261

Heimatliche Naturbilder - Hermann Loens

Embed Size (px)

Citation preview

Hermann Loens

Heimatliche NaturbilderDa draußen vor dem Tore

Roman

ebook 2009 © TUX

Heimatliche Naturbilder - Da draußenvor dem Tore

Unverfrorenes Volk

Schnee liegt in dem Garten, Eis hängt an den

Dächern. Gegen Mittag gewinnt die Sonne Macht,sie zermürbt die Eiszapfen an den Dachrinnen, tautden Schnee zusammen und macht hier und da denschwarzen Erdboden frei. In der Mitte des Gartens,wo die Sonnenstrahlen am stärksten hinfallen, steigtein silberner Punkt auf, tanzt hin und her, blitzt aufund ab. Ein zweiter, dritter, vierter folgt ihm, undimmer mehr erscheinen, bis über derBuchsbaumeinfassung, die steif und dunkel von demweichen, hellen Schnee absticht, ein Wirbel vonblitzenden Silberpunkten flimmert.Kopfschüttelnd sieht sich der Besitzer des Gartens,

der das Vogelfutterhaus mit frischem Mischsamenversehen wollte, das Geflirr an. Er will seinen Augennicht trauen, denn er erkennt, daß die blitzendenPunkte Mücken sind, richtige Mücken von der Größeder Stechmücken, die ihn im Sommer oft peinigten.Er nimmt an, daß es sich um eine jener

Ausnahmeerscheinungen handele, an denen dieNatur so reich ist, um einen durch besondere örtliche

Natur so reich ist, um einen durch besondere örtlicheVerhältnisse entstandenen Vorgang, denkt vielleicht,daß, weil es Waschtag ist, es in der Waschkücheüberwinternde Mücken sind, die durch die Glut desHerdes aus ihrer Erstarrung erweckt sind; er ziehtsie in Vergleich zu den beiden Schmetterlingen, demPfauenauge und dem kleinen Fuchs, die gesternbeim Reinmachen der geschlossenen Veranda vondem Mädchen gefunden und als bedeutendeNaturwunder in das Wohnzimmer gebracht wurden,wo sie bald aus dem Schlafe erwachten und lustiggegen die Fensterscheiben flatterten.Als er aber gleich nach dem Mittagessen vor das

Tor hinausgeht, wo die Spatzen von allen Dächernzwitschern und in allen Bäumen die Meisen pfeifen,da sieht er überall an geschützten, sonnigen Stellenzwischen den Hecken kleinere und größereSchwärme von Mücken, die in säulenähnlicherAnordnung auf und ab gaukeln und in ihm dasGefühl erwecken, daß der Frühling schon vor derT ür stehe, und daß bald die Schneeglöckchen imGarten ihre weißen, grüngezierten Glöckchenentfalten werden. Und da er kein Kohlenhändler oderKürschner oder Festsaalbesitzer ist, ihm also keinegeschäftlichen Interessen den Wunsch nahelegen,

geschäftlichen Interessen den Wunsch nahelegen,der Winter möge recht lange dauern, so freut er sichder Frühlingszeichen, als welche ihm die Mückenerscheinen, wenn er auch im Bogen um sieherumgeht.Letzteres hatte er nicht nötig, denn die Mücken, die

im Winter spielen, stechen nicht; es sind aber auchkeine Frühlingszeichen, es sind echte Wintertiere,die nur in der rauhen Jahreszeit zu finden sind, unddie, wenn das übliche summende und brummendeVolk erwacht, matt und müde in das faule Laub fallenund sterben. Es ist die Tanz- oder Wintermücke,deren Made aus den im Spätwinter und Vorfrühlinggelegten Eiern im Herbst auskriecht, im faulen Laubeund in Pilzen lebt und nach kurzer Puppenruhe erstim Spätherbste als fertiges Tier erscheint. Es ist dereinzige deutsche Zweiflügler, der ein reinesWintertier ist, wie denn die meisten unserer Kerbtiereausgesprochene Sommertiere sind, die den Winterals Ei, Larve oder Puppe überdauern, wenn auchviele von ihnen, wie eine Menge Käfer,Schmetterlinge, Bienen, Wespen und Fliegen alsfertige Tiere den Winter im Todesschlafe verbringenund nur, wenn ganz besondere Umstände, soanhaltend warme Witterung, eintreten, aus der

anhaltend warme Witterung, eintreten, aus derErstarrung erwachen und sich zeigen, um dann alsgroße Seltenheiten angestaunt und alsFrühlingsboten begrüßt und den Zeitungen als ersterMaikäfer oder erster Schmetterling zugesandt zuwerden.Gegenstücke zu den Wintermücken bieten die

Schmetterlinge in den zum Teile den Obstbäumensehr gefährlichen Frostspannern, meist kleinen undzarten, unauffällig gefärbten, aber äußerst feingezeichneten Nachtfaltern, deren Weibchen statt derFlügel nur Stummel besitzen. Alle zu dieser Gruppegehörigen Arten erscheinen erst vom Spätherbst ab,doch nicht gerade in der Mitte des Winters, vielmehrtritt um diese Zeit eine Pause ein. Einige Arten sindSpätherbst- und Frühwintertiere, von denen jede Artan eine bestimmte Zeit gebunden ist.Im Vor- und Nachwinter sieht man diese Falter

tagsüber an den Stämmen im Walde sitzen oder aufden Wegen liegen; mit Eintritt der Dämmerungwerden sie munter und flattern in regellosem Flugevon Baum zu Baum, um die plumpen, mehr einemKäfer als einem Schmetterling ähnlichen Weibchenzu suchen, gegen die sich der Obstbaumbesitzerdurch mit Raupenleim getränkte Pappekragen oder

durch mit Raupenleim getränkte Pappekragen oderSackleinwand zu schützen sucht, die er mit deroffenen Seite nach dem Boden hin um die Stämmeunterhalb der Krone bindet.Obwohl die Frostspanner Jahr für Jahr in ziemlich

großer Anzahl auftreten, so erscheinen sie ineinzelnen Jahren massenhaft, und besonders anetwas nebeligen Winterabenden macht es sich ganzgespenstig, wenn der kahle Wald von ihnendurchschwirrt wird. An jedem Stamme, an dem einWeibchen sitzt, sammeln sich oft mehr als ein halbesHundert Männchen, und am andern Morgen liegendie toten Falter überall auf den Wegen oderschwimmen auf den Gräben, den Meisen, Spechten,Spitz- und Waldmäusen ein willkommener Fraß.Außer den Wintermücken und den Frostspannern

gibt es aber noch einige Kerbtiere, die ausschließlichim Winter vorkommen, so die Gletschergäste, dreibis vier Millimeter lange, dunkelmetallgrüne,flügellose, behende Tierchen, die an schattigenStellen der Bergwälder zwischen dem Mooseumherhüpfen. Ihre Gestalt und ihr Benehmen ähneltdem der Gallwespen, doch sind sie mit diesenkeineswegs verwandt, sondern gehören zu denWasserjungfern und Eintagsfliegen.

Wasserjungfern und Eintagsfliegen.Zu der niedrigsten Insektengruppe gehören zwei

andere Wintertiere unter den Insekten, nämlich zuden Springschwänzen, jenen bekannten winzigen,schmalen Tierchen, die gern auf und unterBlumentöpfen leben und die imstande sind, sich miteiner am Ende des Hinterleibes befindlichen, amBauche anliegenden Sprunggabel weitfortzuschnellen, eine Vorrichtung, die an dieSpielwerke erinnert, die sich Kinder auf dem Landemit Zwirn, Wachs und einem Streichholze aus demGabelbeine der Hühner herzustellen pflegen. Daseine ist der Schneefloh, ein graugelbes,schwarzgesprenkeltes, zwei Millimeter großesWesen, das sich in unseren Wäldern aufschmelzendem Schnee findet, auf dem es allerleiwinzige Algensporen abweidet und munter hin undher hüpft. Sein naher Verwandter, der Gletscherfloh,der auch nicht größer, aber schwarz und langbehaart ist, lebt auf höheren Gebirgen, besonders inden Alpen, kommt aber auch schon imRiesengebirge vor. Dort ist er nur im Winter zufinden, während er in den Gletscherbezirken auch imSommer lebt.

Auch unter den deutschen Landschnecken findensich zwei Gruppen, die Glasschnecken, die man nurvom Herbste bis zum Frühling findet. Es sind kleineTiere mit sehr dünnen, glashellen Gehäusen, die beider einen Gruppe, den Daudebardien, so klein sind,daß sie kaum ein Drittel des Leibes bedecken. Auchhier zeigt es sich wieder, daß die alpinen Formen imSommer vorkommen, während man die Arten derEbene und der Mittelgebirge erst im Spätherbsteantrifft, während sie den Sommer als Ei tief imfeuchten, kühlen Laube oder unter nassemSteingeröll in schattigen Schluchten und Muldenüberdauern. Alle zu diesen beiden Gruppengehörigen Arten sind einjährige Tiere und vonräuberischer Natur, die von anderen kleinenSchnecken leben, deren Gehäuse sie mit ihrer mitv i e l e n scharfen Kalkzähnen besetzten Zungedurchfeilen.So winzig und unscheinbar diese Schneckchen, so

wie der Schneefloh und der Gletschergast auch sind,so sind sie für den Naturforscher doch vielbelangreicher als manches große, auffallendgefärbte Wesen, einmal deswegen, weil sie, obwohlkaum mit hervortretenden Schutzvorrichtungenversehen, imstande sind, bei hohen Kältegraden ein

versehen, imstande sind, bei hohen Kältegraden einbewußtes Leben zu führen. Versuche, die man mitdem Gletscherfloh anstellte, ergaben, daß er eineTemperatur von zehn Graden Kälte, der man ihn ineingefrorenem Zustande aussetzte, ohne Schadenüberwand.Sodann sind diese Tierchen, wie die großen

Gesteinsblöcke der norddeutschen Tiefebene, mitSicherheit wohl als Überbleibsel aus jener Zeitaufzufassen, in der Norddeutschland Zehntausendevon Jahren ein arktisches Klima hatte und in Eis undSchnee lag. Damals weideten an den Rändern derGletscher Moschusochse und Ren, Schneefuchsund Vielfraß stellten dem Lemminge nach, derJagdfalke und die Schneeule hausten dort, zwergigeBirken und kriechende Weiden bedeckten das Geröllder Gletscherhalden. Sie alle verschwanden, als dasEis abschmolz, und blieben nur noch im hohenNorden erhalten oder gingen, wie das Mammut,völlig unter. Einige Kerbtiere und wenige Schneckenallein blieben erhalten aus jener Zeit, in der derMensch, mit Steingerät bewaffnet, in unserer Heimatdasselbe Leben führte wie heute noch der Eskimound der Grönländer.

Aus toten Dingen, Gletscherschrammen anSteingeschieben, Knochen- und Steinwaffenfundenim Boden und Seeschlamm denkt sich der Forscherein Bild jener Zeiten zusammen, deren einzigelebende Zeugen, von einigen Pflanzen abgesehen,winzige Kerbtiere und zwerghafte Schnecken sind,die im Winter ihr seltsames Leben führen, dasunverfrorene Volk.

In der Aue

Die Aue ist nicht mehr der große Landsee, ist nicht

mehr eine einzige weite Wasserfläche, die sie denWinter über war. Ihre Wasser sind gefallen, die Ufer,von zähem Schlick bedeckt, werden immer höherund höher, das Wiesengelände verbreitert sich mitjedem Tage, die grünen Inseln vergrößern sich,fließen zusammen, drängen das Wasser immer mehrzurück, teilen es, lösen es in einzelne Teiche auf,und je dicker die Knospen schwellen, je lauter dieVögel singen, um so schwächer wird die Herrschaftdes Wassers, bis schließlich nur noch einige ausdem jungen Grase hervorschimmernde Lachenverraten, daß die große weite Aue vor kurzem einweiter See war.Mehr als je suchen darum jetzt die Leute sie auf,

sich an dem Geglitzer des Wassers erfreuend, andem Klatschen der Wellen, den herben Gerucheinatmend, der von dem gekräuselten Wasserspiegelheranweht, die durch die Enge der Stadt ermüdetenAugen stärkend an dem weiten Blick bis zu demblauen Kamme der Berge und froh das bunte Leben

blauen Kamme der Berge und froh das bunte Lebenbetrachtend, das vor ihnen sich regt mit Knospe undBlüte, Stimme und Flug. Frühmorgens ist es amschönsten hier; dann fallen die Sonnenstrahlen aufdie Wasserflächen und prallen als lange weiße Blitzezurück. Über der Ferne ist ein zarter Duft, und dieNähe ist voller frischerwachten Lebens. An denGräben sprießen in strotzender Kraft gelbgrüneSchwertlilienblätter, und dicke Tautropfen hängen anjeder Knospe.Rundumher klingen Lieder. In einer Woche haben

die Vögel singen gelernt. Der Grünfink hat seinseidengrünes Hochzeitsröckchen angezogen undschnarrt sein einfaches Liebeslied herunter. DerBuchfink, stolz auf seine rote Weste, schlägt seineWeise bis zum Ende durch, die Amsel hat schonbedeutende Fortschritte gemacht, die Goldammer istzwar noch nicht ganz sicher, kommt aber doch meistschon zu Ende, die Lerchen in den Lüften abersingen, als wären sie den ganzen Winter über nichtaus der Übung gekommen, und die Stare auf denPappeln pfeifen in allen sieben Tonarten.In alle diese kleinen Lieder klingt ein lauter, fremder

Ruf, ein Ruf, der gar nicht hierher gehört, der denMenschen an einen gelben, muschelbesäten Strand

Menschen an einen gelben, muschelbesäten Strandund an den strengen Geruch des Meerwasserserinnert. Er kommt von einem großen, weißen,schmalflügeligen Vogel, der, in der Sonne wie Silberblitzend, über den Park hinwegklaftert. Schwarz istsein Kopf, schwarz sind die Fittichspitzen, schlank istder schneeweiße Leib.Eine Möwe ist es, die zur Heimat will, zu den

Felsbuchten Norwegens oder den EisklippenSpitzbergens. Den Winter hat sie an der blauen Flutder Adria verlebt; jetzt zieht es sie heim. Aber nachdem Flug über Berg und Tal, Feld und Wald lockensie die Wellen der Aue; einen gellenden Jauchzerstößt sie aus, der hinter ihr zehnmal beantwortetwird, sie senkt sich, schwebt dicht über dem Wasserhin, fällt darauf ein, und zehn ihrer Gefährten folgenihr.Ganz erstaunt recken die grünschimmernden Stare,

die an den Böschungen watschelnd der Würmerjagdoblagen, die Hälse, und die drei stahlblankenKrähen, die von ihrer Warte, der alten Ulme,Umschau hielten, sind entrüstet über die weißenEindringlinge. Mit ärgerlichem Gequarre hassen sieauf die Möwen, und die fliegen auf, schreien, lachenund schweben hin und her über das Wasser, bis die

und schweben hin und her über das Wasser, bis dieSchwarzkittel müde sind. Da lassen sich die Möwenauf den grünen Inseln nieder, zupfen ihr Gefiederzurecht, recken die langen, schwarzweißenSchwingen, und suchen nach allerlei Fraß, einerSchnecke, einem toten Fischchen, einem lahmenFrosch, den die Wellen anspülten, bis die Krähen siewieder fortjagen, und sie ihnen das Feld räumen undnach dem Flusse hinstreichen.Dort ist das große Stelldichein der fremden Gäste.

Alle fünfzig Schritt schreitet dort eine graue Kräheund überlegt, ob sie sich auf die Heimreise nachRußlands öden Heiden machen solle, oder ob siebesser täte, hier zu bleiben. Die dunkelgraueBachstelze, die an dem Graben entlang wippt,überlegt solches nicht; sie macht hier einen Rasttag,und dann wandert sie weiter, nach Ostfriesland,dann über das Meer nach Helgoland und von da ausüber das schwarz qualmende London nach denHochmooren Schottlands.Auch ihre grauröckige Base mit dem zartgelben

Brusteinsatz denkt nicht daran, bei uns zu bleiben.Sie will Klippen sehen und strudelndes Wasser undMi l l i a rden von Mücken. Nach NorwegensBergwäldern zieht es sie hin. Die Krammetsvögel

Bergwäldern zieht es sie hin. Die Krammetsvögelaber, die hastig auf der Wiese herumfahren undfortwährend scheu um sich spähen, wollen nochweiter, nach Lapplands und FinnlandsBirkenwäldern, wo der Mensch nicht daran denkt, siemit roten Beeren hinter schwarzenPferdehaarschlingen zu berücken. Und ähnlich denktder bunte Bergfink, der mit seinen Genossenquäkend von dem Wäldchen herangestrichenkommt. Die Kiebitze aber, die zu vielen Hundertenden graugelben Schlick nach Würmern absuchen,die wollen nicht so weit. Einen Tag bleiben sie hier,dann teilen sie sich. Viele ziehen zur Heide, anderezum Wendland, wieder andere in den Hümmling unddie Hauptmenge nach Ostfriesland. Die schmalen,schüchtern pfeifenden Pieper, die im gelben Graseherumschlüpfen, machen es gerade so, bis auf diezwei rotbrüstigen ihrer Sippe, die sich abseits halten,wie alle Schweden.Die Kiebitze rufen ängstlich, fliegen hoch, eine

schwarzweiße, lange Wolke bildend, taumeln hin undher und fallen weiter oben ein. Das große dunkleK r e u z, das vom anderen Ufer herüberkam,erschreckte sie. Es ist aber nur der Gabelweih, derFroschesser und Mäusefänger, und so beruhigen sie

Froschesser und Mäusefänger, und so beruhigen siesich schnell. Der segelt, je nach der Beleuchtungschwarz, braun oder goldrot aussehend, in schönemFluge über die Wiesen, kreist über der Wasserflächeund veranlaßt die Enten zu warnendem Gequak.In langer Reihe sitzen diese am feuchten Ufer, ölen

sich das schimmernde Gefieder, suchen im Genistmit den gelben Schnäbeln, watscheln bedächtig zumWasser, steigen hinein, klatschen heftig quakend mitden bunten Flügeln, kehren dann die Hinterseitenach oben und vertiefen sich, gründlich gründelnd, indie Geheimnisse des Wassers. Bis ein alter Erpelwarnend aufquarrt und klatschend über das Wasserläuft; da stiebt die ganze Gesellschaft empor, drängtsich zusammen, streicht gerade aus und steigt dannhöher und höher. Ein Entenpaar aber vergaß beimzärtlichen Geschnäbel die Flucht, und schon ist dasUnheil über ihnen. Der Wanderfalke stößt herab, eheder Erpel den Weidenbusch gewinnt, stürzt mitseiner Beute zu Boden, und die verwitwete Entestreicht mit Angstgekreisch ab.Im Weidenbusch sitzt der Zaunkönig und schimpft

Mord und Brand über den Landfriedensbrecher. Aufeinmal macht er ganz runde Augen und wird ganzstarr. Denn vor ihm, auf dem eingerammten Pfahl,

starr. Denn vor ihm, auf dem eingerammten Pfahl,sitzt auch ein Zaunkönig, aber ein riesiger, fast sogroß wie eine Amsel. Auch der hält den kurzenSchwanz hoch, auch der knickst und dienert genauso wie er selbst, auch der fliegt mit demselbenschnurrenden Flügelschlage, auch der huscht genauso wie ein echter Zaunkönig durch dieWeidenbüsche. Nur ein bißchen dunkler ist er, undeine weiße Weste hat er.Das ist eine Wasseramsel aus Norwegen, die den

Winter bei Verwandten im Harz war. Bis jetzt hat esihr dort gut gefallen, aber nun bekam sie Heimwehund sagte, sie müßte unbedingt fort. Und so ist sieweiter gewandert, so schnell es ihre kurzen Flügelerlaubten, hält sich einen halben Tag hier auf undzieht dann weiter.Und so machem sie es alle, die Fremden, die auf

der Aue einfallen, die Kraniche, die nur ein halbesStündchen dableiben, die Rohrdommel, die den Tagüber in dem Weidendickicht schläft, die Leinfinkenund Schneeammern, Haubentaucher und Säger,Strandläufer und Schnepfen.Eines schönen Tages sind alle fort und an ihre

Stelle treten die Pieper und gelben Bachstelzen,Goldammern und Grasmücken, Rohrsänger und

Goldammern und Grasmücken, Rohrsänger undHänflinge, und was sonst noch lebt und webt in derAue.

Die Tage der tausend Wunder

Schon lange singt die Amsel im Garten, schon lange

der Fink im Walde. Das Schneeglöckchen fiel müdeum, tot liegt der Krokus im jungen Grase. Was dieAmsel sang und der Fink schlug, was dasSchneeglöckchen und der Krokus blühten, wasHasel, Erle und Espe stäubten, was die Märzmottetanzte und der Frosch murrte, Vorfrühling war es,aber der Frühling nicht.Erst als das Lied der Singdrossel vom Eichenwipfel

klang und über die ersten Grasspitzen im Walde dergelbe Falter taumelte, da zog der Frühling in dasLand hinein, hüllte die Kornelkirsche in mattes Gold,hob jedes Zweiges braune Armseligkeit durchschimmernde Knospen und vollbrachte tagtäglichtausend schöne Wunder.Das ist schon lange her. Nicht mehr grüßen wir

jedes grüne Blättchen mit frohen Augen, liebkosennicht mehr jedes schwellende Knöspchen mitfreundlichen Lächeln; es sind der Blätter zu viele undüber genug der Knospen, und da es überall singtund klingt, tanzt unser Herz nicht bei jedem

und klingt, tanzt unser Herz nicht bei jedemVogelliede, wie an jenem Tage, da die ersteMärzdrossel sang, der erst gelbe Falter flog, desersten Märzblümchens Blauaugen aus fahlem Laubesahen. Wir wurden der kleinen Wunder gewöhnt undsehnten das große Wunder herbei, das Wunder derAllbegrünung des Waldes, und wir zürnen demOstwind, der dem Frühling die Hände band.Er hat es gut gemeint, hat pfleglich gehandelt, daß

er dem Westwind wehrte und dem Regen und derSonne die Kraft nahm. Des Menschen Herz wirdallzuschnell satt, danklos wendet es sich am Zieleab, achtet das lange ersehnte Geschenk gering unddürstet nach der Wonne der Vorfreude. Eilig ist dieJugend, kurz ist der Frühling; was heute weich undfrisch ist, ist morgen hart und staubig. Der Ostwindwußte was er tat, als er den Vorfrühling festhielt undden Frühling warten hieß.Herrlich ist der Frühling, und prächtig ist der Mai,

aber so süß wie der Vorfrühling, so köstlich ist ernicht. Wonnig ist die goldene Maienwiese, aber solabt sie uns nicht, wie die erste Blüte des braunenWaldbodens, wie das erste Blättchen am kahlenZweig, und tönt im Mai auch der ganze Wald, singtjeder Ast und klingt jeder Zweig, blüht jedes

jeder Ast und klingt jeder Zweig, blüht jedesFleckchen und glüht jedes Eckchen, das großeZauberwerk erhebt uns nicht so sehr wie diewinzigen Wunder, aus denen es entstand.Jedes von ihnen genossen wir einzeln, kosteten es

für sich aus. Wir sahen das Windröschen mitdemütig gebogenem Halse sich durch das Fallaubstehlen, wartend und frierend, bis die Sonne ihm Mutzusprach und ihm das blasse Gesichtchen rötete,sahen den gelben Falter fliegen, den ersten, undunser Herz machte einen Sprung, und bei jedem,den wir sahen, sprang es hoch in die Höhe. DerGraudrossel Lied entdeckten wir und trugen es heimals einen großen Schatz. Jeder Tag brachte neueWunder, liebe Gaben. Im kalten Gewirre desStangenholzes brannte eine grüne Flamme; dieTraubenkirsche schoß in das Laub und machte sichzum Mittelpunkte des ganzen Waldes. WildeEifersucht durchfuhr den Weißdorn. Unnahbar stander da in grauer Frostigkeit; nun aber platzten vorGrimm seine Knospen, neidisch grüne Blättchenquollen aus ihnen hervor und reckten und strecktensich um die Wette mit dem prahlenden Grün desTraubenkirschenbusches.

Das Winterlaub der Buchenjugenden, das Altlaubder Brombeerranken, die mit hartem Kupferglanz undschwerem Bronzeton weit und breit herrschten,merkten, daß ihre Tage gezählt sind, blaßten ab,schrumpften ein, verdrängt von quellenden Knospen;ihre Zeit ist um, ihr Herbst ist da, ihre Todesstundeist gekommen. In das Vorjahrslaub fällt Blatt um Blatt,und die Windröschen spreizen hastig ihre Blätterdarüber. Und nun, aus Angst, von der Rotbucheüberflügelt zu werden, drängt die Weißbuche sichvor, betont jeden ihrer Zweige mit blitzendemGeschmeide, regt sich, rührt sich und hüllt sich insilbergrünes Gefunkel.Unwillig sieht es der Ebereschenbaum. Er schickt

Befehle nach den entferntesten Wurzeln, treibt siean, hetzt sie auf, und eifrig saugen sie aus Mulm undMoos Saft und Kraft und geben die Säfte demStamme und die Kräfte den Zweigen, und ehe essich die Hagebuche versieht, spreizt sich unter ihr,von oben bis unten in blankes Silber gekleidet, dieEberesche, funkelnd und gleißend im Sonnenlichte,stolz im Bewußtsein, der allerschönste Baum zu seinim ganzen Walde. Der Ahorn aber öffnet seineTruhen, nimmt das goldene Seidengewand hervorund stellt sich keck neben die Eberesche, und die

und stellt sich keck neben die Eberesche, und dietauscht ihre kalte Silberpracht mit warmem Grün, undunterdessen die beiden sich noch zanken, wer amschönsten sei, hat die Hainbuche noch mehrSmaragden umgehängt und drängt stolz Ahorn undEberesche zurück.Nebenan ist derselbe Kampf im Gange. Die dunkle

Kiefer, die düstere Fichte, die immer noch schliefen,erwachen langsam und beginnen, sich faul undschläfrig zu putzen. Keiner weiß, wie sie es machen,aber tagtäglich hellt sich ihr Nadelwerk auf, färbt sichihr Geäst, tauchen mehr strahlende Kostbarkeiten inihren dunklen Kleidern auf, bis darin Topaseleuchten, Smaragde schimmern, Rubinen glühen.Aber ehe sie soweit sind, dreht sich die Bickbeere zuihren Füßen dreimal vor dem Spiegel hin und herund ist über und über behängt mit dem köstlichstenPerlengeschmeide, und sie lacht die ernsten undbedächtigen Leute übermütig aus, vorzüglich denFaulbaumbusch, der immer noch dürr und leerdasteht, als hätte er noch wer weiß wie viel Zeit.Nachher muß er sich sputen und wird doch nichtfertig, und noch im Herbst trägt er bei den reifenBeeren grüne Früchte und junge Blüten, steht, wennalles rot und bunt ist, im grünen Sommerkleide

alles rot und bunt ist, im grünen Sommerkleideherum, und zieht dann Hals über Kopf das gelbeHerbstgewand an, das er drei Tage tragen darf,denn länger erlaubt es der Winter ihm nicht.Da ist das Geißblatt vorsichtiger. Jeden

Sonnenstrahl im Winter nutzte es aus und prangteschon im Januar mit großen grünen Blättern. Aberwie es so ist, launenhaft und krausen Sinnes, mußes sich im Frühling abermals über seine Brüdererheben, und wenn die anderen Bäume undSträucher grüne Blätter treiben, färbt es die seinigenschnell zu vorlautem Kupferrot, und wenn alleanderen Büsche Früchte ansetzen, hängt es einenWirbel wachsweißer Blüten in sein grau gewordenesLaub. Aber wenn der erste Reif das Gras zerbricht,dann prahlt mit frechem Granatschmucke derzeitlose Busch.Während nun alle diese Bäume und Büsche sich

um die Wette bemühten, ihre Frühlingskleideranzulegen, und täglich neue Künste trieben, standendie Rotbuchen da, als ginge sie das alles nichts an.Sie trugen gelassen ihr strenges, graues, schwarzund grün gestreiftes Winterkleid und nahmen sichk a u m die Muße, ihre Knospen für das Festvorzubereiten. Bis dann der Tag kam, an dem der

vorzubereiten. Bis dann der Tag kam, an dem derWest mit dem Ost sich balgte, bis es ihm gelang, inden Wald einzudringen und eine Handvoll Regenhineinzusprühen. Da spannten sich die harten,spitzen, trockenen Knospen, sie wurden weicher,runder und saftiger. Aber eine Woche lang wartetensie noch, bis der Westwind wieder eine erquickendeSpende über sie goß, und nun konnte dort und daein Zweig den Mut nicht halten, die goldenen Hüllenzerstoben, und unten um die kalten Silberstämmetanzten smaragdene Falter, erst einige wenige, hierein Trüppchen, dort ein Flug, bis ein langerNachtregen kam, Scharen der grünenSchmetterlinge aus den Knospen lockte und dasAstwerk mit einem grünen Geflimmer erfüllte, dassich von Tag zu Tag vermehrt, bis alle anderenFarben am Himmel und am Boden davorverschwanden.Heute schon ist viel verschwunden, was gestern

noch da war. Jüngst standen die Stämme derBuchen noch so scharf abgerissen im roten Laube;jetzt verschmelzen sie gänzlich mit dem grünweißenEstrich. Ihr blankes Silber verlor seinen eisigen Blick,ihr giftiges Grün sein freches Starren, ihrunheimliches Schwarz sein böses Gesicht. Die

unheimliches Schwarz sein böses Gesicht. DieStechpalmenhorste zu ihren Füßen, die sofrühlingsgrün aus dem Schnee leuchteten und solustig aus dem toten Laube blitzten, sie bedeuten garnichts mehr gegen das viele junge weiche Grünringsumher, und wo sie noch sichtbar werden, wirkensie hart und lieblos.Der Frühling hat einen leichten Sinn, und kurz ist

sein Gedächtnis. Eben noch bot das rote Laub amBoden seinem ersten Grün einen herrlichenHintergrund, heute schon schiebt er es beiseite,schämt er sich des Erbgutes des Winters undbedeckt es hastig mit tausenderlei Grün undhunderterlei Farbe, damit niemand merke, daß er alleseine Schönheit und Frische und Jugend dem totenLaube und den welken Blättern zu danken habe, undalle Freude verläßt sein Antlitz, erinnert ihn derOstwind mit rauhem Worte an seine Herkunft, mitroher Hand aus Grün und Blüten die vergilbten,vergessenen Erinnerungen zerrend. Dann schauertder Frühling zusammen und sieht zitternd in diefahle, trockene Zukunft.Einen Augenblick später vergißt er die Angst vor ihr

und schafft emsig weiter, Wunder neben Wunderstellend, mit liebreichen, weichen Händen. Die harte,

stellend, mit liebreichen, weichen Händen. Die harte,zackige Ranke der Brombeere schmückt er mitweichen, runden Flöckchen, er lockt aus dem steifenHolunderbusch mildes Blattwerk, webt um düstereMoospolster einen lichten Schein, macht demschüchternen Waldklee Mut, daß er sich im kaltenSchatten der Fichten hervorwagt, rollt mit spielendenFingern die ängstlichen Farnwedel auf, verhüllt diesparrigen Lärchenbäume mit zartgrünen Schleiern,erweckt des Pfaffenhütchens Selbstbewußtsein, derWeide Ehrgeiz, der Erle Willenskraft und wagt sichschließlich sogar an die Eiche heran, die abweisendund unnahbar alle seine Liebe immer wieder vonsich stößt.Bis auch für sie die Stunde schlägt, für sie der Tag

kommt, der alle ihre Knospen sprengt, der Tag dertausend Wunder.

Die Wallhecke

Vor Zeiten, als noch Ur und Wisent bei uns hausten,

der Grauhund das Elchkalb hetzte und der Adler denWildschwan dort schlug, wo heute keine Spur mehrvon ihnen allen zu finden ist, ließen sich blondeMänner, die von Norden kamen, hier in dembruchigen Gelände nieder.Gerade hier, an der besten Stelle weit und breit, wo

sich sowohl fruchtbares feuchtes Marschland wieauch sandiger Esch fand, setzte sich ein Bauer festund baute sich ein festes Haus, dessen Rohrdachauf beiden Seiten bis auf den Boden reichte, undd a s auf einem starken Unterbau von großenFindelsteinen ruhte. Hoch ragte es mit seinemspitzen Giebel, aus dem der weiße Herdrauchherausfloß, über das Buschwerk des Eschs hervor,das erste feste Haus hier in der Gegend, und wennabends der rote Feuerschein aus seiner Einfahrtleuchtete, heulten ihn die Wölfe an, wie sonst dasMondlicht.An diesem Unzeug fehlte es in der Gegend nicht

und auch nicht an Bären und Luchsen, und

und auch nicht an Bären und Luchsen, undderentwegen und damit ihm sein Weidevieh nichtvon den Wildochsen verführt werde, zog der Bauereinen Wall und einen Graben um den Hof. Den Firstdes Walles bepflanzte er mit Eichen undHagebuchen, Weißdorn und Schwarzdorn, und dader Wind und die Vögel allerlei Samen von Bäumenund Büschen herbeiführten, so wuchs auf dem Wallschließlich eine dichte Hecke, zumal da der Bauer,um sie gegen Mensch und Tier nochundurchdringlicher zu machen, die jungen Bäumeniederbog und mit den Köpfen eingrub, so daß siesich auch am Kopfende bewurzelten.So wie dieser Bauer, so machten es alle, die sich,

jeder für sich, in dieser Gegend niederließen undden Busch rodeten. Sie umgaben aber nicht nur ihreHausstätte mit Wallhecken und Gräben, sondernauch die Weidekämpe und die Ackerstücke, die sienach und nach dem Urlande abgewannen, einmalder Raubtiere wegen und dann auch des Wildeshalber, das ihnen sonst zu viel Schaden an derFeldfrucht tat, denn dem Rotwild gelüstete es nachdem milchenden Hafer, und die Sauen waren sehrerpicht auf die Rüben. Da es nun von Jahrhundert zuJahrhundert immer mehr Bauern in dem Lande

Jahrhundert immer mehr Bauern in dem Landewurden, denn der Boden war fruchtbar, und vieleKinder galten als schönstes Gottesgeschenk, soüberzog sich das ganze Land bald mit einem Gewirrevon Wallhecken, die alle undurchdringlich waren,und deren Zugänge durch Schlagbäume, die mitSchlehdornzweigen umwickelt waren, versperrtwerden konnten.Die wenigen Straßen, die sich der Verkehr

allmählich bahnte, waren zumeist Hohlwege, diezwischen hohen Wallhecken dahinliefen undebenfalls mit Schlagbäumen gesperrt werdenkonnten, denn die Zeiten waren oft nicht friedlicherArt; fremde Scharen erschienen, Sommerfahrer vonden Inseln im Nordmeere, die plündernd, sengendund mordend durch das Land zogen, oderWeidebauern, die, von den Steppenvölkernverdrängt, neue Wohnsitze suchten, auch wohlganze Haufen wilder Reiter aus dem Osten, derenSpuren durch niedergebrannte Weiler undSchädelmäler bezeichnet waren. Sie richteten aberi n diesem Lande nicht allzu viel aus. Es war ihnenunheimlich mit seinem Gewirre von Verhauen undSchlagbäumen, hinter denen, von unsichtbarenHänden geschnellt, Pfeile und Speere

Händen geschnellt, Pfeile und Speerehervorgeschossen kamen, und sogar die römischenTruppen waren froh, wenn sie das ungemütlicheLand mit seinen nassen Gründen und dürrenHeiden, seinen Gräben und Hecken, Hohlwegen undLandwehren hinter sich hatten; als schließlich Varussamt seinen Legionen von den wütenden Bauernunter die Füße getreten war, ließen sie sich nichtwieder blicken.Was sollten sie schließlich auch mit einem

Stückchen Land anfangen, in dem es weiter nichtszu holen gab als nasse Füße und Schrammen?Sobald die römische Vorhut in Sicht kam, ging an

allen Ecken das Tuten und Blasen los, undHillebillen und Hörner brachten die üble Kunde vonGau zu Gau. Dann fielen alle Schlagbäume wie vonselber herunter, die Gräben und Hohlwege fülltensich mit Wasser, die Engpässe wurden mit Bündelnund Dornzweigen ungangbar gemacht, und wenndann die Legionäre fluchend und schimpfend bisüber die Enkel durch den zähen Kleiboden watetenund endlich zu einem Gehöfte kamen, dann fandensie nicht Kuh und Kalb, nicht Huhn noch Ei mehr vor;alles, was irgendwie Wert hatte, hatten die Bauern indie entlegene Wasserburg im unwirtlichen Moore

die entlegene Wasserburg im unwirtlichen Mooregeflüchtet, und da saßen sie, aßen zu ihremschwarzen Brote ihren guten Schinken mit Behagenund machten sich über das hergelaufene Volk lustig,das sich beim Herumkriechen zwischen denWallhecken die Gesichter schund. Wenn es sichdann verkrümelt hatte, so kamen sie aus ihrenVerstecken heraus und lebten wieder wie zuvor.Späterhin aber brach der Franke in das Land ein,

und mit dem wurden die Bauern nicht so gut fertigwie mit den Römern, denn er war zähe wie Aalleder.Über das ganze Land warf er seine Besatzungen,und schlug ihm Herzog Weking auch noch so oft aufdie Finger, kaum waren sie heil, so war er wieder da.Da half auch die Wallhecke nichts mehr, undknurrend und brummend mußten die Bauern kleinbeigeben, dem Wode und der Frigge entsagen undihre blonden Köpfe dem Taufwasser hinhalten, undwenn auch manch einer von ihnen noch ab und zunach dem Wodeberge hinpilgerte, um nach der VäterWeise dem Altvater der Götter ein weißes Roß unterdem heiligen Baume auf dem großen Steine zuopfern, mit der Zeit ließen sie das sein, denn zugefährlich war ein solches Werk, dieweil derFrankenkaiser Todesstrafe darauf gesetzt hatte. So

Frankenkaiser Todesstrafe darauf gesetzt hatte. Sozahlten sie Zins und leisteten Frone und beugtensich dem Christengotte.Die Zeiten kamen, die Zeiten gingen; Gutes und

Böses brachten und nahmen sie; die Wallheckenaber blieben. Es wurden ihrer sogar immer mehr,obschon sie Bär und Wolf, Ur und Elch nicht mehrabzuhalten brauchten, denn die waren schon langeausgerottet, wie denn auch Hirsch und Sau das dichtbesiedelte Land mieden. Aber immer noch umgabder Bauer seine Hofstatt, seine Weidekämpe undAckerstücke mit Wall und Graben, denn er war sieeinmal gewöhnt, diese dichten Verhaue aus Eiche,Hagebuche, Birke und Espe, Weißdorn und Schleheüber den moosigen, dicht mit den Wedeln desEichenfarns bekleideten Wällen, die im Frühlingsilbern von Schlehenblüten sind, und von denen imSommer das Jelängerjelieber seinen schweren Duftin die Abendluft sendet, in deren krausem Astwerkdie Nachtigall schlägt, Rotkehlchen und Mönchbrüten, wo die Elster und der Markwart baut, undvom knorrigen Eichenstumpfe um dieSchummerstunde das Käuzchen ruft. Ein Land ohneWallhecken konnte sich der Bauer in dieser Gegendhier gar nicht vorstellen, und nichts dünkte ihm

hier gar nicht vorstellen, und nichts dünkte ihmschöner, als am Sonntagnachmittag nach der Kirche,seine Eheliebste hinter sich, die kurze Pfeife imMunde, zwischen Feld und Wallheckedahinzuschlendern und seinen Roggen anzutreiben.In der Wallhecke hat er als kleiner Junge gespielt,hat Sappholz zum Flötenmachen geschnitten,Vogelnester und Himbeeren gesucht, auch wohl, alser zum Hütejungen heranwuchs, Hasen undKaninchen geströppt und die ersten Rauchversuchegemacht; und so liebt er sie von Herzen.Hatte sie doch auch in wirtschaftlicher Hinsicht

keine geringe Bedeutung für ihn. Je stärker dasLand bebaut wurde, um so mehr verschwanden dieWälder und Haine, und so mußte die Wallheckeschließlich zum Teil den Bauern das Feuerholzliefern. Je nach Bedarf holte er sich eine der altenknorrigen, krumm und schief gewachsenen Eichenoder Hagebuchen von ihr und pflanzte junge Heisteran ihre Stelle, und auch die Stecken für dieFlachtenzäune, die Peitschen-, Harken-, Beil- undSpatenstiele und Holz zu allerhand anderen Gerätenmußte sie ihm liefern, desgleichen Maibüsche, umdas Haus zu Pfingsten zu schmücken, und Efeu undImmergrün, um die Gräber zu bepflanzen. So war sie

Immergrün, um die Gräber zu bepflanzen. So war sieihm in vieler Weise nützlich. Außerdem hatte ereingesehen, daß sie vielen Vögeln Unterschlupf bot,die das Ungeziefer kurz halten, und von dem Ilk, demIgel und dem Wiesel, die dort hausen, wußte er, daßsie dem Mausevolke nachstellen, so sehr, daß seitMenschengedenken das Land hier keinenMausefraß ausgestanden hat. Sollte er darum alsodie Wallhecke nicht ehren und achten, auch wennüberkluge Leute ihm vorredeten, sie nähme zu vielPlatz ein, beschatte das Ackerland zu sehr undhagere mit ihrem Wurzelwerke den Boden aus?Steht anderswo der Roggen so, daß ein großerMann samt dem Hute auf dem Kopfe darinverschwindet? Und wo gibt es Weizen, der solcheÄhren hatte, so dick wie ein Finger? Und was siehtwohl besser aus, so eine schöne grüne, lebendigeWallhecke, bunt von Blumen und laut vonVogelgesang, oder ein Zaun aus totem Holz undkaltem Draht?So dachte er einst; heute denkt er nicht mehr so.

