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Hygienische Anforderungen an organische
Dünger
– aktueller Sachstand –
Dr. med. vet; Dipl.-Ing agr. Werner Philipp
6. VQSD-Fachveranstaltung 18.06.2013
Inhalt des Vortrages / Themenbereiche
● Einleitung
● Relevanz von Krankheitserregern im Klärschlamm
● Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier
● Bewertung von Gesundheitsrisiken
● Behandlungsverfahren für Klärschlämme
● Aktuelle Situation zum Klärschlamm
● Aktuelle Situation zu organischen Düngern
● Zusammenfassung
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Einleitung
• in Deutschland fallen jährlich etwa 2 Mio. t Klärschlamm (TS) an.
• ca. 30% werden als Düngemittel eingesetzt,
• ca. 20% im sog. Landschaftsbau
• ca. 50% gelangen zur Verbrennung
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Einleitung
Darstellung der Klärschlammentsorgung in Deutschland in den Jahren
von 1991-2008 (ANONYM, 2009b)
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Einleitung
● Seit 1982 sind die Anforderungen an die landwirtschaftliche
Verwertung von Klärschlämmen in der Klärschlammverordnung
(AbfKlärV) in Deutschland geregelt.
● Den aktuellen rechtlichen Rahmen für die landwirtschaftliche
Klärschlammverwertung bildet die AbfKlärV in der seit 1992
geltenden Fassung mit Anforderungen an:
- zulässige Schadstoffgehalte,
- Aufbringungsverboten auf bestimmten Flächen (Dauergrünland; -
Obst- und Gemüseanbau),
- Beschränkungen der zulässigen Aufbringungsmengen sowie
- Pflichten zur Kontrolle der Qualität (Nährstoffgehalte;
Schadstoffbelastungen) der Aufbringungsflächen.
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Einleitung
● die hygienischen Aspekte, sprich die Belastung des
Klärschlammes mit pathogenen Erregern ist bekannt;
● die Regelungen zur Verwertung des Klärschlammes aus
hygienischer Sicht sind zwar definiert und sollen aus
seuchenhygienischer Sicht kritisch beleuchtet werden
(siehe EHEC-Situation im Mai 2011 in Deutschland)
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Relevanz von Krankheitserregern im Klärschlamm
● Klärschlamm kann grundsätzlich jeden Erreger enthalten, der mit
dem Kot und Urin ausgeschieden wird,
● human- und tierpathogene Erreger, Zoonoseerreger sowie
multiresistente Bakterien.
● Die Erreger werden mit dem Abwasser in die Kläranlage
eingeleitet und gelangen durch die verschiedenen
Reinigungsstufen in den Klärschlamm.
● Insbesondere sind Salmonellen, Shigella, Escherichia coli,
Clostridien und Mycobacterium tuberculosis am häufigsten im
Klärschlamm.
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● Von besonderer epidemiologischer Bedeutung sind weiterhin
Enteroviren, Caliciviren, Cryptosporidien und parasitäre
Dauerstadien wie Spulwurmeier.
● Zoonotische Erreger finden sich vermehrt im Klärschlamm, wenn
Schlachthofabwässer eingeleitet werden.
● außerdem können pflanzenpathogene Erreger enthalten sein, die
u.U. auch beim Menschen Erkrankungen hervorrufen können.
Relevanz von Krankheitserregern im Klärschlamm
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Relevanz von Bakterien im Klärschlamm
Obligat Pathogene Fakultativ Pathogene
Salmonella spp. Escherichia
Shigella spp. Klebsiella
Escherichia coli Enterobacter
Pseudomonas aeruginosa Serratia
Yersinia enterocolitica Citrobacter
Clostridium perfringens Proteus
Clostridium botulinum Providencia
Bacillus anthracis Multiresistente Bakterien; z. B. ESBL
Listeria spp.
Vibrio cholerae
Mycobacterium spp.
Leptospira spp.
Campylobacter spp.
