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Der Hohepriester Jesus Christus Andrew Murray

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  • Der Hohepriester Jesus Christus

    Andrew Murray

  • 2Aus dem Inhalt

    Christi Priestertum

    (Hebr. 4, 14: 5, 9) Seite

    1. Der groe Hohepriester / Kap. 4,14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

    2. Der mitleidige Hohepriester / Kap. 4,15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    3. Mit Freudigkeit hinzutreten / Kap. 4,16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

    4. Der Hohepriester, mit Schwachheit umgeben / Kap. 5, 1-3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

    5. Der von Gott eingesetzte Hohepriester / Kap. 5, 4-6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

    6. Der Hohepriester hat durch Leiden Gehorsam gelernt / Kap.5,7-8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

    7. Der Hohepriester durch Gehorsam vollendet / Kap. 5, 8-9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

    8. Der Hohepriester fr die, welche Ihm gehorsam sind /Kap.5, 8-9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

    Warnung vor Trgheit, Stillstand und Abfall

    (Hebr. 5, 11; 6, 20)

    9. Die Trgheit in dem christlichen Leben / Kap. 5, 11-13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

    10. Den Vollkommenen gehrt starke Speise / Kap. 5, 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

    11. Lasset uns zur Vollkommenheit fahren! / Kap. 6, 1-3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

    12. Vom Abfall / Kap. 6, 4-8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

    13. Flei und Geduld / Kap. 6, 9-12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

    14. Der Segen Gottes / Kap. 6, 13-15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

    15. Der Eid Gottes / Kap. 6, 16-18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

    16. Das Inwendige des Vorhanges / Kap. 6, 18-20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

    Christus, ein Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks

    (Hebr. 7)

    17. Melchisedek dem Sohne Gottes verglichen / Kap. 7, 1-3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

    18. Melchisedek und Abraham / Kap. 7, 4-6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

    19. Melchisedek und Aaron / Kap. 7, 11-14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

    20. Priester in Ewigkeit / Kap. 7, 15-17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

    21. Melchisedek und das Gesetz / Kap. 7, 18-19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

    22. Der Herr hat geschworen / Kap. 7, 20-22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

    23. Er kann vollkommen selig machen / Kap. 7, 23-25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

    24. Der Sohn, welcher ewig und vollkommen ist /Kap. 7, 26-28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

  • 3Das neue Heiligtum und der neue Bund

    (Hebr. 8, 1-13)

    25. Jesus im Himmel als Pfleger des neuen Heiligtums / Kap. 8, 1-5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

    26. Der Mittler des neuen Bundes, des besseren Testamentes / Kap. 8, 6-9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

    27. Der eigentliche Segen des neuen Bundes: Das in die Herzen geschriebene Gesetz / Kap. 8,10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

    28. Die Seligkeit im neuen Bunde: Die unmittelbare Gemeinschaft mit Gott / Kap. 8, 10-11 . . . . . . 54

    29. Der Eingang zum neuen Bunde: Die vollkommene Vergebung der Snden / Kap. 8, 12-13 . . . . . 56

    Die Kraft des Blutes Jesu, welche sich in der Einweihung des neuen Heiligtums

    und Stiftung des neuen Bundes offenbart

    (Hebr.9)

    30. Das irdische Heiligtum / Kap.9,1-5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

    31. Der Weg zum Heiligtum noch nicht geoffenbart / Kap. 9, 6-10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60

    32. Der Heilige Geist und der Weg zum Heiligtum oder zur Herrlichkeit / Kap. 9, 8 . . . . . . . . . . . . . 62

    33. Das Heiligtum steht offen / Kap. 9, 11-12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

    34. Die Kraft des Blutes Christi, welches den Himmel zugnglich macht / Kap. 9, 11-12 . . . . . . . . . . 65

    35. Die Kraft des Blutes Christi, das Gewissen zu reinigen / Kap. 9, 13-14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

    36. Durch den ewigen Gott / Kap. 9, 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

    37. Zu dienen dem lebendigen Gott! / Kap. 9, 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

    38. Das Testament durch den Tod fest geworden / Kap. 9, 15-17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

    39. Der Bund ist mit Blut gestiftet / Kap. 9, 18-23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

    40. Die Reinigung der himmlischen Dinge durch Christi Blut. - Christus ist in den Himmel selbst eingegangen / Kap. 9, 23-24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

    41. Die Aufhebung der Snde durch Selbsthingabe / Kap. 9,25-28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

    Der neue Weg in das Allerheiligste

    (Hebr. 10, 1-18)

    42. Die Opfer des Gesetzes knnen nicht vollkommen machen / Kap. 10, 1-4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

    43. Du hast mir den Leib bereitet / Kap. 10, 5-7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . 82

    44. Siehe, ich komme zu tun, Gott, deinen Willen / Kap. 10, 8-10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

    45. Er sitzt ewiglich zur Rechten Gottes / Kap. 10, 11-14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

    46. In Ewigkeit vollendet / Kap. 10, 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 87

    47. Das Zeugnis des Heiligen Geistes / Kap. 10, 15-18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

  • 4Zum Geleit

    Auf Wunsch vieler Freunde der gesegneten Schriften von Andrew Murray haben wiruns entschlossen, diese Schrift neu herauszugeben. Sie ist entnommen aus dem Buch: "Dergroe Hohepriester". "Eine Erklrung des Briefes an die Hebrer und der himmlischen Ge-heimnisse des erffneten Heiligtums und des Priesters auf dem Throne Gottes." Sie umfat alsTeilausgabe die Abschnitte Hebrer 4, 11 bis 10, 18, eben jene Schriftstellen, die sich in derHauptsache mit dem Hohenpriester Jesus Christus beschftigen.

    Das Gesamtwerk ist in der Passionszeit des Jahres 1891 entstanden, als Murray inseiner Missionsgemeinde in Sdafrika die Texte des Hebrerbriefes behandelte. Er selbstschreibt darber u.a.: "Bei der Gelegenheit fhlte ich mich immer wieder veranlat, ber diePerson und das Werk unseres Herrn Jesus, des groen Hohenpriesters Seines Volkes und berden Zugang zu reden, welchen wir durch Sein Blut, durch Ihn selbst, zu Gott haben."

    Als sich dann noch die Not zeigte, wie sehr es so vielen Christen an dem rechtenWachsen in der Gnade und Erkenntnis fehlt, und wieviel Mngel sie in ihrem christlichenLeben haben, weil sie eben einfach nicht den Weg wissen, der zu einem vollen Genu der inChristus geschenkten Gnaden fhrt, hat er sich entschlossen, dem Drngen seiner Freundefolgend, dieses Buch herauszugeben.

    So mchte auch diese Schrift weiterhin ein Wegweiser zu den wahren SegnungenGottes sein, die Er uns in Seinem Sohne Jesus Christus geschenkt hat.

    Ostern 1960 Karl Fix

  • 5Aus Murray's Vorrede

    Zum besseren Verstndnis dieses Buches nehme ich mir die Freiheit, dem Leser folg-ende Winke zu geben:

    1. Der Hauptzweck dieses Briefes ist, uns zu zeigen, wie Jesus den Zugang zu demHeiligtum ermglicht hat und nun in demselben lebt, um uns in demselben leben und wandelnzu lassen. La dies darum auch dein Ziel sein, dich von dem Herrn Jesus in das Heiligtumbringen zu lassen und in demselben alle Tage vor Gottes Angesicht zu wohnen! Der Weg,welcher dahin fhrt, ist die Selbstaufopferung und die Reinigung von Snde. Wer danach vorallem verlangt, wird von diesem Briefe Segen haben. Was Gott mit dem Erlsungswerk beab-sichtigt und durch diesen Brief zu erreichen sucht, sei auch dein Wunsch!

    2. Rechne darauf, da der Heilige Geist dich unterweisen wird, um dir die geistlichenLehren des Briefes deutlich zu machen. Halte an der berzeugung fest, da du mit deinemVerstand das Geheimnis des himmlischen Priestertums Jesu nicht verstehen kannst, da aberGott es dir durch Sein verborgenes Wirken in deinem Herzen zum Verstndnis bringen will.Der Heilige Geist allein kann uns den Zugang zu dem Heiligtum zeigen.

    3. Wenn du ein Stck gelesen hast, nimm dir die Zeit, dich still hinzusetzen und berdasselbe nachzudenken, den Verstand ein wenig zum Schweigen zu bringen und das Herz frGottes Geist zu ffnen! In diesem stillen Augenblick eigne dir die Ermahnung oder Ermutig-ung, welche in dem Worte liegt, an! Und glaube, da der Heilige Geist dies in dir lebendigund krftig machen kann! Gar zu oft hlt das Wort Gottes uns von Gott ab. Kommt es dochvor, da wir uns so sehr mit dem Wort beschftigen, da wir nicht zu dem Gott kommen,welcher redet. Darum la dich durch das Wort jeden Tag zu Gott selbst bringen! Bete Ihn an!Gib dich Ihm hin! Warte in Stille darauf, da Er mit dir spricht! Dann, wird dieser Brief auchfr dich ein Fhrer zu wahrer Gemeinschaft mit Gott, zu einem Leben in dem Allerheiligsten,zu der Erfahrung, da Jesus vllig selig macht, und da dich Gott zu jedem guten Werkgeschickt zu machen wei.

    17. Januar 1893 Andrew Murray

  • 6CHRISTI PRIESTERTUM

    1. Der groe Hohepriester

    Hebr. 4,14: "Weil wir nun einen groen Hohenpriester haben, Jesus, den SohnGottes, der in Himmel gefahren ist, so lat uns an dem Bekenntnis festhalten!"

    Der Verfasser hat unsern Herrn bereits frher einen Hohenpriester genannt (Kap.2,17;3,1). Er wollte Ihn zunchst einmal mit Mose vergleichen (Kap.3,1-6) und in Verbindung da-mit dem Volke gegenberstellen, welches nicht in Kanaan einziehen konnte (Kap. 3,7-4,13).Hier kehrt er zu der Betrachtung des Priestertums des Herrn Jesus zurck, welches nun denHauptgegenstand bildet, welchen er in seinem Briefe behandelt (Kap. 4,14-10, 18). In denletzten drei Versen weist er erst auf die himmlische Gre des Herrn Jesu hin, dann auf Seinmitleidiges, menschliches Wesen und schlielich auf die Freudigkeit, mit welcher wir demGnadenthrone nahen drfen, weil Er der ist, der Er ist.

    "Wir haben einen groen Hohenpriester, Jesus, den Sohn Gottes." Der eine Name,Jesus, weist auf Seine Menschheit hin, der andere Name, Sohn Gottes, auf Seine Gottheit.Mu es uns nicht mit anbetendem Vertrauen und endloser Liebe erfllen, da wir einenHohenpriester im Himmel haben, in dem man das grte Wunder der ganzen Welt sehenkann, den Gottessohn, welcher Mensch geworden, den Menschensohn, welcher Gott ist? Unddies alles ist geschehen, damit uns Hilfe zuteil werden kann. Und nun, nachdem es einmalgeschehen ist, haben wir Ihn im Himmel, damit Er Sein Werk mit gttlicher Macht an uns undin uns ausrichten kann. Ach, da wir nur dieses eine Wort recht verstehen und bekennenlernen: "Wir haben einen groen Hohenpriester, Jesus, den Sohn Gottes."

    Wir haben einen groen Hohenpriester, der in Himmel gefahren ist." Das ist derHauptgedanke in dem ganzen Briefe. Er wurde bereits erwhnt (Kap. 1,3) und wird nochnher erklrt. Was wir erkennen mssen, ist der himmlische Charakter und die himmlischeAufgabe des Priestertums Jesu. Darin liegt Seine Herrlichkeit. Da Jesus, der Sohn Gotteshier auf Erden gestorben ist, macht nur den Anfang und kleinsten Teil des Erlsungswerkesaus. Ein Christ, welcher allein bei dieser Tatsache stehenbleibt, lernt nicht die Kraft derErlsung kennen. Aus diesem Grunde wissen ja auch so viele Christen beinahe nichts vonhimmlischer Freude und der himmlischen Kraft der Seligkeit. Sie wissen eben nicht, wasdarin liegt, da Jesus in Himmel gefahren ist.

    Zweierlei liegt in dieser Tatsache. Sie teilt uns mit, da Er nun zur Rechten der Majes-tt im Himmel sitzt und da Er da alles in der Kraft des himmlischen Lebens tut und wirkt.Wir sind von Natur so irdisch gesinnt, da wir diese Worte nicht gleich verstehen. Der Him-mel ist nmlich nicht nur ein Ort, sondern auch ein Zustand und eine Lebensverfassung. Wirmssen uns, indem wir uns von der Welt absondern, Mhe geben, uns in das hineinzudenken,was das Leben im Himmel ausmacht; es ist das Leben Gottes, das Leben der Engel, welcheGottes Willen tun und in Seinem Lichte wohnen, das Leben, welches die Bibel das ewigeLeben nennt. Zu diesem hchsten Himmel ist Christus aufgefahren, um nun Sein Amt in derKraft des himmlischen Lebens zu verwalten und diejenigen, die ihr Herz im Glauben ffnen,in die Kraft und Freude dieses himmlischen Lebens einzuhauchen.

