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1 Sockelvorlesung BA-AIS, LMU München (SoSe 11) Grundzüge der Sprachwissenschaft © Prof. Dr. Wolfgang Schulze 2011 - Materialien [unkorrigierte Version] - Inhalt: Teil I Was ist Sprache? 1 Teil II Geschichte der Sprachwissenschaft und die 'Objekte' sprachwissenschaftlicher Forschung bis zur Renaissance 9 Teil III Geschichte der Sprachwissenschaft 1500-1820 und die Entdeckung der Sprachvielfalt 22 Teil IV Geschichte der Sprachwissenschaft 1800-1900 - Historismus und die 'Wiederentdeckung des Signifiant' 35 Teil V Phonologie und die sprachliche Fixierung der Konzeptualisierung 57 Teil VI Die Erfassung der Signifié-Ebene ('Semantik') - Eine erste Annäherung 64 Teil VII Grammatik, oder: das Netzwerk sprachlicher Zeichen (1) 72 Teil VIII Grammatik, oder: das Netzwerk sprachlicher Zeichen (2) 93 Teil IX Grammatik, oder: das Netzwerk sprachlicher Zeichen (3) 100 Teil X Grammatik, oder: das Netzwerk sprachlicher Zeichen (4) 119 Anhang Sprachfamilien der Welt 152 INDEX 155 Teil I: Was ist Sprache? Einige (nicht notwendigerweise zutreffende!) Zitate "Das Menschlichste, was wir haben, ist doch die Sprache, und wir haben sie, um zu sprechen- Theodor Fontane, Unwiederbringlich (Romane und Erzählungen, hrsgg. von Peter Goldammer, Gotthard Erler, Anita Golz und Jürgen Jahn, 2. Auflage, Berlin und Weimar: Aufbau, 1973. Band 6, Kap. 13 [p.99]) "Schon als Tier hat der Mensch Sprache. Alle heftigen, und die heftigsten unter den heftigen, die schmerzhaften Empfindungen seines Körpers, alle starke Leidenschaften seiner Seele äußern sich unmittelbar in Geschrei, in Töne, in wilde, unartikulierte Laute."- Johann Gottfried von Herder, Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1772, 1. Teil, 1. Abschnitt [p.127]). "In a sense, language is conception, and conception is the frame of perception" ["In gewissem Sinne ist Sprache Vorstellung und die Vorstellung der Rahmen der Wahrnehmung."] - Susanne K. Langer, Philosophy in a New Key - A Study in the Symbolism of Reason, Rite, and Art. 1942 [third ed. 1957],

Grundzüge der Sprachwissenschaftwschulze.userweb.mwn.de/SOSE11/gdspra.pdf(eng. 1996. Routledge Dictionary of Language and Linguistics. London / New York: Routledge) Crystal, D. 1991

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  • 1

    Sockelvorlesung BA-AIS, LMU Mnchen (SoSe 11)

    Grundzge der Sprachwissenschaft

    Prof. Dr. Wolfgang Schulze 2011

    - Materialien [unkorrigierte Version] -

    Inhalt:

    Teil I Was ist Sprache? 1 Teil II Geschichte der Sprachwissenschaft und die 'Objekte' sprachwissenschaftlicher

    Forschung bis zur Renaissance 9

    Teil III Geschichte der Sprachwissenschaft 1500-1820 und die Entdeckung der Sprachvielfalt

    22

    Teil IV Geschichte der Sprachwissenschaft 1800-1900 - Historismus und die 'Wiederentdeckung des Signifiant'

    35

    Teil V Phonologie und die sprachliche Fixierung der Konzeptualisierung 57 Teil VI Die Erfassung der Signifi-Ebene ('Semantik') - Eine erste Annherung 64 Teil VII Grammatik, oder: das Netzwerk sprachlicher Zeichen (1) 72 Teil VIII Grammatik, oder: das Netzwerk sprachlicher Zeichen (2) 93 Teil IX Grammatik, oder: das Netzwerk sprachlicher Zeichen (3) 100 Teil X Grammatik, oder: das Netzwerk sprachlicher Zeichen (4) 119 Anhang Sprachfamilien der Welt 152 INDEX 155

    Teil I: Was ist Sprache?

    Einige (nicht notwendigerweise zutreffende!) Zitate

    "Das Menschlichste, was wir haben, ist doch die Sprache, und wir haben sie, um zu sprechen-

    Theodor Fontane, Unwiederbringlich (Romane und Erzhlungen, hrsgg. von Peter Goldammer,

    Gotthard Erler, Anita Golz und Jrgen Jahn, 2. Auflage, Berlin und Weimar: Aufbau, 1973. Band 6,

    Kap. 13 [p.99])

    "Schon als Tier hat der Mensch Sprache. Alle heftigen, und die heftigsten unter den heftigen, die

    schmerzhaften Empfindungen seines Krpers, alle starke Leidenschaften seiner Seele uern sich

    unmittelbar in Geschrei, in Tne, in wilde, unartikulierte Laute."- Johann Gottfried von Herder,

    Abhandlung ber den Ursprung der Sprache, 1772, 1. Teil, 1. Abschnitt [p.127]).

