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14 ANTIKOAGULATION AKTUELL CMExtra 4/2017 Die Antikoagulation in der Kardio- logie stellt üblicherweise eine prophylaktische Maßnahme dar, die sich gegen thrombembolische Ereignisse richtet. Entweder sollen damit Implantate (Klappen- oder Gefäßprothesen und Stents) vor Thrombenansiedlungen und nach- folgenden Embolisierungen ge- schützt werden, oder es soll auch ohne Implantate eine Primär- und Sekundärprophylaxe bei Rhythmus- störungen wie dem Vorhofflim- mern und vergrößerten Herzhöhlen (linker Vorhof, Ventrikelaneurys- men), Beinvenenthrombosen oder Lungenembolien erreicht werden. Vor nunmehr neun Jahren begann 2008 eine gänzlich neue Ära der An- tikoagulation in der Kardiologie, nachdem die Cumarinderivate für über 50 Jahre lang bei vielen Indika- tionen die einzige Therapieoption darstellten. Der Botaniker Karl Paul Link hatte mit seinem Mitarbeiter M. A. Stahmann 1940 an der Univer- sität von Madison/Wisconsin die Wirkung des Dicoumarols aus dem Süßklee als Vitamin-K-Antagonist (Stahmann, 1941) entdeckt. Schon im Jahr der Publikation wurde diese neue Substanz erstmals klinisch als Antikoagulans erprobt. Links Dok- torand Stanford Moore erhielt für seine biochemischen Arbeiten 1972 den Nobelpreis für Chemie. Nach weiterer Entwicklung konnte das erste Cumarinderivat Warfarin (4- Hydroxycumarin) 1954 zur medizi- nischen Verwendung zugelassen werden. Schon wenige Jahre später kam das hierzulande am häufig- sten verwendete Derivat Marcumar (Phenprocoumon) auf den Markt. Für fünfzig Jahre gab es keine the- rapeutischen Alternativen. Nun aber wurden 2008 zunächst einmal für die Thromboseprophy- laxe nach elektivem Hüft- oder Kniegelenksersatz der direkte (Fak- tor IIa) Thrombin-Inhibitor Dabi- gatran (Pradaxa, Boehringer In- gelheim) und der direkte Faktor-Xa- (Thrombokinase)-Inhibitor Rivaro- xaban (Xarelto, Bayer Vital) zuge- lassen. Schon 2011 folgte mit Apixa- ban (Eliquis, Bristol-Myers Squibb, Pfizer) der nächste Faktor-Xa-Hem- mer, und 2015 Edoxaban (Lixiana, Daiichi Sankyo) als weiterer der drei direkten Faktor-Xa-Hemmer (der sog. Xabane), der in Japan schon 2011 zugelassen worden war. Ne- ben der Anwendung beim Hüft- oder Kniegelenksersatz konnte seit 2011 dann auch bei Vorliegen von nicht valvulärem Vorhofflimmern zur Schlaganfallprophylaxe mit Da- bigatran und Rivaroxaban behan- delt werden, mit Apixaban seit No- vember 2012. Patienten mit anam- nestischer tiefer Venenthrombose oder Lungenembolie werden seit 2012 zur Vorbeugung von Rezidi- ven mit Rivaroxaban behandelt. Diese Indikation gilt ebenso für Api- xaban und Edoxaban. Für Patienten mit mechanischen Herzklappenpro- thesen oder Gefäßprothesen sind die direkten oralen Antikoagulan- tien (DOAKs) auch weiterhin noch nicht umfassend geprüft. Die aktuelle Studiensituation der neuen Antikoagulantien wird nach- folgend dargestellt. Dabigatran Auch für Dabigatran wurden neben der früheren Indikation der Throm- boseprophlyaxe nach elektivem Hüft- oder Kniegelenksersatz die kardiovaskuklären Indikationen der Schlaganfallprophylaxe und der Re- zidivprophylaxe nach tiefer Beinve- nenthrombose und Lungenembolie erreicht. Die RECOVER-I-Studie hat- te schon 2009 die Nicht-Unterlegen- heit einer Therapie mit 2 x 150 mg Dabigatran gegenüber einem Cu- marin in der Rezidivprophylaxe bei Patienten mit venöser Thromboem- bolie belegt (Schulman, 2009). Einer geringeren Blutungsrate unter Da- bigatran standen häufigere Dys- pepsien gegenüber. Auch die RE- COVER-II-Studie konnte 2012 die CME Heutige Antikoagulation in der Kardiologie Hermann Eichstädt 1 und Bernadette Eichstädt 2 1 Prof. Dr., Geschäftsführung BBGK Berlin, Charité – Campus Virchow-Klinikum 2 M. Sc., Institut für Biologie, AG Physiologie und Biochemie, FU Berlin CH 2 O O O O O O O OH OH OH OH CH 3 CH 3 CH 2 CH CH 2 CH CO Abb. 1: Dicumarol und die Derivate Phenprocoumon und Warfarin als erste Gerin- nungshemmer (Taube, 1997)

Heutige Antikoagulation in der Kardiologie · die direkten oralen Antikoagulan-tien (DOAKs) auch weiterhin noch nicht umfassend geprüft. Die aktuelle Studiensituation der neuen Antikoagulantien

