechniquement pas en fin de vie, pour laréhabilitation duquel la collectivité abeaucoup investi et qui n’est souventpas encore amorti, représente une des-truction de capital non négligeable. Acela s’ajoutent les coûts du relogementdes habitants: la question de la valeur«économique» des interventions de dé-molition dans les grands ensembles estdonc ouverte (Cornuel 2003). Les im-meubles portent une charge financièreparfois difficile à évaluer, malgré le rôleimportant qu’elle joue dans la décisionde démolir. Si l’on peut à peu près chif-frer la valeur actuelle des immeubles, ilest quasiment impossible de chiffrer lavaleur potentielle du site après la démo-lition des bâtiments, celle-ci étant large-ment influencée par l’image actuelle duquartier. Est-ce que la démolition permetd’effacer et d’inverser l’image actuellequi limiterait les investissements privésdans le quartier? La réponse à cettequestion n’est véritablement obtenuequ’une fois la démolition opérée…[20]

public lors du dynamitage d’un bâti-ment, souvent retransmis par les mé-dias, sont explicites: applaudissementset cris de désarroi se mêlent pour souli-gner que l’opinion publique n’est pas in-différente à la disparition de ces quar-tiers. Elles montrent également que la re-présentation sentimentale des grandsensembles est complexe, à la fois posi-tive et négative. Dans un contexte decrise du logement et d’allongement deslistes d’attente pour accéder à l’habitatsocial, il est donc utile de savoir, avanttoute démolition, si les représentationscollectives sont attachées au patrimoinebâti en tant que tel, ou si elles sont plu-tôt associées a une image quelque peuconfuse du quartier, mêlant des problè-mes de stigmatisation sociale à son as-pect strictement physique.

Dans les grands ensembles, les repré-sentations sentimentales, économiqueset culturelles du patrimoine sont doncsubordonnées à une image symboliquenégative du cadre bâti et du contextesocial qu’il abrite, que l’on essaie d’ef-facer. Les démolitions réalisées souscouvert de renouvellement urbain ontune fonction symbolique implicite pourélus et bailleurs sociaux: se débarrasserdes bâtiments et avec eux, de tous lesproblèmes socio-économiques ou fonc-tionnels associés (Genestier 2003). Lanégation du patrimoine domine, en rai-son sans doute de l’urgence sociale eturbaine que connaissent ces territoires.L’irréversibilité et la radicalité du renou-vellement urbain laissent peu de placeau processus d’apprentissage collectifqui pourrait conduire à la prise encompte de leur valeur patrimoniale.

Vers une reconnaissance de ladiversité des formes urbaines?La tendance à la domination des enjeuxéconomiques sur les autres champs del’action publique place le marketing ur-bain au cœur des politiques de renouvel-lement urbain, interrogeant ainsi la placedu patrimoine dans les démarches de va-lorisation des quartiers en crise. Com-ment concilier les intérêts majoritaire-ment privés liés à la rentabilité écono-mique des opérations immobilières etl’intérêt général culturel, social, etc. de la

DISP 159 9 2004

Fig. 3: La rencontre de deux époques de pa-trimoine économique, quartier de l’Industrie,Lyon Vaise.(Photo: Roelof Verhage)

Page 10: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

préservation de l’identité urbaine? Com-ment les responsables politiques peuvent-ils gérer les tensions existant entre, d’unepart, la volonté de faciliter le développe-ment du territoire et de soutenir les initia-tives de reconquête économique et rési-dentielle, par les acteurs privés notam-ment, et, d’autre part, la nécessité deprotéger, l’ambition de mettre en valeurun patrimoine potentiellement porteurd’image et d’identité pour la ville? L’in-tervention sur le patrimoine urbain, pourle démolir ou le conserver, est au-jourd’hui présentée par ces mêmes ac-teurs comme une sorte de remède mira-cle à la crise généralisée que traversentles sociétés urbaines. Cependant, leuraction dans ce domaine est bien souventréalisée sous la contrainte d’urgenceéconomique, rendant extrêmement diffi-cile l’émergence de réflexions concer-tées, conduites en amont de l’interven-tion et à l’échelle de la métropole, tanten matière de renouvellement urbain quede patrimonialisation.

Le patrimoine est ainsi au carrefour deconflits d’intérêts, mettant notamment enscène les trois représentations du patri-moine identifiées dans notre introduc-tion. Or il n’existe formellement pourl’ensemble de la société que lorsque lacombinaison des trois représentations(culturelle, sentimentale et économique)l’impose comme élément du contexted’action publique. Le patrimoine bénéfi-cie alors d’une représentation politique,représentation indispensable pour queles formes urbaines soient prises enconsidération par tous. Il constitue dansce cas une ressource et devient un objetpour des politiques publiques. Ainsi, etd’après ce qui précède, les quartierscentraux et, dans une moindre mesure,les zones péri-centrales constituent deslieux où la représentation politique dupatrimoine existe, voire même dans cer-tains cas, prédomine. C’est alors quepatrimonialisation et renouvellement ur-bain se rencontrent, de manière plus oumoins conflictuelle, pour former unesynergie: le patrimoine devient unedonné des politiques de renouvellementurbain. Dans les grands ensembles, enrevanche, la représentation économiquedu patrimoine demeure négative (dansle sens où c’est leur destruction qui sem-

ble susceptible de les réinsérer dans lemarché immobilier commun de la ville etainsi d’y attirer des investissements pri-vés) et la représentation culturelle ne faitpas encore l’unanimité au sein des pro-fessionnels (architectes, restaurateurs etprofessionnels du patrimoine), ni de lasociété civile. Dès lors, bien que la re-présentation sentimentale des grandsensembles apparaisse incontestable, iln’existe pas à ce jour de représentationpolitique du patrimoine de ces quar-tiers. Les tensions entre préservation dupatrimoine et renouvellement urbain ysont donc actuellement limitées, le se-cond étant largement prédominant.

Les processus d’apprentissage mis enévidence pour les centres historiquess’opèrent actuellement dans les quar-tiers péricentraux, comme en témoignela virulence des conflits relatifs au patri-moine lors de projets urbains. Les inter-ventions telles qu’elles se produisentdans les grands ensembles, et en parti-culier les réactions qu’elles suscitent,laissent également penser qu’un tel pro-cessus d’apprentissage est loin d’êtreexclu. Ce serait l’occasion d’étendre lavalorisation commerciale, touristique,culturelle de la métropole et sa mise enscène hors du centre, et de favoriser unereconnaissance institutionnelle de la di-versité des formes architecturales et so-ciales de la ville.

Cependant, ce phénomène d’appren-tissage et la mise en valeur de quartiersne constituent pas un processus sans ris-

que, ni sans effet négatif pour les popu-lations initiales de ces quartiers, voirepour le territoire dans son ensemble. Lareprésentation politique du patrimoinedes centres historiques, en Europe, s’estconcrétisée par des politiques publiquesrelevant de phénomènes de patrimonia-lisation. Ceux-ci participent non seule-ment d’une mise en valeur architectu-rale, mais également de processus degentrification entraînant une forte pola-risation socio-spatiale dans la ville. Lesquartiers mis en valeur deviennent deslieux de vie pour les classes aisées, re-léguant les populations défavorisées,moins intégrées socialement dans laville, en banlieues ou dans les périphé-ries périurbaines. La généralisationd’une représentation politique du patri-moine urbain à l’ensemble de la ville,c’est-à-dire l’acceptation de tensions etde conflits entre patrimonialisation et re-nouvellement urbain dans les quartiersplus périphériques comporte donc unrisque d’accroissement de cette polari-sation socio-spatiale. Mais une telle gé-néralisation de la représentation politi-que du patrimoine constitue égalementune opportunité, encore peu étudiée, delutter contre ce phénomène et de recon-naître la diversité des formes urbaines.

DISP 159 10 2004

Fig. 4: Le renouvellement à l’œuvre, LyonVaise.(Photo: Roelof Verhage)

Page 11: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

Notes

[1] Cet article s’appuie sur un constat for-mulé lors des débats pluridisciplinaires del’Université d’été «Patrimoine et renouvelle-ment urbain: enjeux de valorisation ur-baine», qui s’est tenue à Lyon du 8 au 12septembre 2003 et a réuni environ 70 cher-cheurs, doctorants, experts, techniciens etprofessionnels, élus et responsables adminis-tratifs sous l’égide du Pôle de compétencesen urbanisme lyonnais. [2] Pour cet auteur, la notion d’ambiance«est fondamentalement transversale et inter-disciplinaire; son enjeu, c’est de renoueravec une prise en compte simultanée desdonnées techniques et sociales…» (p. 9).[3] Nous entendons par ce terme l’identitésociale et les fonctions urbaines dominantes.[4] Loi du 13 décembre 2000 relative à lasolidarité et au renouvellement urbains, ouLoi SRU.[5] Loi du 1er août 2003 d’orientation et deprogrammation pour la ville et la rénovationurbaine, ou Loi Borloo.[6] Les opérations «Seine Aval» dans le Valde Marne ou Carré de Soie dans l’agglomé-ration lyonnaise, par exemple, ne visent pasprécisément des quartiers prioritaires.[7] L’intervention de spécialistes du patri-moine et d’universitaires, puis les mobilisa-tions associatives ont grandement favorisé ceprocessus.[8] Cette reconnaissance est officialisée parla promulgation de lois nationales réglemen-tant l’intervention sur ce patrimoine, puis pardes conventions, de chartes et de recomman-dations au niveau international.[9] Les Secteurs Sauvegardés et les Zones deProtection Patrimoniales, Architecturales, Ur-baines et Paysagères par exemple enFrance.[10] Le patrimoine auquel ces organisationsse réfèrent étant protégé juridiquement, lesrevendications ont évolué vers la valorisationde sa richesse historique et architecturale.[11] Les centres historiques de Venise, Rome,Lyon et Québec figurent ainsi sur la liste éta-blie par l’Unesco. D’autres villes commeMontréal sont candidates depuis plusieursannées.[12] C’est notamment le cas à Lyon avecl’aménagement de l’esplanade de la Montéede la Grande Côte à la Croix-Rousse et lesprojets concernant les places St Jean et StPaul dans le Vieux-Lyon.

[13] La municipalité québécoise adopte, audébut des années 1980, un décret municipalvisant à limiter le nombre de bars et boîtes denuits présents dans l’Arrondissement histori-que de Québec (correspondant à peu près

au Vieux Québec). Des mesures similairessont actuellement à l’étude pour réduire lacirculation et surtout le stationnement des au-tocars de tourisme dans ce même secteur. ALyon, une charte nommée «Vivre ensembledans le Vieux Lyon» vise, depuis début 2004,à qualifier l’occupation du domaine publicpar les activités commerciales de manière àconcilier au mieux les enjeux des riverains,des commerçants et des touristes.[14] Sur ces phénomènes, nous renvoyonsaux travaux de Bidou-Zachariasen (2003) etDonzelot (2004).[15] L’aménagement de l’Emscher Park dansla Ruhr ou le réaménagement des Docks deLondres sont des exemples reconnus de régé-nération socio-économique et urbaine par lavalorisation du patrimoine industriel.[16] Il s’agit du IXe arrondissement de Lyon.[17] L’occupation humaine du site, au piedde la colline de Fourvière, remonte au moinsà l’époque gallo-romaine.[18] Il a surtout pris la forme d’une réhabili-tation du bâti, au gré d’une approche visantà remettre à niveau les quartiers en propo-sant des aides financières aux propriétaireset bailleurs sociaux.[19] Cette mobilisation s’effectue par le biaisd’associations d’habitants ou d’associationsde défense et de valorisation du patrimoine.[20] A notre connaissance, il n’existe pasd’évaluation chiffrée de la valeur marchandedu bâti à démolir. Les seuls indicateurs dis-ponibles correspondent aux montants despréemptions réalisées dans les copropriétésdégradées faisant l’objet d’une Déclarationd’Utilité Publique pour des projets de démoli-tion/reconstruction.[21] Voir le discours de Valéry Giscard d’Es-taing sur l’habitat individuel, en 1974 à Or-léans.

Bibliographie

AMPHOUX, P. (1998): La notion d’am-biance. Une mutation de la pensée urbaineet de la pratique architecturale. Rapport derecherche n°140, IREC, Lausanne.

BIDOU-ZACHARIASEN, C. (dir.) (2003): Re-tours en ville. Paris, Descartes & Cie.

BONNEVILLE, M. (2003): «Le renouvelle-ment urbain en France: innovation ou conti-nuité?», texte présenté à l’Université d’été Pa-trimoine et renouvellement urbain; enjeux devalorisation des métropoles, Pôle de Compé-tence en Urbanisme de Lyon, 8–12 septem-bre 2003, IUL/LYON 2.

BOURDIN, A. (1976): Sur quoi fonder lespolitiques du patrimoine urbain? Profession-

nels et citoyens face aux témoins du passé,Les Annales de la Recherche Urbaine, n°72,septembre 1996, pp. 6–13.

CHALINE, C. (1999): La régénération ur-baine. PUF, Coll. Que Sais-Je?, Paris,n°3496, 127 p.

CHOAY F. (1992): L’allégorie du patrimoine.Seuil, Coll. «La couleur des Idées», Paris,274 p.

COMBY, J. (2001): Savoir choisir une straté-gie de renouvellement urbain. Etudes fonciè-res, n° 89, janvier-février 2001, pp. 26–31.

CORNUEL D. (2001): Renouvellement ur-bain… à tout prix. Etudes foncières, n° 104,juillet-août 2003, pp. 20–21.

DONZELOT, J. (2004): La ville à trois vites-ses: relégation, périurbanisation, gentrifica-tion. Esprit, mars-avril 2004, pp.14–39.

GENESTIER, P. (2003): Pourquoi démolir lesgrands ensembles? Les Cahiers du CR-DSU,n° 38, automne 2003, pp.44–47.

GENESTIER, P. (2001): Concevoir l’espacecomme une ressource et non un carcan. Lescahiers du CR-DSU, n° 31-32, décembre2001, pp. 33–36.

GERMAIN, A. (1991): Le patrimoine urbain:une affaire de classes moyennes? Communi-cation, Entretiens Jacques Cartier, Lyon, dé-cembre 1991.

GRANGE, D.J.; POULOT, D. (dir.) (1997):L’esprit des lieux – le patrimoine et la cité.Presses universitaires de Grenoble, Greno-ble, 476 p.

KASZINSKY, M. (2002): Identifier et finan-cer les coûts du renouvellement urbain. Etu-des Foncières, n° 97, mai-juin 2002, pp.6–7.

LAMY, Y. (dir.) (1996): L’alchimie du patri-moine – Discours et politiques. Editions de laMaison des Sciences de l’Homme d’Aqui-taine, 532 p.

LENIAUD, J.M. (1992): L’utopie française. Es-sai sur le patrimoine. Mengès, Paris, 180 p.

LINOSSIER, R.; JATON, V. (2004): Les réci-tants du projet urbain: Territoires et tempora-lités. In: ZEPF, M. (dir.) Concerter, gouverneret concevoir les espaces publics urbains.PPUR, Collection Sciences appliquées del’INSA de Lyon, pp. 22–33.

LINOSSIER R., ZEPF M. (2002): «Renouvelle-ment urbain et Nouvelles Technologies d’In-formation et de Communication dans l’ag-glomération lyonnaise: état des lieux d’unsystème territorialisé d’action publique»,IUL/INSA – UMR 5600.

DISP 159 11 2004

Page 12: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

MESNARD, I.; PLASSARD, F. (2000): Faut-ildémolir les banlieues? Geocarrefour, vol.75, n° 2, 2000, pp. 165–174.

PAULHIAC, F. (2002): Le rôle des référencespatrimoniales dans la construction des politi-ques urbaines à Bordeaux et à Montréal.Thèse de doctorat, Bordeaux, Université deBordeaux, 395 p.

PELLETIER, J.; DELFANTE, Ch. (1989): Villeset urbanisme dans le monde. Masson, Paris,196 p.

PIRON, O. (2001): Les méthodes du renou-vellement urbain: approche systémique.CHARRE, A. (dir.): Les nouvelles conditionsdu projet urbain: critique et méthodes. Mar-daga, Sprimont, pp. 67–76.

PIRON, O. (2002): Renouvellement urbain:une analyse systémique. PUCA, Paris, 132 p.

PORTAL, E. (2002): La planification stratégi-que dans les collectivités locales françaises.LGDJ, Collection Décentralisation et dévelop-pement local, Paris, 325 p.

ROUSSEL, F.X. (1997): La ville renouvelée.Urbanisme, n° 296, sept./oct. 1997, p. 75.

VESCHAMBRE, V. (2002): Une mémoire ur-baine socialement sélective, réflexion à tra-vers l’exemple d’Angers. Les Annales de laRecherche Urbaine, n° 92, septembre 2002,pp. 65–74.

Rachel LinossierInstitut d’Urbanisme de Lyon14 avenue BerthelotF-69007 [email protected]

Sarah RusseilLaboratoire RIVES – ENTPErue Maurice AudinF-69120 [email protected]

Dr. Roelof VerhageInstitut d’urbanisme de Lyon14 avenue BerthelotF-69007 [email protected]

Dr. Marcus ZepfChercheur ass. CNRS – UMR 560024 rue boileauF-69006 [email protected]

DISP 159 12 2004

Page 13: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

A n a s t a s i a L o u k a i t o u - S i d e r i s , R o b e r t G o t t l i e b

The Day that People Filled the FreewayRe-Envisioning the Arroyo Seco Parkway and the Urban Environment in Los Angeles

Los Angeles is a city shaped by its free-

way system. Superimposed on the physi-

cal and social landscape of the city, the

freeways have tended to split and de-

stroy the fine grain of residential neigh-

borhoods. The design and implementa-

tion of the freeway system exemplifies

the dictum of top-down planning, envi-

sioned by transportation engineers and

city fathers with little or no input from the

affected communities. Emblematic of this

treatment of the urban landscape is the

“first freeway of the west,” the historic

Arroyo Seco Parkway in Los Angeles. Lo-

cated within the Arroyo Corridor, the

freeway includes in addition to the trans-

portation artery, a sub-watershed of the

Los Angeles River, which has also been

channelized and built upon. The article

discusses recent grassroots efforts that

offer a “counter-strategy” to the narra-

tive of hegemonic, top-down planning,

by allowing participation, input and ac-

tion from the neighboring communities.

The goal is nothing less but to make the

freeway a connector rather than a sepa-

rator of the diverse neighborhoods along

its banks and to craft a core strategy for

urban environmental renewal in a region

long characterized as hostile to environ-

mental goals.

IntroductionIt was Saturday, May 29, 2004. Thesun was burning the asphalt of the Ar-royo Seco Parkway, the major trans-portation artery of Northeast Los Ange-les, which connects the city’s downtownto the suburban center of Pasadena tothe north. Cars were zooming their waythrough the concrete freeway channel.Drivers and passengers enclosed intheir metal cocoons were mostly un-aware of the neighborhoods on eitherside of the freeway embankments. Sud-denly, flashing red lights and sirens star-tled the motorists, interrupting the mo-notony of the freeway landscape. A po-

lice chase! As was revealed hours later,the police, in typical Hollywood fash-ion, were hounding some bank robbers.In the havoc that followed the freewaywould be shut down and motoristswould be stranded in their cars, help-lessly watching the freeway becometransformed into a vast parking lot in amatter of minutes.

“Sig-alerts” are unique to SouthernCalifornia. The term was introduced inthe 1940s when the Los Angeles PoliceDepartment used to alert a local radioreporter, Lloyd Sigmund, of traffic emer-gencies on the regions’ freeways. To-day, they have become part of an urbanroutine for Angelenos, who often findthemselves entrapped in their cars be-cause of a sig-alert. But while that day’ssig-alert on this stretch of freeway couldbe characterized as typical, the scenethat unfolded was not. A few minutes af-ter the cars were forced to stop to giveway to the police investigation that en-sued, a mariachi band with guitars anddrums suddenly appeared on the free-way pavement. The musicians, whowere also trapped in their car, had de-cided to come out and offer free enter-tainment to a captive audience. In amatter of minutes magic had overcomethe dreary freeway landscape, as hun-dreds of people were rhythmicallyswinging and clapping to the tunes of“La Cucaracha.” Ice cream and watervendors, who also sensed a captive(and thirsty) audience, trickled downfrom the neighborhoods bordering thefreeway, while some bikers did not missthe opportunity to swing their waythrough the parked cars, up and downthe freeway.

This unplanned incident marked thesecond time that people rather than carshad gained the center stage on the Ar-royo Seco Parkway. Less than a yearearlier, on June 15, 2003, more than3,000 bike riders and several thousandwalkers descended on the freeway, aspart of an event called ArroyoFest. Thisplanned occupation of the freeway was,as its organizers put it, part of abroader agenda for building capacityand connecting the diverse communitiesalong the Arroyo Seco corridor and forrethinking the roles of the oldest freeway

in the West and the stream that onceupon a time used to cross it (UEPI2003). By closing the freeway for fourhours, bikers and walkers who rode andstrolled on the freeway and attended acommunity festival, participated in a“magical moment” for Southern Califor-nia, as several of those attending char-acterized it (UEPI 2003). ArroyoFest inturn was seen as contributing to the de-velopment of the next stage of a com-plex history that encompassed the evo-lution of the parkway that became afreeway, the stream that became a con-crete channel, and the communities theyintersected. The event was also associ-ated with a number of initiatives focusedon transportation, river restoration, andthe urban environment designed to pro-mote an agenda of community and en-vironmental renewal.

More than any other city in the world,Los Angeles has come to be symbolizedby its freeways. As the most monumen-tal human-made structure in the Los An-geles basin the freeway network has de-termined a particular spatial order andorganization of the city’s urban form.Freeways have managed to transportpeople and goods and link points of ori-gin with points of destination. But whenthey were superimposed on the smaller,finer grain of residential neighborhoodsthey tended to split and destroy them.

In outlying city areas, the superimpo-sition of the freeway grid on the land-scape has epitomized the completedomination of the “urban” over nature.In a process of urbanization, expan-sion, and unfettered growth, city fathershave often treated nature as a threaten-ing “other” to be contained, diminished,and built upon (Keil 1998a). Thus, thecity has been associated with the loss ofnatural habitats and open space andthe laying of asphalt and concrete in anever-expanding process of urbanizationand sprawl. Emblematic of that loss hasbeen the channelization of the Los An-geles River and its Arroyo Seco tributarystream that cut through the heart of theurbanized region in a north-south direc-tion.

Two seminal books about Los Ange-les, Mike Davis’s City of Quartz (1990)and Roger Keil’s Los Angeles: Global-

DISP 159 13 2004

REFEREED

Page 14: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

ization, Urbanization, and Social Strug-gles (1998b), eloquently detail the oftenhegemonic narrative that has sought tosubdue nature but also define the politi-cal and physical landscape of the city.The municipal government and privatesector have most often exercised a “top-down” approach to city developmentthat has not left much room for commu-nity input. The superimposition of thefreeway network over the city neighbor-hoods and the channelization of the LosAngeles River represent expressions ofthis hegemonic narrative. But Keil alsorefers to an alternative emerging narra-tive, a civil society coalition of grass-roots groups (environmentalists, commu-nity and political activists, churches,and labor unions) which sometimes fightfor “counterstrategies” to urban devel-opment.

The essay that follows presents such a“counterstrategy” which suggests alter-native and “bottom-up” ways of revital-izing elements of the built environment.The article starts with the evolution andtransformation of the region’s oldestfreeway, and proceeds to detail grass-roots efforts to re-envision it, not as aseparator or destroyer of neighbor-hoods, but as a connector that stitchesneighborhoods together and buildscommunity. It also looks at efforts to re-envision the Arroyo Seco stream andLos Angeles River as a core strategy forurban environmental renewal in a re-gion long characterized as hostile to en-vironmental goals (Davis 1996, Keil1998b).

The Trailway that Became a ParkwayThe Arroyo Seco Parkway traverses anarea that has a special place in South-ern California’s cultural, environmental,and transportation history. In the early1900s, the Arroyo’s sycamore-shadedcanyon was at the center of the arts andcrafts movement in California and at-tracted a renowned group of writersand artists who played a central role incrafting an image of Southern Califor-nia as a place of renewal and promise,an image that drew thousands to theSouthland and reshaped the region. Thearts and crafts movement thrived in part

because of its embrace of the naturallandscape of the Arroyo.

The sense of place of the Arroyo land-scape had also been associated withthe notion of an Arroyo transportationcorridor following the path of a streambed. A sandy trailway connecting thevillages of Tongva Indians, the Arroyohad been recognized by the first Span-ish settlers as the most direct route fromthe administrative center of the Los An-geles pueblo to the most importantchurch in the region, Mission SanGabriel (Henstell 1985). A logical anddirect pedestrian route, this ancientroadway was to be adapted to speediermeans of transportation, first of horsewagons, then bicycles, and finally auto-mobiles.

A route connecting downtown Los An-geles to Pasadena, and even further –linking the mountains to the sea – hadbeen talked about since 1895 (Morri-son 1990). In 1900, the first vehicletraffic plan catering to the “mechanicalmarvel of the day: the bicycle” openedthrough the Arroyo (Henstell 1985).Then Pasadena Mayor, Horace Dob-bins, began work on “the Cycleway,”which would have linked Pasadena withLos Angeles. This bicycle path on an el-evated, multi-lane, wooden structureprovided grade separation and is nowregarded as a precursor of the park-way. But the path was only partly con-structed and never fully completed be-cause of lack of funds.

Visions of a scenic transportation cor-ridor reappeared throughout the earlypart of the 20th century. Discussion anddebate about a roadway continued wellinto the 1910s and 1920s, influencedby the national impetus for the buildingof parkways. These discussions oftencrystallized into specific proposals andplans. A 1911 drawing by Laurie

Davidson Cox depicts the existing LosAngeles parks linked by a series of newor enhanced roadways. One of theseroadways would connect the northeastcorner of Elysian Park to the southeastreach of an Arroyo Seco Parkway (Hiseand Deverell 2000). The 1913 pro-posal for an Arroyo Seco Parkway bythe Los Angeles Parks Commission alsoenvisioned a metropolitan parkwaythrough the cities of Los Angeles, SouthPasadena, and Pasadena to the moun-tains of the National Forest Reserve (LosAngeles Parks Commission 1913). The1924 Major Street Traffic Plan for LosAngeles by Olmsted, Bartholomew, andCharles H. Cheney proposed the firstgrade-separated parkway following theArroyo Seco from Pasadena to Los An-geles, and was modeled after the subur-ban parkways of New York (Wachs1996).

In 1930, a report, entitled Parks, Play-grounds and Beaches for the Los Ange-les Region, was presented to the Los An-geles Chamber of Commerce, whichhad commissioned the study by notedplanners Frederick Law Olmsted Jr. andHarlan Bartholomew. The Olmsted/Bar-tholomew Plan, as it came to be known,provided a comprehensive overview ofthe loss of open space and the need formore park development and transporta-tion planning that would enhance ratherthan undermine the creation of newpark lands and open space corridors inthe region. The Arroyo figured promi-nently in the Olmsted-Bartholomew Plansince the Pasadena-Los Angeles trans-portation corridor that paralleled thecourse of the Arroyo Seco stream, andadjacent parkland provided a signifi-cant opportunity for the elaboration andimplementation of the approach advo-cated by the report. A dedicated park-way that ran parallel to the stream

DISP 159 14 2004

Fig.1: Postcard of the Arroyo Seco Parkwayin 1942.Source/Credit: Arroyo Seco Foundation

Page 15: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

(which in turn fed into the Los AngelesRiver) was conceived as an extension ofthe strategy of park and open space de-velopment. The Olmsted-Bartholomewdocument elaborated on the parkwayconcept that had emerged in severalEastern cities during the 1920s as wellas concepts about watershed planningthat encouraged the use of parks andopen space adjacent to urban streamsand rivers as a type of urban flood man-agement strategy. Through a series ofdetailed planning ideas and recommen-dations, the Olmsted-Bartholomew Planprovided a radical interpretation of theappropriate next stage in Los Angeles’land use development which had up tothen resembled more of a chaotic, mar-ket-driven series of real estate specula-tions (Hise and Deverell 2000). How-ever, this plan, made public just as theDepression was gaining momentum,was never embraced as such, due partlyto Depression-era funding constraints aswell as Los Angeles’ continuing love af-fair with unregulated real estate devel-opment. While parts of the Plan, such asthe development of a regional system of dedicated roadways, were imple-mented, the result was L.A.’s vast free-way grid, an outcome that was dramati-cally different from the Olmsted-Bar-tholomew vision of parkways enhancingrather than bulldozing through the sur-rounding communities and natural land-scape.

The Arroyo Seco Parkway that startedoperating in 1940 was a product of anera that gave prominence to speed andefficiency. The 8.2-mile parkway wasthe first grade-separated, limited ac-cess, high-speed divided road in thewest, and combined the best traditionsof parkway design with engineering in-ventiveness and technological innova-tion. Designed as a roadway where theingress and egress from abutting prop-erty was prohibited, where all crossingswere separated, and all left turns wereprevented, the parkway allowed for un-interrupted movement of vehicles andtransportation efficiency.

Consistent with the dictums of earlyparkway planning the Arroyo SecoParkway at first offered driving pleasureto motorists by exposing them to the sce-

nic beauty of the surrounding land-scape. Existing parklands were en-hanced by the planting of approxi-mately 4,000 plants of various vari-eties, which were selected and placedso that “a brilliant showing of colorwould be maintained throughout theyear” (Cortelyou 1940:9). A major pro-gram of roadside beautification elimi-nated billboards, advertisements andother objects of commercial blight. Toenhance the pleasure of the ride engi-neers adjusted the road’s contours to fitthe landscape, installed “rustic” rails onrubble parapet walls and wooden rail-ings along on- and off-ramps (HistoricAmerican Engineering Record 1999).

From Parkway to FreewayAs times were changing fast, the goal ofefficiency quickly overshadowed that ofaesthetic delight. In the 1950s the na-tion witnessed the first decade of an eradominated by traffic engineering. Thepassage of the Federal Highway Act of1956 led to the building of 43,000miles of utilitarian roads, including2,175 miles within city limits (Seely1987). Multi-lane freeway systems thatcould move people and goods at higherspeeds were superimposed over theland with little or no attention to aesthet-ics, scenic pleasure, community values,or environmental impacts. Decked over-passes supplanted the decorated stonebridges. Wooden rails and sculptedroadside surfaces gave way to concretesound walls, and the gently windingroadway lanes were replaced by flatand curveless ribbons (Leccesse 1989).Parkways, considered products of a by-gone era, quickly lost favor among traf-fic engineers. The adjustment of park-ways to the freeway era has been prob-lematic at best, as they were designedfor different capacities (fewer cars), dif-ferent speeds (slower vehicles), and dif-ferent objectives (visual connection andrecreational driving).

Already by 1940, at the time of itsdedication, the Arroyo Seco Parkway,with its crucial goal of aesthetic appealand connection to a natural landscape,began to be redefined by the new lan-guage of freeway identified as “route”rather than “connection to place.” This

included its more concentrated focus onspeed, traffic volume, uninterruptedtravel, and efficiency. The program pre-pared for the dedication ceremony em-phasized that the parkway would be-come “the first completed unit of the pro-posed system of modern express high-ways which is absolutely essential inthis, the fastest growing and most con-gested metropolitan area in the West, toprovide for the safe and expeditioushandling of traffic” (Cortelyou 1940:9).

The shift in transportation planningwas particularly pronounced. Alreadyby 1940, proponents of an auto-centrictransportation system would declarethat “in highways lies a new nationalfrontier for the pessimist who thinks fron-tiers have disappeared.” (Rose 1979:1)The change to the freeway system thatemerged during the1950s was partly achange that elevated the automobile asthe dominant mode of transportationand therefore identified the need for acomprehensive and interconnected sys-tem of freeways.

This shift had two major conse-quences. On the one hand, it thoroughlyundermined proposals made by variouspublic transportation advocates duringthe 1920s and 1930s to establish alinked transportation system that in-cluded parkways, rail (including a railsystem along the median strip of a park-way), bus, and even bike commute. Asthe parkway gave way to the freewayand the stream and river it fed into be-came channelized, the goals of the“pleasure drive” and connection toplace became even more problematic.New freeways were straightened in or-der to maximize speed and efficiency.Their locations were determined in rela-tion to an interconnected grid systemthat paralleled the old interurban routesand the emerging real estate specula-tion and growth patterns of the regionwhile paying little if any attention to thesurrounding landscape and even exist-ing built environments.

The Stream and the River thatBecame Concrete Flood ChannelsThe Arroyo’s environmental history canbe traced in the transformation of thestream that runs through it. The Arroyo

DISP 159 15 2004

Page 16: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

Seco stream, a 46.6 square mile water-shed tributary to the Los Angeles River,has long been considered one of South-ern California’s greatest natural re-sources. From high in the San GabrielMountains north of Pasadena, the Ar-royo Seco stream still flows freely until itleaves the mountains and enters the ur-banized segment of the Arroyo. In thisurban stretch the stream meets the free-way for the last six miles of its journeybefore emptying onto the broad con-crete plain of the Los Angeles River, nextto the rail yards and overpasses justnorth of downtown Los Angeles.

Prior to its urban stretch becomingchannelized in the late 1930s, the Ar-royo’s waters flowed with trout. Willowand sycamore trees grew along itsbanks providing habitat for aquatic lifeand birds. Earlier generations of TongvaIndians and European settlers were in-spired by its beauty, and lived partly offits bounty. Raging floods occurred butthey tended to be absorbed by the agri-cultural lands or open spaces thatabutted the stream.

Arroyo Seco means “dry gulch,” butthe stream could swell tremendously dur-ing winter storms. The periodic floodingof the Arroyo stream and the Los Ange-les River became a significant policyconcern as more of the adjacent agri-cultural and undeveloped lands hadturned into residential and commercialdevelopment and were subject to devas-tating impacts from the floods. In 1930the aforementioned Olmsted-Bartholo-mew Plan proposed to respond to thethreat by building parkways and park-lands as a flood management tool forthe Arroyo Seco stream and L.A. Riverwatershed. But by the 1940s, as park-ways became freeways, the idea ofparklands absorbing flood waters gaveway to a very different notion of how totame the flood waters that would peri-odically come rushing down the moun-tains. The region’s leaders and federalengineers decided to channelize theriver by lining with concrete the streambed of the lower Arroyo and ultimatelychannelizing as much of the 51-mileriver as possible, except in three sec-tions of the river where the undergroundwater table was too high.