Der neue Wind, der von Ost nach West weht, undder das hohe Lied von der alleinseligmachenden,baum- und buschlosen Getreidesteppe nach einerWeise singt, die nicht nach deutscher Art klingt, hat

Weise singt, die nicht nach deutscher Art klingt, hatihm so lange in die Ohren getuschelt, bis er sichaltväterisch und rückständig vorkam, die Axt von derWand und die Hacke aus der Ecke langte und sichdaran machte, das Wahrzeichen seines Landes,seiner Väter Erbe, mit Stumpf und Stiel auszuroden.Wo noch vor zehn Jahren Mönch und Nachtigallsangen, Elster und Käuzchen brüteten in den grünenWallhecken, da reiht sich Feld an Feld, und vomdürren Zaunpfahle oder vom häßlichenStacheldrahte schallt das blecherne Geplärre derGrauammer, des Vogels aus Ostland, des Sängersd e r langweiligen Getreidesteppe, ein abstoßenderKlang den Ohren der Einheimischen, aberangenehm den Leuten klingend, die, aus Ostenkommend, bei dem Bauern, dem die Städte dasGesinde nahmen, schanzen, und deren Sprache undArt ihm ebenso fremd und unschön dünkt wie dasLied des grauen Vogels, den sein Vater noch nichtkannte, und der sich unter der Erde umdrehenwürde, könnte er sehen, was aus den Wallheckenwurde, die ihm so lieb und teuer waren. Es ist nichtnur das Gesicht der Landschaft, das durch dasAusroden der Wallhecken seine schönsten Zügeverliert, es ist nicht nur die Tierwelt, die dadurch

Einbuße erleidet, auch des Bauern innere Art wirdsich, und wohl kaum zum Besseren, verändern, gehtdas ureigenste Wesen seines Landes zum Teufel.Die schöne, hier und da wohl einmal schädlichwirkende, im großen und ganzen aber zur Vertiefungund Verinnerlichung führende Abgeschlossenheit,die den Bauern auszeichnete, wird ihm verlorengehen. Kahl wird er in seinem Gemüte werden, kahlund arm, wie alles Volk, dem sein Land nicht mehrbietet als Brot und Geld. Verschwinden werden diewundervollen Sagen und Märchen, an denen dasLand so reich ist, verklingen werden die schönen,alten Lieder, die die Mädchen singen, wenn sie amoffenen Feuer das Spinnrad treten, zuherkömmlichem Brauche wird die tiefgründigeFrömmigkeit verflachen, die des Bauern ganzesLeben nährte.Dann, wenn es zu spät ist, wird das Volk einsehen,

was es tat, als es ein Ende machte mit derWallhecke.

Zur Osterzeit

Jeden Morgen schien die Sonne; aber ehe ihre

Strahlen noch Wärme verbreiteten, kam derSüdwestwind über den Berg, hing graue Vorhängeüber die Sonne, färbte das zarte Graurot der altenDächer des Städtchens zu totem Schwarzgrau umund überflutete Wege und Stege.Ab und zu verschnaufte der grämliche Wind und

ließ der Sonne einen Augenblick Zeit, ihre Lieblinge,die stolzen Kaiserkronen und die leuchtendenHyazinthen, die Aurikeln und Narzissen abzutrocknenund aufzurichten. Dann pfiffen sogleich alle Stare,dann flötete jede Amsel, die Spatzen schilpten, dieRauchschwalben zwitscherten und hoben sich hochin die Luft, und der Wendehals erfüllte die ganzeGartenstraße mit seinem Gekicher. Nur der Buchfinktraute dem Landfrieden nicht und ließ unermüdlichseinen Regenruf erschallen.Ich lasse ihn rufen und gehe zum Tore hinaus, an

grünen Stachelbeerhecken vorbei, in denenBraunelle und Müllerchen singen, unter gewaltigen,von fetten Knospen strotzenden Linden her, in denen

von fetten Knospen strotzenden Linden her, in denenStieglitz und Grünfink schwatzen, und deren kahlerZweige Farblosigkeit hier und da eines Ahornbaumesgoldene Blumenfülle unterbricht. Zur Linken hinterdem blauen Geklumpe der Berge quellen dickeweiße Wettertürme herauf, von rechts her klingt desGrünspechtes, des Regenverkünders, Gelächter;aber noch scheint die Sonne, läßt den kahlen,knospenbedeckten Buchenwald dort oben rotaufleuchten, gibt den sprießenden Lärchen amdunklen Fichtenhang ein helleres Grün, übergießtden kahlen Berg mit silbernem Schein und wirft aufdie grüne Saat und den roten Acker eine Flut vonLicht und Glanz.Gestern war hier alles tot, grau und stumpf; heute

ist Leben hier, Farbe und Freude, denn die Sonne,die liebe Sonne ist da. Sie grüßen die Hähne desDörfchens hinter dem Berge, ihr singen Goldammerund Blaumeise; wo sie hinfällt, schwillt und quillt dasMoos am Stamme, reckt und streckt sich die jungeSaat, jeder Vogel singt und klingt, alle Knospenstrotzen und protzen, hell glühen die Berge auf, dieihr Schein trifft, weiß leuchten des Berges krummeStraßen in ihrem Strahl, und das ganze Tiefland wirftsich schnell in ein frohes Festkleid.

sich schnell in ein frohes Festkleid.Leichter geht sich der steile Weg in der Sonne,

leichter als gestern. Das bunte Farbenspiel in derRunde, die Drossellieder ringsumher, dasmannigfache Leben auf der Flur und in den Wipfelnmacht meine Füße schneller. Dort jagen sich dreirote Hasen auf grüner Saat, hier schreiten zweiblanke Krähen auf rotem Acker, da wippt derSteinschmätzer von Rain zu Rain, hier schwebenTauben über den Wipfeln, drüben unter demWaldschlößchen ziehen die Rehe über das Feld, undvom dürren Anger hebt sich singend die Heidlercheempor. Aber das rechte Leben ist hier noch nicht. Zuhart pfeift der Wind, läßt die Silberknospen derHeckenkirsche langsamer sich erschließen als imgeschützten Busch, erlaubt den Windröschen nicht,sich zu entfalten, und den Schmetterlingen wehrt erfrohen Flug und tändelnden Tanz. Darum ist es auchstill hier oben auf der Höhe; doch von dorther, wohinder Wind nicht kommen kann, klingen laut Lieder.Aber hier, im niederen Buschwalde, herrscht der

Frühling unumschränkt. Da schießt und sprießt dasüppige Grün in vielfacher Form aus dem fettenBoden, da leuchten aus faulem Laub und totemGeäst Blumen mannigfacher Art. Goldstern und

Geäst Blumen mannigfacher Art. Goldstern undHahnenfuß glänzen dort in den Farben der Sonne,darüber nicken der Himmelsschlüssel zarte Blüten,Blau und Rot bringen die Lungenblumendazwischen, und Rosenrot und Lilienweiß dieWindröschen.Hier hat der Regen den Frühling nicht ertränkt, hier

hat er ihn erfrischt. An jeder Knospe hängt einGlitzertropfen, in jedem Blattquirl liegt eineSchimmerperle; warm und feucht, wie in einemTreibhause, ist hier die Luft. Und so weiß derAaronstab gar nicht, wie üppig er wachsen soll; dieKnabenkräuter spreizen saftige Blattrosetten, dasLabkraut strotzt vor Kraft, der Bärlauch von Frische,das böse Bingelkraut sucht die Türkenbundschossetot zu machen, den zierlichen Hasenklee und denblanken Haselwurz.Heiß fällt das Sonnenlicht auf diese Fülle von

jungem Grün und lockt alles zu frohem Lebensdrang,was den hellen Tag liebt. Der Mönch singt und singtohne Unterlaß, der Weidenlaubvogel unterbricht seinGejubel nur, um ein Mückchen aufzuschnappen,Graudrosseln und Amseln pfeifen ringsumher, undalles ist erfüllt vom Geschmetter der buntenBuchfinken.

Buchfinken.Ein rotes Eichkätzchen schlüpft von Zweig zu

Zweig, vor lauter Lustigkeit mit dem buschigenSchwanze schnellend und vergnügt kullernd undfauchend, so daß die beiden Rehe, die langsam denGrenzgraben entlang ziehen, ganz erstaunt nach ihmhinäugen. Mit den kohlschwarzen Geäsen rupfen siedie zierlichen Blütchen der Hainsimse und diefrischen Triebe des Weißdorns und treten, als dieunbeständige Luft ihnen meine Witterung zuträgt, indie Dickung hinein.Am Grenzgraben schlendere ich entlang, an den zu

seltsamen Gespenstern verrenkten Hainbuchenvorbei, um die Geißblatt und Waldrebe ihre Rankengeschlungen haben. Ein großer Raubkäfer wildert imalten Laube, eine dicke Weinbergschnecke kriechtbedächtig über das Moos und über die in der Sonneliegende Blindschleiche, deren silbernerSchuppenleib mit veilchenblauem Punkten bestreutist.Aus dem stillen warmen Busche heraus komme ich

wieder auf die Straße, wo der Wind rauh und lautweht. Jenseits im hohen Buchenbestande hat ernoch Kraft, aber er bleibt bald zurück und bricht sichan den Kronen. So kann der Baumpieper über dem

an den Kronen. So kann der Baumpieper über demfahlen Kahlschlage getrost sein Tanzlied singen,kann die Meise im blühenden Traubenholunderbalzen, kann das Rotkehlchen im sprießendenWeißdorn singen und der Zaunkönig aus derRosenblütenpracht des Seidelbastes sein keckesGeschmetter erschallen lassen. Wechselnde Bilderbietet der Weg: dürre Halden mit grauemSteingetrümmer und bleichen Schneckenhäusern,kahler Buchenwald mit dem Rufe versteckterRingeltauben, Fichtenbestände, von Meisenruf undGoldhähnchengezwitscher erfüllt, feuchte Quertäler,besät mit der Blütenfülle der Schlüsselblumen,lichtes Haselgebüsch, durchjubelt von Vogelrufen,über bunten Lungenblumenbeeten.Großes und kleines Leben ist überall. Viele hundert

Drosseln und Kernbeißer vereinigen sich hier zueinem Sängerfeste seltsamer Art. Dort folgt hastigLampe, der gute Mann, der Liebsten Spur, überall imMoose und Laube ist ein Wühlen und Rascheln,Knistern und Krispeln, in jeder Krone ein andererGesang. Laut flötet die Spechtmeise, gellend ruft derBuntspecht, der Häher ahmt alle anderen Vögel nachund macht aus ihren Liedern ein närrisches Allerlei,und der Wildtäuber klatscht ihm laut Beifall.

und der Wildtäuber klatscht ihm laut Beifall.Alle haben sie die Sonne gern, sogar der dicke

Kauz hat sich breit aufgeplustert und findet, daß ihmdie Wärme gut bekommt. Auch Frau Reinecke, dieda irgendwo in der Dickung ein halbes DutzendGiermäuler zu versorgen hat, macht es sich auf demmoosigen Buchenstumpf bequem und läßt sich dieSonne auf den ruppigen Balg scheinen. Aber eindürrer Zweig verriet mich ihr, hastig fährt sie durchdick und dünn, von dem Geschimpfe des Hähersverfolgt. Der starke Bock aber mit dem hohen,weitausgelegten Gehörn äugt mir ruhig nach; es hatso lange nicht mehr geknallt, und er meint, endlicheinmal müßte der Mensch aufhören, ihmnachzustellen.Langsam zieht er vor mir her, und ich schleiche ihm

von Baum zu Baum nach. Hier pflückt er einHälmchen, dort rupft er ein Blättchen, bis er sicherinnert, daß sein Gehörn noch nicht ganz blank ist.Und so plätzt er erst unter dem Weißdornbusch, daßLaub und Moos fliegen und Blätter und Blumenwirbeln, und bearbeitet dann mit dem Gehörn dengrünen Busch, daß von der ganzen jungenHerrlichkeit so gut wie nichts mehr übrig bleibt.

Endlich hat er genug und zieht über dieBodenwelle, und ich bummele weiter durch denherrlichen lichten Bestand, mich an den stolzenEichen, hochschäftigen Buchen, kräftigen Fichtenund ragenden Birken freuend, bis der geschlosseneBuchenwald mich aufnimmt mit seinem hellgrünenBodenteppich, über dem überall die gelbenHimmelsschlüssel nicken.Auch dieses Stück Wald nimmt ein Ende; rotlaubige

Buchenjugenden, schwarzgrüne Fichtenbestände,Buschwald mit buntem Bodenflor wechselnmiteinander ab, hier und dort von kleinen grauenSteinbrüchen mit schön geschichteten, moosigenWänden unterbrochen, aus denen einTraubenholunder oder ein Rosenbusch die Zweigestreckt.Viele Wege führen von der Straße ab, jeder bietet

Schönes und Feines. Gern folgte ich dem einen oderdem anderen, doch meine Zeit ist um, und ich steigeden steilen, steinigen Pfad hinab, der mich aus demjungen Frühlingswalde hinausführt in die alte Stadt,in deren Gärten es überall singt und klingt, wieallerorts jetzt zur Osterzeit.

Die wünderschönste Blume

Alle Blumen ohne Ausnahme sind schön. Auch die

kleinen und unscheinbaren haben ihre Schönheiten,auch die seltsamen und unheimlichen ihre Reize.Man kann nicht sagen, welche Blume am schönsten

ist. Der eine liebt der edlen Rose volle Formen, derandere des Heckenrösleins schlichte Gestalt. Dieserwieder freut sich an des Maiglöckchens zierlichemBau, jener an der Würde der Lilien. Den dünkt keineherrlicher als des Flieders leuchtende Rispe, derwieder zieht der Heide winzige Blüte vor.Auch die Blumen sind der Mode unterworfen, auch

von ihnen werden einige heute gefeiert und morgenmißachtet. Dem Tulpenkultus folgte derDahliensport, dann errang die Hyazinthe großeErfolge, diese wich dem Chrysanthemum, das jetztvor den wunderbaren und wunderlichen Orchideender Tropen in den Hintergrund tritt.Auch die wilden Blumen sind von der Mode

abhängig, wenn auch nicht so sehr wie dieGartenblumen. Immer hat man das Windröschengeliebt, stets hat man sich am ersten Veilchen

geliebt, stets hat man sich am ersten Veilchengefreut, zu allen Zeiten Himmelsschlüsselgebrochen.Eine Blume aber war nie modern und wird nie

modern werden. Sie ist zu gewöhnlich, zu gemein.Sie steht an jedem Wege, sie wächst auf allenWiesen, blüht auf jedem Anger, selbst zwischen denPflastersteinen fristet sie ihr Leben und wuchert aufdem Kies der Fabrikdächer. Jedes Kind kennt sie,jeder Mensch weiß ihren Namen, alle sehen sie,aber keiner macht Aufhebens von ihr, sagt, daß sieschön sei.Das ist der Löwenzahn, die Butterblume, die

Kuhblume, die Kettenblume der Kinder, deren kleinegoldene Sonnen in jedem Rasen leuchten, in jedemGrasgarten strahlen, an allen Rainen brennen, somassenhaft, so tausendfach, so zahllos, daß man sienicht mehr sieht, weil man sie überall zu sehengewohnt ist. Und deshalb hält man es nicht für derMühe wert, sie zu betrachten und sich ihrer feinenSchönheit, ihrer vornehmen Form, ihrer leuchtendenFarbe zu erfreuen. Nur die Kinder lieben sie.Vielleicht nicht deshalb, weil ihnen die Schönheitdieser Blume zum Bewußtsein kommt, sonderndeshalb, weil es die einzige ist, die sie immer und

deshalb, weil es die einzige ist, die sie immer undüberall pflücken dürfen. Kein Wärter knurrt, keinBauer brummt, wenn die Kleinen sich ganze Händevoll davon abrupfen; sie sehen es sogar gern, dennes ist ein böses Unkraut, der Löwenzahn, einGrasverdränger und Rasenzerstörer, gegen den alleArbeit und Mühe nichts hilft.Eine Woche lang kann die alte Frau sich mit steifen

Rücken mühsam bückend Busch an Busch ausihrem Grasgarten stechen; der Wind bläst die Samenheran, die lustigen braunen Kerlchen mit demsilbernen Federkrönchen, niedliche grünePflänzchen wachsen auf ihnen, treiben festePfahlwurzeln in den Boden, und über das Jahr kanndie alte Frau wieder in ihrem Garten stehen undjäten, bis ihr das Kreuz lahm ist. Als die alte Fraunoch ein kleines Ding war, da hat sie sich nicht überdie Butterblumen geärgert. Da hat sie sich die ganzeSchürze voll davon gesammelt, hat sich unter denalten Apfelbaum gesetzt in das grüne, mit weißenApfelblütenblättern dicht bestreute Gras, hat Stiel umStiel gedreht, bis der Kranz fertig war, ihn sich aufdas blonde Haar gesetzt, ist in die Stube gelaufen,auf den Stuhl geklettert, hat vor dem Spiegel lachenddie von dem Milchsaft der Stengel schwarz und

die von dem Milchsaft der Stengel schwarz undklebrig gewordenen Händchen zusammengepatschtund gemeint, sie sei die Königin.Und da eine Königin nicht nur eine Krone, sondern

auch Geschmeide haben muß, so ist die Königin inden Grasgarten gegangen, hat sich wieder auf ihrengrünen, weißgestickten Thron unter den rosenrotenund schneeweißen Baldachin gesetzt, hat vielenKettenblumen die Köpfe abgerissen und die hohlenStengel fein säuberlich ineinander gesteckt, einigeBlumenköpfe dareingeflochten und sich wunderbarschöne Ohrringe gemacht und herrliche Armbänderund eine Kette, dreimal um den Hals.Und weil eine Königin auch ein Zepter haben muß,

so hat sie mit ihrem Daumennagel vieleKettenblumenstengel oben fein gespalten, in denBrunnentrog gelegt, damit sie sich kräuseln, und siedann mit roter Strumpfwolle um eine Rute gebunden.Und nun hat sie ein Zepter, das sah in der Sonneaus, als hätten es die Zwerge ausMondscheinstrahlen geschmiedet und mitSonnenstäubchen bestreut. Am andern Tage warfreilich die ganze goldene Herrlichkeit welk undschlaff, aber das schadete nichts, denn überallwuchsen Kettenblumen, und kein Mensch wehrte es

wuchsen Kettenblumen, und kein Mensch wehrte esder Kleinen, sie zu pflücken. Und als der Blumengoldenes Blond zu silbernem Weiß verblichen war,auch da noch boten sie dem Kinde lustigenZeitvertreib; mit vorsichtigen Fingern brach sie dieStiele, hielt die silbernen Kugeln vor ihrStumpsnäschen, machte aus ihren roten Lippen einspitzes Schnäuzchen und pustete in die weiße Kugelhinein, daß die braunen Männchen mit den silbernenFederkrönchen sich so sehr erschraken, daß sie alleschnell fortflogen.So haben es wohl alle Kinder gemacht, die unter

blühenden Apfelbäumen im Mai spielen durften, unddarum war ihnen die Kettenblume die liebste Blumeund schien ihnen die allerschönste zu sein. Spätervergaßen sie sie über Nelken und Levkojen undFlieder und Tulpen, aber ganz tief in ihrem Herzenklang doch ein Lied aus alter Zeit, wenn sie im Maiim grünen Gras die erste Butterblume blühen sahen,unwillkürlich grüßten ihre Augen mit zärtlichem Blickdie goldene Blüte am Wege. Stände sie nicht amWege und blühte sie nicht an der Straße, wüchse siein fernen Ländern, wir hielten sie wohl hoch, fändenWorte des Lobes für die vornehme Form ihresBlattes, bewunderten das tiefe Dukatengold ihrer

Blattes, bewunderten das tiefe Dukatengold ihrerBlüte, deren Blättchen sich zu einem lockerenPolster wölben. Dichter würden sie besingen, Malers i e nachbilden, und die Märchenerzähler wüßtenallerlei von ihr zu melden.Tränen wären es, würden sie schreiben, die die

Sonne weinte, als sie so viel Blut und Elend untersich sah; Zwergendukaten wären es gewesen, diesich in Blumen umwandelten, als unreine Händedanach griffen; zu dieser Deutung hätte die Blumegeführt, die heute goldblond blüht und morgensilbernes Greisenhaar trägt. Da sie aber am Zauneblüht, zwischen Scherben und Schutt, so tritt man sieunter die Füße und achtet ihrer nur, wenn sie denRasen verdirbt und das Gras verdrängt.Wäre sie aber nicht da, wir würden sie sehr

vermissen. Nicht so frisch würde uns das junge Grasdünken, nicht so herrlich des ApfelbaumesBlütenschmuck; eintönig schiene uns der Rain undlangweilig der Grabenrand; des Finken Schlag undder Grasmücke Sang, der Stare Pfeifen und derSchwalbe Zwitschern, weniger lustig würden sie unsklingen, fehlten unter den blühenden Bäumen, demgrünen Grase die goldenen Sönnchen, des Maiesfroheste Zier.

froheste Zier.Tausendfach strahlen sie, zahllos leuchten sie,

bringen Licht in den Schatten und Wärme in dieKühle. Winzige Abbilder der Sonne sind es, ganz ausreinem Golde gemacht, ganz ohne einen dunklenFleck. Man könnte meinen, jeder Sonnenstrahl, derzur Erde fiel, hätte Saft und Kraft bekommen undsich in eine Blume verwandelt, in eine Blüte, goldenwie die Sonne und rund und strahlend wie sie.Es mag ja auch so sein; irgendein tiefer

Zusammenhang besteht zwischen der Sonne undihrem Abbilde. Je heißer die Sonne scheint, je weiteröffnen sich die gelben Blumen, als könnten sie nichtgenug Glanz und Glut einsaugen. Und bleibt dieSonne hinter grauen Wolken, dann ziehen dieBlumen sich eng zusammen, als frören sie nach ihr.Und wer sie von der Sonne nimmt, sie mit nachHause bringt und in ein Glas stellt, der ist betrogen;sie blüht ab, ohne sich zu öffnen, welkt und wirdgreis und grau. Aber auf den Gedanken, sie mit insein Heim zu nehmen, wird niemand kommen; sie istzu gemein, diese Blume, und ist doch dieallerschönste Blume.

Am Waldgraben

Es ist einer von den Gräben, die den Wald

abgrenzen. Steil sind seine Ufer, stellenweise dichtbewachsen, dann wieder kahl und bloß. Je nachdemviel oder wenig Regen fällt, ist der Wasserstandhoch oder niedrig; manchmal läuft das Wasser wieein quicker Bach, und zu anderen Zeiten schleicht esso langsam hin, daß es aussieht, als stehe es still.Zuzeiten kann ein kleiner Junge bequemhinüberspringen, dann aber wieder muß eingewandter Mann sich sehr anstrengen, um voneinem Ufer zum anderen zu kommen.Wenn die Märzensonne durch das Astwerk der

Bäume und Büsche auf den Bord des Grabens fällt,dann regt sich hier zuerst im ganzen Walde dasblühende Leben. Des Huflattichs Sonnenscheibestrahlt dann in heller Glut, und des Leberblümchenstreu blickende Blüte leuchtet aus demschwermütigen Geranke des Efeus heraus, bislustige Lungenblumen, zwiefach gefärbt, sich ausdem harten Blattwerk hervordrängen, um diebehäbigen, in dichte Pelze vermummten Hummeln

behäbigen, in dichte Pelze vermummten Hummelnanzulocken.Eines Tages aber werden die Hummeln ihnen

untreu, denn in Menge erscheint der bunteLerchensporn zwischen dem leichtsinnigen Geflatterder Windröschen, auch reißt eines Weidenbuschessüß duftendes Blütenwerk die summendeKundschaft an sich, wie denn auch die gespenstigeSchuppenwurz, deren nackte Blumen sich wieKinderhändchen aus dem faulen Vorjahrslaubestrecken, an unheimliche Märchen erinnernd, vonallerlei Volk mit sonderbarem Geschmack besuchtwird.Es gibt unendlich viel zu sehen hier an dem

Graben. Da ist ein Traubenkirschenbusch, dessengrüne Wellen jetzt noch in sanfter Flut hinabfallen,aber im Mai schäumen sie von weißen Blüten undhauchen betäubenden Duft aus. Ein Hasel steht da,der im März Gold auf die Efeuwände des Grabensstreut, und der später mit seinem Widerbilde dasdunkle Wasser erleuchtet. Ein junger Ahorn weistherrlich geformte Knospen vor, Vorwürfe für einenGoldschmied, und eine seltsam verzerrte Hainbuchelehnt sich über die Flut und freut sich ihrer lichtenPracht.

Pracht.Mitte Mai ist es am allerschönsten hier. Dann

strahlen aus dem Efeu die glühenden Kettenblumen,und die Taubnessel prahlt neben ihnen. Dann rudernlangsam große grüne Frösche durch das laueWasser und überschreien den Laubfrosch, der imhellen neuen Kleide auf dem größten Blatte derBrombeerranke klebt und lustig seinen Maigesanganstimmt, während über ihm der Zaunkönig ausvoller Brust sein lautes Lied herausschmettert.Zu jeder Zeit ist buntes Leben an dem Graben.

Zierliche Bergbachstelzen schwenken sich über dasWasser und schnappen, an dem Ufer entlangtrippelnd, die Mücken fort. Der Eisvogel, der einsameFischer, lauert von der Wurzel der Esche aufWasserjungferlarven und sein märchenhaftes Kleidblitzt und schimmert im Sonnenlicht. Wo das Uferherabgesunken ist und eine Landzunge bildet, datränken sich Amsel und Graudrossel, da baden Finkund Goldammer, da sucht das Rotkehlchen Gewürm,da nimmt der Star ein Bad. Auch andere Tiere lassensich hier sehen. Dicke, große Wühlmäuse huschenscheu aus dem Efeu und plumpsen in das Wasser,eine fuchsrote Ratte hastet über das Laub und suchtnach jungen Vögeln, bis das Raubwiesel ihr mit

nach jungen Vögeln, bis das Raubwiesel ihr miteinem Satze in das Genick springt und sich von ihrunter die Wurzel der Erle schleppen läßt, wo dergrimme Kampf ein Ende findet, der Kampf, in demdas Wiesel immer Sieger bleibt. Scheint die Sonneauf das Wasser, dann fahren langbeinige,dünnleibige Wanzen darüber hin in merkwürdigenZuckungen, oder blitzblanke, kleine Käfer drehensich dort im Kreise, bis ein plumpsender Fall sieverjagt. Die Wasserspitzmaus ist es. Jetzt rennt sie,einem Ouecksilberklumpen ähnelnd, auf der Sohledes Grabens entlang, taucht als schwarzer Klumpenempor, zieht lange blitzende Streifen durch dasWasser, huscht auf das Ufer, hastet zwitschernd anihm entlang und verschwindet plumpsend wieder indem Wasser.Wo die Esche ihr krummes Wurzelwerk aus dem

Ufer reckt, da gähnt ein schwarzes Loch. Ab und zuverschläft der Iltis den Tag dort, neben sichunglückliche Frösche und Kröten, denen er dasKreuz zerbiß und die sich nun so hinstellen müssen,bis er sie gänzlich tötet und hinunterschlingt. Auchd e r Baummarder schleicht nächtlicherweile hierentlang, die Waldmaus belauernd und nach der Brutvon Rotkehlchen und Zaunkönig schnüffelnd, und

von Rotkehlchen und Zaunkönig schnüffelnd, undmit viel Geraschel sticht hier der Zaunigel nachfettem Gewürm.Unweit des Ufers steht ein Rotbuchenstumpf, breit

und bequem. Wer ihn als Sitz erwählt und sich rechtstill verhält, der kann allerlei erspähen, ulkigeLustspiele und ergreifende Trauerspiele, schlimmerals alle die der menschlichen Gemeinschaft. Hinterdem dichten Efeugeflechte zittern der jungenGoldammern hungrige Stimmchen hervor. Vorsichtiglockend naht sich die Mutter, ein Räupchen imSchnabel haltend. Da zickzackt ein Schatten überden Graben, ein Todesschrei erschrillt, fort stiebt derSperber mit dem Goldammerweibchen in denFängen, und eine Viertelstunde später greift er denHahn, und die verwaisten Vögelchen zerfleischt inder Nacht die häßliche Ratte.Ein Lustspiel ist es aber oder eine Posse, wenn die

e i f e r s ü c h t i g e n Blaumeisenhähne, festineinandergekrallt, als bunter Federball aus demHaselbusch herabwirbeln und in das Wasserhineinfallen und, naß und schwarz, sich schnell vondannen machen, verfolgt von dem gellendenGelächter des Zaunkönigs und dem spöttischenGekicher der Bergbachstelze, oder wenn die

Gekicher der Bergbachstelze, oder wenn dieWaldmaus, in den Genuß eines fetten Käfers vertieft,nicht bemerkt, daß der dicke Frosch immer näher anihre zuckende Schwanzspitze heranrudert. Aufeinmal schnappt er zu, die Maus quietscht auf undfährt in das Efeulaub, und mit einem dummenGesicht glotzt der Frosch hinterdrein und wischt sichärgerlich das breite Maul. Auch ist es zum Lachen,wenn die nackte schwarze Schnecke, nachdem siedie höchste Spitze des Schaftheuhalmes erklommenhat, darüber noch hinaus will und sich streckt undreckt und dreht und windet eine halbe Stunde lang,um endlich ihren Plan aufzugeben und langsam denRückweg einzuschlagen. Idylle sind es, wennRotbrüstchen, Zaunkönig und Bachstelze ihre flüggeBrut in das Leben einführen. Das schnurrt und burrtdurcheinander, schwankt unglücklich auf dünnemAst , flattert plump in das Laub, klettert mühsamwieder empor, bis schließlich alle Geschwister müdeund matt eng aneinander gepreßt auf einem Astesitzen wie Kinder auf einer Bank, dumm undängstlich hin und her gucken und unaufhörlich nachFutter piepsen. Wenn aber erst die Wasserspitzmausihren Jungen das Schwimmen und das Tauchen unddie Käferjagd zu Wasser und zu Lande beibringt,

dann staunt sogar der Zaunkönig über dasGewimmel, trotz seiner acht Kinder, die doch auchallerlei Leben verursachen.Großen Lärm aber gibt es, fällt es dem Häher ein,

sich hier sehen zu lassen. Und wenn er auch vorgibt,er wolle sich Würzelchen aus dem Ufer hacken fürs e i n Nest oder einen Schnabel voll Wassermitnehmen, man kennt ihn zu gut, den buntenHeimtücker, und von allen Seiten wirft man ihmSchimpfworte an den dicken Kopf, bis er wütendabzieht. Kommt aber das liederlicheKuckucksweibchen angeschlüpft, um ihr Ei in dieObhut von Bachstelze oder Rotkehlchen zu geben,dann ist das Gekeife noch ärger, und schließlichsetzt es auch Hiebe, aber alljährlich kommt hinter derEfeuwand ein junger Gauch hoch, und alles, wasvon kleinem Vogelvolk am Graben wohnt, fühlt sichverpflichtet, den Immerhungrig und Nimmersattvollzustopfen.Im Wasser selbst geht es auch nicht immer friedlich

zu, denn gar streitbare Gesellen, schwer gepanzerte,trefflich gerüstete Stichlinge mit scharlachrotemBrustlatz, mutige Gesellen, herrschen da unten.Wehe der armen Kaulquappe, die sich vom Strande

in das tiefe Wasser wagt: ein Dutzend der Raubritterstoßen darauf zu, zerren das hilflose Tier hin und herund reißen es in Fetzen. Auch ein armerRegenwurm, der aus Unvorsichtigkeit in das Wassergerät, muß unter den Bissen der winzigen Fischesterben, und wenn er sich noch so sehr krümmt.Kaulquappe und Wurm rächt dann wieder dieWasserspitzmaus, die Stichlinge in die Buchttreibend und ihnen das Genick zerbeißend.Außer dem Stichling leben noch andere Fische in

dem Graben, die graue Schmerle, die sich gern inden Blechtöpfen versteckt, die auf dem Grunde desGrabens rosten, und der buntgestreifteSchlammpeitzger, der sich im modernden Laubeverbirgt. Wer gute Augen hat, findet im Mai an denüberspülten Steinen auch ein fingerlangesFischchen hängen, das Bachneunauge, dessenwurmähnliche Larven im Sande der Grabensohleeingebohrt leben. Auch eine Quappe oder einGründling verirrt sich wohl aus dem Bache in denGraben.Stets sind einige Taufrösche dort zu finden, die faul

an dem Ufer sitzen, oder eine Erdkröte, die langsamunter dem Efeu herkriecht, und auch die flinkeKreuzkröte läßt dort ihr Geschnarre hören. Früher,

Kreuzkröte läßt dort ihr Geschnarre hören. Früher,als noch nicht jedes Tierchen für das Aquarium oderTerrarium fortgefangen wurde, kamen auchWaldeidechsen und Blindschleichen hier vor, undsogar die Ringelnatter betrieb dort die Froschjagdmit großem Eifer.Außer Goldammer, Zaunkönig und Rotkehlchen

brüten an dem buschigen Ufer noch die drei kleinenLaubsänger, ferner der Sumpfrohrsänger, und einigeMale hat sogar der Eisvogel dort seine Nesthöhle indie Wand getrieben und seine Jungen glücklichhochgebracht. In diesem Jahre baute einSchwanzmeisenpaar sein kugeliges Nestchen in dieZwille der Birke, die unweit des Grabenbordes steht.Nicht weit davon hat ein Sumpfmeisenpaar einNestloch in der Erde gefunden, und weiter zurückbrütet die zierliche Blaumeise in einem Spaltderselben Eiche, in deren Wasserreisergewirr eineSchwarzdrossel ihr Nest anlegte. Zehn Schritteweiter hat ein Baumläuferpärchen eine passendeStammritze für sein Nest gefunden, und dieSingdrossel beginnt sich in dem dichten Weißdorneinzurichten, in dem im vorigen Jahre der Mönchbrütete und unter dem der Hase so gern liegt.

Da hier selten ein Mensch geht, äsen sich die Rehegern den Graben entlang. Jagt sie ein Hund, soüberfliehen sie einige Male den Graben, bis derHund ihre Fährte verliert, und der starke Bockflüchtet sogar in den Graben hinein, watet eineStrecke in dem Wasser entlang und bringt so dieHunde in Verwirrung.So ist hier immer allerlei Leben vom frühen Morgen

an den Tag hindurch, und auch des Nachts lebt undwebt es dort. Im Frühling schwirrenEulenschmetterlinge um die Weidenschäfchen, imSommer sausen große Schwärmer über dieGeißblattblüten und fallen der großen, fuchsrotenFledermaus zum Opfer, die ab und zu aus denWipfeln herunterfährt, denn das Gebiet über demGraben ist eigentlich das Reich derWasserfledermaus, die unablässig dicht über demWasser hin und her streicht und die Mückenfortschnappt. Mit Vorliebe jagen auch Waldkauz undOhreule hier, denn irgendeine Maus oder Ratteerwischen sie stets.Wintertags erscheint von weither auch der Fuchs

hier; aber ehe es dämmerig wird, schnürt er wiederin die großen Wälder zurück, denn gar zu unheimlichist es ihm so dicht bei der Stadt. Ab und zu verspätet

ist es ihm so dicht bei der Stadt. Ab und zu verspäteter sich aber doch einmal und versteckt sich in demJungfichtenhorste in der Dickung oder nimmtweiterhin einen alten Kanichenbau an.Den Fuchs wird nun nicht so leicht ein

Waldwanderer gewahren, es sei denn, er sei schonbei dem ersten Drosselpfiffe draußen. Das andereLeben ist aber tagtäglich dort zu beobachten für den,der dafür Augen und Ohren hat und der leise zugehen versteht hier am Waldgraben.

Es steht die Welt in Blüte

Ein Vers singt in mir den ganzen Tag, ein Vers von

einem Lied, das ich vor mehr als Jahresfrist las.

Es steht die Welt in Blüte, in Blüte steht dein Herz. Die Sonne scheint heiß und das Grün kommt hell

und die Vögel singen laut und die Falter fliegen frohund das schöne Lied ist in meiner Seele, wieSonnenschein und Knospenbrechen und Vogelsangund Falterflug. Und es scheint und sprießt und singtund flattert in mir den ganzen Tag: Es steht die Weltin Blüte.Als ich ein Junge war mit blondem Zottelkopf und

Armen und Beinen, die aus der stets zu kurzen Jackeund den ewig zerrissenen Hosen herauswuchsen, dakannte ich das schöne Lied nicht, und doch sang esin mir, wenn die Traubenkirsche am Waldbach ihrgrünes Kleid anzog, wenn alle Vögel sangen und diegelben Schmetterlinge flogen und aus dem braunenFallaube die Frühlingsblumen kamen weiß und gelb

Fallaube die Frühlingsblumen kamen weiß und gelbund grün und rot und blau, wie heute: Es steht dieWelt in Blüte.Und dann mußte ich hinaus, ganz allein, in den

Buchwald am See, wo der Frühling einzog mitflatternden Fahnen und klingendem Spiel. Und wenndann die Sonne die kalten Buchenstämme warmtönte und alles blitzen und leuchten ließ in meinemWalde, das Alte und das Neue, das Lebendige unddas Tote, das junge Grün und das alte Laub, dasdürre Gras und das frische Moos, die trockenenReiser und die saftigen Blätter, dann zogFrühlingstrunkenheit in mein Jungensherz, und mitlachenden Augen sah ich in den lachenden Tag.Ist sie noch da, die Kinderfreude? Lebt sie noch in

dir, die alte Frühlingstrunkenheit? Kannst du nochlachend dem Frühling in die Blauaugen sehn? DerWinter war lang, und die Kälte war hart, und derWind war rauh und böse. Vielleicht ist zuvielverfroren, ausgewintert ist die Hoffnungssaat, unddie Knospen sind tot gemacht von Frostnebel undRauhreif.Aber die Sonne ist so herrlich heiß, und in jedem

Garten sind bunte Blumen, und ein Schmetterlingtanzt über die Straße vor mir her. Gelb sind seine

tanzt über die Straße vor mir her. Gelb sind seineFlügel, goldgelb, und jeder hat einen kleinen roterPunkt.Grün ist die Saat und hell ist der Weg und blau ist

die Luft, alle Lerchen singen auf mich hinab, vomKlosterpark lockt des Grünspechtes Jubelruf, inblauem Duft liegt der Berg, silbern blitzen die Flügelder Windmühle, goldrot sind alle Häuser, jeder Baumrührt seine Knospen, braune Hasen spielen in dergrünen Saat, Haubenlerchen jagen sich: Es steht dieWelt in Blüte.Im Klosterpark ist der Frühling Alleinherrscher. Alle

Knospen hat er geöffnet, jeden Bodenfleck hat erbunt gestickt, alle Vögel hat er Lieder gelehrt. Dastrillert in jedem Strauch, das flötet von jedem Wipfel,das pfeift aus allen Kronen, das schmettert in jedemBaum immer dasselbe Lied in hundert verschiedenenWeisen, laut und leise, keck und schüchtern, zartund voll.Am Teich auf dem Hügel wird mir der Tisch gedeckt.