    "In a sense, language is conception, and conception is the frame of perception" ["In gewissem Sinne

    ist Sprache Vorstellung und die Vorstellung der Rahmen der Wahrnehmung."] - Susanne K. Langer,

    Philosophy in a New Key - A Study in the Symbolism of Reason, Rite, and Art. 1942 [third ed. 1957],

  • 2

    p.126. [Deutsch: "Philosophie auf neuem Wege. Das Symbol im Denken, im Ritus und in der Kunst",

    Frankfurt am Main (Fischer Taschenbuch) 1984].

    "Aber die Sprache um ein Wort rmer machen heit das Denken der Nation um einen Begriff rmer

    machen." - Arthur Schopenhauer [Zrcher Ausgabe]. Werke in zehn Bnden. Band 1, Zrich 1977.

    Die Welt als Wille und Vorstellung. Zweiter Band, Ergnzungen zum ersten Buch, zweite Hlfte,

    Kapitel 12. [p.147].

    "Je hher die Kultur, desto reicher die Sprache." - Anton Tschechow, Brief an A.S. Suvorin (12.

    Oktober 1892).

    "Si ea investigemus quae plurimis linguis communia sunt, ad linguam aliquam universalem

    deducemur" (Johann Heuman, Meditatio de grammatica universali. In: Opuscula quibus varia iuris

    germanici itemque historica et philologica argumenta explicantur. Nrnberg: Lochner 1747:472).

    -------------------------------------------------------------------------------------

    Vier Ebenen der Definitionen von Sprache (die vier Kausalitten des Aristoteles, Physik II 3)

    Woher kommt Wozu dient

    Sprache? Sprache?

    efficiens finalis

    CAUSA

    formalis materialis

    Wie ist Sprache Woraus besteht

    strukturiert? Sprache?

    Dazu: Wie funktioniert Sprache?

    ndert sich Sprache oder ndern sich Sprachen?

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    Zuordnungen (stark vereinfacht):

    causa efficiens: Sprache ist, wie sie ist, weil:

    a. etwas anderes sie (stndig) bewirkt

    b. etwas in der Evolution 'passiert' ist, auf dass Sprache entstanden ist.

    causa finalis: Sprache ist, wie sie ist, weil:

    die Wesen diese fr bestimmte, schon vorhandene Zwecke

    entwickelt/ausgeprgt haben (e.g. Kommunikation).

    causa materialis: Sprache ist, wie sie ist, weil:

    sie eine bestimmte, ihr eigenen Form hat (e.g. Artikulation).

    causa formalis: Sprache ist, wie sie ist, weil:

    ber eine spezifische interne, spezifische (!) Struktur verfgt (e.g. Syntax).

    Beobachtungen:

    a. Alle Menschen 'haben' Sprache, die sich im 2. Lebensjahr auszuprgen beginnt (es sei denn,

    diese Ausprgung ist durch pathologische oder soziale Faktoren gestrt/behindert).

    b. Sprache ist kein vitales Moment: Menschen leben auch ohne Sprache.

    c. Das, was wir 'Sprache' nennen, kann verschieden aufscheinen ( Sprachen), ist aber

    dasselbe, nur anders, da in Bezug auf 'etwas' grtenteils 'bersetzbar'.

    d. Jeder Mensch kann eine Sprache fr sich entwickeln.

    e. Einzelne Sprachen werden gelernt, nicht aber die Sprechfhigkeit.

    f. Sprechen erlaubt den Menschen, sich zu sozialisieren. Dabei ist Sprache aber nicht die

    Voraussetzung der Sozialisierung. Sozialisierung bedeutet die (variante) Adaption (Imitation)

    gegebener Verhaltens- und Handlungsmuster.

    g. Sprechen ist eine Verhaltens-/Handlungsform von Individuen. Dieser 'Ausdruck' ist von

    anderen Individuen wahrnehmbar, d.h. in irgendeiner Form substantiell.

    h. Sprechen bedeutet primr nicht kommunizieren! Ob etwas kommuniziert wird, hngt vom

    'Wahrnehmenden' ab.

    i. Wie jede andere Verhaltens-/Handlungsform kann Sprechen sekundr fixiert werden, e.g.

    ber 'Schrift'.

    j. Sprache ist kein 'Ding an sich', sondern ein 'System (?) von 'Zeichen' fr 'etwas' anderes.

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    Spezifikationen:

    - Das sprachliche Zeichen (hier stark vereinfacht): Wenn 'Sprache' wahrgenommen wird,

    dann wird im Wahrnehmenden 'etwas' ausgelst, was anders ist als das Wahrgenommene.