Over the next several decades, the Ar-royo Seco stream, particularly in its ur-ban stretch, was transformed into astraightened concrete funnel. Tributarieswere encapsulated or diverted intoburied pipes. These changes, combinedwith the dams of the Upper Arroyo, inturn altered the hydrology and ecosys-tems of the Arroyo watershed. Like theLos Angeles River itself, the stream be-came a mass of concrete jutting. Alongwith the freeway that had been builtabove the stream through diverse neigh-borhoods and park lands, Arroyo resi-dents began to lose the connection to asense of place that the Arroyo had onceprovided. And the development of aflood control strategy that poured con-crete into stream beds created a visualeyesore. The channel that had oncebeen a stream became a landscape de-fined more by danger and violence foradjacent neighborhoods whose resi-dents were taught to keep away ratherthan appreciate what had previouslybeen part of and helped define theircommunities. Similarly, the channeliza-tion of the L.A. River created a type ofbarbed-wire danger zone through manyof the working class and low-incomeneighborhoods it crossed, transformingthe river itself into a type of “water free-way,” as its engineer managers de-picted it (Henning 1958).

What had happened? How had thevision of greenbelts, inventive floodmanagement strategies, and pleasuredrives become transformed into uglyconcrete channels and high-speed free-ways; changes that would ultimately de-fine contemporary transportation designand planning and flood control ap-proaches? These approaches in turnwould contribute to the sprawling landuse patterns, including the continuingresidential and commercial develop-ment along the flood plains of the Ar-royo Seco and L.A. River, and the cre-ation of what came to be known as the“automobile suburbs.”

Diverse – and DisconnectedCommunitiesThe Arroyo Seco corridor, following thepaths of the freeway and the concrete

channel, is bordered by a wide rangeof diverse communities. These includethe Upper Arroyo cities of Pasadena,South Pasadena, La Cañada-Flintridge,and the unincorporated area of Al-tadena. These in turn link to the commu-nities of the Lower Arroyo which consistsof the neighborhoods of Northeast LosAngeles, including all or parts of thecommunities of Chinatown, CypressPark, Eagle Rock, Garvanza, GlassellPark, Hermon, Highland Park, LincolnHeights, Montecito Heights, MontereyHills, and Mount Washington.

Today, Arroyo residents mirror the di-versity of the Southern California re-gion. According to the 2000 Census, ofthe nearly six hundred eighty thousandresidents of Arroyo communities, about47 percent are Latino, 27 percent areWhite, 15.5 percent are Asian, and 7percent are African American. The Ar-royo continues to welcome new arrivals,as it has for more than a century, withforty two percent of Arroyo residentsborn outside of the United States (U.S.Census Bureau 2001a). Arroyo Secocommunities are also economically di-verse. Per-capita income across the en-tire Arroyo was $21,268 in 1999 – afew hundred dollars more than the aver-age income of Los Angeles County as awhole. Income varies within the Arroyo,ranging from less than $10,000 in theleast affluent zip code to more than$60,000 in the wealthiest (U.S. CensusBureau, 2001b).

Despite its diverse communities andrich history, the area has suffered fromlack of political clout and limited atten-tion by policymakers, internal bickeringbetween cities and between neighbor-hoods, and class and cultural tensionsthat have mirrored broader tensionswithin Southern California as a whole.Nevertheless, Arroyo communities havegenerated an active civic life andspawned a number of political and en-vironmental coalitions and civic move-ments that have focused on opportuni-ties for community and cultural renewal.

For these movements, the freeway andthe concrete channel came to symbolizethe myriad of problems facing the corri-dor and the region as a whole. For one,the fabled notion of freeway efficiency

DISP 159 16 2004

Page 17: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

has largely disappeared from the publicdiscourse. While the Arroyo Seco Park-way had been viewed in the 1940s as amodel for roadway design, sixty yearslater it has become plagued by a num-ber of problems, often cursed by thosewho have to enter its dangerous rampsor sit through its congested traffic. Orig-inally built to carry 27,000 automobilesper day at 45mph, the parkway carriestoday an average daily traffic of over130,000 cars (at its southern end). Con-gestion in fact can be found on the park-way during many times of the day andevening. Originally built for a leisurelydrive, the parkway has only three rathernarrow lanes on each bound. Given thegreater volume of vehicles, higherspeeds, and high volume of accidentsthat can trigger horrendous traffic jamsand sig-alerts, bottlenecks are a dailyoccurrence for what has become themain thoroughfare connecting Pasa-dena to downtown Los Angeles (Lou-kaitou-Sideris and Gottlieb 2003).

Making Change HappenRiver and Stream RestorationDespite the enormity of the problems as-sociated with the dominance of the free-way system and the flood control ap-proach towards urban river and streammanagement, efforts to contest thesesystems began to take root in the 1980sand 1990s. From the 1940s when it began to be channelized up through the 1980s, the Los Angeles River wasconsidered a bleak, hostile place, aconcrete channel fenced off from its surrounding neighborhoods. It was ariver that had been straightened and(presumably) tamed. But led by a poet and performance artist namedLewis MacAdams, a new organization,Friends of the L.A. River (FoLAR) wascreated whose initial goal was simply toinsist that the L.A. River was indeed ariver. MacAdams attracted like-mindedartists, planners, architects, designers,and neighborhood activists to his cham-pioning of his “40 year art project” tobring the river back to life and re-estab-lish a connection to the river as a placeto be valued (Gottlieb 2001).

By the late1990s, as this effort to re-

claim and re-envision the L.A. Riverspread and made cause with other ur-ban river renewal movements aroundthe country, MacAdams and his alliesextended their river advocacy to ad-dress issues of community change. Anumber of new players became in-volved in river advocacy who were asmuch if not more interested in neighbor-hood than river revitalization. Alongwith a host of Asian and Latino neigh-borhood advocates, as well as environ-mental groups and public interestlawyers, these community/environmen-tal advocates launched a battle againsta powerful developer over a plan to de-velop warehouses and light industry ina large undeveloped lot adjacent to theriver at the southern edge of the ArroyoSeco corridor. The site, known as theCornfield over its earlier agricultural his-tory, bridged Chinatown with Latinoneighborhoods just north and east ofdowntown Los Angeles. Employing tra-ditional as well as unconventional strate-gies, the Cornfield fight became em-blematic of the power of a new commu-nity-environmental alliance in Los Ange-les and its desire for an urban environ-mental renewal (Kibel 2004). The al-liance claimed success when the devel-oper eventually sold the site to the Stateof California for the establishment of anew park.

Movements to restore the ArroyoSeco, drawing on the rich cultural andnatural history of the Arroyo and specialplace of the Arroyo Seco stream, alsobegan to meet during the 1990s to ad-vocate for a program of stream restora-tion. In the late 1990s, two localgroups, Northeast Trees and the ArroyoSeco Foundation, undertook a water-shed analysis of the Arroyo Seco, andhosted community meetings to discusspossible stream restoration and relatedurban greening strategies of the Arroyo.Prompted by the Arroyo Seco’s uniqueblend of natural and urban characteris-tics and the advocacy of the environ-mental and community groups, the Cali-fornia Resources Agency declared theArroyo in 2001 one of ten model water-sheds for the state of California (Califor-nia Resources Agency 2001). Restora-tion strategies remained difficult and

complex undertakings, however, givenlong standing engineering biasesamong key agencies involved and re-sistance from private groups who feltthat restoration impacted their plans fordevelopment. Nevertheless, significantmomentum had developed in the ArroyoSeco to identify a strategy for renewaland recapture some of the landscapeand cultural values that had once madethe Arroyo one of the most attractive lo-cations in the Western U.S.

Re-Envisioning the Arroyo Seco CorridorParallel to the previously outlined en-deavors to reclaim the stream and riveras natural elements in the city, an effortto reinstate some of the original valuesof the parkway was also being formed.By the turn of the 21st century, the drivealong the Arroyo Seco Parkway had be-come as unsafe and unpleasurable inbumper-to-bumper congested traffic asany freeway in southern California orfor that matter in any urban region, a farcry from the pleasure ride it was origi-nally designed for. As a consequence, anumber of community residents beganto pressure local elected officials, theCalifornia Department of Transporta-tion, and other policymakers, to exploredifferent transportation strategies, in-cluding ways to recapture the parkwayvision. Shortly before the ArroyoFestevent took place in 2003, some of thismomentum for change began to trans-late into specific policy innovations.With respect to the freeway, communitygroups succeeded in getting it desig-nated as an American Civil EngineeringLandmark, with the federal governmentalso providing it with National ScenicByway status. Traffic calming concepts,including the idea of reducing speedlimits and restructuring lane approachesto exits and entrance-ways, started being explored (Loukaitou-Sideris andGottlieb 2003).

The introduction of alternative trans-portation strategies that are not auto-centric and can relieve the traffic con-gestion on the parkway took effect withthe inauguration of the Gold Line in July2003, a light rail line paralleling the Ar-

DISP 159 17 2004

Page 18: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

royo Seco Parkway. At the same time,Los Angeles County planners are ex-ploring the possibility of a bikeway sys-tem paralleling the channel.

The momentum for change aroundtransportation paralleled and in a num-ber of respects intersected with effortstowards stream and River renewal. Sim-ilar to the dialogue with the transporta-tion engineers, watershed planning andstream restoration advocates were alsoable to convince the Army Corps of En-gineers to explore alternative flood man-agement strategies above and beyondtheir traditional “pour the concrete” ap-proaches. These include strategies forcontrolling floods that work more closelywith the Arroyo’s natural flow. Watercould be retained where it fell on theground, the advocates argued, by pro-viding pervious surfaces that allowedthe water to percolate into the ground,rather than running off into the channelsor diverting it at points along the streaminto constructed wetlands and retentionareas. Although removing concretewould not be practical in all spots alongthe Arroyo, especially where there arestructures close to the stream, some ar-eas could be naturalized, helping theArroyo experience at least a partial re-birth as a more natural canyon andstream (Northeast Trees and ArroyoSeco Foundation 2002).

The renewed attention to transporta-tion and watershed issues comple-mented a rebirth of community activismabout social, cultural, and economic is-sues throughout the Arroyo corridor.New affordable housing groups, com-munity garden advocates, communityhealth organizations, and innovative

job training programs provided a newtype of civic life to the corridor as well(UEPI 2003).

Each of these forms of activism – trans-portation, watershed, and communitydevelopment – became part of the mes-sage associated with the ArroyoFestevent introduced at the beginning of thisarticle. ArroyoFest heightened this no-tion of re-envisioning the Arroyo Secoand reestablishing a sense of place. Asan ArroyoFest participant wrote: “Ar-royoFest went beyond our expectationsabout creating a linear temporary plazawhere the community could come to-gether. It struck a chord in L.A. wherepeople from all walks of life were ableto experience a peaceful and silent free-way. Elderly women with parasols,Latino families, hipsters, and just regularfolks were there. ArroyoFest suggestedthat even a car-oriented city like L.A.can change its ideas about freeways”(James Rojas, Latino Urban Forum,email correspondence, June 16, 2003).

Both the bike riders, walk partici-pants, and residents adjacent to thefreeway also noted how uniquely silentit was that morning and how much ap-preciation and connection to the greenspace and natural surroundings of theArroyo was possible. One participantnoted that while he knew that parkslined the Parkway, “seeing and experi-encing them as I went by was magical. Icould feel the cool air coming out of thetree-covered parks. I always knew theParkway was built to be beautiful, butseeing it at the appropriate speed clari-fied my vision.” One of the speakers atthe Community Festival who lived closeto the freeway in Highland Park spoke

of how disorienting – and liberating – itwas to “open my window in the morn-ing and hear birds and the wind andbreathe the air in a way I had never ex-perienced before.” (UEPI 2003:9)

Several of the events that took placethat day separate from the walk andbike ride emphasized a connection tothe Arroyo and the need to redefine andrecapture “nature in the City.” One tourtook participants to the nearby DebsPark where the Audubon Society has es-tablished its first major inner city parkand nature education program. Duringthis event, several participants (includ-ing those who lived nearby) exclaimedthat they had not previously been awareof the park and the opportunities for“nature exploration” associated with it.One of the local leaders of Environmen-tal Defense, a major national environ-mental organization, participated inone of the walks with several friends, in-cluding the 12-year old daughter of afamily that lived in a nearby neighbor-hood. “There was a quite extraordinarymoment that symbolized to me thepower of ArroyoFest,” the environmen-tal leader told ArroyoFest organizers.“My friend’s daughter was walking withus and at one point let out a shriek.‘That’s a passion flower,’ she cried out,pointing to a delicate flower growingalong the edge of the freeway. ‘I knowit, because I studied it, but I neverthought I’d actually see one!’” (UEPI2003)

ConclusionIn an early essay Michael Walzer(1986:470) detailing the “pleasures andcosts of urbanity” described two kinds of

DISP 159 18 2004

Fig. 2: Bikers riding on the parkway duringArroyoFest.Source/Credit: Tony Lin

Fig. 3: A young biker at ArroyoFest.Source/Credit: Teresa Ojeda

Fig. 4: Activities at ArroyoFest.Source/Credit: Joan Dooley

Page 19: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

spaces: single-minded spaces, designedby planners, engineers, or entrepreneurswith one thing in mind, and used bysimilarly single-minded citizens, andopen-minded spaces, designed for a va-riety of uses by citizens who do differentthings and are even prepared to tolerate,even take an interest in things they do notdo. The re-envisioning of the ArroyoSeco Parkway by community groups, en-vironmental activists, transportation plan-ners, and academics intends nothing lessbut to convert the Arroyo-Seco Parkwayfrom a single-minded space which is de-voted only to automobile traffic and cutsoff and separates adjacent neighbor-hoods to an open-minded space whichviews the corridor as embedded in itssurrounding environmental, social, andcultural context.

ArroyoFest and the different initiativesthat seek to re-envision the Arroyo SecoParkway are reflections of what RogerKeil (1998a) calls “popular civility” – acounterstrategy that unites differentgrassroots groups to explore alternativesto the dominant transportation and floodcontrol systems of the city. These initia-tives provide an opportunity for peoplefrom across the area to show their sup-port for more parks, alternative trans-portation systems, healthy urban streamsand rivers, a greater appreciation of lo-cal history and diverse neighborhoodsworking together for a better quality oflife. ArroyoFest, in particular, struck acultural chord in freeway-centric South-ern California in its argument that other,more community-centered systems andpolicies could conceivably be withinreach. Perhaps most impressively, Arroy-oFest provided a connection to a rich butoften neglected history of landscapesand communities that had once provideda special connection to place within therapidly changing Southern California ur-ban environment, but whose voices hadbeen effectively silenced by the hege-monic conception of projects that de-fined the form of the city.

Acknowledgment

This study was partly funded by a grant fromthe University of California TransportationCenter.

Bibliography

CALIFORNIA RESOURCES AGENCY (2001):Governor Davis Praises Creation Of Break-through Watershed Task Force: Top Ten Wa-tershed Protection Projects in State Recog-nized, October 5.

CORTELYOU, S.V. (1940): Men, Steel andConcrete Work Miracles in the Arroyo Seco,The Arroyo Seco Parkway Dedication Cere-monies Program.

DAVIS, M. (1990): City of Quartz. Lon-don/New York: Verso.

DAVIS, M. (1996): How Eden Lost its Gar-den: A Political History of the Los AngelesLandscape. In: SCOTT, A.J. and SOJA, E.(eds.) The City – Los Angeles and Urban The-ory at the End of Twentieth Century. Los An-geles: University of California Press.

GOTTLIEB, R. (2001): Environmentalism Un-bound – Exploring New Pathways forChange. Cambridge: MIT Press.

HAER Historical American EngineeringRecord (1999): Arroyo Seco Parkway, No.CA-265.

HENNING, L. (1958): Concrete Lining for aRiver Channel. In: Western ConstructionNews, February 1958.

HENSTELL, B. (1985): Happy Birthday, DearFreeway. In: Los Angeles Magazine, Decem-ber 1985.

HISE, G. and DEVERELL, W. (2000): Eden byDesign – The 1930 Olmsted-BartholomewPlan for the Los Angeles Region. Berkeley:University of California Press.

LECCESSE, M. (1989): Roadways Recov-ered. In: Landscape Architecture, April1989.

KEIL, R. (1998a): Los Angeles – Globaliza-tion, Urbanization and Social Struggles.New York: John Wiley and Sons.

KEIL, R. (1998b): Greening the Polis or Polic-ing Ecology? Local Environmental Politicsand Urban Civil Society in Los Angeles. In:FRIEDMANN, J. and DOUGLASS, M. (eds.)Planning and the Rise of Civil Society. Lon-don: Wiley.

KIBEL, P. (2004): Los Angeles’ Cornfield – AnOld Blueprint for New Greenspace. In: Stan-ford Environmental Law Journal.

LOS ANGELES PARKS COMMISSION(1913): Arroyo Seco Parkway: A Brief Dis-cussion of the Proposal and its Relation to aBoulevard from the Mountains to the Sea.

LOUKAITOU-SIDERIS, A. and GOTTLIEB, R.(2003): Putting Back the Pleasure in the Drive

– Reclaiming Urban Parkways for the 21stCentury. Berkeley: University of CaliforniaTransportation Center.

MORRISON, P. (1990): 50 Years of MovingHistory. In: Los Angeles Times, December 21,1990.

NORTHEAST TREES AND THE ARROYOSECO FOUNDATION (2002): Arroyo SecoWatershed Restoration Feasibility Study, Vol-ume 1, Project Report.

ROSE, M. (1979): Interstate: Express High-way Politics, 1941–1956. Lawrence,Kansas: The Regents Press of Kansas.

SEELY, B. (1987): Building the AmericanHighway System. Philadelphia: Temple Uni-versity Press.

URBAN AND ENVIRONMENTAL POLICY IN-STITUTE (2003): The ArroyoFest Project –Building Capacity and Connecting DiverseCommunities. Los Angeles: Occidental Col-lege.

U.S. CENSUS BUREAU (2001a): Profile ofGeneral Demographic Characteristics, Cen-sus 2000, Summary File 1.

U.S. CENSUS BUREAU (2001b): Profile ofGeneral Demographic Characteristics, Cen-sus 2000, Summary File 3.

WACHS, M. (1996): Images of Past Policiesand Future Prospects. In: SCOTT, A. J. andSOJA, E.W. (eds.) The City. Berkeley: Univer-sity of California Press.

WALZER, M. (1986): Public Space – Plea-sures and Costs of Urbanity. In: Dissent,33:4, pp. 470–475.

Prof. Anastasia Loukaitou-SiderisUCLA School of Public AffairsDepartment of Urban Planning3250 Public Policy BuildingBox 951656Los Angeles, CA [email protected]

Prof. Robert GottliebUrban and Environmental Policy InstituteMail Stop M-1Occidental College1600 Campus RoadLos Angeles, CA [email protected]

DISP 159 19 2004

Page 20: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

F r a n z i s k a L e h m a n n , P e t e r A c h e

Branded SpacesWerbung im öffentlichen Raum

Mega-posters (UK: hoarding, US: bill-

boards) attached to buildings are the

most obvious signal of the increased

commercialization of public spaces. In

their research, the authors look at the

current situation in Germany regarding

the scale and scope of the distribution of

large advertisements. The central ques-

tion for this research was: How does pub-

lic planning respond to these new for-

mats and are there any conflicts between

the actors? The latter seems to occur quite

regularly, judging from the number of

court cases in which the advertising in-

dustry struggles with public planning in-

stitutions, and vice versa. The article first

develops the authors’ motives for the re-

search. Thereafter, some theoretical as-

pects of mega-posters and public space

are developed and the empirical results

derived from a database with informa-

tion on the locations of advertisements

and a postal questionnaire send out to all

German cities larger than 200,000 in-

habitants are presented. Finally, an in-

terim conclusion is provided because the

research is still in process.

1. EinleitungGrossflächige Werbeposter an Gebäu-den sind derzeit wohl das auffälligsteZeichen einer fortschreitenden Kommer-zialisierung des öffentlichen Raumes. Ineinem laufenden Forschungsprojekt set-zen sich die Autoren mit den Er-scheinungsformen und dem Ausmassdieser Art der Werbung in Deutschlandund anderen Teilen Europas auseinan-der. Zu beantworten ist hierbei u.a. dieFrage, wie von Seiten der öffentlich-rechtlichen Planung auf grossformatigeWerbung reagiert wird bzw. reagiertwerden kann. Ein Regelungsbedarfscheint dabei notwendig, denn nicht sel-ten sind solche Mega-Poster Gegen-stand ordnungsrechtlicher Auseinander-setzung zwischen der Werbewirtschaftund den Planungsinstitutionen.

Der nachfolgende Beitrag [1] wird zu-nächst den Anlass für die Untersuchung

grossformatiger Werbung im öffentli-chen Raum betrachten. Danach erfolgteine theoretische sowie planerische Ein-ordnung des Problems. In einem weite-ren Abschnitt werden die bisherigen Ergebnisse einer empirischen Erhebungin Deutschland vorgestellt. Schliesslichwerden der weitere Forschungsbedarfbeschrieben sowie nachfolgende Aktivi-täten erläutert.

2. Branded SpacesIn ihrem Buch No logo hat Naomi Klein(2001) eindrücklich die gegenwärtigenStrategien global agierender Konzernebeschrieben: Nicht mehr das Produkt ansich ist für Unternehmen wie Coca-Cola,Nike oder Benetton [2] wichtig, sonderndas Label bzw. die Marke, die es ver-tritt. Naomi Klein ist mit No logo zurIkone von Organisationen wie ATTAC[3] geworden, die sich weltweit – mit je-doch z.T. sehr unterschiedlichen Zielvor-stellungen – gegen die Ausdehnung des-sen richten, was oft leichthin als «Glo-balisierung» [4] bezeichnet wird.

Naomi Klein untersucht dabei auchdie Strategien der Markenunternehmenbezogen auf den städtischen Raum(Klein, 2001:34 ff.). Hier werden zuse-hends Branded Spaces geschaffen, d.h.Orte, die einen direkten Zusammen-hang zwischen Eigenschaften des Pro-duktes und der Umgebung – sprich derstädtischen Bühne und der dort agieren-den Selbstdarsteller – herstellen. Daswohl bekannteste Beispiel war in die-sem Zusammenhang die Marketingstra-tegie von Nike, mit Hilfe von Kindernund Jugendlichen der Streetballszene(Basketball) in benachteiligten Stadt-teilen neue Modelle seiner Turnschuh-produktion zu vermarkten. Dabei stelltedas Unternehmen kostenlos Containermit Nike-Schuhen in den Stadtteilen auf.Kommt das Produkt an oder wird es ab-gelehnt? Unter Zuhilfenahme ange-schlossener Szenen (z.B. Hiphop) fan-den die akzeptierten Produkte dann Ein-gang in weitere Konsumentengruppen(Klein, 2001:74–75; es gibt speziali-sierte Marketingfirmen, die das word-of-mouth, die Mundpropaganda, als Ins-trument einsetzen).

Interessanterweise hatte Nike 1999eine grossformatige Werbung mit der

Schlagzeile «boing, boing» geschaltet,die nur den Turnschuh eines Basketball-spielers zeigte, wie er kurz in einemStadtteil – beispielsweise auf demGeorge-Square in Glasgow – aufsetzte,um im nächsten Moment an einem weitentfernten Ort – sagen wir in Berlin aufdem Potsdamer Platz – zu landen. DerWorld Player im Bereich der Sport-artikel zeigte damit selbstreferenzielleine weitere Dimension der Werbungauf: sie ist global ausgerichtet, nutzt inverschiedenen Weltregionen die glei-chen Strategien und Zeichen.

Abgesehen von Werbeaktionen, diedirekt auf den Ort Bezug nehmen – dasbekannteste Beispiel in Deutschland warwohl die Verhüllung des BrandenburgerTores mit Werbung für die deutsche Te-lekom – ist Werbung gerade dadurchgekennzeichnet, dass sie keine Ortsge-bundenheit hat. Es liegt im Interesse derWerbetreibenden, die Konsumentinnenund Konsumenten an möglichst vielenOrten zu erreichen. Dasselbe Wer-bemotiv findet sich in zahlreichen Städ-ten Deutschlands – teilweise auchEuropas – zur selben Zeit.

Vor diesem Hintergrund stellen vor al-lem die zunehmenden dauerhaftengrossformatigen Werbeflächen ein Pro-blem dar, da sie – gerade auf Grundder Dauerhaftigkeit – Raum und Zeit fürständig wechselnde Werbung bieten.Diese gewollte Austauschbarkeit kannzum Problem werden, wenn man davonausgeht, dass die soziale Bedeutung öf-fentlicher Räume oder ihre Bedeutungals «Gedächtnis» eng verbunden sindmit der Unverwechselbarkeit der Orte(vgl. Augé 2000).

Damit ist die Problemdimension be-nannt: Die Unternehmen suchen be-stimmte städtische Räume auf, um dieMarke zu präsentieren. Man kann auchso weit gehen zu sagen, dass die Markedurch Beiträge von Dritten in diesen öf-fentlichen städtischen Räumen reprodu-ziert bzw. überhaupt erst produziertwird. Alle Nutzer dieser Räume helfenbei der Inszenierung der Marke mit(Klein 2001:36).

Die Austauschbarkeit von Werbemoti-ven sowie die dabei weltweit eingesetz-ten Chiffren verwischen jedoch anderer-seits die Unverwechselbarkeit der Orte.

DISP 159 20 2004

REFEREED

Page 21: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

3. Zeichen und öffentlicher RaumGrossformatige Werbung im öffentli-chen Raum soll natürlich Aufmerksam-keit verschaffen. Das Produkt bzw. dieMarke zeigt darin Eigenschaften, diewichtige Anreize zum Kauf bieten. Übli-cherweise werden hier ganz bestimmteReize bzw. Chiffren genutzt. Diese Zei-chen sind weithin deutlich zu sehen undzu verstehen. In Deutschland – wie wohlin Europa insgesamt – geschieht dies oftnoch vereinzelt. Ganz anders ist die Si-tuation im Ausland, insbesondere in Ja-pan oder den USA. Orte wie die Ginzaoder der Times Square erscheinen unsauf Grund ihrer medialen Omnipräsenzfast schon prototypisch für die enge Ver-knüpfung zwischen Werbung und öf-fentlichem Raum. Hier erreicht die Wer-bung eine derartige Dichte, dass sie unsin «wilder Semiotik» [5] nur noch alsZeichen selber (ohne Bedeutung) ent-gegentritt.

Das Beispiel des Times Square machtauch auf die kritischen Aspekte einermöglichen Entwicklung aufmerksam.Christine Boyer (2001) hebt in ihrer Betrachtung des Times Square/42ndStreet hervor, dass der Ort selber längstnur noch als assembled space oderimagescape gewertet werden kann, andem nur eine hochgestylte und durchplanerische Vorgaben [6] geschaffeneIllusion uns erstaunt innehalten lässt,ohne dass wir seine Geschichte undseine Funktion noch wahrnehmen. Ar-chitektur ist als nostalgisches Stereotypnoch schmückendes Beiwerk. Die Dis-ney-Corporation bettet sich dort mit ih-rem New York Land ein.

Diese simulierte Mitte eines (Un-)Ortesdient – im Sinne von K. Lynch – nichtmehr der Orientierung oder der Grenz-ziehung in einem urbanen Gefüge, son-dern dient nur noch der Orientierung imKonsumraum. Die Mitte wird zu einemNicht-Ort, der als «ein Raum, in demsich weder Identitäten noch Beziehun-gen noch Geschichte ablesen lassen»definiert ist. (Augé, zitiert in: Bott2000.) Was vielleicht auch gar nicht soschlimm ist, da inzwischen die überwie-genden Erfahrungen des städtischenRaumes in Suburbia (und hier ist Europaden USA fast schon gleich) gesammeltwerden?

Wie gross ist also letztlich die Gefahr(wenn man diesen starken Begriff nut-zen möchte), dass durch Werbepostervon bis zu 9000 qm Zeichen gesetztwerden, die – wiederum im SinneLynchs – Raum differenzieren und orga-nisieren?

Manuel Castells [7] weist darauf hin,dass in einer Netzwerkgesellschaft (vgl.Castells 2000), in der alles im Fluss istund Konturen, Zentren oder klar defi-nierte Bezugsräume fehlen, die wohlwichtigste Aufgabe von Planung ist,Orte des Wiedererkennens, der Mitte,des öffentlichen Austausches zu schaf-fen. Ephemere Schichten aus Werbung,die im Wortsinne bald täglich wechseln,verhindern dies. Durch den Einsatzneuer Techniken wie Ticker, wechselndeLeinwände oder bald verstärkt Video-projektionen kann der Inhalt der Wer-bung permanent verändert werden. Ver-standen als eine Ablenkung werden siesogar zum Vergessen beitragen, dazu,dass die Essenz der Dinge die Wahr-nehmung gar nicht berührt (Borden etal., 2001, haben auf diese Betrachtungvon Walter Benjamin aufmerksam ge-macht) [8].

Sicherlich ist Planung in der überwie-genden Zahl der Fälle nicht von diesenÜberlegungen in erster Linie geprägt,wenn es zu den bereits beschriebenenkonflikthaften Auseinandersetzungen umgrossformatige Werbung geht. Planerstehen häufig zwischen den Fronten. Einerseits müssen sie auf unser urba-nes, architektonisch-städtebauliches ErbeAcht geben. Andererseits steht ihr Op-ponent für einen Wirtschaftszweig, denes gerade heute zu pflegen gilt, denndie Werbewirtschaft ist modern, kommu-nikativ, gehört zu den höherwertigenDienstleistungen, und man ist froh,wenn man sie hat.

Am Beispiel der Stadt Hamburg wirddas zu Grunde liegende Problem deut-lich. Zum einen schmückt man sich mitden «hippen» Attributen des Werbesek-tors und ist bestürzt bei jedem Zeichenvon Erlahmung. Andererseits versuchtman ein – aus der altindustriellen Werf-tenindustrie stammendes – Denkmal vonWerbung freizuhalten: Das Dock 10von Blom & Voss, eines der grösstenSchwimmdocks weltweit, sollte wieder-

holt für Megawerbung genutzt werden,u.a. mit Werbung für rostfreie Autoka-rosserien. Eigentlich ist dies eine ganzoriginelle Idee, stellt man sich das regel-mässige Absinken und Auftauchen desDocks bildlich vor. Das Hauptargumentgegen – und natürlich von Seiten derWerbewirtschaft für – eine solche Wer-bung ergab sich aus seiner Lage direktgegenüber der Promenade am Elbuferund in Sichtweite der Speicherstadt,zwei stark frequentierten touristischenAttraktionen mit einem ansprechendenstädtebaulichen Ensemble.

4. Werbung im öffentlichen RaumWie lässt sich derzeit also das Phäno-men grossformatiger Werbung in deut-schen Städten beschreiben? Was sindgegenwärtige Handlungsstrategien undFormen des Umgangs mit Werbung?

Bei «grossformatiger Werbung» han-delt es sich um Werbeflächen, die fürPassanten und Verkehrsteilnehmer gutsichtbar an Gebäudefassaden, auf Dä-chern oder frei stehend angebrachtsind. Bauordnungen, auf deren Basisüber grossformatige Werbung entschie-den wird, gehen bei «grosser» Wer-bung überwiegend von den traditionel-len Plakatwänden mit 10 qm aus undsind damit angesichts der neuen techni-schen Möglichkeiten i.d.R. deutlich ver-altet. Technische Entwicklungen Anfangder 1990er-Jahre machten es möglich,Vinyl-Netzgitter grossformatig zu be-drucken, so dass seit dieser Zeit gross-formatige Werbung verstärkt verwendetwird. Jedoch gilt anzumerken, dass esauch früher bereits vereinzelt grossfor-matige Werbung gegeben hat (z.B. alsBrand- und Giebelwandbemalung inder Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg,und auch davor, wie z.B. auf einem Ge-mälde von Manet einer Pariser Strasse1878 zu sehen ist). Doch beschwertensich Stadtbildschützer schon Ende des19. Jahrhunderts über die Auswirkun-gen einer immer raumgreifenderen Wer-bung.

Die folgenden Aussagen stützen sichauf drei empirische Untersuchungen:• Zur quantitativen Erfassung und Be-schreibung der Situation wurde eineStandortdatenbank mit Informationen zu575 Standorten in Deutschland erarbei-

DISP 159 21 2004

Page 22: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

tet [9]. Die erfassten Standorte umfasseninsgesamt eine Werbefläche von ca.100 000 qm. Die hierfür aufgewende-ten Gelder der Werbetreibenden lassensich – bei angenommener Vollvermie-tung – anhand einiger vorhandener An-gaben über Preise unter Vorbehalt aufinsgesamt ca. 15 Millionen Euro proMonat schätzen, das entspricht ca. 175Millionen Euro pro Jahr.• Zur Ermittlung von Einschätzungen,Genehmigungspraktiken und kommuna-len Strategien wurde in Abstimmung mitdem Deutschen Städtetag eine Befra-gung aller deutschen Städte mit mehr als 200 000 Einwohnern durchgeführt[10]. Es muss hierbei berücksichtigt wer-den, dass damit Aussagen von Vertre-tern der Städte vorliegen, die nicht in al-len Fällen einhelliger Meinung in der je-weiligen Stadt sein müssen.• Um Konsens- und Konfliktpunkte zwi-schen Stadtplanung und Werbewirt-schaft zu ermitteln, wurden ergänzendauch Vertreterinnen und Vertreter derWerbewirtschaft befragt [11].

Im Folgenden werden Ergebnisse derdrei empirischen Untersuchungen zurÜberprüfung einzelner Thesen verwen-det.

4.1 Grossformatige Werbung ist einGrossstadtphänomenÜber 80% aller erfassten Standorte mitgrossformatiger Werbung liegen in den12 Städten mit mehr als 500 000 Ein-wohnern. In den 19 Städten mit200 000 bis 300 000 Einwohnern lie-

gen insgesamt nur 5,9% der Standorte(vgl. Abb.1). Die Dominanz der Gross-städte prägt auch die Verteilung auf dieeinzelnen Bundesländer (vgl. Tab. 1)und den eindeutigen Schwerpunkt inden westlichen Bundesländern (vgl.Abb. 2). Bei der Befragung antwortetendie grossen Städte prozentual häufigerals die kleineren (vgl. Tab. 2).

Der deutliche Schwerpunkt bei denGrossstädten erklärt sich vor allem da-durch, dass ein zentrales Interesse derWerbetreibenden die Anzahl der poten-ziellen Betrachter ist (die Branchespricht von «Tageskontaktchancen» undverwendet das OSCAR-System [12]). Jemehr mögliche Kontakte, desto attrakti-ver wird der Standort als Werbestand-ort. Daher ist – neben der Sichtbarkeit –die Passantenfrequenz das entschei-dende Bewertungskriterium bei der Be-wertung von Werbestandorten.

