IOWP - Daci und SextodalmatiDaci und Sextodalmati. Zwei Truppen des
magister militum
praesentalis II Orientis in den Papyri
Version 01
august 2011 Anna Maria Kaiser (University of Vienna, Department of
Ancient History, Papyrology and Epigraphy) Abstract: Two papyri in
the Papyrus Collection of the Austrian National Library mentioning
the hitherto rarely documented troops of the Daci and Sextodalmati
stationed in Egypt in Late Antiquity.
© Anna Maria Kaiser 2011
[email protected]
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom 2
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom
01 - 02
Daci und Sextodalmati. Zwei Truppen des magister militum
praesentalis II Orientis in den
Papyri*
Das Hauptinteresse der beiden im Folgenden edierten Papyrusurkunden
liegt in der
Erwähnung der spätantiken Truppenkörper der Daci und der
Sextodalmati, die in der Notitia
Dignitatum beide unter dem Kommando des magister militum
praesentalis II Orientis gelistet
werden.1
Die Einheit der Daci war papyrologisch bislang erst einmal für
Ägypten belegt.2 SPP
XX 139,3 ein Darlehensvertrag, in dem eine Vertragspartei ein
Soldat der Daker ist und
Soldaten der numeri Leontoclibanariorum und Transtigritanorum als
Zeugen fungieren,
bezeichnet die Einheit lapidar, wie für das 5. und 6. Jh. n. Chr.
in der ägyptischen
Dokumentation üblich, als ριθµς τν γενναιοττων Δακν.4 Während Jean
Maspero5 und
Robert Grosse6 die ägyptischen „Daker“, von denen sie zu Recht
betonten, dass sie zur Mitte
des 6. Jh. n. Chr. mit Sicherheit keine Angehörigen dakischer
Stämme mehr in ihren Reihen
hatten, noch nicht mit der palatinen Legion der Daci, die in der
Notitia Dignitatum7 unter dem
Kommando des magister militum praesentalis II verzeichnet ist,
gleichsetzten, tat dies Arnold
H.M. Jones,8 dem sich Dietrich Hoffmann anschloss.9 Nach D.
Hoffmann spricht für die
* Dieser Beitrag entstand im Rahmen des vom Fonds zur Förderung der
wissenschaftlichen Forschung FWF finanzierten NFN Projektes
„Imperium and Officium – Comparative Studies in Ancient Bureaucracy
and Officialdom“. 1 ND Or. VI, 37; 3 (Schildzeichen) = 43. 2 Als
Belege für die Daci bekannt sind die beiden vorliegenden Texte
jedoch schon länger. F. Mitthof (Annona Militaris. Die
Heeresversorgung im spätantiken Ägypten. Ein Beitrag zur
Verwaltungs- und Heeresgeschichte des Römischen Reiches im 3. bis
6. Jh. n. Chr. Bd. I – II, Firenze: 2001, 229; 561, Nr. 194 A)
verwies bereits auf die Existenz zweier unedierter Papyri mit
Erwähnung der Daci in der Papyrussammlung der Österreichischen
Nationalbibliothek. 3 (Arsinoiton Polis, 20. Juni 531) mit BL VIII
469, IX 347 und Palme, B. Korr.Tyche, Tyche 2011, im Druck. 4 SPP
XX 139, 2; 18; 21-22 mit BL IX, 347 (Arsinoites?, 20. Juni 531 n.
Chr.) 5 Maspero, J. Organisation militaire de l’Égypte byzantine.
Paris: 1912, 48-49 mit Anm. 1. 6 Grosse, R. Römische
Militärgeschichte von Gallienus bis zum Beginn der byzantinischen
Themenverfassung, Berlin: 1920, 277. 7 ND Or. V, 3 (Schildzeichen);
37. 8 Jones, A.H.M. The Later Roman Empire 284-602. Bd. I – III,
655 mit Anm. 111. 9 Hoffmann, D. Das spätrömische Bewegungsheer und
die Notitia Dignitatum. Bd. I – II, Düsseldorf: 1970, 223-224. In
Anm. VII 117 hält er fest, dass Maspero und Grosse „in den Daci
lediglich einen alten Traditionsverband vermuteten“. Die beiden
verweisen jedoch nur auf den richtigen Sachverhalt, dass die Truppe
in der Mitte des 6. Jh. n. Chr. unmöglich aus genuinen Dakern
bestehen konnte und sich der Name auf die Vergangenheit der Einheit
beziehen musste, in der sie womöglich aus Teilen dakischer Stämme
rekrutiert worden war.