    - X steht fr Y.

    Ergo: Sprache ist zunchst ein deiktisches (Appell-)System, das den Wahrnehmenden 'auf

    etwas anderes' hinweist.Sprache ist dann ein Wissenssystem, wenn der Wahrnehmende

    wei, was das 'andere' ist, auf dass das Wahrgenommene hinweist.

    'das Andere' Deiktisch

    das 'Eine' (Wahrgenommene)

    Grundlage: Verhaltensmuster bei Tieren (Schwanzwedeln, Knurren usw.)

    Extrapolation von Sinnes'eindrcken' (e.g. riechen, Spuren sehen usw.)

    Frage: Was ist das 'eine', was ist das 'andere'?

    Das Eine: Causa formalis: Sprache hat eine bestimmte Form, die sie von anderen

    Verhaltensformen unterscheidet.

    Sinnes'eindruck' (Sensoriktypen)

    Global

    Gustativ

    Olfaktorisch

    Taktil

    Visuell

    Auditiv

    L1 L2 L3 L4 L5 L6

    Stark rezeptiv Rezeptiv/Produktiv

    Gestik Artikulation

    'Zeichensprache' 'gesprochene Sprache'

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    Unterschiede zwischen Zeichen'sprache' und gesprochener 'Sprache' (stark vereinfacht):

    Zeichensprache Gesprochene Sprache

    Produktion Gestik ~ Mimik Atmungsbasierte Artikulation

    Rezeption Primr visuell basiert Primr auditiv basiert

    Basierung Nicht vitales System Vitales System

    Festlegung: das 'Eine' der 'Sprache' (zu: sprechen) ist ein geregeltes System der Atmungshemmung

    und Atmungsmanipulation (Motorik) Formseite der Sprache.

    Steuerungsfaktoren: Atmung

    Muskulre Aktivitten im Bereich der Atmung (Lunge Lippe/Nase)

    Ergo: Sprechen ist 'etwas verlauten' ( Phonetik, als 'geregeltes' System: Phonologie)

    Das 'Andere': Sprachliche uerungen sind nicht Abbildungen etc. von realen Vorgngen in der

    Welt, sondern die symbolisch fixierte Kopplung von Artikulationsmustern (Sprechen) und ber

    Wahrnehmung/ Erfahrung erstellten Bildern (der Welt).

    GANZ VEREINFACHT:

    Etwas passiert in der Welt

    ich nehme es nach Magabe (und im Abgleich mit) meiner Erfahrung wahr

    ich konstruierte ein (stark vereinfachtes, aber mit Wissen beladenes) Bild hiervon

    Ich konstruiere das Bild als Ereignis (recte: Ereignisvorstellung)

    *NB: BILD hier nicht als statische Abbildung, sondern als Abfolge von Bildern oder dynamisches Bild+.

    Ergo: Ein Geschehen in der Welt wird zum (vorgestellten) Ereignis, wenn ich das Geschehen

    wahrnehme ( Sinneswahrnehmung) oder imaginiere [etwa in Erzhlungen].

    Grundlage: uerungen sind das 'nach Auen bringen' der 'Abdrcke' von 'Eindrcken', d.h. ein Bild

    dessen, was 'nach Innen gebracht wird' (Wahrnehmung):

    Abdruck Eindruck

    [e:zl]

    Ausdruck

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    Sprachliches Zeichen:

    Abdruck Eindruck

    SIGNIFI

    [e:zl]

    Ausdruck SIGNIFIANT

    Das 'Andere' ist also ein 'Bild' von Auenreizen, das mit einem gelernten Artikulationsmuster korreliert werden kann.

    Beziehungstypen:

    Ikonisch (gr. "Ebenbild, bildliche Darstellung, Bild"): Die Form bildet Teile der Inhaltsseite

    direkt ab (etwa Kukuck). Die Form/Inhalts-Beziehung ist also motiviert.

    Symbolisch (Gr. "ich fge zusammen")

    Ursprnglich: In zwei Teile geteilter Gegenstand (e.g. Knochen), der an zwei Parteien oder Menschen

    verteilt wurde, um sich so wieder zu erkennen (> Zusammenfgung).

    Daraus bei Aristoteles (de interpretatione):

    Zusammenfgung von "Vorgngen in der Seele" (= Kognition) und sprachlichen Ausdrcken

    als das "zur Sprache Gekommene".

    (Charles Peirce): Symbole als konventionalisierte Beziehung zwischen Form und Inhalt (nicht

    motiviert).

    Indexal / Deiktisch / Symptomatisch: Eine Form weist auf etwas anderes hin ohne mit diesem unmittelbar verbunden zu sein. Etwa: [da:] = Hinweis auf etwas anderes, was die Vorstellung eines Baumes, Autos, Menschen etc. sein kann.