4.2 Grosse Städte zeigen grosseFormateGrossformatige Werbeflächen über-schreiten die Dimensionen der traditio-nellen Plakatwände, die in allen Städtenzu Hunderten verbreitet sind, deutlichund können bis zu mehreren 1000 qmgross werden. Die kleinste in der Daten-bank erfasste Werbefläche hat 29 qm(an einem Kaufhaus in Duisburg), diegrösste 1620 qm (am Baugerüst des Al-ten Palais der Humboldt-Universität inBerlin). Zum Zeitpunkt der Untersuchungwar die Fassadenwerbung am DelftsePoort in Rotterdam mit ca. 9000 qm

eine der grössten bekannten Werbe-flächen – damit ist sie deutlich grösserals ein Fussballfeld. Unter den grossfor-matigen Werbeflächen, die in der Da-tenbank erfasst sind, nehmen diejenigenvon 100–200qm mit 65% den grösstenAnteil ein. Im Vergleich zu den eben genannten Zahlen wirkt das relativ«klein». Stellt man sich jedoch eineWohnung von 100–200 qm Fläche vor,bekommt man einen anderen Eindruckvon diesen Grössen. Werbeflächen über200qm sind mit insgesamt ca. 14% sel-tener. Nur 2,6% der erfassten Werbe-flächen sind über 400 qm gross. Die ge-ringeren baulichen Möglichkeiten zur Installation grosser bis sehr grosser Wer-beflächen erklären vermutlich derenniedrigen Anteil.

Es gibt eine Beziehung zwischen derEinwohnerzahl der Stadt und dem Vor-kommen grosser Werbeanlagen: Wäh-rend «kleine» Werbeanlagen (wenigerals 100 qm) in den grossen Städten un-terdurchschnittlich und in den kleinenStädten überdurchschnittlich vertretensind, ist es bei den grossen Werbeanla-gen (über 200 qm) genau umgekehrt.Werbeanlagen über 1000 qm kommenausschliesslich in Städten mit mehr als 1 Mio. Einwohnern vor (allerdings sindhier insgesamt nur vier Standorte er-fasst). Auch die durchschnittliche Flä-chengrösse der Werbeanlagen unter-scheidet sich nach Stadtgrösse eindeu-tig: In den Städten mit mehr als 1 Mio.Einwohnern liegt die durchschnittlicheGrösse der erfassten Werbeflächen mit180 qm gut 30 qm über dem Gesamt-

DISP 159 22 2004

9 %

über 1 Mio.500 000– 1 Mio.300 000–500 000200 222–300 000

6 % 42 %

43%

Abb. 1: Standortverteilung von grossformati-ger Werbung nach Einwohnerzahlen.

Stadt Standortzahl

Berlin 117München 65Franfurt/Main 47Hamburg 42Düsseldorf 42Hannover 42Köln 38Stuttgart 26Essen 20

Tab. 1: Städte mit mehr als 20 erfasstenStandorten mit grossformatiger Werbung.

Einwohnerzahlen Befragte Städte Rücklauf

200000 – 500000 28 18500 000 – 1 Mio. 9 8über 1 Mio. 3 3

Gesamt 40 29

Tab. 2: Rücklauf bei der Befragung nachGrössenklassen.

Page 23: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

durchschnittswert von 148 qm. Die durch-schnittliche Werbeflächengrösse nimmtmit sinkender Stadtgrösse fortlaufend

ab, bei Städten mit weniger als300 000 Einwohnern liegt sie noch bei102 qm (vgl. Abb. 5).

4.3 Temporär, gross, auffällig: Gebäude als MarkenträgerGrundsätzlich wird unterschieden zwi-schen temporären und dauerhaftenWerbeflächen. Unter temporären Wer-beflächen werden hierbei Flächen anBaugerüsten oder ganze Gebäudever-hüllungen verstanden. In Abhängigkeitvon der Bauzeit stehen sie für Werbungnur vorübergehend zur Verfügung.

Bei der Auseinandersetzung mit demVerhältnis von Werbung zu Marke undöffentlichem Raum sind Beispiele beson-ders interessant, bei denen das Ge-bäude direkt zum Werbeträger für dieMarke wird. Bekanntestes Beispiel inDeutschland ist die Werbung am Bran-denburger Tor. Vergleichbar ist nocheine Werbung am Bavaria-Denkmal inMünchen. Hierbei geht es am deutlichs-ten um die Schaffung von «brandedspace» (Klein 2001), um die engste Ver-

DISP 159 23 2004

Verteilung grossflächiger Werbestandorte

Abb. 2: Verteilung grossflächiger Werbe-standorte in der Bundesrepublik Deutsch-land.Grafik: GIS.direkt geoinformationssysteme

ohne Angabe11– 99 m2

100–199 m2

200–399 m2

400–999 m2

>999 m2

Abb. 3 und 4: Grösse der Werbeanlagen(in Städten mit über 1 Mio. und unter300 000 Einwohnern).

ohne Angabe11– 99 m2

100–199 m2

200–399 m2

400–999 m2

>999 m2

0 50 100 150 200

gesamt

über 1 Mio.

500 000–1 Mio

300 000–500 000

200 000–300 000

Abb. 5: Durchschnittliche Werbeflächen-grösse nach Einwohnerzahlen.

Page 24: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

knüpfung von Gebäude und Ort mitMarke und Werbung.

Gebäude und Denkmäler als Werbe-träger sind aus Sicht der Stadtplanungvielleicht der interessanteste Bereich derDiskussion um die grossformatigen Wer-beflächen, da es einerseits denkbar ist,mit den Werbetreibenden in Koopera-tion auch Gedanken des Stadtmarke-tings und der Imagebildung der Stadtaktiv weiterzuverfolgen. Andererseits istdie Frage offen, welche Folgen derschnelllebige, ironisierende Umgangmit öffentlichen Räumen und Gebäudenhat. Vielleicht ist es charakteristisch fürdie deutsche Mentalität, hierin einenKonflikt zu sehen.

4.4 Neue Techniken führen zu neuen WerbeformenDie Untersuchung zeigt, dass der Trendgrundsätzlich zur dauerhaften Werbe-fläche mit allerdings häufig wechseln-den Motiven geht. Zu den dauerhaftenFlächen gehören u.a. Brand- und Gie-belwände, Parkhäuser/Kinos, Dachwer-bung und frei stehende Werbetafeln. ImRegelfall werden auch für diese Stand-

orte nur befristete Genehmigungen er-teilt, deren Verlängerung jedoch meis-tens kein Problem darstellt.

Im Zuge der weiten Verbreitung dergrossformatigen Werbeflächen ist Grös-se allein nicht mehr Garant für Aufmerk-samkeit. Zusätzliche Anreize werdenvor allem durch Technologieeinsatz ge-schaffen, beispielsweise durch Licht (Au-toscheinwerfer einer Werbefläche, dienachts leuchten), durch das Integriereneines beweglichen Elements (ein Cursor

bewegt sich über die Werbefläche) oderdurch Ton («akustisches Mega-Poster»z.B. am Frankfurter Hauptbahnhof mitVogelgezwitscher und Fahrradgeklingelim Frühjahr 2001). Auch 3D-Effektewerden genutzt; entweder wird ein 3D-Objekt für die Werbung errichtet oderdie Werbung «spielt» mit der dem Ge-bäude eigenen 3D-Wirkung.

Bisher sind «Beam Boards» meistnoch auf den Bereich der «Grossflä-chen» beschränkt. Hierbei wechseln die

DISP 159 24 2004

Abb. 6: Verona (Baugerüst Arena di Verona)und Bremen (Gebäudeverhüllung Rathaus)als Beispiele temporärer Werbeanlagen.Fotos: Peter Ache (Verona) und FranziskaLehmann (Bremen)

Abb. 7: Gebäude und Denkmäler als Mar-kenträger: Berlin (Brandenburger Tor) undMünchen (Bavaria).Fotos: DSM Megaposter GmbH (Düsseldorf)

Abb. 8: Beispiele dauerhafter Werbeanla-gen in Hamburg (Brandwände Stresemann-strasse) und Essen (Parkhäuser Hindenburg-strasse).Fotos: PosterNetwork AG (Hamburg)

Abb. 9: Beispiele für Sonderformen in Ham-burg (Hafen) und Düsseldorf (Henkel-Ge-lände).Fotos: PosterNetwork AG Hamburg (Ham-burg), DSM Megaposter GmbH (Düsseldorf)

Page 25: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

Plakatmotive mit Hilfe der Beamer-Tech-nik mindestens zweimal pro Minute,z.B. an Bahnhöfen in Frankfurt amMain, Berlin oder Dortmund. Insgesamtsind Werbeunternehmen daran interes-siert, auch für die grossformatigen Wer-beflächen von den bisher üblichen Ver-mietungszeiten von vier, manchmalauch zwei Wochen auf kürzere Zeit-räume zu reduzieren. Mit der Genehmi-gung schnell wechselnder Bilder oderFilme auf grossformatigen Werbeflä-chen tun sich die Städte schwer. Argu-ment ist hier vor allem der Ablenkungs-grad, der die Verkehrssicherheit gefähr-det. In Berlin gibt es jedoch z.B. an derKreuzung Kurfürstendamm/Joachimsta-ler Strasse – im Herzen der westlichenInnenstadt – eine grosse Video-Werbe-fläche.

Seit die grossformatigen Werbeflä-chen in den 1990er-Jahren überwie-gend an Baugerüsten auftauchten, istein Trend hin zu dauerhaften Standortenzu beobachten. Dies wird auch in denDarstellungen einiger Werbeagenturenbestätigt. Anhand der bisher vorliegen-den Ergebnisse lässt sich nicht sagen,ob der Trend zu dauerhaften Anlagenweiter anhalten wird bzw. ob das Ver-hältnis von temporären zu dauerhaftenAnlagen gleich bleiben oder sich än-dern wird. Im Vergleich der Standortda-tenbank mit der Genehmigungspraxisder Städte fällt auf, dass häufig die tem-porären Werbeflächen im Blickpunktdes Interesses stehen, obwohl sie «nur»30% der Standorte ausmachen. Dieskönnte sich dadurch erklären, dass derprozentuale Anteil temporärer Werbe-flächen in den grossen Städten wesent-lich höher ist als in den kleinen (vgl.Abb. 9 und 10) und von den grösserenStädten im Rahmen der Befragung be-sonders viele Rückmeldungen vorlagen.

Es muss verstärkt nach Umgangsmög-lichkeiten für die «kleineren», aber dau-erhaften unter den grossformatigenWerbeflächen gesucht werden. Andersals bei den temporären Werbeflächenist es im Bereich der dauerhaften Wer-beflächen z.B. schwieriger, eine einmalerteilte Genehmigung zu widerrufenbzw. nicht zu verlängern. Schnellerwechselnde Motive auf dauerhaft fürWerbung zur Verfügung stehenden Flä-

DISP 159 25 2004

temporäreWerbeflächendauerhafteWerbeflächen

temporäreWerbeflächendauerhafteWerbeflächen

Abb. 10 und 11: Temporäre und dauerhafteWerbeflächen (Städte mit über 1 Mio. undunter 300 000 Einwohnern).

Verteilung der Werbeflächentypen

Abb. 12: Verteilung der Werbeflächen-typen.Grafik: GIS.direkt geoinformationssysteme

Page 26: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

chen geraten in Konflikt mit Planungen,die sich – im Sinne Castells – die Schaf-fung von klar definierten Bezugsräumenund Orten des Wiederkennens zum Zielsetzen.

Die Dauer, mit der ein Standort fürWerbung genutzt wird, wird z.B. vonder Stadt Zürich als Problem gesehen.Das dort im Jahr 1999 entwickelte Kon-zept «Grossflächige Werbebilder in derStadt Zürich» regelte u.a. den Zeitfak-tor. So dürfen dauerhafte Standortei.d.R. maximal 9 Monate im Jahr fürWerbung verwendet werden. Mindes-tens 3 Monate im Jahr müssen sie freibleiben, damit das dahinter liegendeGebäude zur Wirkung kommen kann.

Abbildung 12 stellt beispielhaft fürBaugerüste und Gebäudeverhüllungenals temporäre Standorte bzw. Parkhäu-ser/Kinos sowie Brand-/Giebelwändeals dauerhafte Standorte die unter-schiedliche Verteilung in den einzelnenStädten dar. Auffallend ist u.a., dass esin München kaum dauerhafte Standortegibt. Dies entspricht der Genehmigungs-praxis der Stadt, nach der i.d.R. aus-schliesslich Standorte an Baugerüstengenehmigt werden (s.u.). In Hamburghingegen sind Zahl und Anteil der Wer-

beflächen an Brandwänden oder Gie-belwänden relativ hoch. Dies kann da-mit zusammenhängen, dass in Hamburgzwischen 1972 und 1999 (lt. Recht-sprechung des OVG) an Mauern befes-tigte Werbeanlagen nicht als baulicheAnlagen galten und somit keine Bauge-nehmigung erforderlich war. Dies galtjedoch nicht für die seit Anfang der1990er-Jahre aufkommende Werbungan Baugerüsten.

4.5 Der optimale Standort ist dieHauptverkehrsstrasse in InnenstadtnäheDie meisten der Standorte, zu denen inder Standortdatenbank Informationenvorhanden sind [13], liegen an Haupt-verkehrsstrassen (knapp 74%). Hierbeihandelt es sich häufig um Ein- und Aus-fallstrassen in die Innenstadt. In der In-nenstadt selber liegen 55% der Stand-orte. Die Lage an Kreuzungen, häufigmit Ampeln, ist für grossflächige Wer-bung wegen der Sichtbarkeit aus ver-schiedenen Richtungen und der Warte-zeiten an Ampeln besonders attraktiv.57% der Standorte liegen daher an Am-peln, 56% an Kreuzungen. Insgesamtlässt sich ein Schwerpunkt für die Innen-stadt und Innenstadtrandlagen erken-

nen. In Fussgängerzonen liegen nur 9%der Standorte. Hier dürfte sich bemerk-bar machen, dass häufig keine Flächenfür grossformatige Werbung vorhandensind oder der Betrachtungsabstand zugering ist. Ausserdem besteht i.d.R.keine Sichtbarkeit für den motorisiertenVerkehr. Über 50% der Standorte inFussgängerzonen sind Fassadenflächenan Kaufhäusern.

Ganz anders strukturierte Gebieteund Standorte in deutlich davon abwei-chenden Lagen liegen an/auf Messege-länden oder an Flughäfen (jeweils 4%der Standorte). In der Datenbank sindnur drei Standorte (0,7%) in Industrie-und Gewerbegebieten erfasst, alle dreiliegen in Städten mit 500 000 bis 1 Million Einwohnern.

5. Bitte nicht stören – die akzeptierte Werbung im öffentlichen RaumBei den Aussagen zu gut oder schlechtgeeigneten Standorten werden Unter-schiede zwischen den Einschätzungender Städte und den in der Standortda-tenbank erfassten Standorten deutlich.An dieser Stelle gehen die Interessenvon Werbetreibenden und den Städtendeutlich auseinander. Die Interessen derWerbewirtschaft scheinen sich an eini-gen Punkten durchzusetzen.

Die Aussagen der Städte zu gut ge-eigneten Standorten lassen sich in zweiGruppen einteilen: Als akzeptierendkönnen Aussagen bezeichnet werden,die davon ausgehen, dass grossforma-tige Werbeflächen unter bestimmten Be-dingungen nicht stören: Zu diesenStandorten gehören an erster Stelle In-dustrie- und Gewerbegebiete, jedochgibt es dort kaum grossformatige Wer-beflächen. Wohl vor allem auf Grundder geringen Kontaktchancen sind dieseStandorte für Werbeunternehmen unin-teressant. Grössere Übereinstimmungzwischen Befragung und Standortdaten-bank gibt es im Bereich der Hauptver-kehrsstrassen und Stadteinfahrten: Siewerden einerseits häufig von den Städ-ten als geeignet genannt, andererseitsgibt es in diesen Lagen tatsächlich be-sonders viele Standorte grossformatigerWerbeanlagen. Neben der hohen Fre-

DISP 159 26 2004

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 500 550 600

Standorte gesamt

Innenstadt

Fussgängerzone

Hauptverkehrsstrasse

Kreuzung

Ampel

Bahnhofsnähe

U-/S-Bahnhof

ÖPNV

Flughafen

Messegelände

Gewerbegebiet

0 25 50 75 100 125 150 175

GesamtInnenstadt

Fussgängerzone

HauptverkehrsstrasseKreuzung

Ampel

BahnhofU-/S-Bahnhof

ÖPNV

MesseFlughafen

Gewerbegebiet

Abb. 13: Anzahl Werbeflächen nach Stand-orttyp.

Abb. 14: Durchschnittliche Werbeflächen-grösse nach Standorttyp.

Page 27: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

quenz, die aus Sicht der Werbeunter-nehmen ausschlaggebend ist, wird so-wohl von den Werbeunternehmen alsauch von den Städten der Aspekt des«autoorientierten Massstabes» als Argu-ment für Standorte an Hauptverkehrs-strassen genannt. Auch Fussgängerzo-nen werden von den Kommunen häufigals Standorte eingestuft, an denengrossformatige Werbung nicht stört. Offensichtlich gibt es dort jedoch trotzder hohen Frequenzen für die Werbe-treibenden kaum geeignete Standorte(s.o.).

Als nicht störender Werbeflächentypwird von den Städten vor allem Wer-bung an Baugerüsten genannt. Dem ent-spricht in vielen Städten auch dieGenehmigungspraxis. Am deutlichstenist dies in Fällen, in welchen nach Lan-desbauordnung Werbeflächen an Bau-gerüsten genehmigungsfrei sind (seit2003 in Berlin und Bremen). Auch inder Standortdatenbank findet sich dieswieder: Trotz des festgestellten Rück-gangs temporärer Werbeflächen sind22% der erfassten Standorte Werbeflä-chen an Baugerüsten.

6. Vorrang der gebautenArchitektur vor WerbungEinen Überblick über die Aussagen zuungeeigneten Standorten ergibt, dassdem Denkmalschutz eine besondere Bedeutung zugemessen wird. Weiterehäufig als nicht geeignet eingestufteStandorte sind die Innenstadt, Wohnge-biete, Plätze, verkehrsreiche Punkte/Un-fallschwerpunkte. Der in der Standort-datenbank deutlich gewordene Schwer-punkt für Standorte in der Innenstadtoder Innenstadtrandlage entspricht da-her eher der geäusserten Interessens-lage der Werbetreibenden als derjeni-gen der Städte.

Vereinzelt als nicht geeignet werdenvon den Städten u.a. genannt: kleintei-lige Bebauung, sensible Nutzungen(Altenheime, Friedhöfe, Kindergärten,Schulen usw.), Grünanlagen, Sichtach-sen, Aussenbereich. Für die befragtenVertreter der Werbewirtschaft sindStandorte vor allem dann ungeeignet,wenn keine ausreichende Frequenzund/oder Sichtbarkeit gegeben ist.

Wohngebiete und kleinteilige Strukturenwerden auch von Vertretern der Werbe-wirtschaft als ungeeignet angesehen.

Eine allgemein ablehnende Haltungwird bei drei Städten deutlich, die äus-sern, dass grossformatige Werbunggrundsätzlich stört und es keine geeig-neten Standorte gibt. Dem steht die Äus-serung einer anderen Stadt gegenüber,dass es kaum a priori völlig ungeeig-nete Standorte gibt.

7. «Das Meiste von dem, was hängt, hängt ungenehmigt»Die Genehmigungspraxis arbeitet über-wiegend mit Einschränkungen gross-formatiger Werbung. Hierzu gehörenzeitliche Beschränkungen, räumliche Be-schränkungen (z.B. nicht in der Innen-stadt, nicht im Gebiet von Gestaltungs-satzungen), Beschränkungen der Wer-beflächentypen (z.B. Genehmigung nuran Baugerüsten) oder Beschränkungender Standorttypen (z.B. für Werbungauf öffentlichen Verkehrsflächen wirdkeine Sondernutzungserlaubnis erteilt[14]). Gründe für Versagungen werdenüberwiegend aus städtebaulichen Argu-menten oder formalrechtlichen Gege-benheiten abgeleitet. Ein gegenläufigerTrend drückt sich in der Genehmigungs-freiheit an Baugerüsten aus.

Offensichtlich ist das Thema von tem-porärer Werbung an Baugerüsten in vie-len Städten von besonderer Relevanz.Ein Zeichen für den «kreativen» Um-gang mit Einschränkungen oder Verbo-ten ist, dass Baugerüste teilweise aus-schliesslich zu dem Zweck errichtet wer-den, daran Werbeflächen anzubringen.Einige Städte versuchen immer häufiger,die Zulässigkeit bestimmter Werbeträ-ger im Rahmen von Bebauungsplänenzu regeln, da sie sonst keine rechtlicheHandhabe sehen.

In Gesprächen erwähnten einige Ver-treter der Städte, dass es Probleme inder Abstimmung zwischen Verwaltungund Politik gibt, da immer wieder poli-tisch durchgesetzt wird, was nicht ge-nehmigt wird oder würde [15]. Jeden-falls ist die Haltung zu grossformatigenWerbeanlagen stadtweit nicht einhellig,neben den Unterschieden zwischen Ver-waltung und Politik gibt es auch Diffe-

renzen innerhalb der Verwaltung odervöllig unterschiedliche Umgangsweisenin verschiedenen Stadtteilen.

8. Konzepte für einen Umgang mit grossformatiger WerbungVierzehn Städte geben an, dass es bei ihnen konzeptionelle Überlegungenzu grossformatigen Werbeflächen gibt.Konzeptionelle Aussagen zur Gesamt-stadt treffen die Städte Berlin, Braun-schweig, Frankfurt am Main und Mün-chen. Vergleichbare Konzepte werdenin den Städten Aachen, Essen, Stuttgartund Kiel vorbereitet. In den anderenStädten handelt es sich um Werbe- bzw.Gestaltungssatzungen oder Bebauungs-pläne für einzelne Stadtbereiche. Dievier vorliegenden Konzepte mit ge-samtstädtischem Bezug unterscheidensich deutlich. Auf Grundlage dieses Vergleiches bestätigen sich die drei un-terschiedlichen Haltungen gegenübergrossformatigen Werbeflächen, die be-reits bei der Auswertung der Einschät-zungen zu geeigneten und ungeeigne-ten Standorten benannt wurden: posi-tiv/fördernd, akzeptierend, ablehnend.

Die Stadt Berlin als Beispiel für Städtemit einer im Allgemeinen positiv/för-dernden Haltung gegenüber grossfor-matiger Werbung gibt eine von der Se-natsverwaltung für Stadtentwicklung ent-wickelte CD mit dem Titel «Aussenwer-bung intelligent nutzen» heraus. Diegrundsätzlich positive Haltung findet ih-ren Ausdruck in der Berliner Landesbau-ordnung, nach der Werbeanlagen aufBaustellen genehmigungsfrei sind (§56Nr. 8 BauOBln). Baugerüstwerbung anDenkmälern oder in Denkmalschutzbe-reichen bedarf auch in Berlin nach wievor einer denkmalschutzrechtlichen Ge-nehmigung; allerdings gibt es eineGrundsatzempfehlung der Senatsver-waltung, nach der diese Werbunggrundsätzlich zu genehmigen ist, wennsie dazu beiträgt, die optische Beein-trächtigung des Bauwerkes durch dieEinrüstung zu verringern.

Die Städte Braunschweig und Frank-furt am Main haben Konzepte erarbei-tet, die im Ergebnis Bereiche der jewei-ligen Stadt bestimmen, die in unter-schiedlichem Mass und unterschiedli-

DISP 159 27 2004

Page 28: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

cher Art für verschiedene Werbeträger,u.a. auch grossformatige Werbeflä-chen, geeignet sind. Diese Konzeptesollen dazu dienen, die Kommunikationzwischen Werbetreibenden und Geneh-migungsbehörden zu erleichtern undRahmensetzungen bieten. In beidenStädten wird davon ausgegangen, dassdie Entscheidungen über grossformati-ge Werbeanlagen Einzelfallentscheidun-gen bleiben müssen. Beide Pläne habenkeine Satzungswirkung, sondern bewe-gen sich auf der Konzeptebene. DasBraunschweiger Konzept kommt ausge-hend von einer Analyse der historischenBezüge, der Siedlungsstruktur, der Artder baulichen Nutzung, der Verkehrs-mengen und der Bereiche mit über-durchschnittlicher Personenfrequenz zudrei nach der Empfindlichkeit gegen-über Werbeanlagen abgestuften «Ziel-bereichen für den Einsatz von Werbean-lagen». Das Frankfurter Konzept unter-sucht 20 Pilotbereiche in der Stadt so-wie sechs Pilotthemen (Standorttypenund Werbeträger) und leitet daraus ei-nen «Zonenplan» ab, in dem – abhän-gig vom Gebietstyp – die jeweils mögli-chen Werbeformen benannt werden.

In der Stadt München ist die Haltunggegenüber grossformatiger Werbung imVergleich zu anderen Städten eher ab-lehnend. Diese Haltung wird damit be-gründet, dass die Identität einer Stadtsich wesentlich durch die bauliche Aus-prägung des öffentlichen Raumes be-stimme und Werbung von daher nachihrer sozialen Auswirkung auf den öf-

fentlichen Raum und ihrer Verträglich-keit mit dem Gemeingebrauch beurteiltwerden müsse (Planungsreferat Mün-chen 1996). Hieraus wird ein erhöhterSteuerungsbedarf abgeleitet. Dem ent-spricht eine Genehmigungspraxis, nachder grossformatige Werbung aus-schliesslich an Baugerüsten genehmigtwird.

Bei einem Vergleich der Zielsetzungenund der zu Grunde liegenden Thesenüber die Bedeutung von öffentlichemRaum und von Werbung werden diedrei unterschiedlichen Haltungen erneutdeutlich. Hintergrund einer positiv/för-dernden Haltung wie in Berlin ist einVerständnis des öffentlichen Raumes alsOrt der Kommunikation und der Wer-bung als Mittel der Kommunikation.Dem steht bei einer eher ablehnendenHaltung wie in München die These ge-genüber, dass der öffentliche Raum vorallem der freien Entfaltung der Bürgerin-nen und Bürger diene und Wirtschafts-werbung als private Nutzung dem Ge-meingebrauch öffentlicher Räume wi-derspräche (vgl. Tab. 3).

9. SchlussfolgerungenWas bleibt also zum Thema grossforma-tige Werbung und öffentlicher Raumfestzuhalten?

Das Phänomen ist vor allem in gros-sen Städten beheimatet, das gilt fürDeutschland und vermutlich auch welt-weit. Grosse Ansammlungen von Men-schen und damit von Kunden sind at-

traktive Magneten für grossformatigeWerbeflächen. Die Grösse liegt dabeiim Durchschnitt bei 140qm – dies ent-spricht der Grösse einer gut ausgestatte-ten Wohnung. Diese Werbeflächen set-zen sich zusehends an bestimmten Or-ten fest, besonders an Hauptverkehrs-strassen in Innenstadtnähe. Frequenzund Kontaktwahrscheinlichkeit sindwichtig für die Werbetreibenden. DieTendenz weist nach oben, d.h. die Zahl,aber auch die Häufigkeit des Wechselsder Motive wird zunehmen.

Die Planungspraxis geht überwiegendmit Einschränkungen vor und betrachtetletztlich den Einzelfall. Es gibt unter denStädten auch Totalverweigerer, dochdie Gegenseite findet «kreative» Wege,die Werbung dennoch zu platzieren.Der konzeptionelle Umgang mit Werbe-flächen ist gegenwärtig deutlich unter-entwickelt. Insgesamt sind sowohl diePlanung als auch die Werbetreibendenoft in einer Pattsituation gefangen, im-mer wieder werden Entscheidungen inGerichtsverfahren getroffen.

Bezogen auf die theoretischen Ein-gangsbemerkungen bestätigen die Er-gebnisse der Empirie zum Teil die ver-muteten Konflikte und Interpretationen.Die Planung ist in Ansätzen mit den Ar-gumenten vertraut. Es fällt jedoch auf,dass in vielen Städten stadtgestalteri-sche Aspekte im Vordergrund stehen.Grundsätzliche Überlegungen zu Bran-ded Spaces, zu Zeichen im öffentlichenRaum oder zur Bedeutung des öffentli-chen Raumes in einer Netzwerkgesell-

DISP 159 28 2004

Positiv/fördernd akzeptierend ablehnend

Zielsetzung positive BeispieleBedeutung der wirtschaftlichen Seite vermitteln

Erleichterung der Konsensfi ndung zwi-schen Werbewirtschaft und Stadtplanung

Einschränkung und Steuerung der Werbefl ächen

Öffentlicher Raum «Der öffentliche oder urbane Raum ist der für den Menschen prädestinierte Bereich für Kommunikation ausserhalb seiner Privatsphäre.»1

«Der öffentliche Raum soll für Bürger und Besucher der Stadt attraktiv sein bzw. attraktiver werden.»4

«Öffentliche Flächen sind für den Gemein-gebrauch bestimmt ... da sie ein Raum sind, in dem jeder Bürger sich frei bewe-gen und sich auch frei entfalten können soll.»6

Werbung «Werbung im allgemeinen ist Basis unseres menschlichen Sozialverhaltens und somit integraler Bestandteil unserer Gesellschaft.»2

«Aussenwerbung ist ein wichtiges Medium der Kommunikation mit einer öffentlichen Präsenz»3

«Die verschiedenen Werbeträger sind raumwirksame Elemente, die unterschied-liche Aufgaben im städtischen Gefüge übernehmen.»5

«... dass Wirtschaftswerbung eine private Nutzung darstellt, die dem Gemeinge-brauch der öffentlichen Flächen wider-spricht.»7

1 Crayen 1999:42 Oberste Denkmalschutzbehörde der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin 2002:53 Crayen 1999:44 Stadt Frankfurt am Main 2002:15 DKS Städtebau Stadtentwicklung Projektentwicklung 2002:106 Stadtrat München 1997:6: Werbung im öffentlichen Raum, München 19977 Stadtrat München 1997:6

Tab. 3: Konzeptionelle Überlegungen zu öffentlichem Raum und Werbung.

Page 29: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

schaft sind in der Genehmigungspraxisnur selten bewusst handlungsleitend; esfehlen hier auch noch Ansätze für einepraktische Umsetzung dieser Überlegun-gen. Das oft formulierte Unbehagen ge-genüber grossformatiger Werbung ba-siert z.T. auf einer Diskrepanz zwischenFakten und Wahrnehmung (Verteilungder Standorte) und liesse sich sicher an-hand einer beiderseitigen Diskussionauf eine tragfähigere Basis stellen, dievor allem über Fragen des individuellenGeschmacks hinausreichen sollte. EinAspekt, der hier noch nicht betrachtetwurde, ist ein Vergleich der Wirkungauf die Lesbarkeit des Stadtraumes oderdie Transparenz von Figur und Grundvon vielen kleineren Werbeformaten an-statt weniger grosser Formate [16].

Die Interessen der Werbeindustrie er-schöpfen sich häufig in den «Kontakt-chancen», weiter gehende Wirkungenihrer Werbung stehen für sie aussen vor.Sie interessiert die Wirkung auf die po-tenziellen Konsumenten, nicht die Wir-kung auf den Raum.

Die Situation ist wenig befriedigend,sowohl hinsichtlich des Ergebnisses alsauch der Prozesse. Ein Vorschlag ausSicht der Autoren ist es daher, sich aneinen Tisch zu setzen und gemeinsamüber die branded spaces zu sprechenund zu konstruktiven Lösungen zu kom-men. Wie wäre es, wenn man bei dernächsten grossformatigen Werbekam-pagne von Beginn an dem Ort für dieWerbung mehr Gewicht einräumt, alsodie Ausnahme, die bis jetzt nur bei eini-gen historischen Gebäuden gilt (Bran-denburger Tor), zur Regel erhebt? Wiewäre es, wenn man grossformatigeWerbung zugleich bewusst als Zeichen-setzung im Stadtraum einsetzt? Wo imStadtraum kann solche Werbung ausSicht der Stadtplanung positiv einge-setzt werden? Es müsste doch genügendkreative Köpfe auf beiden Seiten, so-wohl der Planung als auch der Werbunggeben, für die eine solche Aufgabe eineinteressante Herausforderung ist.

Aus wissenschaftlicher Perspektive solldas Thema ebenso weiterverfolgt wer-den. Da bislang nur Ergebnisse ausDeutschland vorliegen, ist ein Vergleichim europäischen Massstab sicher inter-essant und weiterführend [17].

Anmerkungen

[1] Dieses Papier stellt erste Ergebnisse einesEigenforschungsprojektes (Dissertation) vor,das an der TUHH bzw. dem IRPUD, Universi-tät Dortmund, durchgeführt wird.[2] Coca-Cola ca. 70 Mrd. US$, Nike ca. 8Mrd. US$ sowie Benetton ca. 1 Mrd. US$ in2000, Financial Times Rangfolge der teuers-ten Marken; ca. 60% des Wertes von Coca-Cola bringt die Marke, nicht das Produkt.[3] Association pour une taxation des trans-actions financières pour l’aide aux citoyens(Vereinigung für eine Besteuerung von Fi-nanztransaktionen zum Wohl der Bürger); inFrankreich gegründetes und heute weltweitaktives Netzwerk von NGOs.[4] Zu den komplexen Dimensionen der Glo-balisierung vgl. z.B. Friedrichs 1997.[5] «Statt sich im Prozess der Bedeutungsbil-dung aufzulösen, drängt die Beschaffenheitder Zeichen in den Vordergrund. Sie bietetsich einem ‹langen, faszinierten Blick› dar,mithin einer Art der Betrachtung, die nichtzum Sinn durchdringt, sondern sich an derMaterialität der Zeichen erfreut.» Die Tages-zeitung, 8.1.04 (S. 15) über die Ginza, wiesie im Film von Sofia Coppola Lost in Trans-lation dargestellt wird.[6] Z.B. bezogen auf so genannte LUTSES –light units in Times Square – Farbfolgen,Dichte von Werbung.[7] Vortrag auf der ISOCARP/ECTP-Konfe-renz 2003 in Barcelona.[8] Eine theoretisch-konzeptionelle Erweite-rung im Sinne von Baudrillards Simulacra isthier in Planung. Oder mit Hannah Arendt:nur dasjenige erhält «Wirklichkeit innerhalbder Menschenwelt», das öffentlich wahrge-nommen werden kann (Arendt 2001: 62 ff.).[9] Die Standortdatenbank enthält die Anga-ben von fünf Werbefirmen zu ihren Standor-ten grossflächiger Werbeanlagen, die allge-mein als Marktführer in diesem Bereich gel-ten (complac Medienservice Berlin GmbH,Fubac Media Solutions AG, DSM Megapos-ter GmbH, Plakativ, PosterNetwork AG). DieInformationen der Datenbank sind aus demInternet zusammengestellt, bzw. aus Unterla-gen, die Werbeunternehmen freundlicher-weise zur Verfügung stellten (Stand zwischenNovember 2002 und Juni 2003).[10] Befragt wurden – abhängig von der je-weiligen Zuständigkeit – Planungs- und Bau-ordnungsämter. Antworten kamen von 17Planungsämtern und 10 Bauämtern. In zweiFällen wurde der Bogen von beiden Ämternbeantwortet.[11] Befragt wurden die fünf o.g. Agenturensowie Fachverbände aus dem Bereich Wer-bung/Aussenwerbung.