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14 ANTIKOAGULATION AKTUELL

CMExtra 4/2017

Die Antikoagulation in der Kardio-logie stellt üblicherweise eineprophylaktische Maßnahme dar,die sich gegen thrombembolischeEreignisse richtet. Entweder sollendamit Implantate (Klappen- oderGefäßprothesen und Stents) vorThrombenansiedlungen und nach-folgenden Embolisierungen ge-schützt werden, oder es soll auchohne Implantate eine Primär- undSekundärprophylaxe bei Rhythmus-störungen wie dem Vorhofflim-mern und vergrößerten Herzhöhlen(linker Vorhof, Ventrikelaneurys-men), Beinvenenthrombosen oderLungenembolien erreicht werden.

Vor nunmehr neun Jahren begann2008 eine gänzlich neue Ära der An-tikoagulation in der Kardiologie,nachdem die Cumarinderivate fürüber 50 Jahre lang bei vielen Indika-tionen die einzige Therapieoptiondarstellten. Der Botaniker Karl PaulLink hatte mit seinem MitarbeiterM. A. Stahmann 1940 an der Univer-sität von Madison/Wisconsin dieWirkung des Dicoumarols aus demSüßklee als Vitamin-K-Antagonist(Stahmann, 1941) entdeckt. Schonim Jahr der Publikation wurde dieseneue Substanz erstmals klinisch alsAntikoagulans erprobt. Links Dok-torand Stanford Moore erhielt fürseine biochemischen Arbeiten 1972den Nobelpreis für Chemie. Nachweiterer Entwicklung konnte daserste Cumarinderivat Warfarin (4-Hydroxycumarin) 1954 zur medizi-nischen Verwendung zugelassenwerden. Schon wenige Jahre späterkam das hierzulande am häufig-

sten verwendete Derivat Marcumar(Phenprocoumon) auf den Markt.Für fünfzig Jahre gab es keine the-rapeutischen Alternativen.

Nun aber wurden 2008 zunächsteinmal für die Thromboseprophy-laxe nach elektivem Hüft- oderKniegelenksersatz der direkte (Fak-tor IIa) Thrombin-Inhibitor Dabi-gatran (Pradaxa$, Boehringer In-gelheim)undderdirekteFaktor-Xa-(Thrombokinase)-Inhibitor Rivaro-xaban (Xarelto$, Bayer Vital) zuge-lassen. Schon 2011 folgte mit Apixa-ban (Eliquis$, Bristol-Myers Squibb,Pfizer) der nächste Faktor-Xa-Hem-mer, und 2015 Edoxaban (Lixiana$,Daiichi Sankyo) als weiterer der dreidirekten Faktor-Xa-Hemmer (dersog. Xabane), der in Japan schon2011 zugelassen worden war. Ne-ben der Anwendung beim Hüft-oder Kniegelenksersatz konnte seit2011 dann auch bei Vorliegen vonnicht valvulärem Vorhofflimmernzur Schlaganfallprophylaxe mit Da-bigatran und Rivaroxaban behan-delt werden, mit Apixaban seit No-vember 2012. Patienten mit anam-nestischer tiefer Venenthromboseoder Lungenembolie werden seit2012 zur Vorbeugung von Rezidi-

ven mit Rivaroxaban behandelt.Diese Indikation gilt ebenso für Api-xaban und Edoxaban. Für PatientenmitmechanischenHerzklappenpro-thesen oder Gefäßprothesen sinddie direkten oralen Antikoagulan-tien (DOAKs) auch weiterhin nochnicht umfassend geprüft.

Die aktuelle Studiensituation derneuen Antikoagulantien wird nach-folgend dargestellt.

Dabigatran

Auch für Dabigatran wurden nebender früheren Indikation der Throm-boseprophlyaxe nach elektivemHüft- oder Kniegelenksersatz diekardiovaskuklären Indikationen derSchlaganfallprophylaxe und der Re-zidivprophylaxe nach tiefer Beinve-nenthrombose und Lungenembolieerreicht. Die RECOVER-I-Studie hat-te schon 2009 die Nicht-Unterlegen-heit einer Therapie mit 2 x 150 mgDabigatran gegenüber einem Cu-marin in der Rezidivprophylaxe beiPatienten mit venöser Thromboem-bolie belegt (Schulman, 2009). Einergeringeren Blutungsrate unter Da-bigatran standen häufigere Dys-pepsien gegenüber. Auch die RE-COVER-II-Studie konnte 2012 die

CME

Heutige Antikoagulation in der Kardiologie

Hermann Eichstädt1 und Bernadette Eichstädt2

1 Prof. Dr., Geschäftsführung BBGK Berlin, Charité – Campus Virchow-Klinikum2 M. Sc., Institut für Biologie, AG Physiologie und Biochemie, FU Berlin

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Abb. 1: Dicumarol und die Derivate Phenprocoumon und Warfarin als erste Gerin-nungshemmer (Taube, 1997)

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ANTIKOAGULATION AKTUELL 15

Nicht-Unterlegenheit von Dabiga-tran gegenüber Warfarin wiederbestätigen (Schulman, 2014).