    Doch liegt noch mehr in der Tatsache, da Er in Himmel gefahren ist: Sie besagt nichtnur, da Er Sein Priestertum in der Kraft des Himmels verwaltet, sondern auch, das wir in Ihmin den Himmel versetzt sind. Wir sind einer himmlischen Berufung teilhaftig und Menschen,welche in engster Beziehung zum Himmel leben. Ein Christ mu sich auf Erden als Fremdlingfhlen. Sein Wandel ist im Himmel. Ja, das liegt in der Tatsache, da wir einen groenHohenpriester haben, der in Himmel gefahren ist. Unser himmlischer Hoherpriester lt unsalles, was im Himmel ist, zustrmen. In himmlischer Kraft zieht Er unser Herz zu sich, so da

  • 7unser Herz im Himmel ist und der Himmel in unserem Herzen. Wir haben Ihn uns zugute imHimmel und Ihn mit dem Himmel in uns.

    "Weil wir nun einen groen Hohenpriester haben, so lat uns an dem Bekenntnisfesthalten." Im ersten Verse des dritten Kapitels hatte Ihn der Verfasser den Hohenpriestergenannt, den wir bekennen, d.h. der den Inhalt und die Kraft unseres Bekenntnisses ausmacht.Hier sagt er: Weil Er ein solcher ist, weil wir einen so groen Hohenpriester haben, lat unsfesthalten an dem Bekenntnis. Solange ein Mensch etwas glaubt, aber nicht bekennt, beweister damit, da er sich noch nicht ganz und offen hingegeben hat. Wenn ich die volle KraftChristi, meines Hohenpriesters, kennenlernen und genieen will, mu ich mich zu Ihm be-kennen. Das Bekenntnis zu Ihm ist ein Zeichen meiner vlligen, unverheimlichten Hingabe.

    Wenn wir von dem Gedanken und Glauben an die gttliche und himmlische Greunseres Hohenpriesters ganz erfllt sind, mu es ganz von selbst dazu kommen, da wir Ihnbekennen und an dem Bekenntnis festhalten. Das ist das Eine, worauf es ankommt. Der Sndeund dem Teufel, Gottes Heiligkeit und meiner furchtsamen Schwche gegenber mu ich denRuhm der Hoffnung festhalten: "Ich habe einen groen Hohenpriester, der in Himmelgefahren ist." Ich habe Ihn und Er hat mich. Als mein Hoherpriester setzt Er im Himmel fort,was Er auf Erden zu tun anfing und eignet mir die Kraft des unvergnglichen Lebens zu, dasEr mit Seinem Tode erwarb. Er bewahrt, heiligt und vollendet die, welche Er auf Erden teuererkaufte und erlste. Ach, da wir doch ein Ahnung davon bekmen! "Wenn Sein Tod aufErden bereits solche Kraft hatte, wie gro mu dann erst die Kraft Seines Lebens im Himmelsein?" An dem Bekenntnis lat uns festhalten.

    1. Lat uns an dem Bekenntnis festhalten! Mein Bekenntnis ist das Jawort, welches ichauf die Frage des Herrn Jesu gegeben habe, ob ich Ihn im Leben und Sterben als meinen Herrnanerkenne und auf Ihn vertraue. An dem Bekenntnis will ich festhalten.

    2. "Weil". Die Kraft, um an dem Bekenntnis und an dem Ruhme der Hoffnung festzu-halten, liegt darin, da wir den Hohenpriester kennen, dessen Gre niemand ausdenken kann.Je mehr wir Jesus kennenlernen, desto strker werden wir in unserem Glauben und destofester in unserem Bekenntnis. Ach, da wir doch auf Ihn blicken mchten, wie Er uns inSeiner himmlischen Macht und Liebe vor Gott vertritt und, wo Er nur in ein offenes, leeresund glubiges Herz sieht und das himmlische Leben herabstrmen lt.

    3. Nach der ernsten Warnung vor der Gefahr, in die Wste zu geraten und nicht zu derRuhe Gottes zu kommen, sieh hier, was dich vor Snde bewahren kann, was deine Strke undSicherheit ausmacht: "Nimm Jesu, deinen Hohenpriester im Himmel, wahr!" Droben ist dieRuhe Gottes. Vertraue nur auf Ihn, der da oben ist! Dann kommst du zur Ruhe. Bleibe beiIhm! Und Er zieht mit Seiner Ruhe bei dir ein.

    2. Der mitleidige Hohepriester

    Hebr. 4,15: "Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid habenknnte mit unserer Schwachheit, sondern der in allem, gleichwie wir, versucht ist, doch ohneSnde."Gott gebe uns die rechte Empfindung fr die Herrlichkeit der Gabe, welche uns in diesemWorte angeboten wird! Er zeige uns, was darin liegt, da der Hohepriester, den wir im Him-mel haben, ein solcher ist, welcher mit uns Mitleid haben kann, weil Er aus Erfahrung wei,was wir fhlen. Ach, da wir es doch recht bedenken mchten: "Um uns zu Sich zu locken,hat Gott Einen aus unserer Mitte auf Seinen Thron gesetzt, von welchem wir die Gewiheithaben, da er, weil er selbst Mensch gewesen ist, uns vllig versteht, und der aus diesem,Grunde Mitleid mit unserer Schwche hat." Aus diesem Grunde lie Gott Seinen Sohn

  • 8Mensch werden. Aus diesem Grunde hat Er Ihn durch Leiden geheiligt und vollkommen ge-macht. Auch nicht einer sollte sich frchten, Gott zu nahen, oder beim Nahen den Gedankenhaben, Gott sei zu gro oder zu heilig, um ihn zu verstehen, oder sich mit seiner Schwachheiteinzulassen. Ach, da wir einmal in das Herz unseres erbarmungsvollen, mitleidigen Hohen-priesters blicken knnten.

    "Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht knnte Mitleid haben knnte." Der Verfasser wendet hier die verneinende Redeweise an, weil er fhlt, wie leicht man allge-mein auf die entgegengesetzte Auffassung gert. Kann wohl ein reicher Knig, welcher stetsin Glck und berflu schwelgt, recht verstehen, was das ist, jahraus, jahrein nicht zu wissen,woher man das tgliche Brot nehmen soll? Schwerlich. Und der reiche, vollkommen seligeGott, sollte Er wohl recht verstehen knnen, wie einem armen Snder zumute ist, welcher Tagfr Tag mit seiner Schwche und den Versuchungen des Fleisches zu kmpfen hat? Gott seiDank! Jesus wei dies alles, denn Er ist in allem versucht worden, gleich wie wir.

    Ja, in allem! Der Gedanke an Jesus, den mitleidigen Hohenpriester, wird in der Regeldenen nahegelegt, welche sich in Zeiten uerer Anfechtung befinden. Allein seine Bedeutunggreift weiter und geht viel tiefer. Der mitleidige Hohepriester ist vor allem um der Versuch-ungen willen da, mit denen eine Seele zu kmpfen hat, welche rckhaltlos fr Gott leben will.Mit solchen Versuchungen hatte der Herr Jesus hier auch zu kmpfen: Versuchungen, demWillen des Vaters zu entsagen, Seinem eigenen Willen zu leben und Seine eigene Ehre zusuchen, traten an Ihn heran. Wenn ein Glubiger, der ganz zur Ehre Gottes zu leben wnscht,dies erkennt, wird ihm der Glaube an den mitleidigen Hohenpriester recht teuer und wert.

    Was ist doch die gewhnliche Erfahrung derer, die sich von ganzem Herzen entschlie-en, zur Ehre des Herrn zu leben? Es hat den Anschein, als ob sie erst dann anfingen, zu er-kennen, wie sndig sie sind. Unaufhrlich werden sie in ihrem Streben, Gottes Willen zu tun,enttuscht. Manchmal mssen sie sich schmen, da sie, selbst wenn es sich nur um Kleinig-keiten handelt, nicht imstande sind, ihr Vorhaben auszufhren, ein gutes Gewissen sich zu be-wahren und Gott in allen Dingen zu gefallen. Je mehr sie von der Ruhe hren und lesen, zuder sie kommen sollen, und von dem Leben, welches in stetem Siegen besteht, desto weiterscheint dies alles vor ihnen zurckzuweichen. Wenn sie alles, was den Glubigen und dieGlaubenshingabe, das Gelbnis und den Gehorsam angeht, zu verstehen glauben, wird ihnenauf einmal alles so dunkel, da sie nicht mehr wissen, wo sie anfangen und wo sie aufhrensollen. Einmal sind sie vielleicht gar so weit, da sie alles als eitle Einbildung wegwerfen wol-len. Ein Leben vlliger Ruhe, in vollkommener Liebe Gottes ist fr sie unmglich. Welch einTrost ist es und welch eine Strkung liegt dann darin, zu wissen, da der groe HohepriesterMitleid mit uns haben kann, weil Er selbst so versucht worden ist! Oder war es nicht auch umIhn und in Ihm so dunkel geworden, da auch Er die Dinge nicht mehr verstehen konnte undsagen mute: "Ist es mglich, so gehe dieser Kelch von mir" und Warum hast Du michverlassen?" Auch Er mute sich im tiefsten Dunkel an Gott halten. Auch Er mute in seinerTodesstunde seinen Geist aufgeben, aus seinen Hnden lassen und in des Vaters Hnde ber-geben. Er wei, was in uns vorgeht, wenn uns die Finsternis des Todes bedeckt. Wenn sichein Mensch ganz ratlos fhlt, kann Er Mitleid mit ihm haben. Und wenn wir in solchen Zeitenweiter nichts tun wollten, als dies, da wir uns still hinsetzen und uns in dem Gedankenberuhigen, da Er alles versteht, da Er alles mit uns fhlt und da Er helfen kann, so wrdenwir viel frher aus unserem Wstenleben herauskommen, als es gewhnlich der Fall ist.

    Lieber Leser! Gehrst du vielleicht zu denen, welche sich nach dem wahren Leben desGlaubens sehnen und nach der Ruhe Gottes schmachten und sich doch bis jetzt vergeblichdarum bemht haben? Beachte dann heute die Stimme des Heiligen Geistes! Jesus ist in allemgenau wie du versucht worden. Damit trste dich! Ich wei, es ist sehr schwer, sich einen Ge-danken der Art zu eigen zu machen. Zeit, Stille, Nachdenken und Anbetung sind dazu ntig.

  • 9Es ist aber der Mhe wert, sich die Zeit dazu zu nehmen. Unser Glauben mu sich mit diesemJesus beschftigen und unser Herz mu sich Ihm ffnen. Er ist ja in allem versucht worden. Erkann mit uns Mitleid haben. Je mehr nun das Erbarmen, welches des Himmels Hhen verlie,um mein Schicksal zu teilen, mir deutlich wird und mein Geist sich nach Ihm, der im Himmelist und sich heute noch in meinen Zustand versetzen kann, sehnt, desto strker und gewisserwird mein Glaube, da Er alles tun wird, mich zu befreien und vllig selig zu machen. Nunmu ich bald an Seine Gottheit und Allmacht, bald an Seine Menschheit und Sein Erbarmendenken, bis schlielich diese beiden Gedanken ineinander flieen und ich in meinemHohenpriester zugleich einen Gott unendlicher Allmacht ber mir und einen Menschen, dermir gleich ist, erblicke. Er ist meines Vertrauens wrdig, mein Josua, der mich in das Land derVerheiung bringt.

    1. "In allem versucht, wie wir." Weil Er selbst versucht worden ist und gelitten hat,kann Er uns zu Hilfe kommen. Die Versuchung war fr Ihn ein schweres Leiden, einschwereres Leiden als fr uns. Denke nicht, da Er in der Kraft Seiner Gottheit den Sieg er-rang! Dann wre die Versuchung fr Ihn kein Leiden gewesen. Er hat sich ja der Kraft SeinerGottheit entledigt, um als ein Mensch, durch Glauben und Gebet, durch Streit und Ausdaueraus der Hand des Vaters zu nehmen, was Er in jedem Falle ntig hatte. Das Anlaufen desSatans gegen Ihn war viel gewaltiger. Ach, da wir uns doch recht Mhe geben wollten, dies-en mitleidigen Hohenpriester, den uns der Vater gegeben hat, kennenzulernen!

    2."Er kann uns zu Hilfe kommen." Er wei, wie man in einer Versuchung ohne Sndebleiben kann. Er kann uns diese Kunst beibringen. Er will mit grter Zartheit die Versuchungmit uns durcherleben und uns zu Hilfe kommen.

    3. Liebe Seele, schenke doch diesem Jesus im Himmel ganz und gar dein Vertrauen!Erhebe dein Herz zu Ihm, dringe in Sein himmlisches Leben ein und verkehre mit Ihm imHimmel, als mit deinem Helfer und Bruder! Und sage Ihm Tag fr Tag, da du auf Ihn ver-traust und von Ihm erwartest, da Er, der Mchtige und Mitleidige, dir durch alle Versuch-ungen hindurch helfen, und dich vor Snden behten werde.