[12] OSCAR (Outdoor Site Classificationand Audience Research) ist ein aus Englandübernommenes System zur Bewertung vonAussenwerbemedien – in erster Linie Gross-flächen, aber auch übertragen auf Mega-Pos-ter. Bewertungsfaktoren sind die Anzahl derPersonen, die die Werbefläche passieren,und die Sichtbarkeit der Fläche. Daraus wird die gewichtete tägliche Kontaktchance(GTKC) jedes Standortes ermittelt.[13] Es liegen zu 454 der insgesamt 575 er-fassten Standorte Angaben zu den Standort-typen vor (dies entspricht knapp 80%). Dieim Text genannten Prozentzahlen beziehensich auf diese 454 Standorte. Im Rahmen derStandorttypen wurden Kriterien berücksich-tigt, die auch von den Werbeunternehmenverwendet werden und eine stadtplanerischeDimension haben. Hierzu gehören: Innen-stadt (Innenstadt, Fussgängerzone), Verkehrs-situation (Hauptverkehrsstrasse, Kreuzung,Ampel), Öffentlicher Verkehr (Nähe zu Bahn-hof, U-/S-Bahnhof, sonstigem ÖPNV), Son-derstandorte (Flughafen, Messe, Gewerbege-biet). Hierbei waren Mehrfachnennungen füreinen Standort möglich (häufige Kombina-tion z.B.: Kreuzung, Hauptverkehrsstrasse,Ampel, ÖPNV).[14] Für alle vom Gemeingebrauch abwei-chenden Nutzungen des öffentlichen Stras-senraumes ist in Deutschland eine Sondernut-zungserlaubnis nach dem jeweiligen Stras-sen- und Wegegesetz der Länder notwendig.[15] Ein anderes Beispiel für den «kreativen»Umgang ist der aktuelle Fall einer Kino-Wer-bung. Die 2090 qm grosse Werbeflächehing wochenlang am Dock 10 von Blohmund Voss in Hamburg, obwohl sie nicht ge-nehmigt war, es war nicht einmal ein Antraggestellt worden. Für das Werbeunternehmen– und ihren Kunden – war das daraufhin aus-brechende Medienspektakel eine wunder-bare zusätzliche Werbung. [16] Auf diesen Umstand machten uns deranonyme Reviewer sowie Studenten in Semi-naren an der TU Hamburg-Harburg aufmerk-sam. Für eine Einschätzung dieser Aspektemuss jedoch der Untersuchungsansatz verän-dert werden.[17] Die Autoren würden sich über Hinweiseund Material freuen.

Literatur

ARENDT, H. (1967; 2001): Vita activa odervom tätigen Leben. Piper Verlag GmbH, Mün-chen, 12. Auflage.

AUGÉ, M. (2000): Orte und Nicht-Orte derStadt. In: BOTT, H. (Hrsg.): Stadt und Kom-

DISP 159 29 2004

Page 30: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

munikation im digitalen Zeitalter. CampusVerlag, Frankfurt am Main.

BORDEN, I.; KERR, J.; RENDELL, J.; PIVARO,A. (eds.) (2001): The unknown city. Contes-ting architecture and social space. MIT Press,Cambridge/London.

BOYER, MC. (2001): Twice-told stories: Thedouble erasure of Times Square. In: BOR-DEN, I.; KERR, J.; RENDELL, J.; PIVARO, A.(eds.): The unknown city. MIT Press, Cam-bridge. 30–52.

CASTELLS, M. (2000): European Cities, theInformational Society, and the Global Eco-nomy. In: The City Reader. (LeGates, R.T.;Stout, F., eds.) Routledge, London, 557–567.

CRAYEN, V. (1999): Standortkonzept Aus-senwerbung in Braunschweig. Im Auftrag derDeutschen-Städte-Reklame GmbH als Ver-tragspartner der Stadt Braunschweig, Biele-feld.

DKS – STÄDTEBAU STADTENTWICKLUNGPROJEKTENTWICKLUNG (2002): Stadtge-stalt und Werbung – Werbung als integralerBestandteil der städtebaulichen Praxis. ImAuftrag der Bauaufsicht Frankfurt am Main,Frankfurt am Main.

FRIEDRICHS, J. (1997): Globalisierung – Be-griff und grundlegende Annahmen. In: Politikund Zeitgeschichte, B33–34, 3–11.

KLEIN, N. (2001): No logo. Flamingo, Lon-don.

OBERSTE DENKMALSCHUTZBEHÖRDE DERSENATSVERWALTUNG FÜR STADTENT-WICKLUNG BERLIN (2002): Aussenwerbungintelligent nutzen. Berlin.

STADT FRANKFURT AM MAIN, DER MAGI-STRAT, BAUAUFSICHT: Dienstanweisung zurBeurteilung von Werbeanlagen im Gebietder Stadt Frankfurt am Main. Magistratsbe-schluss Nr. 2159 vom 6.12.2002.

STADTRAT MÜNCHEN (1997): Werbung imöffentlichen Raum. Beschluss der Vollver-sammlung des Stadtrates vom 11.12.1997.

Franziska Lehmannplanungsgruppe Vor OrtAm Neuen Markt 19D-28199 [email protected]

Dr. Peter AcheInstitut für Raumplanung IRPUDUniversität DortmundAugust-Schmidt-Strasse 6D-44221 [email protected]

DISP 159 30 2004

Page 31: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

M o n i k a D o b b e r s t e i n

Kleine BüromärkteDas Beispiel Braunschweig

Since the 1990s, at the latest, property

markets in German cities have been ana-

lyzed and documented regularly and

comprehensively. But this applies only to

the top locations. There is hardly any-

thing known about property markets in

smaller cities, in particular office mar-

kets. A student research project at the

Technical University in Hamburg-Harburg

has looked into this matter. The initial

presumption was that low rents and high

yields could hardly allow successful real

estate development. But, if project devel-

opers do not provide potential tenants

with a sufficient volume of office space,

demanding companies are forced to in-

vest their own equity in owner-occupied

real estate or to take available office

space that does not support optimum

performance conditions. Both alterna-

tives mean disadvantages for local com-

panies.

The research project took place in the

mid-size city of Braunschweig, where ap-

proximately 200,000 sqm of office space

has been constructed since the beginning

of the 1990s. Asked about their success

formula, the developers named the fol-

lowing factors most frequently: optimal

plot shapes, above-ground parking and

the use of the existing fabric.

On the spatial level, it is exactly these

success factors that lead to a problem: the

inner-city areas struggle with decline, be-

cause, on their small, oddly shaped and

expensive plots of land, efficient building

layouts and above-ground parking can-

not be implemented. New investments

therefore mainly take place on derelict in-

dustrial sites in the remoter quarters. The

paper recommends more transparency

on the property market and lowering

construction costs within inner-city areas

through more permissive dealings with

historical town patterns or the abolition

of transfer fees for parking places.

1. EinleitungSeit den 1960er-Jahren sind in dengrossen Metropolen der BundesrepublikDeutschland Büromietmärkte entstan-den, und spätestens seit dem Beginn der1990er-Jahre werden sie auch regel-mässig und umfassend beobachtet. Diesgilt jedoch nur für Städte wie Frankfurtam Main, München, Düsseldorf undHamburg (Top-4-Standorte) [1], ansatz-weise noch für Städte wie Köln, Stutt-gart, Essen, Bremen und Hannover (2.- Reihe-Standorte). Über die Büro-märkte von kleineren Städten (sonstigeGrossstädte mit über 100 000 Einwoh-ner) ist nur wenig bekannt. Zu vermutenist aber, dass diese Märkte andereMarktteilnehmer und andere Funktions-mechanismen haben. Weil die Mietenund Verkaufspreise in diesen Städten so

gering sind, lohnt es sich zumindest fürdie aus den grossen Metropolen ein-schlägig bekannten Developer nicht,dort Projekte zu entwickeln und Mietflä-chen anzubieten.

Von einer fehlenden Nachfrage istnicht auszugehen. Das Wachstum derBürobeschäftigten, Hauptauslöser fürzusätzliche Nachfrage auf dem Büro-flächenmarkt, ist in den Grossstädtenmit über 100 000 Einwohner nahezugenauso schnell verlaufen wie in denTop-4- und 2.-Reihe-Standorten (vgl.Abb. 1) [2].

Die Vermutung eines geringeren Flä-chenangebotes in den sonstigen Gross-städten bestätigt sich, wird das Wachs-tum der Bürobeschäftigten ins Verhältniszum Wachstum der Büroflächenfertig-stellungen gesetzt (vgl. Abb. 2). So

DISP 159 31 2004

REFEREED

95,0

100,0

105,0

110,0

115,0

120,0

125,0

1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002

Top 4 (Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, München)

2. Reihe (Hannover, Stuttgart, Essen, Dortmund, Köln)sonstige Grossstädte

(über 100000 Einwohner, nur Westdeutschland)

Abb. 1: Bürobeschäftigte (1987 = 100).Quelle: eigene Berechnung auf der BasisRIWIS, Bulwien AG

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

30,0

35,0

40,0

Top 4 2. Reihe sonstige Grossstädte

WR Beschäftigte

WR Fläche

Differenz WR Fläche/WR Beschäftigte

15,213,2

11,3

34,7

31,1

22,719,5

17,9

11,4

Abb. 2: Vergleich Wachstumsraten Büro-beschäftigte und -fläche.Quelle: eigene Berechnung auf der BasisRIWIS, Bulwien AG

Page 32: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

wuchs die Bürofläche in den Top-4-Standorten um 19,5% schneller als dieZahl der Bürobeschäftigten, in den 2.-Reihe-Standorten noch um 17,9%schneller, in den sonstigen Grossstädtenaber nur um 11,4% schneller.

Ein gegebenenfalls fehlendes Flächen-angebot hat weit reichende Konsequen-zen für die Nutzer. Vor dem Hintergrunddes globalen Wettbewerbs, neuer inter-nationaler Bilanzierungsregeln und Ba-sel II möchten Unternehmen ihre Immo-bilien häufig nicht mehr im Eigentum ha-ben, sondern mieten. Ist dies nicht mög-lich, weil Developer ihnen keine Flächenanbieten, haben die Unternehmen anStandorten ohne entwickelten Mietmarkteinen Wachstumsnachteil gegenüberUnternehmen in Städten, in denen aus-reichend Mietflächen zur Verfügung ste-hen. Sie müssen ihr Eigenkapital in Im-mobilien binden, anstatt es für Investitio-nen im Kerngeschäft zu nutzen. Zusätz-lich könnten Wachstumsnachteile eintre-ten, weil Unternehmen auf Grund derfehlenden Umzugsmöglichkeiten ge-zwungen sind, Flächen zu nutzen, dieeinen optimalen Prozessablauf im Unter-nehmen verhindern.

Fatal könnte sich die fehlende Investi-tionsbereitschaft von Developern und In-vestoren auch auf das Stadtbild auswir-ken. An zahlreichen Standorten in unse-ren Städten besteht ein erheblicher In-vestitionsbedarf. Fehlt die Bereitschaftvon Developern und Investoren, in Bü-roobjekte zu investieren, besteht die Ge-fahr, dass zum einen City- und Cityrand-lagen niedergehen und zum anderenauch Brachflächen langfristig keinerNutzung zugeführt werden können.

Eine Untersuchung am Arbeitsgebiet«Gewerbeplanung und Wirtschaftsför-derung» an der TU Hamburg-Harburgim Studienjahr 2002/2003 hat dieFunktionsmechanismen von kleinen Bü-romärkten untersucht. Als Beispiel wur-de die Stadt Braunschweig gewählt.

Die Untersuchung hat vor allem fol-gende drei Fragen gestellt:• Wer entwickelt und investiert in klei-nen Büromärkten?Developer und Investoren sind die Mo-toren des Büromarktes. Will die Wirt-schaftsförderung den Büromarkt initiie-ren und stärken, muss sie diese Akteure

kennen. Sowohl Stadtplanung als auchWirtschaftsförderung sind heute nichtnur reaktive Akteure, sondern sie initiie-ren und beteiligen sich auch an Projek-ten der Stadtplanung. Developer und In-vestoren sind potenzielle Partner in die-sen Projekten, deshalb ist es wichtig,diese zu identifizieren.• Welches sind die Erfolgsfaktoren fürDeveloper?Um die Rahmenbedingungen für neueProjekte zu verbessern, ist es notwen-dig, die Erfolgsfaktoren der Developerzu kennen.• Welche Lagen sind Investitions-, wel-che Desinvestitionsstandorte?Will die Wirtschaftsförderung und Stadt-planung neue Projekte initiieren undsich an ihnen beteiligen, dann muss sieInformationen zu den Lagen des Büro-marktes haben, um die Realisierungs-chancen dieser Projekte einschätzen zukönnen. Die Stadtplanung muss zudemwissen, welches die Desinvestitions-standorte und damit die potenziellenNiedergangsstandorte ihrer Stadt sind,um sich verstärkt um diese Standorte zukümmern, d.h. die Rahmenbedingun-gen dort zu verbessern und diese Stand-orte gegebenenfalls zu subventionieren.

2. Developer in kleinen BüromärktenDeveloper leben vom so genannten Tra-ding-Profit. Dieser entsteht durch die Dif-ferenz von Veräusserungspreis und Er-stellungskosten. Die Erwartungen derEntwickler über die Höhe des Trading-

Profits liegen bei 11 bis 15% des Ver-äusserungspreises (vgl. Schulten 2002:542), wobei in marktüblichen Wirt-schaftlichkeitsanalysen 15% eingesetztwerden.

Die Annahme, dass Developer nichtbereit sind, Projekte in einem Büromarktjenseits der Top-Standorte zu entwi-ckeln, resultiert aus der eingangs be-schriebenen These, dass die Differenzzwischen dem Verkaufspreis und denHerstellungskosten gering oder gar ne-gativ ist (vgl. Modellrechnung Abb. 3).

Eine Ursache dafür ist der niedrigeVerkaufspreis jenseits der grossen Me-tropolen. Der Verkaufspreis wird, ver-einfacht ausgedrückt, gebildet durch dieMultiplikation der Jahresmiete mit einemVervielfältiger. Bei diesem handelt essich um den Kehrwert der Renditeerwar-tungen des Endinvestors: Einer Rendi-teerwartung von 5% entspricht dem-nach ein Vervielfältiger von 20. Dabeistehen der Vervielfältiger bzw. die Ren-diteerwartung in engem Verhältnis zumRisiko der Investition. Ist das Investmentrisikoarm, gibt sich der Investor mit ei-ner geringeren Rendite zufrieden undbezahlt einen hohen Kaufpreis (= hoherVervielfältiger). Schätzt er das Risiko alshoch ein, wird er höhere Gewinnerwar-tungen haben und deshalb nur einenniedrigen Kaufpreis bezahlen.

Beide Multiplikatoren, Jahresmieteund Vervielfältiger, sind in kleinen Büro-märkten niedrig. So erreichte die Spit-zenmiete in den Grossstädten mit über100 000 Einwohner im Durchschnittselbst im bisher besten Jahr 2001 nur

DISP 159 32 2004

Miete: 10,10 EUR/m2/Monat, d.h. 121 EUR/m2/Jahr

Ë Verkaufserlös: 1636 EUR/m2 Mietfl äche

./. Tradingprofit: 15 %, d.h. 245 EUR/m2 Mietfläche2

kosten: 1182 EUR/m2 BGF

Herstellungskosten: Grundstückskosten, Grunderwerbsnebenkosten, Baukosten, Baunebenkosten Finanzierungskosten

Vervielfältiger: 13,5-fach

Ë potenzielle Herstellungs- 1390 EUR/m Mietfläche

Abb. 3: Wirtschaftlichkeitsüberlegungen Projektentwickler.Quelle: eigene Darstellung

Page 33: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

10,10 Euro je Quadratmeter und Monat[2]. Der Vervielfältiger auf kleinen Märk-ten ist niedrig, weil das Risiko hoch ist,denn• der Umsatz auf dem Mietmarkt ist sogering, dass es schwierig ist, nach Ab-lauf des Erstmietvertrages einen neuenNutzer zu finden und • auch das Transaktionsvolumen ist soniedrig, dass Investoren nur schwer ei-nen Käufer für ihr Objekt finden, sofernsie es wieder veräussern möchten.

In Experteninterviews [3] schätztenMarktakteure den Vervielfältiger in klei-nen Märkten auf maximal 13 bis 13,5.Das entspricht einer Renditeerwartungzwischen 7,4 und 7,6%.

So errechnet sich ein Verkaufswertvon bestenfalls 1636 Euro pro Quadrat-meter Mietfläche (bei einem Vervielfälti-ger von 13,5). Wird davon der vom De-veloper erwartete Trading-Profit in Höhevon 15% des Verkaufspreises abgezo-gen, verbleibt ein Wert von 1390 Euro,zu dem ein Quadratmeter Mietflächehergestellt werden muss. Bezogen aufdie Bruttogeschossfläche (dabei wirdangenommen, dass das Verhältnis vonMietfläche zur Bruttogeschossfläche85% beträgt) entspricht dies einemWert von knapp unter 1200 Euro proQuadratmeter BGF. Bei einem Verviel-fältiger von nur 13 beträgt die Ober-grenze für die wirtschaftlich tragfähigenKosten knapp 1140 Euro pro Quadrat-meter Bruttogeschossfläche. Von diesemWert müssen der Grundstückserwerb,dessen Nebenkosten, die Baukosten,die Baunebenkosten sowie die Finanzie-rungskosten über die Planungs- und Bau-zeit bis zur Vermietung des Objektes be-zahlt werden.

Developer, die auf den grossen Märk-ten tätig sind, kalkulieren allein für die reinen Baukosten Werte, die die-se Marke fast erreichen. NiedrigereGrundstückspreise in den kleinen Märk-ten allein dürften deshalb nicht ausrei-chen, um eine Entwicklung attraktiv zumachen. Um eine Projektentwicklungwirtschaftlich zu gestalten, müssen des-halb auch die Bau- und Baunebenkostenmassiv gesenkt werden.

Dass dies bei gleichem Ausstattungs-standard gelingt, ist kaum anzunehmen.Bauunternehmen agieren heute überre-

gional. Zudem befindet sich die ge-samte Branche derzeit in einem hartenWettbewerb, so dass die Unternehmenbereit sind, ihre Leistungen zu günstigs-ten Konditionen anzubieten. Deshalbdürften in den einzelnen Märkten nurgeringe Preisspannen existieren.

Insgesamt ist deshalb zu vermuten,dass es entweder keine klassischen De-veloper gibt, die in den sonstigen Gross-städten agieren, oder dass sie beson-dere Wege gefunden haben müssen,um unter den schwierigen Rahmenbe-dingungen erfolgreich zu arbeiten.

3. BraunschweigBraunschweig, knapp 70 km östlich der niedersächsischen LandeshauptstadtHannover gelegen, hat rund 250 000Einwohner. Die Stadt blickt auf einelange Tradition des Maschinen- undFahrzeugbaus sowie der Feinmecha-nik/Optik zurück. So hatten bzw. habenUnternehmen wie Siemens, VW und Rol-lei hier grosse Produktionsstandorte.

Durch die hohe Bedeutung der Indus-trie in der Stadt und dem Strukturwandelgerade in dieser Branche gingen in denvergangenen Jahren im Vergleich zurBundesrepublik Deutschland überdurch-schnittlich viele Arbeitsplätze verloren[4]. Obwohl die Verluste des produzie-renden Gewerbes auch nicht ausgegli-chen werden konnten, gewann dieStadt Braunschweig jedoch überpropor-tional viele Dienstleistungsbeschäftigte.

Zumindest Siemens und VW beschäf-tigen mittlerweile neben ihren Beschäf-tigten in der Produktion zahlreicheDienstleistungstätige. So hat beispiels-weise VW mit der VW Financial Ser-vices wesentliche Dienstleistungsfunktio-nen des Konzerns in Braunschweig an-gesiedelt.

Daneben war und ist Braunschweigein Bildungs- und Forschungsstandort.So hat die Stadt die älteste TechnischeUniversität Deutschlands, die heute ca.14 000 Studierende zählt. Dazu kommtdie Hochschule für bildende Künste mitüber 1000 Studierenden. Ferner verfügtBraunschweig über meist öffentliche Forschungseinrichtungen wie die Biolo-gische Bundesanstalt für Land- und Forst-wirtschaft, das Bundesamt für Strahlen-schutz und die Bundesforschungsan-stalt für Landwirtschaft. Einen weiterenEntwicklungsschwerpunkt stellt die For-schung rund um die Arbeitsgemein-schaft «Forschungsflughafen Braun-schweig e.V.» dar. Neben öffentlichenEinrichtungen wie dem Deutschen Zen-trum für Luft- und Raumfahrt e.V. unddem Luftfahrt Bundesamt sind zahlreicheprivate Forschungsinstitute entstanden.

3.1 Der Büromarkt in Braunschweig2002 gab es ca. 46 500 Bürobeschäf-tigte in Braunschweig. Von 1990 bis2002 wuchs die Zahl der Bürobeschäf-tigten um ca. 6400 Beschäftigte. Dasentspricht einem Wachstum von 13,7%,das nicht nur über dem Durchschnitt der

DISP 159 33 2004

90,0

95,0

100,0

105,0

110,0

115,0

120,0

125,0

130,0

Top 4 (Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, München)

sonstige Großstädte (über 100000 Einwohner, nur Westdeutschland)

1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002

2. Reihe (Hannover, Stuttgart, Essen, Dortmund, Köln)

Braunschweig

Abb. 4: Bürobeschäftigte in Braunschweig.Quelle: eigene Berechnung auf der BasisRIWIS, Bulwien AG

Page 34: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

Grossstädte mit über 100 000 Einwoh-nern, sondern auch weit über demDurchschnitt der Top-4- und 2.-Reihe-Standorte (vgl. Abb. 4) lag.

Die Spitzenmiete wird von der Bul-wien AG für das Jahr 2001 mit 9,20Euro je Quadratmeter und Monat ange-geben und liegt damit noch einmal um9% unter dem Durchschnitt der Gross-städte (10,10 Euro je Quadratmeterund Monat) (vgl. Abb. 5). Im Laufe derUntersuchung wurden allerdings auchMietverträge identifiziert, in denen Mie-ten von rund 10 Euro je Quadratmeterund Monat vereinbart wurden.

Ein Vergleich der Wachstumsratenvon Bürobeschäftigung und Büroflächenzeigt, dass in Braunschweig dramatischweniger Flächen fertig gestellt wurdenals in allen anderen Stadttypen. Wäh-rend in den Top-4-Standorten, den 2.-Reihe-Standorten und den sonstigenGrossstädten die Bürofläche schnellerwuchs als die Zahl der Bürobeschäftig-ten (um 11,4 bis 19,5%), wuchs die Bü-rofläche in Braunschweig um 3,3%langsamer als die Zahl der Bürobe-schäftigten (vgl. Abb. 6).

Insgesamt wurden von 1990 bis2002 in Braunschweig ca. 197 000 qmBürofläche errichtet [5]. Darunter befan-den sich zahlreiche Eigennutzer, wie • die Öffentliche Versicherung mit32000m2,• VW Financial Services AG mit28 000 m2,• die Siemens AG mit 14 500 m2,• die Stadtwerke Braunschweig GmbHmit 9000 m2,• New Yorker GmbH, 3700 m2.

Ferner gibt es drei Sonderstandorte,die für die Marktbeobachtung nicht vonBedeutung sind, weil diese Flächen ent-weder subventioniert sind oder einMarktsegment ansprechen, das nichtauf dem freien Markt nach Flächensucht:• der Forschungsflughafen mit ins-gesamt ca. 50 000 m2,• das BioTec Gründerzentrum mit12 200m2 sowie• der Technologiepark mit ca. 2700 m2.

Bei den für den Mietmarkt relevantenFlächen handelt es sich um folgendeObjekte:

• In Büros umgenutztes ehemaliges Fa-brikgebäude ArtMax, 32 000 m2,• Bosch, 2400 m2; • Valentin Klein Haus, 6000 m2;• Wichmann, 3800 m2; • Landesbausparkasse (LBS), 3000 m2;• Business Center Pantherwerke,18 000 m2;• Grosskino Cinemaxx, 2500 m2;• Haus am Bürgerpark, 1800 m2;• Kastanienallee, 2700 m2;• «Campus 3», 17 000 m2;• Rizzi, 1300 m2.

Insgesamt kann festgestellt werden,dass• einem hohen Bürobeschäftigtenzu-wachs in Braunschweig zwar nur eingeringes Neubauvolumen gegenüber-steht, • entgegen der Erwartung aber den-noch eine ganze Reihe von Objekten fürden Mietmarkt errichtet wurden.

Es überrascht insbesondere die Grös-se einiger Projekte. Selbst wenn für einObjekt wie ArtMax nur niedrige Durch-schnittsmieten und ein geringer Verviel-fältiger angesetzt werden, ergibt sichein Wert von über 40 Millionen Euro.Sollte der Verkauf des Objektes ange-strebt werden, dürften nur institutionelleInvestoren in Betracht kommen. Wieoben begründet, ist jedoch nicht davonauszugehen, dass solche Investoren sichin Braunschweig engagieren.

Im Rahmen der Untersuchung wurdenInterviews mit den Entwicklern und Ei-gentümern von 170 000 m2 Büroflächegeführt, das entspricht 84% des Neu-bauvolumens. Davon waren 90 000m2 für den Mietmarkt errichtet worden.Sie standen im Fokus der Untersuchung.

3.2 Developer in BraunschweigBei fast allen Akteuren handelte es sichum lokal bzw. regional operierende Ak-teure. Dabei waren kaum «klassische»Developer tätig. Oft handeln die Ent-wickler aus persönlichen Motiven her-aus, wie z.B. dem Grundstücksbesitzoder der Eigennutzung unter Hinzu-nahme von Mietern. Manchmal dientdie Investition in ein Büroobjekt auchder Diversifikation von Investitionen inandere funktionale Immobilienmärktewie dem Einzelhandel oder dem Woh-

DISP 159 34 2004

0,00

5,00

10,00

15,00

20,00

25,00

30,00

Top 4 (Frankfurt, München, Hamburg, Düsseldorf)

2. Reihe (Hannover, Stuttgart,

Köln, Dortmund,Essen)

sonstige Grossstädte (über 100000Einwohner, nur

Westdeutschland)

Braunschweig

9,2010,10

15,30

28,40

Abb. 5: Spitzenmiete in Braunschweig.Quelle: eigene Berechnung auf der Basis RIWIS, Bulwien AG

–10,0

–5,0

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

30,0

35,0

40,0

Top 4 2. Reihe sonstige Grossstädte Braunschweig

WR Beschäftigte

WR Fläche

Differenz WR Fläche/WR Beschäftigte

15,213,2

11,3

17,3

34,731,1

22,7

14,1

19,5 17,9

11,4

–3,3

Abb. 6: Vergleich Wachstumsraten Büro-beschäftigte und -fläche in Braunschweig.Quelle: eigene Berechnung auf der Basis RIWIS, Bulwien AG

Page 35: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

DISP 159 35 2004

Abb. 7: ArtMax, 32 000 m2. Abb. 8: Bosch, 2400 m2. Abb. 9: Valentin Klein Haus, 6000 m2.

Abb. 10: Wichmann, 3800 m2. Abb. 11: LBS, 3000 m2. Abb. 12: Pantherwerke, 18 000 m2.Quelle: http://www.panther-businesscenter.de/ansicht.html, Zugriff 24.05.04

Abb. 13: Cinemaxx, 2500 m2. Abb. 14. Haus am Bürgerpark, 1800 m2. Abb. 15: Kastanienallee, 2700 m2.

Abb. 16: Campus 3, 17000 m2.Quelle: http://www.panther-businesscenter.de/ansicht.html, Zugriff 24.05.04

Abb. 17: Rizzi, 1300 m2.

Page 36: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

nungsbau, in denen das Hauptge-schäftsfeld des Unternehmens liegt.

Zudem ist auffällig, dass die Objektenach der Fertigstellung und Vermietungnicht veräussert wurden. Fast alle Unter-nehmen, die für Entwicklungen verant-wortlich zeichneten,• verlängerten ihre Wertschöpfungs-kette, z.B. Architekten, die durch die In-itiierung von Projekten sich selbst Ent-wurfsaufträge verschaffen, oder Devel-oper, die ihre Projekte nach Abschlusshalten;• verlagerten ihre Wertschöpfungs-kette, z.B. Industrieunternehmen, die ihrHauptgeschäftsfeld aufgeben und zumImmobilienunternehmen werden; oder• ergänzten ihre Wertschöpfungskette,z.B. Immobilienunternehmen, die ihrebisherigen Produktpalette um Büroob-jekte erweitern.

Im Einzelnen lassen sich folgendeGruppen unterscheiden:• Typ 1: klassischer DeveloperBeim klassischen Developer handelt essich um ein Unternehmen, das nach derEntwicklung das Objekt veräussert, umdas Eigenkapital für die nächste Ent-wicklung zu generieren.

nigen Fällen bleiben sie selbst mit einemAnteil im Objekt. In diesem Fall suchensie sich einen Joint Venture Partner, weilder Eigenkapitalanteil von ihnen alleinnicht aufgebracht werden kann. In die-sen Fällen bleibt das Objekt nach derFertigstellung im Eigentum der Joint Ven-ture Partner.

Bei den anderen Investoren im Teamhandelt es sich teilweise z.B. um Immo-bilienunternehmen mit Hauptgeschäfts-feldern in anderen Produktemärkten.Diese agieren seit langen Jahren als De-veloper und Investoren auf dem regio-nalen Markt, allerdings in anderenMärkten wie z.B. dem Wohnungs- undEinzelhandelsmarkt. Nachdem sie dieErfolge der Pioniere auf dem Büromarktbeobachtet haben, erwerben auch sieerste Projektgrundstücke, um ihre Ge-schäftstätigkeit zu diversifizieren. DieImmobilien werden ausnahmslos im Be-stand gehalten.

Daneben gibt es private und institutio-nelle Investoren, aber auch Investoren,die normalerweise nicht in Immobilieninvestieren, wie z.B. ein Kinobetreiber,der ausnahmsweise in das eigene Kinoinvestiert hat und auf Grund der zu gros-sen Grundstücksgrösse auch einige Büroflächen errichtet hat. Als institutio-neller Anleger konnte nur ein Unterneh-men identifiziert werden: die Öffentli-che Versicherung mit Unternehmenssitzin Braunschweig. Ihr Spielraum für Im-mobilieninvestitionen ist allerdings engbegrenzt, weil der Anteil des Eigenkapi-tals, der für Immobilien vorgesehen ist,durch den Bau der eigenen Immobiliefür die nächsten Jahre weit gehend auf-gezehrt ist.• Typ 3: Eigennutzer unter Hinzu-nahme von MieternDie Personen oder Unternehmen findenauf dem Mietmarkt keine geeignete Im-mobilie und beschliessen, diese selbstzu entwickeln. Da das Objekt zu grossfür sie selbst ist, nehmen sie Mieter auf.Bei der Entwicklung handelt es sich umeinen einmaligen Akt.• Typ 4: Ursprüngliches Motiv «Grund-stücksbesitz»Bei dieser Gruppe handelt es sich häu-fig um Personen und Unternehmen, diefrüher einer anderen Geschäftstätigkeitnachgingen, aus der heraus der Grund-

stücksbesitz resultiert. Positive Erfahrun-gen mit der Projektentwicklung habeneinige Unternehmen veranlasst, nun dieProjektentwicklung als Hauptgeschäfts-feld zu wählen. Bei weiteren Unterneh-men ist zumindest denkbar, dass sie zu-künftig fremde Grundstücke für eine Pro-jektentwicklung erwerben. Ferner gehö-ren zu dieser Gruppe ehemalige Grund-pfandrechtsgläubiger. Bei ihnen handeltes sich um Banken, die ein Produktions-oder Dienstleistungsunternehmen finan-ziert hatten, das in Insolvenz gegangenist, und die sich entschieden haben, dieals Sicherheit genommene Immobilie inder Zwangsversteigerung zu erwerbenund selbst zu entwickeln.

Die quantitative Gruppierung der Ak-teure auf der Basis der von ihnen errich-teten Flächen ist nicht repräsentativ, weil • die Grundgesamtheit niedrig ist und• einige Grossprojekte die Ergebnisseverfälschen.

Um erste Hinweise auf die Verteilungder Akteursgruppen in Grossstädten mitüber 100 000 Einwohner zu gewinnen,werden die Braunschweiger Daten den-noch quantitativ ausgewertet. In Abbil-dung 18 wird in Klammern die Zahl derObjekte angegeben, um dem Leser dieMöglichkeit der eigenen Bewertung zugeben.

Diese Abbildung zeigt, dass sehr häu-fig der Besitz eines Grundstückes Aus-gangspunkt für den Einstieg in die Pro-jektentwicklung ist (65%). Die Abbil-dung zeigt aber auch, dass diese Unter-nehmen ein grosses Potenzial für zu-künftige Entwicklungen darstellen. Nur4,4% der Flächen wurden von Unter-nehmen errichtet, die nur einmalig undnur zur Verwertung ihrer eigenen Lie-genschaft in der Projektentwicklung tä-tig werden. 36% der Flächen wurdenvon einem Entwickler erstellt, der zwar

DISP 159 36 2004

Beispiel Typ 1:Der Firmeninhaber war als Betriebswirtursprünglich bei einer Bank in der Neufi-nanzierung von Immobilien tätig. Nachseinem Ausstieg hat er bereits drei Immo-bilien entwickelt. Die beiden ersten wur-den jeweils nach einer gewissen Halte-phase veräussert. Die dritte Immobiliesprengt die Grössenordnungen der bei-den ersten. Zudem handelt es sich um dieerste Büroimmobilie.