Die REMEDY-Studie im Vergleichmit Warfarin und die RESONATE-Studie im Vergleich mit Placebo un-tersuchten die Verhältnisse untereiner auf 16 Monate verlänger-ten Dabigatrantherapie (Schulman,2013). In der REMEDY-Studie warDabigatran mit 1,8 % Thrombem-bolierezidiven den Warfarin-Pati-enten mit nur 1,3 % Beinvenen-thrombose-Rezidiven nicht-signifi-kant unterlegen, dafür aber mit sig-nifikant weniger Blutungen assozi-iert. Denn unter Dabigatran tratenschwere Blutungen bei nur 0,9 %der Patienten auf, aber bei 1,8 %unter der Vergleichstherapie. Einakutes Koronarsyndrom trat unterDabigatran allerdings bei 0,9 % derPatienten auf, unter Warfarin beinur 0,2 % der Patienten, was einensignifikanten Unterschied darstell-te (p = 0,02). An der RESONATE-Studie nahmen VTE-Patienten mitprimär niedrigerem Rezidivrisikoteil, in dieser Gruppe lag die Rezi-divrate unter der Dabigatranthera-pie bei 0,4 %, unter Placebo bei5,6 %. Bei dieser Häufigkeit mussallerdings das Auswahlkriteriumeines „niedrigen Rezidivrisikos“ be-zweifelt werden. Verständlicher-weise wiesen diese Patienten unterDabigatran eine höhere Blutungs-rate auf als unter Placebo.

In den Studien REMEDY und RESO-NATE wurde Dabigatran währendder Behandlungsdauer mit derempfohlenen Normaldosierungvon 2 x 150 mg (300 mg Tagesdosis)eingesetzt. Nur Patienten über 80Jahre sollten zweimal eine 110 mg-Kapsel erhalten (220 mg Tagesdo-sis). In allen VTE-Therapie-Studienmit Dabigatran erfolgte die Initial-therapie mit der mindestens 5-tägi-gen Gabe von niedermolekularemHeparin oder Fondaparinux. Insge-

samt ließen die damaligen StudienDabigatran bei der Prophylaxe ve-nöser Thrombembolien ähnlich ef-fektiv erscheinen wie Warfarin, dasRisiko für große Blutungen konnteaber als niedriger belegt werden.Schon mit der RELY-Studie (Connol-ly, 2009) konnte Dabigatran als Cu-marin-Alternative zur Schlaganfall-prophylaxe bei Vorhofflimmern ge-sichert werden. In dieser Untersu-chung zeigte der direkte Thrombin-Inhibitor (Faktor IIa) in der niedrige-ren Dosierung von 2 x 110 mgtäglich eine dem Warfarin gegen-über reduzierte Blutungshäufigkeit(0,9 %/1,8 %) bei nur geringfügigschlechterer Wirksamkeit (Dabiga-tran mit 1,8 % Thromboserezidi-ven, Warfarin mit nur 1,3 % Rezidi-ven. Eine überlegene Wirksamkeitbei ähnlicher Sicherheit ließ sichallerdings mit einer Dosis von2 x 150 mg zeigen.

Erstes Antidot verfügbar

Ein Monitoring der Gerinnungs-hemmung wird für keines der neu-en oralen Antikoagulantien emp-fohlen. Für alle neuen oralen Anti-koagulantien sind inzwischen Ant-agonisten inderklinischenPrüfung,für Dabigatran bereits in der An-wendung. Auch ohne Antidotein-satz können die aktivierte parti-elle Thromboplastinzeit (aPTT),die Thrombinzeit (TZ), oder auchder Hemoclot-Thrombininhibitor-test verwendet werden, um dieDabigatranwirkung zu beurteilen.Wenn die aPTT etwa 10−16 Stundennach der Einnahme oberhalb von80 Sekunden liegt (Bauersachs,2012), kann von einem erhöhtenBlutungsrisiko ausgegangen wer-den. Demgegenüber zeigt eine nor-male Thrombinzeit, dass kein wirk-samer Dabigatranspiegel mehr vor-handen ist. Früher konnte bei einerrelevanten Blutung nur mit einemsofortigen Abbruch der Antikoagu-lation reagiert werden, bei sichtba-rer bzw auffindbarer Blutung mit

einer lokalen Blutstillung, syste-misch mit einer forcierten Diureseoder auch Dialyse. Substituierendmussten bei schweren Blutungengefrorenes Frischplasma (FFP) oderProthrombinkomplexkonzentrate(PPSB) verabreicht werden.

Bei Patienten mit Blutungen wurdenhäufig Komorbiditäten festgestellt,ebenso auch Verschreibungsfehleroder Nichtbeachtung medikamen-töser Interaktionen. In einigen Fäl-len wurde bei der Umstellung von ei-nem Vitamin-K-Antagonisten aufDabigatran der geforderte INR-Ab-fall in einen unwirksamen Bereichnicht abgewartet, oder trotz einerbestehenden Niereninsuffizienz odereines niedrigen Körpergewichts derPatienten keine Dosisanpassung desWirkstoffs vorgenommen. Auch dieKontraindikation bei einem GFR-Wert unter 30 ml/min wurde teilwei-se missachtet. Denn bei Patientenmit mittelgradiger Niereninsuffizi-enz (GFR 30−50 ml/min) war dieAUC von Dabigatran 3,2-fach undbei hochgradiger Niereninsuffizienz(GFR 10−30 ml/min) 6,3-fach erhöht(Stangier, 2010; Lehr, 2012), was ei-ne erhebliche Kumulation des Medi-kamentes und damit eine massiveVerstärkung der Blutungsgefahr be-deutet.