    3. Mit Freudigkeit hinzutreten

    Hebr. 4,16: "Darum lat uns mit Freudigkeit zu dem Gnadenstuhl hinzutreten, auf dawir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn uns Hilfe not sein wird."

    Hier haben wir die Anwendung der beiden vorhergehenden Verse. Wir haben einengroen, himmlischen Hohenpriester, Gottes eigenen Sohn. Wir haben einen mitleidigenHohenpriester, der wahrhaftiger Mensch und uns in allen Dingen gleich ist. Darum lat unsmit Freudigkeit hinzutreten zu dem Gnadenstuhl!

    "Lat uns hinzutreten!" Dieses Wort "hinzutreten" ist eines der am meisten in unseremBrief vorkommenden Worte. Es ist das Wort, welches im Alten Testament das Nahen desPriesters bezeichnet. Es ist der Ausdruck fr die groe Wahrheit, welche der Brief an dieHebrer in dem Werke Christi zeigen will, da wir in Christus Gott wirklich nahen knnen.Christi Werk ist so vollkommen und die Bedeutung seines Priestertums so gewaltig, da unserHinzutreten nicht ein furchtsames und unsicheres Nahen zu sein braucht, sondern mit grterFreudigkeit stattfinden kann. Auch dieses Wort "Freudigkeit" ist eines der wichtigsten Wortedes Briefes. Es drckt auf der einen Seite aus, da wir das Recht und die Freiheit haben, vorGott hinzutreten und dabei damit rechnen knnen, da wir willkommen sind. Auf der anderenSeite lt es erkennen, welche Gesinnung in uns durch unser ganzes Leben hindurch lebendigsein und das vornehmste Erkennungszeichen der Tatsache bilden mu, da wir mit GottUmgang haben. Diese Gesinnung beweist, da wir die gttliche Kraft des Priestertums Christiwirklich kennen, da wir Ihm als unserem Priester wirklich die Ehre zukommen lassen, auf

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    welche Er Anspruch erhaben kann, weil Er uns eine vollkommene Annherung an Gottmglich gemacht hat. Sie zeigt, ob wir wirklich mit Ihm in lebendiger Gemeinschaft stehenund uns von Ihm zu Gott bringen lassen.

    "Lat uns darum hinzutreten" - dieses Wort findet sich zweimal in unserem Briefe,hier am Anfang und spter am Ende (10,12) des Abschnittes, welcher von dem PriestertumChristi handelt. Hier ist das Hinzutreten zu dem Gnadenstuhl gemeint, welches im Gebetstattfindet. Dort ist der Eingang in das himmlische, geistliche Heiligtum gemeint, in dem wirals Priester wohnen und dienen sollen. Dort haben wir etwas Hheres und Vollkommeneresvor Augen. Hier kommt es auf das Einfache an, was von Anfang an die gesegnete Frucht desPriestertums Christi gewesen ist; auf das Hinzutreten zu Gott im Gebet.

    Was nun das Gebet betrifft, so treten wir zu dem Gnadenstuhl heran, Barmherzigkeitzu erlangen und Gnade zu finden. Wir erlangen Barmherzigkeit. Wenn nmlich das Gefhlunserer Snde, Unwrdigkeit und Schuld uns niederdrckt, erlangen wir an dem Gnadenstuhldie Gewiheit der Barmherzigkeit unseres Gottes. Dann wissen wir, da Er uns erbarmend an-sieht. Unsere erste Aufgabe mu darum die sein, die erbarmende Liebe Gottes in unsere Seeleaufzunehmen, ehe wir besondere Wnsche uern. Wenn wir das tun, finden wir auch dieGnade, die uns hilft. Diese Gnade ist die innere himmlische Wirkung des Geistes Gottes,welche uns stark macht. Mahnt uns doch die Schrift: Werdet stark in der Gnade! Sagt Siedoch: Lat euch an meiner Gnade gengen! Meine Kraft ist in dem Schwachen mchtig. Undist doch der Heilige Geist der "Geist der Gnade". Durch Ihn lernen wir die Kraft der Gnade inuns kennen. Wir erhalten sie an dem Gnadenstuhl. An dem Gnadenstuhl finden wir Gnade,zur rechten Zeit Hilfe zu erhalten, die Einwirkung des Geistes auf uns, welche Ihn fr jedenFall unsere Strke sein lt.

    Lerne hier die Bedingungen, ohne welche ein wahres Gebet undenkbar ist! ZumErsten: Nahe dich zu Gott und stelle dir Ihn dabei vor, wie Er auf dem Throne der Gnade sitztund so barmherzig ist, da Er dich gern empfangen, an Sein Herz ziehen, mit aller Gnade be-schenken und durch dieselbe reich machen will. Nimm dir die Zeit, dich in dieses Gefhl zuversenken, und beuge dich vor dem Gnadenstuhl!

    Zum Zweiten: Tritt mit Freudigkeit hinzu, voll frhlichen Vertrauens auf Gott! OhneFreudigkeit keine Glaubenskraft. Nimm dir darum die Zeit, diese Freudigkeit in dir wachzu-rufen und wachsen zu lassen! Hte dich vor allem, was diese Freudigkeit wegnehmen, oderverdunkeln knnte! Wirf dein freudiges Vertrauen nicht weg, welches eine groe Verheiunghat. Bevor du betest, whrend du betest, und wenn du gebetet hast, stehe still und erwge, dadie Freudigkeit die Hauptsache ist.

    Zum Dritten: Jesus, der Hohepriester, ist die Quelle unserer Freudigkeit. Je mehr sicheine Seele mit Ihm beschftigt, Ihn kennenlernt, sich an Ihn klammert und mit Glauben an Ihnerfllt, desto grere Freudigkeit und desto herzlicheres Vertrauen erhlt sie im Gebet. MeinHerz bewegt sich dann zwischen Seiner gttlichen Allmacht und Seinem menschlichen Mit-leiden, Seiner mehr als brderlichen Neigung hin und her. Und Er versteht mich; Er fhlt mitmir. Er versetzt sich in meine Lage; Er schliet sich mit der grten Gte mit mir zusammen.Im Himmel klopft ein menschliches Herz in dem Busen der Gottheit. Welch ein Wunder derGnade! Ach, wenn wir dies glaubten, wenn wir uns dies vom dem Heiligen Geiste deutlichmachen lieen, wrde unser Hinzutreten zu Gott mit unaussprechlicher Freudigkeit, welchealles vermag, stattfinden.

    Geliebtes Gotteskind! Das groe Werk Christi hat den Zweck, dich auf einen freudig-en Umgang mit Gott vorzubereiten und dir denselben zu ermglichen. Dies mu darum auchdas hchste Ziel deines Lebens sein. Zu diesem Zwecke aber mut du nicht nur auf das WerkChristi dein Vertrauen setzen, sondern dich vor allem an die Person halten, welche das Werkvollbracht hat und nun im Himmel lebt, um uns die Kraft und den Segen des Werkes zu

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    schenken. O lat Jesus unser Alles werden, lat Ihn unser Herz ebenso einnehmen, wie Er denHimmel eingenommen hat. Dann wird eine ungeahnte Freudigkeit uns Gott und dem Gnaden-stuhl zu nahen, ber uns kommen.

    1. "Mit Freudigkeit hinzutreten." Wir finden dieses Wort in der zweiten Hlfte unseresBriefes (10,12) wieder. Da entdecken wir in ihm, weil wir inzwischen das vollkommene WerkChristi besser kennengelernt, eine viel tiefere Bedeutung. Doch finden wir es auch bereits inder ersten Hlfte. Nach ernsten Warnungen vor dem Sich Entfernen von Gott und vor demZurckbleiben, wird uns nun eingeschrft: Lat uns mit Freudigkeit hinzutreten. Die Freud-igkeit, das stille, feste Vertrauen, da wir ganz gewi siegen mssen, weil Jesus auf demThrone sitzt, ist unsere Strke.

    2. Die Freudigkeit quillt aus der glubigen Betrachtung Jesu, welche in Ihm dengroen Hohenpriester sieht und sich daran freut, da Er in Himmel gefahren ist, da Er alles,was himmlisch ist, in uns wirkt und als mitleidiger Hoherpriester uns nicht nur versteht,sondern auch lieb hat.

    3. Wenn du beten willst, ringe erst nach Freudigkeit und halte dir erst vor: Die Gnade,um die ich bitten will, erhalte ich ganz gewi. Ohne diesen Glauben gehe nicht von demGnadenstuhl weg.

    4. Die Freudigkeit des Vertrauens auf Gott ist dasselbe, wie das Eingehen zur RuheGottes und in Seine Liebe. In dieser Freudigkeit liegt der Sieg, der die Welt berwindet. MeinGott, ich vertraue gnzlich auf Dich.

    4. Der Hohepriester, mit Schwachheit umgeben

    Hebr.: 5, 1-3: "Denn ein jeglicher Hohepriester, der aus den Menschen genommenwird, der wird fr die Menschen gegen Gott gesetzt, auf da er opfere Gaben und Opfer frdie Snden; der da mit denen mitfhlen konnte, die unwissend sind und irren, nachdem erauch selbst mit Schwachheit umgeben ist. Darum mute er auch, sowohl fr das Volk, alsauch fr sich selbst fr die Snden opfern."

    In unserem Briefe war bereits viel vom Menschsein und dem Mitleiden unseres HerrnJesu und davon, da Er uns vllig gleich geworden ist, die Rede. Dieser Punkt ist dem Verfas-ser so wichtig, da er ihn noch einmal berhrt und im zweiten Kapitel sagt: "Es ziemte Gott,da Er Ihn durch Leiden vollkommen machte. Nachdem die Kinder Fleisch und Blut haben,ist Er es gleichermaen teilhaftig geworden. Er mute allerdings Seinen Brdern gleichwerden. Worin Er gelitten hat und versucht worden ist, kann Er denen helfen, die versuchtwerden." Im vierten Kapitel hat er uns den Hohenpriester geschildert, welcher mit unsererSchwachheit Mitleid haben kann, weil Er wie wir versucht worden ist. In diesem fnftenKapitel geht er nun dazu ber, das Priestertum Christi zu behandeln. Er fngt damit an, da erzwei Eigenschaften nennt, welche ein jeder Hoherpriester haben mu. Er mu einmal Mitleidhaben knnen, weil er selbst mit Schwachheit umgeben ist. Und er mu von Gott eingesetztsein.

    Offenbar will der Heilige Geist uns diese Wahrheiten fest einprgen. Es ist nicht ge-nug, zu wissen, da Jesus mitleidig ist. Es ist nicht genug, in Zeiten besonderer Anfechtungsich dieser Tatsache zu erinnern. Es ist mehr ntig. Wir mssen uns in diese Wahrheiten sovertiefen, da unser Glaube an dieselben lebendig und bleibend wird, ein wesentlicher Be-standteil eines jeden Gedankens an den Herrn Jesus. Wir mssen an den Herrn Jesus so denk-en lernen, wie ein Kind an eine treue Mutter denkt, von der es wei, da es bei ihr Teilnahmeund ein liebevolles Herz findet. Jesus mu fr uns der Erste werden, an den wir in schwerenLagen denken. Und unser Denken an Ihn mu mit der inneren Gewiheit verbunden sein, daEr unsere Schwachheit versteht und uns mit Geduld und Erbarmen empfngt und uns mit der

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    grten Freundlichkeit und Sanftmut zu Hilfe kommen wird.Lasset uns doch einmal darauf achten, was diese Gesinnung zu dem Herrn Jesus in uns

    bewirken kann! Lasset uns Seine Gesinnung fr uns ins Auge fassen! Ein jeder Hoherpriesterwird fr die Menschen eingesetzt, um Dinge zu verrichten, welche vor Gott zu tun sind. Darinbesteht eben die Arbeit des Priesters. Alle Menschen haben Angelegenheiten vor Gott, Dinge,welche bei Gott in Ordnung gebracht werden mssen und welche sie selbst nicht in Ordnungbringen knnen. Der Priester hat infolgedessen eine doppelte Stellung Gott gegenber undeine Stellung den Menschen gegenber. Den Menschen gegenber mu er ein Mann sein,welcher Mitleid haben kann. Damit ist hier mehr gemeint, als in Kapitel 4,15. Er mu ge-duldig und sanftmtig gegenber denen sein knnen, die unwissend sind und irren, nachdemer auch selbst mit Schwachheit umgeben ist. Das Haupterfordernis fr einen Hohenpriester istvom Standpunkt des Menschen aus diese, da er ganz und gar denen gleich und zugehrigsein mu fr die er eintritt, da er ein Herz voll Geduld und Erbarmen fr sie haben mu, umso ihr Herz und ihr Vertrauen zu gewinnen. "Nachdem er auch selbst mit Schwachheitumgeben ist." Auch fr den Herrn Jesus galt es, mit Schwachheit zu kmpfen. Das ist fr Ihnunvergelich. Alle Schwachheit und alle Schwachen haben fr Ihn eine unaussprechlicheAnziehungskraft, weil Schwachheit der Zustand gewesen ist, in dem Er gelebt und SeineHerrlichkeit erworben hat. Ach, da wir es wten, mit welcher Teilnahme Er auf unsereSchwachheit herabsieht, weil sie Ihn an Seine eigene Schwachheit erinnert!