• Typ 2: Architekturbüros plus Endin-vestorArchitekturbüros verlängern ihre Wert-schöpfungskette, indem sie Projekteselbst initiieren, d.h. sie entwickeln dieProjektidee, akquirieren das Grund-stück, verhandeln das Planungs- undBaurecht und finden Nutzer. In der Re-gel investieren sie nicht selbst, die Pro-jektentwicklung erfolgt als Dienstleis-tung. Bereits der Grundstückserwerb er-folgt meist durch den Endinvestor. In ei-

Beispiel Typ 3:Der Firmeninhaber eines Unternehmensfür Industriedesign möchte nicht in eineklassische Büroimmobilie ziehen, sondernsucht eine Unterbringungsmöglichkeit ineiner Immobilie mit einer kreativeren At-mosphäre. Zudem möchte er die Woh-nung für seine Familie in dem Objekt un-terbringen. Er stösst auf eine verlasseneIndustrieimmobilie und saniert diese. Dievon ihm nicht benötigten Flächen vermie-tet er an Kreativunternehmen. Die für ihnfremden Aspekte der Immobilienwirtschaftbewältigt er mit Hilfe eines befreundetenSteuerberaters, der über langjährige Er-fahrung in diesem Geschäftsfeld verfügt.Ein Verkauf der Immobilie kommt nicht inBetracht.

Page 37: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

ursprünglich durch den eigenen Grund-stücksbesitz zur Projektentwicklung moti-viert wurde, der aber mittlerweile Pro-jekte auf angekauften Grundstücken ent-wickelt. 6000 m2 oder 6,6% der inBraunschweig für den Mietmarkt entwi-

ckelten Flächen wurden von einem Un-ternehmen erstellt, das mittlerweile zumreinen Immobilienunternehmen mutiertist und sich vorstellen kann, nicht nur dieLiegenschaften aus dem ehemals eige-nen Fachhandel zu verwerten, sondernauch weitere Grundstücke zum Zweckder Entwicklung zu erwerben. Diese Un-ternehmen haben bisher keine Immobi-lien veräussert, so dass sie sich vermut-lich langfristig zu Immobilienunterneh-men entwickeln werden, welche die ge-samte Wertschöpfungskette abdecken.

Mit 19,8% der entwickelten Flächenstellen die Developer die zweite grosseGruppe dar. Die dritte grosse Gruppestellen Teams aus Architekten und Inves-toren. Der Anteil von gut 10% an allenentwickelten Flächen wurde durch dieEntwicklung von vier Objekten erzielt.Damit wird deutlich, dass von dieserGruppe vor allem kleinere Projekte rea-lisiert werden.

Unter dem Vorbehalt der fehlendenRepräsentativität kann festgestellt wer-den, dass in den 1990er-Jahren eineGruppe von Unternehmen entstandenist, die professionell Projektentwicklun-gen betreiben. Dazu gehören vor allem • Unternehmen, die sich von Non-Pro-perty-Gesellschaften zu Immobilienun-ternehmen entwickeln oder bereits ent-wickelt haben; sie decken die gesamteWertschöpfungskette ab;• neu gegründete Projektentwicklungs-unternehmen;• Architekten, welche die Projektent-wicklung initiieren und diese mit einemEndinvestor umsetzen.

Keines der Projekte wurde veräussert.Mit Ausnahme des einen Projektes, dasvon einem Developer errichtet wordenwar, war dies auch nicht gewünschtworden. Auf Grund der noch andauern-den Anlaufphase und der derzeitigenKonjunkturkrise wurde aber auch imFalle dieses Projektes bisher nicht ver-sucht, es am Markt zu platzieren.

3.3 Die Erfolgsfaktoren der DeveloperDie Antworten, die die Developer aufdie Frage nach ihren Erfolgsfaktoren ga-ben, müssen mit Vorsicht behandelt wer-den, weil• von den Interviewern nicht überprüftwerden konnte, ob die Projekte erfolg-reich waren [6];• 72% der Neubauflächen von Devel-opern erstellt wurden, die vorher nochnie ein Bürogebäude errichtet hatten.Das macht es wahrscheinlich, dass dieDeveloper auch einige Fehler gemachthaben. U.a. lässt sich mit der Unerfah-renheit der Developer vermutlich auchdie Investition in Projekte erklären, de-ren Volumen für einen kleinen Markt wieBraunschweig zu gross ist.

Die Erfolgsfaktoren können in bauli-che, wirtschaftliche und organisatori-sche Faktoren differenziert werden:

3.3.1 Bauliche Erfolgsfaktoren:• Optimaler Grundriss• Grundrissgrösse möglichst über1000 m2

Moderne und preiswert errichtete Ge-bäude haben eine nicht zu kleine

DISP 159 37 2004

Beispiel Typ 4:• Der heutige Unternehmensinhabererbte Anfang der 80er-Jahre ein Unter-nehmen, das kurz vor der Insolvenzstand. Die Bank empfahl ihm, das Ge-schäft stillzulegen und das Firmengrund-stück zu veräussern, um damit die Schul-den zu begleichen. Der Firmeninhaberentschied sich jedoch anders: Er vermie-tete das Gebäude in kleinen Einheiten. Esentsteht die Idee, professionell in der Im-mobilienwirtschaft tätig zu werden. Zu-nächst wird noch ein Gewerbehof mitstärkerem Lager- und Produktionsanteilentwickelt, bevor eines der grössten undhochwertigsten Büroprojekte in Braun-schweig entsteht, wie die vorherigen Ent-wicklungen ebenfalls ein Umnutzungsob-jekt. Alle Objekte befinden sich noch imEigentum der Firma.• Das Unternehmen hatte früher einenFachhandel mit mehreren Filialen in dengrösseren Städten Niedersachsens. Be-reits Anfang der 80er-Jahre wurde dasUnternehmen aus steuerlichen Gründen indas Kerngeschäft und eine Grundstücks-verwaltungsgesellschaft gespalten. Alsdas Unternehmen später veräussertwurde, erwarb der Käufer nur das Kern-geschäft. 10 Jahre später liefen die Miet-verträge aus und nun musste die Grund-stücksgesellschaft als Immobiliengesell-schaft agieren. Bei dem Grundstück inBraunschweig handelte es sich um denStammsitz des Unternehmens. Mittler-weile hatte sich der Standort von einemEinzelhandelsstandort auf der grünenWiese zu dem 1a-Bürostandort in Braun-schweig entwickelt. Deshalb wurde eineEntwicklung für möglich gehalten. Ein Ver-kauf des Objektes wurde, wohl auch ausemotionalen Gründen, weder vor nochnach der Entwicklung in Betracht gezo-gen. Die Firma kann sich vorstellen, zu-künftig Grundstücke hinzuzukaufen undsolche Entwicklungen zu wiederholen.• Das Unternehmen war ein Grosshan-delsunternehmen und stammte ursprüng-lich aus Magdeburg. Nach der Wieder-vereinigung erhoffte die Geschäftsleitungsich, die alten Absatzmärkte zurückzu-gewinnen. In dieser Erwartung wurde einaltes Industrieareal erworben und denk-malgerecht saniert. Dem steigenden Wett-bewerb war das Unternehmen schliesslichnicht mehr gewachsen und es ging in dieInsolvenz. Die Immobilie befand sich je-doch im Privatbesitz des Unternehmersund wurde nun für die Fremdnutzung um-gebaut. Eine weitere Tätigkeit in der Pro-jektentwicklung kommt nicht in Betracht.

Projektentwickler19,8 % (1 Projekt)

sonstige2,0 % (1 Projekt)

Eigennutzer3,0 % (1 Projekt)

Architekt/Investor10,2 % (4 Projekte)

Grundpfandrechtsgläubiger18,7 % (1 Projekt)

Projektentwicklung auf angekauften Grundstücken denkbar6,6 % (1 Projekt)

einmalige Projektentwicklung4,4 % (1 Projekt)

Projektentwicklung bereits auf angekauften Grundstücken35,3 % (1 Projekt)

ursprüng-lichesMotiv Grund-stücksbesitz65,0 % (4 Projekte)

Abb. 18: Projektentwickler in Braunschweig.Quelle: eigene Erhebung

Page 38: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

Grundrissfläche. Dies ermöglicht zumeinen optimale Prozessabläufe auch fürgrössere Nutzer, die ihre Beschäftigtendann nicht auf mehrere Etagen verteilenmüssen. Eine bessere Wettbewerbsfä-higkeit des Objektes und höhere Miet-preise sind die Folge.

Zum anderen ist das Verhältnis vonBruttogeschossfläche zur Mietfläche bes-ser. Bei kleinen Grundrissen nehmen dieErschliessungsflächen, für die keine Mieteentrichtet wird, einen höheren Anteil ein.• Optimale GebäudetiefeWelches die optimale Gebäudetiefedarstellt, darüber gibt es unterschiedli-che Auffassungen. Als Standardmasswerden zurzeit 13,75 m betrachtet.

Gerade Developer tendieren aber zugrösseren Gebäudetiefen und begrün-den dies mit dem Wunsch der Nutzernach Kombibüros. Dabei handelt es sichum eine Büroform, die mindestens eineGebäudetiefe von 14,40 m erfordert. Indieser Form sind an den beiden Aussen-seiten Einzelbüros und in der MittelzoneGruppenbüros untergebracht. Bei einergrösseren Gebäudetiefe verbessert sichdas Verhältnis von Mietfläche zur Brutto-geschossfläche. Mit nur geringen Mehr-kosten (zusätzliche Decken und Fassa-denfläche, aber keine zusätzlichen Er-schliessungskerne) können zusätzlicheMietflächen erstellt werden. So verrin-gern sich die Baukosten je Quadratme-ter Mietfläche.

Aus Expertengesprächen ist der Auto-rin bekannt, dass Nutzer mit diesen Flä-chen unzufrieden sind, wenn sie keinenausreichenden Bedarf für Kombibüroshaben. Dann werden die Kombizonenals übergrosse Flure genutzt. Bei zwargeringer Miete je Quadratmeter sinddie absoluten Mietkosten in diesen Fäl-len hoch, weil überproportional vieleFlächen pro Mitarbeiter gemietet wer-den müssen. Nutzer tendieren deshalbteilweise zu Gebäudetiefen, die sogarnoch unter dem Standardmass liegen.

Beide Meinungen wurden in Braun-schweig bestätigt. Während insbeson-dere die Architekten von Neubautenvon ihrem Erfolg durch die Gestaltunggrösserer Gebäudetiefen berichteten,resultiert die Entwicklung eines Eigen-nutzers aus dem Wunsch, niedrige Flä-chenkennziffern und damit langfristig

niedrige Flächenkosten zu haben. DasGebäude ist 13,50 m tief. Nach Aus-sage des Interviewpartners werde derKonzern zukünftig sogar eher geringereGebäudetiefen errichten.• Keine verwinkelten Grundrisse oderLufträumeVerwinklungen verursachen Doppel-erschliessungen, zu kleine oder zu grosseBüros und verhindern oft optimale Belich-tungsverhältnisse. Diese Flächen habenkeinen optimalen Nutzwert mit dem Er-gebnis der Mietkürzung. Lufträume, wiez.B. doppelstöckige Eingangshallen, er-höhen die Baukosten, ohne zusätzlicheMietflächen zu schaffen.• Oberirdische, möglichst ebenerdigeStellplätzeTiefgaragenstellplätze sind in ihrer Er-richtung gemessen am übrigen Ge-bäude überproportional teuer. Je tiefersie in die Erde gebracht werden, destoteurer wird der einzelne Stellplatz. DieVermeidung von Tiefgaragenplätzen gehört deshalb zu den wichtigsten Er-folgsfaktoren, welche die Developer inBraunschweig nannten. Tatsächlich fandsich nur ein Projekt mit einer Tiefgarage.Bei diesem Objekt handelt es sich umein Innenstadtprojekt, bei dem der Nut-zer die Nähe zu seinem Mutterkonzernsucht und deshalb vermutlich einen hö-heren Mietpreis akzeptiert hat.• Verwendung von AltbausubstanzAuffällig in Braunschweig ist die häu-fige Verwendung von Altbausubstanz.So handelt es sich bei vier der bedeu-tendsten Objekte in Braunschweig umRevitalisierungsprojekte. Dabei warendie Erfahrungen ganz unterschiedlich.Sofern die Altbausubstanz praktischRohbauqualität hatte, konnten die Bau-kosten über das Gesamtprojekt gesenktwerden. In diesen Fällen wurden auchdie auf die vorherige industrielle Nut-zung ausgerichteten und deshalb für Bü-ronutzungen nicht optimalen Grundrissein Kauf genommen.

War die Altbausubstanz in einemschlechten Zustand und forderte derDenkmalschutz die aufwändige Wieder-herstellung, verloren die Projekte zumin-dest in den betroffenen Bauabschnittenihre Wirtschaftlichkeit.• Niedrige DeckenhöhenKeine der Neubauten in Braunschweig

hat doppelte Fussböden oder abge-hängte Decken. Allenfalls in den Altbau-objekten mit ohnehin hohen Deckenhö-hen wurden auf Wunsch nachträglichdoppelte Fussböden eingebracht undDecken abgehängt. In Neubauten wur-den die Leitungssysteme in Kabelkanä-len untergebracht. Klimatechnik wurde– soweit überhaupt gewünscht – in Aus-senwänden installiert.

Niedrige Deckenhöhen erlauben un-mittelbar die Reduzierung der Baukos-ten, weil weniger Rohstoffe verbrauchtwerden. Darüber hinaus entstehen aberauch mittelbare Vorteile. So wurden inBraunschweig in einem Fall acht Etagenerrichtet, ohne die Hochhausmarke von22 m zu überschreiten. Wäre diese Mar-ke durchbrochen worden, hätten zusätz-liche Erschliessungskerne errichtet wer-den müssen, wodurch sich die Wirt-schaftlichkeit des Gebäudes verschlech-tert hätte (d.h. schlechteres Verhältnisvon Mietfläche zur BGF, zusätzlicheKosten für die Erschliessungskerne).Durch die höhere Schichtung der zuge-lassenen Bruttogeschossfläche konntedie überbaute Grundstücksfläche zudemso gesenkt werden, dass die Stellplätzeebenerdig untergebracht werden konn-ten.

Die Wahl zu Gunsten niedriger De-ckenhöhen hat aber auch den Nachteileiner eingeschränkten Vermietbarkeit.So scheiterte beispielsweise der Vermie-tungsversuch eines Braunschweiger De-velopers an ein Callcenter, weil die De-ckenhöhe für die gewünschten Gross-raumbüros zu niedrig war.• Guter Baugrund (Tragfähigkeit,Grundwasserspiegel)Schlechter Baugrund erfordert zusätzli-che Kosten für zusätzliche Gründungs-massen. Ein zu hoher Grundwasserspie-gel macht zusätzliche Massnahmen zurAbdichtung gegen das Grundwassernotwendig. Zudem muss für die Dauerdes Absenkens während des Bauprozes-ses Vorsorge getroffen werden, dass dieanderen Bestandsgebäude im Umfeldnicht geschädigt werden.

3.3.2 Wirtschaftliche Erfolgsfaktoren• Preiswerter Zugriff auf das Grund-stückWie bereits oben geschildert, resultiert

DISP 159 38 2004

Page 39: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

die Motivation zur Projektentwicklunghäufig aus dem Grundbesitz. In diesenFällen ist der Zugriff auf das Grundstückkostenfrei. Die Eigentümer unterstellen,dass im Falle des Liegenlassens desGrundstückes Opportunitätskosten ent-stünden. In einigen Fällen muss aller-dings angenommen werden, dass dieGrundstückseigentümer – vermutlich ausUnerfahrenheit – die Situation auf demImmobilienmarkt falsch eingeschätztund sich verkalkuliert haben. In diesenFällen wurde durch die Projektentwick-lung «gutes Geld schlechtem hinterhergeworfen».

In einem Fall gehörte das Grundstückder Kommune. Es handelte sich um eineIndustriebrache, deren Revitalisierungsich schwierig gestaltete. Dankbar,überhaupt einen Investor gefunden zuhaben, wurde ein Erbbaurechtsvertragvereinbart. Dieser verringerte die Erstel-lungskosten zunächst einmal um die Fi-nanzierungskosten für das Grundstück.Zudem war der Zinssatz wohl geringund der preiswerte Zugriff auf dasGrundstück damit gegeben.• Kein Risiko bezüglich Altlasten undarchäologischer FundeDas Erfordernis preiswerter Grund-stücke schliesst auch die Übernahmevon Risiken bezüglich Altlasten und ar-chäologischer Funde aus. Diese könnennicht nur höhere Kosten für die Beseiti-gung bzw. Bergung verursachen, son-dern den Bau so lange verzögern, dassKonventionalstrafen an den Mieter fälligwerden oder sogar der gesamte Miet-vertrag platzt.• AnkermieterAnkermieter haben in kleinen Büromärk-ten eine grössere Bedeutung als an denTop-Standorten. In beiden Märkten redu-zieren sie das Leerstandsrisiko und stel-len so die Akzeptanz des Finanzinstitu-tes her. Dafür ist der Developer in gros-sen Märkten bereit, eine geringereMiete in Kauf zu nehmen, was den Ankermieter motiviert, einen Mietver-trag lange vor Fertigstellung des Ge-bäudes zu unterzeichnen. Ganz andersin kleinen Büromärkten: Ankermieter benötigen grosse Flächeneinheiten. Dain kleinen Märkten kaum spekulativ ge-baut wird, haben diese UnternehmenSchwierigkeiten, auf dem Mietmarkt mo-

derne Flächen in der gewünschtenGrösse zu finden. Deshalb sind sie ge-zwungen, Verträge in noch nicht errich-teten Gebäuden zu unterschreiben unddem Developer einen Mietzins zu zah-len, der ihm die wirtschaftliche Entwick-lung des Gebäudes ermöglicht. Anker-mieter sind in kleinen Märkten deshalbdiejenigen, die die Spitzenmieten zah-len.• Keine Transaktion nach FertigstellungWie bereits bemerkt, wurde keines derin Braunschweig entwickelten Projektenach der Fertigstellung veräussert, undfür die meisten Projekte war dies auchnicht vorgesehen. Das könnte bedeu-ten, dass keine ausreichende Spannezwischen Verkaufspreis und Her-stellungskosten entsteht, d.h. der Devel-oper den üblichen Trading-Profit von15% (vgl. Kap. 2) nicht erwirtschaftenkann. Dann behält er das Gebäude,um wenigstens den Profit aus der Halte-phase einzunehmen. Die Herausbil-dung von Immobilienunternehmen, wel-che die gesamte Wertschöpfungsketteabdecken und das weit gehende Feh-len klassischer Developer könnten da-mit erklärt werden. Das bedeutet je-doch auch, dass diese Unternehmendas Risiko der Projektentwicklung aufsich nehmen, ohne dafür honoriert zuwerden.

3.3.3 Organisatorische Erfolgsfaktoren• Einzelvergabe statt Generalunterneh-mer (GU)Generalunternehmer übernehmen sämt-liche Bauleistungen. Sie beauftragenUnterauftragnehmer aus den verschie-denen Gewerken und steuern diese. Da-bei übernehmen sie nicht nur Steue-rungsfunktionen, sondern auch das Bau-kostenrisiko. Das Honorar der General-unternehmer erhöht die Baunebenkos-ten. Keines der Unternehmen, die Ob-jekte für den Mietmarkt errichteten, be-auftragte deshalb einen Generalunter-nehmer, sondern alle vergaben sämtli-che Bauleistungen einzeln und steuertenden Bauprozess selbst.• Kleine UnternehmenDie in Braunschweig operierenden Im-mobilienunternehmen waren ausnahms-los klein und hatten damit eine günstigeKostenstruktur.

4. Die Lagen des Braunschweiger BüromarktesDie Lagen des Braunschweiger Markteslassen sich in drei Kategorien gliedern:City/Cityrand, Innenstadtrand und peri-phere Lagen.• City/CityrandIn den grossen deutschen Bürometropo-len handelt es sich bei der City norma-lerweise um den 1a-Standort. Insbeson-dere an den Erschliessungsstrassen, diedie City begrenzen, sind repräsentativeBürobauten entstanden.

Für Braunschweig trifft das nicht zu,zumindest nicht mehr. Im Beobachtungs-zeitraum sind lediglich zwei Objekte in diesem Bereich entwickelt worden.Beide Objekte sind unter besonderenRahmenbedingungen entstanden. So han-delte es sich bei dem einen Projekt umdasjenige, bei dem der feststehendeNutzer die Nähe zu seinem Mutterkon-zern suchte und deshalb vermutlich ei-nen höheren Mietpreis akzeptierte. Dasandere Projekt hat als Hauptnutzung einKino. Das Grundstück war so gross,dass zusätzlich einige Büroflächen er-richtet wurden.

In der Folge können Niedergangspro-zesse beobachtet werden. Insbesondeream Bohlweg, der bis in die 1980er-Jahre hinein die Funktion der klassi-schen 1a-Lage übernommen hatte, fin-den offenbar seit Jahren keine Moder-nisierungs- oder Neubaumassnahmenstatt. Sichtbare Leerstände sind dieFolge.

Die Gründe für diese Entwicklung wer-den deutlich, wenn die Erfolgsfaktorender Developer herangezogen werden:Optimale Grundrisse und ebenerdigeStellplätze, zwei wesentliche Faktoren,können in der kleinteiligen, dichten Citynicht umgesetzt werden. Ausserdem istdie Baustellenabwicklung in der Cityaufwändiger. Erschwerend kommt inBraunschweig hinzu, dass der Grund-wasserspiegel innerhalb der mittelalterli-chen Umflut sehr hoch ist und deshalbnicht nur zusätzliche Massnahmen zumSchutz gegen das Grundwasser getrof-fen werden müssen, sondern währendder Bauphase auch die Bestandsge-bäude, insbesondere die Pfähle der bedeutenden Kirchenbauten, geschütztwerden müssen. Zudem hat ein Devel-

DISP 159 39 2004

Page 40: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

oper bereits die Erfahrung gemacht,dass archäologische Funde den Baube-trieb für lange Zeit ruhen liessen. Auchder preiswerte Zugriff auf Grundstückeist in der City normalerweise nicht ge-geben.

In der Folge sind die Herstellungskos-ten in der City hoch. Ein Mietpreisge-fälle von der City zur Peripherie ist nichtso ausgeprägt, dass es die Mehrkostenausgleichen könnte. Im Gegenteil: Da-durch, dass ausserhalb der City mo-derne Bürogebäude entstanden sind, inder City aber nicht, hat sich das Miet-preisgefälle mittlerweile umgedreht. DieSpitzenmieten werden heute ausserhalbder City bezahlt. Gelten in den grossenBürometropolen die Kriterien «Lage,Lage, Lage» als die entscheidenden fürdie Preisfindung, ist es in Braunschweigdie Qualität des Gebäudes.• InnenstadtrandDer Innenstadtrand Braunschweigs istdurch die gründerzeitlichen Erweite-rungsgebiete geprägt. Neben einigeneigengenutzten Objekten (ÖffentlicheVersicherung, Siemens) befinden sichim Innenstadtrand fast alle Objekte,die für den Mietmarkt errichtet wur-den.

Die neu errichteten Objekte können inzwei Lagetypen unterteilt werden. Zumeinen handelt es sich um ehemalige In-dustriestandorte, die umgenutzt und er-weitert wurden. Diese Standorte hattenden Vorteil, dass Altbausubstanz ver-wendet und Stellplätze ebenerdig unter-gebracht werden konnten. Zu diesenStandorten zählen die Pantherwerke,das ArtMax, die Kastanienallee undWichmann.

Zum anderen hat sich an der Theodor-Heuss-Strasse eine neue 1a-Lage entwi-ckelt. An diesem Standort ermöglichtengrosszügige Grundstückszuschnitte ide-ale Grundrisse sowie die oberirdischeUnterbringung der Stellplätze. Das Ob-jekt von Bosch (Abb. 8), das Valentin

Klein Haus (Abb. 9) und die eigenge-nutzte Immobilie der Öffentlichen Versi-cherung sind hier sicher erst der Anfangder Entwicklung.

Daneben sind einige kleinere Neu-bauprojekte in Streulagen entstanden.Dazu zählen das Haus am Bürgerpark(Abb. 14) und das Rizzi-Haus (Abb.17). • PeripherieAn Standorten ausserhalb des Innen-stadtrandes sind kaum Projekte für den Mietmarkt entwickelt worden, hierbefinden sich fast ausschliesslich gross-flächige Objekte von Eigennutzern. Eine Ausnahme stellt die Entwicklungdes Umnutzungsprojektes «Campus 3»(Abb. 16) dar, das anderen am Innen-stadtrand gelegenen Projekten ähnlichund auch nur unweit der Grenze zu die-ser räumlichen Kategorie gelegen ist.

Für Mietobjekte ist die Peripherie ungeeignet, da dort kaum Infrastruktur

vorhanden ist. Die dort vorgefundenenEigennutzer sind häufig so gross, dasssie nur in der Peripherie ausreichendgrosse Liegenschaften finden. FehlendeInfrastruktur gleichen sie durch eigeneDienstleistungen teilweise aus (z.B. Kan-tine).

Für die in der Einleitung genanntenFlächentypen «Brachflächen im Innen-stadtrand», «1b-Lagen des Einzelhan-dels» sowie «etablierte Bürolagen» be-deutet dies, dass allein die Brachflächenim Innenstadtrand von den Projektent-wicklungen profitieren. Ein insgesamtgeringes Neubauvolumen erzeugt aller-dings nur einen geringen Nutzungs-druck, der vermutlich nicht zur Umnut-zung aller Brachflächen beitragen wird.So dürfte die Umnutzung einer 60 hagrossen ehemaligen Bahnfläche hinterdem Braunschweiger Hauptbahnhof beieinem Neubauvolumen von nur ca.15 000 m2 pro Jahr sehr lange Zeit-räume in Anspruch nehmen.

Weiter verschärfen dürften sich diebereits jetzt erkennbaren Probleme derCity bzw. des Cityrandes. Hohe Herstel-lungskosten in der City verhindern, dassBüronutzungen die sich zurückziehendeEinzelhandelsnutzung aus den 1b-Lagenersetzen.

DISP 159 40 2004

LBS

Cinemaxx

CITYCITY

Cinemaxx

LBS

Abb. 19: City.

Abb. 20a–d: Niedergangsflächen in derehemaligen 1a-Lage.

Page 41: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

Modernisierungs- und Neubaumass-nahmen können den Niedergangspro-zess etablierter Bürolagen in der Citybzw. am Cityrand aufhalten.

Durch die neu etablierte Gruppe derjenigen Unternehmen, die professio-nell Projektentwicklungen durchführt,entsteht zudem ein zusätzliches Pro-blem. Sie werden weiter neue Flächenauf den Markt bringen und damit denWettbewerbsdruck auf Gebäude, dienicht modernisiert oder deren Flächen-grundrisse ineffizient sind, erhöhen.Dies dürfte den Niedergangsprozessvon etablierten Bürostandorten be-schleunigen.

5. Zusammenfassung und EmpfehlungenDie Vermutung, dass sich in kleinenMärkten keine Unternehmen finden, diebereit sind, für den Mietmarkt Büroflä-chen zu entwickeln, hat sich nicht bestä-tigt. Allerdings sind fast ausschliesslichunerfahrene und/oder Akteure mit per-sönlichen Motiven aktiv. Insgesamt wer-den nur wenig Flächen auf dem Marktangeboten.

Die These, dass sich kaum institutio-nelle Investoren auf kleinen Märkten en-gagieren, hat sich bestätigt. Überra-

schend ist jedoch, dass kaum heimischePrivatinvestoren identifiziert werdenkonnten. Hier sollte für die Zukunft nochPotenzial vorhanden sein, das aktiviertwerden kann.

Niedrige Mieten und Verkaufspreisestellen für die Entwicklung des Braun-schweiger Büromarktes ein grosses Pro-blem dar. Dabei entstehen die Problemesowohl auf der Projekt- wie auf derräumlichen Ebene:• ProjektebeneAuf der Projektebene lassen die niedri-gen Mieten und Verkaufspreise nur we-nig Spielraum bei den Baukosten zu.Developer begegnen diesen Schwierig-keiten mit dem Verzicht auf Tiefgaragen-stellplätze, der Verwendung von Altbau-substanz bzw. einem Grundriss mit ei-nem optimalen Verhältnis von Mietflä-che zu BGF.• RaumInsbesondere in der City bzw. am City-rand reicht der Spielraum, den die Her-stellungskosten lassen, nicht aus. Hierkommt es zu Niedergangsprozessen,die sich durch die neu auf den Marktdrängenden Bürobauten auf Brachflä-chen beschleunigen.

Die städtischen Akteure können Ein-fluss auf zwei «Stellschrauben» aus-

üben: die Verkaufspreise und die Her-stellungskosten. Auf die Mieten habensie hingegen keinen Einfluss. • VerkaufspreiseDie niedrigen Verkaufspreise spiegelnnicht nur das höhere Risiko durch dasgeringe Marktvolumen, sondern auchdurch die fehlende Transparenz auf klei-nen Märkten wieder. Unsicherheit be-züglich des Umsatz- und Transaktionsvo-lumens, der Leerstandsrate, des zukünfti-gen Neubauvolumens sowie der erziel-baren Mietpreise erhöht das Risiko undreduziert damit die Kaufpreise.

Da ausschliesslich lokale Akteure amMarkt tätig sind, könnte die Meinungvertreten werden, dass diese den Marktkennen und solche Informationen nichtbenötigen. Diese Argumentation ist si-cher in Teilen richtig. Mindestens für dieFinanzierung ist es aber unabdingbar,dass der Bank objektive Marktdaten vor-gelegt werden.

Es wird deshalb empfohlen, dass dieWirtschaftsförderung und ggf. andeream positiven Marktgeschehen interes-sierte Gruppen wie Maklerhäuser, Ban-ken und die Handelskammern sich en-gagieren, um die Markttransparenz zuerhöhen. Dazu eignen sich im Wesentli-chen zwei Instrumente:• Jährlich erscheinende MarktberichteEbenso wichtig wie die Erhebung derMarktdaten ist dabei die Verteilung desfertigen Berichtes. Dazu eignen sich ins-besondere die Banken und Steuerbera-ter, die engen Kontakt zu Privatinvesto-ren und damit zur potenziell wichtigstenKäufergruppe haben. Einige kleine Bü-romärkte haben bereits begonnen, Bü-romarktberichte zu erstellen. Dazu ge-hören Bremen, Münster, Freiburg imBreisgau, Leverkusen, Osnabrück undLübeck. Träger ist in jedem Fall die Wirt-schaftsförderung. Meist gibt sie den Bü-romarktbericht bei einem externen Gut-achterbüro in Auftrag, weil sie norma-lerweise keine Immobilienmarktexpertenim Haus hat. Osnabrück und Lübeck hat-ten jedoch keine Mittel für eine externeBeauftragung und haben deshalb denBericht im eigenen Haus verfasst.• Regelmässige Treffen der Marktteil-nehmerZ.B. auf einem institutionalisierten Immo-bilien-Frühstück. Dort können die Devel-

DISP 159 41 2004

Abb. 21: Innenstadtrand.

TH.-HEUSS-STRASSE Siemens

Panther-Werke

Technologiepark

Kastanienallee 40Rizzi

Wichmann

Haus am BürgerparkValentin-Klein-HausARTmax

Öffentl. VersicherungenBosch

Abb. 22: Peripherie.

New Yorker ForschungsflughafenStadtwerke

VW Financial Services

Rollei

Biotec Gründerzentrum

Page 42: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

oper, Investoren und Financiers zügigdie neuesten Entwicklungen des Marktesaustauschen. In den grossen Büromarkt-metropolen gibt es zahlreiche Anlässe,auf denen sich die Marktteilnehmer tref-fen. So laden Vereine oder Maklerhäu-ser regelmässig zu Treffen ein. Ausser-dem bieten verschiedene professionelleSeminaranbieter für die einzelnen Me-tropolen jährlich Veranstaltungen zumaktuellen Marktgeschehen vor Ort an. Inkleinen Büromärkten sind die genanntenVereine nicht organisiert, und für profes-sionelle Anbieter ist das Marktvolumenzu klein. Deshalb muss die Wirtschafts-förderung oder die Handelskammerdies übernehmen. Das Projektteam, dasden Standort Braunschweig untersuchthat, hat die Durchführung regelmässigerBranchentreffs nicht nur empfohlen, son-dern das 1. Braunschweiger Immobi-lien-Frühstück veranstaltet. Mit über 40Teilnehmern waren nahezu alle Markt-akteure vertreten: Wirtschaftsförderung,Planungsamt, Stadtentwicklungsamt,Gutachterausschuss, die Landesbank,verschiedene Geschäftsbanken, zahlrei-che Developer, die grossen lokalenMaklerhäuser und Eigennutzer. Diegrosse Resonanz zeigt das hohe Bedürf-nis der Marktteilnehmer nach Transpa-renz und hat die Wirtschaftsförderungveranlasst, das Braunschweiger Immo-bilien-Frühstück zu institutionalisieren.Mindestens drei Veranstaltungen proJahr sind geplant.• Senkung der HerstellungskostenVor allem in der City und am Cityrandsind die Baukosten für Büroobjekteheute so hoch, dass Developer keineGewinne erzielen können und denStandort deshalb meiden. Mit dem Rück-zug der Büronutzung aus der Innenstadtverliert die City einen weiteren wichti-gen Baustein ihrer Funktion. Allgemeindiskutiert wird bereits die Verkleinerungder Einzelhandelsbereiche. Zu vermutenist, dass weitere gewerbliche Nutzun-gen sich ebenfalls aus der City zurück-ziehen, z.B. die Hotelnutzung. Damitsieht die Autorin die Zentren von insbe-sondere Mittel- und kleineren Grossstäd-ten von dramatischen Niedergangspro-zessen bedroht. Hohe Leerstände, In-standhaltungsrückstau an grossen Teilendes Bestandes und letztlich der Verlust

der Funktion als Dienstleistungszentrumwären die Folge.

Vor diesem Hintergrund müssen Stadt-planer die City neu diskutieren. Die le-gitimen Interessen einzelner Fachpla-nungen müssen oftmals neu abgewogenwerden, um das Oberziel «Erhalt derFunktionsfähigkeit der City» zu errei-chen.

Sollen historische Stadtgrundrisse mit ihren kleinteiligen Grundstückszu-schnitten flächendeckend erhalten oderwiederhergestellt werden – um nur das Beispiel der Fachplanungen «Denkmal-schutz» bzw. «Städtebau» zu nennen –,dann drohen die überkommenen Be-standsstrukturen leerzulaufen, ohnedass Neuinvestitionen folgen.