    Da Sprachen unterschiedliche Artikulationsroutinen zeigen und diese erlernt werden mssen, sind Sprachen groteils (!), aber nicht (!) durchgngig symbolische Zeichensysteme.

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    Grundstzlich gilt also:

    (Basales) Sprachliches Zeichen (SZ) [auch: Konstruktion]

    Signifi = Bedeutetes/ Funktion

    Sprachliches Zeichen

    Signifiant = Form /Artikulation

    Vgl. Edward Sapir (1884-1939):

    Language is a purely human and non-instinctive method of communicating ideas, emotions, and

    desires by means of a system of voluntarily produced symbols. These symbols are, in the first

    instance, auditory and they are produced by the so-called organs of speech. *Sapir 1921. Language.

    An Introduction to the Study of Speech. San Diego / New York / London: Harcourt Brace & Company,

    S. 8]

    Literatur (Asuwahl!):

    Bloomfield, Leonard 1933. Language. New York: Henry Holt & Company. Borsche, Tilman (Hrsg.) 1996. Klassiker der Sprachphilosophie: von Platon bis Noam Chomsky. Mnchen: C. H. Beck. Chomsky, Noam 1986. Language and Mind. New York: Harcourt Brace & World. Collinge, N. E. (ed.) 1990. An Encyclopedia of Language. London / New York: Routledge. Coseriu, Eugenio 1988. Einfhrung in die Allgemeine Sprachwissenschaft. Tbingen: Francke. Hoffmann, Ludger (Hrsg.) 1996. Sprachwissenschaft. Ein Reader. Berlin / New York: Walter de Gruyter. Linke, Angelika, Markus Nussbaumer, Paul R. Portmann 19963. Studienbuch Linguistik. Tbingen: Max Niemeyer Verlag. Lyons, John 1981. Language and Lingusitics. An Introduction. Cambridge: Cambridge University Press. Sapir, Edward 1949 [1921]. Language. An Introduction to the Study of Speech. London / New York / San Diego: Harcourt Brace & Company. (dt. 1972 [1961]. Die Sprache. Eine Einfhrung in das Wesen der Sprache. Mnchen: Max Hueber) Pinker, Steven 1996. Der Sprachinstinkt Wie der Geist die Sprache bildet. Mnchen: Kindler. Saussure, Ferdinand de 19313. Course de Linguistique Gnrale. Paris : Payot. (dt. 1931. Grundfragen der Allgemeinen Sprachwissenschaft. Berlin / Leipzig: Walter de Gruyter) Schulze, Wolfgang 2010. Reduktionismus in den Sprachwissenschaften. Slowakische Zeitschrift fr Germanistik 10 (in Druck). http://www.lrz-muenchen.de/~wschulze/redling.pdf

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    Lexika: Asher, R. E. (ed.) 1993. The Encyclopedia of Language and Linguistics. 10. Vols. Oxford: Pergamon Press. Bright, William (ed.) 1992. International Encyclopedia of Linguistics. New York / Oxford: Oxford University Press. Bumann, Hadumod 19902. Lexikon der Sprachwissenschaft. Suttgart: Krner (eng. 1996. Routledge Dictionary of Language and Linguistics. London / New York: Routledge) Crystal, D. 19913. A Dictionary of Linguistics and Phonetics. Oxford UK / Cambridge MA: Basil Blackwell. Glck, Helmut (Hrsg.) 1993. Metzler Lexikon Sprache. Stuttgart / Weimar: Metzler. Kluge, Friedrich 199923. Etymologisches Wrterbuch der deutschen Sprache. bearb. v. Elmar Seebold. Berlin / New York: Walter de Gruyter. Lewandowski, Theodor 19905. Linguistisches Wrterbuch. Heidelberg / Wiesbaden: Quelle & Meyer, UTB. Price, G. (ed.) 2000. Encyclopedia of the Languages of Europe. Oxford UK / Malden MA: Blackwell. Trask, R. L. 1993. A Dictionary of Grammatical Terms in Linguistics. London / New York: Routledge.

  • 9

    Teil II

    Geschichte der Sprachwissenschaft und

    die 'Objekte' sprachwissenschaftlicher Forschung bis zur Renaissance

    Ausgangspunkt: Thales von Milet (geb. um 624 v. Chr. in Milet, Kleinasien; gest. um 546 v. Chr.) [Vorsokratiker, Vertreter der sog. Ionischen (Natur-)Philosophie] URSTOFF Eigentliches vs. Uneigentliches Unvernderlich Vernderlich Substanz Instanz

    Nota: Sub-stanz (was darunter liegt, gr. hypo-keimenon) [vgl. Tiefenstruktur] [Mythos der Tiefe und des Grundes] Schon bei Thales vermutlich bertragung:

    Wann etwas als Wasser ist, muss jede Vernderung mit Hilfe der Gesetze, die fr Wasser gelten und beobachtbar sind, erklrt werden knnen.