Frühlingsfarben hat mein Mittagbrot. Gelb und weißwie Hahnenfuß und Windrosen ist das Spiegelei, wieTraubenkirschblüte die Milch, wieLärchenspornblumen der Schinken so rot. Fink undMeise, Drossel und Star, Rotschwanz und

Meise, Drossel und Star, Rotschwanz undTrauerfliegenschnäpper machen mir die Tafelmusik,und der Grünspecht hämmert den Takt. Die Hühnerräumen dann ab.Ich dämmere in den Frühlingsnachmittag hinein.

Wie das alles lebt und webt, das zarte Birkengründrüben hinter dem Teich, das weiße Entenvolk img r ü n e n Rasen, das Schwanzmeisenpaar imEichengeäst, die dicken, aufbrechendenKastanienknospen, die blitzblanken Starmätze hochoben in den Wipfeln. Ein Zittern, ein geheimesBeben liegt in allen Knospen, in jedem neuenBlättchen, in jeder hellen Blüte, und aus jedemVogelliede bebt und zittert die Liebeslust und dieLebensfreude. Aber aus dem Silberglöckchenliededes Rotkehlchens bebt und zittert es am innigstenvon glücklicher Sehnsucht und sehnsüchtigemGlück.Des Hahnes Krähen klingt anders, als wintertags.

Jubelnd wiehert es aus den Ställen, und der KüheGebrüll ist weich und voll. Ein lockendes Flötenschwebt in der Luft; ein dunkler, silberfleckigerUferläufer taumelt über die Wiesen; jetzt hat er dasWeibchen gefunden und jagt es neckend hin undher. Dort unten am Teichbord fallen sie ein, die

her. Dort unten am Teichbord fallen sie ein, diezierlichen Vögel. Alles hier ist jung und frisch, neuund schön. Wie Silber blitzt die Pflugschar, wie Goldd a s aufgestapelte Brennholz, die jungen Nesselnstrotzen von Frische, und üppiges Grün schmücktdas giftige Schöllkraut am Zaun. Lustig keckert derLaubfrosch sein Liebeslied, jubelnd schmettert derFink von Liebe, zärtlich gurrend umknickst derschwarze Täuber auf dem silbern schimmerndenDache sein weißes Holdchen, immer wieder jauchztder Grünspecht, überall brummen stillvergnügt dieHummeln, und wohin die Augen fallen, ist einFrühlingswunder, ein gelbgrün blühenderAhornbusch, ein Veilchen im Gras, ein goldenerStern, eine weiße, nickende Blume, einSchmetterling, tiefschwarz und elfenbeingelb, einebunte, schimmernde Fliege.Und ein Duft liegt im Walde, liegt über den Wiesen,

verbindet Himmel und Erde, Rasen und Wasser,Boden und Tiere, schmilzt die weißen, rotfüßigenEnten und die schwarzen Krähen und buntenHühner in das Gras hinein, webt die Frauen, die denWeg aufharken, in das Bild, löst aller BäumeUmrisse auf und läßt aller grünenden KronenGrenzen verschwimmen in der großen, weichen,

Grenzen verschwimmen in der großen, weichen,warmen Frühlingsstimmung, die über das Ganzefließt.Und was der Frühling alle Wesen für neue Künste

lehrt! Der Grünfink taumelt wie eine Fledermaus vorseinem Weibchen her, der Star klappt mit denFlügeln und tanzt und hopst und singt seinerLiebsten alle Lieder vor, die andere kleine Dichtererfanden, und der bunte Eichelhäher, der selbst keinLied dichten kann, nur schwatzen und plappern,auch er sucht Eindruck zu machen mit andererSänger Lieder. Aber der Zaunkönig, der Knirps, singtdas perlende Lied, das er selbst ersann, laut undlustig durch den Park, daß der rotschimmerndeTurmfalk ganz erstaunt über der Eiche rüttelt, in derder Knirps herumhüpft.In der knospenden Kastanie lockt sehnsüchtig eine

Finkenhenne. Bunt flattert es heran, piept, girrt, unddann geht die Jagd los durch das Astwerk der kahlenEiche. Die Eiche und die Kastanie, das sindGegensätze. Die eine voll von mächtigen glänzendenklebrigen Knospen, aus denen die jungen Blattfächerkommen, die andere ohne jede schwellende Knospe,schwarz, hart, kühl der werbenden Sonnegegenüber. Die Kastanie ist ein Südländer, die Eiche

gegenüber. Die Kastanie ist ein Südländer, die Eicheein Niedersachse. Die fangen nicht so leicht Feuer,aber wenn sie brennen, dann geben ihre Flammenviel Glut.Über staubige Straßen gehe ich zum Walde. Da

liege ich im Moos und starre durch die Föhrenkroneni n den hellblauen Himmel. Über mir kreist einTurmfalkenpaar, ein Kolkrabenpaar schwebt mitgroßem Schwunge dahin, der Täuber gurrt, wirft sichin die Luft und stiebt flügelklatschend zu seiner Frauherab, ein Schwarzspecht jagt lustig lachend seineBraut, zwei Zitronenfalter, ein tiefgelber und einhellgelber, flattern an mir vorbei. Ich starre in denblauen, von schwarzen Föhrenkronen eingerahmtenFleck Himmel. Einsam steht darin die Mondsichel,silbern und kalt. Die teilt das Blühen der Welt nicht,die einsame.Die Ulenflucht kommt. Das Schummern fällt in den

Wald. Rot werden die Föhrenstämme, goldrot,goldrot auch die schwarzen Kronen. EinWa l d k a u z p a a r schwebt vorüber, einNachtschwalbenpaar auch, rufend und pfeifend.Irgendwo flötet die Nachtigall.Es steht die Welt in Blüte.

Das Moor

Öde heißt man das Moor, und traurig und

verlassen. Wer es so schimpft, der kennt es nicht.Niemals sah er es um diese Zeit. Sein feinstes Kleidhat es an, ein sammetbraunes, das mit grüner Seidebenäht ist, mit weißem Pelz verbrämt, und goldeneSpangen funkeln daran. Im Frühherbst, wenn dieHeide blüht, dann gewinnt dem Moore jeder MenschGeschmack ab, und auch im Spätherbst, wenn dasBirkenlaub goldgelb leuchtet, findet man es schön;jetzt fährt man an ihm vorüber.Wen es aber gelüstet, aus dem Lärm der Stadt

herauszukommen und einmal allein zu sein, keineMenschen um sich zu sehen, die überall die Wälderfüllen, der muß in das Moor hinauswallen. Eineschön gewellte Straße, von hellgrünen, vollaubigenBirken eingefaßt, führt ihn dorthin. Fruchtbare Felderund helle Wiesen läßt er hinter sich, hinter denenblaue Wälder und die hohen Geestrücken dem BlickHalt bieten, und dann nimmt das Moorland ihn aufmit Birkenbüschen und Wollgrasflocken. Aber es istnicht mehr das echte, große, unzerstörte Moor, das

nicht mehr das echte, große, unzerstörte Moor, dases vor zehn Jahren war; die Bodenbebauung rißgroße Stücke heraus, Wiesen entstanden in ihm,Obstgärten erwuchsen dort, in denen hübsche grüneHäuschen liegen; erst eine halbe Stunde weiter,rechts von der Straße, beginnt das weite, breiteMoor.Zwischen dichten Birkenbüschen führt der Weg.

Erst ist er noch graswüchsig, Faulbaum, Weiden undblühende Ebereschen rahmen ihn ein, bleiben dannzurück, und die Birke allein begleitet ihn. Das grüneGras auf dem Wege verschwindet, kahl wird derWeg. An den Rändern liegen die alten, gelbenBlätter des Pfeifenhalmes, an deren krassem Gewirrsich erst jetzt die frischen Blättchen schieben.Merkwürdig gekrümmte Zweige und Wurzeln vonHeide- und Moorbeere, lauernden Schlangenähnlich, fahlbraun oder silbergrau, bilden amWegrande wirre Knäuel.Es ist eine seltsame Welt für sich, dieses Moor, eine

Welt, die so gar nicht in unsere Zeit paßt. Willst duÄhnliches finden, so steige auf den Brocken, auf dieSchneekoppe; in der Tatra, in den Alpen findest dudieselbe Pflanzenwelt, und im hohen Norden. EineMoorfahrt ist eine Nordlandsfahrt. Nordisch ist alles,

Moorfahrt ist eine Nordlandsfahrt. Nordisch ist alles,was du um dich her siehst, die Pflanzen, die Tiere,das ganze Bild. Lapplands Moore, die sibirischenTundren sind kaum anders. Auch hier könnte dasRenn leben, auch hier das Moorhuhn fortkommen,auch hier könnten Seidenschwanz undWacholderdrossel brüten.Überhöre den Pfiff der Ziegelei, das ferne

Gedonner des Eisenbahnzuges, und du bist in derTundra. Dort wachsen Krüppelbirken wie hier, dortbildet die Moorbeere ebenso dichte Horste, dortkriecht die Moosbeere über die altenTorfmoospolster, dort füllt das Renntiermoos dieZwischenräume zwischen den Heidekrautbüschenaus, dort bilden gelbgrüne Torfmoospolster feuchteKissen. Dort wird auch, wie hier, jetzt überall dasWollgras seine weißen Seidenbüschel erheben,werden die hellgrünen und rosenroten Glöckchender Moorbeere von unzähligen Bienen und Fliegenumsummt sein, werden grüne Raubkäfer bei jedemSchritt aufblitzen, rote Wasserjungfern knisternd vonBusch zu Busch schießen. Auch dort wird, wie hier,von der Spitze eines Weidenbusches derschwarzköpfige Rohrammerhahn sein kleines Liedzirpen, wird der Pieper singend emporsteigen und

zirpen, wird der Pieper singend emporsteigen undtrillernd niederwärts schweben, und rund umher wirdauch da der Kuckuck läuten.Es ist heiß, und hier auf dem alten Stumpf einer

Eiche, die das Moor einst verschluckte, sitzt es sichgut am Rande des tiefen Torfstiches. Seintiefbraunes, klares Wasser ist leer von allem Leben;nur einige dünne, langbeinige Wanzen fahren überseinen Spiegel hin und her; aber keine Schnecke,kein Wasserkäfer, kein Fisch, kein Molch, keinFrosch lebt dort. Alles, was dort unten wächst, istungenießbar; die algenähnlichen, bleichgrünen,schleimigen Zöpfe des Torfmooses, die starrenBinsen auf der verrotteten Zwischenwand, das harteWollgras auf dem Torfinselchen mag kein Tier.Stumm und tot ist dieses Loch. Selbst die Libelle jagthier nicht, weil sie keine Beute findet; sie schießtdarüber hinweg und jagt dorthin, wo Froschgequakertönt.Dort stand der Torf nicht so hoch, dort gruben die

Bauern bis auf die Lehmschicht. Hier ist das Wassernicht so herb, hier faßte das Kolbenrohr Fuß, hiersiedelte sich Froschbiß an und Wasserschlauch,süßes Schilf wächst hier und allerlei schmackhaftesKraut. Und darum ist hier auch Leben und Weben

Kraut. Und darum ist hier auch Leben und Webenmancherlei Art. Große grüne Frösche liegen faul, alleviere von sich gestreckt, auf dem Wasser. DieMännchen, im hellgelbgrün schimmerndenHochzeitskleid, lassen die weißen Schallblasen ausden Mundwinkeln quellen und singen ihreLiebeslieder. Langsam rudern sie zu den Weibchen,schauen ihnen zärtlich in die Augen, reiben ihreNasen an ihren und quarren immer zärtlicher, mitneckischem Sprung verschwinden die Schönen dort,wo die goldgelben, rotgetüpfelten Blüten desWasserschlauches sich erheben.Es ist ein seltsames Pflänzchen, dieser

Wasserschlauch. Sein wirres, zerfasertes Kraut istmit einer Unmenge Bläschen bedeckt, deren jedeseine winzige Fischreuse darstellt. Was dort hineingerät, das Würmchen, die Larve, der ebenausgeschlüpfte Molch, das ganz junge Fischchenoder ein kleines Krebstier, es ist verloren; die nachinnen gebogenen steifen Haare der Reuse lassen esnicht eher los, als bis es verdaut ist.Ein Räuber ist diese Pflanze, gerade so einer wie

der hübsche Sonnentau, der dort seine roten, wie mitDiamanten besetzten Rosetten über dem grünenMoose erhebt. An seinen glitzernden Drüsenhaaren

Moose erhebt. An seinen glitzernden Drüsenhaarenbleibt allerlei winziges Schwirrvolk hängen, dieHaare krümmen sich, überziehen es mit dem zähenSchleim, und das Blatt saugt ihre Weichteile auf. DasMoorwasser und die Moorerde sind arm an Nahrung,darum müssen sich die beiden Kräutchen helfen, sogut es geht.Nur was sehr genügsam ist, kann hier fortkommen,

wie die Heide, deren alter Blüten graue Perlen demMoore seinen Hauptton geben, von dem sich hier eingelbblühender Stachelginsterbüschel, dort dierosigen Glöckchen der Rosmarinheide leuchtendabheben. Wo aber die Bauern Sand auf den Dammfuhren, um ihn zu festigen, wo Pferdemist liegenblieb, da siedelt sich gleich allerlei anderes Kraut an,der Heidecker, mit seinen goldenen Blüten, eineMiere, ein Knöterich, und sogar ein Wegerich folgtdem Menschen hier. Weißenmannesspur nennen ihndie Indianer Nordamerikas und hassen ihn, denn erzeigt ihnen überall der Bleichgesichter Vordringen.Der Abend naht heran, vielstimmiger wird das

Geläute der Kuckucke, die Turteltauben schnurrenim Birkenwald, die Mücken erheben sich aus demHeidekraut. Wer die nicht vertragen kann, der mußjetzt gehen. Aber die schönste Zeit für den, der

jetzt gehen. Aber die schönste Zeit für den, dergegen sie abgehärtet ist, beginnt erst. Aus denWiesen steigen die Nebel und ziehen durch dieBirkenbüsche. Im hohen Moor faucht und trommeltnoch ein Birkhahn, die Nachtschwalbe spult undspinnt, jauchzt gellend und schlägt die Flügelzusammen, im Schilf am Grabenrand vor den Wiesenschwirrt der Heuschreckenfänger, mit dumpfemHeulen schwebt der Kauz über den Weg, und wenndas Abendrot hinter dem fernen Wald erloschen ist,meckern die Bekassinen und schnattern die Entenringsumher, bis auch sie schweigen und nur dasSingen der Mücken und das ferne Quarren derFrösche die große heimliche Ruhe des Moores nochmehr verstärkt.Wer dann durch das Moor geht, lernt es erst recht

kennen in seiner erhabenen Ruhe, und fährt er inder Kühle zurück und kommt in die dumpfe, lauteStadt hinein, dann weiß er, wo er sich ausruhenkann, wird ihm des städtischen Lebens bunte Hasteinmal zuviel.Er geht in das Moor.

Auf der Kuppe

Immer wird es reichlich spät, ehe der Frühling sich

des Brockens annehmen kann; in diesem Jahre kamer erst ganz spät dazu. Zu viel Arbeit hatte ihm untenim Lande der Winter gemacht. So wurde es spät imMai, ehe der Frühling dazu kam, an den hohen Bergim Harz zu denken, und als er mit der frohenBotschaft dort anlangte, fand er wenig Gehör. DieHeidelbeersträucher wandten ein, daß es nochNacht für Nacht friere, die Fichten meinten, es lägenoch zu viel Schnee, das Wollgras fand dasTauwasser zu eisig, und die weiße Kuhschelleerklärte, ehe nicht der Hexensand um ihre Wurzelnauch des Nachts locker bleibe, denke sie nichtdaran, zu blühen.Vergebens redete der Frühling der Eberesche vor,

daß ihre Geschwister im Tale schon im vollen Laubeständen: sie rührte sich nicht. Er suchte dem Ampferund dem Wohlverleih klarzumachen, daß es nun Zeitsei, aufzuwachen; sie kümmerten sich nicht um ihn.Er sprach der Krähenbeere und der Goldrute zu,aber er hatte keinen Erfolg, und wenn er auch der

aber er hatte keinen Erfolg, und wenn er auch derKrüppelweide und der Zwergbirke die besten gutenWorte gab, es war alles in den Wind gesprochen. Dastieg er zu Tale und holte sich Hilfe. Aus demBrockenfelde brachte er den Birkhahn mit, und alsder drei Morgen hintereinander im Brockenmoore dieLärmtrommel geschlagen hatte, da hing derWeidenbusch Gold an seine Zweige. Dann ging derFrühling zum Scharfensteine und bat einige Finken,ihn zu begleiten, und nahm vom Oderteiche einigeBraunellen mit, und die schlugen und zwitschertenso kräftig, daß eine Wollgrasblüte neugierig ihrgraues Köpfchen heraussteckte und an einemHeidelbeerbusche verwunderte grüne Augenauftauchten.Aber das genügte dem Frühling noch nicht, und so

wanderte er zum Eckerloche und bat denSteinschmätzer herauf und vom Torfhaus dasLaubvögelchen, und da der eine so lustig sang undkrähte und das andere so süß flötete und lockte, soermunterten sich Ampfer und Goldrute, Habichtskrautund Lattich, Simse und Binse, durchbohrten dasfahle Gras mit scharfen Blattspitzen, trieben üppigesGrün aus nassem Gras und spreizten sich über denbraunen Flechten und dem gelben Torfmoose. Eines

braunen Flechten und dem gelben Torfmoose. EinesTages, als ein Bussard auf Bitten des Frühlings dieLangschläfer der Brockenkuppe mit gellendemKatzenschrei höhnte, und eine Krähe sichbereitfinden ließ, sie in rauher Weise zu verspotten,da schoben auch die Kuhschellen ihreblaugefrorenen Knospen zwischen dem moosigenGranitgerölle heraus, aber nur ein ganz klein wenig,daß der kalte Nachtwind sie nicht fassen konnte.Schließlich wurde es dem Frühling denn doch zu

langweilig, und er pilgerte zornentbrannt nachWernigerode und Ilsenburg, Elbingerode undHarzburg, sprach lang und breit mit denMauerseglern und erzählte ihnen, da oben auf derBrockenkuppe flögen sehr viele und ganz besondersfette und leckere Käferchen und Fliegen. Dieschwarzen Schreihälse glaubten es ihm, sie erhobeni h r Gefieder, ließen den Buchenwald und dieSchlüsselblumen hinter sich, sausten über schwarzeFichtenwälder und graue Steinhalden, und als derFrühling noch mühsam im nassen, braunen Moorebergan stieg, da lärmten die düsteren Gesellenschon um das Brockenhaus und schimpftenfürchterlich, denn oben in der Luft flog nichts, undwas dicht über den Steinen schwirrte, das lohnte die

was dicht über den Steinen schwirrte, das lohnte dieReise nicht, und husch waren sie wieder da, wo siehergekommen waren. Der Frühling aber lachte sichins Fäustchen; er hatte seinen Zweck erreicht. Dieblauen Knospen zwischen den grauen Steinenhatten das Gezeter der Turmschwalben vernommen,und was alles Reden des Frühlings nicht fertiggebracht hatte, das gelang den Seglern im Nu.Wenn der Segler auf der Brockenkuppe jagt, dannist es Zeit, aufzuwachen. Das weiß man dort oben.So wurde es Ende Mai, ehe am Brocken der

Frühling sein Recht bekam. Die Buchenwälder untenim Harz standen schon im vollen Laube und hattendie ersten Frühlingsblumen schon vergessen; dasWindröschen war von der Sternmiere, dasLederblümchen vom Günsel, das Milzkraut von derWaldnessel abgelöst. Auf den Wiesen drängten sichSchaumkraut und Knabenwurz, die Wolfsmilchvergoldete die Raine, die Obstbäume setzten schonFrüchte an, und in den Gärten stritten sich Fliederund Goldregen um den Schönheitspreis, da füttertendie Spatzen schon über allen Dachrinnen ihre Brut,da tolpatschten schon flügge Amseln in den Gärten,und da erst wurde auf dem Brocken der FrühlingHerr. Aber noch längst nicht überall, lange nicht am

Herr. Aber noch längst nicht überall, lange nicht amganzen Brocken siegte im Mai der Frühling. Und eswar eigentlich erst der Vorfrühling, der sich dort, wodie Sonne hinkam, neben dem Winter behauptete,der von den schattigen Stellen nicht weichen wollte.I n den kalten Trümmerhalden und in den eisigenSchluchten ist es noch immer Winter, da blühen dieWintermoose, da springt der Gletschergast umher,hüpft der Schneefloh, liegen Larven und Raupen undPuppen und Käfer und Schnecken steif und starrunter Steinen vergraben, rührt sich noch keineKrüppelfichte, regt sich das zwergigeHeidelbeergestrüpp immer noch nicht, da ist es nochvoller Winter. Hart daneben aber ist es Vorfrühlingund noch ein wenig weiter voller Frühling, und jenachdem es den kundigen Brockenfahrer gelüstet,kann er bis spät in den Juni hinein den Februar oderden März, den April oder den Mai hier wiederfindenund genießen, mit den Füßen im Nachwinterstehend, sich am Vorfrühling freuen und vomFrühling in den Winter hineinsehen.Hier, wo die Sonne die Talflanke unter ihre Strahlen

nehmen kann, ist lachendes Leben. Von den Fichtenhängen weich und zart die jungen Triebe, das lustigeLaub der Heidelbeere ist mit leuchtenden Korallen

Laub der Heidelbeere ist mit leuchtenden Korallenüberstreut, kräftig streben Fingerhut und Tollkirscheempor, hinter den braunen Wurfböden der Fichtenspreizen sich die jungen Wedel der Farne, undneben ihnen zittern schimmernde Simsen, von denBirken rieselt das neue Laub, die grauen Steineumflicht das winzige Labkraut, jeder Wasserfadenfüllt sich mit schwellenden Moospolstern. Sobald dieSonne da ist, singt und klingt das ganze Tal. Von derSpitze der Wetterfichte flötet die Misteldrossel, unddie Singdrossel sucht sie zu übertönen. Rundherumerschallt das selbstbewußte Geschnatter der Finken,und das schüchterne Gepiepse der Goldhähnchenzittert überall. Am Bachdurchlasse wippt lockend undzwitschernd die Bergbachstelze über das nasseGerolle, und vom gischtumspülten Blocke im Bachegibt die Wasseramsel ihr Liedchen zum besten,während aus dem Gedämmer der Fichten derMinnesang der Tannenmeise hervorklingt und vomWindbruche der Braunelle und des ZaunkönigsWeisen herüberschallen, bis des Baumpiepers hellerSchlag alle anderen Stimmen zurückdrängt.Dort aber, wo der Sonne der Weg zwischen den

Fichten zu schmal ist, da ist es kalt und tot und still.Da zeigen die Tannen noch keinen frischen Trieb,

Da zeigen die Tannen noch keinen frischen Trieb,dort sind die Heidelbeerzweige noch dunkel unddünn, der Sauerklee hat das Blühen noch nichtgelernt und die Farne schieben kaum einigegoldbraune Knöpfe aus dem Moose, dennrundherum lagert zwischen brummigen Felsblöckender böse Schnee und läßt sein bitterkaltes Wasserdurch das Geröll sickern, und strenger Schattenwehrt aller Lebenslust. Sobald aber der braune,nasse, weiche Weg das düstere Tannicht verläßtund gelb und trocken und fest wird, ist das lustigeLeben wieder da. Es brummt und summt über demleuchtend grünen Kissen der Steinklumpen, esschwirrt und flirrt um die jungen Tannentriebe,stahl farbene und bronzeblanke Schnellkäferschweben bedachtsam dahin, silberne Motten blitzeneinher, in dem Wasserloche wärmt sich der fauleBergmolch, rudern Schwimmkäfer, wimmelnKaulquappen, und auf dem warmen Wegebord sonntsich die schlanke Eidechse.Und wieder verliert sich der Weg im kalten Dunkel

des Tanns, und das junge Grün und das frohe Lebenbleibt zurück. Unheimlich starren graue Blöcke ausgespenstigen Schneeflecken, unbarmherzig kalteRinnsale schlüpfen über die verängstigten

Rinnsale schlüpfen über die verängstigtenFarnstöcke, blutrote Wasseradern schleichen durchdas schwarze Moos. Aber schon lacht einSchneefleck hell auf im Sonnenlicht, ein Meisenrufzerbricht die beklemmende Stille, und des Kuckuckslautes Geläute verkündet, daß das Sonnenreichwieder beginnt. An bunte Steinblöcke geschmiegtlächeln rosige Windröschen zu den blühendenHeidelbeerbüschen auf den Felsen hinauf, saftigesMilzkraut sperrt des Wasserfadens Lauf, langbeinige,dürre Wanzen huschen über den Spiegel desWasserloches und werfen unsinnige Schatten aufden klaren Kiesgrund, lustig kluckt und schluckt einheimliches Wässerlein, alle Moospolster habeneinen schimmernden Strahlenkranz, und jeder Felsmacht sein freundliches Gesicht.Im Gestrüpp raschelt es; es stiebt der gelbe

Granitgrus. Breit, faul und behäbig nimmt der Urhahndort sein Sandbad, ab und zu mit dem gewaltigenHakenschabel eine Ameise oder einen Käferaufnehmend oder ein Blättchen rupfend. Dannleuchtet sein Hals wie ein Kunstwerk aus edelsterBronze. Jetzt reckt er den schweren Kopf. Das leiseBrechen, das hinter ihm erklang, weckte ihn ausseiner Behaglichkeit. Die rote Maus, die an ihm

seiner Behaglichkeit. Die rote Maus, die an ihmvorüberschlüpft, die Eidechse, die über den Schotterzickzackt, sind nicht so laut. Er richtet sich auf, machteinen langen Hals und poltert von dannen, daß dergelbe Grus aus seinem Gefieder stäubt. Aus derDickung schiebt sich ein langer, schmaler Kopf, läßtlange Lauscher spielen, zieht einen langen Halsnach und einen langen Rücken, und groß und grausteht ein Stück Wild in der lachenden Sonne undschiebt sich langsam zwischen den Felsblöckenweiter, bis es in den Tannen untertaucht, wo keinW e g und kein Steg störendes Menschenvolkherbeiführt. Jetzt läßt es sich hier schon wiederleben. Im Winter war es nur kümmerlich. Jeden Tagdasselbe: Tannenzweigspitzen und Heidelbeerkraut,das recht mühsam aus dem tiefen Schneegeschlagen werden mußte. Ein Glück, daß derFörster fütterte, sonst wäre es ganz schlimmgeworden. So denkt das alte Stück, und so denktauch das Reh, das in dem Bruche zwischen denSteinblöcken und Tannengerippen umhertritt undsich an dem jungen Grün äst. Und auch der alteHase denkt so, der der Länge nach in demtrockenen Hexensande liegt und sich die liebeSonne auf den Balg scheinen läßt, und der Fuchs

nicht minder, der sich gar nicht weit von dem Hasenauf einer warmen Steinplatte rekelt und dieBirkhenne verdaut, die er sich heute früh zu Gemüteführte. Im Winter hatte er sich mit Mäusen begnügenmüssen, denn mit Fallwild steht es hier schlecht; dieGrünröcke füttern zu gut. Aber nun gibt es bald dies,bald das, und das Leben läßt sich schon wiederertragen, zumal der Abfallplatz hinter demBrockenhause jetzt ganz angenehme Abwechslungin die Kost bringt, abgesehen von den Wursthäutenund Käserinden, die man heute wieder an allenWegen findet. Es läßt sich wirklich jetzt schon ganzgut hier leben. Das meinen die Finken auch, die inden Zwergwäldern mit dem Laubvögelchen und derBraunelle um die Wette singen, und die beidenPieperarten, die sich oben auf der Kuppe und ani h r e n Geröllabhängen mit Flugspiel und Liedvergnügen, und der Steinschmätzer, der über demAlpengarten herumflattert und seineSchalksnarrweise ertönen läßt, und der Kuckuck, derhier die Pieper mit seinen Eiern beglückt. Es kriechtu n d krabbelt allerlei Kerbtierzeug zwischen demGrase, und es surrt und burrt vielerlei Volk, undseitdem sich die Nessel an den Schuttplätzenansiedelte, fliegt sogar ab und zu ein bunter Falter

ansiedelte, fliegt sogar ab und zu ein bunter Falterhier. Auch der Segler kommt Tag für Tag herauf underschreckt die Menschen, die vom Turm aus dieStädte und Dörfer zählen, mit seinem schallendenFittichschlage, und die weiße Brockenblume blühtzwischen allen grauen Steinen.Die wenigsten Menschen aber, die die Bahn hier

heraufführt, und die bis zum nächsten Zuge hierverweilen oder die Nacht über, um die Sonneaufgehen zu sehen, lernen den Brocken und seinenFrühling so recht kennen. Kaum einer klettert in einsder kalten Löcher, wo der Schnee noch hart und festliegt, und wo sich zwischen dem wildenFelsengepolter noch keine Spur eines neuenPflanzenlebens zeigt, während dreißig Schrittedavon, unterhalb des toten Zwergwäldchens, dasseine vom Rauhreife zerbissenen, vom Schneeentk l e i de ten , vom Tauwasser zerbeugtensilbergrauen Stämmchen anklagend emporreckt, dieHeidelbeeren abgeblüht sind und die Eberesche ihreSilberknospen aufgrünen ließ, das Wollgras sicheifrig betätigt, und die Farne stolz in Erscheinungtreten, auch an gemütlich brummenden Hummeln,giftig summenden Wespen, blitzenden Käfern undschimmernden Motten kein Mangel ist, und sogar

eine Schnecke ihr braunes Häuschen über den Steinschleppt.So viel Leben ist jetzt dort oben, daß sogar eine

Krähe dort einmal Rast macht, und auch derStrauchdieb von Sperber läßt sich mal zu einemAbstecher über die Kuppe verlocken und streicht miteinem bunten Finken in den Fängen talabwärtsseinem Horste zu, und die roten Kreuzschnäbellassen sich in den Krüppelwäldchen an denAbhängen der Kuppe mit ihrer flüggen Brut auchbisweilen sehen, reisen aber bald wieder ab, wiedenn auch das Rotwild, wenn es nächtlicherweileüber die Kuppe zieht, weil da allerhand Krautgedeiht, das weiter unten nicht vorkommt, vor Tauund Tag wieder in die Dickungen unterhalb derKuppe zurücktritt.Leicht hat es aber das Leben nicht, sich am

Brockenkopfe zu behaupten; allzu kalt sind dieNächte, und zu oft geht da ein messerscharferBitterwind. Wenn der Himmel grau ist und die Luftkalt weht, dann decken die Brockenblumen diegoldenen Perlen ihrer Kelche fest zu und drückensich fest an den Boden, die Käfer und Motten,Fliegen und Spinnen verschwinden unter denSteinen, Pieper und Steinschmätzer rennen stumm

Steinen, Pieper und Steinschmätzer rennen stummdurch das Gestrüpp, der Fink ruft trübselig, und dieBraunelle läßt sich nicht vernehmen, und tot undöde, wie im Nachwinter, ist es um das Brockenhaus.Fährt aber der Wind mit den Wolken zu Tale,

bekommt die Sonne wieder Vorhand, dann lachenüberall die weißen Blumen, dann ist der Frühlingwieder da auf der Kuppe.

Libellen

Grün sind die Wälder, die Wiesen sind bunt, laut ist

das Gebüsch, und die Luft lebt von kleinem Getier.Und doch fehlte noch etwas in dem bunten Bilde, einsilbernes Blitzen, ein goldenes Funkeln, ein weichesKnistern, ein hartes Rascheln.Kein Mensch vermißte es, und nun es da ist, um

alle Gräben flirrt, an allen Teichen schwirrt, dieWiese belebt und die Heide erfüllt, sieht jedwederdarüber hinweg.Die erste Blume, den ersten Falter begrüßt der

Mensch mit frohen Blicken; andächtig stimmt ihn daserste Lerchenlied, und sogar das Erscheinen desMaikäfers ist ihm eine Freude; aber dieWasserjungfern, deren funkelnde Leiber undschillernde Flügel soviel Leben in die Landschaftbringen, die sieht er kaum, und sieht er sie, sobleiben seine Augen kalt, und sein Herz erwärmt sichnicht.Aber wären sie nicht da, so wäre der Sommer nicht

so lustig; verpfuscht wäre er und mißlungen, fehltenihm die schimmernden, flimmernden Schillebolde,

ihm die schimmernden, flimmernden Schillebolde,deren Leiber wie aus Edelerz gebildet sind, undderen Flügel aussehn, als beständen sie ausTautropfen und Sonnenschein, deren Prachtherrlicher ist als die der schönsten Falter, und derenFlug stolzer ist als der der Schwalben. Zu fein sindsie für der meisten Menschen plumpe Sinne, zuschnell für ihre langsamen Augen, die wunderbarenSonnenscheinflieger.Denn die Sonne ist ihr Gestirn; ohne sie leben sie

nicht. Je heißer sie scheint, desto besser geht esihnen. Dann fahren sie hin und her und morden, wasihre Flugbahn kreuzt und schwächer ist als sie,Mücke und Fliege, Käfer und Schmetterling, streiten,mit den Köpfen gegeneinander anrennend, um dieWeibchen, bis sie sich eins erkämpfen und, zuseltsamem Schnörkel mit ihm verschlungen, ihrewilde Fahrt fortsetzen. Sobald sich aber die Sonnehinter den Wolken versteckt, der Himmel grau unddie Luft kühl wird, verlieren sie allen Mut und jedeKraft; matt sinken sie hinab, klammern sich anHalmen und Stengeln fest, unfähig, zu rauben, nichtimstande, sich zu freun. Doch wenn Sonnenlicht undSonnenwärme ihnen neues Leben schenken, danntauchen sie wieder auf, um die Luft mit Silbergeflitter

tauchen sie wieder auf, um die Luft mit Silbergeflitterund Seidengeknitter zu erfüllen, unbeachtet von derMenge, aber doch von heimlicher Wirkung auf Augeund Herz des Menschen.Der sieht sie nur, wenn sie ihn dazu zwingen, wenn

sie sich zu Tausenden und Hunderttausendenzusammenrotten, so daß die blödesten Augendanach blicken müssen. Wohin sie sich auch richten,Libellen und nichts als Libellen; an allen Zäunen undHecken, an allen Bäumen und Büschen, an allenMauern und Wänden haften sie, vom ersten Flugeermattet, und die Luft ist erfüllt von ihnen; in ein undderselben Richtung, mit seltsam stetigem Fluge,gänzlich verschieden von den jähen, hastigenBewegungen, die sie sonst zeigen, fahren sie dahin,hier eine, da drei, dort wieder welche, und immerneue, einzelne kleine Trupps, dichte Schwärme, eineunendliche unregelmäßige Heerschar von unzählbarvielen Stücken.Woher kommen sie? Vielleicht aus dem meilenweit

entfernten See oder aus dem noch entfernterenFlusse. Dort haben sie über ein Jahr als sonderbare,gespenstige, breitbäuchige, dickköpfige, glotzäugige,dünnbeinige, schlammfarbige Larven gelebt; habenihre Unterkiefer mit der furchtbaren Greifzange

ihre Unterkiefer mit der furchtbaren Greifzangevorangeschnellt, anfangs, um winzige Krebstiere vonPunktgröße zu fangen, dann, als sie nach jederHäutung wuchsen, um sich an Froschlarven,Schnecken, Würmern und Fischbrut langsam undbedächtig heranzupürschen oder, kopfüber an einemRohrhalm hängend, sie durch die Anstandsjagd zuerbeuten. Den Winter verbrachten sie fast ohnebewußtes Leben, halbstarr am Boden liegend; imFrühling warfen sie das Larvenkleid ab und nahmenNymphenform an, und schließlich, als der Mai eineHitzewelle nach der anderen über das Land flutenließ, verließen sämtliche Nymphen derselben Art undAltersgruppe an ein und demselben Tage dasWasser, krochen an Schilf, Rohr und Ufersteinenempor, die Hülle zerbarst, und aus den unheimlichenGeschöpfen des Wassers wurden die reizendenLuftwesen.Aber wohin wandern sie, und aus welchem

Grunde? Wir wissen es nicht. In der Richtung, dieder Zug einhält, liegt auf viele Meilen hin kein See,kein Strom, die ihnen dazu dienen könnten, ihre Eierabzulegen. Und warum wandern sie nicht Jahr fürJahr, sondern nur in großen Abständen? Wir habenkeine Antwort auf diese Frage. Und weshalb

keine Antwort auf diese Frage. Und weshalbwandern bei uns nur zwei Arten, der Breitbauch undder Vierfleck, aber keine der vielen anderen, ebensohäufigen Arten? Wir finden keine Erklärung dafür.Wir sind sehr aufgeklärt geworden heute; wirglauben nicht mehr, daß, wenn Schillebolde undWeißlinge in unzählbaren Scharen reisen, oder wennSeidenschwänze und andere fremde Vögel sichsehen lassen, oder wenn ein Schwanzstern amHimmel steht, daß das Zeichen seien, die derHimmel uns gibt, auf daß wir uns auf Krieg, Pest undHungersnot vorbereiten sollen. Darum sind wir aberdoch nicht viel klüger als unsere Urahnen und habenfür Vorgänge, die wir Tag für Tag um uns sehen,keine Deutung, denn auf der Schule lernen wir wohl,wie das Okapi lebt und was ein Kiwi ist, von denLibellen aber, die Tag für Tag unsere Blicke kreuzen,lehrt man uns fast nichts.Schmetterlinge und Käfer, allbekannte Tiere,

sammeln wir, Molche und Laubfrösche, nicht minderuns vertraut, halten wir in Aquarien und Terrarien;wem aber fällt es ein, sich über die vielfachenFormen der Wasserjungfern zu unterrichten, von dergewaltigen Edellibelle bis zur stecknadelfeinenSchmaljungfer, und wen gelüstet es, ihre Larven zu

Schmaljungfer, und wen gelüstet es, ihre Larven zuhalten und zu beobachten? Kaum, daß wir an derSchleuse stehn bleiben und dem Hochzeitsfluge derprachtvollen, tief dunkelgrün, prächtig blau undvornehm braun gefärbten Seejungfern vor derSchilfwand zuschauen, wahrlich ein Bild, das jedesMenschen Auge freuen muß. Achtlos gehn wirvorüber, blitzt die ganze Weißdornhecke von denFlügelchen der himmelblau, blutrot und grasgrüngefärbten Schlankjungfern, und wir denken nichtdaran, stehn zu blieben, jagt die herrliche Waldlibelleso dicht an uns vorüber, daß wir das köstliche Blauihrer mächtigen Augen, die edle Färbung ihresschlanken Leibes und den feinen Goldglanz ihrerSchwingen genau zu erkennen vermögen.Gerade der Edellibelle zuzusehen, lohnt sich. Ihr

Flug allein ist der Aufmerksamkeit wert. Er ist sosicher, so stetig, so zielbewußt wie der des Falken,so schnell wie der der Schwalbe, und doch ohneHast und Unruhe; Schnelligkeit und Ruhe sind in ihmvereint. Es ist ein rasendes Gleiten, ein jähesSchweben, eine Gelassenheit bei allerGeschwindigkeit, herrlich anzusehn. Wie einhimmelblauer Pfeil durchschneidet sie die von allerleiKleingetier durchblitzte Luft auf der Jagd nach Beute.