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom 3
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom
Identifizierung besonders die Seltenheit dakischer Truppen.10 Dass
sich eine in der Notitia
Dignitatum gegen Ende des 4. Jh. n. Chr.11 unter den palatinen
Legionen eines der beiden
Präsentalheere gelisteten Truppe im 6. Jh. n. Chr. in Ägypten
aufhält, ist nach Jean-Michel
Carrié12 nicht außergewöhnlich und spricht auf keinen Fall für eine
Degradierung der Einheit
oder die Unterstellung unter ein lokales Kommando, das im Fall der
Stationierung in
Unterägypten jenes des comes limitis Aegypti gewesen wäre. J.-M.
Carrié verweist auf das
Fehlen von Garnisonsorten der Truppen des Bewegungsheeres in der
Notitia Dignitatum. Es
sei nicht unüblich gewesen, diese Einheiten im jeweiligen
Reichsteil zu dislozieren. Nicht alle
Truppenkörper können zur selben Zeit und dauerhaft beim Kaiserhof
stationiert gewesen sein.
Einen papyrologischen Beleg dafür erbrachte Bernhard Palme mit den
in Alexandria
garnisonierenden felices Theodosiaci Isauri,13 die in der Notitia
Dignitatum als numerus
Isaurorum belegt sind.14 Die Notitia Dignitatum verzeichnet die
Einheit unter den auxilia
palatina des magister militum praesentalis I.15
In Ägypten befanden sich die Daci möglicherweise schon unter Zenon
(474-475), wie
dies aus einer Korrektur in den Plerophariae des Johannes Rufus
hervorgeht.16 Dort wird ein
primicerius der in Alexandria stationierten Einheit der Daci
erwähnt. Mit Sicherheit befand
sich der Truppenkörper unter Iustinian in Ägypten.17 Wie lange die
Daci im Land am Nil
garnisonierten, lässt sich bislang nicht feststellen. Die beiden
vorliegenden Dokumente lassen
sich nur paläographisch ins 6. Jh. n. Chr. datieren. Im frühen 7.
Jh. n. Chr. befand sich eine
Daci-Truppe in Italien, wie ein Ravenna-Papyrus belegt: Ioannes,
domesticus des numerus
Dacorum, bezeugt eine Schenkung von Gütern im Gebiet der Stadt
Gubbio an die Kirche von
10 Neben der legio palatina (ND Or. V, 3 = 37) verzeichnet die
Notitia Dignitatum noch eine ala I Ulpia Dacorum und zwei cohortes,
die cohors I Aelia Dacorum und die cohors I Ulpia Dacorum, die in
Suissa, Armenia (ND Or. XXXVIII, 23) respektive Amboglanna,
Britannia (ND Oc. XL, 44) und Claudiana, Syria (ND Or. XXXIII, 33)
stationiert waren. 11 C. Zuckerman (Comtes et ducs en Égypte autour
de l’an 400 et la date de la Notitia Dignitatum Orientis, AnTard
6/1998, 137-147, bes. 144-147) datierte den pars Orientis der
Notitia in das Jahr 401 n. Chr. Das Gros der Forschung folgt in
Datierungsfragen Hoffmann (Anm. 9, I 25-53; 494-519; II 210-215)
der die Endredaktion des pars Orientis nach dem Jahr 395 n. Chr.
legt. Die relevante Forschungsliteratur zur Datierung der Notitia
Dignitatum findet sich bei Palme, B. Die officia der Statthalter in
der Spätantike, AnTard 7 / 1999, 85- 133; 87 mit Anm. 5 und 6. Vgl.
auch Palme, B. Notitia Dignitatum, im Druck. 12 Carrié, J.-M.