Wenn diese Einschränkungen aberbeachtet werden, besteht unter Da-bigatran bei der Prophylaxe venöserThrombembolien und der Schlag-anfallprophylaxe bei Vorhofflim-mern eine günstige Nutzen-Risiko-Konstellation. Zudem liegt nun seitNovember 2015 der Antikörper Ida-rucizumab (Praxbind 5 g in 10 min)als Antidot gegen Dabigatran vor.Maßgeblich für die Zulassung wardie Phase-III-Patientenstudie RE-VERSE AD. Sie zeigt, dass die intrave-nöse Gabe von Idarucizumab dieWirkung von Dabigatran innerhalbweniger Minuten aufhebt. Das An-tikörperfragment bindet spezifisch

CME

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CMExtra 4/2017

an Dabigatran-Moleküle und ver-hindert dadurch deren antikoagu-latorischen Effekt, ohne jedoch da-bei selbst in die Gerinnungskaskadeeinzugreifen (Pollack, 2015). In derPrüfung befinden sich die AntidoteAndexanet alfa und Aripazine.

Rivaroxaban

Rivaroxaban ist das am weitestenverbreitete Medikament unter dendirekten Faktor-Xa-Inhibitoren, denXabanen. In der früheren MAGEL-LAN-Studie (Cohen, 2009) war Riva-roxaban den niedermolekularen He-parinen (hier Enoxaparin) bei derProphylaxe tiefer Beinvenenthrom-bosen stationärer internistischer Pa-tienten nicht unterlegen. Eineasymptomatische proximale Venen-thrombose oder eine symptomati-sche venöse Thrombembolie tratnach 10 Tagen sowohl bei 2,7 % der

mit Rivaroxaban als auch bei 2,7 %der mit Enoxaparin behandelten Pa-tienten auf. Unter Rivaroxaban wa-ren allerdings schwere oder klinischrelevante, nicht schwere Blutungenmit 2,8 % mehr als doppelt so häufigwie unter Enoxaparin mit nur 1,2 %;(p < 0,001).

Anders als bei den Blutungskompli-kationen zeigte sich in der Akutthe-rapie und der Sekundärprophylaxebei Patienten mit akuter tiefer Ve-nenthrombose im Rahmen der EIN-STEIN-DVT-Studie immerhin eineNicht-Unterlegenheit für Rivaroxa-ban gegenüber Vitamin-K-Antago-nisten (Bauersachs, 2010). Im Ver-gleich mit Enoxaparin und überlap-pend mit Vitamin-K-Antagonistenwurde den Studienteilnehmern 3Wochen lang 2 x täglich Rivaroxa-ban in einer Dosis von 15 mg (30 mg

Tagesdosis) appliziert, anschlie-ßend wurden die Patienten mit ei-ner 1 x täglichen Gabe von 20 mgüber einen Zeitraum von 3, 6 und 12Monate weiterbehandelt. Eine wei-tere placebokontrollierte 6- bis 12-monatige Therapie mit Rivaroxa-ban (1 x 20 mg täglich) schloß sichdaran als EINSTEIN-Extension-Stu-die an. Hierbei zeigte sich eine über-legene Wirksamkeit des Faktor-Xa-Inhibitors bei der Verhinderung vonthrombotischen Rezidiven. Aberauch in diesen Studien fiel erneutdas erhöhte Blutungsrisiko unterder Rivaroxabantherapie auf (Bau-ersachs, 2012).

Auch in der Akuttherapie und Se-kundärprophylaxe bei Patientenmit einer akuten Lungenemboliekonnte im Rahmen der EINSTEIN-PE-Studie eine Nicht-Unterlegen-heit des Rivaroxabans im Vergleichmit Vitamin-K-Antagonisten doku-mentiert werden (Buller, 2012). Inden EINSTEIN-Studien wurde keineDosisanpassung an eine reduzierteNierenfunktion durchgeführt, al-lerdings waren Patienten mit einerGFR < 30 ml/min von der Studien-teilnahme ausgeschlossen. Nach-dem eine Metaanalyse insgesamtdas vorteilhafte Wirkprofil von Ri-varoxaban in der Behandlung dertiefen Beinvenenthrombose bestä-tigt hatte, konnte nun ein Einsatzder für diese Indikation zugelasse-nen Substanz als First-line-Therapieerfolgen (Fox, 2012).