Kleingetier durchblitzte Luft auf der Jagd nach Beute.Ein Zufahren, und der weiße Falter ist gepackt; imFluge verzehrt sie ihn und streut seine lichtenSchwingen in das dunkle Moos. Hell leuchtet sie dortauf, wo die Sonne den Weg bescheint, um gleichdarauf im tiefen Schatten zu verschwinden. Denn siescheut den Schatten keineswegs, wie die anderenJungfern; sie ist so stark, daß sie auch ohneSonnenlicht auskommen kann, und eine Edellibellesogar, die seltsame, eulenäugige Abendjungfer,verschläft den Tag über im Blätterschatten und fliegterst bei Sonnenuntergang aus, und erst, wenn dasTageslicht gänzlich geschwunden ist, kehrt sie in ihrVersteck zurück, um es wieder zu verlassen, wenndie Sonne abermals nahen will. Sobald ihr vollerSchein aber da ist, verschwindet die Abendlibellewieder und macht den Tagjungfern Platz, den großenund kleinen, breiten und schmalen, denen, derenLeib wie grünes oder rotes Erz aussieht, oder dieden Eindruck machen, als seien sie mit hellblauemMehl bestäubt. Das schwirrt und flirrt laut und leise,ruschelt und raschelt, fährt jäh dahin, flattert langsamumher, blitzt und blinkt und gleißt und glimmert; eineist immer noch schöner als die andere.

Aber die allerschönste, das ist die Libellenkönigin.Größer als die anderen Edellibellen ist sie, noch vielvornehmer gefärbt und stolzer als alle anderen inihrem Fluge. Wo es wild und lustig hergeht, da wohntsie nicht. Der stille, einsame, verborgene Waldsee istihr Reich; dort herrscht sie unumschränkt. Sie istkühn und mutig; naht sich ein Reh dem Ufer, odergar ein Mensch, sofort ist sie da, betrachtet denEindringling, und im nächsten Augenblick jagt sieschon wieder dort, wo die Mummeln ihre weißenBlüten entfalten, oder da, wo der Pfingstvogel seinNest gebaut hat. Bald hier, bald dort leuchtet ihrkönigsblauer Leib auf; soeben schimmerten ihregoldenen Flügel noch an der Krone der Eichevorüber, und jetzt blitzen sie schon über derrosenroten Dolde der Blumenbinse und gleich daraufüber den weißen Nixenblumen. Jetzt jagt sie inheftigem Anstürme ein fremdes Männchen ihrer Art indie Flucht, und nun hat sie eine fette Schlammfliegegepackt, die sie eben verzehren will, als sie einWeibchen erspäht; die Beute zwischen den Zangenhaltend, jagt sie hinter ihm her, treibt es über dieBinsenhalme und an den Schwertlilien vorüber, inden dunkeln Wald hinein und auf das blanke Wasserhinaus, um dann in rastlosem Fluge weiterhin ihr

Gejaid fortzusetzen.Wie der stille Waldsee seine eigene Libellenart hat

und die kühle Schneise, so leben am Seeufer andereArten als bei der Mergelgrube. Das Bergland besitztseine besonderen Formen und Moor und Heidedesgleichen, während andere am liebsten im grünenWiesenlande jagen oder über den gelbenGetreidefeldern, überall, wo sie sich zeigen, derLandschaft einen Zug von Lebensfreude undSorglosigkeit verleihend. Aber das sieht nur so aus,denn es sind grimme Mörder, die zierlichenGeschöpfe. Wie die zierlichen Schmaljungfernwinzige Fliegen und Blattläuse von den Blätternpflücken, so erhaschen die größeren Arten alles das,was sich in der Luft tummelt, falls es nicht zudickschalig und zu groß ist. Die einen jagen aufMücken und Stechfliegen, die anderen auf Bremsenund Falter, und da sie viel Nahrung brauchen, umden Kräfteverlust, den ihr rasender Flughervorbringt, zu ersetzen, so nützen sie wohlebensoviel, wenn nicht mehr, als die Vögel, die sichvon Ungeziefer nähren, und so machen sie daswieder wett, was sie als Larven an Fischbrutsündigten. Sie selber aber dienen allerlei Getier zur

Nahrung. Die dicke Kreuzspinne fängt sie im Netze,die schlanke Eidechse hascht sie im Sprunge, derWürger spießt sie auf einen Dorn, der Turmfalkegreift sie am Tage, und bei Nacht nimmt dieNachtschwalbe sie von den Zweigen.Doch ihre Bedeutung liegt nicht in ihrem Nutzen und

Schaden. Ob dürre Heide oder üppige Wiese, obtosender Wildbach oder langsamer Fluß, ob ernstesMoor oder lachendes Tal, mehr als alle anderenInsekten geben sie der Landschaft Leben. Achten wirauch nicht bewußt auf sie, das Blitzen ihrer Flügel,das Funkeln ihrer Leiber, das leise Ruscheln unddas laute Rascheln ihrer Schwingen hinterläßt dochseine Eindrücke bei uns.xxxNicht das, worauf wir bewußten Blickes unsere

Augen richten, wirkt am stärksten auf uns; geradedas, was wir anscheinend übersehen, erregt zumeistdie tiefsten Stimmungen, läßt uns, ohne daß wir esahnen, den Tag schöner finden, das Leben leichtertragen, und sei es auch nur das Knistern undSchimmern der Libellen.

Am Sommerdeich

Neben dem Flusse, seine unzuverlässigen Wellen

bewachend, wie der Hund die Herde, damit sie nichtvom Wege laufen und Schaden machen, geht derSommerdeich. Je nachdem der Fluß sich benimmt,so verhält sich der Deich; wo der Strom eine scharfeBiegung macht, so daß man ihm ansieht, daß erUnfug vor hat, da bleibt er ihm dicht auf der Naht;wenn er aber sinnig geradeaus geht, dann kümmerter sich nicht so sehr um ihn.Alle paar Tage gehe ich gern den Deich entlang,

weil es dort so vielerlei zu sehen und zu hören gibt,und zu riechen desgleichen. Denn hier riecht esanders als im Bruche und auf der Heide. Der Schlickvom letzten Hochwasser strömt in der Sonne einenstrengen Geruch aus, und wenn ich im langen Graseliege und in den blauen Himmel hineinsehe und denklirrenden Schrei der weißen Seeschwalbenvernehme und dem Klucksen und Platschen derWellen am Ufer lausche, und fern heult der Dampfer,dann ist mir mitunter so zumute, als wäre ich an derS e e . Aber wenn sich dann eine leichte Brise

S e e . Aber wenn sich dann eine leichte Briseaufmacht und den Duft des Ruchgrases zu mirherweht und den der Lindenblüte, und dieSchwalben zwitschern, und ganze Flüge von jungenSprehen brausen über mich hin, dann schmecke ich,daß die Luft süß ist. Es liegt sich prachtvoll unter derkrausen Eiche hier, um die wie eine Laube ein Kreisvon hohen, dunklen Stechpalmen steht. Wenn ichhier liege, denke ich gar nicht daran, daß ich irgendetwas zu tun habe; das Wasser kluckst und platschtim Ufergebüsch, der Südwind ruschelt im Rohre, dieGrasmücken singen in den Hagen, die Schwalbenzwitschern in der Luft über mir, in der Eicheschwatzen die Hänflinge, die Bienen summen unddie Hummeln brummen, die Wasserjungfern knistern,die Grillen geigen und die Heuschrecken fiedeln,alles das zusammen ist wie ein einziges Wiegenlied,bei dem man an nichts denken mag, sondern sichimmer nur recken und strecken möchte. Und wenneine Kuh aufbrüllt, eine Krähe quarrt, ein Kiebitz ruftoder die Mädchen, die zum Melken gehen, ein altesLied nach einer süßen Weise singen, nichts davonstört den Frieden des Sommertages.Jenseits des Flusses wenden sechs Mädchen Heu,

immer in einer Reihe, bald dicht am Ufer, bald oben

immer in einer Reihe, bald dicht am Ufer, bald obenan der Hecke. Sie sehen zu hübsch aus, die sechse,a l l e in derselben Tracht, in den weißenHelgoländern, den roten Leibchen, die am Halse undüber den braunen Armen ein Stückchen weißesLinnen freigeben, und in den blauen Röcken mit denweißen Schürzen. Je nachdem sie her oder hinwenden, sehe ich die blanken Harkenstiele und diezwölf braunen Arme blitzen und leuchten, oder eskommen noch die sechs Gesichter dazu, die beijeder Wendung aufleuchten und verschwinden. Undhier und da und dort in den Wiesen sind ähnlicheGruppen von Mädchen und Frauen, alle in derselbenTracht.Auch sonst ist noch allerlei zu sehen. Ein Dutzend

schwerer, schwarzweißer Kühe steigt langsam undbesonnen das Ufer hinab und watet in das Wasser;laut schlürfen sie und schlagen dabei wild mit denSchweifen, weil die Bremsen um sie im Gange sindund die blinden Fliegen. Auf ihren breiten, glattenRücken laufen die blanken Sprehen hin und her undsuchen ihnen das Ungeziefer ab. An dem sandigenUfer des Werders trippeln zwölf Kiebitze umher;Ringeltauben kommen angeflogen und tränken sich,und mit hellem Getriller, dicht über dem Wasser

und mit hellem Getriller, dicht über dem Wasserherstreichend, naht der Uferläufer und läßt sich aufdem Schlick nieder, während hinter dem Treibholzalle Augenblicke der schwarzweiße Hals einesReihers aufzuckt, der dort auf Ukleis fischt. Aus demWeidicht schwimmen Rohrhühnchen, flüchten aberwieder, gewarnt von dem Gezeter der Elster, dennam Ufer entlang schaukelt sich der Gabelweih.Unter mir liegt ein runder, tiefer Kolk, von Schilf,

Rohr, Pumpkeulen und Kalmus eingefaßt, ganzbedeckt von den breiten, blanken Blättern derSeerose, zwischen denen die großen, weißenBlumen leuchten. Das Rohr ist durchflochten von derUferwinde, deren weiße Trichterblüten es beleben,und an fünf Stellen brennen die rosenroten Doldender Blumenbinse im hellen Sonnenlichte. Aberherrlicher als alle diese Blumen sind die gewaltigen,goldgelben Blütenschirme der Riesenwolfsmilch, diean drei Stellen Büsche von Manneshöhe bildet.Jedesmal, wenn der Wind auffrischt, wirft er mir denbetäubenden Honiggeruch der stolzen Blume zu, dieso aussieht, als gehörten Palmen und andereSüdlandsbäume in ihre Nähe.Aber auch ganz in meiner Nähe ist es

wunderhübsch. An den hohen Beinwellstauden

wunderhübsch. An den hohen Beinwellstaudenhängen weiße und blaue Glöckchen, ein großerweißer, gelbgeäugter Stern steht auf langem Stengelneben dem anderen, wunderbare Disteln mit dicken,purpurnen Blüten, die mit zartblauen Staubfädengeziert sind, sehen stolz auf das Labkraut hinab, daseinen goldenen Teppich vor ihnen ausbreitet, einHeckenrosenbusch prangt über und über inBlütenpracht, und damit der Schlehdorn dagegennicht so kahl aussieht, hat ihn die Klingelwicke ganzmit herrlichen blauen Blumen umsponnen, währendein bunt blühendes Geißblatt der Hainbuchedenselben Liebesdienst tut. Davor aber protzt derRainfarren mit lauterem Golde, als wollte er es demJohanniskraute gleichtun, das sich aber noch nebenihm behauptet, zumal des Baldrians weiße Doldenihm einen schönen Hintergrund geben.Weil hier so viele Blumen wachsen, fliegt auch so

viel buntes und blankes Getier, und deshalb sindauch solche Unmengen von Schwalben da,Rauchschwalben mit roten Kehlen, Steinschwalbenmit silbernem Bürzelfleck, die grauen Uferschwalben,die so gemütlich schwatzen, und hoch in der Luft diew i l d e n Turmschwalben, die Schreihälse. Jetztkreischen sie alle auf einmal los und hetzen den

kreischen sie alle auf einmal los und hetzen denLerchenfalken, der von dorther, wo die braunen,schwarzhäuptigen Heidberge gegen die weißenWolken stehen, gekommen ist, um zu rauben; umden Turmfalken aber, der über dem Kleestück rüttelt,kümmern sie sich nicht. Es ist so vieles hier zusehen, daß ich nicht damit zu Ende komme, undwenn ich jeden Tag hier liege. Ein hoherMauerpfeffer wächst aus der Deichböschung herausu n d hüllt sie in reines Gold. Darüber ragen dierosenroten Häupter der Sandnelke, und überallfunkeln die rubinroten Blütchen der Kartäusernelkeüber den sammetweichen Kätzchen desMauseklees. Dann kommt ein Würger angeflogenund spießt eine Wasserjungfer auf denSchlehenbusch neben seine übrigen Vorräte; einegroße Seemöwe, die der letzte Sturm in das Landgeweht hat, jagt am Ufer entlang; am Werder stelztder Brachvogel entlang, und hier und da und dort istein Storch zu sehen.Nicht nur tagsüber ist es herrlich hier, sondern ganz

besonders des Abends, wenn das Käuzchenumfliegt, und in allen Kolken und Gräben dieFrösche prahlen und das Wasser aussieht, als flössees über schieres Gold. Aber noch schöner beinahe

es über schieres Gold. Aber noch schöner beinaheist es morgens, wenn die Wiesen vor Tau blitzen,und durch den Nebel, der über dem Flusse steht, dieReiher dahinrudern wie Schatten der Vorzeit.Auch wintertags, wenn Randeis an dem Weidicht

entlang rasselt, und der ganze Marsch, und diefernen Heidberge weiß sind, ist es schön hier, aufandere Art zwar, aber doch schön: denn schön ist esimmer hier am Sommerdeich.

Die Bickbeere und ihre Geschwister

Ein großer, grüner Teppich, dicht mit dunkelblauen

Perlen bestickt, bedeckt den Boden des Waldes hier.Süße Perlen sind es, bei groß und klein beliebt undbegehrt, Bickbeeren, und so reich wie in diesemJahre haben sie lange nicht getragen, denn als sieblühten, war es warm und still, so daß die Bienenflogen und sie befruchteten.Unsere Bickbeere, anderswo Heidelbeere, Besinge

oder Blaubeere genannt, findet sich überall bei uns,wo der Boden kalkfrei ist, sowohl in der Ebene wieim Bergland, und selbst unsere Kalkgebirgebeherbergen sie da, wo eine Lößdecke über demKalkstein liegt. In anmoorigen Teilen, Wäldern, wiehier, entwickelt sie stellenweise drei Fuß hoheStämmchen von der Dicke eines kleinen Fingers,während sie im allgemeinen nur einen bis anderthalbFuß hoch wird.Unsere norddeutsche Tiefebene mit ihren großen

auf Sand und anmoorigem Boden stehendenWäldern ist so reich an ihr, daß von hier aus einelebhafte Ausfuhr nach ganz Deutschland mit ihr

lebhafte Ausfuhr nach ganz Deutschland mit ihrgetrieben wird. In der Hauptsache werden dieFrüchte frisch mit Milch oder Zucker genossen,vielfach auch eingekocht, oder in Pfannkuchenformgegessen, und sie geben einen vorzüglichen Saft,der mit heißem Wasser, Zimt und Zuckerzusatz fastganz so wie Glühwein schmeckt, wie denn überhauptdie Heidelbeere im Verdacht steht, denHauptbestandteil bei der Herstellung billigerRotweine zu liefern. Die Frucht ist sehr gesund, undnachweislich übt sie auf den Rückgang derDarmerkrankungen der Kinder einen großen Einflußaus.So bekannt die Bickbeere ist, so unbekannt ist ihre

nächste Verwandte, die Moorbeere oderRauschbeere, im Osten Brunkel genannt. Sieübertrifft an Höhe des Wuchses die Heidelbeerebedeutend und wächst in mehr oder minder großen,meist rund gestalteten Horsten, deren untere Zweigefest auf dem Boden liegen. Im Gegensatze zu derBickbeere, die den Wald vorzieht, liebt sie das offeneMo o r, und für viele Moore ist sie eine derbezeichnendsten Pflanzen. Die jungen Stämme undZweige sind hellederbraun, die älteren fahlbraun undsilbergrau; die verkehrt eiförmigen, sehr schwach

silbergrau; die verkehrt eiförmigen, sehr schwachgezähnelten Blätter haben nicht das kräftige Gründer Bickbeerenblätter, sondern einen bläulichgrünenTon, der sich im Herbst zu brennendem Gelbrotumfärbt. Die Blüten sind ebenfalls geschlossen wiebei der Bickbeere, doch kleiner und blasser, dieFrüchte den Heidelbeeren ähnlich, nur sehr hellblaubereift und innen blasser; ihr Geschmack ist ähnlich,nur etwas herber.Die Moorbeere kommt in allen unseren Mooren vor,

die nicht auf feinem Sande stehen; sie willgeschiebereichen Sand. Wie die Bickbeere, so gehtauch sie ins Gebirge, vorausgesetzt, daß es keinKalkgebirge ist, oder daß eine starke Moor- oderLößdecke den Kalk überdeckt. Wo sie vorherrscht,kann man stets darauf rechnen, die Kreuzotteranzutreffen, während ihr Fehlen darauf schließenläßt, daß diese Schlange dort nicht vorkommt. DerUmstand, daß die Kreuzotter und die Moorbeere ineinem gewissen, durch die Bodenbeschaffenheitbedingten Zusammenhange stehen, hat wohl dazugeführt, daß ihre etwas faden, aber bekömmlichenFrüchte in den meisten Gegenden Deutschlandsnicht verwertet werden. In Rußland und Sibirienbilden die Früchte ein ganz bedeutendes

bilden die Früchte ein ganz bedeutendesVolksnahrungsmittel, und es ist zu wünschen, daß ihrWert auch bei uns mehr erkannt werde, denn siesind, weil der Wuchs der Moorbeere höher ist als derd e r Bickbeere, viel leichter zu pflücken als dieBickbeeren.Noch geschätzter als die Bickbeere ist die

Kronsbeere, auch Preißelbeere genannt. Sie wächstan denselben Standorten wie die beiden vorigen,zieht aber den ausschließlichen Nadelwald vor. InWuchs, Belaubung, Blüte und Frucht unterscheidetsie sich bedeutend von den beiden vorigen Arten,denn sie ist ein niedriger Halbstrauch, der vieleAusläufer treibt und dadurch große,zusammenhängende Rasen bildet; ihre Blätter fallenim Herbste nicht ab, wie bei der Bick- undMoorbeere, sondern sind immergrün, lederartig undglänzend, ihre Blüten stehen in Scheintrauben undhaben keine geschlossene, sondern eine offeneKrone, und ihre Früchte sind nicht blau, sondernscharlachrot.Ihre wirtschaftliche Bedeutung ist noch viel größer

als die der Heidelbeere; sie ist so groß, daß derStaat sich veranlaßt sah, für die beiden ErntezeitenAusgangspunkte festzusetzen und, um der

Ausgangspunkte festzusetzen und, um derZerstörung der Sträucher vorzubeugen, das Pflückenmit dem Kamme zu verbieten. Die großenNadelholzwaldungen unserer Tiefebenebeherbergen gewaltige Bestände der Kronsbeere,und in Unmassen gehen ihre Früchte im Herbstenach auswärts. Die Früchte werden größtenteils alsKompott, und zwar zum Teil allein, teils mit Birnenund Äpfeln gekocht, verwandt; als frisches Kompottißt man sie selten, obgleich es, besonders von denFrüchten der letzten Ernte, ganz vorzüglich ist, wiedenn auch der davon gewonnene Saft ebensoerquickend ist wie Himbeer- und Johannisbeersaft.Unsere vierte und unbekannteste Heidelbeerart ist

die Moosbeere, ein zierliches, rankendes Sträuchleinmit feiner, myrtenähnlicher Belaubung, zierlichen,denen der Türkenbundlilie ähnlichen Blumen vongroßen, rötlichen oder rotbäckigen, sehr sauerenBeeren. Das Sträuchlein wächst in unserenHochmooren und sowohl in der Ebene wie in denBergen und liegt eng angepreßt auf dem feuchtenTorfboden und dessen Moosbedeckung, so daß eswenig auffällt, obgleich seine Ranken sich viele Fußweit erstrecken. Wenn, was allerdings nur inAbständen von mehreren Jahren vorkommt, die

Abständen von mehreren Jahren vorkommt, dieMoosbeeren reichlich tragen, so sehen die damitbestandenen Torfmoosflächen herrlich aus; auf denhellgrünseidenen Torfmoospolstern liegen dann, wiegeschliffene Korallen auf einem Kissen, diezierlichen Früchte in solchen Mengen, als wären siedort ausgeschüttet.Da die Früchte mühsam zu sammeln sind, denn

man muß sie förmlich von dem Moose abkämmen, sowerden sie bei uns fast gar nicht genutzt, obgleichd e r daraus gewonnene Saft bei reichlichemZuckerzusatze eins der besten Erfrischungsmittel ist.In Rußland nimmt man den unversüßten Saft stattdes Zitronensaftes, dem er in seinen Eigenschaftenfast gleichkommt, zum Tee, und in Schottland gilt dasKranberrygelee als feinste Füllung für Kuchen undOmelet te, und England verbraucht alljährlichungeheuere Mengen schottischer undskandinavischer Moosbeeren.Außer diesen vier einheimischen Arten hat man

noch die aus Nordamerika stammende großfrüchtigeMoosbeere hier und da bei uns angesiedelt. InAmerika hat diese Heidelbeerart aber sehr großewirtschaftliche Bedeutung, und in den StaatenWisconsin, Neu-Yersey und Michigan wird sie sogar

Wisconsin, Neu-Yersey und Michigan wird sie sogarangebaut, und der aus dem Anbau erzielte Erfolg istso groß, daß das nasse Moorland, das sie verlangt,dem besten Ackerboden an Wert gleichkommt. Dortlegt man in den Mooren Abfuhrwege, hölzerneGeleise und Wirtschaftsgebäude an, mäht dieMoorgräser tief ab, lockert die Grasnarbe und pflanztim Abstande von fünfzehn Zentimetern die Stecklingeein, die bald anwachsen. Die aufschießendenSauergräser und sonstigen Gewächse, die dieMoosbeeren ersticken, walzt man nieder,überschwemmt im Oktober die ganze Anlage undläßt erst im Mai das Wasser ab, wodurch man diePflanzen vor dem Auswintern schützt.Unsere Heidelbeerarten haben nicht nur für den

Menschen, sondern auch für die Vogelwelt einegroße Bedeutung, und das Vorkommen von Birkwildist fast ganz an das der Moor- und Moosbeeregeknüpft. Der Jäger trifft im Spätherbst und Winterstets das Birkwild in den Mooren und lichtenBirkenbeständen an, die die Moosbeerebeherbergen.Der Forstmann dagegen sieht die Bickbeere und

die Kronsbeere nicht gern im Walde, wenn erstereauch eine gute Äsung für das Wild abgibt; aber diese

auch eine gute Äsung für das Wild abgibt; aber diesebeiden Halbsträucher, wie auch die Heide besitzen inihren Blättern so viel Gerbsäure, daß die Blätter nursehr langsam verrotten, und so bildet sich unter derd e n Sauerstoff der Luft abhaltenden Schichttrockener Blätter eine eigenartige, von ihrer FarbeBleisand genannte Erdschicht, die fast ganzundurchdringlich für die Wurzeln der Bäume ist, undd i e an feuchten Stellen zu der Bildung desOrtssteines führt, der dem Forstmanne so vielSchwierigkeiten bei Aufforstungen bereitet.Das ist aber auch die einzige unangenehme

Eigenschaft der Bickbeere und ihrer Geschwister.

Das rosenrote Land

Vom Lindenbaume fiel das erste gelbe Blatt,

Herbstseide zieht über die Stoppel, die Wiesenblühen nicht mehr, Georginen und Totenblumenprahlen in den Gärten; die schönste Zeit ist vorbei.Für die Heide aber kommt sie erst. Dreimal hatte siesich schon fein gemacht, im Frühjahr mit silbernemWollgras ihre Moore geschmückt, im Vorsommer mitgoldenen Ginsterblüten die Hügel ausgeputzt undspäterhin einen herrlichen Teppich neben denandern gebreitet, blumenbunte Wiesen,schneeweiße Buchweizenbreiten und Lupinenfelder,gelb wie Honig und duftend wie dieser.Nun aber legt sie ihr Staatskleid an, das

rosaseidene, heftet flimmernde Pailletten auf ihreSchleppe, himmelblaue, kleine Falter, tränkt ihrMieder mit einem feinen Duft von Honig, heftet einenStrauß azurner Enzianen daran und schlingt denErbschmuck aus purpurnen Korallen in ihrroggenblondes Haar. »Die Oerika blüht!« hallt esdurch die Städte, und die Stadtmenschen,heidhungrig und heißhungrig nach Blumen und

heidhungrig und heißhungrig nach Blumen undSonne, kommen angezogen, erfüllen die Stille mitLiedertafelgesang, raufen bündelweise das blühendeHeidekraut aus, hinterlassen Papierfetzen undFlaschenscherben bei den Denkmälern der Vorzeit,schmachten und schwärmen von Heidfrieden undHeidpoesie und kehren wieder heim und denken,daß sie die Heide nun kennen.Die aber erschließt sich ihnen nicht so leicht. So

wenig kennen sie sie, daß sie von der blühendenErika mit dem Ton auf dem E schwärmen, aber derTon muß auf dem I liegen, und nicht die Erika, dieGlockenheide, ist es, die dem Lande denRosenschimmer gibt, denn deren Blumen sind schonlängst vertrocknet, und nur hier und da ist noch einblühender Busch zu finden, sondern die Calluna istes, die Sandheide, das bescheidene Sträuchlein hierauf den dürren Flächen, wo die Schnucken weiden,hoch und stark aber dort in den moorigen Gründen,in die nur der Jäger sich hineintraut.Wer bloß auf den sandigen Höhen bleibt, wo der

Erdboden fest und trocken ist, der lernt die Heidenicht kennen, wie der ihr Volk nicht erkennt, der nichtsieben Scheffel Salz mit ihm teilte. Wer die stillenGesichter mit den kühlen Augen und den

Gesichter mit den kühlen Augen und denverschlossenen Lippen betrachtet, der denktvielleicht, dahinter sei nicht Feuer noch Flamme,nicht Wunsch noch Wille. Aber es hat seineGeheimnisse, die es in festverwahrten,eisenbeschlagenen Truhen verbirgt, Erbtümer ausden Zeiten, da es sich mit Römern und Franken,Nordmännern und Wendenvolk herumschlagenmußte, und die gespenstigen Mährenhäupter überden Strohdächern und den Rauchfängen der Herdeerzählen, daß der Glaube an Wode und Thor heutenoch nicht ganz erloschen ist.Auch das Land selber birgt Erinnerungen

mannigfacher Art. Gewaltige Bauwerke, ausungefügen Granitblöcken aufgeschichtet, umgebenvon vielen Hunderten von Hügelgräbern, Steinbeile,Bronzekelte, Eisenschwerter und allerlei Schmuckaus Edelmetall geben Kunde von den Völkerwellen,die hier hin und her fluteten, von den unbekanntenMenschen der Steinzeit, die vor den Kelten flohen,bis diese den Langobarden weichen mußten; dieaber schlugen sich mit den Sachsen herum, bis siesich schliedlich vertrugen, um gemeinsam denAnprall der slawischen Sturmflut abzuwehren, dieweit in das Land zwischen Elbe und Weser

weit in das Land zwischen Elbe und Weserhineinspülte, bis ihre Macht sich brach und Slawenund Germanen neben und durcheinander sich zugemeinsamer, friedlicher Arbeit zusammentaten,nachdem jahrhundertelang die Weiler in Rauchaufgingen und hüben und drüben das Blut reichlichfloß.Noch andere Andenken an die Vorzeit hält das Land

eingeschlossen. Beim Torfmachen, beiEntwässerungen und Erdarbeiten werden gewaltigeEichenstümpfe bloßgelegt, werden mächtigeEibenstämme aufgedeckt, die Früchte von Hasel-und Hainbuche an Orten gefunden, wo heute Torfansteht und Heide wächst und außer Birke und Ellerkein Laubholz gedeiht, feste Beweise dafür, daß bisauf die nassen Gründe und die dürren Höhen einlockerer Eichenhain das Land bedeckte, in dem einfleißiges Volk wohnte, das sein Vieh weidete undseine Äcker bestellte, das nach der Nordsee hin undbis in Byzanz Pferde, Wolle, Felle, Wachs und Honighandelte, bis der Franke einbrach, mit Gewalt undList das Land an sich brachte, das Volk umbrachteoder verschleppte und den Rest unter das Kreuzzwang. Weite Strecken wurden damals wüst undvermoorten oder verheideten; weitere Wüstungen

vermoorten oder verheideten; weitere Wüstungenbrachte dann die Feudalzeit mit ihren ewigenKriegen mit sich, die Saline zu Lüneburg und dieHafenbauten Hollands fraßen die Eichenwälder auf,und so entstand das, was man da nennt: dieLüneburger Heide.Bis auf die letzte Zeit war sie ein unbekanntes

Land, so unbekannt, daß sie als eine trostloseWüste galt, so daß ein französischer Schriftstellervon ihr schrieb, sie werde bewohnt von un peuplesauvage, nommé Aidschnukes. Noch heute trifft manin Büchern allerlei falsche Beschreibungen von ihran, als gäbe es dort nichts als platte, dürre,heidwüchsige Flächen, und es ist doch ein Land,reich an lachenden Flußtälern, bewachsen mitmeilenweiten Wäldern, besät mit stattlichen Weilern,Dörfern, Flecken und kleinen und größeren Städten,e i n Land, das eine fleißige, wohlhabendeBevölkerung beherbergt, seitdem es sich nach demDreißigjährigen Kriege von dem grauenhaftenElende erholt hat, das Dänen und Schweden,Wallonen und Kroaten und nicht zum mindestendeutschblütige Kriegsvölker ihm brachten, und vondem in den Kirchenbüchern und Schatzregisternmancher Name ausgegangener Höfe und Dörfer

mancher Name ausgegangener Höfe und Dörfermeldet, von denen es dort heißt: »Ligget wüste«.Freilich umfaßt es auch weite Strecken Ödland,

meilenlange Heiden, so leer wie eine Bettlerhand,n u r hier und da mit krüppligen Wacholdern undkrausen Kiefern bestockt, unübersehbare Moore,deren Eintönigkeit kaum ein Baum unterbricht, breiteB r ü c h e mit undurchdringlichen Dickichten,unheimliche Wildwälder, von selber angeflogen, indenen es nicht Weg noch Steg gibt. Doch dasgereicht der Bevölkerung eher zum Nutzen als zumSchaden, denn es bietet auf lange Zeit Tausendenvon Menschen Gelegenheit, sich ein eigen StückLand zu erwerben. Von Jahr zu Jahr nehmen dieEinöden mehr ab. Die kahlen Heiden werdenaufgeforstet, die Brüche zu Wiesen und Ackerlandgemacht; wo einst Hirsch und Sau, Schreiadler,Waldstorch hausten, wo Heide und Wollgraswucherte, stehen Häuser, weidet Vieh, rauschengoldene Ähren das Hohelied vom Bauernfleiß. Kreuzund quer zerschneiden Eisenbahnen und Straßendas Land, und an ihnen entlang rückt die Bebauung.Heute schon ist die Heide das nicht mehr, was sievor fünfzig Jahren war; und in abermals fünfzigJahren wird niemand mehr das Recht haben, ihr den

Jahren wird niemand mehr das Recht haben, ihr denalten Namen zu geben.Weichlich wäre es, darüber Wehklage zu erheben.

Das Christentum hat nichts nach dem künstlerischenGehalt des Urglaubens gefragt, als es ihn bis aufd e n Wurzelstumpf mit Feuer und Schwertvernichtete, so kümmert sich auch die Kultur nichtdarum, schreite sie voran und nimmt sie dem Landeihr altes Gewand. Es ist auch sehr die Frage, was inWirklichkeit schöner ist, eine rosenrote Einöde, dieauf einer Geviertmeile keine zehn MenschenNahrung bietet, oder die fruchtbar gemachte Scholle,die Hunderte nährt. Unsere überfüllten Städte habenu n s sentimental gemacht, so daß wir das wildeHochgebirge und die wüste Heide schön findenmußten, die den schönheitsfrohen Griechen nichtsbot als Schrecknisse und Langeweile. Und, Handaufs Herz, wo ist die Heide am schönsten, wo wirktdas Hochgebirge am tiefsten auf uns? Da, wo nichtsund weiter nichts vor uns liegt als das wüste Landoder Klippen und ewiger Schnee, oder dort, wo einweißer Weg auf dem rosigen Hügel eine graueWindmühle vor dem blauen Himmel, oder eineSennhütte oder eine Brücke, Menschheitsspurenuns mit der Natur verbinden?

uns mit der Natur verbinden?Wo das nicht der Fall ist, zerdrückt das Gebirge den

Menschen, zerquetscht die Heide ihn. Mit dengebahnten Wegen hört alle Heidschwärmerei auf. Dazieht sich ein Moor hin, meilenweit, meilenbreit. KeinWeg führt da durch, selbst die Jäger wissen nicht,wie die Jagdgrenzen laufen. Daumendick sind amGrund die Heidbüsche, und ihre Spitzen reichen demWanderer bis an die Brust. Kein Haus, keinKirchturm, keine Windmühle überschneidet denHimmelsrand. Heide, Heide, nichts als Heide, so weitman sieht, die allerschönste, rosenroteste,honigduftende Heide, laut vom Gesumme derBienen, bunt von dem Geflatter blauerSchmetterlinge, überfüttert von zahllosen Libellenflimmernd und glimmernd in der Sonne, überspanntvon einem lichten, von weißen Wolken gemustertenHimmel, aller Schönheit voll, und doch unheimlich,tot und schrecklich für den einsamen Wanderer, derda auszog, um Heidfrieden und Heidschönheit zufinden, und nun dasteht, ein Häufchen Unglück, einNichts in dieser unwegsamen, unwirtlichen,unendlichen rosenroten Wüstenei und in sich nacheinem einzigen Menschen schreit, und wenn es auchein landfahrender Stromer wäre.

ein landfahrender Stromer wäre.Oder kommt er von der Straße ab und verläuft sich

in der kahlen Schnuckenheide, auf deren hungrigesBlühen die Sonne herniederprallt, oder gerät vomWege und irrt im Bruchwalde umher, in dem engverfilzten, dumpfen, schwülen, wo die Otter amBoden kriecht und die Luft von stechendemGeschmeiße lebt, oder steigt im Torfmoore umher,bis er nicht aus und ein weiß, weil überall der Bodennachgibt, oder er geht in später Dämmerung einenschmalen Weg, der ihn über eine Wacholderheideführt, und rechts und links und fern und nah stehengespensterhafte Gestalten, die ihn drohendanstarren, dann weiß er, daß das Land, über dessenrosenrote Pracht er in Entzücken geriet, als er amherrlichen Mittage auf der Kuppe des Hügels unterder Schirmkiefer rastete und es unter sich liegensah, lachend und lieblich, ein einziges großes, schönbewegtes Blumengefilde, daß es seine Tücken undGefahren hat, und seine Geheimnisse, wie dieernsten, aber freundlichen Leute in dem großen,strohgedeckten Hause, wo er um einen TrunkWasser bat und Kaffee und Honigbrot bekam, ohnedaß er dafür zahlen durfte.