    "Um derselben Schwachheit willen mu er, sowohl fr das Volk, als auch fr sichselbst opfern fr die Snden." Unser Herr Jesus hatte keine eigene Snde, fr welche einOpfer ntig gewesen wre. Allein Er hatte doch ntig, fr Sich zu opfern. ber diesen Punktlesen wir im siebenten Verse: "Er hat in den Tagen Seines Fleisches Gebet und Flehen mitstarkem Geschrei und Trnen geopfert." Jesus hat also nicht nur ein Opfer fr uns dargebracht,sondern war auch in der Hinsicht das Gegenstck Aarons, da Er fr Sich selbst geopfert hat.Als ER Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Trnen opferte, brachte Er das schwersteOpfer, welches ein Mensch bringen kann, das Opfer Seines eigenen Willens. Dieses Opferaber hat Er fr Sich selbst dargebracht.

    Von der Art ist der Hohepriester, den uns Gott gegeben hat und der uns bittet, Ihm zuvertrauen, selbst mit Schwachheit umgeben gewesen, da Er um dieser Schwachheit willenfr Sich selbst opfern mute. Und nun lebt Er im Himmel uns zugute. Der Gedanke an seineSchwachheit und unsere Schwachheit ist seiner Seele unauslschlich eingeprgt. Er betrachtetsich als Vertreter der Schwachen, als den groen Waisenvater, bei welchem alle Verlassenen,Hilflosen, Unwissenden und Irrenden willkommen sind. Sie drfen auf ein herzliches Erbarm-en und auf eine vollkommene Hilfe mit Bestimmtheit rechnen. Sollten wir Ihm nicht Vertrau-en schenken? Mssen wir uns nicht sagen, da der Gedanke an unsere Schwachheit uns niewieder entmutigen, oder von Jesu zurckhalten darf? Mssen wir nicht danach trachten,diesen Gedanken der gttlichen Liebe recht zu verstehen: "Jesus konnte erst dann den Thronbesteigen, nachdem Er zwar den Brdern in allen Dingen gleich geworden ist, selbst mitSchwachheit umgeben worden war, und sowohl fr das Volk, als auch fr sich selbst geopferthat?" Ach, da doch unsere Schwachheit, anstatt uns von Ihm zurckzuhalten, von nun anzum strksten Antrieb fr uns wrde und die grte Freudigkeit in uns erregte, Ihm Vertrauenzu schenken.

    1. "Der da Mitleid haben konnte mit denen, die unwissend sind und irren." WievielMhe hat sich doch Gott gegeben, um unsere armen Herzen zum Vertrauen auf Ihn zu be-wegen! Und wie wenige Menschen geben sich Mhe, ihr Herz mit dem Mitleid des Herrn Jesuso anzufllen, da ihr erster Gedanke stets seine innige, teilnahmsvolle Liebe ist.

    2. "Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach." Als Jesus dieses Wort in Geth-semane aussprach, tat Er es aus dem Grunde, weil Er fhlte, wie schwer es war, zu wachen

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    und zu streiten. Und Er ist heute noch bereit, unsere Unwissenheit und Schwachheit in An-rechnung zu bringen und unseren guten Willen anzuerkennen. O lieber Mensch, bete doch umein Herz, welches Jesus kennt!

    3. Es gibt aufrichtige Seelen, welche ber ihre Snden sehr traurig sind und nichtwissen, da sie ihre Snden gerade dadurch fortwhrend vergrern, da sie nicht mit ihrerSchwachheit und Snde vertrauensvoll zu JESUS GEHEN:

    4. Behalte dies: Das ganze Priestertum Christi hat den Zweck, dir den freudigen Zu-gang zu Gott und den steten Umgang mit Ihm zu ermglichen.

    5. Der von Gott eingesetzte Hohepriester

    Hebr. 5, 4-6: "Und niemand nimmt sich die Ehre selbst, sondern er wird auch von Gottberufen, gleich wie Aaron. So hat auch Christus sich nicht selbst die Ehre gegeben, umHoherpriester zu werden, sondern der zu ihm gesagt hat: Du bist mein Sohn, heute habe ichdich gezeugt. Wie er auch an anderer Stelle spricht: Du bist ein Priester in Ewigkeit, nach derOrdnung Melchisedeks."

    Wir haben gesehen, da ein Priester eine zweifache Stellung einnimmt. Er ist fr dieMenschen da und doch ein Diener Gottes. Was nun seine Stellung, als Diener der Menschen,betrifft, so ist das Haupterfordernis derselben; ER mu ein Mensch sein, den Menschen inallen Dingen gleich, mit einem Herzen, welches sie lieb hat und sich mit ihnen eins fhlt. Daswurde uns in den ersten drei Versen unseres Kapitels gezeigt. Was seine Stellung als DienerGottes betrifft, so erfordert dieselbe vor allem: Er mu von Gott eingesetzt sein, er darf sichdie Ehre nicht angemat haben, er mu von Gott berufen sein. Und hier wird uns nun vomvierten bis zum sechsten Vers nachgewiesen, da dies bei dem Herrn Jesus der Fall ist. Der-selbe Gott, welcher zu Ihm gesagt hat: "Du bist mein Sohn, heute habe ich Dich gezeugt", hatauch geschworen: "Du bist ein Priester in Ewigkeit."

    Die Wahrheit, da Jesus von Seinem Vater in Sein Amt eingesetzt worden ist, warnicht allein fr die Hebrer wichtig, sie von dem gttlichen Rechte des Christentums aufsNeue zu berzeugen, sondern ist auch fr uns von grter Wichtigkeit, uns einen geistlichenEinblick in das zu verschaffen, was die Herrlichkeit des Christentums ausmacht. Unser Glau-be hat Nahrung ntig, um stark werden und in alle himmlische und geistliche Kraft der Erls-ung eindringen zu knnen, welche in Christus gegeben ist. Hier werden wir sehen, da dieseKraft unbedingt von Gott stammt und reichen Segen in sich birgt.

    "Niemand nimmt sich selbst die Ehre, sondern der auch berufen ist, ist es von Gott."Gott ist es, gegen den wir uns versndigt haben. Von Ihm, unserem Schpfer und unseremLeben hat uns die Snde getrennt. Die Erlsung aber besteht darin, da wir zu Ihm zurck-gebracht werden und die Freiheit erhalten, Ihm zu nahen und in seiner Liebe zu ruhen. Undnun hat Gott allein das Recht, zu sagen, wer Ihm als Hoherpriester nahen darf. Der Mann, vondem Gott dies sagt, ist ganz gewi derjenige, dessen Vermittlung gilt und der uns wirklich zuGott bringen kann.

    "So hat Christus nicht sich selbst die Ehre gegeben, um Hoherpriester zu werden,sondern der zu Ihm gesagt hat: 'Du bist mein Sohn.'" Gott wollte niemanden zum Hohenpries-ter haben, als Seinen Sohn. Der Sohn allein, welcher aus Gott stammte, konnte zu Gott bring-en. Weil Er in Gott lebte und mit Gott eins war, konnte Er uns auch in Gott leben lassen undmit Gott vereinigen. Der Vater gab den Sohn zum Hohenpriester. Der Segen, den Christus unsbringt, hngt darum nicht so sehr von dem Werke allein ab, welches Er als Priester verrichtet,als davon, da dieses Werk von dem Sohne verrichtet wird und da seine Kraft darin besteht,uns zum Vater zu bringen und uns den vollen Genu seiner Vaterliebe zu verschaffen.

    Christus hat sich die Ehre nicht angemat. Gott hat Ihm die Ehre gegeben, da Er

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    Hoherpriester wrde. Denke doch einmal darber nach, was in der Tatsache liegt! Gott be-trachtet es als eine Ehre fr den Herrn Jesus, da Er ein Priester armer Snder ist. Jesus hatSeiner ewigen Herrlichkeit entsagt, um diese allergrte Herrlichkeit empfangen zu knnen,als Hoherpriester Snder zu Gott bringen zu drfen. Jesus betrachtet jeden Schrei um Barm-herzigkeit, den ein Bufertiger ausstt, und jede Bitte um mehr Gnade, welche ein Erlsteran Ihn richtet, als eine Ehrenbezeugung. Er sieht im Ausrichten seines Priesterwerkes seinegrte Ehre, eine Ehre, welche Er von dem Vater zu Seiner Sohnschaft hin erhalten hat.

    Fhlst du nun, der du dich danach sehnst, zur Ruhe Gottes einzugehen, in allen Ding-en auch Gottes Willen zu leben und zu handeln, fhlst du nun, da das Eine, was dir fehlt, dieglubige Aneignung dessen ist, was Gott selbst in Christus fr dich bereitet hat? Du kannstdoch nicht mehr daran zweifeln, da Jesus dich zum vollen Genu der Liebe Gottes und derGemeinschaft mit Gott bringt. Was dir fehlt, ist der Glaube: Dies, da du mit deinem Glaubenan diese Wahrheit Ernst machst. Du beschftigst dich zuviel mit dir selbst und mit deinemElend, mit deiner Erfahrung, oder deinem Mangel an Erfahrung. Suche darum zu verstehen,was der Apostel als einziges Rettungsmittel bezeichnet, nachdem er so nachdrcklich vor derGefahr warnt, der verheienen Ruhe nicht teilhaftig zu werden! Es ist dies: La Jesus Grundund Kraft deiner Freudigkeit sein. La dein Gemt von diesem wunderbaren Gedanken erflltwerden. Gott will, da du dich Ihm nhern sollst. Gott verherrlicht seinen eigenen Sohn da-durch, da Er Ihn zum Hohenpriester macht. Der Sohn sieht dies auch als eine Ehre an, dieIhm von dem Vater geschenkt wird. Er rechnet es sich zur Ehre, dich zu Gott zu bringen.Kann nun noch der geringste Zweifel daran bestehen, da Christus das Werk mit Kraft undFreude tun wird, wenn du nur in Stille zu Ihm hltst, wenn du nur auf Ihn vertraust? LiebeSeele, tue darum was Gott getan hat: Gib Ihm die Ehre, da du Ihn zu deinem Hohenpriestermachst! Werde voll Glaubens an die Stellung, Macht und Gesinnung des Sohnes Gottes, alsdeines Hohenpriesters! Dann fhrt Er sein Werk an dir herrlich hinaus.

    1. Jesus betrachtet es als eine Ehre, Hoherpriester zu sein. Gott sieht darin eine Ehre,Sndern den Weg zu dem ewigen Gott zu bahnen, sie zu Gott zu fhren, sie Gott zu bergeb-en, - das ist die Herrlichkeit, mit welcher der Vater Jesus verherrlicht hat.

    2. Wird er dieses Werk, diese ehrenvolle Arbeit, nicht gern verrichten? Und drfenwir nicht darauf vertrauen, da Er es gut tun wird, so da eine jede Seele, welche auf Ihn ver-traut, Ihm und dem Vater zur Ehre gereicht?

    3. Sollen wir nicht Jesus die Ehre geben, da Er uns zum Vater bringt und die volleKraft Seines Priestertums an uns erzeigt?

    4. Kann Gott uns eine grere Gnade erzeigen, als die, da Er uns seinen Sohn zumHohenpriester gibt? Kann Gott uns eine festere Grundlage unseres Glaubens geben, als die,da der Hohepriester der Sohn ist? O lat uns Ihn dadurch ehren, da wir Ihn seine Macht vollund ganz an uns ausben lassen!

    6. Der Hohepriester hat durch Leiden Gehorsam gelernt

    Hebr. 5,7-8: "Und Er hat in den Tagen Seines Fleisches Gebet und Flehen mit starkemGeschrei und Trnen zu dem geopfert, der Ihm von dem Tode erretten kann, und ist auch er-hrt worden, weil Er Gott in Ehren hatte. Und wiewohl Er Gottes Sohn war, hat Er doch andem, das Er litt, Gehorsam gelernt."

    Von dem Hohenpriester wurde uns mitgeteilt, da er, weil er selbst mit Schwachheitumgeben war, nicht nur fr die Snden des Volkes, sondern auch fr die eigenen Sndenopfern mute (Kap. 5,2-3). Spter hie es von dem Herrn Jesus, da es nicht fr Ihn ntig war,an jedem Tage zuerst fr Seine eigenen Snden und dann fr die Snden des Volkes zu

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    opfern. Denn dies hat Er einmal getan, als Er Sich selbst opferte. Was der Hohepriester frandere sein wollte, mute er erst fr sich selbst sein. Was er fr andere tun wollte, mute ererst fr sich selbst tun.