Staphylococcus + Streptococcus
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Virusgruppe Auswahl
von Typen Hervorgerufene Krankheiten oder Symptome
Enterovirus
Poliovirus 3 Poliomyelitis, Meningitis, Fieber
Coxsackievirus A 24 Herpangina, Atemwegsinfektion, Meningitis, Fieber
Coxsackievirus B 6 Myocarditis, Herzmissbildungen, Atemwegserkrankungen,
Hautausschläge, Meningitis, Fieber
Echovirus 34 Meningitis, Atemwegserkrankungen, Hautausschläge,
Durchfall, Fieber
Weitere Enteroviren 4 Meningitis, Atemerkrankungen, Konjunktivitis, Fieber
Adenovirus 41 Atemwegserkrankungen, Augeninfektionen
Reovirus 3 nicht definiert
Hepatitis A-virus 1 Hepatitis
Rotavirus 4 Erbrechen und Durchfall
Astrovirus 5 Gastroenteritis
Norovirus Norwalk 2 Erbrechen und Durchfall
Coronavirus 1 Erkältung
Adeno-associated
Virus
4 nicht genau definiert aber mit Atemwegserkrankungen bei
Kindern vergesellschaftet
Parvovirus 2 Darminfektionen
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Relevanz von Parasiten im Klärschlamm
Protozoa
Cestodes
Nematodes
Cryptosporidia parvum
Entamoeba histolytica
Giardia lamblia
Toxoplasma gondii
Sarcocystea spp.
Taenia saginata
Taenia solium
Diphyllobothrium latum
Echinococcus granulosus
Ascaris lumbricoides
Ancylostoma
duodenale
Toxocara canis
Toxocara cati
Trichuris trichiura
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Mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit von
Mensch und Tier
● Eine mögliche Infektion von Mensch oder Tier hängt von den
Eigenschaften der Erreger, den Infektionsdosen und der
Empfänglichkeit der Zielorganismen ab sowie von
● hygienischen Maßnahmen gegen die Infektionsquellen und die
Übertragung der Erreger.
● Die vorhandenen Bedingungen in einem Gebiet, d. h. Klima,
Entwicklung des Gesundheitswesens, hygienische Verhältnisse
und das Vorhandensein von biologischen Vektoren sind hierbei
von entscheidender Bedeutung
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● Zu den relevanten Eigenschaften eines Erregers gehören:
- die Widerstandsfähigkeit in der Umwelt (Tenazität),
- die Übertragbarkeit,
- die Ansteckungskraft,
- die Haftfähigkeit,
- das Eindringungsvermögen,
- die Inkubationszeit und die Virulenz.
● Diese Eigenschaften entscheiden über die Infektiosität eines
Erregers,
- d. h. kann er überhaupt infizieren,
- geschieht dies häufig oder eher selten.
- werden die Erreger oral, aerogen, über die Haut, Schleimhaut, über
Wunden, Stiche oder Bisse oder diaplazentär
aufgenommen.
Mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit von
Mensch und Tier
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Bewertung von Gesundheitsrisiken
● Risiko wird definiert als die Möglichkeit des Zusammentreffens
irgendeiner Form des Leids, des Verlustes oder Schadens.
● die FAO/WHO definiert „Risiko“ als die Wahrscheinlichkeit einer
gesundheitlichen Schädigung und daraus resultierender
Konsequenzen, die sich aus einer Gefahr ergibt.
● Gefahr gilt als ein Faktor von biologischer, chemischer oder
physikalischer Natur mit der Eigenschaft, eine Gesundheits-
schädigung hervorrufen zu können
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Die Risikoanalyse besteht nach FORSYTHE (2002) aus vier
Komponenten:
die Gefahrenerkennung (sie steht an erster Stelle)
die Risikoeinschätzung: sie identifiziert das Risiko und Faktoren, die es
beeinflussen
das Risikomanagement: es zeigt, wie das Risiko kontrolliert oder
verhindert werden kann;
die Risikokommunikation: sie informiert andere über das Risiko
Bewertung von Gesundheitsrisiken
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Behandlungsverfahren für Klärschlämme
● Klärschlammbehandlungsverfahren können Infektionsrisiken für
Mensch und Tier zuverlässig ausschliessen.
● Der Entwurf zur Novellierung der Klärschlammverordnung (Stand:
30.01.2013) listet Verfahren zur Reduzierung seuchenhygienischer
Risiken auf.
● Bisher gibt es allerdings nur lückenhaftes Wissen zur
Beeinflussung der Verfahren auf phytopathogene Erreger.
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A Verfahren, bei denen die erforderlichen Behandlungstemperaturen
durch Fremderhitzung erreicht werden:
● Schlammpasteurisierung
● thermische Konditionierung
B Verfahren, bei denen die erforderlichen Behandlungstemperaturen durch
Selbsterhitzung und chemische Reaktionswärme erreicht werden:
● aerob-thermophile Schlammstabilisierung
● Schlammkompostierung in Mieten
● Kompostierung von Klärschlamm in Reaktoren
● Zugabe von ungelöschtem Kalk zum Klärschlamm (Zugabe von
Branntkalk).