Aber davon weiß das fröhliche Völkchen nichts, daszu der Zeit, wenn der Honigbaum, wie der Heidjerdas Heidland nennt, am Blühen ist, Sonntags zuHunderten aus den Eisenbahnwagen quillt, mit Hurraund Juchhe die Sandwege entlang wandert, von derblühenden Oerika schwärmt, den Schnuckenschäferdumm fragt und nach bequemer Fahrt Erklecklichesim Vertilgen von Schinkenbutterbroten und Dickmilchleistet. Ein angenehmer Ausflugsort ist es ihm, einbequemer Spielplatz für große Kinder, eine billigeErholungsstatt, und so krimmelt und wimmelt esdenn um diese Zeit da überall von Menschen, bauensich von Jahr zu Jahr mehr Stadtleute dort an,schnurren die Räder, donnern die Autos auf allenStraßen, wachsen Hotels und Restaurants, woeinfache Dorfkrüge standen, verliert es immer mehran eigener Art, das eins so mißachtete, rosenroteLand

Die Teiche

Weit vor der Stadt, zwischen Hügeln verborgen,

liegen zwei Teiche. Kein Reiseführer nennt sie, keineKarte führt sie an, und so flutet der Strom derAusflügler an ihnen vorüber. Nur einige wenigeNaturfreunde suchen dort seltene Blumen undstellen den Käfern und Schmetterlingen nach, abund zu verirrt sich ein Maler dorthin, und wenn nichtdie Jungens aus dem nächsten Dorfe einen Ausflugdahin machen, um trotz der halbverwittertenWarnungstafel in dem flachen, klaren Wasser zubaden, dann ist es außer der Bestell- und Erntezeitdort still und ruhig, und höchstens ein Jäger pirschtden Holzrand ab.Zweimal war ich dort gewesen, einmal im

Spätsommer, als die Raine bunt waren von hohenBlumen, und später im ersten Frühling, als dieblaßgelben Schlüsselblumen den knospenden Waldm i t ihrem feinen Pfirsichduft erfüllten und diehellblauen Waldveilchen aus dem braunen Fallaubebrachen. Als ich neulich der Stadt müde war, dafielen mir die Teiche ein und zogen mich zu sich.

fielen mir die Teiche ein und zogen mich zu sich.Der Tag war heiß und durstig. In ländlichem

Wirtshausgarten saß ich unter weißblühendemStrauche und hörte dem Mönch zu, derununterbrochen aus den fruchtschwerenWalnußbäumen sein silberhelles Liedchen bald laut,bald leise sang, und dem Esel, der seiner Freudeüber den schönen Tag Ausdruck gab auf seine Art.Und als die Sonne nicht mehr ganz so heiß schien,da ging ich durch die Felder den Bergen zu.An einer unendlichen Weizenbreite, deren

sattgrüngelbe, in der Spätnachmittagssonneglitzernde, leicht im Winde fließende Fläche nursparsam mit rotem Mohn, hellblauen Kornblumenund dunklerem Rittersporn durchwirkt war, zog sichder graublaue, staubig Weg lange hin, bis amKamme des Anberges die goldig leuchtende Flächehalbreifer Sommergerste sichtbar wurde, und dannführte eine dürrer Trift aus dem Felde zum Berge.Buschwald deckt den Hang, ein niedriges, dichtes

Durcheinander von Hainbuche und Rotbuche, Haselund Eiche, Maßholder und Kornelkirsche. Am Wegleuchtet ein hoher, hellblauer Ehrenpreis, blauGlockenblumen nicken, gelbweiße Sternblumenerheben ihre breiten Schirme. Über den Boden

erheben ihre breiten Schirme. Über den Bodenkriecht das wilde Süßholz, an den Rosenbüschenschimmern die letzten Blüten, hier und da erhebt einrosenrotes Knabenkraut seine duftenden Rispen.Durch die Ackerfurchen, in die das RegenwasserÄhren und Halme fest hineingewalzt hatte, suchte ichmir den Weg nach dem feuchten Wiesental, und alsich höher stieg, sah ich das Wahrzeichen der Teiche,die hohen Pyramidenpappeln, hinter dem Rückendes Hügels auftauchen.Sie sind keine große landschaftliche

Sehenswürdigkeit im landläufigen Sinne, die beidenTeiche. Zwei flache Wasser, von Rohr umrahmt,zwischen kahlen oder mit Getreide bestandenen,nach der einen Seite bewaldeten Hügeln liegend,mögen sie viele Leute kalt lassen. Ich aber liebe sie.In ihrer Weltabgeschiedenheit liegt ihr Zauber. Vordem Holze, unter den niedrigen, geköpftenHainbuchen und den hohen, raschelnden Eschenmuß man stehen und nach dem Einschnitt sehen,durch den der Weg an den strengen, herben, hohenPappeln vorbeischleicht. Die Sonne muß hinter demWalde stehen und auf dem Wasser liegen, das diezarten, braungrünen Töne der Hügel angenommenhat. Ein leiser Wind muß wehen, daß das Rohr

hat. Ein leiser Wind muß wehen, daß das Rohrrauscht, und daß seine vorjährigen Blütenrispenschwanken.So traf ich es. Hinter mir gurrten die Turteltauben,

sangen die Goldammern, schmetterten dieBaumpieper. Das Rohr glitzerte in der Sonne, diehohen Binsenhalme neigten sich in ihrer ernsten,gemessenen Weise. Dann erklang der rauhe, schrilleRuf des Wasserhuhns, der Teichrohrsänger sangsein seltsames Lied, der Drosselrohrsänger griff dieWeise auf und verstärkte sie auf den doppeltenUmfang, ein alter, dicker braunschwarzer Frosch,dessen Rücken ein schmaler gelber Strich zierte,gab wie ein Vorbeter, dreimal das Zeichen, und ausdem Rohr, aus den Pumpkeulen fiel die ganzeFroschgemeinde im Chor ein.Allein der Drosselrohrsänger ist mir schon Fahrt und

Weg wert. »Karl, Karl, kiek!« so singt er. Dasquietscht und quarrt gellend und grell, aber es paßtwunderschön zu dem Rauschen des Rohrs, demPlärren der Frösche, dem Schrei des Wasserhuhns.Alle Rohrsängerarten haben diese Töne alsGrundlage ihres Gesanges, aber die imWeidengebüsch des Ufers, am Waldrand und imfeuchten Feld leben, die stimmen es in die

feuchten Feld leben, die stimmen es in dieUmgebung hinein. Der Drosselrohrsänger aber, dernur im großen Rohrwald lebt, verzichtet auf allesliebliche und gefällige Beiwerk.Über das freie Wasser jagen einzelne große

Jungfern mit blaubereiften Hinterleibern. Das Volkgab ihnen einen hübschen Namen; aber es sindböse Räuber. Pfeilschnell schießen sie hin und her;ihre ungeheuren, halbkugeligen, gläsernen Augenspähen nach einer harmlosen Fliege. Wie Falkenstoßen sie darauf zu, fassen sie und zermalmen siezwischen den schrecklichen Kiefern.Verwandte davon, winzige, fadendünne,

himmelblaue Jüngferchen, flirren zu Hunderten amStrande herum und bedecken jeden Binsenhalm mitlangen, hellblauen Auswüchsen. Auch diesezierlichen Geschöpfe, die aussehen, als lebten sievon Tau und Blumennektar, sind Räuber. Die dickenSchleie aber, die, langsam mit den rotgerändertenFlossen rudernd, unter ihnen durch das Wasserziehen, sind, so gefräßig sie aussehen, harmloseTiere, die vorlieb mit allem nehmen, was am Bodenfault.Auf dem Kalkschotter des Uferrandes ist ein

schwärzliches Gewimmel. Hunderte und Hunderte

schwärzliches Gewimmel. Hunderte und Hundertevon eben entwickelten Fröschchen hüpfen dadurcheinander. Hunderttausende von Eiernschwammen im Frühling hier. Viele verfaulten,w u r d e n von Pilzen verdorben. Von denHunderttausenden von Kaulquappen schlucktenTausende Molch und Hecht. Und von denTausenden von Fröschchen, die auskamen, werdenmehr als drei Viertel noch vor dem Herbst zugrundegehen, die wenigsten werden groß werden und anschönen Abenden hier quaken mit ihren Eltern undUrgroßeltern.Es ist überall gleich in der Natur und bei den

Menschen. Der Anfang, das ist das Schwerste;nachher geht es schon. Das winzigeRosensträuchlein hier am Wege kann nichtaufkommen. Immer wieder treten es die Schafe inden Grund. Dem großen Strauch daneben, der ganzvoll rosiger Blüten hängt, kommen die Hufe undMäuler nicht nahe. Er weiß sich zu wehren. In seinerJugend lernte er es, und jetzt ist er stachliger alsjeder andere Rosenstrauch.Hinter dem Holze stieg eine schiefergraue

Wetterwand hoch, schob sich vor die Sonne undwuchs bis in die Mitte des Himmelsgewölbes hinein.

wuchs bis in die Mitte des Himmelsgewölbes hinein.Der Wind frischte auf, fuhr in hastigen Böen durchdie Kronen und über das Röhricht. Aus dem klaren,stillen Teich wurde ein schwarzes, wildes Wasser. Ineinzelnen rotglühenden Fetzen brannte die Sonnedurch die schwarze Wolke, die Pappeln bogen sichächzend, Staubwirbel tanzten über die Abhänge, imRohr siedete und kochte es, und die Wellenklatschten mit hartem Schlag an das Ufer.Die stille träumerische Ruhe der Landschaft war mit

einem Ruck vorbei. Keine Lerche sang mehr in derLuft, kein Ammer im Rosendorn. Die Fischer warenverschwunden, die Frösche hörten auf zu grölen.Der Rohrsänger ganz allein kümmerte sich nicht umSturm und Gewitterdrohen; dicht am Wasserrandesaß er hoch oben auf schwankendem Halm und riefsein hartes Lied laut und schrill, als wäre das Pfeifendes Sturmes, des Rohres Rauschen und desWassers Klatschen nur die Begleitung dazu. Als derSturm sich erhob und die Pappeln sich bogen, dahatte ich mich innerlich ein bißchen geduckt. Aberder kleine Vogel beschämte mich, ich sah vollVerachtung nach den beiden Tauben, die angstvollzu Holze flogen, und ging langsam meinen Wegentlang, das kecke Rohrsängerlied im Herzen.

entlang, das kecke Rohrsängerlied im Herzen.Einmal hörte ich es noch hinter mir herrufen: »kiek,

kiek!« Und als ich mich umsah, da hatte die Sonneein großes Loch durch die Wolken gebrannt, großerote und goldene Lichter auf das Wasser geworfen,den roten Ackerhang vergoldet und Rohr und Rischmit Flittern und Flimmern besät.Und solange sie schien, blieb ich stehen unter den

Pappeln. Als sie aber hinter dem Walde verschwandund die bleierne Wolke ihr Andenken auslöschte,verließ ich die düsteren Teiche.

Die Düne

Hinter der Feldmark des Eschs leuchtet aus den

Föhren ein gelber Fleck hervor; eine Binnendüne istes, aus feinem Sande bestehend. Einst wird sie hierin der Gegend die erste Besiedelung getragenhaben, denn vor ihr war Sumpf und hinter ihr einSee, der im Laufe der Jahrtausende vermoorte. Dort,wo der Wind den Sand fassen kann, und der Regenihn auswäscht, finden sich allerlei Andenken auslängst vergangenen Zeiten.Als das Moor hinter ihr noch ein See war, werden

sich Fischer auf ihr angesiedelt haben. Später istdas Land vor der Düne unter den Pflug gekommen,und obgleich die Düne sich kräftig gegen die Bauernwehrte und ihnen heute noch zu schaffen macht, soverschwindet sie doch immer mehr. IhreSandmassen werden als Streusand abgefahren,dienen zum Bau von Straßen, zur Befestigung derMoore und zur Auflockerung lehmiger Ackerflächen,eine Fläche nach der anderen wird aufgeforstet oderabgefahren und in Acker verwandelt, und wo einstder Birkhahn balzte und die Nachtschwalbe

der Birkhahn balzte und die Nachtschwalbeschnurrte, brütet die Wildtaube und singt dieFeldlerche.Noch heute sind hier in der Feldmark überall an den

Wegen und in den Gräben die Spuren derehemaligen Beschaffenheit des Geländes zu finden.Haben auch die Feldfrüchte und deren

Begleitpflanzen die Hauptmenge des Landes mitBeschlag belegt, hier und da stockt an derWegeböschung noch Sand- und Glockenheide,wuchert Heidecker und Kugelblume, Quendel undKriechweide, und die Waldeidechse, der dasBauland Dicht neben der Roggenstoppel bedeckt diegraue, dürre Renntierflechte die Grabenböschungund ein dürftiges, schwarzes Widertonmoos, zweiPflanzen, die dem Bodenkenner verraten, daß hierviel Kalk und noch mehr Schweiß nötig ist, ehe dasLand Frucht trägt. An der Wegeböschung steht derbloße Sand an. Er ist so fein, daß er wie Pulverdurch die Finger läuft. Weht der Wind vonNordwesten, so pustet er den Flugsand in die Felderhinein. Deswegen haben die Bauern ihn mit Hagenaus Föhrenbusch eingehegt, damit er sich wiederbegrüne. Zuerst läßt sich eine Segge auf ihn nieder,deren queckende Stöcke ihn zusammen halten,

deren queckende Stöcke ihn zusammen halten,Moose und Gräser siedeln sich an und bilden eineDecke, die den Regen festhält. Dann kommt derMensch und pflanzt die Kiefer an, und aus derDünne wird Wald, oder er kalkt die ebenen Flächenund macht sie zu Ackerland. Vor zehn Jahren sah esunterhalb der Düne noch wild und wüst aus, und dieBauern nannten die Gegend das Jammertal. Heutesind nur noch kleine Sandblößen frei, so daß derWind kaum Unfug treiben kann. Früher kam dieDüne in die Feldmark; heute rückt die Feldmark derDüne auf den Leib. Im landläufigen Sinne ist dieGegend langweilig. Steht man oben auf der Düne, sohat man zwar einen ganz hübschen Blick über dasMoor und auf die Felder und Wälder, doch diemeisten Wanderer werden nicht zufrieden sein mitdem, was die Natur ihnen hier bietet. Wer aberFreude daran empfindet, den stillen Kampf zubeobachten, den die Bauern mit der Natur führen,und wer nebenbei Sinn für das eigenartige Pflanzen-und Tierleben hat, das an den Sand gebunden ist,für den lohnt sich der Weg über die Düne, und esgibt schließlich doch mehr zu finden, als manvermutet. Nicht allein die ursprüngliche Pflanzen-und Tierwelt bietet allerlei anziehende

Erscheinungen, so findet sich das reizende gelbeKatzenpfötchen hier und der kleinste, aber schönstevon unseren drei Goldraubkäfern, auch der Kampf,den hier die Vertreter von zwei Floren, der desSandes und der des Moores, mit der des Kalkesführen, ist recht fesselnd, und zudem bietet die Artund Weise, wie der Mensch mit Forst-, Acker- undWiesenbau, Verkehr und Industrie den armen Sandzwingt, sich nützlich zu machen, hübscheGelegenheit zu lehrreichen Betrachtungen.Im Norden, Südosten und Süden der Düne ragen

Schlote in den Himmel. Die nördlichen gehören denTorfwerken, die südöstlichen der Ziegelei, diesüdlichen dem Kaliwerk an. Drei verschiedenengeologischen Zeitaltern, dem Alluvium, dem Diluviumund dem Tertiär entsprechen sie. Die jüngsteErdschicht, das Moor, ward zuerst verwertet,anfangs nur zur Brandtorfgewinnung. Dann nützteder Mensch den diluvialen Ton zu Ziegeln aus.Schließlich machte sich die Industrie die Mooredienstbar und gewann ihnen Torfstreu aus Torfmullab, und zu allerletzt fraßen sich Fallmeißel undDiamantbohrer in das Tertiär und suchten dieKalisalze.

Seltsam mutet es den einsamen Wanderer an,wenn er von der Düne aus die drei verschiedenenSchlotgruppen überblickt. Zu seinen Füßen rinnt derfeine, weiße Sand. Wind und Regen bliesen undwuschen schwarze Urnentrümmer und schmale,graue, kantig Feuersteinsplitter frei. Vorundenklichen Zeiten lag ein Fischerdorf hier auf demSandberge. Während die meisten Männer auf demSee auf Fang fuhren, blieb ein Mann zurück, grubFeuersteinknollen aus dem Sande und schlug nachuralter Technik Beile, Messer und Sägen darauszurecht, und ein anderer holte Ton und formte Töpfeund Schalen daraus.Im Sande liegt ein Knochenstück. Es ist ganz leicht.

Jede Spur von tierischem Stoffe ist darausverschwunden; das reine Kalkgerüst blieb zurück. Esist das Stück von der Schädeldecke einesMenschen, eines der Fischer, Töpfer oderFlintsteinmesserschläger der alten Siedlung.Daneben liegt ein rostiger Nagel. Läge noch einStückchen grüner Bronze daneben, wie sie sichvielleicht hier auch finden mag, so hätte man dieLeitmetalle aus den drei wichtigsten Abschnitten dermenschlichen Kulturgeschichte beieinander, denbearbeiteten Feuerstein, die Bronze und das Eisen.

bearbeiteten Feuerstein, die Bronze und das Eisen.Dort pfeift die Lokomotive der Kleinbahn. Von der

anderen Seite geht ein Zug der Staatsbahn ab; manhört sein Fauchen; auf der Landstraße lärmt einKraftwagen dahin; die Torfloris rattern aus demMoore heran; aus dem Laube der Pappeln an derLandstraße blitzen die weißen Isolatoren derTelegraphenstangen heraus; ein Radfahrer flitzt überden festen Weg, der von der Landstraße aus nachdem Dorfe führt; über dem Walde da unten wandertlangsam eine runde Kugel, an der ein Körbchenhängt; ein Militärluftballon ist es. Wie weit wir esgebracht haben! Und wir haben außerdemRöntgenstrahlen, Radium- und Serumtherapie,drahtlose Fernsprechung, rauchloses Pulver,Fernrohre und Mikroskope und sind trotzdem in derTechnik von der Zeit, in der der Mensch zuerst dasEisen schmolz und formte, nicht so weit entfernt, wieder Mensch, der zuerst Eisen bearbeitete, von dem,der sich mit Bronze behalf, und der Mensch derBronzezeit von dem des Steinzeitalters.Strenggenommen war die Steinzeit die Urzeit, dieBronzezeit das Mittelalter, und mit dem Eisen beganndie Neuzeit.

Heute hat der Fortschritt Eilzugsgeschwindigkeitangenommen. Es gibt kein dörfliches Leben mehr,keine ländliche Abgeschlossenheit. Rad, Telephon,Landstraße, Eisenbahn, Kraftwagen verbindenGroßstadt und Kleinstadt, Kleinstadt und Dorf. Düneund Moor, die seit Jahrhunderten Urlandsinseln indem Kulturlande bildeten, verschwinden. Das Dorfbaut die Düne, das Torfwerk das Moor ab. Hierentsteht Acker, dort Wiese. In fünfzig Jahren ist dieDüne verschwunden, ist das Moor Bauland. Dannknattern Luftfahrzeuge über die Wälder, und derGemeindevorsteher bekommt jeden Morgen von derWetterwarte drahtlos den Wetterbericht. Kein Bauermäht dann mehr mit der Sense; die Maschine tut dieArbeit. Unter den hohen Föhren auf der Düne stehenbunte Bauten; ein Genesungsheim entstand da, undreiche Stadtleute haben dort ihre Sommerhäuser,denn dieselbe Eisenbahn, die dem Lande die Leutenimmt, bringt ihnen wieder Menschen. Wer das allesnicht glauben will, der denke daran zurück, wie esvor fünfzig Jahren hier aussah, oder vorfünfundzwanzig, oder vor zehn, als noch keinLorigeleise die Düne zerschnitt und hinter demMoore sich noch nicht die Schlote der Torfwerkeerhoben, noch kein Mensch an Kali dachte und der

Bauer darüber gelacht hätte, wäre ihm gesagt, dieDörfer bekämen Bahnhöfe und die Fuhrwerkewürden ohne Pferde fahren. Und heute sind dieBahnhöfe da. Als das erste Automobil durch das Dorfdahinrappelte, warfen die Schnitter alles fort, was siein den Händen hatten, und eine alte Frau sagte dasEnde der Welt an. Heute dreht kein Mensch mehrden Kopf, tobt ein Kraftwagen mitten durch das Dorf,und selbst ein Luftballon macht nicht allzuvielAufsehen mehr. Die Zeiten ändern sich heute rechtschnell. Die Mädchen tragen sich halbstädtisch undsingen ein Lied, das in Berlin in Musik gesetzt wurde;rechts faucht die Bahn, links flötet die Bahn, und inder Mitte steht die alte Düne und denkt an den Tag,als hier zuerst Menschen auftauchten und sich unterden Föhren Hütten aus Pfahlwerk und Plaggenbauten und glücklich waren, wenn sie eine Säge ausFeuerstein hatten, mit der sie die Bäumeabschnitten, denn gar zu umständlich war bislangdas Verfahren gewesen, Span um Span mit einemscharfen Steinsplitter von dem Holze zu trennen.Damals ahnte der Düne schon Dummes, und als die

Bronze aufkam, wurde ihr recht betrübt zu Sinne. Alsaber gar das Eisen Mode wurde, da sah sie ein, daß

es mit ihr aus sei, und wenn auch noch mehr als einJahrtausend darüber hinwegging, ehe es so weitkam, der Sandberg rechnet anders als dieMenschen, und ein halbes Dutzend Jahrhundertespielt bei ihm keine Rolle.In den letzten zehn Jahren geht ihr aber der

Fortschritt doch zu schnell. Wo vor zehn Jahren derWind mit dem Sande spielte, steht heute Roggen; wod a m a l s Heide wuchs, bollwerkt jetzt dieKieferndickung; jedes Jahr bekommt das Moor mehrgrüne Flecke, und jeden Tag weht der Wind mehrKalkstaub von der Landstraße, und der Klee, den dieVögel herbringen, und der früher totging, wenn erauflaufen wollte, hungert sich durch und kommthoch. In wenigen Jahren wird sie verschwundensein, die Düne.

Frau Einsamkeit

Die Einsamkeit wollte ich haben, nicht die

schmerzliche, traurige, verlassene, die nicht, abermeine stille, gute, kluge, liebe Einsamkeit, die mirzuredet mit leisen Worten, die mir ihre stillen Liedersingt und mit mir geht, stumm und froh, durch diebraune Heide, durch große, ruhige Weiten, die mirlieber sind als der schönste Wald, als diegewaltigsten Berge, als die herrlichsten Wasser.So wanderte ich von Bielefeld über sonnige Höhen,

wo die goldenen Zißtröschen im dürren Grasebrannten, durch alte Wälder, in denen kein Vogelmehr sang, über hohe, braune Heidhügel, derenstrenge Farbe ein dürftiger Rosenschein milderte,nach Örlinghausen und weiter zur einsamen Senne,dem Lande, das nie der Wanderer besucht, das niedie Neugier betritt, in dem die Menschen so spärlichsind und die Häuser so dünn gesät; ziellos undplanlos wollte ich wandern, den Zufall zumHandweiser nehmend und die Wagengeleise alsStraße, keine Karte, kein Reisebuch in der Tasche,die von Sehenswürdigkeiten reden und schönen

die von Sehenswürdigkeiten reden und schönenPunkten, wo viel Volk ist und die Menge sich staut.So stieg ich bergauf, an der Hünenkapelle auf dem

Tönsberg vorüber, durch Buchenwald, in dessenSchatten die Bickbeersträucher strotzten vom Segender Waldfrau, vorüber an Quellsümpfen, mitten durchenkeltiefen Treibsand, bis sie vor mir lag, die herbeSenne. Und da sah ich sie auch, sah das guteGesicht der ernsten, stillen Frau, und meine Augennur grüßten sie, Frau Einsamkeit. Um ihren Kopfwehte ein zarter grauer Schleier, um ihre starkenGlieder floß das braune, gelb geflammte, rosigüberhauchte, grünbesetzte vornehme Kleid, daslanghin schleppte und den Treibsand mülmendaufwirbeln ließ; und so stolz sie ist und so langweiligsie sein kann bei lautem Volk, mich mag sie gern,und mir ist sie gut, weil ich gerade so still bin wie sieund nur froh bin bei ihr; denn sie ist eifersüchtig undduldet keinen neben sich; und so legte sie die feste,angebräunte, schöne Hand in meine und schob ihrenArm unter meinen und ging mit mir, den Rand derSenne entlang.Einen Teppich hatte sie breiten lassen unter

unseren Füßen, weich und schön. Blühende Heidewar es und schneeweißer Sand und blaues

war es und schneeweißer Sand und blauesBüschelgras, gestickt mit goldgelbem Habichtskraut;und da Grauduft den Blauhimmel verbarg, so hattesie ein Stück Himmel heimlich mitgenommen und ihnzerpflückt und gab den Stückchen Leben und streuteihn nun vor uns her, daß er tanzte über die rosigeHeide, ein Gewimmel kleiner blauer Falter, die jedergoldenen Sternblume einen Kuß gaben und immerweiter vor uns hertanzten, leicht und luftig. Und auchein bißchen Sonne hatte sie gestohlen und in große,gelbe Schwalbenschwänze verwandelt, die vor unshinschwebten. Und um jedes dürftige Heidblütchensummten die Immen, und überall siedelten dieHeimchen, und der Föhrenwald brummte undeutlicheLieder in den Bart.Ach, was war das schön den Morgen, als dann die

Sonne uns lachte! Alles so ruhig, so groß, so sicherweit und breit zur Rechten, wo aus der weiten Heideein weißer Weg schimmerte, ein spitzer Turmglänzte, ein rotes Dach leuchtete in dem Braun undGrün, und links, wo am Berg im Buchwald die Sonnedie Farne golden bemalte und das Moos leuchtenließ. Der Buchenwald links so laut und lebhaft imWind, und rechts die Senne, still zuhörend seinemGeplauder.

Geplauder.Einmal nur fühlte ich den mahnenden Fingerdruck

meiner Begleiterin auf dem Arm und blieb stehen. Mitden Augen zeigte sie nach dem Horst windzerzupfterKrüppelföhren. Dahinter schob es sich rot zum Holzehin mit langen schlanken Läufen und beweglichenLauschern und großen, dunklen Augen, hier noch einHälmchen rupfend, da ein Blättchen nehmend, einRudel Wild. Lautlos glitt das Wild über den Weg undzerfloß im Schatten der Buchen. Und noch einmaldrückte Frau Einsamkeit meinen Arm und lächelte.Da standen zwei Frauen, halb gebückt, noch dieBraken, die sie zur Feuerung suchten, in denHänden, und sahen uns still verwundert an. Wannkommt hierher wohl je ein Stadtmensch? Stummnickten sie auf unser stummes Nicken und sahenuns nach.Als die Sonne den Morgennebel fortjagte, da

summten fröhlicher die Immen, tanzten vergnügterdie Bläulinge, goldgrünschimmernd flog vor uns herder Sandläufer flinke Schar, silberflügelige Jungfernumknitterten uns. Auch der Wind lebte auf und stießdie ernsten Föhren in die Seiten, daß siemürrischlustig brummten, und den Triebsand nahmer und begrub darin die schwarzen Föhrenäpfel und

er und begrub darin die schwarzen Föhrenäpfel unddie silbergrauen Wurzeln und krümelte ihn auf diesonnenfaulen Eidechsen, daß sie ängstlich in dieHeide schlüpften.Ein Mensch begegnete uns, ein Mädchen, groß,

blond, blauäugig, das mit den starken braunenArmen die schwere Karre voll Plaggen vor sichhinschob in dem Mehlsand. Freundlichernst nicktesie uns zu. Ob sie wohl wußte, wie schön sie war inihrem selbstgewebten Rock, mit dem schlichtenHaar? Der Hermann da oben schien sie zu grüßen,das Bauernmädchen, mit hochgerecktem,grünblitzendem Schwert als eine Urtochter vondenen, die als Mütter ihm Söhne gaben, Feinde zuwürgen und Räuber zu schlachten, gleichgültig underbarmungslos, wie es das Raubzeug verdient. Inden grünen Wald gingen wir dann, wie die zartenFarnfächer im Winde zuckten und die Schatten mitden Lichtern Kriegen spielten, bis schwarzweiß undgrün der Dörenkrug uns winkte zur Rast unterschattigem Lindenbaum, zu kurzer Rast, und dannnahm uns wieder auf kienduftiger Wald, eines totenFürsten Jagdrevier. Hier hatte er geweidwerkt Tagfür Tag, der Eisbart Waldemar, und auf den edlenHirsch gepirscht in Abendnebel und Morgentau, in

Hirsch gepirscht in Abendnebel und Morgentau, inFrost und Glut. Wer weiß, was ihm das Leben getanhatte und die Menschen, daß er ihnen aus demWege ging und immer da sein wollte, wo Fährtenden Boden narbten und Schälstellen die Rindenzerrissen, wo unter den Schalen des Edlen dasGeknäck brach und wo des Starken Brunstruf klangüber Berg und Tal, wo der grimmige Basse seineGewehre an den Knorrwurzeln der Eichen wetzteund Wodans Rabe über braunzapfigen Wipfelnkrächzte. Hier lebte er mit Frau Einsamkeit, bis einStärkerer ihm zurief: »Jagd vorbei!«Am Donoper Teich standen wir dann lange und

sahen in die klare Flut, in der Nixenkraut grün vomGrunde wucherte; uralte Bäume flüsterten undrauschten, und der Bach schwatzte und schwatzte,wie ein Kind in ernster Leute Kreis. Aber lauteMenschen störten uns fort von dem stillen Ort, undweiter zogen wir, an tückischem Machangel undwaffenstarrendem Fubusch vorbei, an toter EichenGespensterleibern, an Dickungen, in denen dieSauen bliesen, auf Lopshorn zu, des totenWeidmanns Jagdschloß. Der Markwart meldete unskrächzend, die Amseln schimpften, und mißtrauischsah Hirschmann, der rote Schweißhund, den

sah Hirschmann, der rote Schweißhund, denunbekannten Landläufern entgegen, bis seine feineNase ihm verriet, daß wir wohl wert wären einerfreundlichen Begrüßung. Ein Stündchen Ruhe inkühler Hopfenlaube, bis die laute Neugier auchhierher kam und uns weiter trieb auf die weißeKalkstraße, wo uns Riesenbuchen Schatten gaben,bis uns mit Sand und Heide und Föhren die Sennewieder aufnahm. Unter dem Schatten der Föhren imdürren Grabengras schauten wir stumm in die lange,breite Trift, die schwarze Föhren ummauerten. Wirträumten von alten Tagen, wo noch das Elch hierstand. Unser Traum trat uns in die Augen. Zog es danicht heran, hoch im Widerrist, zwischen denStämmen? Schnaubte es da nicht laut und wild? Diefreien Sennepferde waren es, wohl dreißig, die da,ledig von Zaum und Eisen, nackt und ungeschirrt,über die Trift zogen, die Nasen im Wind, wie Wild.Und eins warf sich in den Mehlsand der Trift undfühlte sich, daß es mülmte, und noch eins, undwieder eins, eine gelbe Wolke qualmte zwischen denschwarzen Föhren, aus ihr zuckten Beine und Hälseund Schweife, und ein Gewieher erklang, so frei, sostark, wie nie ein Roß wiehert, das Zaum und Zügelkennt. Wir lagen mäuschenstill im Grase, an den

freien Tieren die Augen labend, bis Stück auf Stückaufstand und weidend und wedelnd drüben in denFöhren verschwand. Lange noch hörten wir ihreGlocken klingen.Dann tauchten wir wieder in der Senne unter, in der

Kammersenne, die weit und unabsehbar vor uns lag,immer gleich und immer anders, so arm und doch soreich. Stunde auf Stunde verrann, keine Seelebegegnete uns. Da ein Dach, dann wieder eineStunde Einsamkeit, dann ein Hof, und wieder einebraune Weite, flache rosige Hügel, eine krüppligeFöhre, einige Sandblößen als weithin sichtbareMerkzeichen darin, aber kein Bach, kein Teich, nurdie arme dürftige Heide. Ganz langsam gingen wirhier mit weitem Herzen und offenen Augen, glücklichund still, noch eine Stunde und noch eine, bis dieStraße nach Hörn in Sicht kam und viel lauteMenschen.Erst dann zog Frau Einsamkeit ihren Arm unter

meinem fort und nickte mir zu, und das Nicken sagte:»Auf Wiederkommen!« Und mein Nicken sagte auch;»Auf Wiedersehen, Frau Einsamkeit!«

Der Hudeberg

In der Bergkette da hinten fällt die mittelste Kuppe

am meisten auf, denn kahl ist ihr Haupt, und keinWald verhüllt sie. Kein Turm zerschneidet denSchwung ihres runden Scheitels; keine jähe Klippestarrt aus ihrem Grün, kein schroffer Absturz gähntan ihrem Hange, und doch springt sie unter ihrenNachbarn am meisten in die Augen. Das macht, weilihr gewaltiger Kopf kahl ist und nur rechts und linksje einen Streifen Wald aufweist, an ein Manneshaupterinnernd, dessen Scheitel sich lichtete, während umdie Schläfen noch das volle Gelock sich hielt. Zuallen Zeiten zieht dieser Berg deshalb die Augen aufsich, wintertags mit breiter, weißer Fläche oder,schmolz die Sonne den Schnee, mit der kupferrotenPracht der Buchenjugenden, im Frühling mit demlichten Grün zwischen dem ernsten Ton derBuchenwaldung und im Vorherbst mit dem leichtenRosenschein, den das Heidekraut ihm schenkt.Mögen die anderen Berge rechts und links ihn mitdem Brausen ihrer Waldwipfel höhnen, daß seinScheitel gelichtet ist, es rührt ihn nicht. Er ist frei, sie

Scheitel gelichtet ist, es rührt ihn nicht. Er ist frei, siesind Knechte. Er wehrte sich gegen die Aufforstung,und er wahrte sich sein altes Huderecht, das denanderen Bergen die Beforstung nahm. Und weil ersein urdeutsches Gesicht behielt, der uralten Sittetreu blieb, schmückte ihn die Sage mit manchemStrauß, weiß seltsame Dinge zu melden von ihm unddem Uhlengrunde und ließ ihm seinen alten Namen,während die Nachbarn von halbgelehrtenBesserwissern mit Benennungen, aus Büchernherausgelesen, beunglückt wurden.Mit Bergen und Hainen, die so ganz ihre alte Art

behaupteten und die neuen Moden nichtmitmachten, hat es wohl immer besondereBewandtnis. Die breite flache Kuppe desHudeberges ist so recht geeignet, Versammlungenabzuhalten. Zu gewissen Zeiten werden dieWeidebauern, die einst hier saßen, dortzusammengekommen sein, die lange Axt imLendengurt und den Speer in der Faust, sei es, daßes galt Wode und Thor mit Opferbrand zu ehren, einfröhliches Grenzfest zu feiern, oder aber hierher dasVieh zu flüchten und dem Feinde zu wehren, wer esauch sein mochte, den nach Lande hungerte, Römer,Thüringer oder Franke, denn allerlei Schluchten und

Thüringer oder Franke, denn allerlei Schluchten undRinnen umziehen den Berg, gute Verstecke bildend.Zu jenen Zeiten wird, bis auf das Dorngestrüpp an

den Flanken und bis auf einzelnes Buschwerk aufseinem Scheitel, der Berg so kahl gewesen sein wieheute noch. Heute, wie damals, geht das Vieh dortnoch, verbeißt die Buchenjugenden und hält denFichtenanflug kurz, so daß es aussieht, als habe einGärtner der Zopfzeit hier seine Kunst ausgeübt unddie Buchen und Fichten und Weißdornbüsche unterder Schere gehabt. Jahr für Jahr strebten dieBäumchen und Sträucher in die Höhe, aber Jahr fürJahr wurden sie geduckt, und so gewöhnten sie sichd e n Drang nach oben ab, trieben Zweig nebenZweig und wuchsen sich zu krausen Kugeln aus,den Hänflingen, Braunellen und Goldammern sichereNistplätze bietend und treffliche Unterschlüpfe fürEidechse, Glattnatter und Waldmaus, wennRaubwürger und Turmfalke sie bedrohen, ReinkeVoß dort herumschnüffelt oder Meister Gräving, derDachs, dort nach Untermast sticht.Es ist ein köstliches Weilen hier auf der freien

Höhe, von der die Blicke nach beiden Seiten überdie bunten Berge weithin in die Lande schweifenkönnen, hier sich an dem Silberbande des Baches

können, hier sich an dem Silberbande des Bacheszu erfreuen, dort an dem fernen Schimmer desFlusses. Und sind die Augen der Ferne müde, dieNähe bietet immer noch genug. Zwischen denseltsamen Buchenzwergen und Fichtenkrüppelnblüht aus dem heidewüchsigen Boden mancheszierliche Kräutlein, an lichten Stellen die blaueTeufelskralle und an feuchten Schattenorten dergoldene Waldmeyer, die Kanten der verstecktenKlippen überzieht die Fetthenne mit leuchtendgelben Polstern und ihren Grund der Quendel mitstreng duftendem Rasen. Allerlei buntes undblitzendes Kleinvolk schwirrt und flattert von Blüte zuBlüte, und rundumher schmettern und schlagenBaumpieper und Ammer, Braunelle und Laubvogelund aus dem Walde im Grunde kreischt laut derHäher, den Bock vor dem Wanderer warnend.Sie sind dünn gesät hier am Berge, die Rehe, und

auch der Hasen gibt es nicht viele; Hudebetrieb undWildhege vertragen sich zusammen wie die Sonnemit der Butter, und wo das Vieh weidet und die Ziegegrast, zieht sich das Reh zurück. Wohl findet manhier und da in dem Niederwalde die Betten undPlätze der Rehe oder auf einer Blöße einenWeidenstrauch oder einen Wacholderbusch, deren

Weidenstrauch oder einen Wacholderbusch, derenzerfetzter Bast den Übermut eines Bockes kündet,aber es weht für einen guten Rehstand hier am Bergeine zu scharfe Luft; der Hase, der dreimal aufdemselben Passe zur Äsung rückt, läuft am vierten inden Dampf hinein, der hinter einer Krüppelfichtehervorkommt, und der Bock kann es nur bis zumSechser bringen, wenn er keinen festen Wechsel hatund erst nach der Uhlenflucht aus der Dickung tritt.Trotz aller Förster und Gerichte spukt hier immernoch ein Rest von dem uralten Gemeinfreiheitsrechtauf Wald, Wasser, Weide und Wild.Alles auf der Welt aber hat seine Schattenseite, und

ein Berg erst recht. Aber der Sonne ist doch mehrhier als des Schattens. Wenn früh am Morgen derT a u das Gras biegt, und alle BüscheSilbergeschmeide tragen, aus den Gründen Amselund Graudrossel singen und in beiden Tälern dieOrtschaften aus dem Nebel tauchen, wandert es sichköstlich hier und nicht minder zur Mittagszeit, wennaus blauem Himmel die Sonnenglut auf die Heidefällt und an allen Büschen die süßen Beeren reifen.Am schönsten aber ist es dort oben, wenn die Sonnez u r Rüste geht, am Hange das Lachen undKreischen der kleinen Ziegenhirten im Wald verhallt

Kreischen der kleinen Ziegenhirten im Wald verhalltund vom Holze her des Kauzes hohler Ruf erschallt.Seltsame Stimmen erheben sich dann, und ein

eigenes Raunen kommt über den Berg, und wergenau zuhört, kann heimliche Dinge vernehmen, vonden tapferen Berghirten, die sich hier der Feindeerwehrten, und von dem Leutepriester, der sich mitdem bösen Feinde herumbalgen mußte. Es gehörtschon ein tapferes Herz dazu, nächtlicherweile,wenn unten im Walde der wilde Jäger sein Gejaidabhält mit Hussa und Horüdho, hier sich am Sausenund Brausen der Wälder und an der Wolkenhatz umden vollen Mond zu freuen, und heimlicher ist es amhellen Tage, wenn kein Nachtvogel fliegt und vomHange der frohe Singsang der Kinder ertönt, die ihreZiegen in dem Heidelbergestrüpp weiden lassen.Seine beste Zeit aber hat der Berg, wenn die

Waldfrau ihre Gaben streut, im hohen Sommer, wennan jedem grünen Sträuchlein die schwarzenBickbeeren glänzen und aus dem Gebüsch die rotenHimbeeren leuchten, oder später im Jahre, wenn diezackigen Ranken der Brombeeren reichlich die guteKost bieten.Aber für große Leute allein ist es dann dort nichts:

Kinder müssen dabei sein, die nach Herzenslust

Kinder müssen dabei sein, die nach Herzenslustpflücken und schmausen und einheimsen dürfen vonden blauen und roten und schwarzen Gaben, diereichlich und gern ihnen gibt der Hudeberg.

In der Marsch

Ein Sonntag ist es und ein Sonnentag. Sengende

Mittagsglut zittert auf den Dächern von Osterholz-Scharmbeck. Alle Fenster sind geschlossen, daß dieHitze nicht hineindringt in die kleinen Stuben, denendie Bäume vor den Türen Schatten geben undKühlung.Ein paar Kinder spielen vor der Tür des Hauses,

sonst ist es still und leer in der Straße. Und verstärktwird die Stille durch das stille, braune Gesicht desalten, baumlangen, weißbärtigen Fischers, der, einKnie auf dem roten Binsenstuhl, die Arme auf denZaun gestützt, rauchend ins Leere sieht. Er wird unsnach Worpswede fahren. Langsam und bedächtigmacht der Weißbart das schwarze Torfschiff los,setzt den Mast ein und stakt mit dem langen,eisenbeschlagenen Ruder den Kanal entlang, vondessen Ufern purpurner Weiderich nickt.Ein weißer Falter begleitet ihn ein Weilchen. Dann

tanzt er über die niedrigen Weidenbüsche auf diegrüne Wiese, weiter, immer weiter, bis er den Augenentschwindet, die hängen bleiben an der weiten

entschwindet, die hängen bleiben an der weitengrünen von dunklen Wäldern umrahmten Fläche, aufdenen buntes Vieh weidet, und über die dieSchwalben schießen. Der Wind frischt auf. UnserFischer wischt mit der groben, braunen Hand denSchweiß von dem braunen Gesicht und atmet tiefauf. Auch ihm bringt die Brise Erholung. Das Staken,das schweißerpressende, ist zu Ende. Das Segelwird losgemacht, und hinaus geht es aus dem engenKanal in die breite Hamme.Von uns spricht niemand. Wir wollen nicht

sprechen, sehen wollen wir, die Augen baden in demsatten Grün unendlicher Wiesen, die Augen laben ander braunen, blau schimmernden Flut, in der sich dieweißen Wetterköpfe so seltsam spiegeln, in die dieFische, von Wähligkeit sich werfend, silberne Kreiseziehen, und in der die starren, dunklen,merkwürdigen Binsen ihrem Spiegelbilde zunicken.Der Mummel hellgrüne, breite Blätter liegen faul amUferrande, die goldgelbe Blume schwankt träumendhin und her in des Kahnes Wellenschlag, trotzigreckt das Pfeilkraut seine Spieße, schläfrig rauschendie Schilfrispen, die der Wind aus der Unterstundejagte, und unwillig schüttelt die Blumenbinse, diestolze, ihr rosiges Blütenhaupt.

stolze, ihr rosiges Blütenhaupt.Sprecht nicht, seht lieber! Seht dem Storch zu, der

bedächtig über das Grün wandelt, den Enten, die amUfer schnabbeln, dem Silberflügelgeflimmer derWasserjungfern am Schilf, dem Tanz weißer Falteran roten Blumenkerzen, dem Blitzen und Leuchtender Wellen am Bug.Wie groß und anders alles aussieht gegen die

ewige Ruhe des grünen Plans; am Himmelsrande dieBäume, so schwarz und schwer, jede Blume soleuchtend, jeder taumelnde Kiebitz riesig, jedeKrähe, die japsend aus dem Pfahl sitzt, einauffallender Fleck. Und dort unten, das Segel,riesenhaft hoch und breit und düster macht es sichhier, wo alles so flach und so hell ist. Wie ein Rätselmutet es an, wie ein schwarzes Gespenst dasdrohend und unheilvoll uns näher rückt. Der Angleram Ufer, halb vergraben im Grün, er unterbricht dieLandschaft, alles beherrschend, ein fester Punkt indem fließenden Grün weit und breit.Ein kalter Schatten fällt auf die warme Landschaft.