Eserciti et strategie, in: Einaudi, G. (Hrsg) L’età tardoantica
(Storia di Roma Bd. III) Turin: 1993, 83-154; 128-129. 13
P.Paramone 15 (Alexandria, 592-593? n. Chr.) 14 Palme, B.
Theodosiaci Isauri in Alexandria, P.Paramone 15. 15 ND Or. V 25
(Schildzeichen); 66. 16 Hoffmann (Anm. 9, Bewegungsheer, 224 mit
Anm. 117) 17 SPP XX 139 mit BL IX, 347 (Arsinoites?, 531 n. Chr.)
mit Palme, B. Korr.Tyche, Anm. 3.
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom 4
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom
Ravenna.18 Allerdings kann nicht gesagt werden, ob es sich bei der
Einheit um die im 6. Jh. in
Ägypten belegte handelt. In Frage kommen zusätzlich noch die
weiteren in der Notitia
Dignitatum genannten Daci-Truppenkörper.19
Über die Gründungsgeschichte des numerus Dacorum lässt sich nur
mutmaßen. Er
findet sich zusammen mit seiner Schwestertruppe, den Scythae20
unter den legiones palatina,
einer der höchstrangigen Truppenkategorie im Präsentalheer des
magister militum
praesentalis II. Theodosius I hatte zwischen 388 und 391 n. Chr. im
römischen Ostreich zwei
gleichartige Heeresteile geschaffen, deren einzelne Truppen
komplementär angeordnet
waren.21 Entsprechend der Zugehörigkeit zu den legiones palatinae
schließt D. Hoffmann auf
ein hohes Alter der Truppe. Die gehobene palatine Stellung, die nur
den ältesten und
vornehmsten Truppenkörpern zukam, spricht nach D. Hoffmann für eine
Aushebung des
numerus Dacorum vor der Teilung (alter) Eliteeinheiten des Heeres
in eine seniores- und eine
iuniores-Formation, die er in das Jahr 364 legte.22 Von dieser
Teilung, die nach R. Scharf
eigentlich zwei Teilungen waren, betroffen waren allerdings nicht
alle Einheiten des Heeres.23
D. Hoffmann spricht sich für eine Aushebung des neuen
Elitelegionspaares unter
Galerius aus, dessen Heimat, die Dacia ripensis, mit dem Namen
einer der neuen Einheiten 18 P.Ital. 18-19,B 29; 64 (Rom/Ravenna,
Anfang 7. Jh.?); Hoffmann (Anm. 9, Bewegungsheer, 224. 19 Vgl. oben
Anm. 10. 20 ND Or. VI, 4 (Schildzeichen); 44. Hoffmann (Anm. 9,
Bewegungsheer, I 13) verweist zudem auf die Verwandtschaft der
Schildzeichen beider Truppen. Zu den Schildzeichen der Notitia
Dignitatum und für weiterführende Literatur vgl. M.P. Speidel, The
Army at Aquileia, the Moesiaci Legion, and the Shield Emblems in
the Notitia Dignitatum, in: Speidel, M.P. Roman Army Studies II
(Mavors Roman Army Researches VIII), Stuttgart: 1992, 414-418; und
O. Stoll, „De honore certabant et dignitate“. Truppe und
Selbstidentifikation in der Armee der Römischen Kaiserzeit, in:
Stoll, O. Römisches Heer und Gesellschaft. Gesammelte Beiträge
1991-1999 (Mavors Roman Army Researches Bd. XIII) Stuttgart: 2001,
106-136; 115 mit Anm. 34. 21 Hoffmann (Anm. 9) Bewegungsheer, I
10-19; 490-507. Die durchgeplante Aufstellung und komplementäre
Zuteilung der Truppen wird in Hoffmanns Aufstellung auf Seite 492
besonders deutlich. Die sechs legiones palatinae des magister
militum praesentalis I und II werden von den (zwischen den beiden
Heeresteilen komplementär aufgeteilten) Einheiten der Lanciarii und
Mattiarii seniores und iuniores sozusagen eingerahmt. Zwischen
ihnen werden die jeweils zusammengehörigen, nicht zwischen den
Heeresteilen geteilten, Doppellegionen geführt; die der Daci und
Scythae unter dem Kommando des magister militum praesentalis II. 22
Hoffmann (Anm. 9) Bewegungsheer, 223; vgl. auch Tomlin, R.