    Dies gilt auch im Hinblick auf den Herrn Jesus. Er kam, um uns zu heiligen, um uns ineine neue, vollkommene Vereinigung und Gemeinschaft mit Gott zu bringen. Er tut dies, weilwir und Er von einem herkommen, weil Er mit uns eins ist. Er ist unseres Fleisches und Blut-es teilhaftig geworden. Wir sind Christi teilhaftig geworden. Was Er uns gibt und zuteil wer-den lt, ist nicht nur ein Recht Gott zu nahen so wie wir sind, sondern vielmehr ein Leben,welches das Nahen zu Gott bewirkt, eine Gemeinschaft mit Gott in der Kraft des unvergng-lichen Lebens. Um dieses Leben und diese Gemeinschaft mit Gott verleihen zu knnen, muteER es in sich selbst zustande bringen. In sich selbst, in dem Leben seines Fleisches und Blutesmute Er das durchmachen und vollbringen, was Er in uns herbeifhren wollte. Auf demneuen, lebendigen Wege, welchen Er uns als unser Herr bahnen wollte, mute Er zunchstselbst wandeln.

    "In allen Dingen den Brdern gleich werden" - ";denn worin Er selbst gelitten hat alsEr versucht worden ist,..." - ",... der in allem in gleicher Weise (wie wir) versucht worden ist"- "da auch Er selbst mit Schwachheit behaftet ist" (Kap. 2,17-18; 4,15; 5,2). Diese Ausdrckewerden in unseren Versen nher erklrt und bekrftigt. Gibt es doch nichts, in dem man dievollkommene Schwche und Abhngigkeit des Menschen mehr erkennen knnte, als dasGebet. Vor allem, wenn die Not so gro ist, da durch dieselben Gebete, flehentliche Bittenmit starkem Geschrei und mit Trnen ausgepret werden. Diese Worte aber werden hier imHinblick auf den Herrn Jesus gebraucht. Es steht hier, da Er solche Gebete geopfert hat. Daswar es, was Er fr sich selbst tun mute. Hier haben wir die geheime Wurzel und den verborg-enen Wert Seiner Selbstaufopferung. In den Gebeten und in den flehentlichen Bitten, welcheEr in Gethsemane darbrachte, opferte Er seinen Willen, das heit, sich selbst. Auf diesemWege der Aufopferung des eigenen Willens fand Er Erhrung um seiner Gottesfurcht willen.Die Todesangst wich. Seine Seele erkannte den Willen Gottes, da der Leidensbecher nichtvorbergehen knne. Sie erhielt die Gewiheit der Kraft, ihn zu trinken. Sie fand dieGemtsruhe, dem Tode still entgegenzugehen. Das Gebet war also fr Jesus dasselbe, was esfr uns ist, die Sttte, an der wir unseren Willen Gott opfern, an der wir die Kraft erhalten,dieses Opfer durch die Tat zu bringen, an der wir zur Ruhe kommen, zu der Gewiheit, dadas Opfer angenommen ist.

    "Wiewohl Er der Sohn ist, hat Er doch an dem, das Er litt, Gehorsam gelernt" In derganzen Heiligen Schrift findet sich auch nicht eine einzige Offenbarung, welche uns mehr ver-wundern knnte und welche uns tiefer in das wahrhaftige Menschsein unseres Herrn hin-einblicken lt. Gethsemane war fr Jesus wirklich eine Schule, in der Er lernte. Er mute daGehorsam lernen, den hchsten, vollkommenen Gehorsam. An dem, das Er litt, hat Er esgelernt. Leiden ist fr den Menschen etwas Unnatrliches. Er ist von Gott dazu geschaffen,Glck und Ruhe zu genieen, wie Gott selbst. Um der Snde willen aber ist das Leiden ge-kommen, und zur Erlsung gibt es nur ein Mittel, da man das Leiden willig trgt. Indem wirdas Leiden willig auf uns nehmen, erkennen wir die Rechtmigkeit der Strafe Gottes an. Aufdiese Weise vereinigen wir uns mit seinem Willen, welcher die Snde hat und straft. Wirlernen den Willen Gottes zu vollbringen. Von Natur wollen wir von Leiden nichts wissen. Dasist ganz in der Ordnung. Wenn wir aber sehen, da wir nach Gottes Willen leiden sollen, ms-sen wir unseren Willen dem Willen Gottes unterwerfen.

    Der menschliche Wille Jesu hatte ebenso, wie unser Wille, einen Abscheu vor demLeiden. Alles aber, was Gott ber Ihn kommen lie, nahm Er aus Gottes Hand. Nur als dasallerschwerste Leiden, der Tod, der Tod der Verfluchten, die Qual der Gottverlassenheit berIhn kam, bebte Er im ersten Augenblick. Eine so schwere Prfung hatte Er noch nie durchge-

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    macht. Eine schwerere Lektion hatte Er noch nie gelernt. Erst im Gebet, in den flehentlichenBitten, welche Er mit starkem Geschrei und mit Trnen opferte, empfing Er die Kraft, etwasGreres zu tun, als Er je getan hatte, lernte Er einen Gehorsam, welchen Er noch nie geleistethat, den Gehorsam bis zum Tod.

    Unser Hoherpriester hat gelernt, wieviel es einen Mensch kostet, seinen Willen voll-kommen Gott zu opfern, Er hat es persnlich erfahren, welch eine Gebets- und Glaubenskraft,welch eine Aufrichtigkeit und Einfalt des Sinnes ntig ist, wenn man dazu kommen will, kein-en Eigenwillen mehr zu behalten. Er hat uns gezeigt, da Er, was es auch kosten mochte,Seinem eigenen Willen nicht briglassen wollte und da Er mit allem bezweckt, auch uns da-hin zu bringen, da nicht der geringste Eigensinn bei uns brigbleibt. Sein Tod und seine Auf-erstehung haben unseren Willen vllig berwunden und kraftlos gemacht. Sein hohepriester-liches Herz auf dem Throne vergit die Gebete in Gethsemane nicht und lehrt uns nicht nur,sondern macht uns auch tchtig, uns an Ihn zu halten, bis aller Eigenwille in uns verzehrt undvernichtet ist.

    1. "Er hat Gebet und flehentliche Bitten geopfert." Er hat sich selbst geopfert. Das Ge-bet ist ein Opfer, allein es hat keinen Wert, wenn es nicht eine Selbstaufopferung ist. In demGebete erhlt man die Kraft zur Selbstaufopferung. Ein jedes Gebet, welches du verrichtestmu darum nicht nur ein Bitten sein, sondern ein Opfer, eine Aufopferung deiner selbst inGott.

    2. "Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe!" Das war der Inhalt der Gebete und derflehentlichen Bitten. Die Aufopferung des Willens ist die Wurzel der Gebetskraft. Willst dudeinen Eigenwillen los werden und Gottes Willen walten lassen - im Gebet kannst du diesempfangen.

    3. Leiden lehrt beten. Beten lehrt gehorsam werden. Gehorchen fhrt zur Vollendung.Das ist der Weg unseres Herrn. Das ist auch unser Weg.

    4. Da ich doch bei allem meinem Vertrauen auf Jesus, bei allem meinem Suchennach Umgang mit Ihm, bei allem meinem Verlangen, Seine Seligkeit vollkommen zu ge-nieen, bei allem meinem Streben, Ihn im Glauben in das Herz aufzunehmen, da ich dochbei alledem stets bedenken mchte: Jesus ist der leibhaftige Gehorsam. Als Er kam und starb,war ein Mensch vorhanden, welcher Gott gehorsam war. Das ist seine Ehre. Darin liegt meinHeil. Ich mu Ihm nachfolgen und in Ihn eindringen.

    7. Der Hohepriester durch Gehorsam vollendet

    Hebr. 5,8.9: "Wiewohl Er Gottes Sohn war, hat Er doch an dem, was Er litt, Gehorsamgelernt. Und da Er vollendet ist, ist Er allen, die Ihm gehorsam sind, eine Ursache zur ewigenSeligkeit geworden.

    Der Herr Jesus hat durch sein Leiden Gehorsam gelernt. Durch diesen Gehorsam ist Ervollendet, d.h. vollkommen gemacht worden. Durch diese seine Vollendung, in welcher Ervollkommen wurde, ist Er den Seinen eine Ursache zur ewigen Seligkeit geworden und vonGott zu einem Hohenpriester nach der Ordnung Melchisedeks ernannt worden.

    Das Wort "vollendet" und "Vollendung" ist eines der wichtigsten in unserem Brief. Eskommt elfmal vor. Viermal im Hinblick auf den alten Bund, welcher nichts vollkommenmachen konnte: "Das Gesetz konnte nichts vollkommen machen" (Kap.7,18). "Sie konntennach dem Gewissen den nicht vollkommen machen, der Gottesdienst tut" (Kap.9,9). "Es kannnicht, die da opfern, vollkommen machen" (Kap.10,1): "Da sie nicht ohne uns vollkommenwrden" (Kap.11,40). Dreimal im Hinblick auf Dinge, welche sich im Leben des Herrn Jesuszugetragen haben: "Es ziemte Gott, da Er den Herrn der Seligkeit durch Leiden vollkommenmachte" (Kap.2,10). "Er hat Gehorsam gelernt und ist vollendet" (Kap.5,8-9). "Es setzt den

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    Sohn ewig und vollkommen" (Kap.7,28). Dann einmal im Hinblick auf das, was Jesus fr unsgetan hat: "Er hat in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden" (Kap.10,14). Danach dreimalim Gedanken an das, was sich in jedem Christen finden mu: "Den Vollkommenen gehrtstarke Speise" (Kap.5,14). "Darum wollen wir zur Vollkommenheit fahren" (Kap.6,11) "undder Gott des Friedens macht euch fertig in allem guten Werk" (Kap.13,21).

    Hier haben wir den groen Unterschied zwischen dem Alten und Neuen Testament.Der alte Bund hat niemanden und nichts vollkommen gemacht. Im neuen Bunde hat uns Jesusvollkommen gemacht. Und dies hat Er dadurch gekonnt, weil Er selbst durch Gehorsam voll-kommen wurde. Dadurch, da Er Versuchung und Snde in seiner eigenen Person berwund-en hat, hat Er Sich eine Natur gebildet und Er hat ein vollkommenes Leben hergestellt, an demwir durch Gemeinschaft mit Ihm Anteil erhalten knnen. Diese Vollendung des Herrn Jesus,in der Er vollkommen wurde, ist die Quelle unserer Seligkeit. Achten wir auf alles, was in derWahrheit liegt.

    Zunchst im Hinblick auf Jesu eigene Person. "Es ziemte Gott, da Er den Herrn derSeligkeit durch Leiden vollkommen machte." Christus war wahrhaftiger Mensch. Fr denMenschen gibt es keinen Weg zur Vollendung, als den, da er seinen Willen im Gehorsamgegen Gott bt. Indem Jesus aus freiem Entschlu Gottes Willen zu seinem erkor, indem Eran diesem Entschlu trotz aller Macht des Satans festhielt, hat Er eine echte menschlicheVollkommenheit erlangt, eine echte, vollkommene Menschheit dargestellt, welche wrdig undgeeignet war, in Gott aufgenommen zu werden und Seinen Thron zu besteigen.

    Dann im Hinblick auf die Vershnung, welche Er fr uns herbeigefhrt hat. Er hat inseiner eigenen Person als Mensch den Tod und den Teufel berwunden. Das hat Er als unserHaupt und Herr getan. Der Gehorsam, welchen Er bewies, und der Sieg, den Er errang, warallein fr uns. Seine Vollendung machte Ihn zu einem vollkommenen Opfer fr die Snde,welche Er auf sich genommen hat. Unsere Vershnung, unsere Freisprechung, unsere Befrei-ung aus der Macht der Snde ist darum so vollkommen, weil Er in seinem Leiden und Sterbenso vollkommen geworden ist.

    Das Wort gilt auch im Hinblick auf Ihn, als unsern HERRN: Er hat uns ein Vorbild ge-geben. Er hat uns einen Weg gebahnt. Er hat uns gezeigt, worin eigentlich die Seligkeit be-steht. Sind wir nun gehorsam, so werden wir vollkommen. Der Gehorsam gegen Gottes Will-en ist hier auf Erden der Weg zu der Herrlichkeit des Willens Gottes im Himmel. Wenn ichJesus auf dem Throne des Himmels kennen, Ihm vertrauen und an Ihm meine Lust haben will,mu ich dies recht verstehen. Der Sohn ist in Ewigkeit vollendet - durch Gehorsam. Der Ge-horsam ist der Same, aus dem die ewige Herrlichkeit spriet, die innere Kraft, welche dieewige Herrlichkeit schafft.

    Dieser Jesus ist aber nicht nur unser Herr. Die Verbindung mit Ihm ist inniger. Er istunser Leben. Das Leben, welches Er auf Erden so vollkommen dargestellt hat, teilt Er unsvom Himmel herab mit. Er fhrt sein Leben in uns. Bei uns aber mu sich freiwillige Entge-gennahme desselben finden, die vllige Hingabe an Ihn. Wollen wir aber sein Leben in unsaufnehmen, so mssen wir es kennen, so mssen wir wissen, worin dieses Leben eigentlichbesteht. Und hier lernen wird, da seine himmlische, ewige Vollendung nichts ist, als die Ver-einigung mit Gott und seinem Willen, welche man auf Erden zu lernen hat.