Im Nu hat die schwarze Wolke alles in andere Tönegetaucht. Das warme Hellgrün der Wiesen hat siekalt verdunkelt, das leuchtende Wasser getrübt. Aberda, wo ihre kalte Macht aufhört, blitzt und gleißt die

da, wo ihre kalte Macht aufhört, blitzt und gleißt dieFlut in strahlendem Silberweiß, leuchtet grell undheiß das Grün der Wiesen.Grobe Stimmen weht der Wind heran. Stöhnend,

jappend arbeitet sich ein Schleppdampfer hinter unsher, einen Torfbock im Seil. Dann klatscht es gegenunsern Kahn, lange Männer handhaben die langenRuder, braune Gesichter nicken uns zu.Vor uns kräuselt sich die Flut. Dort zappelt auch das

Schilf reger. Und jetzt faßt auch uns der Wind festerin das schwarze Laken. Still war es um uns, als wirlosfuhren, laut wird es jetzt. Aber ein anderes Liedwie im Walde singt hier der Wind. Dieses Geraschel,dieses Gekuschel der Binsen, das Flüstern desSchiffes, das Rauschen des Röhrichtes, dasKluckern des Wassers, ganz anders klingt es wieKieferngesumm, Buchengeflüster und Eichengemurr.Zu jedem Landschaftstext spielt der Wind eineandere Weise.Torfschiffe segeln an uns vorüber. Ernste,

glattbackige Männer sitzen am Steuer, wortkarg undstumm. Ein Nicken, ein tiefer Zuruf ist ihr einzigerGruß. Ein einziger von den vielen flötete vor sich hin.Aber er schämte sich, als er sich uns näherte, undlang hinter uns fängt er erst wieder an zu pfeifen. Es

lang hinter uns fängt er erst wieder an zu pfeifen. Esist ein Junge von sechzehn Jahren. Die Männer vomTeufelsmoor pfeifen nicht.Die Segel, die so todesschwarz und so nachtdunkel

sind, wenn sie uns begegnen, sie glühen hinter unsauf wie rotes Gold, hinter uns, von der Sonnedurchschienen. Als ich es entdeckt hatte, sah ichihnen nach. Es war mir ganz so, als wenn sie einLächeln überflog, die ernsten Segel, ganz dasselbestille Lächeln, das die ernsten Gesichter der Schiffererhellte, wenn sie uns nachsahen.Immer mehr Segel rauschen an uns vorbei, eines im

Kielwasser des anderen. Vor uns lauter schwarze,hinter uns lauter rotdurchleuchtete, und jedem mußich entgegensehen, wenn es schwarz heraufkommt,wenn goldrot leuchtend es hinunterfährt.Eine Stunde fahren wir schon. Näher kommt uns

schon der Weyerberg mit seinem dunklen Baumgrünund seinem hellen Dünengelb, mit seiner Mühle undseiner Kirche. Aber in der Nähe, da blitzen silbern dieBinsenstiele über der Flut, schwenkt der Kalmusseine gekräuselten Blätter, schaukeln sichMummelblätter und nicken rosige Dolden überweißen Blumenrispen, zucken des Rohres Fahnen,auf den Altwässern schnattern die Enten zwischen

auf den Altwässern schnattern die Enten zwischenden weißen Nixenblumen, über die Wiesen gaukelndie Kiebitze, schweben die Stare, und einesilbergraue Seeschwalbe begleitet uns ein StückWeges, bis sie umkehrt und weiterjagt, immer aufund ab den Fluß. Und immer Segel auf Segel, Grünauf Grün, noch eine Stunde lang, und dann einMarsch durch Staub und Sand, und Rast unter denLinden, Worpswedes, wo es lebt und webt wie in derStadt von Wagen und Stadtmenschen. Noch einStündchen Schlendern über dürre Dünen, Ausschauauf das unendliche Moor, ausgestreckt im rosigenHeidekraut, umschwirrt von Libellen, umgeigt vonHeuschrecken, und dann den staubigen Weghinunter, daß es hinter uns mülmt wie hinter Schäferund Herde, zu unserem Torfschiff.Und nun sprecht wieder nicht, bis wir an Land sind!

Laßt den Kiebitz rufen und die Möwe kreischen, bissie alle übertönt des Reihers heiserer Schrei, derbreitflüglig in das Abendrot rudert. In andere Tönekleiden sich jetzt Wasser und Wiesen, Weite undNähe. Gespenstiger noch sehen die schwarzenSegel vor uns aus, verlassener noch klingt desViehes Gebrüll.

So schwer, so satt, so fett ist die Landschaft, die solustig war und so hell und so leicht in der Mittagsglut.So verstohlen klingt das Geplätscher der Wasser, soheimlich das Flüstern des Schilfes. UnzerstörbareRuhe, mächtiger Frieden erfüllt das Land. DesReihers Ruf, der Enten Schrei, auftauchend undverhallend, verschärfen die Stille nur, und die hellen,nickenden Blumen am Ufer, viel märchenhafterscheinen sie und jetzt.Nicht sprechen! Das paßt nicht zu dem Blaugrau

des Himmels, zu den sanften Gluten amHimmelsrande, zu der leisen Flut der lauen Luft, zudem einsamen Abendstern vor uns, zu dengoldüberschienene Fluttümpeln, in denen schwarzund starr die Binse stehen, zu den Fledermäusen,die im Zickzack uns umgreifen, zu den fernen, stillenSegeln, die immer mehr in die schwarze Nachthineinschwimmen, die uns immer näher rückt. Schonhat sie am Himmelsrand die letzten Sonnenrosengepflückt, schon die dunklen Bäume verhüllend dieWiesen verschleiert; sie wirft ihre Schatten hinteruns auf die Flut, verdunkelt die Ufer und die Blumenund Büsche und rückt dicht an unser Schiff heran.Und so treiben wir dahin. Ein schwarzes Segel führt

unser schwarzes Boot auf schwarzer Flut zwischen

unser schwarzes Boot auf schwarzer Flut zwischenschwarzen Wiesen. Und stumm und schweigendschauen wir hinauf nach dem einen goldenen Sternda hinten über der Marsch.

Die goldene Strasse

Keiner unserer Bäume genießt so wenig Achtung

wie die Pappel. Von der Linde und der Tanne singtes in vielen Liedern, die Eiche und die Buche fandenihre Dichter, Ulme und Esche gingen nicht leer aus,die einst mißachtete Kiefer wird viel besungen; diePappel allein muß beiseite stehen. Zum Teil ist wohldaran ihr Name schuld, dem der Fluch lächerlichenKlanges anhaftet, zum Teil der geringe Nutzwert, denihr Holz heute noch hat. Backtröge und Holzschuhe,Dinge gemeiner Art, liefert er nur. Der Landmannliebt die Pappel nicht. Sie wirft zuviel Schatten umsich her und hagert den Boden aus. Im Parke und imGarten ist sie auch nicht geschätzt; zu vielGeschmeiß lebt auf ihr und in ihr.Als der Boden noch billiger war und es auf ein Rute

Brachland mehr oder weniger nicht ankam, pflanzteman sie gern an die Landstraße, der Elster zurFreude, die im hohen Wipfel ihr Dornennest baute,und dem grünen Spechte zur Lust, der aus Rindeund Holz Bockkäferlarven und Glasflüglerraupenklopfte. Allmählich verschwanden die stolzen Bäume

klopfte. Allmählich verschwanden die stolzen Bäumevon den Straßen und machten anderen Platz, undnur hier und da noch durften sie sich halten, wie hier.Einst verband die Doppelreihe der Pappeln hier diebeiden Dörfer. Die Hälfte steht nicht mehr; manschlug sie. Langweilige Eschen traten an ihre Stelle.Nur ein Rest steht noch an der Straße, demGasthaus gegenüber, und winkt den Genossenhinter dem Flüßchen, von denen man sie trennte,rauschende Grüße zu.Seltsam fremd klingt das Rauschen dem, der

schärfer darauf hinhört. Das klappernde Geraschel,dieses wilde Geflatter, es hat einen undeutschenK l a n g , weist auf südliche Herkunft. DieSchwarzpappel ist der Baum der Steppe, derenEintönigkeit sie dort unterbricht, wo ein Fluß, einSee, eine Quelle ihre durstigen Wurzeln tränkt. Dortbildet sie, mit der Weide gesellt, den Baumschlag.Einst tat sie das auch bei uns. Lange ist es her. In

jener Zeit war es, als, nachdem die Eiszeit vorüberwar, Deutschland ein Steppengepräge trug, und dieSaigaantilope und das Steppenmurmeltier hierlebten. Südliche und östliche Winde trugen diewolligen Samenkörner in das wüste Land, undPappel und Weide herrschten dort, wo Fichte und

Pappel und Weide herrschten dort, wo Fichte undKiefer nicht fort kamen, bis der Weidebauer denWanderhirten verdrängte und den Masthölzern, derEiche und der Buche, die ihm Fraß für seineSchweine lieferten, zur Vorhand verhalf. Die Pappelaber mißachtete er und nur, um Tröge und Schuhezu gewinnen, duldete er sie.War der Boden, der das Wohnhaus trug, zu frisch,

als daß die Eiche gedeihen wollte, und wollte er baldBlitzschutz für sein Heim haben, dann holte derMensch die schnellwüchsige Pappel heran. Undauch, wenn nach Kriegsläuften das Holz bei denDörfern knapp war, mußte die Pappel aushelfen.Hinterher aber wurde sie wieder vergessen, und nuran die Straße pflanzte er sie, weil sie mit raschemWuchse die kleine Mühe lohnte, bis er fand, daß siesich zu breit mache und er Bäume an ihre Stellesetzte, die bescheidener waren. So kam es, daß diePappel bei uns sparsam wurde, sparsamer, als esnötig ist, denn sie ist ein schöner Baum und derLandschaft stolzeste Zier.Aber weil der Mensch meist vor sich hinsieht, statt

nach oben, weiß er von ihrer Schönheit nichts. WennSchnee auf dem Lande liegt und die Landschaftkeine frohen Farben hat, dann sind es die kahlen

keine frohen Farben hat, dann sind es die kahlenKronen der Pappeln allein, die in der Sonne wiestrahlende Fackeln leuchten und, ohne daß derMensch es weiß, sein Herz froh machen. Wenn dieWiese noch fahl und der Rain noch kahl ist, bietetdie Pappel ihr einen zarten Frühlingsgruß. Sein Fußzertritt die blutroten Blütenkätzchen, die sie ihm aufden Wege streut, und er hebt nicht den Kopf undschickt seine Augen nicht über sich, wo diepurpurfarbigen Troddeln in der Sonne glühen undsprühen. Auch späterhin, wenn die jungen Blättchendie klebrigen Hüllen sprengen, goldene Schüppchenunter seinen Füße zerknistern und schwererJuchtengeruch seine Atemzüge erfrischt, freut er sichder neuen Blätter nicht die, fett und glänzend, vondem Lichte durchschienen, märchenfarben um dassparrige Astwerk weben. Sommertags aber wuchtendie Kronen schwarz und schwer und verstärken dieFarben des blühenden Geländes und zum Schlusseder schönen Zeit hüllen sie sich in gleißendes Goldund leuchten weit in das Land hinaus.In diesen Tagen haben die Pappeln ihre güldenen

Kleider angezogen. Wie eine feurige Wand erhebensie sich in dem grünen Lande, eine schimmerndeHalle bilden sie, ein loderndes Dach, ein strahlendes

Halle bilden sie, ein loderndes Dach, ein strahlendesGewölbe. Zauberhaft sieht die Doppelreihe aus, liegtdie Sonne darauf, und weit und breit ist nichts zufinden, was ihr ähnlich ist, und die Birken, so schönsie sind, können sich damit nicht messen, könnennicht an die stolzen Bäume heranreichen, die einengoldenen Regen über den Wiesenplan streuen undmit wildem Geplapper der Birken Gelispel übertönen.Es ist ja rechts und links von der Straße viel zu

sehen, was schön und fein ist: das weite, von kaltengrünen Schatten gestreifte, von enormen gelbenLichtern überflossene Weideland, die bunten Hagen,die ernsten Kiefern, hier und da ein goldbehängterBirkenbaum, der Waldsaum in der Ferne, so zart, wiehingehaucht, ein Kirchturm, wie eine rote Flammegen Himmel züngelnd, das lustige Windgewölk amlichtblauen Himmel; was will das aber alles gegendie goldene Straße sagen, in der Baum bei Baum inblankem Golde prangt und mit lauter Stimme redet.Vor der Brücke, wo keine Pappel steht, schimmert

der Maßliebchen Silbersterne im Grase, leuchtet desHabichtkrautes Goldröschen aus dem Grün. Hinterd e r Brücke sind sie verschwunden. Alles Kleine,Zarte und Niedliche wird unsichtbar vor demgewaltigen Geloder der mächtigen Bäume. Das

gewaltigen Geloder der mächtigen Bäume. DasGeruschel des Röhrichts im Ellerngebüsch desGrabens verweht im brausenden Gemurmel desgoldenen Laubes, und selbst der Meisen scharfeStimmchen gehen darin unter. Nichts ist hier als derweite Grund und die gelben Bäume, als die goldeneStraße im weiten Grün.Aber selbst auf das Grün des Wiesenlandes sind

die herrischen Bäume eifersüchtig. Ihre Farbe soll estragen, und so schütteln sie ihr Laub darüber hin.Die Blätter zucken und zappeln an den langen,dünnen Stielen, zerren und reißen, und haben sieihren Willen durchgesetzt, dann hasten sie zumGrunde und decken sein Grün zu. Jedes einzelnehat seinen eigenen Flug. Eins gleitet dahin,schwebend wie ein Vogel, ein anderes tänzelt, einenFalter nachahmend, auf und ab; manche flattern wieFledermäuse, unstet und regellos, etliche hüpfen auflustige Art, einige zucken herunter, als hätten siePein, diese haben es eilig und fallen steil herab, jenebesinnen sich unterwegs noch eine Weile.Eins nach den andern reißt sich aus den Wipfel los.

Die heute noch grün und saftig sind, haben morgengelbe Flecken und wirbeln übermorgen als goldeneFalter dahin. Heute noch rauschen und brausen die

Falter dahin. Heute noch rauschen und brausen diegelben Wipfel, flirrt und flattert es in ihnen noch,heute noch das morgen.Übermorgen aber sind vielleicht alle Kronen schon

kahl und verschwunden ist die goldene Straße.

Der Wahrbaum

Fast genau auf der Mitte zwischen den beiden

Dörfern, die zwischen der Heide und dem Brucheliegen, steht an der Stelle, wo der Dietweg von demKirchwege geschnitten wird, eine alte Eiche, die voneinem Kranze von Machangelbüschen umgeben ist.Da sie auf offener Heide steht und weithin sichtbar

ist, so ist sie ein Wahrbaum für die Gegendgeworden, nach dem die Leute sich richten, wennsie quer über die Heide gehen. Die Bauern nennensie die Taterneiche, denn es zieht keineZigeunerbande durch diese Gegend, ohne daß sienicht unter dem Wahrbaum lagert. Das ist von jeherso gewesen. Alle Zigeuner, die hier vorbeikommen,sehen nach, ob die Banden, die zuletzt durchzogen,hier keine Wahrzeichen, durch die sie ihreFahrrichtung oder andere Dinge von Wichtigkeitkundgaben, hinterließen, und sie selber lassenhinwiederum Zinken zurück, zwischen Steinen, dieden Fuß des Baumes umgeben, unauffälligangebrachte Kreuzchen aus Zweigen, Grasbüscheno d e r Federn, mit einem farbigen Zwirnsfaden

o d e r Federn, mit einem farbigen Zwirnsfadenzusammen gebunden, auch wohl gewisse mit Kreidegezogene Zeichen.Es sind immer dieselben Bäume, die sie zu solchen

Kundgebungen benutzen, und es sind immer Bäume,die auch für die ganze Gegend durch ihr Alter, durchihre Größe oder durch die Stelle, an der sie stehen,von Bedeutung sind. Letzteres ist bei derTaterneiche der Fall, denn sicherlich ist die Stelle,auf der sie steht, wichtig, und darum blieb sie, als dieanderen alten Eichen gehauen wurden, stehen,damit die Wanderer, die den Dietweg entlang zogenoder den Kirchweg fuhren, Schatten vor derSonnenglut oder Schutz vor einem Regenschauerfinden konnten.Die Stelle ist aber auch wie geschaffen zum

Ausrasten. Man sieht von da weit ins Land hinein,über das Bruch mit seinen beiden Einzelhöfenhinweg, über das Moor und bis zu den Heidbergenmit ihren blauen Wäldern, aus denen hier und da einHof sichtbar wird, und läßt man die Augen nachrechts und links gehen, so überschaut man dieheidwüchsigen, mit vielen Hunderten vonMachangelbüschen bestockten Abhänge, einen Teilder Feldmark und der Wiesen, die die Bauern der

der Feldmark und der Wiesen, die die Bauern derHeide und dem Bruch abgewonnen haben, dasMühlenholz, aus dessen Eiche das moosigeStrohdach der Mühle mit den Pferdeköpfen an denWindbrettern des Giebels hervorsteigt, denBruchweg, zwei breite sandige, von Birkenbäumeneingefaßte Triften und allerlei Büsche undWäldchen, die sich hier ansiedelten, und zwischendenen dort und da ein Stück des lustigenMühlbaches hervorblitzt.So wunderschön ist die Aussicht, und so gemütlich

sitzt es sich auf der Moosbank, die die Jungenzwischen den knorrigen Tagewurzeln des altenBaumes gebaut haben, daß ich, mag ich nun müdenSchrittes von der Balz kommen oder straffen Gangeszur Pirsch wallen, jedesmal erst hier ein Weilchenrasten muß; denn es gibt hier immer allerlei zusehen, das des Sehens wert ist, entweder denSchnuckenschäfer an der Spitze seinerzweihundertköpfigen, grauen Herde, an derenFlanken seine beiden Hunde, der eine fahl, derandere grau, einherjagen, oder die Hütejungen diemit hellem Peitschenklappen und lautem Prahlen dasschwarzbunte Vieh die Trift entlang treiben, Bauernin blauem, verschossenem Beiderwand, neben dem

in blauem, verschossenem Beiderwand, neben demWagen einherschreitend, oder ein braunarmigesMädchen, das, den hellen Fluckerhut um das frischeGesicht, die Brust von dem roten Leibchenumschlossen, vor dem blauen Linnenrock die weißeSchürze, mit der Harke auf der Schulter zumHeumachen geht.Auch dann, wenn sich kein Mensch blicken läßt, ist

genug zu sehen und zu hören. In der Rieselwieseneben dem Mühlbache stelzt der Storch umher, undkaum ist er abgestrichen, da tritt eine Ricke mit ihremKitzchen aus dem Busch, oder ein paar Hasenlaufen sich in dem weißen Sande trocken. Auf derSchirmkiefer, die bei dem großen, grauen Steinesteht und wie segnend ihre Zweige über ihn breitet,läßt sich die Elster nieder, die in der Pappel bei derMühle ihr Nest hat, und auf dem hohen trockenenMachangelbusche bei der Sandkuhle, dessengespensterhaftes Gezweig in der Sonne wie altesSilber aussieht, fußt der Raubwürger und lauert aufeine Maus oder eine Eidechse; seine weiße Brustblendet weithin. Über den Wiesen taumeln dieKiebitze; es sieht aus, als wirbele der Wind ein paarLappen umher, die zur Hälfte weiß, zur anderenHälfte schwarz sind, und über dem dunklen Wald

Hälfte schwarz sind, und über dem dunklen Waldkreist ein heller Bussard, während ein Brachvogel,der sich laut flötend in die Höhe schraubt, einengoldenen Halbmond vor dem lichten Himmel bildet.Dann flirren überall rote und gelbe Libellen, grüneund graue Sandkäfer blitzen auf, himmelblaue, graueund bräunliche Falter flattern über dem borstigenGras, zwischen dem eine Heidlerche umhertrippelt,während eine andere unter den Wolken hängt undihr süßes Liedchen herunterrieseln läßt. Überall aberin der Runde schlagen die Finken, schmettern dieBaumpieper, locken die Meisen und zwitschern dieHänflinge und die Schwalben.Aber das sind alles nur Kleinigkeiten, sind nur

Nebensachen den großen Eindrücken gegenüber,die sich meinen Sinnen aufdrängen. Die Heide blüht;d i e ganzen Hänge sind rosenrot in allenAbstufungen, verstärkt durch die silbernen Stämmeder Birke und die von der Sonne in zwei Farben,leuchtendes Goldgrün und stummes Schwarz,gekleidete Machangelbüsche, durch die starren,straffen Ruten des Ginsters und die wirren Klumpender verkrüppelten Kiefern. Hier und da hebt sich eingrauer Irrstein aus dem rosenroten Untergrund ab,ein schmaler weißer Weg, gefällig gekrümmt, zeigt

ein schmaler weißer Weg, gefällig gekrümmt, zeigtsich teilweise, eines Stechpalmenhorstes blankesBlattwerk wirft gleißende Lichter um sich, und überallsprühen die Kiesel, die im Sande liegen, in derSonne, die den Boden so stark erwärmen, daß ichsehen kann, wie die Luft über dem Heidekraut emert.Ein schwerer Honiggeruch wogt über das ganzeLand hin, und das Summen der Bienen klingt wiedas Brausen unsichtbarer Wellen.Die hohe Zeit der Heide ist gekommen, ihre höchste

Zeit. Aber auch dann, wenn der Honigbaum nichtblüht, wenn die Heide braun ist, ist es wunderbarschön hier, im Ostermond zumal, wenn das Bruchvon blühmenden Porst rot ist, die Birkenbäume überund über mit Smaragden behängt und die Wieseweiß gestickt und mit goldenen Säumen besetzt sind,oder späterhin, wenn jedes Stück Moorland vomWollgrase mit Sommerschnee bedeckt ist, oder imHerbste, wenn aus den rosigen Blüten Silberperlewurden und die Birken sich wie goldeneSpringbrunnen von der Heide abheben, lustiganzusehen. Aber auch dann, wenn Frostwindewehen, kalte Nebel vom Moore heraufsteigen undjeden Zweig, jede Stengel einspinnen, daß amändern Morgen Heide und Bruch ganz und gar

ändern Morgen Heide und Bruch ganz und garversilbert sind, ist es herrlich hier unter demWahrbaum, wenn die Moosbank auch nicht mehr zurRast einladet.Wenn dann, Unwetter verkündend, die Sonne

zwischen, schwarzem und blutrotem Gewölk hinterden Heidbergen über dem Moore zu Bette geht, derSturm die Kiefern antreibt, ihre dunkelsten Lieder zusingen, und die Machangeln so zaust, daß sie sichunwillig schütteln, wenn dann die Nebelhexen überdas Bruch jagen, daß die Fetzen ihrer schlampigenRöcke über das fahle Gras hinschludern, dieWinterkrähen mit rauhem Rufe dahintaumeln, dannlohnt es sich wohl, einige Zeit unter dem Wahrbaumzu weilen und den seltsamen Runen zu lauschen, diesein krauses Astwerk singt. Weisen aus uralter Zeitsind es, die sie kundgeben, aus den Tagen, da nochder wilde Wisent durch das Bruch zog und dergrimme Grauhund sein Fährte in den Sand drückte,da an den Giebeln der Strohdachhäuser die Schädelder Mähren bleichten, die Wodan und Thor zu Ehrenin dem heiligen Kreise auf dem Hingstberge, der dortüber den anderen Hügeln sein braunes Haupterhebt, unter dem Steinmesser zusammenbrachen,oder von den fröhlichen Abenden, wenn

oder von den fröhlichen Abenden, wennfestumschlungene Paare nach dem Friehdloh, demWalde der Frigga, zogen und der guten Göttin weißeBlumen streuten, damit sie ihren Bund segne.Solcherlei Weisen vermag der alte Baum zu singen

und auch andere, aus denen es wie Hörnerklangund Kampfruf klingt, wie Siegesjauchzen undSterbegestöhne. Das Volk, das heute noch hier inder Heide den Acker baut, ist dasselbe, das einst diewilden, gelbgesichtigen Fischer und Jäger vertrieb,das die römischen Kohorten im Moore abwürgte,sich drei Jahrzehnte lang der welschen Völker, dieKarl der Franke in das Land einführte, erwehrte, unddas sich in Jahrhunderte währenden Kämpfen mitden Wenden katzbalgte. Sie haben viel Böses erlebt,die Heidjer von der Zeit her, da sie mit Rossen undWagen und Vieh von Nordland hier eindrangen, denWald rodeten und die Heide brachen, bis zu der Zeit,d a kaiserliche und schwedische Soldknechte hierschlimmer als die Teufel hausten, und so ist es keinWunder, daß ihre Augen kalt und ihre Lippen schmalwurden.Wer aber einen Scheffel Salz mit ihnen gegessen

hat, der weiß, welche goldenen Herzen sie haben,mit viel Güte und Treue und wieviel Fähigkeit und

mit viel Güte und Treue und wieviel Fähigkeit undKraft aber auch hinter den stillen Gesichternverborgen liegt. Nur schwer tauen sie auf, nurlangsam gehen sie aus sich heraus. Sie sind geartetwie die Eichen, unter denen ihre einsamen Höfeliegen; die lassen ihre Knospen erst aufbrechen,wenn die Birken sich schon längst begrünt habenund die Buchenbäume das volle Laub tragen, aberdann strahlt das junge Blattwerk an den grauenÄsten über dem knorrigen Stamm auch wie lauterGold.Deshalb wohl, weil es ihrem ureigenen Wesen so

ähnlich ist, lieben sie die Eiche auch vor allenBäumen und darum gilt als Wahrzeichen für denWanderer fast immer eine Eiche als Wahrbaum.

Das grüne Gespenst

In dem Bache hier wuchert im dichten Polstern ein

dunkelgrünes Kraut. Vor zwei Jahren war es nochnicht da. Ein halbes Jahrhundert ist es her, daertönte ein Schreckensruf durch ganz Deutschland.In Berlin ward er zuerst gehört und pflanzte sich vonda fort, mächtig widerhallend, Furcht und Entsetzenüberall erweckend, wo er vernommen ward. VonAmerika war ein unheimliches Wesen erschienen, sonoch nie erblickt war in deutschen Landen. Es hattedie grüne Farbe des Schlammes, war weich undbiegsam und über die Maßen zerbrechlich, undgerade darum so furchtbar.Dieweil es im Wasser der Flüsse und Seen lebte,

erst heimlich auf dem Boden dahinkriechend, sichnährend von Moder und Fäulnis, dann sich reckendu n d streckend, bis es stark und groß war, denWasserspiegel erreicht und über die Uferhinausquoll, faulige Dünste verbreitend, benamsetedas daß erschrockene Volk es die Wasserpest.Das grüne Gespenst war das Pflänzlein, das hier

den Bach erfüllt; von Kanada gelangte es um die

den Bach erfüllt; von Kanada gelangte es um dieMitte des neunzehnten Jahrhunderts nach Irland undwurde im botanischen Garten zu Berlin gezogen, bises ihm da zu langweilig wurde und es einenunbewachten Augenblick benutzte, um sich einwenig weiter in der Welt umzusehen. Ein kleinesStückchen davon, knapp einen Zoll lang, war es, dasi n die Spree gelangte. Da trieb es sich so langeherum, bis es in eine Bucht kam, und begab sichschleunigst daran, aus seinen Gelenken lange,dünne weiße Würzelchen zu treiben mit denen essich im Ufersande verankerte. Und als es mit dieserArbeit fertig war, lachte das grüne Koboldchen undfing an zu wachsen, daß es schon nicht mehr schönwar, und wuchs und wuchs bis an die Grenze derUnmöglichkeit, bis ihm die Spree zu klein war und sokam es in die Netze und in die Warthe und in dieOder und in die Weichsel und in die Elbe auch, undin die Weser erst recht und schließlich auch in denRhein und in die Donau, und es erhub sich überallein erschreckliches Heulen und Zähnegeklapper,denn der Tag schien nicht mehr fern, da alleBinnengewässer Europas bis zum Rande mit demKraute gefüllt waren, so daß kein Schiff mehr fahren,kein Mensch mehr baden, keine Ente mehr gründein

und kein Fisch mehr schwimmen konnte.Dem war aber nicht so; denn als einige Jahre

vergangen waren, da sank das grüne Gespenst bisauf ein bescheidenes Maß in sich zusammen. Eshatte zu gierig die Stoffe, die Wasser und Schlammihm boten, aufgezehrt, und nun rächte sich dieserselbstmörderische Raubbau an ihm. Nicht mehrbrauchte die Menschheit sich seinetwegen mitGänsehäuten zu bedecken und sich die Glatzen zuraufen, nicht mehr ihm mit Harken zu Leibe zugehen, es den Fluten zu entreißen und an das Landzu zerren, auf daß es dort elend verdorre. Nach wievor fuhren die Schiffe, badeten die Menschen,gründelten die Enten, schwammen die Fische, undals man sich den Schaden mit ruhigerem Gemütebesah, da stellte es sich sogar heraus, daß dort, wodas schrecklich Kraut üppig wucherte, die Fischzuchtsich bedeutend gehoben hatte, denn die junge Brutfand in dem dichten Rankengewirre herrlichenUnterschlupf und konnte sich prächtig vor denRaubfischen bergen.Als das bekannt wurde, beschafften sich alle klugen

Fischzüchter eine Handvoll Wasserpest, warfen siein nahrungsarme und pflanzenleere Teiche und

Bäche und stellten in wenigen Jahren fest, daß derFischbestand sich erfreulich gehoben hatte. Aber wieder Mensch nun einmal ist, es fiel ihm nicht ein, dasgute Kraut nun auch wieder ehrlich zu sprechen, esvielleicht Wassersegen zu nennen oder so ähnlich;nach wie vor blieb es die Wasserpest, und heutenoch bekommen manch Menschen einen kaltenRücken, wird der Name genannt heute noch, woHunderttausende von Mark mit der Wasserpestverdient werden, denn sie ist eine stark begehrteAquarienpflanze, von der in den großen Städten, indenen es Menschen gibt, die die Natur nur aus denSchaufenstern und vom zoologischen Garten herkennen, Tag für Tag, Bündel um Bündel, dreifingerlange Stengel enthaltend, für einen Groschenund mehr verkauft werden. Viele pflanzenarmeTeiche, Seen und Bäche sind durch sie angereichert,viel hagerer Boden ist mit ihr gedüngt, im dürrenJahren auch manches Stück Vieh mit ihr gefüttert,aber darum behält sie doch noch immer den allenÜbel-, Ekel- und Schaudernamen, obwohl sie vonallen grünen Gespenstern das allerharmloseste ist.Denn deren gibt es eine ganze Menge. Manche

sind ungefährlicher Art, wenn sie auch, als sie zumersten Male auftauchten, den Menschen ebensosehr

ersten Male auftauchten, den Menschen ebensosehrin Angst versetzt haben werden wie die armeWasserpest. So pflanzte sich vor einigenJahrzehnten ein langes, dürres, erbärmlichblühendes Kraut an unseren Bahndämmen auf,ebenfalls ein Kanadier, das kanadische Flöhkraut,auch Kuhschwanz genannt, und verursachte vielfacherhebliches Erblassen, zumal, als es ruchbar wurde,daß besagte Pflanze in dreißig Jahren rund um dieErde gewandert sei. Aber es tat einem Menschenwehe, wenn es auch nicht schön zu sehen undlieblich zu riechen war, denn bescheiden hielt es sichan den Bahndämmen, Straßenböschungen undSchuttplätzen und mied die Gefilde gänzlich. Es warnichts Gutes gewöhnt, wie eine Magd, die statt derüblichen Pellkartoffeln nebst Heringsschwanz bei derneuen Herrschaft Braten zu Mittag bekam und darumkündigte, und so macht es das Flöhkraut auch; fettesLeben verträgt es nicht und geht im Bogen umgedüngtes Land guten Boden herum. Da ist dasFranzosenkraut anders; je mehr Mist es vorfindet,um so besser gefällt es ihm in Feld und Garten. Esstammt aus Peru und mogelte sich über Frankreichzu uns ein, wo es sich bald so unbeliebt machte, daßin vielen Gegenden vereidigte Männer zu

bestimmten Zeiten von Feld zu Feld gehen und denGrundbesitzer, der das Kraut nicht ausgerottet hat, inschwere Strafe nehmen. Im anderen Jahre ist dahertrotzdem das üble Gewächs wieder da, denn es hatin seiner Schlauheit einen Vertrag mit den Spatzen,diesem Unkraut unter den Vögeln, geschlossen, unddie säen es auf wenig anständige Weise aufbeschotterten Fabrikdächern aus und bringen denreifen Samen auf dieselbe Art wieder in Feld undGarten.Überhaupt die Spatzen! Der Teufel soll sie

schockweise holen und ihretwegen müßte man denSperber schonen. Da hat so ein Gemüsezüchterseinen Garten im Schweiße seines Rückengelenkesunkrautrein gemacht und denkt nun, das hält vor.Doch nach vier Wochen schießt der Gartenknöterichmassenhaft aus der Erde, überall wimmelt es vomgelben Sauerklee, allerorts schießen Schuttmeldenu n d anderes Ungekräut auf, und der jungenQuecken ist kein Ende. Und wer ist schuld daran?Der Spatz, dieser Lump unter dem Federvolk, derBlumen und Nutzpflanzen zerbeißt, um Unkräuteranzupflanzen, denn gleich und gleich gesellt sichgern. Aber der Buchfink hilft ihm wacker dabei, denn

böse Beispiele verderben die besten Sitten, undHänfling, Stieglitz, Ammer und Lerche sind auch nichts o brav, wie sie behaupten, und sorgen reichlichdafür, daß der Landmann und Gärtner einengeschmeidigen Rücken behält. Aber an allem Ärger,den ihm die grünen Kobolde und Gespensterbereiten, sind sie doch nicht schuld.Da erschien 1828 in der Walachei ein Kraut, dessen

sich die ältesten Greise nicht mehr erinnerten, diedornige Spitzklette. Das hatten nicht die Spatzen inihre Gedärm, sondern die Kosakenpferde in ihremSchweife aus Halbasien eingeschleppt, denn esbesitzt dornig Früchte, die von rührenderAnhänglichkeit sind. Die Botaniker freuten sich überdie Bereicherung der Pflanzenwelt, aber aus demJubel wurde bald Weheklagen, denn dasSchundkraut verbreitete sich von da nach Ungarnund Deutschland, und als es gar nach Australien undAmerika gelangte, da bekam es erst recht Luft undwuchs sich zu einem Schreckgespenst schlimmsterGüte aus, zu einer Landplage scheußlicher Art, denes verdarb mit seinen dornigen Früchten dieSchafwolle greulich, und in Chile hingen sie denPferde in ganzen Klumpen sich in die Schweife undMähnen, so daß die Tiere elendiglich daran

Mähnen, so daß die Tiere elendiglich daranzugrunde gingen. Auch bei uns macht sie sichstellenweise so breit, daß sie hier und da unterPolizeiaufsicht gestellt werden mußte.Genauso ging es einer anderen Pflanze, der

Sommerwucherblume, einem bildschönen Kraut,dessen goldenen Blüten der Landschaft zumherrlichen Schmuck gereichen. Aber der Landwirtdenkt nicht künstlerisch genug, um sich des holdenAnblicks zu erfreuen, und eine Marschall Niel oderLa France dünkt ihm, steht sie zwischen seinemWeizen, nicht minder ein Unkraut als Distel undQuecke. Darum schont er der goldnen Blume nichtund rottet sie mit Stumpf und Stiel aus, und ist er zubequem dazu, so gibt ihm der Landrat einen Wink mitdem Gendarm, und der kostet einige Taler. Ach ja,die Schönheit ist ein sehr persönliche Begriff!Lieblich ist die Kornblume, hübsch die Rade undschön der wilde Mohn, und wo sie mit blauen,purpurnen und scharlachnen Blüten das Feldschmücken, da verdreht der Städter die Augen vorwonnigem Entzücken und findet den Anblickentzückend. Der Bauer aber pfeift auf die Poesiedieses Anblickes und schreibt seinemGetreidehändler einen sacksiedegroben Brief, weil

Getreidehändler einen sacksiedegroben Brief, weiler Roggen und keinen gemischten Blumensamen fürein buntes Beet bestellt hat, denn anstatt seineBrotfrucht nach der Windmühle vor dem Dorfe fahrenzu können, muß er sie an die Dampfmühleverkaufen, die mit Schüttelsieben und Gebläsen denUnkrautsamen von der Brotfrucht zu scheiden weiß,und der Bauer muß seine Brotfrucht selber kaufen,und das tut er nicht gern. Deshalb macht er sich imallgemeinen aus Blumen überhaupt nicht viel, denner muß immer dabei an allerlei Kraut denken, dasreizend aussieht und ihm abscheulich schadet.Vielleicht hat auch er, als mit dem Roggen

Kornblume, Rade und Klatschmohn zuerst aus Asieneinwanderten, sich der hübschen Blüten gefreut undsie im Acker geduldet, bis er eines Tages einsah,daß er dabei der Dumme war. Vielleicht hat ihmsogar der goldene Hederich Vergnügen gemacht, alsder zuerst auftauchte; aber als schließlich vor lauterHederich die grüne Saat ein gelbes Blumenbeetwurde, da wurde er fuchsteufelswild und wüteteunter den holden Blümelein wie Saul unter denPhilistern, ohne daß es ihm sehr viel half, denn diedreimal vermaledeiten Spatzen hielten es natürlichmit dem Hederich und sorgten dafür, das die eintönig

mit dem Hederich und sorgten dafür, das die eintöniggrüne Fläche des Ackers auch im nächsten Jahrewieder nach reichliche Beimengungen von goldenenBlumen reizvoll unterbrochen war. So ist es auchwohl gekommen, daß der Landwirt im Laufe derJahrtausende ein Hundeangst vor allem Neuenbekam, vor allem dann, wenn es sich in gefälligerF o r m einführte, denn zu oft war er damithineingefallen, und wenn er etwas an den Lupinen,der Esparsette, dem Buchweizen, der Serradella, derLuzerne und dem Inkarnatklee auszusetzen hat, soist es der Umstand, daß diese nützlichen Gewächseschön blühen, ja, es ist Tatsache, daß die Kartoffelsich anfangs nur deshalb so schwer einführte, weilsie dem Landmann wegen ihre hellen Blüteverdächtig war, wie er denn jetzt auch nur ganzlangsam daran gehen mag, die knolligeSonnenblume als Viehfutter zu bauen, denn ihreschönen goldenen Sterne lassen ihn vermuten, daßsie vielleicht versteckte Absichten habe, zumal sievon wer weiß wo her ist.Er hat nicht so unrecht. Vielerlei, das mit bunten

Blüten über Land und Meer kommt und um einPlätzchen bei ihm bittet, hat sich nachher rechtundankbar dafür benommen. Zwar gibt es einige

undankbar dafür benommen. Zwar gibt es einigebunte Blumen, die von ferne kamen, die seinVertrauen nicht täuschten, so die himmelblaueWegewarte, auf deutsch Zichorie genannt, dergoldgelbe Frauenflachs, der rote Gauchheil, dasfeurige Donnerröschen, der sonnenfarbige Rainfarn,aber schon der veilchenblaue Rittersporn und derpurpurne Erdrauch machen sich leicht zu breit, ducktder Bauer sie nicht, wo er es kann. Mit der Zeit saher alles schief an, was nicht sein Urgroßvater schonkannte und duldete, und es war ihm gar nicht recht,daß sich an dem Bahndamme vor dem Dorfe dieNachtkerze ansiedelte und ihre herrlichen, großen,goldene Blüten entfaltete; trau, schau, wem, dachteer, und schlug sie mit dem Stocke um. Als Blume giltihm nur das, was so gut erzogen ist, daß es hübschda bleibt, wo es hingesetzt wird, im Garten, allesandere ist ihm Unkraut, und wenn es auch in allFarben des Regenbogens schimmert und nachMyrrhe und Weihrauch duftet, vorausgesetzt, daß esnicht schon von Anbeginn da war und den Beweiserbracht hat, daß er sich darauf verlassen kann. Undweil er mit den bunten Blumen so oft übleErfahrungen gemacht hat, darum ist er milde gegensolche Krauter, die nicht mit feuerrotem,

himmelblauem und goldgelbem Geprängedaherkommen, sondern ein schlichtes Gewandtragen, und keinen knallbunten Schlips vorhaben,wie die Nessel, die Klette, die Melden und der guteHeinerich.Selbst wenn sie ihm lästig sind, wie Nachtschatten,

Wolfsmilch und Haferdistel, sie ärgern ihn nicht sosehr wie das, was da rot und blau und gelb prahltund prunkt und protzt und dadurch mit ihmanzubinden sucht, daß es künstlerische Wirkungenschindet. Grün ist das Feld, grün ist die Wiese undgrün der Wald; darum fürchtet er sich nicht vor dem,was nur grün ist.Aber der des Grünen entwöhnte Städter erschrak

bis in das Mark, als die Wasserpest einwanderte,und sie erschien ihm als ein grünes Gespenst.