Im Vergleich zu Vitamin-K-Antago-nisten konnte Rivaroxaban auchthromboembolische Zweitereignis-se gleich wirksam verhindern unddie Gesamtsterblichkeit ähnlich gutabsenken. In dieser Studie war Riva-roxaban im Gegensatz zu den ande-ren zitierten Studien auch mit ei-nem geringeren Blutungsrisiko as-soziiert. Hierzu ist es allerdingswichtig, dass, wie bereits erwähnt,bei der Umstellung von Vitamin-K-

CME

Abb. 2: Sofortige Aufhebung der Gerinnungshemmung nach Antidotgabe (aus RE-VERSE AD, 2015).

120

110

100

90

80

70

60

50

40

30

20Ausgangs -

wertZwischen

zwei Durchstech-

flaschen

10 – 30 min 1 h

Zeit nach Idarucizumab

aPTT

[s]

2 h 4 h 12 h 24 h

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ANTIKOAGULATION AKTUELL 17

Antagonisten ein genügend starkerAbfall der INR-Werte abgewartetwird. Die wesentliche zulassungsre-levante Studie für Rivaroxaban beiVorhofflimmern war die ROCKET-AF-Studie (Patel, 2011). Bei einerglomerulären Filtrationsrate (GFR)oberhalb von 50 ml/min (üblicher-weise 60 ml/min) wurde eine Ein-maldosis von 20 mg pro Tag ver-wendet, bei einer moderat einge-schränkten Nierenfunktion mit ei-ner GFR von 30−49 (üblicherweisebis 59 ml/min) wurden 1 x 15 mgtäglich gegeben.

In der Embolieprophylaxe bei Vor-hofflimmern war Rivaroxaban dervergleichenden VKA-Therapie be-züglich der Wirksamkeit nicht un-terlegen, das Blutungsrisiko warden Vitamin-K-Antagonisten ver-gleichbar. Bei Verlaufsbeobachtun-gen unter Alltagsbedingungen er-schien Rivaroxaban jedoch wirksa-

mer als eine Behandlung mit Vita-min-K-Antagonisten, intrakranielleund tödliche Blutungen traten un-ter Rivaroxaban seltener auf. BeiUmstellung von Vitamin-K-Antago-nisten (Marcumar) auf Rivaroxabansollte ein INR-Abfall unter 2,0 abge-wartet werden (Bauersachs, 2012).Zur Wirkungskontrolle kann bei al-len Xabanen, so auch bei Rivaroxa-ban, die Bestimmung der Anti-Xa-Aktivität angewendet werden, wo-bei mehrere Assays in Gebrauch

sind. Zur Therapie von Blutungs-komplikationen sollte bis zur Ein-führung des Antidots der Einsatzvon Frischplasma, PPSB und gege-benenfalls rekombinantem FaktorVlla (Proconvertin, Prothrombino-gen) erwogen werden.

Nach einem akuten Koronarsyn-drom wurde zur Rezidivprophylaxedie niedrige Rivaroxabandosis (2 x2,5 mg) zusätzlich zu ASS und Clopi-dogrel in der ATLAS-ACS-2-TIMI-51-

CME

Kontraindiziert

30 mg 1 x tägl.

110 mg 2 x tägl.

110 mg 2 x tägl.

110 mg 2 x tägl.

110 mg 2 x tägl.

150 mg 2 x tägl.

150 mg 2 x tägl.

150 mg 2 x tägl.

30 mg 1 x tägl.

30 mg 1 x tägl.

Geschätzte GFR

Nicht empfohlen

2,5 mg 2 x tägl.

5 mg 2 x tägl.

< 15 ml/min 50 ml/min

Nicht empfohlen

15 mg 1 x tägl.*

15 – 49 ml/min

Geschätzte GFR

Rivaroxaban Apixaban

EdoxabanDabigatran

20 mg 1x tägl.*

< 15 ml/min 30 ml/min

Gewicht

60 kg

Nicht empfohlen

2,5 mg 2 x tägl.

15 – 29 ml/min

Geschätzte GFR

Serum Kreatinin

133 μmol/l

Alter

80 Jahre

Stimmen 2 zu Stimmen 1 zu

< 30 ml/min 30 – 50 ml/min

80 Jahre 75 Jahre oder hohes

Blutungsrisiko

<75 Jahre75 – 80 Jahre

80 Jahre

Niedriges throm-boembolisches

Risiko und hohes Blutungsrisiko

> 50 ml/min < 15 ml/min > 50 ml/min

Geschätzte GFR

< 15 – 50 ml/min

60 mg 1 x tägl.

60 kgPotenter P-gp-

Inhibitor

Abb. 3: Die Dosierung der direkten oralen Antikoagulantien beim Vorliegen einer Nierenfunktionseinschränkung, hier angegebenals GFR (Glomeruläre Filtrationsrate) gemäß Fachinformationen der Hersteller 2016/2017

StadiumGFR

(ml/min)Nierenfunktion

1 > 89 normale Nierenfunktion

2 60 – 89 milde Funktionseinschränkung (in der Rocket-Studie > 50 ml/min)

3 30 – 59 moderate Funktionseinschränkung (in der Rocket-Studie < 49 ml/min)

4 15 – 29 schwere Funktionseinschränkung

5 < 15 Chronisches Nierenversagen

Tab. 1: In der ROCKET-AF-Studie wurden höhergradige Funktionseinschränkungentoleriert (Patel, 2011)

18 ANTIKOAGULATION AKTUELL

CMExtra 4/2017

Studie eingesetzt und reduzierteMyokardinfarkt, Schlaganfall undkardiovaskuläre Mortalität deutlich.Allerdings führte diese Dreifach-kombination zu einer signifikanthöheren Rate von schweren undauch intrakraniellen Blutungen, al-lerdings nicht von tödlichen Blutun-gen (Mega, 2012).