    Da Wasser beobachtbar und mithin real ist, ist sein Verhalten nicht mythisch, mithin ist nichts mythisch. Alles im Universum ist erklrbar, innerhalb des Erfahrungshorizonts. {Hinter dem Horizont beginnt der Mythos} Zusammengenommen: Zwei Entwrfe der Ontologie (hier bertragen auf Sprache) a) Diesseits des Horizonts (Logos-bezogen, erfahrungsbasiert, immanent) b) Jenseits des Horizonts (Mythos-bezogen, transzendental) Dabei Beziehung praktisch: Verschiebung des Horizonts verschiebt Transzendenz, lst sie aber nicht auf. D.h. Mythos bleibt stets als Option, auf den zurckgegriffen wird, wenn das Beobachtbare innerhalb eines mobilen Horizonts nicht vollstndig in Bezug gesetzt werden kann. Dabei wichtig: Horizontverschiebung ergibt sich durch Bewegung (des Beobachters), ist also Teil einer praktischen Phnomenologie (gleichzeitig Grundmotiv der Vernderungshypothese).

  • 10

    >>> Analog: Sprache ist (UG), Varianz/Wandel/Gebrauch ist Schein (und nicht Sprache). Drei Ebenen: Phsis Lgos Nmos Natur Denken Konvention Wirklichkeit Denken Sprache Vorsokratiker: Name und Sache ist dasselbe. Ab Mitte 5.Jh.: Name (onomzetai) > Benennung (kalomen bei Xenophanes) Bedingt durch Zuwachs an Empirie Empedokles von Akragas (Sizilien) Anaxagoras aus Klazomenai (bei Izmir) Schon Demokrit aus Abdera in Thrakien (~460-370):

    Sprache ist im wesentlichen Nomos Neologismen: Polysemie (> heute Homonymie) Isorropie (isrropon) > Synonymie Annymon (Namenslosigkeit, Ableitungen) metnymon (Bezeichnunsgwandel) SOPHISTEN (Nomos-bezogen; Nicht-aristokratische 'Lehrer', Rhetoriker) Erste Sprachursprungshypothesen (tchne: des Menschen) DAZU nach Pythagoreer (Schule in Sditalien, ~ 450 vor) Benannt nach Pythagoras von Samos (~569 - ~475) Vermutlich beeinflusst von Thales und Anaximander von Milet Beeinflusst von gyptischer Tradition (Priester in Diospolos) Mit Magiern in Babylon (als Gefangener des Kambyses) Spter nach Italien (Croton) > mathematiko Wichtig: Statt 2 Schiffe + 2 Schiffe = 4 Schiffe > 2 + 2 = 4 (Abstraktion und Generalisierung, d.h. Numeralia erhalten Eigengestalt und Objekteigenschaft) Zahl hatte Eigenschaften (mask., fem., perfekt, unvollstndig, schn, hsslich) Beste Zahl 10:

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    1 + 2 + 3 + 4 = 10

    .

    . .

    . . .

    . . . .

    Substanz nicht materiell, sondern strukturell (Natur geht in Mathematik auf) e.g. Harmonielehre in Musik affin zu Mathematik Satz des Pythagoras (a + b = c) [Dreieck] gilt auch fr materielle Dinge Kreisbahnen der Sterne gehorchen mathematischen Verfahren. Gegen Sophisten: Aristokratische Bildung; Oratorik als wahrbezogen gegen Rhetorik als wirkungsbezogen, e.g. Platon (~427-347) : Politeia-bezogene Philosophie, attisch-intern [Einheit der hellenistischen Nation+; Welt-abgewandt *vermutlich Sokrates-Trauma (399)], gegen staatlichen Verfall (bes. der Sophisten, Relativismus, Skepsis etc.] Experten-Tradition: Akademie, nach Halbgott Akademos, dem der Hain geweiht war, wo die Schule lag, gerndet 388. Wahrnehmung erkennt nichts Dauerhaftes, nur tuschende Meining (Hhlengleichnis: Erfahrungswelt als Schatten der Auenwelt) Nur Begriffe, einmal richtig gebildet, sind stets unvernderlich, bilden wirkliches Wissen ab. Der Begriff muss ein Objekt haben, worauf er sich bezieht. Dieses Objekt kann nicht identisch sein mit dem Objekt der sinnlichen Wahrnehmung (da dieses nur Schatten), es muss ein bersinnliches Objekt sein (Idee). Begriffe sind Abbilder der Ideen. Erkenntnis ist Anamnese (Wiedererinnerung) der Ideen durch die Seele. => Sprachreflexionen im Kratylos (eigentlich Lehrer des Platon, Anhnger von Heraklit; Gesprchspartner: Sokrates, Kratylos und Hermogenes, letztere geben Positionen vor, Sokrates ist Schiedsrichter) Um die Richtigkeit der Namen (orthts tn onomtn): Nicht Sprache als Gegenstand selbst, sondern praxis, Rede (lgos) und reden (lgein). Reden ist Gegenstnde benennen (benamen): dnamis tn onomtn (vis verborum > Bedeutung) (vgl. noch Kraft der Worte)