Hier soll sicher nicht argumentiert wer-den, dass die Interessen des Denkmal-schutzes oder anderer Fachdisziplinenvollständig ausser Acht zu lassen sind.Der Autorin ist sehr bewusst, wie viel ge-rade der Denkmalschutz in den vergan-genen 30 Jahren dazu beigetragenhat, die deutschen Innenstädte attraktivzu erhalten. Anhand von Einzelfällenmuss jedoch abgewogen werden, obZielvorgaben von Fachplanungen – z.B.des Denkmalschutzes – zurückgestelltwerden können, um die City in ihrerFunktionsfähigkeit zu stärken und zu er-halten (siehe Kasten Beispiel Fachpla-nungen).

Besondere Aufmerksamkeit solltenStadtplaner zudem der Stellplatzfragewidmen. Hier wird es zum einen daraufankommen, intelligente Wege zu fin-den, Stellplätze oberirdisch unterzubrin-gen. Zum anderen sollte über die Abschaffung der Stellplatzablösepflichtnachgedacht werden. Diese benachtei-ligt Investitionen in die Innenstadt ge-genüber denen auf der grünen Wiese.Sofern die Stellplatzablöse nicht abge-schafft wird, sollte sie zumindest einge-setzt werden, um Stellplätze in der di-rekten Umgebung der Bürolagen zuschaffen, in denen die Büronutzer dannStellplätze anmieten können.

Sollte es nicht gelingen die Funktions-fähigkeit der City zu erhalten, könntenauch für westdeutsche Mittelstädte Dis-kussionen einsetzen, wie sie in einemGutachten des Deutschen Seminars fürStädtebau und Wirtschaft (DSSW) (vgl.

DSSW o.J.) für ostdeutsche Städte heuteschon geführt werden: die Unterbrin-gung von Fachmarktzentren und gross-flächigen Freizeiteinrichtungen in derCity zur Erhöhung der Frequenz.

6. Weiterer ForschungsbedarfDie Untersuchung ist nach unseremKenntnisstand die erste, welche dieFunktionsweise kleiner Büromärkte inder Bundesrepublik Deutschland unter-sucht hat. Sie hat Indizien darüber ge-liefert, wie Immobilienmärkte in solchenStädten funktionieren. Ob diese Mecha-nismen für kleine Märkte insgesamt gel-ten, müssen Untersuchungen in weiterenStädten zeigen.

Aus Sicht der Stadtplanung müssendie Innenstädte auch westdeutscher Mit-tel- und kleiner Grossstädte und derenFunktionsfähigkeit in den Fokus der For-schung gestellt werden. Dazu solltenicht nur die Bedeutung und Entwick-lung der Büronutzung, sondern aller üb-rigen gewerblichen Nutzungen unter-sucht werden, um darauf aufbauendKonzepte zum Erhalt der Funktionsfähig-keit zu entwickeln.

DISP 159 42 2004

Beispiel Abwägung FachplanungenDies soll hier an einem Beispiel, ebenfallsaus der Stadt Braunschweig, verdeutlichtwerden. Dort beabsichtigt die ECE, einShoppingcenter im Schlosspark zu errich-ten. Die Stadt Braunschweig hat deshalbein städtebauliches Gutachten in Auftraggegeben, das empfiehlt, durch authenti-sche Lage, Umriss und Bauvolumen desim 2. Weltkrieg zerstörten Schlosses diehistorischen Bezüge wiederherzustellen[vgl. http://www. braunschweig.de/rat_verwaltung/fb61_1/0/rv/fb61_1/ece_gutacht.html, Zugriff 20.05.2003]. Ausder Sicht der Fachplanung ist dieses An-liegen zweifellos nachvollziehbar und be-rechtigt.Wird diesem Gutachten gefolgt, wird dasShoppingcenter am, von der Innenstadtbetrachtet, hinteren Ende des Schloss-parks errichtet. Einzelhandelsexpertenempfehlen Stadtplanern aber, solche Zen-tren möglichst dicht an die klassische 1a-Einzelhandelslage heranzubringen[z.B. Gerhard Kemper auf dem gif-Forum«Metropolen versus Mittelstädte» am12.02.2004 in Frankfurt]. Andernfallsfände kein Austausch der Frequenzenzwischen Shoppingcenter und der inner-städtischen Einkaufszone statt mit demklaren Verlierer der bestehenden Einzel-handelslage. Um die Wettbewerbsfähig-keit der heutigen Braunschweiger Einzel-handelslage zu erhalten, wäre es deshalbrichtig, das Shoppingcenter direkt an dieStrassenkante zu bauen.

Page 43: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

Anmerkungen

[1] Alle Städte in Ostdeutschland inklusiveBerlin werden im Folgenden auf Grund ihrerSonderentwicklung nicht betrachtet.[2] Nur in der Zeit des New Economy Boomsab 1999 hatten die grösseren Märkte höhereWachstumsraten zu verzeichnen, laut der Po-larisationstheorie ein natürlicher Vorgang inZeiten, in denen Innovationen das Wirt-schaftswachstum bestimmen.[3] Geführt in Braunschweig und Hamburgim Jahr 2003.[4] Eigene Berechnung auf Basis der amtli-che Statistik «Sozialversicherungspflichtig Be-schäftigte».[5] Eigene Erhebung bei Eigentümern und imArchiv der Baugenehmigungsbehörde.[6] Tatsächlich entstand in einigen Interviewsder Eindruck, dass die Projekte der Ge-sprächspartner finanzielle Schwierigkeitenhaben.

Literatur

DSSW (o.J.): Öffentliche Ausschreibung: Inte-gration von Freizeiteinrichtungen, Dienstleis-tungen, gewerblicher Tätigkeiten und gross-flächigem Einzelhandel in Innenstädte (Ab-lauffrist der Ausschreibung 14.07.03).

SCHULTEN, A.; ROMETSCH, G. (2002):Strukturmerkmale und Organisation der De-veloper in Deutschland, in: SCHULTE, K.-W.;BONE-WINKEL, S.: Handbuch Immobilien-Projektentwicklung, 2. Auflage, Köln.

Prof. Dr. Monika DobbersteinTechnische Universität Hamburg-HarburgArbeitsbereich 1-06Gewerbeplanung und WirtschaftsförderungD-21071 [email protected]

DISP 159 43 2004

Page 44: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

U r s M ü l l e r, M i c h a e l K o l l m a i r

Die Erweiterung des Schweizerischen NationalparksDer Planungsprozess 1995–2000, betrachtet aus partizipationstheoretischer Sicht

It seems to be increasingly recognised

worldwide that the aims of nature con-

servation or of regional planning can

only be achieved with adequate involve-

ment of the concerned communities them-

selves. This article analyses the social

processes during the proposed extension

of the Swiss National Park between 1996

and 2000 from a participatory view-

point. It is based on an analysis of rele-

vant newspaper articles and in-depth in-

terviews with representatives of involved

stakeholders. Considering that participa-

tion is a very popular, yet contested term,

we distinguish between normative (i.e.,

the aim is participation) and instrumental

(i.e., the aim is to achieve predefined

goals) participation, notions that supple-

ment rather than exclude each other.

While the local population rejected the

majority of the proposed extensions of

the Park, results show that this should not

be perceived as a failure of the process.

That the outcome was not perceived by

local people to be satisfactory could be

explained by the lack of awareness of

the basic principles of participatory

processes, like openness and trans-

parency of planning, a sufficient time-

frame, and independent mediation.

These organisational shortcomings re-

sulted in fundamental opposition from

groups of local stakeholders and con-

strained the future development potential

of the region.

1. EinleitungWeltweit setzt sich die Meinung durch,dass Ziele des Naturschutzes nur mit an-gemessener Mitwirkung der betroffenenBevölkerung erreicht werden können.Dies war nicht immer so. Besonders bisin die 1980er-Jahre herrschte bei denmeinungsführenden internationalen Na-turschutzorganisationen wie IUCN undWWF mehr oder weniger deutlich dasBild vor, dass die lokale (meist ländli-

che) Bevölkerung Ursache für die sichverschlechternde Situation der natürli-chen Lebensgrundlagen sei. Hauptzielvieler Naturschutzbemühungen war esdaher, diese Nutzungen zu unterbin-den, was mit einer Verringerung desMitspracherechts der lokalen Bevölke-rung verbunden war. Heute hingegenhat sich die Meinung etabliert, dassnachhaltige Entwicklung nicht aufZwangsmassnahmen, sondern auf Parti-zipation basieren sollte.

Oft werden die Ursachen für dasScheitern von partizipativen Natur-schutzprojekten in den undemokrati-schen Rahmenbedingungen der sich ent-wickelnden Länder gesucht, in denendie meisten Untersuchungen über diesesThema angesiedelt sind. Daher stelltesich uns die Frage, wie partizipativeNaturschutzvorhaben in einem demo-kratisch organisierten Staat wie derSchweiz durchgeführt werden.

An Anschauungsmaterial bezüglichder partizipativen Umsetzung von Na-turschutzvorhaben fehlt es in derSchweiz nicht. Im Berner Oberland undim Oberwallis konnten 2001 die seitden 1970er-Jahren anhaltenden Diskus-

sionen um die Errichtung eines «Weltna-turerbes Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn»erfolgreich zu Ende geführt werden, imEngadin liefen zwischen 1995 und2000 Bestrebungen, den Schweizeri-schen Nationalpark (SNP) substanziellzu erweitern, die Region Entlebuch er-hielt im September 2001 den seit 1997angestrebten Status eines «Unesco Bio-sphärenreservats» zugesprochen, und2003 erhielt schliesslich auch derMonte San Giorgio den Status einesWeltnaturerbes. Hinzu kommen diverselaufende Projekte.

Den abgeschlossenen Vorhaben istgemein, dass sie explizit basisdemo-kratisch angegangen wurden, d.h. eswurde von «einem regionalen Konsens»[1], vom «Eigenprodukt der Region» [2]gesprochen, beziehungsweise kam dasProjekt «von der Basis her» [3].

Im Folgenden wird die Erweiterungdes SNP beleuchtet (siehe Müller 2001).Vergleiche mit der Biosphäre Entlebuchund dem Weltnaturerbe Jungfrau-Aletsch-Bietschhorn, die derzeit im Forschungs-projekt «The Power of Images» aufgear-beitet werden [4], können an dieserStelle nur marginal einfliessen.

DISP 159 44 2004

REFEREED

Page 45: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

2. Was ist Partizipation?Partizipation ist ein derart oft und in den unterschiedlichsten Zusammenhän-gen verwendeter Begriff, dass er zu ei-nem Modewort ohne konkretisierbarenInhalt zu verkommen scheint. In der Ent-wicklungsforschung wird bereits nachder «neuen Tyrannei der Partizipation»gefragt (Cooke und Kothari 2001). Ur-sache dafür sehen wir nicht nur im infla-tionären und unpräzisen Gebrauch die-ses Konzepts, sondern besonders in denunterschiedlichen Auffassungen davon,wie politische Angelegenheiten zu re-geln sind. Entsprechend gehen die kon-kreten Vorstellungen, was unter Partizi-pation zu verstehen ist, so weit ausein-ander wie die zu Grunde liegenden sozialpolitischen Grundsatzpositionen:Wer Demokratie im Wesentlichen alsMethode versteht, wird auch Partizipa-tion anders auffassen als jemand, wel-cher Demokratie als Herrschafts- und Le-bensform betrachtet (Schultze 1995). Imersten Verständnis ist Partizipation einInstrument zur Verwirklichung bestehen-der Bedürfnisse und Interessen. Wirsprechen bei dieser Position deshalbvon einem instrumentellen Partizipati-onsverständnis. Gerade in der Raumpla-nung kann instrumentelle Partizipationrelativ weit reichende Beteiligungsfor-men aufweisen mit dem Ziel, die Akzep-tanz von Vorhaben und die Effizienz derUmsetzung zu steigern (vgl. Broggi1999; Stoll 1999; Selle 1994, 1996;Wehrli-Schindler 1987; Nicolini 1997).

Solange die angewandte Partizipa-tion nur als Methode der Umsetzungdient, handelt es sich um instrumentellePartizipation. Die andere, normative Po-sition strebt nach möglichst umfassenderVerwirklichung dessen, was üblicher-weise als Volkssouveränität bzw. Demo-kratie bezeichnet wird. Politische Ange-legenheiten sollen von allen potenziellBetroffenen debattiert werden. Das so-ziale und politische Wesen des Men-schen und damit seinen Willen zur Ko-operation betonend wird angenommen,dass die Menschen bereit sind, andereals ihre Meinungen zu respektieren undüberzeugende Argumente anzuerken-nen. Demokratie soll die Lebensform dergemeinsamen Selbstbestimmung sein,wobei nicht instrumentelles oder strate-

gisches, sondern kommunikatives Han-deln praktiziert wird (Habermas 1981).Normative Partizipation ist kein Mittelzur effizienten Realisierung eines vorge-fassten Zweckes, beispielsweise als Mit-tel zur «Akzeptanzsteigerung» bei Pla-nungsangelegenheiten, sondern sie istein dynamischer Prozess, in dem sichein Vorhaben erst konkretisiert. Die Öff-nung der Planung über die Experten-ebene hinaus und der Einbezug desWissens der Betroffenen führt zu «bes-seren» Vorhaben: «… no scientific me-thod will ever be able to ask all the rightquestions about how we should manageresources for sustainable protected-areamanagement, let alone find the ans-wers» (Pimbert und Pretty 1997:299).

Die beiden Auffassungen von Partizi-pation sind als sich ergänzend und nichtausschliessend zu verstehen. Dies wirdumso deutlicher, wenn man sich die annormative partizipative Prozesse gestell-ten Anforderungen – sowohl auf Seitenihrer Durchführung wie auch auf Seitender Beteiligten – verdeutlicht. Das nor-mative Demokratiemodell erhält denStatus eines Leitbildes, «welches schwer

zu erreichen, aber anzustreben ist»(Reuter 2000:4). Wenn immer möglich,sollen Verfahren der Problemlösung undEntscheidungsfindung kleinräumig ver-ankert und zunehmend partizipative Ele-mente institutionalisiert werden. Die Su-che nach den Voraussetzungen des de-mokratischen Konsenses bleibt somit ei-nerseits eine der Hauptaufgaben praxis-bezogener Wissenschaften. Anderer-seits müssen moderne, an einer nach-haltigen Entwicklung orientierte «Natur-schutzvorhaben» Projekte für die Umset-zung partizipativer Prozesse sein.

3. Weshalb eigentlichPartizipation?Während sich für das instrumentelle Par-tizipationsverständnis diese Frage garnicht stellt, da der Zweck das Mittel Par-tizipation «heiligt», stehen Forderungennach normativer Partizipation unterständigem Begründungszwang. Wir tei-len die Auffassung, dass normative Par-tizipation ein «demokratisch begründe-ter Wert an sich [ist], zu dem es keinevernünftige Alternative gibt» (Braun

DISP 159 45 2004

Page 46: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

2003:191; vgl. u.a. Barber 1994).Normative Partizipation bzw. Empower-ment kann sich aber auch «lohnen».

«In Naturparks investieren zahlt sichaus», titelte der Zürcher Tages-Anzeigerim Frühjahr 2004 anlässlich der Diskus-sion um die Sparbemühungen desSchweizerischen Bundesrates [5]. ZurUntermauerung der Aussage wird einer-seits auf die Untersuchung von IreneKüpfer verwiesen, die die regionalwirt-schaftliche Bedeutung des SNP aufge-zeigt hat (Küpfer et al. 2001). Danebenwird das Beispiel der Unesco BiosphäreEntlebuch (UBE) angeführt, welche –laut deren Direktor Theo Schnider –dank diesem Vorhaben angebotsseitigeinen «Innovationsschub» und auf derSeite potenzieller Nachfrager eine«enorme Imageverbesserung» erlebthat. Während Letzteres primär eineFrage des Destinationsmarketings ist,bei dem der SNP der UBE an Bekannt-heit noch einiges voraus sein dürfte, ver-dankt sich der Innovationsschub im We-sentlichen der durch das Biosphärenre-servat initiierten Partizipation. Die mitder Partizipation verwobene Informa-tion und Kooperation (Lernprozesse,Aufbau von Netzwerken etc.) führen zurErhaltung von Wertschöpfung und Ar-beitsplätzen in der Region (vgl. Schmidet al. 2004). Die Biosphäre Entlebuchist ein Modellfall für «Positivplanung,verstanden als gestaltende Planung,welche wirtschaftliche und gesellschaftli-che Aspekte mitnimmt» (Lendi 2002:2).

4. AngewandteUntersuchungsmethodenDas Vorhaben der Erweiterung des SNPwurde erstens diskursanalytisch anhandvon Medienerzeugnissen (lokalen, re-gionalen und überregionalen Zeitungenund Publikationen der Nationalparkver-waltung) über den Zeitraum von derLancierung der Erweiterungsidee um1996 bis zur Sistierung des VorhabensEnde 2000 nachgezeichnet. Das Zielwar eine chronologische Darstellungdes Erweiterungsvorhabens und zudemdie Identifikation von Vertreterinnen undVertretern von Interessengruppen, wel-che die durch das Vorhaben am stärks-ten tangierten Interessen wie Land- und

Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei, Na-turschutz, Nationalpark, Tourismus,Kommunal- und Regionalentwicklungund Grundeigentum oder -besitz abde-cken. In einem zweiten Schritt wurden16 dieser Repräsentanten bezüglich ih-rer subjektiven Wahrnehmung der Parti-zipationsmöglichkeiten und -bereitschaftbefragt. Aus der Diskursanalyse undden ausgewerteten Interviews erfolgteschliesslich die partizipationstheoreti-sche Interpretation des Vorhabens derSNP-Erweiterung.

5. Der SchweizerischeNationalparkDie Schweiz besitzt nach wie vor nur ei-nen Nationalpark: den SchweizerischenNationalpark (SNP) im Kanton Graubün-den, am Ofenpass gelegen und unmittel-bar an den italienischen NationalparkStilfserjoch/Stelvio angrenzend. DieGründung des SNP ab 1906 beruhte ei-nerseits auf der privaten Initiative derSchweizerischen Naturforschenden Ge-sellschaft, ein Stück «Natur» der mensch-lichen Nutzung zu entziehen (Schloeth1989), andererseits auf der «Liebe derEinheimischen zu den Parkzinsen» (Nuss-baumer 2000:2), welche sie bewog,den Pachtverträgen zuzustimmen (zu denfinanziellen Interessen, die zur Verpach-tung des Landes führten, vgl. Parolini1995). Zur Finanzierung der Pachtver-träge wurde im Jahre 1909 der Schwei-zerische Naturschutzbund (heute: ProNatura) gegründet, «der bei einem Jah-resbeitrag von zunächst einem Franken

in der Bevölkerung grossen Zulauf fand»(Scharinger, 1999:171).

Der SNP trägt zwar den Namen «Na-tionalpark», er ist aber in der «UnitedNation List of Protected Areas» derIUCN der Kategorie 1a («strenges Na-turreservat») zugeteilt (IUCN, 1998).Das bedeutet, dass die Natur «vor allen,nicht dem Zwecke des Reservats dienen-den, menschlichen Eingriffen und Ein-flüssen vollständig geschützt wird unddie gesamte Tier- und Pflanzenwelt ganzihrer freien, natürlichen Entwicklungüberlassen bleibt und der [Park] auchder wissenschaftlichen Forschung dient»(Scharinger, 1999:177).

Zum Zeitpunkt des Beginns des Erwei-terungsvorhabens wies der SNP eineFläche von 168,7 Quadratkilometerauf. Sein Territorium erstreckte sich überdie vier Nationalparkgemeinden Zer-nez, S-chanf, Scuol und Valchava. Dieadministrative Aufsicht über den SNPhat die aus neun Personen bestehendeEidgenössische Nationalparkkommission(ENPK) inne. Sie setzt sich zusammenaus zwei Vertretern der Eidgenossen-schaft, drei der Pro Natura, zwei derSchweizerischen Akademie der Natur-wissenschaften und je einem Vertreterdes Kantons Graubünden und der vierParkgemeinden.

6. Das ErweiterungsvorhabenDie Idee, den SNP zu erweitern, kam1994 anlässlich der Feiern zum 80-jähri-gen Bestehen des Parks auf. Einer breite-ren Öffentlichkeit wurde der Gedanke

DISP 159 46 2004

Page 47: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

der Erweiterung in einer Pressekonferenzin der Bundeshauptstadt Bern Ende Mai1995 vorgestellt. Das Einverständnis derbetroffenen Gemeinden vorausgesetzt,war von einer Vergrösserung der Kern-zone des Parks die Rede. Zusätzlichsollte in den bewohnten benachbartenTalschaften eine Umgebungszone entste-hen, in der eine angepasste Nutzung zu-gelassen würde.

Lanciert wurde die Diskussion um dieErweiterung 1996 vom Scuoler Gemein-depräsidenten Not Carl. Er verfolgte dasZiel einer ökologischen und touristischenAufwertung des Unterengadins, von derauch das einheimische Baugewerbe pro-fitieren sollte (Carl, 1996).

Der Nationalparkdirektor wurde imJuli 1996 von der ENPK beauftragt, mitden Gemeinden der Region Kontakt auf-zunehmen und ein Konzept für das Er-weiterungsvorhaben auszuarbeiten. Umdie Totalschutzzone, wie sie bereits be-steht, ausdehnen zu können, sollten mitden betroffenen Grundeigentümern wei-tere Pachtverträge abgeschlossen wer-den. Grundeigentümer sind primär diejeweiligen Bürgergemeinden, die politi-schen Gemeinden bestimmen aber überdie Art der Nutzung auf diesen Bödenmit und waren deshalb auch zu kontak-tieren. Im potenziellen Erweiterungsge-

biet gesellen sich zu den Bürgergemein-den als hauptsächliche Eigentümer desBodens noch rund 70 private Grundei-gentümer mit einer Gesamtfläche von le-diglich 8 Quadratkilometer. Da dasSchwergewicht der SNP-Erweiterungnicht auf der Erweiterung der Total-schutzfläche, sondern auf der Etablie-rung einer Umgebungszone liegensollte, mussten auf der Basis des Erwei-terungskonzeptes neue grundeigentü-merspezifische Verträge ausgearbeitetwerden, welche den neuen Schutzstatusregelten. Ebenso galt es das eidgenössi-sche Nationalparkgesetz und die kanto-nale Nationalparkverordnung den sichabzeichnenden neuen Bedingungen an-zupassen (Buwal 2000).

Im August 1996 fand eine erste Ver-nehmlassung bei den Gemeinden desUnterengadins, des Münstertals und Tei-len des Oberengadins statt: «Die Ant-worten waren positiv, zum Teil abwar-tend, nie jedoch abschlägig negativ»(ENPK 1998:3). Im Mai 1997 wurdeden Gemeinden der Region, dem Kan-ton, dem Bund und weiteren interessier-ten Kreisen ein Konzept zur Stellung-nahme zugestellt, in welchem die Leitli-nien der Erweiterung skizziert waren.Darin wurde der Wunsch seitens desParks geäussert, die Kernzone auf 200Quadratkilometer oder mehr zu erwei-tern, während es für die neu zu grün-dende Umgebungszone hiess, «diemenschliche Nutzung müsse bezüglichsämtlicher Naturwerte nachhaltig sein»(Konzept für die Erweiterung desSchweizerischen Nationalparks vom 7.Mai 1997). Der erweiterte National-park sollte insgesamt eine Fläche in derGrössenordnung von 500 Quadratkilo-meter umfassen, womit er sich auf 21Gemeinden ausdehnen würde. Die Re-aktionen auf diese zweite Vernehmlas-sung wurden von der ENPK wiederumals mehrheitlich positiv dargestellt, «wo-bei stets klar war, dass noch erheblicheDetail- und Anpassungsarbeiten zu leis-ten sind» (ENPK, 1998:3).

Anfang September 1997 hat sich dieBevölkerung der Gemeinde Lavin, wel-che an den bisherigen Nationalpark an-grenzt, mit grosser Mehrheit dafür aus-gesprochen, als Pilotgemeinde für dieNationalparkerweiterung zu wirken. Für

den Gemeindepräsidenten von Lavinwar offensichtlich, dass der Einbezugseiner Gemeinde in den Kreis der Na-tionalparkgemeinden auch ein touris-tisch geschickter Schachzug ist.

Ende 1997 nahm die projektbeglei-tende Kommission ihre Arbeit auf, mitdem Ziel, den regionalen Konsens fürdas Projekt zu finden und alle beteilig-ten Kreise auf dem Laufenden zu halten(ENPK 1998:4). Diese 18-köpfige Kom-mission setzte sich aus Vertreterinnenund Vertretern der Gemeinden, der Re-gionalplanungsverbände, der Land- undForstwirtschaft, der Jagd und Fischerei,des Tourismus, des Natur- und Umwelt-schutzes und der Forschungskommissiondes SNP zusammen.

Im März 1998 wurde das durch dieprojektbegleitende Kommission berei-nigte Konzept vorgelegt. Dieses bein-haltete – gegen den Widerstand von ProNatura und anderer Naturschutzver-bände – ein weiteres Entgegenkommengegenüber den Ängsten der Bevölke-rung vor zu einschränkenden Schutzbe-stimmungen in der Umgebungszone desSNP.

Am 25. Mai 1999 nahm die Natio-nalparkerweiterung die erste grosseHürde: Die Stimmberechtigten von Lavinstimmten dem Vertrag über die Integrie-rung der Seenplatte Macun (3,6qkm) indie SNP-Kernzone zu. Auch das Kon-zept der Umgebungszone wurde konsul-tativ gutgeheissen. Doch praktischgleichzeitig mit dem Erfolg in der Ge-meinde Lavin zeigte sich Widerstand inanderen Gemeinden. Die ENPK rea-gierte, indem sie das Projekt staffelteund weitere Verhandlungen zunächstnur mit 8 der 21 potenziellen Erweite-rungsgemeinden führte. Für Beobachterdes Erweiterungsprozesses reichte dieseReaktion jedoch nicht aus. Ihre Forde-rungen gingen von der Ernennung vonneutralen Mediatoren bis zum Aufruf,den Erweiterungsprozess zu stoppen,um ihn später allenfalls in Richtung einesBiosphärenreservates neu zu starten [6].Neben dem zunehmenden Widerstandaus Tourismus- und regionalwirtschaftli-chen Kreisen organisierte sich im Au-gust 1999 die Gruppierung «Pro Terri-tori Liber» (Vereinigung zur Erhaltungunserer Rechte und Freiheiten, PTL). Die

DISP 159 47 2004

Page 48: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

PTL bezweckte die «Aufklärung unsererBevölkerung, die schlussendlich zu die-sem kolonialistischen Projekt Stellungnehmen muss» (PTL in: Die Südost-schweiz, 8.9.1999).

Im Dezember 1999 liess die ENPKverlauten, der mehrfach geforderte Me-diator sei nun gefunden: «Mediator ge-sucht […]. Er ist nun gefunden. Natio-nalrat Duri Bezzola aus Scuol ist bereit,diese Rolle zu übernehmen, um das Er-weiterungsprojekt des SNP voranzutrei-ben. «Ich sehe mich als Mentor», soBezzola» (Die Südostschweiz, 16.12.1999).

Doch im November 2000 stimmte dieBürgergemeinde Tarasp für ein Morato-rium, das für die nächsten 20 Jahre jegliche Verhandlungen über eine Er-weiterung des SNP auf ihrem Gebiet ab-wehrte. Die PTL streute ihrerseits weitere«Argumente gegen die Erweiterung desSchweizerischen Nationalparks» (Titelder Broschüre der PTL vom August2000), diverse Tourismus- und Gewerbe-vertreter forderten ein Moratorium, undim Oktober 2000 wurde in Zernez aus-gehend von Jungpolitikern der Schwei-

zerischen Volkspartei (SVP) ein Komitee«Jugend gegen die Nationalparkerwei-terung» gegründet.

Zernez war die zweite Gemeindenach Lavin, welche über die Erweite-rung des SNP entschied. Da sich in die-ser Gemeinde mit dem Nationalpark-zentrum quasi das Eingangstor zumSNP befindet – weshalb Zernez aucham stärksten vom Park profitiert (Küpfer,2000) – handelte es sich um einen sym-bolisch stark aufgeladenen Entscheidüber Fortgang oder Ende des ganzenweiteren Erweiterungsvorhabens. Alsdie Stimmbürgerinnen und Stimmbürgervon Zernez nach verschiedenen Infor-mationsveranstaltungen schliesslich ander Gemeindeversammlung eine Erwei-terung des SNP auf ihrem Territoriumablehnten, hiess es, die «Mission ist gescheitert – Projekt muss auf Eis ge-legt werden» (Die Südostschweiz,4.12.2000). Die Stimmbeteiligung waran dieser Abstimmung mit 64% ausser-ordentlich hoch, was mitunter auch alsMobilisierungserfolg des Komitees «Ju-gend gegen die Nationalparkerweite-rung» gesehen werden muss. In der

Folge wurde das Erweiterungsvorhabenvon der ENPK sistiert.

7. Interpretation des partizipativen ProzessesDamit Partizipation funktionieren kann,müssen einige Voraussetzungen erfülltsein. Diese lassen sich analytisch unter-scheiden in organisatorische und indivi-duelle Voraussetzungen der Partizipa-tion. Während sich die individuellenVoraussetzungen auf Partizipationsbe-reitschaft und -fähigkeit beziehen, ver-stehen wir unter den organisatorischenVoraussetzungen jene Elemente, die derBevölkerung überhaupt erst ermögli-chen, an den sie betreffenden Entschei-dungen teilzuhaben. Die zentralste Vor-aussetzung normativer Partizipation istdie Offenheit des Verfahrens und seiniterativer Fortgang. Die weiteren Vor-aussetzungen wie der funktionierendebeidseitige und respektvolle Informati-onsfluss, angepasste Kommunikations-formen, angemessener Kreis der Betei-ligten, ausreichend Zeit für das partizi-pative Verfahren und u.U. der Beizugvon Mediatoren sind Bedingungen nichtnur normativer Partizipation, sondern inder Regel auch (erfolgreicher) instru-menteller Partizipation.

Zwischen individuellen und organisa-torischen Voraussetzungen der Partizi-pation besteht allerdings ein starker Zu-sammenhang: Liegt keine Möglichkeitzur Partizipation vor, kann diese auchnicht genutzt werden; wird über eineProjektentwicklung nicht transparent in-formiert, kann von der Bevölkerungauch kein Vertrauen gegenüber der Pro-jektleitung erwartet werden; werden An-liegen der Betroffenen nicht ernst ge-nommen, dürfte sich deren Dialogbereit-schaft verflüchtigen; werden historischbedingte Zwiste nicht thematisiert, kön-nen diese auch nicht bewältigt werden;wird Druck ausgeübt, entsteht Gegen-druck usw.

Dem normativen Partizipationsver-ständnis wird das Vorhaben der SNP-Er-weiterung mangels Offenheit nicht ge-recht. Es war nicht offen für innovativeFormen von Grossschutzvorhaben, wel-che durchaus in Einklang mit den Inter-essen der Förderung regionaler Wert-schöpfung stehen können. Der Vor-

DISP 159 48 2004

Page 49: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

schlag, an Stelle der SNP-Erweiterungein (der Sevilla-Strategie entsprechen-des) Biosphärenreservat zu etablieren(siehe oben), in welchem der beste-hende Park die Kernzone bilden könnte,wurde von den Verantwortlichen nichtaufgenommen, eine ganzheitliche Dis-kussion über die Zukunft der Regionnicht geführt. So gesehen war die SNP-Erweiterung ein nur wenig offenes, d.h.auf geringfügige Änderungen be-schränktes Angebot des Nationalparksan die Gemeinden und weiteren Grund-eigentümerinnen und Grundeigentümer,welches – ausser von der BevölkerungLavins – abgelehnt wurde.

Mit einer offenen Planung, welche aufdie Befürchtungen und Einwände derbetroffenen Bevölkerungsgruppen ein-geht, hätten Ängste (beispielsweise dieAngst vor Fremdbestimmung oder späte-rer Verschärfung der Verträge) ausge-räumt werden können. Durch offenesZuhören hätte sich auch berücksichtigenlassen können, dass der Name «Natio-nalparkerweiterung» an eine Ausdeh-nung des bestehenden, totalgeschütztenSNP denken lässt, folglich ein treffende-rer Projektname sinnvoll wäre.

Der Offenheit partizipativer Prozesseentsprechend ist durchaus denkbar,dass ein offener Verfahrensbeginn nichtzwingend zu einem inhaltlich anderenProjekt geführt hätte, sondern dass dasKonzept der Umgebungszone von derBevölkerung in der vorgegebenen Artübernommen worden wäre. Der offenePlanungsbeginn hätte in diesem Fall ei-nen psychologischen Effekt gehabt: Eswäre vermieden worden, dass in der Be-völkerung Misstrauen gegenüber denProjektinitiatoren aufkommt, Misstrauendeshalb, weil ein spätes Beteiligungsan-gebot als Alibihandlung wahrgenom-men und sein instrumenteller Charakterdurchschaut wird (vgl. Stoll 1999).