Seniores-iuniores in the Late Roman Field Army, AJPh 93/1972,
253-278 und in seinem Gefolge Le Bohec, Y. Das römische Heer in der
Späten Kaiserzeit. Stuttgart: 2010, 230. 23 Scharf, R.
Seniores-iuniores und die Heeresteilung des Jahres 364, ZPE
89/1991, 265-272. Der Fund des Grabsteines eines ducenarius der
Io(vii) oder Io(viani) Cornuti seniores aus dem Jahr 356 n. Chr.
gab einen neuen terminus ante quem für die Truppenteilung. (Drew-
Bear, T. A fourth-century Latin soldier’s Epitaph at Nakolea,
Harvard Studies in Classical Philology 81/1977, 257-274; besonders
267-274.)
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom 5
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom
gehuldigt würde.24 Allerdings führt er an, dass die Truppe genauso
gut erst unter Constantin I
oder Licinius ausgehoben worden sein kann. Schließlich ist
fraglich, aus welcher
Bevölkerungsgruppe sich die Doppeltruppe ursprünglich rekrutierte.
Aurelian hatte 271 n.
Chr. die traianische Provinz Dacia aufgegeben. In der Spätantike
wurden mit „Dacia“ die
Dacia ripensis und die Dacia mediterranea angesprochen. Ebenso
bezeichnete man mit
Σκθαι sämtliche Völker im Norden und Nordosten der Donau,
insbesondere Goten.25 Neben
Bevölkerungsgruppen aus nichtrömischem Reichsgebiet, ist aber auch
an Rekruten aus dem
an der dakischen Grenze stationierten römischen Heer zu denken, die
zur Gründung der neuen
Einheiten herangezogen worden sein könnten. Wie aber D. Hoffmann
schon vermerkt, sind
alle diese Überlegungen reine Vermutungen.26
Auch die equites Sextodalmatae werden in der Notitia Dignitatum
unter dem
Kommando des magister militum praesentalis II verzeichnet, unter
den vexillationes
comitatenses.27 Als Teil der comitatensischen Armee wurden die
verschiedenen,
nummerierten Dalmatertruppen erst ab Constantin I geschaffen, die
er wohl aus den nunmehr
selbständigen Truppenkörpern der früheren dalmatischen Reiterei
rekrutierte. Auch die
vexillationes comitatenses der beiden präsentalen Heeresteile des
Ostens waren wie die
legiones palatinae komplementär aufeinander abgestimmt. Den equites
Sextodalmatae
entsprachen die equites Quintodalmatae28 unter dem Kommando des
magister militum
praesentalis I.29 Ob es sich bei den beiden Truppenkörpern um Teile
einer ursprünglichen
Doppeltruppe handelt bezweifelt D. Hoffmann, der auf den schwer zu
erbringenden Nachweis
für berittene Doppeltruppen und weitere, mit anderen Nummern
versehene Dalmatereinheiten
in den regionalen Heeresteilen hinweist.30 Möglicherweise sind die
Sextodalmati zusammen
mit den Daci, die demselben Teil des östlichen Präsentalheeres
angehörten, nach Ägypten
verlegt worden.31 Die einzige fest datierte papyrologische
Erwähnung der Dalmati stammt aus
24 Hoffmann (Anm. 9) Bewegungsheer, 223. 25 Kramer, J. KlP 3 sv.
Dakoi, Dakia, 277-280; von Bredow, I. KlP 11 sv. Skythen, 644-656.
Vgl. auch C. Zuckerman (L’armée, in: Morrisson, C. (Hrsg.) Le monde
byzantin. Tome 1. L’Empire romain d’Orient (330-641) (Nouvelle
Clio) Paris: 2004, 165.), der in den für Ägypten belegten Scythae
Iustiniani in Italien rekrutierte Ostgoten sieht. 26 Hoffmann,
(Anm. 9) Bewegungsheer, 224; Brandis, RE 4.2 sv. Dacia, 1948-1976.