    Lieber Christ! Wir stehen hier an der Schwelle des Heiligtums in diesem Brief. Jesusist vollkommen gemacht und ein Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks genannt wor-den. Wir gehen bald (Kap.7-10) dazu ber, Ihm in das himmlische Heiligtum zu folgen. Suchen wir indessen hier zunchst zu verstehen: Das Hauptmerkmal des Erdenlebens unseresHohenpriesters, der Brunnenquell seiner himmlischen Herrlichkeit, die Kraft seiner Erlsungvon unserem Ungehorsam, die Bereitung des lebendigen Weges, auf dem wir Ihm, unseremHerrn folgen mssen, die innere Art des seligen Lebens, welches Er gibt, der Schlssel zu

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    allen diesen Dingen ist der Gehorsam. Durch Gehorsam wurde seine Menschheit vollkommengemacht, sein Opfer vollkommen. Durch den Gehorsam hat Er uns in Ewigkeit vollendet,fhrt Er uns der Vollkommenheit zu. Er hat Gehorsam gelernt und ist vollkommen geworden.

    1. Durch den Gehorsam ist der Sohn in Ewigkeit vollendet. Die weite Vollkommen-heit, d.h. das ewige Leben ist nichts anderes, als der Gehorsam in vernderter, verklrter Ge-stalt. Die Vereinigung mit dem Willen Gottes hier auf Erden, welche im Gehorsam geschieht,findet in der Verklrung des Himmels ihren Lohn, welche in vollkommener bereinstimmungmit dem Willen Gottes besteht.

    2. Wenn das himmlische Leben aus unserem Herrn Jesus zu uns herniedersteigt, nim-mt es sofort seine irdische Gestalt als Gehorsam wieder an. "Vollkommen gleichwie euerVater im Himmel vollkommen ist..." Der Weg zu diesem Ziele ist der Gehorsam, da mankeinen eigenen Willen mehr haben will, da man seinen Willen hingibt, um den Willen Gotteszu vollbringen.

    3. Der Sohn hat Gehorsam gelernt und ist vollendet worden, und so ist Er eine Ursacheder ewigen Seligkeit denen, die Ihm gehorsam sind. Der Sohn kennt den Weg. Der Sohn fhrtauf diesen Weg. Alles, was Er heute in seiner Vollendung und Herrlichkeit ist, ist nichtsanders, als dieser Gehorsam gegen Gott in seiner Verklrung. Alles, was Er in dem Himmelist, tut und gibt, geschieht durch den ewigen Geist, durch welchen Er sich geopfert hat.

    4. Man mu Gott gehorchen. In dem einen Wort liegt der Schlssel zu dem Leben undSterben Jesu, zu seinem Sitzen zur Rechten Gottes, zu seinem Einzug in unsere Herzen und zuder ganzen Predigt des Evangeliums.

    8. Der Hohepriester fr die, welche Ihm gehorsam sind

    Hebr. 5,8-9: "Wiewohl Er Gottes Sohn war, hat Er doch an dem, das Er litt, Gehorsamgelernt. Und da Er vollendet ist, ist Er allen, die Ihm gehorsam sind, eine Ursache zur ewigenSeligkeit geworden."

    Auerordentlich treffend wird in diesen Versen die Wahrheit des Wortes erhrtet, dader Tod Jesu seinen Wert und seine Kraft einzig und allein durch den Gehorsam erhlt. Unddies gilt nicht nur im Hinblick auf Jesus, sondern auch im Hinblick auf uns. Bei Ihm war derGehorsam der groe Endzweck, welchen Gott durch die Leiden zu erreichen suchte, der eig-entliche Kern seiner Vollkommenheit, dasjenige, was Ihn zu einer Ursache der ewigen Selig-keit fr uns macht. Ebenso unentbehrlich indessen ist unser Gehorsam. Unser Gehorsam warbei Gott und bei Jesus der groe Endzweck der Erlsung. Er ist auch der einzige Weg zur Ver-einigung mit Gott, in welcher die Seligkeit besteht. Er ist das Eine, durch welches Er in unssein Leben und seine Kraft erweisen kann. Jesu Tod hat seinen Wert und seine Kraft einzigund allein in seinem Gehorsam und in dem seines Volkes. "Er hat Gehorsam gelernt und da Ervollendet ist, ist Er denen eine Ursache der ewigen Seligkeit geworden, die Ihm gehorsamsind."

    Einer der bekanntesten Prediger Englands war vor kurzem krank. In seiner ersten Pred-igt nach seiner Heimkehr sagte er, da er in den Tagen seiner Genesung sein Neues Testamentdaraufhin durchgelesen habe, um zu sehen, ob sich wohl Texte und Wahrheiten in demselbenfnden, ber welcher in seiner vierzigjhrigen Amtszeit nicht genug gepredigt htte. Er hattesolche gefunden. Er predigte an dem Tage ber den Lohn, welchen Gott den Werken folgenlt. Oft schon hatte er ber gute Werke gepredigt. Eins aber wute er nicht, ob er auchebenso sehr, wie die Schrift, auf den Lohn Nachdruck gelegt, auf den Gnadenlohn, inwelchem sich Gottes Wohlgefallen an guten Werken zeigt, und auf die guten Werke, insofernsie den Weg zu Gottes Wohlgefallen darstellen. Gewi werden viele Prediger ihm zustimmen.In der ganzen Kirche weit und breit fehlt es an dem rechten Verstndnis dieser Wahrheit,

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    welche uns auch hier in unserem Texte vor Augen gestellt wird. "Er hat Gehorsam gelernt, istzur Vollkommenheit gelangt und dadurch denen eine Ursache zur ewigen Seligkeit geworden,die Ihm gehorsam sind." So unentbehrlich Sein Gehorsam war, um die Seligkeit zu erwirken,ebenso unentbehrlich ist unser Gehorsam, um dieselbe zu genieen. Bei Ihm und bei uns istder Gehorsam das eigentliche Wesen der Seligkeit.

    Lat uns danach trachten, dies recht zu verstehen! Gott ist die Seligkeit fr jedes Ge-schpf. Durch Gott ist es da. Durch Gott und in Gott allein kann es seine Bestimmung erreich-en. Nun findet die Vollkommenheit Gottes ihren Ausdruck in seinem Willen und kommt dieVollendung des Menschen in dem Grade zustande, in welchem der Wille Gottes sein Lebenwird. Die Snde ist Ungehorsam, Verwerfung des Willens Gottes und Gottes selbst. Die Er-lsung sucht den Menschen wieder mit Gott zu vereinigen. Sie kann dies nur dadurch erreich-en, da sie uns mit dem Willen vereinigt. Das ganze Werk Jesu bezweckt also, Gottes Willenwieder zur Ehre zu bringen. In seinem Leben sucht Er Gottes Willen zu tun. In seinem Sterbenwill Er fr die bertretung des Willens Gottes ben. Wenn Er in den Herzen der Seinendurch sein Leben und seinen Geist wirkt, hat Er nur dies im Auge, Gottes Wille soll zu seinemRecht kommen. Wir aber mssen als Christen verstehen lernen, da Gehorsam die Vorbe-dingung der ewigen Seligkeit ist.

    "Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden." Der Himmel ist darumso herrlich, weil in ihm Gottes Wille alles ist. Unser Brief soll uns zu Jesus, der im Himmelist, hinaufziehen. Dann mssen wir aber wissen, was Ihn, den Menschen, wrdig gemacht hat,des Himmels Thron zu besteigen, auf welchem Wege Er dazu gekommen, welche GesinnungEr besitzt und was fr eine Sinnesart und Seligkeit Er in den Seinen herbeizufhren sucht. Aufalle diese Fragen gibt es nur eine Antwort: Gehorsam, Gehorsam, welchen man hier auf Erdendem Willen Gottes gegenber bt, macht uns fr die Seligkeit im Himmel nicht nur empfng-lich, sondern auch geeignet. Gottes Willen hier auf Erden erfllen, das ist der Weg, welcheruns zur Herrlichkeit des Willens Gottes im Himmel fhrt.

    Ist dies nicht der Grund, warum wir die Seligkeit so wenig genieen, warum wir denerhhten Herrn im Himmel so wenig kennen? Wir haben nicht erkannt, da bei Ihm und sein-er Herrlichkeit die Hauptsache der Gehorsam ist. Wenn wir an Jesus dachten, dachten wir vorallem an Seligkeit, an eine frhliche Erfahrung seiner Liebe und seines Segens. Wir bemerkt-en nicht, da der seligmachende Jesus der gehorsame Jesus ist, da die Art und Kraft der Sel-igkeit, als einer Vereinigung mit der Liebe Gottes, nichts als Gehorsam, Vereinigung mit demWillen Gottes ist. Wer Jesus mit seinem Gehorsam in sein Herz aufnimmt, hat keinen Beweisntig, da er gehorsam sein mu. Nein, er sieht, da es im Wesen der Sache liegt, da Er, derdurch Gehorsam vollendet wurde, nur denen eine Ursache zur Seligkeit sein kann, welchegehorsam sind.

    Gott gebe, da der Gehorsam Jesu in unseren Augen die Schnheit Seines Charakters,die Kraft seiner Erlsung, den Kern und das Wesen, die eigentliche Seligkeit der Seligkeitausmacht, deren Ursache Er fr die ist, welche Ihm gehorsam sind.

    1. "Er ist vollendet und eine Ursache der ewigen Seligkeit geworden." Dies ist mit Ihmpersnlich geschehen und so ist Er persnlich die Ursache der Seligkeit fr die geworden, dieIhm gehorsam sind. Es ist eine persnliche Beziehung, in welche Er zu uns tritt. Er steht unsals Herr, Priester und Knig gegenber, wir Ihm als solche, welche Ihm gehorsam sind.

    2. Ist nicht mit Grund zu befrchten, da viele sich mit einem eingebildeten Christusbetrgen? Sie stellen sich ein Wesen im Glanze himmlischer Herrlichkeit vor. Sie ahnennicht, da Jesus eine Person ist, deren Herrlichkeit nichts anderes ist, als ein zur Vollendunggekommener Gehorsam.

    3. Die Gnade, welche dich gehorsam macht, kannst du bei diesem Jesus sicher emp-fangen. Das ist ja fr Ihn die Hauptsache bei Seiner Erlsung.

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    4. Ist es dir nun wahrlich darum zu tun, durch den gehorsamen Christus dem Vater zunahen, den gehorsamen Christus in deinem Herzen zu haben, so opfere dich selbst dem WillenGottes! Lege dich in diesem Augenblick auf den Altar als ein vlliges Brandopfer! Der Altarheiligt die Gabe. Halte dich daran, da das Opfer gebracht und angenommen ist. Gott gibt denHeiligen Geist denen, die Ihm gehorsam sind.

    3. Noch einmal. Um den Gehorsam wieder herbeizufhren, wurde Christus einMensch. Fr diesen Zweck lebt Er im Himmel. Der Gehorsam ist Anfang, Mitte und Endeseines Lebens auf Erden und seines Wirkens im Himmel. Soviel du wirklich von Christushast, hast du auch Gehorsam.

    WARNUNG VOR TRGHEIT, STILLSTAND UND ABFALL

    9. Die Trgheit in dem christlichen Leben

    Hebr. 5,11-13: "Darber haben wir viel zu sagen; aber es ist schwer, weil ihr sounverstndig seid. Und die ihr lngst Meister sein solltet, bedrft ihr wieder, da man euch dieAnfangsgrnde der gttlichen Worte lehre, und da man euch Milch gebe und nicht starkeSpeise. Denn wem man noch Milch geben mu, der ist unerfahren in dem Wort der Gerechtig-keit; denn er ist ein junges Kind."

    Hier fngt die dritte der fnf Warnungen an, die wir in diesem Briefe finden. Die ersteWarnung bezog sich allgemein darauf, da man sich doch ja davor hten msse, die unend-liche Seligkeit unbeachtet zu lassen (Kap.2,1-6). Die zweite Warnung richtete sich bestimmtgegen die Verhrtung des Herzens durch Unglauben und Ungehorsam, also dagegen, da manso leicht die Stimme Gottes nicht hren will (Kap.3,6-4,13). Diese dritte Warnung ist gegendie geistliche Trgheit gerichtet, welche die Seele fr geistliche Dinge unempfnglich macht.

    Der Verfasser steht auf dem Punkt, die herrliche Wahrheit des Priestertums Christinach der Ordnung Melchisedeks zu erklren. Diese Wahrheit ist eine geistliche und himm-lische Wahrheit, welche man mit dem Verstande nicht begreift. Wer diese Wahrheit erkennenwill, mu ein geistlich und himmlisch gesinntes Gemt besitzen, welches mit dem gewhn-lichen christlichen Leben nicht zufrieden ist, sich nach einer vollkommenen Seligkeit sehnt,und bereit ist, alles hinzugeben, um nur Christus, der im Himmel ist, nachzufolgen und Ihnnach der Kraft des unvergnglichen Lebens kennenzulernen. Dies ist ntig, wenn man diegeistliche Lehre von dem himmlischen Priestertum Jesu verstehen und schtzen lernen will.Diese Gesinnung aber fand sich bei den Hebrern nicht, wenigstens nicht bei den meisten vonihnen. Darum hielt es der Verfasser fr notwendig, ber die Trgheit und die Gefahr des Ab-falls, welche mit der Trgheit so eng verbunden ist, so ernst zu sprechen.