Behandlungsverfahren für Klärschlämme
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C Verfahren, die zu einer ausreichenden pH-Wert-Verschiebung
führen
● Zugabe von Kalkhydrat im Zuge der Schlammbehandlung (z. B. bei
der Schlammkonditionierung)
D Verfahren, die durch langfristige Aufbewahrung zu einer Reduktion
der Schadorganismen führen.
● Langzeitlagerung von Nassschlamm und von entwässertem
Schlamm Klärschlammbehandlung in Pflanzenbeeten
E Trocknungsverfahren
● die Hochtemperaturtrocknung (HTP)
Behandlungsverfahren für Klärschlämme
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Aktuelle Situation zum Klärschlamm
● In Erinnerung an die „EHEC-Situation“ im Jahre 2011 (60
Todesfälle) muss davon ausgegangen werden, dass die
Möglichkeit der Verbreitung von Infektionserregern für Mensch und
Tier, insbesondere bei der landwirtschaftlichen
Klärschlammverwertung, auch der Gülledüngung und der
Verwertung nicht hygienisierten Gärreste permanent besteht.
● Es werden nachfolgend Szenarien zur Gestaltung einer
zukünftigen organischen Düngerverwertung dargestellt, die
insbesondere den Schutz der Umwelt vor der vermeidbaren
Kontamination mit Erregern bei der Klärschlammanwendung zum
Ziel haben.
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● Die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlämmen sollte nur
dann erfolgen, wenn zuvor eine Reduzierung der Schadorganismen
im Klärschlamm stattgefunden hat.
● Dies insbesondere vor Hintergrund eigener Versuche zum möglichen
Eindringen von Salmonellen über die Wurzelhärchen in die Pflanze.
● Auch andere human- und tierpathogene Erreger können bei
entsprechenden Voraussetzungen über die Wurzeln aus den
organischen Düngern und Klärschlämmen bzw. dem Boden
aufgenommen werden.
● Welche Faktoren diese Vorgänge grundlegend beeinflussen, muss
noch in bereits formulierten Forschungsvorhaben erarbeitet
werden.
Aktuelle Situation zum Klärschlamm
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● In einer Gefährdungsbeurteilung wurden Klärschlämme, Gülle und
Gärreste in Risikoklasse III eingestuft („größtes Risiko“)
● Aufgrund dieser Risikobeurteilung sollten Klärschlämme vor der
landwirtschaftlichen Verwertung grundsätzlich einer
Behandlungspflicht zur Hygienisierung unterworfen werden.
● Die Behandlungspflicht könnte allerdings entfallen, sofern eine
regelmäßige Qualitätsüberwachung durch die Teilnahme an einer
Gütesicherung mit ergänzenden mikrobiologischen Untersuchungen
erfolgt und „Richtwerte“ für Salmonellen und E. coli unterschritten
sind.
Aktuelle Situation zum Klärschlamm
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Wie könnte die „Richtwertregelung aussehen ?
● in vier von fünf Proben max. 100 Salmonellen in 1 g (1 x 102 KBE/g)
● der Höchstwert darf in einer Probe max. 500 betragen (5 x 102
KBE/g).
● Wird der Höchstwert überschritten, empfiehlt sich entweder eine
hygienisierende Behandlung des Schlammes oder eine
kontaminationsfreie Lagerung von bis zu 6 Monaten.
● Vor der landwirtschaftlichen Verwertung des gelagerten Schlammes
muss eine erneute quantitative Untersuchung auf Salmonellen
durchgeführt werden.
● Die Anzahl an Escherichia coli soll maximal 1.000 KBE/g (1 x 103
KBE/g) Klärschlamm betragen.
Aktuelle Situation zum Klärschlamm
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Vor dem Hintergrund des neuen Tiergesundheitsgesetzes (am 27. Mai 2013
verkündet !), das zunehmend auf Erhaltung der Tiergesundheit durch
Vorbeugung abzielt, hat die „Hygiene“ aktuelle Bedeutung erfahren.
Dementsprechend müssen alle Möglichkeiten für Maßnahmen zur Sicherung
der hygienischen Unbedenklichkeit durch Behandlung und Überwachung der
organischen Dünger bei der Herstellung, Abgabe und Verwertung genutzt
werden. Zu diesem Zweck ist auch das Düngemittelrecht gefordert.