Die europäischen Leitlinien zur Be-handlung eines ST-Hebungs-Myo-kardinfarkts (STEMI) wurden seit2010 nicht mehr überarbeitet (Sil-ber, 2010). Es wurde bereits in dieserlange zurückliegenden Version eineorale Antikoagulation zusätzlich zuASS und Clopidogrel nach kürzlicherfolgter Stentimplantation und In-

dikation für orale Antikoagulationfür möglich erachtet (Empfehlungs-klasse II b, Evidenzgrad C). AllerdingssprechendieDatenderATLAS-2-Stu-die wegen der signifikanten Sen-kung der Gesamtsterblichkeit von2,9 % unter Rivaroxaban im Gegen-satzzu4,5 %unterPlacebo(p = 0,02)dafür, dass eine deutlichere Leitlini-enempfehlung ausgesprochen wird.

Apixaban

Der direkte Faktor Xa-Hemmer Api-xaban ist zur Schlaganfallprophyla-xe bei nicht-valvulärem Vorhofflim-mern zugelassen, ebenso zur Be-handlung von tiefen Beinvenen-thrombosen und Lungenarterien-embolien, wie auch zur Prophylaxe

erneuter Thromben und Embolien.Die frühere ADOPT-Studie hattenoch keine Überlegenheit von Api-xaban gegenüber einer kürzerenTherapie mit Enoxaparin in derThromboseprophylaxe stationärerinternistischer Patienten gefunden,jedoch eine erhöhte Blutungsrate(Goldhaber, 2011). In der AMPLIFY-Studie erwies sich der direkte Fak-tor-Xa-Hemmer der Vergleichsme-dikation aus Enoxaparin/ Warfarinbei der Prophylaxe von rezidivie-renden, symptomatischen, venösenThromboembolien (VTE) und einesVTE-bedingten Todes als nicht un-terlegen. Schwere Blutungen tratendagegen unter dem neuen Gerin-nungshemmer signifikant seltenerauf.

In der AMPLIFY-EXT-Studie wurdenPatienten randomisiert, die eine 6-bis 12-monatige initiale antikoa-gulatorische Behandlung beendethatten. Sie erhielten entweder 2 xtäglich Apixaban 2,5 mg oder 5 mgoder Placebo über 12 Monate. DerPlacebobehandlung waren die bei-den Apixaban-Dosierungen bei derReduktion der Rate symptomati-scher, rezidivierender Beinvenen-thrombosen und auch bezüglichder Gesamt-Mortalitätsrate ver-ständlicherweise statistisch signifi-kant überlegen. Die Rate schwererBlutungen war bei beiden Apixa-ban-Dosierungen vergleichbar mitder Rate in der Placebo-Gruppe.

CME

Akutes Koronar-syndrom (ACS)

RStratum

Aspirin allein

oder

Aspirin plus

ein Thieno­

pyridin

Rivaroxaban 5 mg 2 x tägl.

Rivaroxaban 2,5 mg 2 x tägl.

Placebo

31 Monate maximale Behandlungsdauer

End

e d

er

Beh

and

lun

g

Abb. 4: Die ATLAS-ACS-TIMI 51-Studie führte nach Zugabe von Rivaroxaban zu Aspirin und Clopidogrel zu einer deutlichen Reduk-tion von Myokardinfarkten, Schlaganfällen und kardiovaskulärer Mortalität im Vergleich zur Addition von Placebo zur dualenPlättchenhemmung (Mega, 2012)

ApixabanN = 9.088n (%/Jahr)

WarfarinN = 9.052n (%/Jahr)

Hazard Ratio(95 % KI)

p-Wert

Blutungen

schwer* 327 (2,13) 462 (3,09) 0,69 (0,60; 0,80) <0,0001

tödlich 10 (0,06) 37 (0,24)

intrakraniell 52 (0,33) 122 (0,80)

schwer + CRNM† 613 (4,07) 877 (6,01) 0,68 (0,61; 0,75) <0,0001

Alle 2.356 (18,1) 3.060 (25,8) 0,71 (0,68; 0,75) <0,0001

Weitere Endpunkte

Tod jeglicher Ursache 603 (3,52) 669 (3,94) 0,89 (0,80; 1,00) 0,0465

Myokard-Infarkt 90 (0,53) 102 (0,61) 0,88 (0,66; 1,17)

*schwere Blutungen, definiert nach International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) Kriterien.†klinisch relevante, nicht schwere Blutung (CRNM/Clinically Relevant Non-Major)

Tab. 2: Registrierte Blutungen in der ARISTOTLE-Studie bei Patienten mit nicht-valvu-lärem Vorhofflimmern (NVAF) im Vergleich zwischen Apixaban und Warfarin (Gran-ger, 2011)