Wenn auch beim gewählten Vorgehender SNP-Erweiterung die Voraussetzun-gen normativer Partizipation nicht erfülltwaren, so stellt dieses – gerade auch iminternationalen Vergleich – einen inter-essanten Fall instrumenteller Partizipa-tion dar: Die Umsetzung des Erweite-rungsvorhabens über die Vertrags- re-spektive Pachtkonzeption schliesst Fremd-bestimmung prinzipiell aus. Denn den

betroffenen Grundeigentümerinnen undGrundeigentümern steht es letztlich frei,ob sie die Pachtverträge unterschreibenwollen oder nicht. Um die Akzeptanzder Verträge zu erhöhen, empfiehlt essich deshalb, diese so weit wie möglichpartizipativ auszugestalten, d.h. die Be-troffenen in die Ausarbeitung der Ver-träge einzubeziehen. Doch auch aufdieser Ebene der instrumentellen Partizi-pation wurden einige Voraussetzungennicht gebührend berücksichtigt:• Die potenziell betroffenen Grundei-gentümerinnen und Grundeigentümerund Nutzungsberechtigten und vor al-lem die breite Bevölkerung wurden nichtangemessen in das Verfahren einbezo-gen. So wurde beispielsweise anfäng-lich übersehen, neben den politischenGemeinden auch (und vor allem) dieBürgergemeinden, also die eigentlichenEigentümer eines Grossteils des Bodens,zu kontaktieren und zu informieren – dievereinzelten privaten Grundeigentüme-rinnen und Grundeigentümern wurdengar erst drei Jahre nach Lancierung derErweiterung schriftlich informiert. • Der Bevölkerung und den verschiede-nen Kommissionen wurde nicht genü-gend Zeit eingeräumt. Die Verantwortli-chen des SNP haben sich von Anfangan selbst unter Druck gesetzt, indem sieden Medien mitteilten, die Erweiterungdes SNP solle innert drei Jahren auf den1. August 2000 umgesetzt sein (NZZ,31.12.1997). • Die Akzeptanz der Bevölkerung ge-genüber dem Vorhaben wurde bis zumSchluss überschätzt, was ein deutlichesZeichen für die Kluft zwischen derWahrnehmung der Bevölkerung und je-ner der Promotoren der Erweiterung ist.• Die Resultate der durchgeführten Ver-nehmlassungen wurden – insbesonderezuhanden der stimmberechtigten Bevöl-kerung – nicht transparent und ehrlichgenug kommuniziert. Das Gleiche giltfür den potenziellen Gebietsperimeter.• Bezüglich der Repräsentativität derprojektbegleitenden Kommission sindzwar die wichtigsten Interessen – siehtman von jenen der weiblichen Mehrheitund der Jugend ab – vertreten gewesen,jedoch ist nicht nachvollziehbar, nachwelchen Kriterien diese ausgewählt wur-den. Solche «Spielregeln» müssen kom-

muniziert und allenfalls diskutiert werden. • Unglücklich war hingegen die Zu-sammensetzung der ENPK, da die Re-gion während der Erweiterungsphasemit nur einer Person darin vertreten war.Eine stärkere Vertretung hätte mindes-tens psychologisch positive Auswirkun-gen gehabt, während sich an den Mehr-heitsverhältnissen wenig geändert hätte.• Gefehlt hat eine neutrale Verfahrens-moderation respektive -mediation. Diesehätte u.a. das Vorgehen planen, demDialog Sicherheit geben, Transparenzverbürgen, Interessengegensätze in dieDiskussion einbringen und Streitigkeitenklären können. Die neutrale Verfahrens-leitung (im Gegensatz zur Beauftragungdes Direktors des Nationalparks) hättezur Stärkung des wechselseitigen Ver-trauens beigetragen, auf welchemschliesslich die Zusammenarbeit auf-bauen kann (zur Bedeutung von Ver-trauen in Kommunikationsprozessen vgl.Nicolini 1997). Die Begriffsverwirrungim Zusammenhang mit der Ernennungdes Mediators, welcher sich dann selbstals Mentor bezeichnete (vgl. oben),lässt schliesslich vermuten, dass bei denVerantwortlichen das Verständnis be-züglich der Durchführung partizipativerVerfahren fehlte. Die ENPK verzichtetedarauf, die immer deutlicher werdendenKonflikte mittels eines neutralen Vermitt-lers zu lösen zu versuchen und setzte da-gegen auf regionale Persönlichkeiten,die für den Sinn und Nutzen der SNP-Er-weiterung Überzeugungsarbeit leistensollten.• Hinzu kommt, dass weder Staat nochSNP in der Vergangenheit bestrebt wa-ren, ihre Beziehungen zur Bevölkerungaufzubessern. Der SNP pflegte überseine Öffentlichkeitsarbeit geradezudas Image, er sei «eine Sache für dieWissenschaft», der Nationalpark wurdein den Augen der «Einheimischen» sozur ausserterritorialen Zone, zu einemMuseum, bestimmt für Forscher undStädter, welche selbst der Natur ent-fremdet sind. Erst das mehrheitlicheScheitern hat zu einem Umdenken ge-führt, so dass u.a. die Hauszeitung desSNP (Cratschla) viel bevölkerungsnähergestaltet wurde. Es deutet einiges dar-auf hin, dass die Verfahrensleitung denSNP stärker in der Bevölkerung hätte

DISP 159 49 2004

Page 50: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

verankern müssen, um so dem Miss-trauen und dem Vorwurf der Arroganzvorzubeugen.

Auf der Seite der Partizipationsbereit-schaft der Bevölkerung ist auf die annä-hernd fundamentalistische Oppositioneiniger Kreise – und das mediale Echo,das diese geniessen konnten – hinzu-weisen. Erfolgreich spielten sie auf derrechtspopulistischen Klaviatur emotiona-ler Motive wie «Freiheit» und «Autono-mie» (Pro Territori Liber) und wehrtensich gegen die «Einmischung des Staa-tes», gegen die «besserwisserischen In-tellektuellen», die «Zugewanderten»und überhaupt gegen alles, was vonaussen kommt. Verstehen wir unter einerfundamentalistischen Haltung jene Posi-tion, welche die eigene Sicht der Dingeallem Zweifel enthebt und ihre Richtig-keit mit völliger Gewissheit ausserhalbjedes Dialogs ansiedelt (Meyer 1998),kann die Opposition durchaus als fun-damentalistisch bezeichnet werden. Dieauf Vorurteilen beruhende Ausgrenzunganderer Personen und ihrer Meinungenist mit partizipativen Verfahren nicht ver-einbar, denn es mangelt an den für ei-nen (nicht nur partizipativen) Umganggrundlegenden Bedingungen: gegensei-tiger Respekt und Achtung.

Weiter ist zu berücksichtigen, dassdiese Kreise ihre Wirkung dem grossenEcho verdanken, welches sie in den Me-dien, namentlich in der Zeitung «DieSüdostschweiz», auslösten. Zeitungenals nach wie vor wichtigste Informati-onsmedien sollten in ihrer Berichterstat-tung kritisch, aber fair sein [7].

8. SchlussfolgerungenGrundsätzlich kann das Projekt der ge-planten Erweiterung des SNP durchausals positiver Ansatz in Richtung partizi-pativer Naturschutzplanung bezeichnetwerden. Es wurde im demokratischenGrundverständnis der Schweiz versucht,die Bevölkerung in die Entscheidungs-prozesse miteinzubinden, es gab wederFremdbestimmung noch Manipulationenim engeren Sinne und es kam letztend-lich zu demokratischen Abstimmungenüber das Vorhaben. Das Ergebnis, dieZustimmung in Lavin bzw. die Ab-lehnung in Zernez mit der Folge, dass

das weitere Vorhaben sistiert wurde,kann man aus partizipationstheoreti-scher Sicht nicht per se als Problem oderScheitern auffassen: einmal wurde dasAngebot angenommen, das andere Malabgelehnt. Dass aber dieses Ergebnisvon vielen Akteuren als unbefriedigendgewertet wird, regt zu einer tiefer ge-henden Analyse der gelaufenen Partizi-pationsprozesse an.

Eine grundlegende Schwierigkeit derPartizipation besteht im Ausgleichen un-terschiedlicher «Sprachen» und Kräfte-verhältnisse. Dafür bedarf es einer «neu-tralen» Verfahrensleitung und ggf. einesMediators. Die Entscheidung der ENPK,den Direktor des SNP mit der Durchfüh-rung zu beauftragen und später einen«Mentor» des Projekts zum Mediator zuernennen, mag ein mögliches Instrumentsein, um die Bevölkerung für ein Vorha-ben zu motivieren, widerspricht aberdem kommunizierten basisdemokrati-schen Vorgehen.

Wie im Vorangegangenen gezeigtwurde, fanden weitere «Regeln» instru-menteller Partizipation keine gebüh-rende Beachtung: Durch einen sehrknappen Zeitrahmen wurde unnötigDruck auf die Beteiligten ausgeübt unddie Suche nach Lösungsmöglichkeiten(z.B. die Additionsplanung von Schutz-massnahmen) zu stark inhaltlich undzeitlich behindert. Als Folge der Anwen-dung dieser Form von instrumentellerPartizipation wurden auf Seiten der Be-troffenen partizipative Mittel zur Ab-wehr des Drucks angewandt. Die beid-seitige – offensive bzw. defensive –Durchsetzung je eigener Ziele verun-möglichte nicht nur das Erreichen ge-meinsamer Ziele, sondern nur schon dasErkennen dieser.

Von erstrangiger Bedeutung für dasGelingen eines Vorhabens ist die klareDeklaration der Art des Partizipations-verfahrens. Partizipation im normativenSinne kann kein Mittel zur Akzeptanz-steigerung von Naturschutzvorhabensein. Wo normative Partizipation ausMangel an Bereitschaft oder den nöti-gen Ressourcen nicht möglich ist, ist aufjeden Fall vor so genanntem «Etiketten-schwindel» zu warnen. Damit gemeintsind Versuche, die als Mittel der effi-zienten Planverwirklichung gedachte

(instrumentelle) Partizipation als norma-tive zu kommunizieren. Von Bürgerbetei-ligung oder basisdemokratischer Be-schlussfindung zu sprechen, obwohl dieBeteiligten an der bereits gemachtenPlanung keine wesentlichen Änderun-gen mehr anbringen können, schadetdem Vorhaben und seiner Umsetzung,der Reputation der Planer und natürlichder Idee der Partizipation selbst (vgl.Nicolini 1997). Das Offenlegen desPartizipationsverständnisses sowohl inder Praxis wie in der Forschung ist un-abdingbar.

Betrachtet man die aufwändigen Pro-zesse, die die vielfältigen parallelen Pla-nungen, die gleichzeitig in einer Regiondurchgeführt werden, benötigen wür-den, darf die anhaltende Partizipations-bereitschaft der Bevölkerung sicher nichtüberschätzt werden. Wir sind aber derÜberzeugung, dass über die Erfüllungorganisatorischer Bedingungen normati-ver Partizipation die individuelle Seitemassgeblich beeinflusst werden kann.Dass dies mit grossem Aufwand verbun-den ist, ist unbestritten. Deshalb solltensich Projektverantwortliche besser nichtauf partizipative Verfahren einlassen,wenn sie nicht bereit sind, diesen Auf-wand auch in Kauf zu nehmen (vgl. Lin-der et al. 1992). Um aber mehr überdie komplexen Zusammenhänge von or-ganisatorischen und individuellen Vor-aussetzungen der instrumentellen undnormativen Partizipation aussagen zukönnen, fehlt insbesondere die wissen-schaftliche Begleitung konkreter Bei-spiele partizipativer Verfahren.

Anmerkungen

Alle Fotos zur Verfügung gestellt von HansLozza, Schweizerischer Nationalpark, Zer-nez.[1] Der Direktor des SNP, Heinrich Haller(1999): Die geplante Erweiterung des Natio-nalparks: Vom Konzept zur Realisierung.Handout zum Vortrag anlässlich des Sympo-siums «Die Erweiterung des Nationalparks –Chancen für die Zukunft», Davos, 27.10.1999.[2] Der Redaktor des Entlebucher Anzeigers,Josef Küng (1997): Samstagsnotiz : Lebens-raum Entlebuch. In: Entlebucher Anzeiger,19.4.1997, S. 1. [3] Prof. Bruno Messerli zit. in: Walter Däpp

DISP 159 50 2004

Page 51: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

(2001): Jahr der Berge – und Jungfrau-Aletsch als Welterbe? In: Der Bund,11.12.2001, S. 2.[4] Das Forschungsprojekt «The Power ofImages» von Norman Backhaus, Ulrike Mül-ler-Böker und Urs Müller ist Teil des Nationa-len Forschungsprogrammes 48 «Landscapesand Habitats of the Alps», das vom Schwei-zerischen Nationalfonds zur Förderung derWissenschaft unterstützt wird.[5] Martin Arnold (2004): In Naturparks in-vestieren zahlt sich aus. In: Tages-Anzeiger,2.3.2004, S. 36.[6] Mario F. Broggi, Tagungskommentar«Wie weiter?» zum Nationalpark-Symposiumvom 27.10.1999 in Davos, zit. in: Die Süd-ostschweiz, 5.7.2000: «Ein Moratoriumwäre das Beste». Der SNP ist bereits seit1979 ein Biosphärenreservat. Doch mit nureiner – nahezu total geschützten – Zone ent-spricht er de facto nicht den Unesco-Richtli-nien an Biosphärenreservate, wie sie 1995in der «Sevilla-Strategie» festgehalten wur-den. Eine SNP-Erweiterung in Form eines Bio-sphärenreservates hätte deshalb neben Kern-auch Pflege- und Entwicklungszonen beinhal-tet. [7] Es ist in diesem Zusammenhang kein Zu-fall, dass die Regionalzeitung «EntlebucherAnzeiger» bzw. ihr Redaktor, Josef Küng,Ende August 2003 den Journalistenpreis derSchweizerischen Arbeitsgemeinschaft für dieBerggebiete erhielt. Die Begründung der Jurylautete: «Nicht zuletzt auf Grund der objekti-ven und sehr seriös redigierten Artikelserievon Josef Küng haben schliesslich 94 Prozentder Bevölkerung der Gründung der Bio-sphäre zugestimmt» (Entlebucher Anzeiger,2.9.2003).

Literatur

BARBER, Benjamin (1994): Starke Demokra-tie. Über die Teilhabe am Politischen. Ham-burg.

BRAUN, Gerald (2003): Partizipation alsProzess. In: E + Z (Entwicklung und Zusam-menarbeit), Vol. 44, Nr. 5, S. 188–191.

BROGGI, Mario F. (1999): GrossflächigerGebietsschutz – welche Zukunft im Span-nungsfeld zwischen gesellschaftlichen An-sprüchen und Schutzbestrebungen? In: We-ber, Gerlind (Hrsg.): Raummuster – Planer-stoff. Festschrift für Fritz Kastner zum 85. Ge-burtstag. Wien.

BUWAL – BUNDESAMT FÜR UMWELT,WALD UND LANDSCHAFT (Hrsg.) (2000):Rechtliche Möglichkeiten der Sicherung vonGrossschutzgebieten. Gutachten von P.M.Keller. Schriftenreihe Umwelt, Nr. 321, Bern.

CARL, Not (1996): Der Nationalpark und die(zu) starre Grenze. In: Cratschla. Mitteilun-gen aus dem SNP, 4/1/1996, S. 19–22.

COOKE, Bill und KOTHARI, Uma (2000):Participation. The new tyranny? London,New York.

ENPK – EIDGENÖSSISCHE NATIONAL-PARKKOMMISSION (Hrsg.) (1998): Schwei-zerischer Nationalpark – Geschäftsbericht1997. Zernez.

HABERMAS, Jürgen (1981): Theorie deskommunikativen Handelns. Frankfurt a. M.

IUCN (1998): United Nations List of Protec-ted Areas, 1997. Gland, Cambridge.

KÜPFER, Irene (2000): Die regionalwirt-schaftliche Bedeutung des Nationalparktou-rismus untersucht am Beispiel des Schweize-rischen Nationalparks. Nationalpark-For-schung in der Schweiz, Nr. 90. Zernez.(Diss. Univ. Zürich, 2000).

KÜPFER, Irene; SCHMID, Annette;ELSASSER, Hans (2001): Zur wirtschaftlichenBedeutung von Schutzgebieten. Vermessung,Photogrammetrie, Kulturtechnik, Vol. 99, Nr.11, S. 692–697.

LENDI, Martin (2002): Erhalten und Gestal-ten: Thesen zu Landschaft und nachhaltigerEntwicklung. In: DISP, Nr. 149, S. 1–3.

LINDER, Wolf; LANFRANCHI, Prisca;SCHNYDER, Damian; VATTER, Adrian(1992): Mitwirkungsverfahren und -modelle.Vorschläge für eine Mitwirkungspolitik desBundes nach Art. 4 RPG. Bern.

MEYER, Thomas (1998): Fundamentalismus.In: Nohlen, Dieter (Hrsg.): Wörterbuch Staatund Politik. München/Zürich, S. 178–181.

MÜLLER, Urs (2001): Wie funktioniert Partizi-pation bei Naturschutzvorhaben in derSchweiz? Untersucht am Beispiel der Erwei-terung des Schweizerischen Nationalparks.Diplomarbeit am Geografischen Institut derUniversität Zürich.

NICOLINI, Maria (1997): Bürgerbeteiligung– Brüche, Brücken, Barrieren. In: NICOLINI,Maria (Hrsg.): Raumplanung und neue Ver-träglichkeiten: Aushandeln von Widersprü-chen und Umgang mit dem Erschöpflichen.Wien; Köln; Weimar, S. 225–263.

NUSSBAUMER, Hannes (2000): Ein freiesLand! In: Tages-Anzeiger, 9.12.2000, S. 2.

PAROLINI, Jon Domenic (1995): Zur Ge-schichte der Waldnutzung im Gebiet des heu-tigen Schweizerischen Nationalparks. Zürich(Dissertation ETH).

PIMBERT, Michel P. und PRETTY, Jules N.(1997): Parks, People and Professionals: Put-

ting «Participation» into Protected-Area Ma-nagement. In: GHIMIRE, Krishna B. und PIM-BERT, Michel P. (Hrsg.): Social Change andConservation. London, S. 297–330.

REUTER, Wolf (2000): Zur Komplementaritätvon Diskurs und Macht in der Planung. In:DISP, Nr. 141, S. 4–16.

SCHARINGER, Bernd Peter (1999): Rechts-grundlagen für die Errichtung von National-parken in Deutschland, Österreich, derSchweiz und in Italien. Baden-Baden.

SCHLOETH, Robert (1989): Der Schweizeri-sche Nationalpark. Ein Naturerlebnis.Aarau.

SCHMID, Annette; RUOSS, Engelbert und EL-SASSER, Hans (2004): UNESCO BiosphäreEntlebuch: Modell für eine nachhaltige Re-gionalentwicklung? In: Geographica Helve-tica, Nr. 59 (2), S. 144–153.

SCHULTZE, Rainer-Olaf (1995): Partizipa-tion. In: NOHLEN, Dieter und SCHULTZE,Rainer-Olaf (Hrsg.): Lexikon der Politik. Band I – Politische Theorien. München, S. 396–406.

SELLE, Klaus (1994): Was ist bloss mit derPlanung los? Dortmund.

SELLE, Klaus (1996): Planung und Kommuni-kation. In: SELLE, Klaus (Hrsg.): Planung undKommunikation. Wiesbaden, S. 11–20.

STOLL, Susanne (1999): Akzeptanzproblemebei der Ausweisung von Grossschutzgebie-ten: Ursachenanalyse und Ansätze zu Hand-lungsstrategien. Frankfurt a. M.

WEHRLI-SCHINDLER, Brigit (1987): Demo-kratische Mitwirkung an der Raumplanung.In: LINDER, Wolf (Hrsg.): Abstimmungen undWahlen. Schweizerisches Jahrbuch für Politi-sche Wissenschaft, Band 27/ 1987. Bern, S. 261–281.

Dipl. geogr. Urs MüllerGeographisches Institut der Universität ZürichAbteilung HumangeographieWinterthurerstr. 190CH-8057 Zü[email protected]

Dr. Michael KollmairGeographisches Institut der Universität ZürichAbteilung HumangeographieWinterthurerstr. 190CH-8057 Zü[email protected]

DISP 159 51 2004

Page 52: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

G e r n o t S t ö g l e h n e r, G e r a l d We g e r e r

Die Strategische Umweltprüfung – Ein Planungsinstrument zur Qualitätssicherung in der Raumordnung?Eine Untersuchung österreichischer Planungsbeispiele

According to “Directive 2001/42/EC of

the European Parliament and the Council

on the Assessment of the Effects of Cer-

tain Plans and Programmes on the Envi-

ronment” (SEA Directive), a strategic en-

vironmental assessment (SEA) has to be

implemented in the national laws of EU

member states by July 2004. Further-

more, in the context of the fifth UN-ECE

conference in Kiev, Environment for Eu-

rope, the “Protocol on Strategic Environ-

mental Assessment” (SEA Protocol) was

adopted in May 2003. Both the SEA Di-

rective of the European Union and the

SEA Protocol of the UN-ECE aim at as-

sessing the environmental impact of

plans and programmes.

This article discusses whether a SEA can

raise the quality of planning. The follow-

ing approach was chosen to answer this

question: First, we show how the integra-

tion of SEA into existing planning

processes can be managed appropri-

ately. Therefore, a planning scheme with

an integrated SEA is introduced. Follow-

ing this planning scheme, important

modifications of conventional planning

processes because of the SEA implemen-

tation can be determined. From these al-

terations, we derive how SEA may

change the quality of planning. This sur-

vey concludes that SEA can be developed

as an important tool for securing and

raising the quality of planning processes.

1. EinführungGemäss «Richtlinie 2001/42/EG desEuropäischen Parlaments und des Ratesvom 27. Juni 2001 über die Prüfung derUmweltauswirkungen bestimmter Pläneund Programme» (kurz: SUP-RL) ist dieStrategische Umweltprüfung (SUP) bis21. Juli 2004 in nationales Recht derEU-Mitgliedstaaten umzusetzen. DieseSUP ist für Pläne und Programme auszu-führen, die voraussichtlich erheblicheUmweltauswirkungen haben. Für die

SUP wurden in dieser Richtlinie Ver-fahrensbestimmungen sowie inhaltlicheMindeststandards festgelegt. Aus eineram Institut für Raumplanung und Ländli-che Neuordnung der Universität für Bo-denkultur Wien durchgeführten Studiegeht hervor, dass alle Ebenen der nomi-nellen Raumordnung in Österreich vor-aussichtlich zumindest teilweise vomGeltungsbereich der SUP erfasst seinwerden (vgl. Weber, Stöglehner 2001).Bisher wurde die SUP-RL jedoch nochnicht in allen Bundesländern umgesetzt.

Darüber hinaus wurde im Mai 2003bei der fünften paneuropäischen Minis-terkonferenz «Umwelt für Europa» inKiew das «Protokoll über die strategi-sche Umweltprüfung zum Übereinkom-men über die Umweltverträglichkeitsprü-fung im grenzüberschreitenden Rah-men» (kurz: SUP-Protokoll) vereinbart.Seit März 2004 liegt für das SUP-Proto-koll eine zwischen Deutschland, Öster-reich, der Schweiz und Liechtenstein ab-gestimmte übersetzte Fassung vor. DasSUP-Protokoll orientiert sich bei Verfah-ren und Inhalten für die SUP an der SUP-RL, hat aber einen erweiterten Geltungs-bereich, indem auch Politiken undRechtsakte erfasst sind. Deutschlandund Österreich haben das Protokoll bereits unterzeichnet. Die Anwendungeiner SUP für Raumplanungsverfahrenwurde im Kanton Genf/Schweiz auf11. April 2001 im Rahmen der gesetzli-chen Bestimmungen über die Umwelt-verträglichkeitsprüfung für Projekte (UVP)verbindlich eingeführt (vgl. Kanton Genf2001). Ausserhalb des Kantons Genf isteine SUP für Verfahren der nominellenRaumordnung noch nicht gesetzlich ver-ankert. Des Weiteren wurde in einer Stu-die die Anwendung der SUP gemässSUP-RL für sektorale Sachpläne und Kon-zepte des Bundes in der Schweiz disku-tiert und als sinnvoll erachtet.

Wird nun die Diskussion um die Ein-führung der SUP sowohl auf EU-Ebeneals auch in der Schweiz genauer unter-sucht, ist da wie dort festzustellen, dasswesentliche Gründe für die SUP aus Un-zulänglichkeiten der UVP abgeleitetwurden (vgl. Platzer 2003:1; BUWAL2004:54). Dabei entsteht indirekt derEindruck, dass die SUP als ein dem Pla-nungsprozess nachfolgendes Prüfinstru-

ment für Pläne und Programme zu kon-zipieren wäre – wie auch die UVP einPrüfinstrument für die Genehmigung vonProjekten ist. Die SUP-RL erlaubt es aller-dings, die SUP in die Planungsprozessezu integrieren (vgl. Art. 4 Abs. 2 SUP-RL). Bereits bevor die SUP-Richtlinie aufEU-Ebene beschlossen wurde, hat diedeutschsprachige Planungsfachwelt dieeindeutige Empfehlung nach einer Ver-schränkung von SUP- und Planungspro-zess ausgesprochen (vgl. z.B. Jacoby1992:19; Hübler et al. 1995a:IV; Hüb-ler et al. 1995b:245; Jorde et al. 1997:117). Nach dem Beschluss der SUP-RLwurde diese Einschätzung bekräftigt(vgl. ARL 2002:5; ÖROK 2004:13 ff.).

Zweck des vorliegenden Artikels istes, der Frage nachzugehen, ob die SUPein Instrument der Qualitätssicherung inPlanungsprozessen sein kann. Zur Dis-kussion dieser Fragestellung wird fol-gende Herangehensweise gewählt: Zu-nächst ist zu erläutern, wie die SUPzweckmässig in bestehende Planungs-prozesse integriert werden kann. Dabeiwird der gängigen Fachmeinung ge-folgt, die SUP mit den Planungsprozes-sen vollständig zu verschränken. Ausdiesem Planungsablauf mit der SUP wer-den die wesentlichen Neuerungendurch die SUP-Umsetzung in den Pla-nungsprozessen ermittelt. Durch dieKenntnis, wie die SUP die Planungspro-zesse ändern wird, kann anschliessendbeurteilt werden, ob die SUP zur quali-tätsvollen Weiterentwicklung der Raum-planungsprozesse beitragen wird. DerFragestellung wird anhand der Raum-ordnungsgesetze und anhand von Fall-beispielen in Ober- und Niederöster-reich durch Ex-post-Betrachtungen nach-gegangen. In beiden österreichischenBundesländern ist die SUP-Richtlinienoch nicht in den entsprechenden Raum-ordnungsgesetzen implementiert.

Demgemäss ist dieser Beitrag in vierAbschnitte gegliedert: Zunächst wirddie SUP in ihren Grundzügen vorge-stellt. Im zweiten Abschnitt wird derWeg zur vollständigen Verschränkungvon SUP und Planungsprozess beschrie-ben. Der dritte Abschnitt zeigt die durchdie SUP bedingten Neuerungen für dieRaumplanungsprozesse auf. Im viertenAbschnitt wird die Frage beantwortet,

DISP 159 52 2004

REFEREED

Page 53: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

ob und wie die Qualitätssicherung inder Raumplanung durch die SUP betrie-ben werden kann. Abschliessend wer-den die Ergebnisse resümierend darge-stellt.

2. Die Strategische Umweltprüfung(SUP)Die Strategische Umweltprüfung (SUP)beinhaltet die Ausarbeitung eines Um-weltberichts, die Durchführung von Kon-sultationen und die Berücksichtigungder Konsultationsergebnisse in der Ent-scheidungsfindung. Darüber hinaus sinddie an den Konsultationen Beteiligtenüber die Entscheidung zu unterrichten.

Dafür werden in der SUP-RL zwei we-sentliche Regelungsinhalte – Verfahrens-und inhaltliche Bestimmungen der SUP –festgelegt. Das SUP-Verfahren bestehtdemnach aus den acht Schritten Scree-ning, Scoping, Variantenstudie, Umwelt-bericht, Konsultationen, Entscheidungs-findung, Erläuterung der Entscheidungsowie Monitoring und wird in Abbil-dung 1 wiedergegeben, in welcherauch die Bedeutung der einzelnenSchritte im SUP-Prozess angeführt wird.Die SUP-RL enthält darüber hinausBestimmungen zur Definition von Um-weltbehörden und der Öffentlichkeit.Umweltbehörden sind solche Behörden,die in ihrem umweltbezogenen Wir-kungsbereich von den Auswirkungendes Plans oder Programms betroffensein können. Der Öffentlichkeitsbegriffumfasst sowohl die betroffene als auchdie interessierte Öffentlichkeit, wobei je-denfalls auch relevante Nichtregie-rungsorganisationen (NGOs), z.B. sol-che, die sich für die Förderung des Um-weltschutzes einsetzen, einzubeziehensind (vgl. Art. 6 Abs. 3, 4 SUP-RL). Werals Umweltbehörden und Öffentlichkeitzu konsultieren ist, wird letztlich vomMitgliedstaat bestimmt. Als weiteresCharakteristikum ist das Ergebnis derSUP nicht bindend, sondern lediglich inder Entscheidung zu berücksichtigen.

Die Inhalte der SUP werden über dieInformationen definiert, die gemäss An-hang I der SUP-RL in den Umweltberichtaufgenommen werden müssen. Diesekönnen in sechs Kategorien zusammen-gefasst werden (vgl. Stöglehner 2004a:223):

• Beschreibung der Methodik und desAblaufs der Umweltuntersuchungen,• Beschreibung von Umweltzielen,• Situation – Beschreibung des Umwelt-zustands,• Bewertung der Umweltauswirkungen,• Monitoring- und Ausgleichsmassnah-men und• nicht-technische Zusammenfassung.

Für die Bewertung der Umweltauswir-kungen gibt die SUP-RL bestimmteSchutzgüter vor, so dass Umweltaspektewie Fauna, Flora, biologische Vielfalt,Boden, Wasser, Luft, Bevölkerung, Ge-sundheit des Menschen, klimatische Fak-toren etc. zu betrachten sind. Die Bear-beitung der Schutzgutliste hat mit denMethoden und in einem Detaillierungs-grad zu erfolgen, wie diese entspre-chend im Scoping festgelegt wurde.Durch die SUP wird es notwendig, er-hebliche Umweltauswirkungen auf dieSchutzgüter zu ermitteln und zu bewer-ten. Das Kriterium der Erheblichkeit derUmweltauswirkungen bedeutet daher,dass nicht alle, sondern lediglich die er-heblichen Umweltauswirkungen in Be-tracht zu ziehen sind. Im Scoping wird

also festgelegt, welche Schutzgüter mitwelchen Methoden und in welcher De-tailliertheit zu untersuchen sind.

3. Integration der SUP in den PlanungsprozessUm die Integration der SUP in Planungs-prozesse darstellen zu können, sind diepraktischen Planungsprozesse und derformelle Planungsrahmen zu berücksich-tigen. Zur Skizzierung der Prozessewird ein lineares Planungsschema ver-wendet, das mit dem SUP-Prozess ver-schränkt wurde (vgl. Stöglehner 2003b:52; Wegerer 2004:34). Es beinhaltetdie Planungsphasen Vorbereitung, Er-kundung, Entwurf, Entscheidung, Durch-führung und Nachbereitung und wird inAbbildung 2 auf Seite 54 veranschau-licht. Im Folgenden soll nun genauer aufdie Anpassungserfordernisse bzw. Inte-grationsmöglichkeiten der SUP in deneinzelnen Planungsphasen eingegan-gen werden.

3.1 VorbereitungsphaseDer Planungsprozess beginnt mit derPrüfung der Planungsvoraussetzungen

DISP 159 53 2004

ScreeningFestlegung des Erfordernisses, für ein Programm oder einenPlan eine SUP durchführen zu müssen, durch Typenfestlegungoder Einzelfallprüfung, dabei Konsultation von Umweltbehördenund Information der Öffentlichkeit über das Ergebnis

ScopingFestlegung des Untersuchungsrahmens der SUP in räumlicher,zeitlicher, inhaltlicher und methodischer Sicht unter Konsultationder Umweltbehörden

Variantenstudie Entwicklung, Untersuchung und Bewertung vernünftigerVarianten

UmweltberichtDokumentation der Untersuchungen der Umweltauswirkungendes Plans oder Programms unter Berücksichtigung desinhaltlichen Rahmens gemäss Anhang I der SUP-RL und demErgebnis des Scopings.

KonsultationenGewährung von Informations- und Stellungnahmerechtenwährend des Planungs- und SUP-Prozesses fürUmweltbehörden, Öffentlichkeit und gegebenenfalls betroffenebenachbarte EU-Mitgliedstaaten

EntscheidungsfindungErwägung der Ergebnisse des Umweltberichts und derKonsultationen bei der eigentlichen Annahme des Plans oderProgramms

Erläuterung derEntscheidung

Information der an den SUP-Konsultationen Beteiligten über dasangenommene Programm bzw. den angenommenen Plan samteiner Erklärung, wie die Umwelterwägungen, die Ergebnisse derSUP und die Alternativenwahl in die Entscheidung eingeflossensind, einschliesslich der Monitoringmassnahmen

MonitoringÜberwachung der zu erwartenden erheblichen Umwelt-auswirkungen der Durchführung des Plans oder Programms, umbei unvorhergesehenen negativen Umweltauswirkungen früh-zeitig gegensteuern zu können

Abb. 1: SUP-Verfahren (vgl. Stöglehner2003a: 49).

Page 54: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

um Probleme zu thematisieren, Pla-nungserfordernisse festzustellen und ers-te Grobziele für die Planung festzule-gen. Auf der SUP-Ebene kann paralleldazu das Screening stattfinden, sofernnicht bereits eine SUP-Pflicht auf Grundder nationalen Rechtsvorschriften fest-steht. Gemäss SUP-Richtlinie sind zumScreening die Umweltbehörden zu kon-sultieren, und die Öffentlichkeit ist über

das Ergebnis zu informieren, insbeson-dere auch über die Gründe, keine SUPim Rahmen der Planung durchzuführen.

Der zweite Teil der Vorbereitungs-phase im Planungsprozess, die Abgren-zung des Planungsrahmens, ist sowohlin räumlich-zeitlicher Sicht als auch inBezug auf die inhaltlichen Anfor-derungen durchzuführen. Das Scopingder SUP ist der zur Abgrenzung des Pla-

nungsrahmens entsprechende Schritt, indem der Rahmen für die Umweltuntersu-chungen in räumlicher, zeitlicher, inhalt-licher und methodischer Sicht bestimmtwird. Zum Scoping sind Umweltbehör-den zu konsultieren.

Inhaltlich gibt die SUP-RL die Betrach-tung von Schutzgütern vor. Dabei sindaber nicht alle Umweltauswirkungen zuuntersuchen, sondern die «erheblichen

DISP 159 54 2004

Erstellung des Um

weltberichts m

it den Informationen gem

äss Anhang I der SU

P-RLin dem

Um

fang und Detaillierungsgrad, der im

Scoping festgelegt wurde.

Planungsprozess SUP Schritte und Inhalte SUP Konsultationen

Prüfung der Planungsvoraussetzungen Screening Konsultation der Umweltbehörden,Information der Öffentlichkeit

Abgrenzung des Planungsrahmens Scoping Konsultation der Umweltbehörden

Bestandserhebung

Analyse

Entwurf des Zielrahmens

Vorentwurf der Plan- oderProgrammvarianten

Bewertung der Auswirkungen der Plan- oderProgrammvarianten

Auswahl der besten Lösung

Entwurf

Bewertung des EntwurfsStellungnahmerecht für die Umweltbehörden, die

Öffentlichkeit und gegebenenfalls diekonsultierten benachbarten EU-Mitgliedstaaten

Annahme des Entwurfs oder Überarbeitung mitdarauf folgender Annahme

Informationsrecht für die Umweltbehörden, dieÖffentlichkeit und gegebenenfalls die

konsultierten benachbarten EU-Mitgliedstaaten

Programmierung der Durchführung

Bereitstellen der Ressourcen

Abwicklung der Durchführung Überwachung der Durchführung

Reflexion der Durchführung

Rückschlüsse für zyklisch fortschreibendePlanungen

Berücksichtigung der nationalen, internationalenund gemeinschaftlichen Ziele

Beschreibung der Wahl der Planungsvarianten

Beschreibung und Bewertung derUmweltauswirkungen der Planungsvarianten

Bestandserhebung

Analyse

Beschreibung der Ausgleichs- undMonitoringmassnahmen

Beschreibung und Bewertung derUmweltauswirkungen des Entwurfs

Entscheidung und Bekanntgabe der Entscheidung

Entwurfsphase

Entscheidungsphase

Vorbereitungsphase

Durchführungsphase

Erkundungsphase

Nachbereitungsphase

Abb. 2: Gemeinsamkeiten zwischen Pla-nungs- und SUP-Prozess (überarbeitet nachStöglehner 2004b: 61).