    In der christlichen Kirche finden sich heute Zehntausende, welche in dieser Trgheitleben. Sie sind in dem Gedanken, da sie ja glubige Christen sind, ganz zufrieden. Ihr Herzist an die Welt gefesselt. Sie fhlen nur sehr wenig Verlangen, in die tiefere geistliche Wahr-heit des Glaubenslebens und in die volle Kraft Christi einzudringen. Ein groes Ma vonSicherheit und Zufriedenheit ist es, welches die Snde der Trgheit verdeckt. Man ist damitzufrieden, rechtglubig zu sein, zur Kirche der reinen Lehre zu gehren, einen tadellosenWandel zu fhren und fr das Werk der Mission eifrig einzutreten. Davon aber, was das eig-entlich sagen will, da man alles fr Schaden erachtet, um nur Christus in der Kraft seinerAuferstehung und seines unvergnglichen Lebens zu kennen, wei man gar wenig. Ach, dasich doch jeder Leser zu Herzen nhme, was Gottes Wort uns ber diesen Zustand sagt.

    Derselbe wird uns mit verschiedenen Worten beschrieben. Ihr seid trge zu hren.Infolgedessen sind die Dinge, welche der Verfasser zu verkndigen hatte, schwer zu erklren.

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    Seine Klage gilt nicht dem Umstand, da sie zu ungebildet wren, diese Dinge zu begreifen.Durchaus nicht. Die Trgheit aber machte sie fr geistliche Wahrheiten stumpf. Sie waren da-mit zufrieden, etwas von einem gekreuzigten Christus und von der Vergebung der Snden zuwissen. Von der Kraft des himmlischen Christus verstanden sie nichts. Er sagt weiter: "Ihrsolltet eigentlich lngst Meister sein." Seit eurer Bekehrung ist bereits so viel Zeit verstrichen,da ihr lngst so weit sein mtet, andere lehren zu knnen. Statt dessen bedrfet ihr wieder-um, da man euch lehre, ja da man euch die Anfangsgrnde der gttlichen Worte lehre. Ihrseid, fgt er hinzu, noch so, da man euch Milch geben mu und nicht starke Speise gebendarf. Auch erklrt er, da dieser Umstand das Erkennungszeichen eines Mannes ist, welcher indem Worte der Gerechtigkeit unerfahren wie ein junges Kind ist.

    Nun lehrt uns Gottes Wort, da jemand, der ein Kind Gottes ist, zu einem vollkom-menen Manne in Christus heranwachsen mu (Hebr. 4,13.15.16, Kol. 2,19). In dem Kindes-zustande der Unerfahrenheit und Schwche zu verharren, ist eine groe Snde und sehr ge-fhrlich (1.Kor.3,1-3). Es ist ein Erkennungszeichen, wenn man damit zufrieden ist, von derHlle erlst zu sein, wenn man sein Fleisch nicht opfern will, um im Geiste zu leben, wennman allein an sein Behagen denkt und nicht danach trachtet, gnzlich und ungeteilt nach Got-tes Wohlgefallen zu leben.

    Lieber Leser! Sollen wir den Herrn nicht ernstlich bitten, da Er es uns kundtue, wennsich bei uns diese geistliche Trgheit findet? Ist diese geistliche Trgheit nicht der Grund, dawir auf dem Wege der Heiligung so wenige Fortschritte machen? Freude und Liebe so sehrmissen? So schwach sind, da wir andere nicht lehren knnen? Wir sind damit zufrieden, dieersten Anfnge der Erkenntnis Christi zu besitzen, etwas von der Vershnung und Vergebung,von Rechtfertigung und ewigem Leben zu wissen. Von der nheren Bekanntschaft mit demHerrn Jesus, von dem intimen, seligen Umgang mit Ihm, von der Erkenntnis Seiner Person,welche uns Ihm hnlich macht, welche uns zur Gemeinschaft mit Ihm in Seinem himmlischenLeben und Seiner Heiligkeit fhrt, - von alledem wissen gar viele so wenig. Es ist ihnen zumhsam. Die Aufrichtigen aber, welche, wenn sie Seine Stimme hren, das Herz nichtverhrten wollen, lassen sich warnen. Sie lassen sich mit dem Verlangen erfllen, von ganzemHerzen nach vlliger Erkenntnis des Herrn Jesu zu ringen und zu streben. Ihr Gebet lautet: OHerr, so viel ein Erlster auf Erden von Jesus in dem Himmel wissen kann, so viel mchte ichwissen. Lehre Du es mich!

    1. Der Verfasser hat in diesem Briefe groe und herrliche Dinge kundzutun, die Kraftdes Blutes, die Vervollkommnung des Gewissens, die Erffnung des himmlischen Heiligtumsund den groen Hohenpriester im Himmel. Fast scheint es, als frchte er sich, dies alles kund-zutun, weil es die Hebrer nicht verstehen knnten. Daher seine ernsten Warnungen.

    2. Lehrer wissen, da es durchaus keinen Zweck hat, einem Kinde die herrlichste Auf-lsung einer mhsamen Frage mitzuteilen, wenn es die Schwierigkeit der Frage nicht begreift.Ebenso ntzt auch geistlicher Unterricht nicht, wenn sich nicht ein Verlangen nach ihm beiuns findet.

    3. Ist nun bei uns die innere Unzufriedenheit mit unserem Zustand, die Einsicht in dasMangelhafte unseres Lebens und unserer Erkenntnis des Herrn Jesu vorhanden, aus welcherdas starke Verlangen und die rechte Fhigkeit, die Herrlichkeit des Herrn Jesus recht zu erken-nen, entstehen?

    4. Wenn ein neugeborenes Kind nach Milch verlangt, so ist dies ein gutes Zeichen.Will es aber sein Leben lang dabei bleiben, so ist dies ein schlechtes Zeichen.

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    10. Den Vollkommenen gehrt starke Speise

    Hebr.5,14: "Den Vollkommenen aber gehrt starke Speise, die durch Gewohnheitgebte Sinne zum Unterscheiden des Guten und Bsen haben."

    Neben der Milch, den Anfangsgrnden der gttlichen Worte und den schwachenKindern, welche im Worte Gottes unerfahren sind und bedrfen, da man ihnen Milch gebe,finden wir hier den Hinweis auf feste Speise und auf Vollkommene, welche von derselbenGebrauch zu machen wissen. Wie wir frher einmal gesehen haben, hat Gott zu den Men-schen auf eine zweifache Weise geredet, zuerst durch die Propheten, deren Worte zwar einegttliche Wirkung hatten, das Leben Gottes aber doch noch nicht vllig mitteilen konnten,dann aber durch den Sohn, durch das ewige Wort, durch Ihn, der nicht nur durch Worte,sondern auch durch Seinen Geist Gott und die Kraft des himmlischen Lebens nahebringen undin dem Herzen offenbaren konnte. Die erste Art des Redens Gottes bereitet auf die zweite vor,auch in dem Christentum. Wer noch ein Kind in Christus ist, versteht nur die ersten Anfngeund geniet nur Milch. Ihm tut es not, da er heranwachse und feste Speise zu sich nehmenlerne.

    Und worin besteht diese feste Speise? Die Antwort wird uns klar und deutlich gegeb-en. Die feste Speise besteht darin, da man Christus als Melchisedek kennenlernt, das himm-lische Priestertum Christi versteht und die Kraft des himmlischen Lebens, welches Er in unswirkt, an sich erfhrt. Christus als Aaron in seinem Vershnungswerk auf Erden zu kennen -entspricht der Milch. Es ist verhltnismig leicht, dies anzunehmen und zu verstehen. DieLehre von dem gekreuzigten Christus, vom Vergieen seines Blutes auf Erden, von seinerVershnung findet bei allen Christen, auch bei den Schwchsten und Trgsten, Glauben. DaEr aber um seines Blutes willen von den Toten auferweckt worden ist, da Er mit seinemBlute die himmlischen Dinge gereinigt hat, da Er, indem Er sein Blut vergo, zum Himmeleingegangen ist und den Weg zu einem himmlischen Leben gebahnt hat, da sein Blut heutenoch im Himmel von Bedeutung ist, ja, da das Blut, oder Christus durch sein Blut mit himm-lischer Kraft so auf uns einwirken kann, da wir hinter dem Vorhang in dem innerstenHeiligtum leben knnen, - das verstehen nur Wenige. Und Wenige nur verlangen danach, dieszu verstehen. Der Apostel aber rechnet gerade dies zu den Merkmalen eines gesunden, krft-igen Lebens. Es ist die feste Speise der Vollkommenen.

    Und wer sind die Vollkommenen, welche die feste Speise zu sich nehmen knnen?Die Vollkommenen sind die Erwachsenen, welche in ihrem geistlichen Leben nicht mehr Kin-der sind. Da sie erwachsen sind, ergibt sich nicht aus der Zahl von Jahren, welche sie alsChristen zurckgelegt haben, sondern aus ihren geistlichen Fortschritten in dem Leben desGehorsams. Darum steht ja auch hier: Die Vollkommenen, die durch Gewohnheit haben ge-bte Sinne zum Unterschied des Guten und Bsen. Es sind also gebte Christen. Im Streiteaushaltend haben sie durch die Gewohnheit, dies zu tun, ihre geistlichen Sinne gebt. Undwozu haben sie dies getan? Um das Gute vom Bsen immer besser zu unterscheiden. Siehaben ihr Geistesauge gebt, bei allen Gelegenheiten, wenn seine Stimme laut wird, diese zuvernehmen. Sie haben ihr Gewissen gebt, nichts zu tun, was nicht recht ist. Sie haben ihrenWillen gebt, Gottes Willen zu erfllen.

    Auf diesen Umstand zu achten, ist von groer Wichtigkeit. Die Empfnglichkeit frdie feste Speise, sowie die Fhigkeit, die himmlischen Wahrheiten und Krfte des vollen Leb-ens Christi kennenzulernen, hngt nicht von der Gelehrsamkeit ab, auch nicht von dem Stud-ium, berhaupt nicht von der Schrfe des Verstandes und ernstlichem Nachdenken, sondernvielmehr von dem gewissenhaften Gehorsam, mit welchem man sich im tglichen Leben bt,das Bse vom Guten zu unterscheiden. Sagt doch der Herr Jesus selbst (Joh.7,17) "So jemanddessen Willen tun will, der wird inne werden, ob diese Lehre von Gott sei." Nur wer sich vor

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    allem frchtet zu sndigen, nur wer seine Sinne bt, zwischen Bse und Gut zu unterscheiden,nur wer danach trachtet, bis ins Kleinste hinein Gottes Wohlgefallen zu erwerben, nur derkann die Kraft des himmlischen Lebens Christi verstehen und empfangen. Wer mit heiligemEmpfinden bei allen Gelegenheiten sofort merkt, wenn etwas sndig ist, besitzt das Werk-zeug, das Himmlische zu erkennen. Ein zartes Gewissen ist in gttlichen Dingen wichtiger,als ein scharfer Verstand. Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.Die Leute, von denen dies gilt, nennen wir die Erwachsenen.

    Sie werden nicht ohne Grund die Vollkommenen genannt. Dasselbe Wort wird auf sieangewandt, welches Kap.2,10 im Hinblick auf den Herrn Jesus gebraucht wird: "Der ist durchLeiden vollkommen gemacht worden," und welches Kap. 5,8-9 besagt; "Er hat an dem, was Erlitt, Gehorsam gelernt und da Er ist vollendet ist, ist Er allen, die Ihm gehorsam sind, eineUrsache zur ewigen Seligkeit geworden." Der Herr Jesus ist durch Versuchung selbst gebtworden, das Gute immer schrfer vom Bsen zu unterscheiden. So hat Er Gehorsam gelernt.So ist Er vollkommen geworden. So hat Er durch sein eigenes Opfer in Ewigkeit vollkommengemacht, d.h. in seine eigene Vollkommenheit aufgenommen, die geheiligt werden. Das istdie christliche Vollkommenheit, da man mit Christus Gemeinschaft und dadurch Anteil anseinem Gehorsam hat.

    Lieber Bruder! Mchtest du wirklich in der Gnade wachsen, ein Erwachsener werdenund zur Vollkommenheit gelangen? Ist es dir ein Herzensverlangen, das Gute vom Bsen zuunterscheiden, und so mit reizbarem Gewissen in allen Dingen deinem Vater gehorsam zusein und zu Gefallen zu leben? Ach, da es so wre! Wenn es so ist, bist du imstande, starkeSpeise zu dir zu nehmen. Dann leitet dich das Wort und der Geist zur rechten Bekanntschaftmit Christus, als deinem Melchisedek, als dem Priester, welcher ewig lebt, und dich in seinhimmlisches Leben aufnimmt. Hier auf Erden will Er in dir mit solcher himmlischer Kraftwirken, da deine Vollkommenheit, welche in Ihm liegt, nicht etwa blo eine Vorstellung ist,oder ein Gedanke bleibt, sondern eine Erfahrungstatsache wird, indem du durch seinen Geistnach seinem Bilde umgestaltet wirst und von Herrlichkeit zu Herrlichkeit heranreifst.