    Wie kann ein Name zeigen, was die Sache ist, die er bezeichnet? > Etymologie ist falscher Weg, wird von Platon spielerisch gezeigt (mit vielen Vorschlgen): Problem: ber Etymologie gelangt man von Wort zu Wort, aber nicht zum Gegenstand:

  • 12

    "Wenn man aber wieder jeden nach Belieben Buchstaben hineinsetzen lsst in die Namen und herausnehmen, so muss es wohl leicht sein, jeden Namen jeder Sache anzupassen." Daher Annahme, dass Etymologie zu ersten Namen (prta onmata) fhren muss, die nicht weiter rckfhrbar sind (Atomismus!). Statt natrliche Richtigkeit von Namen Natrliche Richtigkeit der ersten Namen. >>> Wie mssen erste Namen beschaffen sein, dass sie ihren Zweck erfllen? >>> Form: Er muss der Sache hnlich sein. Muss die Sache nachahmen, wie ein Bild eine Sache nachahmt. Aber: Erste Name ahmt nicht uere Gestalt nach, sondern ihr Wesen (ousia). >>> Nachahmung geschieht durch Stimme mittels Laute und Silben. >>> Lautsymbolik: Rho = Bewegung, hart, i = Dnnes Feines, a = Groes, E = Langes, d/t = Ruhe und Bindung, O = Rundes. [bei Platon spekulativ, wie er betont+ Problem e.g. sklrts Hrte mit hartem rho und weichen lambda. >>> Abtrennung der Sprachreflexion von einer Erkenntnistheorie. Ausdehnung der Fragstellung auf Rede' (= Satz?) im Sptwerk Sophistes Wie es Buchstabenfolgen gibt, die nichts benennen, gibt es Wortfolgen, die nichts bedeuten. Wie erste Namen gibt es erste Rede (= Satz) (verknpft onoma und rhEma, mit onoma = Benennung von etwas, rhEma = was ber onoma etwas sagt). Empirische Klassifikation: Aristoteles von Stageira (384-322) Vater war Arzt am makedonischen Hof. Schler von Platon (mit 17/18 Jahren, 20 Jahre lang, bis Platons Tod 347) Grundlage: Erfahrung von Vielfalt (vermutl. Biologimus des Vaters) Wirkungsmchtigster aller Philosophen >>> Klassifikation der Erfahrung als Modus der Erkenntnis. Voraussetzung Kontakt mit Barbarei = Erfahrung von Varianz

    Gegen idealistischen Rationalismus Platons Stattdessen eine Art Common-Sense-Philosophie Statt utopisch begrndeter Sprachkritik: Deskriptiv (als Voraussetzung, das bestmgliche aufzuspren)

  • 13

    Wichtig: Abstrakta bestehen nur in der erfahrungsbasierten Abstraktion von Eigenschaften aus einer Klasse von Substanzen, nicht per se. Daraus abgeleitet: Wesentliche vs. unwesentliche Eigenschaften Wesentliche Eigenschaften konstituieren eine Klasse fr die Substanz! >> Gattungsbegriff Pferd: Sugetier, Hufe etc. Frage: Wer bestimmt Wesentliches? Substanz: selbstndige Existenz Eigenschaft: relative Existenz Dabei Trennung von Form und Materie Beispiel: Ton und Tpferware: beides gleiche Materie, andere Form Wichtig: Um eine Phnomen zu verstehen, mssen wir es in seiner Urschlichkeit erfahren! Genauer zur Sprachtheorie: Zwei Bereiche: a) Semiotisch, b) physikalisch/physiologisch ein psphos (Laut) muss a) artikuliert von einem Lebewesen sein und b) eine bestimmte Bedeutung haben, um eine phon (stimmlicher Laut) zu werden. Verstrkung des Konventionaliserungsaspekts bei Aristoteles: Ein noma (nomen, oder Wort) ist eine Lautgestalt, die Bedeutung hat kat syntkn Spter bei Boethius (~480-524 AD) > secundum placitum nach Vereinbarung Scholastisch ad placitum [damit unterscheidet sich Lautung der Humana von Tieren] Isolierung von Wrtern in Rede (bei Aristoteles mr ts lxes Teile der Rede) in Poetica (cap. 20,1): ' , , , , , ,

    , , . "Der Ausdruck im Ganzen hat folgende Teile: Buchstaben, Silben, Verbindungswort, Zeitwort, Artikel, Beugung, Satz" > stoikheion unteilbarer Laut > syllab Silbe (terminus?) > sndesmos Zusammenbinder (spter Konjunktion) > rthron verbunden (spter Artikel)