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ANTIKOAGULATION AKTUELL 19

In der AVERROES-Studie zeigte sicheine deutliche Überlegenheit vonApixaban gegenüber Azetylsalizyl-säure bei Patienten mit Vorhof-flimmern, die als ungeeignet für ei-ne plasmatische Antikoagulationmit Vitamin-K-Antagonisten ein-gestuft worden waren (Connolly,2011). Apixaban war auch in derARISTOTLE-Studie einer Behand-lung mit Vitamin-K-Antagonisten(Warfarin) in der Reduktion desprimären Endpunktes überlegen.Das Risiko ischämischer und hä-morrhagischer Schlaganfälle undsystemischer Embolien reduziertesich um relative 21 % (Granger,2011). Das Risiko schwerer Blutun-gen sank unter Apixaban um 31 %(relativer Prozentwert = wenn diegrößere zweier Zahlen als 100 %angenommen wird).

Unter der VKA-Therapie reduziertesich die Gesamtsterblichkeit relativunerheblich von 3,9 % auf 3,5 % inder Apixabangruppe. Diese Ergeb-nisse führten zur Zulassung vonApixaban in dieser Indikation. So-wohl in AVERROES als auch in ARIS-TOTLE betrug die Apixaban-Stan-darddosis 2 x 5 mg täglich. Die Kri-terien einer Dosisreduktion warenein Körpergewicht von weniger als60 kg, ein Alter über 80 Jahre undein Anstieg des Serumkreatininsauf mehr als 1,5 mg/dl, die redu-zierte Dosis betrug dann 2 x 2,5 mgpro Tag. Erst unterhalb einer glo-merulären Filtrationsrate von 15 mlpro min muss mit einer Erhöhungdes Blutungsrisikos gerechnet wer-den (Eikelboom, 2012; Flaker, 2012).Soll von Vitamin-K-Antagonisten(Marcumar) auf Apixaban umge-stellt werden, muss auch bei dieserSubstanz ein INR-Abfall auf Werteunter 2,0 abgewartet werden. NachakutemKoronarsyndromwurdedieSekundärprophylaxe mit 2 x 5 mgApixaban in der APPRAISE-2-Studieüberprüft, die jedoch wegen man-gelnder Effektivität und erhöhter

Blutungsrate abgebrochen wurde(Alexander, 2011).

Edoxaban

Der direkte Faktor-Xa-Hemmer Edo-xaban ist zwar in Japan bereits seitdem Jahr 2011 zur Prophylaxe dertiefen Beinvenenthrombose bei or-thopädischen Patienten zugelassen(Ahrens, 2012), ist aber bei uns erstseit 2015 verfügbar, und zwar fürdie Prophylaxe von Schlaganfällenund systemischen Embolien (SEE)bei erwachsenen Patienten mitnicht valvulärem Vorhofflimmernund mindestens einem Risikofak-tor, zum Beispiel Bluthochdruck,Herzinsuffizienz, Alter über 75 Jah-re, Diabetes, Schlaganfall oder tran-sitorischen ischämischen Attackenin der Vorgeschichte. Darüber hin-aus ist Edoxaban indiziert zur Be-handlung tiefer Venenthrombosenund Lungenembolien sowie zurProphylaxe von Rezidiven.

Die Bioverfügbarkeit von Edoxa-ban liegt bei 62 % und wird durchNahrung nicht beeinflusst. Die Wir-kung tritt innerhalb von einer biszwei Stunden ein, die Halbwerts-zeit liegt bei 10 bis 14 Stunden. DieStandarddosis beträgt 60 mg ein-mal täglich (Giugliano, 2013). In der

ENGAGE-AF-TIMI 48-Studie wurdenWirksamkeit und Sicherheit vonEdoxaban in der Prävention vonSchlaganfällen und SEE bei mehrals 21.100 Patienten mit Vorhof-flimmern gegenüber Warfarin ge-prüft. Nach einer medianen Beob-achtungszeit von 2,8 Jahren warEdoxaban im primären EndpunktWarfarin nicht unterlegen. Es gabjedoch weniger schwere intrakra-nielle Blutungen (Giugliano, 2014).

Dass der DOAK bei der Behandlungund Vorbeugung von Blutgerinn-seln bei Patienten mit venösenThromboembolien (VTE) ebensowirksam ist wie Warfarin, zeigtedie Hokusai-VTE-Studie mit rund8.300 Patienten. Die Studienpati-enten erhielten initial bis zu 5 Tagelang Heparin und wurden dannauf Warfarin oder Edoxaban über3 bis 12 Monate eingestellt. Edo-xaban war bezüglich der Rezidiv-häufigkeit dem Warfarin ebenbür-dig, zeigte jedoch eine geringereBlutungsrate (Büller, 2013).