Folgende Handlungsempfehlungen lassen aus Ergebnissen eines
Forschungsvorhabens der Universität Hohenheim (2013) ableiten:
Aktuelle Situation zu organischen Düngern
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● Die Abgabe oder Aufbringung risikobehafteter organischer Dünger wie der
Gülle und entsprechender Düngemittel fäkaler tierischer und menschlicher
Herkunft auf die Bodenfläche ist nur zulässig, wenn ihre hygienische
Unbedenklichkeit durch die Anwendung eines wirksamen
Behandlungsverfahrens nachgewiesen wurde.
● Die Behandlungspflicht z.B. bei Vergärung von Gülle in Biogasanlagen ist
insbesondere dann geboten, wenn regional Gülle- und Nährstoffüberschüsse
anfallen und in andere Regionen transportiert werden müssen. Hierbei ist die
Voraussetzung, dass die Biogasanlage entweder eine Vollstromhygienisierung
(Pasteurisierung aller Substrate incl. Gülle) oder thermophile Fahrweise
entsprechend den Vorgaben der BioAbfV betreibt (Behandlungspflicht –
„Hygienisierungsbonus“).
Aktuelle Situation zu organischen Düngern
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Zur Erleichterung der Überwachung für Düngemittel wie Gülle aus
Biogasanlagen und Gärreste, die in Verkehr gebracht werden, könnten
Erleichterungen hinsichtlich des Einzelnachweises der hygienischen
Unbedenklichkeit gewährt werden, wenn eine regelmäßige
Qualitätsüberwachung durch die Teilnahme an einer Gütesicherung
mit ergänzenden mikrobiologischen Untersuchungen erfolgt und die
jeweils vorgegebenen mikrobiologischen Richtwerte eingehalten werden
(Untersuchungspflicht - „Erleichterungsbonus“).
„Zusammenwirken von Düngemittel- und Klärschlammverordnung“
(siehe Vortrag J. Schäfer)
Aktuelle Situation zu organischen Düngern
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Anmerkung:
Nachdem die Bund/Länder-Arbeitsgruppe zur Strompreissicherung im
EEG nun fünf Mal getagt und nach der Sitzung am 19. März 2013
beschlossen hat u.a. die bereits rechtlich verbindlich zugesagten
Vergütungen für Bestandsanlagen nicht nachträglich zu kürzen, sollte
spätestens vor Beginn der nächsten Legislaturperiode, wenn eine
grundlegende EEG-Reform in Angriff genommen werden soll, darauf
eingewirkt werden, in den Güllebonus einen zusätzlichen
„Hygienebonus“ zu integrieren bzw. einen eigenständigen
„Hygienebonus“ zu schaffen, damit jene Biogasanlagenbetreiber eine
notwendige und auch berechtigte Zulage bekommen, die
seuchenhygienisch unbedenkliche Gärreste produzieren, entweder
durch eine Vollstromhygienisierung, oder durch das Betreiben einer
thermophilen Anlage bzw. Kompostierung der separierten Gärreste,
und damit eine nachhaltige Landwirtschaft und einen aktiven Umwelt-
und Verbraucherschutz praktizieren.
Aktuelle Situation zu organischen Düngern
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Zusammenfassung
● Eine Gefährdungsbeurteilung zur landwirtschaftlichen
Klärschlammverwertung hat ergeben, dass aus seuchen- und
phytohygienischer Sicht Klärschlämme neben anderen kritischen
organischen Düngern (Gülle und Gärreste) einer Behandlung zum
Zwecke der Hygienisierung unterzogen werden sollten.
● Diese Forderung könnte in einer Änderungsverordnung zur
Düngemittelverordnung formuliert werden.
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bis die Gesetzgebung reagiert, sollten zukünftig nur qualitätsgesicherte
Klärschlämme landwirtschaftlich verwertet werden die:
1. auf Salmonellen qualitativ und quantitativ mit Richtwertregelung untersucht sind
und
2. Maßnahmen zum Arbeitsschutz beim Handling von Klärschlamm berücksichtigt
sind sowie
3. Anwendungskonzeptionen beachtet werden und die Sicherstellung der
ordnungsgemäßen Ausbringung und Einarbeitung gewährleistet ist.
Zusammenfassung
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Danksagung
Besten Dank für
Ihre Aufmerksamkeit