Heidbrand

In schwarzem Schweigen liegt das Dorf. Lautlos

streicht die Schleiereule um die Mährenköpfe derGiebel, leise streicht ein Kater über die graueStraße, unhörbar flattert die Fledermaus um dieHofeichen. Die Hunde, die die ganze Nacht denMond angeheult haben, sind stumm geworden. Ausdem Bache quollen weiße Nebel, krochen über dieWiesen, das Moor, schwebten über die Heide. EineViertelstunde kämpfte der Mond mit ihnen, dannerstickten sie ihn.Und jetzt ist alles grau rundherum. Die Straße, die

Wiesen, das Moor, die Heide, sie sind allesamtuntergegangen in dem weißgrauen Dunst. Auch dieBirken an der Straße lösen sich langsam darin auf.Ein hohler Wind kommt angepustet. Er schüttelt dienassen Birken, daß sie kalte Tränen weinen, wehtüber die rauhen Föhren, daß sie im Schlafaufstöhnen, reißt den hohen Wacholdern dieNebellaken ab, daß sie aus Frost zittern. Und dannschweigt er auf einmal, als hätte er nie gesprochen,verstummt, als wäre er gar nicht hier. Nur in dem

verstummt, als wäre er gar nicht hier. Nur in demharten Grase am Wege raschelt er matt und müde,als habe auch ihm der Nebel den Atem genommen.Eine ängstliche Stille liegt über der

grauverschleierten Heide, ab und zu unterbrochenvon einem engbrüstigen Aufseufzen, von einemkurzatmigen Stöhnen, von einem fröstelndenGeflüster, so verloren, so unbestimmt, so undeutlichwie die graulichweiße Landschaft. Oben, über dengrauen Nebeln, ertönt ein jammervolles, ängstlichesFlöten, erst weit, leise, dann näher, lauter, undschließlich sich wieder weiter und heiser verlierend.Ein dünnes, verjagtes Pfeifen taucht auf undverschwindet. Brachvögel und Drosseln auf derWanderung sind es. Ein Wehklagen klingt aus derSchonung, gepreßt und benommen. Das ist dieOhreule.Von dem Anbauernhof in der Heide kommt ein

Hahnenschrei. Vom Dorfe kommt ein zweiter ihmentgegen, und ein dritter. Ein Spitz kläfft heiser wieein Fuchs. Er weckt den Wind wieder auf. Der gähnt,reckt sich, erhebt sich aus dem Heidkraut und gehtan sein Tagwerk. Erst fegt er den Heidberg vomNebel rein, steigt dann in die tiefe Heide und machtdie blank, zieht von den Wiesen den weißen

die blank, zieht von den Wiesen den weißenSchleier, nimmt die grauen Laken von dem Moor,trocknet alle Büsche und macht die Bahn für dieSonne frei. Blutrot kommt die über die schwarzenFöhren aus einem schmalen Stück hellgrünenHimmels, über dem eine schwere, bleigraue Wolkeliegt. Bleichgelbe, unheimliche Strahlen fallen auf diegraurote Heide, lassen sie kupferrot aufleuchten,rostrot glühen, geben den fahlen Moorwiesen einenGrünspanton, den Föhren ein böses, blaues Licht.Dann sinkt die blaugraue Wolke tiefer, verdrängt dasStückchen Himmel, läßt von der Sonne nur einendreieckigen, rotglühenden Punkt übrig, bis auch dererlischt. Lange, graue Stunden folgen. Eintönigpustet der hohle Wind über die grauroten Hügel,stäubt gelber Sand in die rosigen Blütchen, seufzt inden Birken, flüstert im Risch, stöhnt in denWacholdern. Undurchsichtig blaßgrau, trostlosgleichfarbig ist der Himmel.Matt schweben vereinzelt kleine blaue

Schmetterlinge über die Heide, laurig fliegen dieImmen von Blüte zu Blüte, mißmutig brummt dieHummel, die Heidlerche lockt wehmütig, die Krähekrächzt angstvoll; keine behende Eidechse, keinflinker Sandläufer läßt sich sehen.

flinker Sandläufer läßt sich sehen.Da aber kommt der Wind zum drittenmal. Er hat die

Nebel von der Erde weggejagt, hat Bäume undBüsche getrocknet, und jetzt geht er auf dieDunstwolken los. Mit gellendem Pfeifen scheucht ersie auseinander, treibt sie nach Nord und West undSüd, hetzt sie über alle Berge und über alle Föhrenund schafft der Sonne Bahn. Heiß und goldig brichtsie hervor, färbt die Flanken der Hügel mit Rosenrot,hüllt die Birken in Frühlingsgrün, streut Gold auf dieFöhren und Glanz auf die Sandwege, macht dieblauen Falter lustig und die braunen Bienenlebendig, lockt die Eidechse aus der Heide und dieLaufkäfer aus dem grauen Moos, und stimmt derKrähe grämliches Gequarre zu frohem Schrei um.Ein Honigduft, stark und betäubend, steigt aus den

zahllosen Blüten, unzählige Bienen summen im Chorein brausendes Lied, ein Geflatter blauer Flügelchenist überall, den ganzen Weg entlang geht einGeblitze goldener Punkte, und auf die rosenrotenFlächen perlen lullende Lerchenlieder.Auf die langen, grauen Stunden folgen kurze, helle

Stunden, kurz, weil sie so schön sind. Singend pralldie Sonne auf die Heidberge, macht aus denSpinnweben am dürren Föhrenast ein Goldgewebe,

Spinnweben am dürren Föhrenast ein Goldgewebe,aus den Kieseln auf der Sandblöße Diamanten,Rubine, Opale und Amethyste, aus dem düsterenWalde am Heidrand einen lachenden Hain. Überallist ein Glänzen und Schimmern, ein Leuchten undFlimmern, Strahlen und Prangen. Das Renntiermoosist feines Silber geworden, die Föhrenstämmeblankes Gold, von den fernen Fischteichen imGrunde schießen hellblaue Lichter empor, dieSchnuckenherde hat goldene Vliese.Der lustige, leichtsinnige Wind tanzt bergauf,

bergab, dreht sich aus dem Flugsand eine lange,gelbseidene Schleppe, kost mit den krausen Fichtenauf den Berg, mit den Birken an der alten Straße,fiedelt ein Lied auf einem dürren Span und bläst einStückchen auf einem bleichen Rehschädel. Dannverschwindet er hinter dem Berg, um sich ein neuesSpielzeug zu suchen. Hinter den Föhren auf derDüne hinter dem Moore sitzt er, hat sich die Pfeifeangesteckt und pafft und pafft. Erst zieht er dünne,kleine Wölkchen, dann dickere, und schließlichqualmt er, als wenn ein kleiner Bauer backt. Und derKnaster, den er raucht, ist nicht von der bestenSorte: Torf, Risch, Renntiermoos, Heide undFöhrenzweige hat er in die Pfeife gestopft. In allen

Föhrenzweige hat er in die Pfeife gestopft. In allenDörfer in der Runde lassen die Leute bei derGrummeternte Sensen und Harken sinken,schnüffeln in der Luft, meinen, es komme einstinkender Nebel aus dem Moor und schanzenweiter. Aber die Sonne wird immer röter, der Himmelim Osten immer tiefer, die Luft immer dicker. Dasehen sie sich an, schütteln die Köpfe und wundernsich, daß im Westen die Luft hell und klar ist und imOsten so dick und schwer. Und auf einmal ist einLaufen hin und her, Räder blitzen über dieLandstraße, Wagen donnern durch gelben Mulm,u n d auf den grünen Wiesen und rotenBuchweizenfeldern wird es leer und still.Da aber, wo der Wind saß und rauchte, rund um

das Moor, ist ein Gewimmel von weißenHemdsärmeln, ein Geblitze blanker Schuten. Inlangen Reihen stehen die Männer da, Qualm imGesicht, Qualm unter den Füßen, Qualm im Rücken.Vor ihnen ist alles ein dicker, weißblauer Dampf, ausdem ab an zu ein rotes Flämmchen bricht; nebenihnen kohlen schwarze Ringe im Boden, erweiternsich knisternd, rote Zungen lecken am Heidkraut,rote Funken huschen über das dürre Gras. DieZwicken fallen mit hartem Schlage nieder, die

Zwicken fallen mit hartem Schlage nieder, dieSchuten beißen knirschend in den Sand, dumpfpoltern die Schollen, Schweißgeruch hüllt dieMänner ein. Dann und wann ein langer, tieferSchluck aus dem Blechtopf, den die Frauen undK i n d e r heranreichen, ein Strecken desschmerzenden Rükkens, ein Recken der müdenArme, ein Streifen der schwarzen Hand über diemüde Stirn, und dann hackt die Zwicke wieder,knirscht die Schute, Poltert die Scholle.Die Sonne gehe unter, unheimlich rot, als ginge sie

zur allerletzten Rüste. Die ungeheure blaugraue,weiß durchwirkte, braun überzogene Rauchwolkeglüht golden auf, loht feuerrot, leuchtet purpurn.Schwarze, schwere Wolkenballen verhüllen dieSonne, lassen sie wieder einmal auflodern, erstickensie von neuem. Einmal noch funkelt sie über denFöhren, dann ist sie tot. Die Dämmerung steht überder Heide, eine doppelte, durch Qualm und Rauchverstärkte Dämmerung. Kaum schimmern die weißenHemdärmel noch hindurch, von den Gesichtern derMänner sieht man nichts mehr; sie sind rußig undschwarz. Die Arme erlahmen, die Rücken brennen,die Knie zittern; aber solange die roten Flammenzüngeln, dröhnen die Twicken, knirschen die

züngeln, dröhnen die Twicken, knirschen dieSchuten rund um Heide und Moor. Auf denheidwüchsigen Dünen in den Besamungen derHeidberge, in den Föhrenhorsten der Hügel stehendie Rehe und schnuppern den stinkenden Qualmein, der aus dem Moore kommt, da liegen die Hasenund das Birkwild, da schnürt unsteht der Fuchs.Ihnen alle nahm der große Brand die Heimstatt. Vielevon ihnen erstickte der blaue Qualm, tötete die roteFlamme. In dem Dorf vor dem Moor stehen dieFrauen, die halbwüchsigen Kinder, die alten Männerin Gruppen auf den Straßen und reden halblaut überden Brand. Fast alle sind zu Schaden gekommen.Der hatte noch Tor draußen, einem anderen ist diegehauene Heidstreu aufgebrannt, dem wieder derImmenzaun mit allen Stöcken, und viel Busch undHolz ging verloren. Und das schlimmste ist, daß dieArbeit auf Feld und Wiese liegen bleiben muß,vielleicht eine Woche lang, wenn kein Regenniedergeht.Lange Reihen grauer Schatten, halblaut redend und

hart auftretend mit hohen Stiefeln, ziehen in dasDorf. Andere Reihen begegnen ihnen, die Ablösung.D i e ganze Nacht muß gewacht und gearbeitetwerden, denn der Wind läßt nicht nach und steht

werden, denn der Wind läßt nicht nach und stehtsteif auf das Holz zu, das zwischen dem Moor unddem Dorf liegt. Die Dorfstraßen sind voll von demstinkenden Rauch. Die Nacht schlafen nur die Kinderim Dorfe. Gegen elf Uhr aber merken die Männer, diedraußen in der Heide arbeiten, daß der Ruß ihnennicht mehr in die Augen kneift, ihnen nicht mehr denAtem nimmt; der Wind hat sich gedreht, er kommtaus dem Westen. Und dort kommt auch ab und zuein roter Schein, und bei seinem Leuchten steht daeine schwarze Wetterbank. Froher arbeiten dieLeute weiter, denn sie wissen, daß sie Hilfebekommen. Um Mitternacht stolpert der Donnerhinter den Heidbergen; einzelne dicke Tropfen fallen.Und dann rauscht es aus den Wolken, es zischt inder brennenden Heide, zischt im glimmenden Moore,langsam läßt der Rauch nach, wird der Qualmkleiner. In der ersten Morgenstunde schultern dieMänner ihre Twicken und Schuten und gehen, naßbis auf die Haut, schwarz und schmierig an Händenu n d Gesichtern, im strömenden Regen heim undschlafen, bis der helle Morgen in die Fenster scheint,dann gehen sie wieder in die Heide und dämpfen dieletzten weiß qualmenden Brandstellen. Übersechshundert Morgen sind ausgebrannt. So weit die

Augen reichen, ist alles schwarz und kahl. Hier undda ragen die Trümmerreste eines Immenzaunes, dieschwarzen Gerippe verkohlter Föhren, dasunheimliche Skelett eines verbrannten Machangelsaus der flachen, düsteren Wüste. Ein Jahr wird wohlnoch vorübergehen, ehe hier das Wollgras wiederwimpelt und die Heide wieder blüht, und lange wirdes dauern bis hier wieder Föhren wachsen. DerBuchweizen liegt naß im Felde und das Heu hatdurch den Regen viel an Kraft verloren.Der Bauer aber zuckt die Schultern. Klagen hilft

nichts und es hätte schlimmer kommen können mitdem Heidbrand.

Der Strand

Wer zu einem Menschen nur in seinen guten

Stunden kommt, der weiß nichts von ihm, wer dasSteinhuder Meer nur sommertags sah, der kennt esnicht. Die Freunde des Meeres in der Stadt, wo sindsie heute? Hinter dem Ofen, denn in den Straßentobt der Herbststurm. Er gießt kübelweise denRegen an die Fenster, hetzt die Wolken hin und her,spielt wilde Weisen und haut den Takt zu seineLiedern so grob auf die Dachpfannen, daß sie klirrenund klingelnd und klappernd herabpoltern. Heutwird's am Meere schön sein. Zerpeitschte Grauflut,gehetzte Schwarzwolken, spritzender Gischt undhalbverhülltes Abendrot werde ich sehen, nichtsolchen zahmen Dutzendsonnenuntergang fürSommerfrischler. Der Wind spielt mit den Krähen undwirbelt sie in der Luft herum, als wären es schwarzeLappen. In Steinhudes gelbem Eichenhain tobt derWind wie toll. Das saust und braust und pfeift undflötet und lehrt den gelben Blättern denRingelreihetanz und die Aalkörbe an denLehmwänden der Ställe lustige Sprünge. Grau ist

Lehmwänden der Ställe lustige Sprünge. Grau istdas Meer, hechtgrau mit Silberstreifen unddunkelgrün mit schwarzen Barschstriemen, tief ducktsich das gelbe Rohr unter des Sturmes rauhe Hand,unwillig rauschen die schiefen Pappeln.Das Meer braust und brandet, spritzt und schäumt.

Gut passen zu ihm die unheimlich gelben Dünen, derdüstere Föhrenkranz an seinen Ufern, die schwarzund braun gemusterten Bergkuppen drüben. Es ist jaauch schön hier an blauen Abenden, in sengenderMittagsglut, an Nebelmorgen, bei sternheller Nacht,aber am allerschönsten, im Herbststurm, wenn essingt und klingt in den Lüften.Blaugrau ist der Himmel. Fahl blinzelt die Sonne

durch einen Wolkenriß. Weiße Wolken, wieWatteflocken, treiben nach Osten. Der Wolkenrißweitet sich, Silberblitze springen über die Wellen, dieDächer drüben glühen auf, die schwarzen flatterndenPunkte da unten, Möwen, blitzen auf zu blendendemW e i ß , und die Entenflüge, die die beidenFischerboote hochmachten, wie Hunderte vonSilberflittern wirbeln sie vor dem graublauenHimmelsrand herum, bis sie wie schwarze Fleckenwieder auf dem Wasser liegen. Jäh wechseln alleFarben. Die Segel vor der Seefeste, eben waren sie

Farben. Die Segel vor der Seefeste, eben waren siegoldgelb, schwarz sind sie jetzt; schwarz sind dieSeiten der Fischerboote, die eben wie Silbergleißten. Die gelblichgraue Flut wird bläulich, färbtsich in Silberglanz um und in stumpfes Grau, undwälzt sich jetzt, wo die Sonne hinter demGrauhimmel verschwindet, tot und schwarz nachOsten.Das Meer lebt von fremdem Geflügel. Wohin man

sieht, schaukeln Hunderte von Enten auf denWellen, wiegen sich Sägetaucher auf der Flut,schweben Möwen und Seeschwalben dahin, undheiser rufend streicht ein Flug Wildgänse vorüberund fällt am Ufer ein. Vier Schwäne, Wanderer vomNorden, die hier auf der Südlandsfahrt einen Rasttagmachen, schwimmen wie weiße Seerosenblumen aufder schwarzen Flut. Und das, was da silbern in derRohrbucht auftaucht und verschwindet, wieder da istu n d wieder in die Welle sinkt, das ist einHaubentaucher. Katzenpfoten laufen über das Meer.Der Wind bringt Regen. Noch ist alles grau und blauund goldig, doch die Sturmhexen kommen schonangeritten. Schwarz flattern die Lumpen um sie, ihrStrupphaar fliegt im Wind, ihre Besen zerfetzen dieWolken. Zu Dutzenden jagen die Unholdinnen

Wolken. Zu Dutzenden jagen die Unholdinnenvorüber, fassen sich an zu häßlichem Reihen, bildenKreise und Kränze, lassen los und fegen dahin, daßdie Rockfetzen fliegen und die Schmutzlappenflattern. Mit ihren Besen hauen sie in die Flut, daßsie schäumt und geifert, und sie fegen die Wellen,daß sie umkippen. Gellend klingt ihr böse Lachenaus der Luft.Des Sturmes Baß übertönt ihr Gekreisch. Das

braust und brandet und bullert, daß die Bohlen derLandungsbrücke zittern, daß die Wände desStrandhauses ächzen, daß die Scheiben klirren.Hastig wandern die Wellen, tief bückt sich das Rohr,und williger schütteln die Pappeln die Köpfe. Immermehr Katzenpfoten kräuseln die Flut, die Sonne wirdein fahler Fleck, näher kommt der Regensturm. Undnun platzen die Böen, schütten muldenweise dasWasser hinab, verhüllen die Ferne, verschluckenden Wilhelmstein, decken die Berge mit grauenSchleiern und die Dünen und den Strand zu,verhüllen Nähe und Weite mit dem gleichmäßigenGrau, in dem nur eine schwarzschwingige Möwejauchzend umhertaumelt. Und es prasselt undklatscht und schlägt und stiebt schräg auf dieWellen, und die jagen dahin, wie mit Ruten

Wellen, und die jagen dahin, wie mit Rutengepeitscht, und das brüllt und heult in der Luft undpfeift und kreischt und schreit, und wie einGeisterschwarm stiebt ein Möwenflug heran und wirftsich in der Rohrbucht ins Wasser.Der Sturm läßt nach, aus dem Schwarz wird ein

lichtes Grau. Schon taucht wie ein Schatten derWilhelmstein wieder aus dem grauen Schleier auf,ihm folgen die Berge, die Dünen und der Strand, bissie klar und scharf am Himmelsrand stehen. Goldigwird es im Westen. Durch graue Wolkenballen reißtsich die Sonne ein Loch und malt Lichter in dieschwarzblaue Bucht. Flammen brechen unter derschweren Wolke hervor, wie zerflossen glüht darindie Sonne, blaugrüne Striche ziehen sich über denHimmel, und auf allen Wolken blühen Rosen. DerVorzeit Ungeheuer schwimmen durch das blaugrüneHimmelsmeer, Riesenhaie und Drachen, Einhörnerund Tiger, Schlangen und Eidechsen, mißgestaltetund furchtbar, alle nach Osten in die graue Nachthin.Zum Meere streicht ein Flug Gänse, sich kreuzen

mit Entenflügen, die klingend und sausend das Meerverlassen, hoch über mich fortstreichend zur Leine.Entenflüge ziehen durch die Luft, mit hastigen

Entenflüge ziehen durch die Luft, mit hastigenFlügelschlägen, mit Sausen und Brausen, immervom Meer fort.Längst ist die Sonne hinter den Bergen

verschwunden. Tiefer tönt sich der Himmel, hier undda blinzelt ein Stern, das Schwirren und Klingen hörtauf, nur der Sturm pfeift und flötet noch, mit neuenRegenböen zieht die Nacht heran und verhüllt Meerund Land und Strand.

Die letzten Lieder

Es könnte noch Sommer sein, aber es ist schon

Herbst. Der Himmel ist grau, und der Regen rieselt.Wenn einmal die Sonne durch die schmutzigenWolken kommt, dann sticht sie. Weiße Wetterköpfeschieben sich hinter den Häusern her, wachsenimmer weiter und zerfließen in graue Massen. DieSonne geht weg, und es regnet wieder aus grauemHimmel.Grau ist es draußen, auf der Straße, grau ist es

drinnen im Zimmer, und im Herzen der Menschen istes ebenso grau. Alles ist ihnen langweilig an solchenTagen. Es ist ihnen, als wäre keine Hoffnung mehrfür das Leben, und als hätte alle Arbeit keine Zweck.Ich stehe am Fenster und sehe in den Garten. Der istnaß und häßlich. Auf den Wegen wächst Moos,gelbe Blätter liegen im Rasen, die letzten Blumenfaulen, ehe sie noch recht aufgeblüht sind. TrägeSchnecken kriechen über die Efeuranken. Heutemorgen, als es hell wurde, war der Garten schöner.Ich war früh aufgewacht von der Sonne, die durchdie Vorhänge fiel und goldene Kringel an die Wand

die Vorhänge fiel und goldene Kringel an die Wandmalte. Halb wach lag ich da und sah auf dieSonnenflecken. Und da hörte ich es draußen singenund pfeifen und zwitschern und flöten, undschlaftrunken, wie ich war, dachte ich; es wirdFrühling, die Stare sind da. Schnell sprang ich aufund zog den Vorhang zurück. Da saßen sie vor ihremHäuschen, die beiden. Sie schlüpfte ein und aus,putzte sich und schlüpfte wieder ein, steckt den Kopfheraus und zog ihn wieder zurück, und er saß aufd e m Dach, klappte mit den Flügeln, hielt denSchnabel in die Höhe, sträubte die Kehlfedern undsang und sang und sang.Sein Lied brachte den Frühling in den Garten. Der

Nachtregen blitzte auf dem Rasen wieFrühlingsmorgentau, der Efeu glänzte wie Silber, dieletzte Rose streckte sich der Morgensonneentgegen, und die große goldene Sternblumestrahlte und leuchtete. Ich war so froh, daß ich diegelben Blätter im Rasen nicht sah und die totenBlütenstiele; ich hatte der faulenden Knospe nichta c h t , und die verkümmerten Waldrebenblumenstörten mich nicht. Ich lachte, als wäre es Frühling.Weit vor das Tor ging ich hinaus, durch die Felder.

Über die winzigen Blümchen zwischen den Stoppeln

Über die winzigen Blümchen zwischen den Stoppelnfreute ich mich, als wenn es die erstenFrühlingsblüten wären. Der goldene Hederich aufdem Felde lacht mich an, und im Graben die gelbeKettenblume war mir wie die erste, die unterblühenden Schlehen sich zeigt. Auf dem Wegepfahlsang ein Goldammerhahn dieselbe Weise, die er imFrühling singt. Der Text ist anders als im Herbst.»Wie, wie hab' ich dich lieb,« singt er im Mai. Wennes aber Herbst wird, dann klagt er: »Mein Nest istweit, weit, weit.« Ich hört den Frühlingstext herausheute morgen. Das kam davon, daß die Sonneschien. Und die Stieglitze auf den Kletten amSchutthaufen, die Hänflinge auf dem Sturzackersangen Frühlingslieder, und der Hahn vor demersten Hof krähte, als schiene heute die Sonne zumersten Male.Hinter dem Dorf auf den Telephondrähten war ein

Gewimmel, schwarz und weiß, und ein Gezwitscherbunt und lustig. Alle die Schwalben aus dem Dorfund von den Nachbardörfern saßen da und sangenund sangen, als wären sie gerade wiederheimgekommen nach der langen Fahrt über Landund Meer. Sie zwitscherten und flogen auf undsetzten sich wieder, putzten sich und schnäbelten

setzten sich wieder, putzten sich und schnäbeltensich, und dann nahmen sie sich alle auf, teilten sichund flogen nach ihre Ställen.Im Gasthof an der Straße kehrte ich ein und setzte

mich an den runden Tisch in dem Grasgarten in dieSonne. Goldene Georginen nickten über den Zaun,die Hühner kratzten im Kiese, Mücken tanzten aufund ab. Etwas Buntes schwirrte heran, schnurrte vormeine Füße und hüpfte kopfnickend über den Kies.Ein Finkenhahn war es. Nicht so bunt war er als imMai. Nicht so hellblau war sein Schnabel, nicht sogrün der Rücken, nicht so leuchtend rot die Brust.Aber das Lied, das er aus seinem Kehlchenschmetterte, es klang ebenso froh und so frisch wieim Mai.Das fällt mir alles so ein, wie ich herausstarre in den

nassen Garten, auf den der graue Regen fällt,mißmutig und übelgelaunt. Gleichmäßig grau ist derHimmel und unablässig rieselt es aus ihm heraus,und der Tag geht früh zu Ende. Es klappert auf dieBlätter und klatscht auf den Weg, läuft an demBirnenbaumstamm herab und fließt aus derDachrinne, tropft von der Gartentischdecke undklingelt auf die Gießkanne. Die letzte Rose läßt denKo p f hängen, die goldene Sternblumen hängen

Ko p f hängen, die goldene Sternblumen hängenschwer herab, und die silberne Eberwurz hat ihrenKelch geschlossen und sieht grau und grämlich aus.Da klingt ein helles Stimmchen in das langweilig

Getröpfel, ein Stimmchen, froh und klar. Vom Firstdes hohen grauen Hauses kommt es, das schwarzund schwer gegen den grauen Himmel steht. DasRotschwänzchen singt sein Abendlied. Es ist keinkunstgerechtes Lied, es ist nicht schulgerecht. Dasist dem kleinen Vogel aber ganz gleichgültig. Ersingt, und wenn er zu hoch kommt mit der Stimme,dann räuspert er sich und kräht sein Lied zu Ende.Ihm ist es gleich, ob die Sonne scheint oder nicht.Seinetwegen kann es ruhig regnen, er singt doch.Jeden Morgen und jeden Abend singt er, froh,darüber, daß er lebt. Der Star und die Schwalbe, dieGoldammer und der Fink singen Herbstlieder,Scheidelieder, Meidelieder denn Wanderangst sitztihnen im Herzen, und unsere Bange plagt sie. Dieeinen ziehen weit fort, die anderen streichen weitumher, fern von Heimat und Frühling.Rotschwänzchen weiß von Scheiden und Meidennichts. Heut' singt es noch und morgen noch, undwenn die andern schon lange das Singen verlerntenauf der Wanderschaft, dann singt es immer noch

auf der Wanderschaft, dann singt es immer nochvom Dachfirst sein Lied jeden Morgen und jedenAbend, bis auch es fort muß. Das ist das einzigWahre. Ein mal muß jeder fort. Für jeden kommt derHerbst. Dann ist es Zeit, mit dem Singen aufzuhören.Bis dahin aber soll man singen, wie auch das

Wetter ist. So lehren es uns die letzten Lieder.

Im bunten Wald

Der Nebelung ist ein harter Herr; was er sagt, das

gilt. Ein Blick von ihm, und der Espenbaum wirdblaß; ein Wink, und die Linde ist kahl ein Wort unddie Pappel gibt ihr Goldlaub her. Mit dem Weinmondläßt sich noch reden; wenn er auch rauh tut, er meintes nicht so schlimm. Sein Nachfolger aber bestehtbis zum letzten Buchstaben auf seinem Scheine, unddieser besagt: Das Laub soll fallen und diese Blumemuß welken, stumm wird der Yogel und es stirbt derWurm.Den bunten Rock, den der Frühherbst dem Wald

schenkte, nimmt der Spätherbst ihm fort; die Lieder,die die Herbstsonne die Amsel lehrte und den Star,verbietet der gestrenge Herr ihnen, der Falterversteckt seiner Schwingen Sammet und Scharlachin einer Rindenritze, und die Hummel, die um dieletzte Kleeblume flog, wird zum langen Schlaf in dasMoor geschickt.Freilich, so leicht wie sonst wird es dem harte Herrn

in diesem Jahre nicht, seinen Willen durch zusetzen.Zuviel Saft ist im Holze, zuviel Kraft in den Wurzeln,

Zuviel Saft ist im Holze, zuviel Kraft in den Wurzeln,und weil im Sommer die Sonne fehlte, lebten dieBlätter der Bäume langsamer denn je. NachSonnensommern waren die hohen Birken um dieseZeit schon längst nackt und kahl; heute aber leuchtetihr goldfarbiges Laub noch lustig vor den schwarzenKiefern, die mit mürrischen Gesichtern daraufwarten,daß sie allein dort zur Geltung kommen. EinWeilchen werden sie noch lauern müssen. DieBirken haben bald ausgespielt; sie tun zwar so, alssei es ein Spaß für sie, die grüne Wintersaat mitgelben Blättern zu bestreuen, aber morgen schon istes aus mit diesem kurzweiligen Spiele. DieRotbuchen sind zäher; da ist noch manche, die sichnicht ergeben will und so grün da steht, als sei siezwei Monate im Kalender zurück, und die Eichenlehnen die Zumutung, dem Herbst zulieb das brauneKleid anzulegen, mit Hohngebrumm ab.Das hilft ihnen aber alles nichts, wollen sie heute

nicht, so müssen sie morgen. Eine Buche nach deranderen fügt sich der Vorschrift und kleidet sich demneuen Herrn zuliebe in Goldgelb und Feuerrot, umdann Stück für Stück der bunten Tracht wiederabzulegen und schließlich arm und leer dazustehen.Den Eichen wird es nicht besser gehen, diese und

Den Eichen wird es nicht besser gehen, diese undjene Krone bräunt sich schon, dichter wird derbraune Teppich zu ihre Füßen, und eines Tageshaben sie nichts mehr vor den Buchen voraus alsdem Ruhm, länger ausgehalten zu haben.Es lohnt sich schon, diesem Kampf zwischen dem

Walde und dem Wetter zuzusehen, wo der Boden rotist von den Wunden, die der Herbst dem Waldschlug. Niemals in Jahre, selbst im leichtsinnigenlustigen Brachmonde nicht, ist der Berg so bunt wiezur jetzigen Zeit, und so kahl sind die Wege undRaine noch nicht, als daß sich nicht noch einbescheidener Strauß letzter Blumen finden undbinden ließe mit einem prangenden Hintergrundevon goldenem Blattwerk und silbernen Grasrispen,ein wirklicher, handgreiflicher Strauß oder einer, dernur in der Erinnerung blüht. Und es ist auch nochnicht so rot und still im Walde, daß nicht ein lustigerLaut, ein froher Ruf die Stille unterbräche oder dieschwermütigen Herbstlieder der Kronen auf einenfröhlicheren Ton stimmte.Die alten Eichen am Eingange des Fahrweges

brummen ärgerlich, und die hohen Buchen murmelnzornig; der Grünspecht aber lacht den Wind aus;wenn er von Stamm zu Stamm fliegt, funkelt sein

wenn er von Stamm zu Stamm fliegt, funkelt seinroter Scheitel, leuchtet sein maigrüner Rücken in derSonne so unvorschriftsmäßig sommerfarbig, daß diewinzigen Goldhähnchen, die in dem winterdunklenNadelwerk der Kiefern schüchtern piepend umherhuschen, ein keckes Gezwitscher erheben, daß derFink noch einmal so laut seinen Lockton hören läßtund der Zaunkönig im Rosenbusche zu singenanhebt, als wäre der Frühling eben in den Waldgezogen.Mag auch immer wieder brummiges Südwestgewölk

über die Berge kriechen, die Sonne läßt sich nichtunterdrücken. Sie erobert sich die bunten Abhänge,nimmt das lachenden Tale hin, gibt der junge SaatMaigrün und kleidet den Wald in Zauberfarben. Mitklirrendem Lustschrei jagen sich die blitzendenKrähen in der Luft, der Bussard schickt aus derHöhe seinen klingenden Ruf hinab, und derGoldammerhahn auf dem Schlehenbusch findet daskleine Lied wieder, das er im jungen Sommer sang,als der Rain zwischen Wald und Feld bunt vonBlumen war und voll von fröhlichem Volk.So ganz kahl ist er heute noch nicht. Wer sich oft

genug bücken mag, findet bunten Lohn. Hier und dalebt noch eine rote Flockblume oder ein weißer

lebt noch eine rote Flockblume oder ein weißerStern, die sich vor der Sichel retteten, überallschimmern die kecken Maßliebchen, weiße Doldenstehen bei rosigem Tausendgüldenkraut, Hahnenfußund Habichtskraut reckten ihre gelben Blüten überdas Gras, mit blauer Farbe können Braunwurz undFlockenblume dienen, und damit auch das grelle Rotnicht fehle, sprengt am Grenzsteine der wilde Mohnseine allerletzte Knospe, während den Grabenentlang das Landrohr seine Silberrispen im Windeschwenkt und im Weißdornhagen die blankenBeeren wie Korallenketten leuchten. Über denletzten Blumen aber schwebt und summt es vonblitzenden Fliegen und schimmernden Wespen.Nicht viele sind es mehr, aber doch immer genug,und Leben an den Rain zu bringen, und wie dieSonne voll auf den Waldrand fällt, wirbeln Wolkensilberner Wintermücken dahin.Im Walde selbst ist es auch farbig genug, soweit die

Sonne reicht. Da funkelt das bunte Laub, da wehendie Zweige und winken die Äste lustig und munter, inmailichem Grün prangt der grasige Weg, und dasReh, das mitten im Wege steht, bekommt einewarme Farbe, als trüge es noch sein rotesSommerhaar. Eine Buche, die voll im Lichte steht,

Sommerhaar. Eine Buche, die voll im Lichte steht,sieht aus, als hätte sie eben erst ihr Laub entfaltet,die krausen Stechpalmenhorste unter ihr sprühensilberne Funken umher, die Wedel der Farneverjüngen sich in der Sonne, die grauen Stämmenehmen den Ton alten Silbers an, und das Fallaubzwischen ihnen bekleidet den Abhang mit einemprunkvollen Teppich.Finkenschlag und Drossellied hat der Wald nicht

mehr, und Mönch und Laubvogel sind lange fort;steht die Sonne aber vor den Wolken, dann flötet dieSprechmeise, lockt der Baumläufer, Meisentruppserfüllen die Kronen mit lustigen Lauten,Krammetsvögel lärmen dahin, der Dompfaff flötetdurch das Unterholz, die Eichelhäher schimpfen vonBaum zu Baum, und ihre nordischen Vettern, dieseltsamen, langschnäbligen Nußhäher, seit langenJahren einmal wieder hier zugereist, mischen fremdeLaute in die bekannten Töne.Im hohen Ort, wo die Sonne nicht hinkam, ist es still

und stumm, und nur das Geraschel des Laube gehtum. Im Lichtschlage nebenan lodern alle Farben derWellen durcheinander und finden sich wieder in demfunkelnden Gefieder des Fasanenhahnes, der sostolz auf dem moosigen Buchenstumpfe hockt, als

stolz auf dem moosigen Buchenstumpfe hockt, alsmeine er, der Wald bemühe sich, ihmgleichzukommen an Glanz und Pracht, bis der Windauffrischt und dem bunte Narren in die Dickungscheucht.Nun aber wird es erst recht lustig auf der Rodung.

Das ist ein Gezucke und Gezappel und Gerucke undGerappel, ein Funkeln und Flammen, ein Lodern undLeuchten, wild und toll; aus allen Kronen rieselt esherab, es wirbelt über die Blöße, als schwebtentausend goldene Schmetterlinge dahin, es schwebtu n d gleitet, tanzt und springt, fliegt und flattert,wirbelt und wimmelt, daß es dem Hasen, derstillzufrieden im Lager sitzt, nicht mehr hier gefälltund er zu Felde rückt, wo er vor dem Laubfalle Ruhehat. Und so wie er fort ist, verschnauft derschabernacksche Wind, und still ist es wieder imWalde.Der Wind nahm die Sonne mit. Fahl sind die Höhen,

trübe die Gründe, fort ist das rote Gold,verschwunden das schimmernde Silber, grau sinddie Stämme und braun ist das Laub. Was eben solustig klang, vom Tale her des Hundes Gebell, desHahnes Ruf, heiser und hart klingt es jetzt, trübseligmutet der Dompfaffen Lockton an, häßlich der Häher

mutet der Dompfaffen Lockton an, häßlich der HäherGekreisch und die letzte Blume am Wegerand wirktwie ein verlegener Witz in einem Sterbehause.Über die Berge kommt die Dämmerung gekrochen,

steigt in das Tal hinab und schiebt sich in den Wald,heuchlerische Tränen vergießend und verlogeneSeufzer ausstoßend. Die Schatten rücken zusammenund drängen die Farben fort, jeder frohe Laut geht imhohlen Blättergeruschel unter, und irgendwo hintenim Walde spukt einer Eule gespenstiger Pfiff umher.Aus ist es für heute mit des Waldes Pracht. Mit derSonne kann sie wiederkommen, ist die Nachtvorüber. Mit jedem Morgen wird sie geringer sein.Schließlich bleibt nichts von ihr übrig als mürrischeStämme und ernste Kronen. Von allen den frohenStimmen behält der Wald nur einen leisen Lockton,einen rauhen Ruf. Die Blumen am Raine fallen um,die blitzenden Fliegen vergehen. Der Herbst kommtzu seinem Rechte. Heute kämpft er noch darum,muß sich noch viel bemühen, ehe er die Farbentötet, bis kein Mensch mehr pflücken kann einenbunten Spätherbststrauß im bunten Wald.