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    > semoi Partikel ? (auch Prposition, amph, per etc.) Nomina: ohne weitere Semantik, Verben: mit weiterer Semantik (Zeit) prossEmanei (mit-) [in: de Interpretatione] > Ptsis (fallend) ~ Flexionsnderung Stoa: Philosophie in drei Teile: Physik: Welt des Wahrgenommenen Logik: Welt der Erkenntnis (und Vermittlung von E.), Rhetorik, Dialektik Ethik: Einbringen von Physis und Logos in naturgeme Lebensfhrung Fnf Wortarten: Trennung von Name (noma) und Nomen (prosgora) (Hier besonders Diogenes von Babylon) Dazu: sndesmos (Bindemittel), rthron (Artikel), Verb (katgrmon) Unterklasse von sndesmos ist prthesis = Prposition (syntaktisch definiert) Unterklasse von rthron indefinit (aoristd) > Artikel i.e.S.d.W. definit (hrismnon) > Pronomen Daraus kanonisches Schema Acht Wortarten (mr tou lgou): Nomen noma Verb rhma Partizip metokh Artikel rthron Pronomen antnuma Prposition prthesis Adverb epirrhma Konjunktion sndesmos Basis (Pseudo-)Dionysios Thrax, weiter begrndet von Apollonius, Latein revidiert: nomen, pronomen verbum, adverbium, participium, coniuctio, praepositio, interiectio Fehlt: Artikel (wg. Latein), stattdessen interiectio (als nicht-Adverb)

    Dialektik von sprachlichem Ausdruck (smainonta) und sprachlicher Bedeutung (smainomena) dient der Erfassung von Erkenntnisprozessen. >>> fnf Kasus mit semantischer Lesart Nominativ (onomastikE) Akkusativ (aitiatikE, ursachenbezogen, wg. aita = a) Ursache ~ b) Anklage > Akkusativ, vgl. dt. Ur-Sache, aus Rechtsterminologie wie katEgorEma und axioma!) Genitiv genikE ('zum Geschlecht gehrig' geniks)

  • 15

    Dativ dotikE (Geben) Vokativ (?) *unsicher+ (kletikE Anredefall, kalein rufen) Nota: Vokativ = Nominativ der Zweiten Person, also Einbeziehung von diskurspragmatischen Grnden. Vokativ = An-Nennung (Anrede) Daraus ergibt sich Konzept: Pragmatische Kasus ICH > *Lokutiv DU > Vokativ nSAP > Nominativ So auch Dionysios Thrax in den Scholia: Man muss wissen, dass auch der Vokativ eine Rede zusammenbringt, so wie der Nominativ, *z.B.+ lies, Mensch!; potentiell ist also auch er ein Nominativ. Das Besondere des Nominativs ist jedoch die dritte Person, whrend sich der Vokativ auf die zweite Person bezieht. Also ist er kein Nominativ. (Frag 788/791). Aus mittlerer Stoa leitet sich Tradition der tkhn grammatik ab (Alexandrinische Schule) Aristarch von Samotrake (~ 217 - 145 BC): t.gr. des Griechischen Dionysios Thrax (der Thraker) ~ 100 BC Autor der zweiten (?) griechischen Grammatik, aus Alexandria, Schler des Aristarch (mglichweise Pseudo, da eventuell Produkt eines collegium oecomenicum, gegrndet von Konstantin dem Groen (existierte bis 730). Apollonios Dyskolos (2 Jh. AD) Remmius Palaemon (=-50) erste Gram. des Lateinischen (verloren), basierend auf lteren Autoren, etwa Scaurus und Cominianus. Spter Aelius Donatus (Mitte 350 AD), ars grammatica ars minor (de partibus orationis), Frage und Antwortkatalog ber die acht Wortarten, = mittlerer Teil der ars maior, eine Art Elementargrammatik oder Fibel fr Kinder. ars maior: Ausfhrliche, lehrbuchartige Ausfhrung der ars minor, mit zustzlichen Kapiteln wie de voce, de littera, de syllaba, de pedibus, de tonis etc.. Zusammen die ars duplex. Die Ausprgung der Bildungs- und Sprachtraditionen im frhen europischen Mittelalter (Grob schematisch) Zeitraum Zentrum

    Ost Sprachen Peripherie

    Ost Sprachen Zentrum West Sprachen Peripherie West Sprachen

    400-500 Neuplato-nische

    Griechisch, Latein

    Mnchs-tum,

    Griechisch, Syrisch,

    Residuen der rm.

    Frhromanisch, Latein

    Residuen der rm.

    Westgermanisch, Brit. Romanisch,

  • 16

    Tradition,

    Eremiten-Tradition (sing. Gelehrte)

    Armenisch, Georgisch, Koptisch, Kauk.Albanisch

    Schultradition Germanische Residuen (Gotisch, Vandalisch) Frnkisch

    Schultradition Inselkeltisch (bes. Q), Latein

    500-600 Verstaat-lichung der Bildung

    Griechisch, Latein

    Mnchs-tum, Eremiten-Tradition (sing. Gelehrte), Anstze von Klosterorg.