27 ND Or. VI, 37. 28 ND Or. V, 36. 29 Hoffmann (Anm. 9)
Bewegungsheer, I 11; 492. 30 Hoffmann (Anm. 9) Bewegungsheer, I
14-15; 505. 31 Hoffmann (Anm. 9) Bewegungsheer, I 261-262; Mitthof
(Anm. 2) Annona Militaris, 227; Zuckerman, C. Du village à
l’empire. Autour du registre fiscal d’Aphroditô (525/526). Centre
de recherche d’histoire et civilisation de Byzance, Monographies
16, Paris: 2004, 171-172.
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom 6
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom
dem Jahr 541 n. Chr.32 Das Dokument, überliefert im Archiv des
Dioskoros von Aphrodite,
wurde in Konstantinopel verfasst; ein Soldat der Sextodalmati
agiert in einem
Darlehensvertrag als Zeuge.33 Das Darlehen wurde von zwei
Einwohnern Aphrodites, die sich
zum damaligen Zeitpunkt in Konstantinopel aufhielten, aufgenommen.
Deutete die Abfassung
des Vertrags in Konstantinopel auf die Stationierung des Soldaten
vor Ort hin, so belegt nun
das vorliegende Dokument, dass die Sextodalmati sehr wohl in
Ägypten stationiert waren. Der
bezeugende Soldat der Einheit dürfte die Gruppe aus Aphrodite nach
Konstantinopel begleitet
haben und nicht dort „zufällig“ als Zeuge ausgewählt worden
sein.
Die Strategie Iustinians, die D. Hoffmann34 auch unter Verweis auf
den
Darlehensvertrag SPP XX 139 festmachte, Truppen des Feldheeres in
die Grenzprovinzen zu
versetzen, spezifiziert F. Mitthof für Ägypten: Iustinian entblößte
nicht etwa Teile der
Provinzgrenzen, wie dies die ältere Forschung annahm, sondern
verstärkte sie, so zumindest
in der Diözese Ägypten, durch Zuführung elitärer Truppen aus dem
comitatensischen Heer.35
Die entscheidende strategische Änderung bestand darin, die
Truppenkörper nun nicht mehr en
Gros in den etablierten Garnisonen zu lagern, sondern, ohne die
alten Stationierungsorte
aufzugeben, kleine Detachments über das Land verteilt zu
stationieren um somit bei Bedarf
Soldaten sofort vor Ort zu haben. Die so verstreuten Einheiten sind
vor allem jene, die als
Elite neu ins Land verlegt worden sind.36 In dieses Bild fügt sich
auch das Dokument 02 ein:
unterschiedlich starke Abteilungen der Daci und Sextodalmati, in
einem Fall dreißig Mann,
beides Truppenkörper des Feldheeres, finden sich im Land
stationiert. Die Angaben der
32 P.Cairo Masp. II 67126, 65 – 66 mit BL 1 N, 447. Die in P.Oxy.
XII 1513 mit BL IX, 186 (Oxyrhynchos, spätes 3. Jh. – frühes 4. Jh.
n. Chr.) verzeichneten Soldaten der Dalmater sind nicht mit den
Sextodalmatern zu identifizieren, so bereits Mitthof (Anm. 2,
annona militaris, 413), der die Einheit mit einer um 411 n. Chr. in
Ptolemais in Kyrene stationierten in Verbindung bringt. 33 Maspero
las seinerzeit anstelle von ν τ ριθµ τν γενναιοτ(των) Σεξτοδαλµατν
(Z. 65-66) [Τ]οξ[ο]τοδαλµατν, wobei er jedoch darauf hinwies, dass
die Lesung von „toxo“ nicht gesichert sei. (Anm. Z. 66) 34 Hoffmann
(Anm. 9) Bewegungsheer, 224. 35 Für eine Zusammenfassung der
papyrologisch belegbaren Truppenwechsel in besonders der Unteren
Thebais und die ältere Forschungsmeinung vgl. Mitthof, F. Das
Dioskoros-Archiv und die militärischen Reformen Justinians in der
Thebais, in: Fournet, J.-L. (Hrsg.) Les archives de Dioscore
d’Aphrodité cent ans après leur découverte. Histoire et culture
dans l’Égypte byzantine. Paris: 2008, 249-252. So verschwinden die
vormals in Hermupolis und Lycopolis stationierten equites Mauri
Scutarii, die in Alyi lagernden Leontoclibanarii und die
Transtigritani aus Arsinoiton Polis mit spätestens 538 n. Chr. aus
der papyrologischen Überlieferung. Zur selben Zeit tauchen drei
nach Iustinian benannte und daher unter ihm ausgehobene
Truppenkörper nichtägyptischer Provenienz am Nil auf: die Bis
Electi Iustiniani, Numidae Iustiniani und Scythae Iustiniani. 36
Mitthof (Anm. 35) Reformen, 254-256.