Fehlende Vergleichezwischen den DOAKs

Bisher liegen keine Vergleichsstudi-enzwischendenvier inDeutschlandzugelassenen direkten oralen Anti-

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No at. RiskEdoxabanWarfarin

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Abb. 5: Die Hokusai-Studie zeigte eine deutlich geringere Blutungsrate unter Edoxa-ban gegenüber dem Warfarin (Büller, 2013)

20 ANTIKOAGULATION AKTUELL

CMExtra 4/2017

Prof. Dr. HermannEichstädt

koagulantien vor. Bei Vorhofflim-merpatienten mit hohem Embolie-risiko (CHADS2-VASc-Score > 2) wa-ren die drei damals in Deutschlandzugelassenen Substanzen, nämlichDabigatran, Rivaroxaban und Api-xaban nach einer 2012 publiziertendänischen Registerstudie in derSchlaganfallprophylaxe wirksamerals Vitamin-K-Antagonisten (Baner-jee, 2012), und nach den neuerenStudienergebnissen ist Edoxabangleichwertig (Büller, 2013). Ver-ständlicherweise ist der Wert derneuen oralen Antikoagulantien beiPatienten mit hohem Embolie- undBlutungsrisiko besonders augenfäl-lig. Bereits publizierte Studien, de-ren Daten zu einem Vergleich zu-sammengeführt wurden, belegtenfür alle drei damals eingeführtenAntikoagulantien in der Schlagan-fallprophylaxe bei Vorhofflimmernähnliche Wirksamkeit wie die Vita-min-K-Antagonisten (Lip, 2012). Dieverschiedenartigen Studiendesignsmachen bis heute einen solchenVergleich schwierig, auch zeigtendie Patientenkollektive nach demCHADS-Score ein sehr unterschiedli-ches Embolierisiko, was schon dieAusgangsbedingungen kaum ver-gleichbar machte. Edoxaban zeigtebei allen Messparametern ähnlicheWerte wie die anderen DOAKs. Einerandomisierte Studie zum Vergleichder vier Substanzen liegt bis heutenicht vor, weshalb die jeweiligeTherapie eines Patienten für denArzt eine Einzelfallentscheidungdarstellt.

MechanischeHerzklappenprothesen

Zur Zeit sind nur Vitamin-K-Anta-gonisten zur Langzeitprophylaxethromboembolischer Komplikatio-

nen bei Patienten mit mechani-schen Herzklappen zugelassen, diesgilt auch für andere Herz-Gefäßim-plantate. Die REALIGN-Studie wur-de als Phase-II-Studie mit Dabiga-tran bei Doppelflügelprothesen ab-gebrochen, als bei 252 PatientenembolischeEreignisseundauchBlu-tungen mit Dabigatran häufigerwaren als unter der Behandlungmit einem Vitamin-K-Antagonisten(Schulman, 2012). Deshalb ist Dabi-gatran bei Patienten mit mechani-schen Herzklappen kontraindiziert.Weil mechanische Herzklappenpro-thesen dauerhaft thrombogen sind,erfordern sie eine lebenslange Anti-koagulation (Whitlock, 2012; Piper,2013). Aus den oft starken Endo-kardveränderungen resultiert eineerhöhte Thrombogenität, aus derdirekten Interaktion von Blutbe-standteilen mit dem Polymermate-rial, und auch aus den unphysiologi-schen Durchströmungsprofilen mitAusbildung turbulenter Strömungund Rezirkulationsarealen (Horst-kotte, 1983). Wegen des fehlendenNahtringes sind Turbulenzen nachTAVI deutlich geringer. Dennochkonnten die Vitamin-K-Antagonis-ten bisher nicht durch andereAntikoagulantien ersetzt werden.

Dem Implantationsort der Prothesekommt eine besondere Bedeutungzu. Bei Prothesen in Mitral- oderTrikuspidalposition muss in der Re-gel intensiver antikoaguliert wer-den als in Aortenposition, wo durchhöhere Strömungsgeschwindigkei-ten des Blutes und wesentlich höhe-ren Druck nur geringere Möglich-keiten für eine Thrombenbildungbestehen (Vahanian, 2012). Auchdie Beschaffenheit der Prothesenprädisponiert zu unterschiedlich

intensiver Gerinnselbildung. Blu-tungsneigung und auch Thromben-bildung unter Marcumar und ande-ren VKAs sind wesentlich stärkervon einer schwankungsfreien Ge-rinnungseinstellung abhängig alsvon der absoluten Höhe der INR-Einstellung, wenn diese häufigenSchwankungen unterworfen ist. Einniedrigerer Ziel-INR-Wert resultiertin geringeren Schwankungen kon-sekutiver INR-Messungen und da-mit in einer stabileren Einstellungder Antikoagulation, als ein höhe-rer INR-Wert. Deshalb streben wirfür eine gegebene Indikation denjeweils niedrigst möglichen INR-Zielwert an. Dabei sollte der Wertaber immer noch um 0,5 oberhalbdes niedrigsten für die jeweiligeKlappe zugelassenen Wertes lie-gen.

Alle Literaturstellen finden Sie auf unsererHomepage: medizin.mgo-fachverlage.de

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. Hermann EichstädtKonstanzer Straße 6110707 BerlinE-Mail:[email protected].: +49 (0) 30 / 8855 2767Berlin-Brandenburgische Gesellschaftf. Herz- u. Kreislauferkrankungen e.V.(BBGK e. V.)Internet: www.bbgk-ev.de

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