Page 55: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

Umweltauswirkungen». Im Scoping wirdalso auch festgestellt, welche Planungs-inhalte voraussichtlich erhebliche Aus-wirkungen auf die Schutzgüter habenwerden. Daraus ergibt sich, dass dasScoping prozesshaft abgewickelt wer-den sollte: In einem im Planungsprozessfrühen Scopingschritt kann der notwen-dige Umfang für eine Basiserhebungfestgelegt und eine Koordination derErhebungsarbeiten erreicht werden. Einoder mehrere spätere/r Scopingschritt/e,etwa bei Vorliegen der Vorentwürfe,würde eine genauere Einschätzung dervoraussichtlichen erheblichen Umwelt-auswirkungen und damit eine gezieltereFestlegung des Untersuchungsrahmensin grösserer Detailschärfe ermöglichen(vgl. Weber, Stöglehner 2001:119).Das prozesshafte Scoping erlaubt es da-her, dem jeweiligen Planungsstand ent-sprechend, aufbauend auf einer (mögli-cherweise standardisierten) Basiserhe-bung, den Untersuchungsrahmen derSUP dynamisch anzupassen. Diesesprozesshafte Scoping ist gemäss SUP-RLmöglich, sofern bei jeder Änderung desUntersuchungsrahmens die Umweltbe-hörde konsultiert wird.

3.2 ErkundungsphaseBestandsaufnahme und -analyse schaf-fen die Grundlage für die Planungen.Die Bestandsaufnahme soll für die Pla-nung und die SUP gemäss Scopingmöglichst parallel erfolgen, um den Pla-nungsablauf zeitlich straff und denMehraufwand gering zu halten. Für dieSUP sind hier die relevanten Aspektedes derzeitigen Umweltzustands, derUmweltmerkmale der betroffenen Ge-biete sowie sämtliche bestehenden, fürdas Programm oder den Plan relevantenUmweltprobleme zu erheben. Die Ana-lyse findet in der SUP durch die im Um-weltbericht geforderte Abschätzung derEntwicklung des Umweltzustands, wel-cher ohne die Massnahmen des Plansoder Programms wahrscheinlich eintre-ten würde, sowie der Darstellung der re-levanten Umweltprobleme im Planungs-raum ihre Entsprechung.

3.3 EntwurfsphaseZunächst ist für die Planung der Ziel-rahmen zu entwerfen. Gemäss SUP-RL

sind neben den im Planungsprozess oh-nehin gesteckten Zielen künftig natio-nale, internationale und gemeinschaftli-che Umweltziele zu berücksichtigen.Für die Raumordnung sollten hier ent-sprechende Sammlungen der relevan-ten Umweltziele zur Verfügung gestelltwerden, um Vielfacherhebungen dieserZiele in jedem Planungsprozess zu ver-meiden.

Auf Basis dieses Zielsystems erfolgtdie Erstellung der Vorentwürfe der Plan-bzw. Programmvarianten und die Be-wertung ihrer Auswirkungen. Auf derSUP-Ebene sind in der Dokumentationdieses Schritts die Wahl der Variantenbzw. Alternativen sowie die allenfallsvorgesehenen Massnahmen zur Minde-rung von Umweltauswirkungen zu erläu-tern. Im Umweltbericht ist nun die Be-schreibung und Bewertung der voraus-sichtlichen erheblichen Umweltauswir-kungen gefordert. Der durch die Richtli-nie vorgegebene schutzgüterorientierteBewertungsansatz wird eine gewissemethodische Umstellung der Bewer-tungsverfahren mit sich bringen. Als gro-ber Raster für die Umweltuntersuchun-gen kann die in Abbildung 3 darge-stellte Schutzgut-Planinhalt-Matrix die-nen (vgl. Stöglehner 2003b:63). Für dieBeurteilung der Umweltauswirkungen isteine Vielzahl an Untersuchungs- undBewertungsmethoden geeignet, wie inder einschlägigen Fachliteratur ausführ-lich dargelegt wird (vgl. z.B. Jacoby2000). Welche Methoden dafür beson-ders geeignet sind, wird die Planungs-praxis zeigen. Die SUP-Richtlinie selbstenthält keine Vorgaben für Methoden,solange sie dem Stand der Technik ent-sprechen.

3.4 EntscheidungsphaseZur Entscheidungsfindung ist der Ent-wurf – sofern sich im Vergleich zum Vor-entwurf dadurch ein Erkenntnisgewinnergibt – wiederum zu bewerten, wobeidie Detailschärfe im Vergleich zum Vor-entwurf zunimmt. Die Bewertung desEntwurfs kann eine nochmalige Überar-beitung notwendig machen. Hier wärenfür die SUP die neu hinzugetretenenUmweltauswirkungen zu beschreibenund zu bewerten.

Nachdem der Planentwurf und derUmweltbericht vorliegen, ist gemässSUP-Richtlinie der Kern der SUP-Konsul-tationen durchzuführen: Die Öffentlich-keit, die Umweltbehörden sowie die ge-gebenenfalls betroffenen EU-Mitglied-staaten erhalten ein Stellungnahmerechtzum Entwurf und zum begleitenden Um-weltbericht. Dieser Mechanismus ist inder Raumordnung grundsätzlich be-kannt. Auch Erläuterungsberichte alsPendant zum Umweltbericht sind zu er-stellen. Neu hinzu treten die formaleEinbindung der Umweltbehörde und dieinternationale Komponente.

Der Entwurf wird – eventuell nach ei-ner optionalen Überarbeitung – ange-nommen. Bei der Entscheidungsfindungist zu gewährleisten, dass der Umwelt-bericht und die Stellungnahmen aus denKonsultationen von den Entscheidungs-trägern in Erwägung gezogen werden.Gemäss SUP-RL ist das Zustandekom-men der Entscheidung über den Entwurfbekannt zu geben und in einer Erläute-rung zu dokumentieren. Diese Erläute-rung der Entscheidung ist zusammen mitdem angenommenen Plan den zur Kon-sultation Berechtigten zugänglich zumachen.

DISP 159 55 2004

humanökolog.Schutzgüter

biotischeSchutzgüter

abiotischeSchutzgüter

anthropogeneSchutzgüter

Wechsel-wirkungen

Ges

undh

eit d

es

Men

sche

n

Bevö

lker

ung

Flor

a

Faun

a

biol

ogis

che

Viel

falt

Land

scha

ft

Bode

n

Was

ser

Luft

klim

atis

che

Fakt

oren

Sach

wer

te

kultu

relle

s Er

be

arch

itekt

onis

ches

Erb

e

arch

äolo

gisc

hes

Erbe

Zwis

chen

den

Schu

tzgü

tern

Umlandbeziehungen

Vorrangflächen des Grünlandes

freiraumgebundene Erholung

Vorrangflächen des Baulandes

Umweltschutzmassnahmen im Bauland

technische Infrastruktur

soziale Infrastruktur

kommunale Bodenpolitik

Verkehr

Abb. 3: Schutzgut-Planinhalt-Matrix für das Örtliche Entwicklungskonzept (vgl. Stöglehner 2003b: 63).

Page 56: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

3.5 DurchführungsphaseIn der Durchführungsphase sind die Planungsmassnahmen zu programmie-ren, die Ressourcen bereitzustellen unddie Massnahmen abzuwickeln. GemässSUP-RL ist hier ein Monitoring zu ergän-zen, in dem die Überwachung der Um-weltauswirkungen der Plan- oder Pro-grammumsetzung zu gewährleisten ist.Damit sollen die Entscheidenden in dieLage versetzt werden, erhebliche nega-tive Umweltauswirkungen, die währendder Planung nicht oder nicht ausrei-chend bedacht wurden, frühzeitig zu er-kennen und durch Gegen- und Aus-gleichsmassnahmen begrenzen bzw.vermeiden zu können.

3.6 NachbereitungsphaseIn dieser Phase soll eine Reflexion desPlanungs- bzw. Umsetzungsprozessesstattfinden, damit für den fortschreiben-den Prozess mit integrierter SUP Rück-schlüsse und Erkenntnisse gewonnenwerden können. Im Hinblick auf eineneffektiven Einsatz der Planungsressour-cen können somit Fehler zukünftig ver-mieden und die Umsetzung der Pla-nungsziele verbessert werden.

4. Neuerungen durch die SUPWelche Neuerungen der in Kapitel 3beschriebene Weg zur Integration derSUP in die Planungsprozesse der Raum-ordnung für die ober- und niederöster-reichische Planungspraxis bringen wird,wurde von den Autoren anhand desrechtlichen Rahmens und in Ex-post-Be-trachtungen von Fallbeispielen ermittelt.In Oberösterreich wurde die gesamtePlanungshierarchie betrachtet (vgl. Stög-lehner 2003b), in Niederösterreich dasÖrtliche Entwicklungskonzept als strate-gisches Planungsinstrument der örtli-chen Raumordnung, in dem die länger-fristigen räumlichen Entwicklungszieleund -massnahmen der Gemeinden fest-gelegt werden (vgl. Wegerer 2004). Beivollständiger Integration der SUP in diePlanungsprozesse treten Neuerungenvor allem durch die Variantenstudie, beider Umweltbewertung durch den Um-weltbericht und bei den Konsultationendurch die Erläuterung der Entscheidungsowie durch das Monitoring ein.

4.1 VariantenstudieGemäss SUP-RL besteht in Zukunft dieVerpflichtung zu dokumentierten Varian-tenstudien. Hier sind «vernünftige» Alter-nativen im Hinblick auf ihre Umweltaus-wirkungen zu bewerten. «Vernünftig» be-deutet im Zusammenhang mit der Alter-nativenprüfung gemäss SUP-RL vor allemdie Ziele und den geografischen Anwen-dungsbereich des Plans oder Programmsberücksichtigend. Die Nullvariante wirdzwar in der SUP-RL nicht dezidiert, je-doch indirekt als Prognose des Umwelt-zustandes bei Nichtdurchführung desPlans oder Programms gefordert.

Zwar wird in der Raumplanung viel-fach in Varianten gedacht, diese wer-den jedoch oft lediglich im Planungs-team oder in einem kleinen Kreis zwi-schen Planenden und Entscheidendendiskutiert. Gemäss SUP-RL sind hier Va-rianten nun auch in die Konsultationenmit der Öffentlichkeit, den Umweltbe-hörden und ggf. den erheblich betroffe-nen EU-Mitgliedstaaten einzuschliessen.

Lediglich in einem von sieben unter-suchten ober- und niederösterreichi-schen Fallbeispielen konnte eine doku-mentierte, der Öffentlichkeit zugängli-che Variantenstudie nachgewiesen wer-den. In den anderen Fällen ergaben In-terviews, dass zwar Varianten erarbeitetwurden, diese jedoch im schon ange-sprochenen kleinen Kreis des Planungs-teams diskutiert wurden. Somit bringtdie verpflichtende, dokumentierte Va-riantenstudie eine wesentliche Neue-rung in der Raumplanung.

4.2 Umweltbewertung undUmweltberichtFür die Umweltbewertung und den Um-weltbericht sind Mindestinhalte gemässSUP-RL vorgegeben. Wesentlichste Neue-rung ist dabei der schutzgutorientierteAnsatz (vgl. Abb. 3), der ein systemati-sches Bearbeiten der Schutzgüter erfor-dert. In den Umweltuntersuchungen sinderhebliche sekundäre, kumulative, syner-gistische, kurz-, mittel- und langfristige,ständige und vorübergehende, positiveund negative Umweltauswirkungen aufdie für den Plan relevanten Schutzgüterzu ermitteln und zu bewerten.

Die Fallstudien zu den Planungspro-zessen haben ergeben, dass für fast alle

Planungsinhalte Erwägungen zu ver-schiedenen Schutzgütern durchgeführtund auch im Erläuterungsbericht zu demjeweiligen Raumplan dokumentiert wur-den. Was durch die SUP-RL neu einge-führt wird, ist eine abschliessende undzusammenfassende Beurteilung der Um-weltauswirkungen der relevanten Pla-nungsinhalte, die in Zukunft im Umwelt-bericht zu dokumentieren und im Rah-men der Konsultationen zur Diskussionzu stellen ist. Des Weiteren macht es dieSUP-RL notwendig, die Methoden derSUP zu beschreiben. Die Fallbeispielehaben gezeigt, dass Methoden nur ineingeschränktem Umfang und nur fürbestimmte Teilaspekte der Planungendargestellt wurden.

4.3 KonsultationenKonsultationen zu den Planentwürfensind in den bisherigen Planungsprozes-sen bereits als formal gewährte Stel-lungnahmerechte für Bürgerinnen, Bür-ger und Behörden bekannt. Durch dieSUP-RL werden bei den Konsultationennoch drei Komponenten hinzugefügt:• Erstens werden der Öffentlichkeit zu-sätzliche Informationsrechte über denPlanungsbeginn, das Screening unddurch die Erläuterung der Entscheidungauch über das Planungsende gewährt.Die Öffentlichkeit ist darüber zu infor-mieren, ob eine SUP durchgeführt wird,andernfalls ist dies entsprechend zu be-gründen.• Zweitens wird die Rolle der Umwelt-behörde eingeführt. Gemäss SUP-RLsind das solche Behörden, die in ihremumweltbezogenen Wirkungsbereichvon den Auswirkungen des Plans oderProgramms betroffen sind. Die Umwelt-behörden haben Stellungnahmerechtezum Screening, Scoping und zum Plan-entwurf samt Umweltbericht und sindüber die Entscheidung zu informieren.Formal wurde eine solche Umweltbe-hörde bisher nicht eingerichtet, die Pla-nungspraktiken der Fallbeispiele habenaber gezeigt, dass informelle Beratungs-mechanismen zwischen verschiedenenBehörden stattfinden, die gute Anknüp-fungspunkte für die formale Festlegungder Konsultationen mit den Umweltbe-hörden bieten.• Drittens sind in Zukunft EU-Mitglied-

DISP 159 56 2004

Page 57: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

staaten, die von Umweltauswirkungendes Plans oder Programms erheblich be-troffen sind, in die Konsultationen einzu-schliessen. Auf diese Weise erhalten dieUmweltbehörden und die Öffentlichkeitdieser Staaten ein Stellungnahmerechtzu den Planentwürfen und zum Umwelt-bericht sowie ein Informationsrecht zumangenommenen Plan und zur Erläute-rung der Entscheidung.

4.4 Erläuterung der EntscheidungDie bisher praktizierte Kundmachungdes angenommenen Plans oder Pro-gramms und die öffentliche Auflage ent-sprechen bereits der SUP-RL, als Neue-rung wird die Erläuterung der Entschei-dung vorgestellt. Dies bedeutet für dieEntscheidenden, nach dem Beschlussdes Plans oder Programms die Umwelt-erwägungen noch einmal darzulegenund zu erklären, wie die Ergebnisse desUmweltberichts und die Stellungnahmenzu Umweltbericht und Planentwurf in die Entscheidungsfindung eingeflossensind. Ein Pendant zur Erläuterung derEntscheidung wurde in den Fallbeispie-len nicht gefunden.

4.5 MonitoringLast but not least sind im Monitoring an-hand von im Planungsprozess festzule-genden Indikatoren die Umweltauswir-kungen der Raumpläne zu überwachen.In der bisherigen Raumordnungspraxissind turnusmässige Überprüfungen vonPlänen oder laufende Raumbeobachtun-gen bekannt. In Zukunft ist sicherzustel-len, dass dabei auch Umweltindikatorenentsprechend Berücksichtigung finden.In allen Fallbeispielen wurden aus einerlaufenden Raumbeobachtung das Pla-nungserfordernis und der Planungsrah-men abgeleitet, sodass sich hier guteAnsatzpunkte für ein Monitoring erge-ben.

5. Mehr Planungsqualität durch die SUP?In diesem Abschnitt ist nun zu diskutie-ren, ob die durch die SUP-RL vorgestell-ten Neuerungen zu einer Sicherungoder Hebung der Planungsqualität füh-ren können. Als Kriterien für Planungs-qualität im Sinne der SUP-Integration

werden folgende Merkmale herangezo-gen: Transparenz und Nachvollziehbar-keit des Planungsprozesses, Dokumenta-tion und Struktur der Aufbereitung vonEntscheidungsgrundlagen, Entscheidungs-relevanz der Untersuchungen.

5.1 VariantenstudieWie bereits dargelegt, ist zwar das Pla-nen in Varianten Teil des Raumord-nungsverständnisses (vgl. Jacoby, Kis-tenmacher 1998:148), in der Praxiswerden diese Varianten jedoch kaum indie Öffentlichkeit getragen und zur Dis-kussion gestellt, wie aus den ober- undniederösterreichischen Fallstudien ein-deutig hervorgegangen ist. Künftig istdie Bewertung von Planungsvariantenim Umweltbericht zu dokumentieren,der den an den Konsultationen Beteilig-ten zur Stellungnahme vorliegt. Damitwird das Kriterium der Transparenz undNachvollziehbarkeit des Planungspro-zesses jedenfalls durch die SUP erhöht.Darüber hinaus kann diese Variantenstu-die die Suche nach umweltfreundlichenPlanungsalternativen begünstigen undsomit den vorsorgenden Umweltschutzdurch Raumordnung stärken.

5.2 Umweltbewertung undUmweltberichtDurch die SUP-RL werden das Darlegenvon Planungsmethoden und ein groberRaster für eine strukturierte Ermittlungund Bewertung von erheblichen Umwelt-auswirkungen durch die Benennung vonSchutzgütern vorgegeben. Dieser Be-wertungsraster kann durch die Schutz-gut-Planinhalt-Matrix (vgl. Abb. 3) ver-anschaulicht werden. Darüber hinauszwingen die Anforderungen an den Um-weltbericht zur Trennung von Wert- undSachebene, wodurch sowohl die Struk-tur der Bewertung als auch die Transpa-renz und Nachvollziehbarkeit der Pla-nungen sichergestellt bzw. verbessertwerden.

Wie aus allen Fallbeispielen ersicht-lich ist, wurden Planungsmethoden nurin eingeschränktem Umfang nachvoll-ziehbar beschrieben und trotz umfang-reicher Umwelterwägungen keine ab-schliessenden bzw. zusammenfassen-den Gegenüberstellungen von Plan-inhalten und deren (Umwelt-)Auswirkun-

gen in die Erläuterungsberichte inte-griert. Diese Anforderungen der SUP-RLdienen damit sowohl dem Aspekt derTransparenz und Nachvollziehbarkeitals auch der strukturierten Aufbereitungder Grundlagen für die Planungsent-scheidung. Diese Aufbereitung der Ent-scheidungsgrundlagen kann daher ei-nerseits die Bewusstseinsbildung unter-stützen und andererseits die Wissensba-sis aller am Planungsprozess beteiligtenAkteurinnen und Akteure, also der Pla-nenden, der Entscheidenden und derÖffentlichkeit erhöhen. Somit wird eineSelbstkontrolle begünstigt, um Umwelt-erwägungen systematisch zu berück-sichtigen.

5.3 KonsultationenDer in der SUP-RL eingeführte Konsultati-onsmechanismus ist in Bezug auf dieStellungnahmerechte für die Öffentlich-keit bereits bekannt. Die Beilage desUmweltberichts erleichtert es der Öf-fentlichkeit, die umweltbezogenen Pla-nungserwägungen nachzuvollziehen.

Die Bestimmungen der SUP-RL sindvor allem durch die Einführung und De-finition der Rolle der Umweltbehördegeeignet, die Planungsqualität deutlichzu heben. Neben der Selbstkontrolleder Planenden und Entscheidendenkann die Umweltbehörde nach Einschät-zung der Autoren den wesentlichstenBeitrag zur fachlichen Qualitätssiche-rung in mehreren Stadien des Planungs-prozesses leisten.

Zunächst ist festzustellen, dass für denBehördenbegriff gemäss SUP-RL oderSUP-Protokoll nicht die Ausübung vonHoheitsgewalt ausschlaggebend ist,sondern gemäss Aarhus-Konvention einöffentlicher Auftrag zur Wahrung vonUmweltinteressen (vgl. Art. 2 Z. 2 Aar-hus-Konvention). Demnach sind Fachab-teilungen mit Umweltkompetenz der je-weiligen Verwaltungskörper als Umwelt-behörden im SUP-Prozess qualifiziert.Im Rahmen der Konsultationen kann dieUmweltbehörde die für die Planung zu-ständige Behörde beraten. Die planauf-stellende Behörde ist an die Anregun-gen der Umweltbehörde jedoch nichtgebunden. Speziell für die örtlicheRaumplanung wird sich in der nationa-len Umsetzung in den österreichischen

DISP 159 57 2004

Page 58: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

Bundesländern jedoch voraussichtlichinsofern eine erhöhte Bindungswirkungergeben, weil die Umweltbehörde inder Regel wohl auch gleichzeitig dieAufsichtsbehörde sein wird. Die SUP-Richtlinie selbst kennt aber keineAufsichtsfunktionen oder Bewilligungs-pflichten.

Die Umweltbehörde hat im Screeningein erstes Stellungnahmerecht, sofernnicht auf Grund einer Typenfestlegungschon eine SUP-Pflicht für Raumplänefeststeht, sondern die Notwendigkeit ei-ner SUP in einer Einzelfallprüfung ermit-telt wird. Dafür sind Kriterien der Erheb-lichkeit der potenziellen Umweltauswir-kungen gemäss Anhang II der SUP-RLausschlaggebend, zu deren Anwendungdie Umweltbehörde zu konsultieren ist.

Ein weiterer Beitrag zur Sicherung derPlanungsqualität ist die Stellungnahmeder Umweltbehörde zum Scoping, alsozur Festlegung des Rahmens für die Um-weltuntersuchungen. Hier ist es Aufgabeder Umweltbehörde, die Tauglichkeitder Untersuchungsmethoden zu kom-mentieren und einzufordern, dass allevoraussichtlich erheblichen Umweltaus-wirkungen der Planung in die Umwelt-untersuchungen Eingang finden.

In der Stellungnahme zum Umweltbe-richt erhält die Umweltbehörde die Ge-legenheit zu prüfen, ob die Anregungenzu den früheren Planungsprozessen auf-genommen wurden, und ob die Anwen-dung der Untersuchungsmethoden demStand der Technik entspricht.

Auch die internationale Komponentedurch die grenzüberschreitenden Kon-sultationen kann insofern die Planungs-qualität steigern, als dass nicht nur An-regungen der Umweltbehörden und derÖffentlichkeit zum Planungs- und SUP-Prozess einlangen, sondern auch dieMöglichkeit der frühzeitigen Einbindungin Planungen auf dem Hoheitsgebiet ei-nes benachbarten Staates besteht. Dieskann helfen, durch Planungen ausgelös-te grenzüberschreitende Konflikte vorder eigentlichen Planannahme zu ver-meiden.

5.4 Erläuterung der EntscheidungEin wesentliches Merkmal der Qualitäts-sicherung durch die Öffentlichkeit ist imHinblick auf den eigentlichen Beschluss

des Plans gegeben: Die Erläuterung derEntscheidung zwingt die Entscheidungs-trägerinnen und -träger zur nachvoll-ziehbaren Erklärung der Gründe für dieAnnahme des Plans in der endgültigenForm. Die Abwägung der Umweltbe-lange gegenüber den weiteren raumpla-nungsrelevanten Belangen im Entschei-dungsprozess ist nach der Entscheidungzu erörtern, wird dadurch offener undeine willkürliche bzw. nicht nachvoll-ziehbare Entscheidung noch schwieri-ger als bisher.

Die Erläuterung der Entscheidung istdaher nach Einschätzung der Autorenein zentrales Element, um die Entschei-dungsrelevanz der vorher durchgeführ-ten Umweltuntersuchungen zu gewähr-leisten. Voraussetzung dafür ist jedocheine wache Öffentlichkeit, die auch einentsprechendes Interesse an einem vor-sorgenden Schutz der Umwelt vertritt.Die Erläuterung der Entscheidung istzwar auch den beteiligten Umweltbe-hörden und konsultierten Nachbarstaa-ten zugänglich zu machen, die Rolle derÖffentlichkeit wird hier aber von denAutoren in den Vordergrund gestellt,weil die Öffentlichkeit letztlich den Ent-scheidungsträgern demokratische Legiti-mität verleiht.

5.5 MonitoringDas Monitoring stellt eine Selbstkon-trolle dar, ob alle Umweltauswirkungenvorhergesehen und die Planungszieleerreicht werden. Dies ist auch ein Hilfs-mittel, um bei erheblichen negativen un-vorhergesehenen Auswirkungen gegen-steuern und Ausgleichsmassnahmen set-zen zu können. Allerdings sind die Ent-scheidenden gemäss SUP-RL nicht ver-pflichtet, bei negativen Ergebnissen desMonitorings entsprechende Handlungenim nun nachsorgenden Umweltschutz zusetzen. Hier übt das SUP-Protokoll in-direkt einen stärkeren Druck auf die Ent-scheidenden aus, indem es in Erwei-terung der SUP-RL festlegt, dass die Öffentlichkeit über das Monitoring zu in-formieren ist.

6. ResümeeResümierend kann festgestellt werden,dass mit der SUP das Ziel verfolgt wird,

einen Mindeststandard für die Aufberei-tung von Umwelterwägungen in Pla-nungsprozessen zu setzen, indem einformaler Rahmen vorgegeben wird undMindestinhalte für die Aufbereitung derUmweltaspekte definiert sind. DieseMindeststandards sind dabei weit ge-hend mit den derzeitigen Planungspro-zessen kompatibel und daher in diesesehr gut integrierbar.

Zur Umsetzung der Anforderungender SUP-RL sind in Teilbereichen der bis-herigen Raumordnungsprozesse ge-wisse Neuerungen notwendig, die auchein entsprechendes Potenzial zur He-bung der Planungsqualität in sich ber-gen: verbesserte Aufbereitung von Ent-scheidungsgrundlagen durch eine struk-turierte Bewertung der Umweltauswir-kungen, mehr Transparenz für die Öffentlichkeit, Verbreitung der Wissens-basis in Umweltbelangen durch frühzei-tige Einbindung der Umweltbehörden,grenzüberschreitendes Denken, Erläute-rung der Entscheidung und der Umwelt-erwägungen sowie Nachkontrolle durchMonitoring.

Die SUP setzt – eine Umsetzung als indie Planungsprozesse vollständig inte-griertes Planungsinstrument vorausge-setzt – darüber hinaus auf reife demo-kratische Entscheidungsprozesse. Diesbedeutet, dass sie die Eigenverantwor-tung in den Vordergrund stellt und aufdie Selbstkontrolle durch die Planendenund Entscheidenden setzt. Auf Kontroll-instanzen von aussen wird verzichtet.Die SUP bringt keine Einschränkung derEntscheidungsfreiheit mit sich, legt aberein Erwägungsgebot von Umweltaspek-ten im Planungsprozess fest. Dadurchstellt die SUP einen Rahmen dar, um diePlanungsqualität ohne Einschränkungvon Entscheidungsspielräumen und da-mit auch die Rechtssicherheit von Pla-nungsentscheidungen weiter zu heben.Inhaltlich werden durch die SUP um-weltbezogene Entscheidungsgrundla-gen strukturierter aufbereitet. Formellwerden Verfahrensschritte zur nachvoll-ziehbaren Planung ergänzt.

DISP 159 58 2004

Page 59: In Copyright - Non-Commercial Use Permitted Rights ...50554/eth... · für Landesplanung, die dem Geografi-schen Institut an der ETH angegliedert wurde. Aus der Zentralstelle entwickelte

Literatur

AARHUS-KONVENTION (1998): Conven-tion on Access to Information, Public Partici-pation in Decision-Making and Access to Jus-tice in Environmental Matters. United NationsEconomic and Social Council, Economic Co-mission for Europe. Fourth Ministerial Confe-rence «Environment for Europe», 23.–25.Juni 1998, Aarhus.

ARL – AKADEMIE FÜR RAUMFORSCHUNGUND LANDESPLANUNG (2002): Ad-hoc-Ar-beitskreis «Plan-UVP» der ARL: Zweites undabschliessendes Positionspapier zur Umwelt-prüfung von Raumordnungsplänen. In ARLNachrichten, 1/2002: 4–7.

BUWAL – BUNDESAMT FÜR UMWELT,WALD UND LANDSCHAFT SCHWEIZ[Hrsg.] (2004): Evaluation der Umweltver-träglichkeitsprüfung (UVP) mit Empfehlungenzur Optimierung. Umwelt-Materialien, Nr.175. Bern.

FIFTH MINISTERIAL CONFERENCE «ENVI-RONMENT FOR EUROPE» (2003): Protokollüber die strategische Umweltprüfung zumÜbereinkommen über die Umweltverträglich-keitsprüfung im grenzüberschreitenden Rah-men. Zwischen Deutschland, Österreich, derSchweiz und Liechtenstein abgestimmte deut-sche Übersetzung vom 12. März 2004.Kiew.

HÜBLER, K.H.; RIEHL, C.; WINKLER-KÜHL-KEN, B. (1995a): Umweltprobleme in derBauleitplanung – Praxisprobleme und Lö-sungsvorschläge. Band 1: Leitfaden zur UVPin der Bauleitplanung mit dem Schwerpunktauf der Ebene der Flächennutzungsplanung.Berlin.

HÜBLER, K. H.; RIEHL, C.; WINKLER-KÜHL-KEN, B. (1995b): Umweltprobleme in derBauleitplanung – Praxisprobleme und Lö-sungsvorschläge. Band 2: Auswertungkommunaler Beispiele zur UVP in der vorbe-reitenden Bauleitplanung. Berlin.

JACOBY, C. (1992): UVP in der Bauleitpla-nung – Von der projektbezogenen UVP fürBebauungspläne zur programmbezogenenUVP in der Flächennutzungsplanung. In HÜB-LER, K.H. [Hrsg.]: UVP in der Bauleitplanung.Bonn. 17–38.

JACOBY, C.; KISTENMACHER, H. (1998):Bewertungs- und Entscheidungsmethoden. In:ARL – AKADEMIE FÜR RAUMFORSCHUNGUND LANDESPLANUNG [Hrsg.]: Methodenund Instrumente räumlicher Planung. Hanno-ver.

JORDE, T.; ASCHEMANN, R.; HITTINGER,H. (1997): Umweltprüfung für Politiken,

Pläne und Programme. Untersuchung der Um-setzungsmöglichkeiten in Österreich. Teil 1:Erhebung in- und ausländischer Erfahrungenund Ansätze. Österreichisches Ökologie-Insti-tut, Wien.

KANTON GENF (2001): Règlement d’appli-cation de l’ordonnance fédérale relative al’étude de l’impact sur l’environnement.Genf.

OFEFP – OFFICE FEDERAL DE L’ ENVIRON-NEMENT, DES FORETS ET DU PAYSAGE(2004): Documents environnement N° 177EIE et Plans sectoriels – Evaluation environne-mentale des plans sectoriels. Propositionpour le contenu d’un rapport environnemen-tal. Bern.

ÖROK – ÖSTERREICHISCHE RAUMORD-NUNGSKONFERENZ (2004): Methodenpa-pier zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Ra-tes vom 27. Juni 2001 (SUP-RL) in die Raum-planungspraxis Österreichs. Endfassung, 6.Februar 2004. In www.oerok.gv.at, Stand15. Juli 2004. Wien.

PLATZER, U. (2003): EU Richtlinie 2001/42/EG des Parlaments und des Rates vom27. Juni 2001 über die Prüfung der Umwelt-auswirkungen bestimmter Pläne und Pro-gramme.

RICHTLINIE 2001/42/EG des EuropäischenParlaments und des Rates vom 27. Juni 2001über die Prüfung der Umweltauswirkungenbestimmter Pläne und Programme.

SALZBURGER RAUMORDNUNGSGESETZ1998. LGBl. Nr. 66/1998 idF. 13/2004.

STÖGLEHNER, G. (2003a): Integrating Stra-tegic Environmental Assessment into Structu-ral Funds Programming. In: REGIONAL EN-VIRONMENTAL CENTER FOR CENTRALAND EASTERN EUROPE (ed.): Linking Deve-lopment with the Environment: Perspectivesfrom the EU and accession countries. Brati-slava. 43–54.

STÖGLEHNER, G. (2003b): Die StrategischeUmweltprüfung in der nominellen Raum-ordnung Oberösterreichs. Dissertation aus-geführt an der Universität für BodenkulturWien.

STÖGLEHNER, G. (2004a): FFH-Verträglich-keitsprüfung und Strategische Umweltprü-fung. In: UVP-report 5/2003 (April 2004):222–225.

STÖGLEHNER, G. (2004b): Integrating Stra-tegic Environmental Assessment into Commu-nity Development Plans – A Case Study fromAustria. In: European Environment. The Jour-

nal of European Environmental Policy, 14(2004): 58–72.

WEBER, G.; STÖGLEHNER, G., (2001): Inte-grationsmöglichkeiten der strategischen Um-weltprüfung in die nominelle und funktionelleRaumordnung – dargestellt an ausgewähltenBeispielen. Studie im Auftrag des Bundesmi-nisteriums für Land- und Forstwirtschaft, Um-welt und Wasserwirtschaft Österreich.

WEGERER, G. (2004) Kommunale Raumpla-nung vor und nach der Einführung der Strate-gischen Umweltprüfung – gezeigt am Bei-spiel des Örtlichen Entwicklungskonzeptesniederösterreichischer Prägung. Diplomar-beit ausgeführt an der Universität für Boden-kultur Wien.

Dr. Dipl.-Ing. Gernot StöglehnerDepartment für Raum, Landschaft und Infra-strukturInstitut für Raumplanung und Ländliche Neu-ordnungUniversität für Bodenkultur WienPeter Jordan-Str. 82A-1190 [email protected]

Dipl.-Ing. Gerald WegererDepartment für Raum, Landschaft und Infra-strukturInstitut für Raumplanung und Ländliche Neu-ordnungUniversität für Bodenkultur WienPeter Jordan-Str. 82A-1190 [email protected]

DISP 159 59 2004