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom 7
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom
bislang drei bekannten Dokumente, die Daci verzeichnen, lassen auf
Mittelägypten als
Stationierungsgebiet für zumindest Teile der Einheit schließen. Das
vergebene Darlehen SPP
XX 13937 hatte eine Laufzeit von sechs Jahren, was darauf schließen
lässt, dass weder Daci,
noch Leontoclibanarii oder Transtigritani mit einer baldigen
Verlegung rechneten. 02
verzeichnet Versorgungslieferungen an die Abteilungen aus dem
Oxyrhynchites. Iustinians
Reformen der militärischen Dispositionen in Ägypten scheinen vor
allem gegen plündernde
Barbarengruppen gerichtet gewesen zu sein. Kleine über das Land
verstreut stationierte
Detachments mobiler Truppenkörper mögen gegen Feinde dieser Art
hinreichend Schutz und
auch Abschreckung geboten haben. Wie viel (oder wie wenig) sie aber
gegen einen größeren
Verband ausrichten konnten, zeigte sich bereits 69 bis 82 bzw. 91
bis 104 Jahre später im
Zuge der sassanidischen und schließlich der arabischen Eroberung
Ägyptens.38
01 = G 27293
Aufstellung über Getreide
Zur militärischen familia, die in der Spätantike jeder Einheit
beigegeben war,39 wurden
und werden in der Forschung verschiedene Ansichten vertreten.
Constantin Zuckerman hat
zwei Auffassungen, die sich als reine Spekulationen entpuppten, ins
Reich der Legenden
verbannt: Es handelt sich bei der militärischen familia weder um
einen reinen
Rekrutenverband, noch um den Stab einer militärischen Einheit, wie
das vom Herausgeber
von P.Stras. VIII 717 in Anlehnung an die (rekonstruierte) familia
praesidis von P.Oxy. XIV
171240 angenommen wurde.41 Die Übersetzung des Begriffs familia mit
„Reserve“ wie dies
seinerzeit Fritz Krebs tat, ist ebenfalls von der Hand zu weisen.42
Zweifelhaft ist auch die
Gleichsetzung von familia mit der gesamten Truppe.43 C. Zuckerman
spricht sich in
Anlehnung an A.H.M. Jones dafür aus, unter familia den modernen
Begriff der Familie zu
37 (Arsinoiton Polis, 20. Juni 531) mit BL VIII 469, IX 347 und
Palme, B. Korr.Tyche, Anm. 3. 38 Mitthof (Anm. 35, Reformen, 251)
veranschlagt für die Durchsetzung der Reformen Iustinians gut zehn
Jahre, von etwa 537 bis 549/550 n. Chr. 39 Mitthof (Anm. 2) annona
militaris, 237-238 mit Anm. 724. 40 mit BL IX 188 (Oxyrhynchos, 394
n. Chr.) 41 Zuckerman, C. Legio V Macedonica in Egypt. CPL 199
revisited, Tyche 3/1989, 279-287; 282 mit Anm. 10; 11. 42 Erman,
A./Krebs, F. Aus den Papyrus der königlichen Museen, Berlin: 1899,
198-199. 43 Zuckerman (Anm. 41) legio, 282 mit Anm. 13.