Die Gefolgschaft der Menschen

Es ist ein Heidmoor, eins der vielen

Norddeutschlands, unberührt, urwüchsig, wild undweit. Heidkraut, Torfmoos, Wollblumen und Riedgrasbilden den Untergrund der Pflanzenwelt; einzelneBirken, Kiefern und Wacholder überschneiden diebraune Fläche. Ganz fern bollwerkt ein Wald wie einschwarzer Strich.So sah es vor hundert Jahren hier aus, und vor

tausend und vor zehntausend. Alle dreißig Jahreändert hier und da der Torfstich ein wenig das Bild,bis das alles gleichmachende Torfmoos und nachihm Ried, Wollblume und Heide die Spurenmenschlicher Arbeit hier verwischten. Selbst großeMoorbrände änderten wenig an dem alten Bilde.Auch die Tierwelt blieb wie sie war, nach demMammut und Riesenhirsch, Moschusochs undRenntier und noch viel später Wiesel und Elch undwieder einige Zeit nachher Bär und Luchs und nochspäter Biber und Wolf verschwunden waren. DasRotwild und die Sauen wechseln nach wie vor überdas Moor, wenig Rehe, noch weniger Hasen leben in

das Moor, wenig Rehe, noch weniger Hasen leben inihm und Fuchs und Otter, Dachs und Iltis. Heutenoch, wie zu Urzeiten, jagen dort Schwarzstorch undSchreiadler die Kreuzotter, trompetet der Kranich beiSonnenaufgang, klagt die Mooreule in derDämmerung, ruft der Regenpfeifer, spinnt dieNachtschwalbe, meckert die Heerschnepfe.Sausendes Fluges streicht der Birkhahn dahin, überdie Sinke schwebt die Wiesenweihe, aus denWolken dudelt die Heidlerche, Pieper undRohrammer trillern und zwitschern.Ein Menschenpaar zieht in das Moor, ein Knecht

und eine Magd, sie haben lange genug gedient; nunwollen sie frei sein auf eigener Scholle im weitenMoore. Ein Haus entsteht, ein Gärtchen wächst, einWiese grünt auf, Ackerland drängt die Heide fort.Zaunwerk ragt auf, Obstbäume kämpfen sich hoch,Stauwerke und Stege bringen neue Farben in dieWildnis. Ein Jahr geht hin. Es ist ein Sommertagwarm und still, Mann und Frau sitzen auf derKnüppelbank vor der Türe und sehen in dasAbendrot. Aus dem Hause schallt das frohe Gekrähedes Erben, den die Großmutter hütet. Da zickzacktein schwarzes Ding um den halbkrankenPflaumbaum. Der Mann zeigt mit der Pfeifenspitze

Pflaumbaum. Der Mann zeigt mit der Pfeifenspitzedanach: "Eine Fledermaus!" sagt er und lächelt.Herbst wird es. Die Ernte ist geborgen. Sie fiel

mager aus, aber es langt für drei Menschen. DerBauer pflügt die Stoppel um. Da kommenzwitschernd ein Flug kleiner Vögel heran und fällt aufder Stoppel ein. Der Mann lächelt wieder. Die erstenSpatzen sind es, die sich hier sehen lassen.Vorläufig sind es erst Feldspatzen.Der Wind stößt den Schnee gegen die Scheiben.

Bei der Tranlampe flickt die Frau des Mannes Zeug,er flickt Bienenkörbe. Im Ofen glühen Heidschollenund verbreiten einen strengen Geruch. Hinter derSchranke raschelt es. Mann und Frau sehen sich an.Es piept, ein schwarzes Ding huscht scheu durch dieStube. »Wahrhaftig eine Maus! Wo kommt die wohlher?«Die Jahre vergehen. Die Bäume halten schon ihre

Zweige über das Haus, die Stachelbeerbüschehängen über den Gartenzaun. Im Garten blühenbunte Blumen. Rund um die Anbauernstube mußtejedes Jahr ein Stück Heide vor Wiese und Ackerzurückgehen. Und jedes Jahr brachte neue Gäste.Zuerst brütete ein Paar Feldspatzen unter demDache. Dann siedelte sich die weiße Bachstelze an.

Dache. Dann siedelte sich die weiße Bachstelze an.Als sechs Kühe auf der Weide waren, kam die gelbeBachstelze hinzu, und nach ihm ein Paar Elstern.Auch die Wanderratte stellte sich ein, wurde abervertilgt. Den Hausmäusen folgte das kleine Wiesel.Zwischen den Heidlerchen singen Feldlerchen.Hausspatzen kamen vom fernen Dorf zu Besuch;schließlich baute ein Paar. In einem alten Kasten,den der Bauer an den Stall hing, brütet der Star. DieHasen werden häufiger; um die jungen Kohlpflanzenmüssen schon Scheuchen gestellt werden. Aufeinmal war auch ein Rebhuhnpaar da und brachtedie Brut hoch; der Hahn lockt jeden Abend und alleMorgen in den Kartoffeln. Am Backhause hat derFliegenschnäpper sein Nest, im Stall dieRauchschwalbe.Weiter oben im Moore steht noch ein Haus, ein

neues, es trägt ein Ziegeldach. Von dessen Firstsingt der Hausrotschwanz. Im Schafstall brütet dasSteinkäuzchen. Holunder und Flieder blühen dort; inihm klettert singend der Gartenspottvogel umher.Jeder der sechs Starkästen ist besetzt. Das Rad aufdem Dache stand drei Jahre leer; jetzt klappert derStorch darauf. Eine neue, dem Moor fremde Tierweltergriff Besitz von den beiden Flecken Baulandes, zu

ergriff Besitz von den beiden Flecken Baulandes, zudem die Ansiedler das Urland umwandelten. In derFährte des Menschen rückte seine Gefolgschaft an.Dieser Vorgang, der sich heute überall wiederholt,

wo der Mensch das Urland zur Kulturschicht macht,ist so alt wie alle menschliche Kultur. Schon derWanderhirt griff in die Zusammensetzung derTierwelt ein. Der Jäger und Fischer der Urzeit tat dasnoch nicht. Er stand nicht über der Tierwelt, er lebtei n ihr; er war nicht ihr Herr, er war nur derverschlagenste, gefährlichste Räuber. Mit seinergeringen, durch ewige Stammeskriege, Hunger undSeuchen zurückgehaltenen Vermehrung brachte eres zu keinem festen Gesellschaftsgefüge, so daßsein Einfluß auf die Tierwelt gering war. Er hattekeinen festen Wohnsitz; seine Horden zogen denBeutetieren nach, wanderten ihnen entgegen. Erwehrte die Raubtiere ab, so gut er es konnte, undtötete von den Nutztieren so viele, als er frischaufbrauchen oder durch Eis, Rauch und Sonneaufbewahren konnte. Er jagte nie zum Vergnügen,immer nur zum Bedarf, und so vertrieb er kein Tier,rottete er keine Art aus und lockte auch keinefremden Arten an.

Das wurde anders, als der Wanderhirte auftrat. Dermußte sein Vieh gegen die Raubtiere schützen; erwar auch gezwungen, die Wildpferde und Wildrinderzu vertreiben oder auszurotten. Er befehdete sie, sogut wie er konnte, schreckte sie mit Klappern undFeuer fort, holzte ihre Verstecke ab, brannte ihreSchlupfwinke aus, rottete manche Art ganz aus, riebandere bis auf kleine Bestände, die in unwirtlichenGegenden übrig blieben, auf. Aber so wie er mit Axtund Feuerbrand das Land kahl machte, schuf ersolchen Tieren, die die Steppe lieben,Daseinsbedingungen, und manche Art, die vor jenerZeit selten gewesen sein mag, wie Reh, Hase,Feldhuhn und Wachtel, wird seitdem zugenommenhaben. Andere Tiere dagegen, die in dem Landebisher wenig Nahrung und Brutgelegenheit fanden,wie die Schwalben, merkten, daß sich ihre Nester anseiner Rindenhütte, an seiner Fellkibitke ebenso gutbauen ließen wie an den Klippen des Mittelmeeres,und die Fliegenschwärme, die sein Vieh umsummten,ihnen reichliche Nahrung boten, so siedelten sie sichbei ihm an, wie sie heute noch bei den WanderhirtenNordasiens leben.Als der Mensch aus dem Wanderhirten Weidebauer

wurde, sich ein festes Haus baute, sich umzäunte

wurde, sich ein festes Haus baute, sich umzäunteViehweiden schuf, auch ein wenig Acker- undWildwiesenbau trieb, da bot er wieder einer ganzenAnzahl von Tieren südlicher und östlicher Herkunftbequeme Daseinsbedingungen. SüdlicheFledermäuse, die im Norden bisher keine warmenSchlafräume fanden, stellten sich in seinenGebäuden ein; die Hausmaus folgte demGetreidebau, das kleine Wiesel und der Steinmarderder Hausmaus, und eine Vogelart nach der anderenrückte von Süden und Osten vor und nahm von demLande Besitz. Damals werden sich der Storch undder Kiebitz, die weiße und die gelbe Bachstelze, dieElster und die Dohle, die vier Würgerarten, derWiedehopf, die Blauracke und das Steinkäuzchenbei uns niedergelassen haben, alles Vögel, diefreies, steppenähnliches Gelände, Wiesen oder dieNähe von Weidevieh brauchen, um bei uns bequemleben zu können.Je mehr der Mensch zum Ackerbau überging, je

mehr fremde Getreidearten er anbaute, je enger sichdie Weiler zu dörflichen Verbänden aneinanderdrängten, sich mit Straßen verbanden, je mehrUrland zu Weide Acker und Wiese umgewandeltwurde, um so mehr nahm dort die ursprüngliche

wurde, um so mehr nahm dort die ursprünglicheTierwelt ab, und so stärker war die Einwanderungund Vermehrung fremder Arten.Immer mehr breitet sich die Kultur aus, immer mehr

schrumpfte das Urland zusammen. Aus Dörfernwurden Flecken, aus Flecken Städte. Um jedeNiederlassung bildete sich ein neues Stück derKulturschicht, das durch Wege und Straßen mit denälteren Kulturflächen verbunden war; immer mehrwurde die alte Tierwelt zurückgedrängt, immer mehrbreiteten sich die neuen Tierarten aus und erhieltenneuen Zuzug.Die großen Umwälzungen, die die

Völkerwanderungen und die Feldzüge der Römer inpolitischer Beziehung brachten, hatten auch innaturgeschichtlicher Hinsicht bedeutenden Einfluß.Die wandernden Volksmassen schleppten neueFruchtarten mit, mit denen neue Schädlinge folgten,wie die alte Hausratte, die dann am Ausgange desMittelalters wieder von der Wanderratte verdrängtwurde. Auch die Eroberung Nordwestdeutschlandsdurch die Franken wird neben vielen Nutz- undZierpflanzen manche wilde Tierart des Südens zuuns gebracht haben, und da die Kreuzfahrer eineganze Anzahl südlicher Nutz- und Ziergewächse, so

ganze Anzahl südlicher Nutz- und Ziergewächse, soauch den spanischen Flieder einführten, istanzunehmen, daß um diese Zeit die spanischeFliege, die an Syringen frißt, und einer unsererbesten Singvögel, der Gartenlaubvogel, bei unseingewandert sind, den er findet sich fast nur insolchen Gärten und Anlagen, in denen vieleSyringen stehen.Diese Zuwanderung südlicher und östlicher Formen

findet fortwährend statt. In mehr Deutschland durchdie Zunahme der Bebauung zu einer Kultursteppewird, je mehr seine Straßen und Schienennetz es mitdem Süden und Osten verbindet, um so mehr drängdie Tierwelt des Südens und Ostens nach uns hin.Vögel, nach ihrer ganzen Lebensweise, nach

Färbung und Stimme ausgesprochene Steppentiere,mit Haubenlerche und Grauammer, sind erst seitverhältnismäßig kurzer Zeit bei uns heimisch. DerHausrotschwanz, ursprünglich ein Klippenvogelderen Mittelmeerländer, findet, daß es sich aufunseren künstliche Klippen, den Dächern, ebensogutleben läßt wie im Süden, und so bürgerte er sich vorhundert Jahren bei uns ein, der Girlitz, ein hübscherkleiner Fink Südeuropas, Vorderasiens undNordafrikas, ist seit ungefähr fünfzig Jahren bei uns

Nordafrikas, ist seit ungefähr fünfzig Jahren bei unsheimisch geworden und nimmt mit der Zunahme desObstbaues ständig zu und es ist nichtunwahrscheinlich, daß sich auch die Zwergtrappe, javielleicht sogar das Steppenhuhn auf die Dauer beiuns seßhaft machen.Bei vielen Tieren, von denen man annehmen kann,

daß sie zu der eingewanderten TierweltDeutschlands gehören, läßt sich der Nachweis nichtführen, daß sie einst zugereist sind. Wenn aber einVogel, wie unsere Turmschwalbe, jetzt einer unserergemeinste Stadtvögel, seine ganze nächsteVerwandtschaft im Süden hat, außerdem nachFärbung und Stimme und sehr fremd anmutet, sokann man ruhig annehmen daß er aus dem Südenstammt und erst bei uns einwanderte, als höhereSteinbauten, zuerst wahrscheinlich die Kirchen undBurgen, ihm das boten, was es bei uns früher nichtüberall fand, die Klippen.Wenn andererseits ein Vogel, wie die Gartenammer,

in Norddeutschland verhältnismäßig selten ist undnur an Landstraßen auf bebautem Sandlande vorkommt, während er im Süden häufiger und nicht sowählerisch in seinem Aufenthalte ist, oder wenn diehübsche Brandmaus auf Sandboden und Urland

hübsche Brandmaus auf Sandboden und Urlandniemals bei uns vorkommt, sondern nur aufschwerem bebautem Boden lebt, so ist auch vondiesen anzunehmen, daß es Einwanderer sind, wennauch ihr Einwanderung schon sehr lange zurückliegt.Die Fledermäuse, die nur in Ortschaften bei uns

leben, wie die kleine Hufeisennase, die langohrige,die Mops-, die rauhhäutige, die Zwerg-, diespätfliegend und die gemeine Fledermaus, und dieSpitzmäuse, die wie die Haus- und dieFeldspitzmaus, nur in und bei Gebäuden, in Gärtenund dicht bei den Ortschaften liegenden Feldern beiuns vorkommen, Mauswiese und Steinmarder, dieimmer in der Nähe der Menschen leben, ein Vogel,dessen Stimme, wie die der Nachtigall, gar nicht indie deutsche Landschaft hineinpaßt oder die, wieHaus- und Feldsperling, Feldlerche, weiß und gelbeBachstelze, Elster, Storch und Kiebitz, ohne dieNähe menschlicher Gebäude oder von Ackerlandund Wiese nicht zu denken sind, können mit gutemGewissen als Einwanderer betrachtet werden, denender Mensch erst Vorarbeiten leisten mußte, ehe siesich hier heimisch machen konnten.So haben wir zwei getrennte Tierwelten bei uns,

eine ursprüngliche, an urwüchsiges Land, und eine

eine ursprüngliche, an urwüchsiges Land, und einehinzugekommene, an die jüngste Erdschicht, nämlichan die Kulturschicht gebundenen. Der ursprünglicheWald, die Heide, das Moor, das unbewohnte Gebirgehaben eine ganz andere Tierwelt als die auf ihnenzerstreuten menschlichen Siedlungen mit ihrenkünstlichen Steppen, den Äckern, Wiesen undWeiden, ihren künstlichen Gebüschen undWäldchen, den Gärten, Friedhöfen und Anlagen, mitihren künstlichen Felsklippen, den Häusern, ihrenkünstlichen Dolomiten, den Dörfern, ihrenkünstlichen Gebirgszügen, den Städten. Jedes StückBauland und Urland ist ein abgesondertes Gebiet,dessen Tierwelt größere Verschiedenheiten aufweistals die von Ebene und Bergland, Wald und Heide.Erdkräfte schufen früher allein an dem Aufbau der

Tierwelt, dann half der Mensch dabei mit. Derjüngsten geologischen Schicht, dem Quartär, zwanger eine noch jüngere auf, das Ouintär; er schuf ihrein eigenes Pflanzenbild, die Kultur- undAdvenaflora, und eine eigene Tierwelt, dieQuintärfauna, zu der sowohl die weite Ferne wie dieNähe beisteuern mußte; er drückt der Natur seinenStempel auf, schuf sie um.

Der echten Quintärfauna, seiner alten Gefolgschaft,schuf der Mensch von Tag zu Tag bessereLebensbedingungen; je mehr Häuser, je mehrGärten, Felder und Wiesen es gibt, um so bessergeht es Maus und Ratte, Spatz und Lerche. Dieübrige Tierwelt stellt er aber fortwährend vor eineneue Form des Kampfes um das Dasein.Jahrhundertelang behielt die KulturschichtDeutschlands im großen und ganzen die alte Form;da änderte der Mensch sie völlig durch dieVerkoppelung, die die Einzelbäume und Wäldchen,Hecken und Feldbüsche beseitigte. Nun hieß es fürviele Tierarten : "Biegen oder brechen; paß dich anoder stirb'!Und so wie bei uns, ist es auch in anderen Ländern,

anderen Erdteilen; hinter dem Kulturmenschen herzog von alters her eine Gefolgschaft vonSäugetieren, Vögeln, Kerbtieren und Schnecken, garnicht zu gedenken der Schmarotzer an Mensch undVieh, und wo heute die neue, europäische Kultur diealte Kulturformel umformt oder ausbaut, da bringt sie,soweit es das Klima zuläßt, der alten Gefolgschaftder Menschen eine neue, führt den Spatz in Amerikaein, schleppt die Wanderratte über alle Erdteile, dieKellerschnecke durch alle Breiten, und international

Kellerschnecke durch alle Breiten, und internationalwie er selber, wird auch die Gefolgschaft desMenschen.

Fahrende S#nger

Lange war es still in den Gärten und Wäldern;

schon im Juli stellte die Nachtigall ihren Gesang ein,der Buchfink ließ sein Geschmetter nicht mehrerschallen. Mönch und Rotkehlchen verstummten,Spötter und Amsel schwiegen; Brutgeschäft undKinderpflege ließen ihnen keine Zeit zum Singen. Alsder August in das Land kam, wurde es noch stiller;der lästigste Schreier der Großstadt, derMauersegler, der im Mai erst bei uns eingetroffenwar, verschwand mit seiner flüggen Brut, derKuckuck strich stumm von Wald zu Wald, der Pirolerfüllte die Buchenkronen nicht mehr mit seinemGeflöte, selbst die immer lauteren Meisen und derstets lärmende Häher ließen sich nicht vernehmen.Ihnen allen war nicht wohl zumute. Die einen, die

wie Nachtschwalbe, Kuckuck, Wiedehopf, Spötterund Pirol, uns schon früh verlassen, plagte dasReisefieber, die andern litten unter der Mauser;mißmutig, unansehnlich und struppig schlüpften sievon Ast zu Ast und scheuten es in ihrerUnbeholfenheit, durch lautes Wesen ihre Feinde auf

Unbeholfenheit, durch lautes Wesen ihre Feinde aufsich aufmerksam zu machen. Als aber die Mauserbeendet, als das neue Herbstgefieder bis auf dasletzte Federchen fertig war, da kam ihnen derLebensmut zurück. Sobald der Nordwestwind an denSüdwind auf einen Tag die Herrschaft abtrat, kehrteihnen die verloren gegangen Lebensfreude wieder,und aus allen Hecken, allen Büschen pfiff undzwitscherte, sang und klang es: der Buchfink übteden alten Schlag, die Amsel suchte ihre verloreneWeise zusammen, die Amsel besann sich auf ihrenvergessenen Sang und das Rotkehlchen sangwieder sein silbernes Liedchen.Die Stare, die lange verschwunden waren, kehrte

aus den Marschen zurück, pfiffen in der Frühe vonihren Häusern und schlugen sich abends wieder zuMassenflügen zusammen, die brausend in diePappel einfielen, um nach lärmender Unterhaltungwie ein Wolke in den Rohrdickichten der Flüsse undTeiche ihre Schlafstätten aufzusuchen; auf demDachfirst krächzte der Hausrotschwanz wieder, imWalde lärmte der Häher, lockte die Meise, undüberall in Dorn und Dickicht zwitscherten die jungenHähne der Braunelle und Grasmücken. Aber von Tagzu Tag wird es jetzt stiller in Wald und Feld, Garten

zu Tag wird es jetzt stiller in Wald und Feld, Gartenund Busch; einer nach dem anderen aus derSängerschar verläßt uns, tritt entweder die Reisenach dem Süden an oder zieht weiter, um seinenArtgenossen aus dem Norden und Osten Platz zumachen; anscheinend ziellos wandert alles von Feldzu Feld, von Busch zu Busch, von Wald zu Wald, undunter alle dem bunten, lustigen Volk, das heute beiuns sich noch herumtreibt, ist kaum ein Stück, dashier gebrütet hat, oder das hier erbrütet wurde.Die Wissenschaft von früher teilte die Vögel in

Stand-, Strich- und Zugvögel ein. Die heutigeVogelkunde hat diese Begrenzungen fallen lassen;sie weiß längst, daß, die Spatzen ausgenommen,alle Standvögel streichen, daß alle Strichvögelziehen; sie teilt heute die Vögel in Sommervögel ein,die, wie Pirol, Kuckuck und Segler, nur im Sommerbei uns leben, in Wintervögel, die, wie dieNebelkrone und Wacholderdrossel und der großeDompfaff, die nur den Winter bei uns verbringen.Dann unterscheidet sie noch Jahresvögel, vondenen man das ganze Jahr über Stücke bei uns trifft,wie vom Grünfink und der Rabenkrähe, ohne daß sieaber sagen kann, ob im Winter oder Sommerdieselben Stücke bei uns bleiben, und in behegte

dieselben Stücke bei uns bleiben, und in behegteJahresvögel, von denen, wie von Schwarzdrosselund Buchfink, ein Teil hier bleibt, ein Teil fortzieht;doch auch bei diesen ist es fraglich, ob nicht die beiuns lebenden Stücke fortziehen und nordischen undöstlichen Individuen derselben Art Platz machen.Als unbedingter Jahresvogel galt früher der

Eichelhäher, denn diesen Vogel trifft man Sommerund Winter bei uns; aber die meist in großen Flügenim Herbst bei uns auftretenden Häher sind vielvertrauter als die im Sommer bei uns lebenden, undso kann man getrost annehmen, daß es Stücke sind,die aus Gegenden kommen, wo noch keine sointensive Kultur herrscht, wo ihnen also wenig odergar nicht nachgestellt wird.Auch die Rabenkrähen, Raubwürger, Bussarde,

Ringeltauben, Spechte, Kernbeißer, die sich imHerbst und Winter bei uns zeigen, sind lange nichts o scheu wie ihre hier brütenden Artgenossen,wogegen die Winteramseln unserer Wälderbedeutend scheuer sind als unsere einheimischen,an die Nähe des Menschen gewöhntenSchwarzdrosseln, so daß hier wieder eine Art desBeweises für ihre Herkunft aus der Ferne vorliegt.Und wenn, was oft genug vorkommt, im Herbst und

Und wenn, was oft genug vorkommt, im Herbst undWinter der den Menschen so ängstlich meidendenWanderfalke auf dem Kirchturme einer Großstadtseinen Stand nimmt, um der Taubenjagd obzuliegen,so geht daraus bestimmt hervor, daß er aus einereinsamen skandinavischen Klippenecke, aus einemfernen Wald im menschenarmen Rußland herstammt.Aber viel von dem bunten Volk, das Herbst und

Winter uns bringen, verrät schon durch seineArtzugehörigkeit seine fremde Herkunft. Auf unserenNord und Ostsee-Inseln erscheinen zu Tausendenund aber Tausenden nordische Strandläufer,Regenpfeifer, Möwen, Enten, Gänse und Taucher;der isländische Zwergfalke sucht von unserenkahlen Feldern Beute, der Seeadler des Nordostensbesuchte die Seen Deutschlands, und an allengrößeren Flüssen entlang wandern kleine und großeTrupps von Möwen.Auch in den Wäldern wird es wieder lauter. Wo

eben noch lautlose Leblosigkeit war, da piept undzwitschert, lockt und klingt es in allen Ästen;Hunderte von Goldhähnchen beleben plötzlich dieKronen mit Flug und Gewisper, ein lärmenderMeisentrupp nach dem anderen zieht durch dasUnterholz, Scharen von Kernbeißern, Bergfinken und

Unterholz, Scharen von Kernbeißern, Bergfinken undDompfaffen erfüllen den Wald mit Klängen undFarben, und auf Schritt und Tritt erschallt der scharfeRuf der Buntspechte.Ist im Norden die Zirbenernte geraten, haben die

Beerensträucher, die Erlen und Birken mangelhaftangesetzt, dann drängt der Hunger allerlei Vögelnach dem Süden, die sich seit Jahren bei uns nichtzeigten. Dann wimmeln unsere Flußwälder vonBerghänflingen und Erlenzeisigen, in denBuchenwaldungen erscheinen Hakengimpel undNußhäher, und die prachtvollen Seidenschwänzemästen sich an den roten Früchten der Eberesche.Und gibt es im Norden wenig Mäuse und Lemminge,dann müssen auch deren Feinde südwärts, die feingezeichnete Sperbereule, und der große weißeSchneekauz.Auch die nordischen Drosselarten zeigen sich um

dies Zeit bei uns: mit den auch bei uns lebendenSchwarz-, Sing- und Misteldrosseln erscheinen inkleineren und größeren Trupps Ring-, Wein- undWacholderdrosseln, und nicht mehr fallen sie, wieeinst, mit unseren Singdrosseln einem der letztenReste barbarischer Vogelmassenmörderei inDeutschland, dem Dohnenstiege zum Opfer, sondern

Deutschland, dem Dohnenstiege zum Opfer, sonderndürfen frei bei uns schweifen, bis im Süden, in deritalienischen Schweiz, in Welschtirol und in Italien,der Mensch ihnen wieder mit Drosselherd undSchießgewehr nachstellt.Wir aber wollen uns freuen, daß dieser Unfug bei

uns aufgehört hat, daß nicht mehr mit Sprenkel undDohne vermindert werden im deutschen Vaterlandedie fahrenden Sänger.

Die letzten Blumen

Viel ist es ja nicht, was jetzt noch blüht hier draußen

vor dem Tore, aber doch immer etwas. Im Frühlingdie erste Blume am Grabenrand, der goldenHuflattich, er ist uns so viel wert, und die letztenBlumen bei Wintersanfang, des Spätsommersnachgelassenes Werk, es ist uns auch so lieb. Alsalles noch bunt war da draußen und voll von Farben,da hätten wir es übersehen. Heute aber, auf dembraunen Acker, am fahlen Grabenbord, im dürrenFallaub, sehen unsere Augen dankbar danach hin.Wenn es auch Unkraut ist, wenn es auch

Schuttpflanzen sind, die da noch blühen, oderkümmerliche Spätlinge, mager und dürftig, oder einerNutzpflanze Blüte, es lacht uns doch an, alles, wasjetzt noch blüht und wir lächeln ihr freundlich zu indieser Welt voll Tod und Schlaf. Wir gehen mit derHungerhark über das Land, wir Armen, und sind frohüber die Reste, die uns der Sommer ließ, der reicheMann.Wer fleißig ist, wer sich bücken kann und Augen

hat, der kann heute noch einen bunten Strauß

hat, der kann heute noch einen bunten Straußmitbringen. Nicht ein so helles, frisches, leuchtendesBündel wie im Frühling, kein so stolzes, vielfarbiges,prangendes Gebinde wie im Sommer, aber docheinen Blumenstrauß, wie er für des JahresGreisentum paßt. Auch von unserem eigenen Lebenverlangen wir ja nicht mehr so viel Freuden, wennwir in den Winter hinein gewachsen sind.Eins ist so sonderbar bei den Gewächsen, die unter

der Sense des Frostes noch blühen. Es sind so vieledabei, die im ersten Frühling blühen und jetzt nocheinmal, vor dem Tode, ihre letzte Kraft in buntenBlumen ausströmen.Im Rasen leuchtet eine goldene Kettenblume. Und

da noch eine und drüben die dritte und dort nochmehr, zwanzig, dreißig kleine goldene Sonnenzwischen den braunen Lindenblättern, die der Winddahin warf. Wenn die Maisonne lacht, dann ist ihreBlütezeit. Wenn Apfelblütenblätterschneegestöber indas junge Gras fällt und die Finken schlagen, dannsitzen die kleinen Mädchen im Grase mit ernstenGesichtern, den Schoß gehäuft voll der goldenenBlumen mit den langen Röhrenstielen, aus denenweißer, bitterer Saft tropft. Mit spitzen Fingern köpfensie die Blumen, schieben die Stielenden ineinander

sie die Blumen, schieben die Stielenden ineinanderund machen sich wunderschöne Ketten undOhrgehänge davon.Aber alles hat seine Zeit. Das kleine Mädel da, das

an der Hand seiner Mutter dahinmarschiert, sieht dieBlumen nicht und denkt nicht daran, davon Ketten zumachen. Das paßt nicht für diese Jahreszeit. Kinderhaben ein feines Gefühl für so etwas. Mag dieSonne auch noch so warm scheinen, sie würdenniemals im Winter Kreisel spielen. Erst, wenn derMensch erwachsen ist, trägt er Märzveilchen imJanuar und läßt sich Kirschen von der Rivierakommen.Andere Blumen gibt es, die blühen immer, vom

ersten Frühling bis zum Schneefall. Aber das istmeist gewöhnliches Volk, das nicht weiß, was sichschickt. Da sind rote und weiße Taubnesseln,Stinkstorchschnabel und Reiherschnabel,Vogelmiere und Kreuzkraut, Hirtentäschel undAckerdistel und irgend solch gemeines Habichtskrautoder ein gewöhnlicher Milchlattich.Mit dem Gänseblümchen hat es aber eine andere

Bewandtnis. Im Frühling findet man es blühend, esblüht den ganzen Sommer und den Herbst über, undeben, daß im Winter die Sonne den Schnee fort taut,

eben, daß im Winter die Sonne den Schnee fort taut,dann ist es wieder da. Es hat so viel Freude an derSonne und so viel Dankbarkeit für sie, das kleinebescheidene Ding, und darum blüht es. Die anderenaber blühen, weil es ihnen so gut geht auf ihremSchutt und Dünger.Andere aber wieder blühen, weil sie den Sommer

nicht dazu kamen. Da stand das Grünfutter zu dichtund die Kartoffeln bollwerkten zu sehr. Jetzt, da sief o r t sind, holen sie nach, was sie versäumenmußten. Und darum ist die Brache so voll von blauenKornblumen und der verfahrene Acker so bunt vonrotem Mohn.Wieder andere hätten blühen können, wenn nicht

die Sense sie geduckt hätte. Die schlug ihnen dieKnospen ab, der weißen Schafgarbe, dem goldenenHahnenfuß und der saftigen Dotterblume. Langesiechten sie und kränkelten, aber sie hielten esdurch und brachten es doch zu einer Blüte in letzterStunde.So aber, wie der böse Hederich, so blühen sie

nicht. Wie ist man dem zu Leibe gegangen!Bündelweise wurde er ausgerauft, zertreten undzertrampelt. Aber immer kam er wieder, und wo imSommer nichts mehr von ihm übrig, zu sehen war, da

Sommer nichts mehr von ihm übrig, zu sehen war, dafärbt er jetzt wieder alles goldgelb. Der vergeht nicht,er gehört ja auch zum Unkraut.Böse kann man ihm aber nicht sein. Er bringt doch

Leben in die toten Farben des Feldes und Sonne indie frostigen Töne, und ohne ihn wäre es zu traurigjetzt auf den Äckern.Unkraut ist fast alles, was man jetzt pflückt, oder

dürftiges, ärmliches Zeug. Je später es wird in derZeit, um so bescheidener wird der Mensch. Und sofreut er sich der blühenden Unkräuter, sind es dochdie letzten Blumen.

Er der herrlichste von allen

Was war das eben da über dem Bache, das bunte

Ding, das mit schrillem Pfiff dahinstob. War es einVogel oder ein Falter, und wenn es ein Vogel war,aus welchem Lande kam er, der mit Himmelblau undMaibaumgrün und Silberweiß und Rot hier mitten indie Schneelandschaft Farben aus eine Welthineintrug, die Hunderttausenden von Jahren hinteruns liegt, Farben, wie sie die Vögel Indiens undSüdamerikas vorweisen, Farben, die nur in Palmenzu denken sind. Es war kein Kolibri, es war ein guteralter Deutscher, unser schönster Vogel, der Eisvogel,der nur deswegen wenig bekannt ist, weil diesesPrachtkerlchen in der warmen Jahreszeit ein rechtverborgenes Leben an den stillen Ufernbuschreicher Flüsse und Bäche führt und erst imWinter sich überall herumtreibt, wo es ein winzigesFischchen, einen Wurm, einen Wasserkäfer odereine Larve zu erbeuten gibt. Und so kann man ihn,wenn man die Augen offen hält, besonders anschnellen Gräben öfter antreffen.

schnellen Gräben öfter antreffen.Dort sitzt er stumm, nur ab und zu den Kopf

drehend, auf einer über das Wasser hängendenDornranke, einem Zweig oder einem Pfahl undlauert, bis seine scharfen Augen irgendeine kleineBeute im Wasser erspähen. Mit einem jähen Ruckplumpst er dann in das Wasser, kommt in einemSprühregen wieder zum Vorschein, schüttelt dieWasserperlen von seinem bunten Gefieder, wirft denKopf in den Nacken, schleudert mit kurzem Ruckseine Beute ein Stückchen in die Luft, fängt sie mitdem zollangen, spitzen Schnäbelchen auf, daß derKopf des Fisches oder der Larve nach unten liegt,und würgt sie hinab. Um die jetzige Zeit ist er oft sovertraut, daß man sich ihm bis auf zehn Schrittnähern und sein wundervolles Federkleid bewundernkann, den rostroten Bauch, die silberne Kehle, denlasurblauen Rücken, die grünblauen Flügel, dendunklen Backstreif und die mennigroten Füßchen.Obgleich der kleine Kerl kaum Spatzengröße hat, iste r durch seine leuchtenden Farben, seine ulkigeGestalt, an der der lange Schnabel und das winzigeSchwänzchen besonders auffallen, eine so seltsameErscheinung, daß er von jedem Menschen beachtetwerden muß, der ihn zufällig erblickt.

werden muß, der ihn zufällig erblickt.In unserer einheimischen Vogelwelt ist der Eisvogel

eine eigenartige Erscheinung, der hier keine nahenVerwandten hat. Seine ganze Verwandtschaftbefindet sich in den heißen Ländern und bringt esdort zu recht ansehnlicher Größe. Seine nächstenVerwandten in Europa sind die herrlichen Blaurackeund der prächtige Bienenwolf Südeuropas, der sichab und zu nach Deutschland verfliegt.An fischreichen Flüssen und Bächen mit steilen,

buschigen Ufern spielt sich vom Frühling bis zumHerbst das Familienleben des Eisvogels ab. An einerabschüssigen, unzugänglichen Stelle des lehmigenFlußufers pickt sich das Pärchen, das sich imGefieder kaum voneinander unterscheidet, eine zweiund einen halbe bis drei Fuß lange, zwei Zoll imLichten haltende Höhle mit kesselartig erweitertemEnde in die Erde, wo das Weibchen auf einerUnterlage von Wasserjungferflügeln seine fünf bissieben auffallend großen, kugelrunden,spiegelblanken, weißen Eier legt, deren Schale sodurchsichtig ist, daß man den Dotter erblicken kann.Die jungen Eisvögel sind schnurrige Wesen. Von

ihrer späteren Schönheit ist zuerst wenig zu sehen.Sie sind ganz nackt, haben mächtige Köpfe, und der

Sie sind ganz nackt, haben mächtige Köpfe, und derUnterschnabel ist nur halb so lang wie derOberschnabel. Da es sehr lange dauert, bis dieSpulen platzen, so sehen die halb erwachsenenEisvögel fast wie kleine Zaunigel aus mit den langen,weißen spitzen Posen. Dazu riechen sie noch starknach Bisam. Auch halten die kleinen Kerle wenig aufReinlichkeit; sie beschmeißen die Wände derNesthöhle derartig, daß derjenige, der einmalversucht hat, junge Eisvögel auszunehmen, esniemals wiederholt. Wenn die Jungen flügge sind,dann prangen sie in einem so herrlichen Federkleidewie die Alten.Um diese Zeit gelingt es auch wohl einmal, an einer

stillen Bachbucht eine Eisvogelfamilie zubeobachten. Wer es einmal erlebt hat, der vergißtd a s niemals, denn wenn sechs oder acht dieserfarbenprächtige Kerlchen durcheinander flirren, soist das ein Leuchten, Funkeln, Blitzen, Schimmernund Glänzen, ein kunterbuntes Gewirr von Rot,Weiß, Blau und Grün zwischen den Büschen undüber dem Wasser, eine jähe Folge scharfer undschriller Töne, ein fortwährendes Plumpsen undSpritzen des Wassers, daß man unwillkürlich dieeinheimische Pflanzenwelt vergißt und erstaunt ist,

einheimische Pflanzenwelt vergißt und erstaunt ist,keine Palmen und Lianen um sich zu sehen. Nochreizender ist es, zuzusehen, wenn der männlicheEisvogel seiner kleinen Frau den Hof macht, wasman im Vorfrühling manchmal beobachten kann. DasWeibchen sitzt dann im vollen Sonnenschein aufeinem hervorragenden Ast, Pfahl oder Stein undwippt geschmeichelt mit dem Stummelschwänzchen,und das Männchen umflattert es mit gellendemGeschrei, scharfen Zickzackschwenkungen, seinesHochzeitsröckchens Wunderpracht zur schönstenGeltung bringend.So reizend unser Eisvogel und gering der Schaden

ist, den er bei seiner Winzigkeit und seiner Seltenheitanrichten kann, so gibt es doch Menschen, die ihnauszurotten bestrebt sind, denn sie sagen, er schadeder Fischerei. Wohl fängt der Eisvogel gelegentlichFischbrut, und darunter ist auch manchmal einejunge Äsche oder Forelle. Sein Schaden kommt aberbei seiner Kleinheit kaum in Betracht; zumal jedesEisvogelpärchen ein sehr großes Jagdgebiet hat,das es gegen die Übergriffe anderer ihrer Arteifersüchtig verteidigt. Darum ist es eine Roheit undeine Ruchlosigkeit, diesen allerliebsten kleinenFischer zu fangen und zu erlegen.

Fischer zu fangen und zu erlegen.Der Eisvogel siedelt sich, wie die lustige und

harmlose Wasseramsel, nur dort an, wo es eineUnmengen von Gewürm und Larven aller Art, zudemnoch so viel wenig wertvolle Fische, wie Schmerlen,Ellritzen und Groppen gibt, daß es ohne jedenBelang ist, wenn er sich auch manchmal einewinzige Äsche oder Forelle zu Gemüte zieht.Jedenfalls schadet eine große Äsche oder Forelleder eigenen Brut mehr, als zwanzig Eisvogelpärchen.Darum, wer ihn hat in seinem Reiche, sei er Jägeroder Fischer, der freue sich an ihm, und schone ihn,stelle ihm nicht nach mit Schrot, Tellereisen undLeimrute, denn er stellt sich damit ein bösesDummheits- und Roheitszeugnis aus. Unsere Kultursorgt sowieso mit ihrer Sucht nachUfergeradelegung und Buschausrodung allzusehrdafür, daß diesem Vögelchen unserer heimischenVogelwelt die Daseinsbedingungen arg beschnittenwerden, ihm, dem herrlichsten von allen.

ebook Erstellung - November 2009 - TUX

* * *

Ende