    1. Die Vollkommenheit ist von Gott geboten. Ihr sollt vollkommen sein, gleichwieeuer Vater im Himmel vollkommen ist. Um der Vollkommenheit willen ist die Vorsehung da.Alle Weissagungen sind von Gott eingegeben, da der Mensch Gottes vollkommen werde, zuallem guten Werk geschickt. Die Vollkommenheit wird uns nicht mit einem Schlag zuteil, ab-er doch ganz gewi. Sie ist auch eine Verheiung. Der Gott aller Gnade wird euch zubereiten.

    2. Der Grund, warum man so wenig nach Vollkommenheit verlangt, ist, da man nurseine Sicherheit im Auge hat und nur an das denkt, was dazu ntig ist, hier zeitlich und dortewiglich glcklich zu werden. Man hat nicht seine Herzensfreude an Gott und seinem Willen;sonst mte man von selbst danach verlangen, so viel, wie nur irgend mglich, von Ihm zuerhalten.

    3. Weiterhin meine Brder! Seid froh, ringt nach der Vollkommenheit, und der Gottder Liebe wird mit euch sein.

    4. Auch diese Vollkommenheit mssen wir im Glauben als unseren Anteil an Christusergreifen. Durch Glauben und Geduld werden wir die Verheiung erben.

    11. Lasset uns zur Vollkommenheit fahren!

    Hebr.6,1-3: Darum wollen wir die Lehre vom Anfang christlichen Lebens jetzt lassenund uns der Vollkommenheit zuwenden; nicht abermals Grund legen von Bue der totenWerke, vom Glauben an Gott, von der Taufe, von der Lehre, vom Hndeauflegen, von derTotenauferstehung und vom ewigen Gericht. Und dies wollen wir tun, wenn Gott es erlaubt.

    Der Verfasser hat uns einen zweifachen Zustand geschildert. Es gibt Leute, welche

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    immer wieder dessen bedrfen, da man sie die Anfangsgrnde der gttlichen Worte lehre. Esgibt auch Vollkommene, welche imstande sind, feste Speise zu sich zu nehmen. Hier ermahnter die Hebrer, den ersten Zustand der Trgheit und des Zurckbleibens entschieden zuverlassen und sich aufzumachen, um mit ihm zusammen der Vollkommenheit nachzujagen.Gott gebe, da alle meine Leser so gesinnt sind, nach der vollkommenen Lehre Christi zu ver-langen, Vollkommenheit fr sich zu begehren, wie sie in Christus zu finden ist, und als Voll-kommene zu leben und zu wandeln. Beachtet nun, was wir nach dem Wort des Apostels ab-legen mssen, um zur Vollkommenheit zu gelangen.

    Zunchst sagt er: "Wir wollen die Lehre vom Anfang christlichen Lebens jetzt lassen."Ein Christ mu wissen, da, was er bei seiner Bekehrung von Christus kennenlernen durfte,nur ein Anfang und zwar ein schwacher Anfang ist. Es ist nicht genug, da er auf Ihn als aufseinen Brgen vertraut und so Vergebung der Snden erlangt, er mu auch ein NachfolgerChristi werden, welcher Tag fr Tag mit Ihm umgeht, Ihn immer besser kennenlernt, Seinehimmlische Kraft an sich erfhrt und Ihm dadurch hnlich wird. Er mu dem schwachengottesdienstlichen Leben, mit dem er seit seiner Bekehrung zufrieden war, entsagen. Aufimmer neue Bekehrung mu er rechnen. Fortschritte im Gehorsam mu er unter der LeitungChristi machen. Neue, immer reichere Erfahrungen Seiner Kraft darf er machen. Auch vonseinem bisherigen Leben lernt er dann, in allem Ernst zu sagen: Ich vergesse, was dahinten istund strecke mich nach dem aus, was vorne ist. So mu die Selbstzufriedenheit, welche die Ur-sache des Stillstandes ist, einem Durst nach den unbekannten Dingen Platz machen, welcheGott hier auf Erden fr die bereitet hat, welche seiner harren, und welche Er uns durch seinenGeist kundtun will. Die Lehre vom Anfang christlichen Lebens mu er unter solchen Um-stnden beiseite lasse.

    Weiterhin lesen wir: "Nicht abermals Grund legen." Dreimal werden uns hier je zweiWahrheiten, also sechs Wahrheiten genannt, die grundlegend sind und allen Anfngern gepre-digt werden mssen. Das erste Mal handelt es sich um unsere Beziehung zu Gott, "Um Buevon den toten Werke und um Glauben an Gott". In der Tat sind die Bekehrung von den eigen-en Werken und der Glaube an Gott, welcher die Vergebung bermittelt, Hauptgegenstnde derersten Verkndigung des Evangeliums. Wenn jedoch Christen immer wieder nur eine ernsteBekehrungspredigt hren wollen oder sich nach einer trostreichen Auslegung des Vergebungmit sich tragenden Glaubens sehnen, so ist dies ein Zeichen eines krankhaften Zustandes.

    Das zweite Mal handelt es sich um unsere Beziehung zu der Kirche, "Um die Lehrevon der Taufe und um das Hndeauflegen". Es gibt Christen, welche sich daran halten, da siezur Kirche gehren und die heiligen Sakramente empfangen. Bei dieser Tatsache bleiben siestehen. Weiter kommen sie nicht.

    Das dritte Mal handelt es sich um unsere Beziehung zu der zuknftigen Welt, "Um dieAuferstehung der Toten und um das ewige Gericht". Es gibt nmlich Christen, welche gernevon dem Himmel predigen hren und auf denselben hoffen. Sie wollen zwar einmal in denHimmel kommen, wissen aber wenig davon, da sie jetzt schon in Christus im Himmel wohn-en und den Himmel in ihrem Herzen haben knnen.

    Dies wird uns mit so starken Ausdrcken auseinandergesetzt, da wir beinahe davorzurckbeben, die ersten Buchstaben des Wortes Gottes und den Anfang christlichen Lebensjetzt beiseite zu lassen. Ebenso wie ich die Pforte, durch welche ich schritt, und den Teil desWeges, welchen ich zurcklegte, hinter mir lassen mu, mu ich auch den Anfang christlichenLebens lassen, um vorwrts zu kommen, und nicht abermals Grund legen. Ebenso wie einFundament, welches einmal gelegt ist, nicht wieder gelegt werden mu, sondern dazu zu dien-en hat, da man auf ihm weiter baue, so mssen auch wir nicht immer wieder grundlegendeArbeit tun. Auf dem Fundament mu solange gebaut werden, bis das Haus vollendet ist. Wirmssen uns ganz hingeben, damit Christus sein Werk an uns vollenden kann. Darum lasset

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    uns die Lehre vom Anfang christlichen Lebens beiseite legen und zur Vollkommenheit fahren."Und das wollen wir tun," fhrt der Verfasser fort, "wenn Gott es erlaubt." Er hat sie

    ermuntert, mit ihm zusammenzugehen. Er beabsichtigt, ihnen die Lehre von Christus, als demvollkommenen Seligmacher auseinanderzusetzen. Er fragt sich sehr, ob nicht ein Teil derSchuld, da so viele Christen in Trgheit versinken und stille stehen bleiben, der Kirche undihrer Predigt zur Last fllt. Man verrichtet zu viel immer grundlegende Arbeit. Man verknd-igt viel zu wenig Christus in der Machtflle seines himmlischen Priestertums. Man schadetauf diese Weise mehr, als man denkt.

    "Lasset uns der Vollkommenheit zuwenden!" Gott gebe, da dieser Entschlu mehrund mehr die Losung seiner Kirche werde! Mge es ihr Streben und unser Verlangen werden,die Vollkommenheit Christi und das Werk, welches Er vom Himmel aus an uns verrichtet,recht kennenzulernen. Und mge diese Erkenntnis in uns sich als Kraft erweisen, welche unsder Vollkommenheit nher bringt! Diese Erkenntnis sei, Gott gebe es, die Frucht dieserunserer Betrachtung des Hebrerbriefes. Ach, da unser Herz voll von dem heien Verlangenwrde, Ihn persnlich zu kennen, da unser Leben ein Leben entschiedenen Gehorsamswrde, welches das Gute vom Bsen scharf unterscheidet, und da Jesus Christus, welcherdurch Leiden Gehorsam gelernt hat und so zur Vollkommenheit gekommen ist, fr uns aufdiesem Wege des Gehorsams eine Urasche der ewigen Seligkeit wrde!

    1. "Wir sollen die Lehre vom Anfang lassen." Im dritten Kapitel wurden wir ermahnt,das angefangene Wesen bis an das Ende fest zu behalten. Diese beiden Ausdrcke wider-sprechen sich nicht. Das angefangene Wesen ist die Lebenskraft, aus welcher etwas Groes,etwas Vollkommenes hervorgehen mu. Dieses angefangene Wesen mu man als einenSamen aus dem alles andere hervorspriet, aus dem sich alles entwickelt, immer festhalten.Dem Anfangswesen aber, insofern es ein gebrechliches Wesen ist, mu man entsagen. Jesusist der Anfnger und Vollender. Ihn mssen wir so wie Er uns im ersten Anfang des Glaubensgegeben wird, festhalten. Unsere anfnglich mangelhafte Erkenntnis aber mssen wir hinteruns liegen lassen, um Ihn, auch als den Vollender vllig kennenzulernen.

    2. Vollkommen ist, was vllig so ist, wie es sein mu. Es fngt damit an, da ich michvllig ungeteilten Herzens entschliee, Jesu nachzufolgen. Es nimmt in demselben Grade zu,in welchem ich, im Gehorsam be und frdere und es lerne, mich ganz und gar in Gottes Will-en zu fgen. Es kommt zum Ziele, wenn ich auf diesem Wege durch Erfahrung verstehenlerne, was das Wort besagt: "Er hat in Ewigkeit vollendet, die geheiligt werden."

    3. Wir wollen uns zur Vollkommenheit hin bewegen, zur Vollkommenheit, die inChristus liegt und uns in Ihm vllige Gemeinschaft mit Gott schenkt.

    12. Vom Abfall

    Hebr. 6,4-8: "Denn es ist unmglich, diejenigen, die einmal erleuchtet worden sindund die himmlische Gabe geschmeckt haben und des heiligen Geistes teilhaftig gewordensind, und das gtige Wort Gottes und die Krfte der zuknftigen Welt geschmeckt haben, unddoch abgefallen sind wieder zur Bue zu erneuern, da fr sich den Sohn Gottes wiederkreuzigen und dem Spott aussetzen. Denn ein Land, das den Regen trinkt, der oft ber eskommt, und ntzliches Kraut denen trgt, die es bebauen, empfngt Segen von Gott. Welchesaber Dornen und Disteln trgt, die ist untchtig und dem Fluch nahe, der zuletzt zur Ver-brennung fhrt."

    Der Verfasser hat bereits vor der Trgheit und vor dem Stillstehen gewarnt. Die Warn-ung, welche er hier ausspricht, greift weiter und wird weit ernster. Mit Recht sagt man oft:Stillstand fhrt zum Rckschritt und Rckschritt zum vlligen Abfall, aus dem nichts mehrerretten kann. Den Ernst der Warnung kann man aus zwei Dingen entnehmen, aus der Be-

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    schreibung von der Hhe, welche der abfallende Christ bereits erstiegen, und aus der Beton-ung der vlligen Unmglichkeit seiner Erneuerung zur Bekehrung.

    Beachte die fnf Ausdrcke, durch welche das christliche Leben dieser Leute gekenn-zeichnet wird. Sie sind einmal erleuchtet worden, sie haben die himmlische Gabe geschmeckt,sie sind des Heiligen Geistes teilhaftig geworden, sie haben die Kraft des guten Wortes Gottesund die Krfte der zuknftigen Welt geschmeckt und an sich erfahren.

    Beachte weiter, was von ihnen gesagt wird, wenn sie abfallen! Es ist unmglich, siezur Bue zu erneuern. Dies ist aus folgenden Grnden unmglich: Sie haben ihnen selbst denSohn Gottes wiederum gekreuzigt, sie haben Ihm vor der Welt ffentlich Schande gemacht.

    Der erste Gedanke, welcher den meisten Lesern hier kommt, ist gewi der: Wie stehtes eigentlich, wenn dieses Wort Wahrheit meldet, mit der Lehre der reformierten Kirche berdie Standfestigkeit der Glubigen und darber, da es keinen Abfall der Heiligen gebe? DieAntwort, welche man auf diese Frage zu geben hat und welche sich auch aus einer genauenBetrachtung unserer Stelle ergibt, lautet, da wir aus der vorliegen