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom 8
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom
verstehen und verweist auf Stellen aus dem Codex Theodosianus, die
unter der Familie eines
Soldaten seine Ehefrau, die Kinder und auch die Sklaven
verstehen.44
Im offiziellen militärischen Gebrauch, wie er auch hier gegeben
ist, kann die Bezeichnung
familia nach Fritz Mitthof jedoch drei Bedeutungen haben. Sie kann
sich auf die Frau, die
Kinder und die persönliche Dienerschaft eines Soldaten beziehen,
auf die Diener eines
Offiziers45 oder aber auf das gesamte unfreie Personal des Trosses
einer Einheit, das die
Militärs entweder im kollektiv besitzen oder das im Eigentum des
Staates steht. Nur der
letzten Gruppe stand eine offizielle Versorgung zu.46 Zudem ist der
Begriff familia im
vorliegenden Fall direkt mit der Truppe der Daci verbunden und
bezieht sich somit nicht auf
die „leibliche“ Familie eines oder mehrerer Soldaten bzw. die
Bediensteten von Offizieren,
wie auch in den schon von F. Mitthof angeführten Vergleichstexten
BGU I 31647 und P.Stras.
VIII 717.48 Letzterer ist das einzige bislang bekannte direkte
Vergleichsdokument zu
vorliegendem Papyrus: Die φαµιλα ρκαδιανν, mit der ala Arcadiana
nuper constituta der
Notitia Dignitatum zu identifizieren,49 ebenso die φαµιλα πµπτης
Μακεδονκης, die mit der
in Memphis garnisonierenden legio V Macedonica in Verbindung
gebracht wird.50
Der Anspruch auf Annonaversorgung der familiae bestand zumindest ab
409 n. Chr.
für im Orient und Ägypten stationierte Truppenkörper.51 Je nach
Stationierungsort fiel die
annona unterschiedlich hoch aus. C. Zuckerman wirft zudem die Frage
auf, ob die familia
jeder Truppe Anrecht auf diese Besoldung hatte. Seiner Meinung nach
dürften die Einheiten
des laterculus minus, die alae und cohortes, als Einheiten des
Limitanheeres, keinen
Anspruch auf annonae für ihre familiae gehabt haben.52 Dies
bestätigen die bislang bekannten
44 C.Th. 7,1,3 (30. Mai 349 n. Chr., Constantius an den praefecuts
praetorio Titianus); Jones (Anm. 2) LRE II 630-631; Zuckerman (Anm.
41) legio, 282-284. 45 Auf die persönliche Begleitung des
praepositus, des tribunus und der beiden dort verzeichneten
scutarii bezieht sich die in P.Oxy. LX 4088, 24; 28; 33; 45
(Oxyrhynchos, 347- 350 n. Chr.?) genannte familia. (Mitthof, Anm.
2, annona militaris, 237) 46 Mitthof (Anm. 2) annona militaris,
237- 238. 47 = M.Chr. 271 = FIRA III 135 + BL IX 18 (Askalon in
Phönizien, 12. Oktober 359 n. Chr.) 48 Mitthof (Anm. 2) annona
militaris, 237. Bei der familia, der viele Verfasser von Ostraka
vom Mons Claudianus angehören, handelt es sich nicht um freies oder
unfreies Dienstpersonal von Soldaten, sondern um zumindest
teilweise freigelassene Angehörige des kaiserlichen Haushaltes.
Νοµερος und ριθµς, in den Ostraka auch direkt nebeneinander
verwendet, bezeichnen Untereinheiten der familia Caesaris (Cuvigny,
H. O.Claud. III, 24- 41). Erst in der Spätantike werden νοµερος und
ριθµς als unspezifischer Terminus für jedweden Truppenkörper
eingesetzt. 49 ND Or. XXVIII 8 = 21. 50 ND Or. XXVIII 4 = 14. 51
C.Th. 7,4,31 (30. November 409 n. Chr., Honorius und Theodosius an
den praefectus praetorio Anthemius) 52 Zuckerman (Anm. 41, legio)
284.
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom 9
NFN Imperium and Officium. Comparative Studies in Ancient
Bureaucracy and Officialdom
Papyri. Das auxilium Constantiaci53 und die legio palatina der
Daker sind elitäre Einheiten
des Feldheeres und auch die ala Arcadiana, die in der Notitia
Dignitatum als nuper constituta
im Kommandobereich des comes limitis Aegypti geführt wird,54
rangiert nicht unter den
Einheiten des laterculus minus.
Versorgungsliste