    Griechisch, Syrisch, Armenisch, Georgisch, Koptisch, Kauk.Albanisch

    Residuen der rm. Schultradition, Anstze klst. Schulen

    Latein, Frhromanisch, Frnkisch

    Mnchstum, Eremiten-Tradition (sing. Gelehrte), Anstze von Klosterorg.

    Westgermanisch, Q-Keltisch, Latein

    600-700 Verstaat-lichung der Bildung

    Griechisch Mnchs-tum, Eremiten-Tradition (sing. Gelehrte), Klster

    Griechisch, Syrisch, Armenisch, Georgisch, Koptisch, Kauk.Albanisch

    Landschulen (Pfarren), Klosterschulen, Anstze zentrl. Bischofs-schulen

    Latein, Frhromanisch Frnkisch

    Mnchstum, Eremiten, Klster, Anstze der Verstaatlichung

    Angelschsisch Alt-Irisch, Latein, [Althochdeutsch]

    700-800 Verstaat-lichung der Bildung

    Griechisch Mnchs-tum, Eremiten-Tradition (sing. Gelehrte), Klster

    Griechisch, Syrisch, Armenisch, Georgisch, Arabisch

    Landschulen, Klosterschulen Bischofs-schulen, Zentr. in Frankreich

    Latein, Frhromanisch Frnkisch

    Mnchstum, Eremiten, Klster, Bischofsschulen, Anstze der Verstaatlichung

    Angelschsisch, Alt-Irisch, Althochdeutsch Latein Griechisch

    Karolingische Renaissance / fortgefhrt ab Otto dem Gr. Tradition der Grammatik-Lehrer Mit logica nova (aristoteles): Unterwerfung der Grammatik unter die strikte Dialektik.

    Dialektik als neu-gefundene ars liberalis Interpratationsverfahren der auctores statt simpler schulischer Paradigmatik ( la Stoa).

    Primat der Dialektik >>> Logik Dialectica: docet discernere ad probandum vel improbandum (lehrt zu unterscheiden um zu beweisen oder zu widerlegen) Grammatica: docet recte scribere et loqui ad intelligendum (lehrt richtig zu schreiben und zu sprechen um zu verstehen) Rhetorica: docet loqui ad persuadendum (lehrt zu sprechen um zu berzeugen)

    Hhere Bildung:

    Septem artes liberales Theorica Ethica Logica Mechanica

  • 17

    Grammatica Rhetorica Dialectica scientia loquendi sine vitio (ohne Fehler) > ratio disserendi (Diskussionskunst) > Zeigen der Gewissheit > Zeigen der Wahrscheinlichkeit > Zeigen der falsche Philosophie (Fehler, Trugschlsse) Dialectica disputatio acuta Rhetorica disciplina ad persuadendum quoque idonea (auch fr Disp. geeignet) Logica > modi disputandi > Beurteilung von wahr/falsch > Wort/Konzept Lectio: littera congrua ordinatio dictionum (kohrente Reihung der Wrter) sensus facilis quaedam et aperta significatio (eine einfache und offene Bedeutung) sententia profundior intelligentia quae nisi expositione vel interpretatione non invenitur (tieferes Verstehen, das nur durch die Exposition und Interpretation des Textes erlangt wird) BASIS fr ALLE: LATEIN als Metasprache Grammatica: Immer = Grammatik des Latein, genauer des Latein als Metasprache Basis: LATEIN als globale Wissenschaftssprache, vgl. Englisch. Pointierung der Logik als Mutter der Grammatik nach Fixierung des Aristoteles-Korpus im 13. Jh., dazu Paralleltraditionen der (Neu-)Platoniker (bes. Chartres gegen Paris/Oxford (arist.). Untersttzt durch Rezeption jdischer argumentativer Traditionen (bes. Dominicus Gundissalinus) > Latein als Sprache der 'logischen Erkenntnis' > Formalisierung des Latein als Metasprache, vgl. spter Erasmus von Rotterdam (Humanist): mirum vero si authoribus quis quid Latine dicat, cum ipsi nihil non barbare locuti sint 'Man sollte sich fragen, ob man mit Autoren wie diesen irgendetwas in Latein sagen knnte, denn sie sprachen nichts als barbarisch.'

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    Daneben verstrkte Beschftigung mit dem Griechischen, etwa Robert Grosseteste. Trennung von 'Elementargrammatiken' vs. 'exegetischen Grammatiken' Elementargrammatiken: In der Tradition der ars minor von Donatus Wortartenbezogene Exemplifizierung Pardigmata und Wortlisten (christl. Vokalbular) Prsentation von Daten zur Didaktik (Auswendiglernen) Praktisch kommentarlos Declinationes nominum (angelschsische Quelle, ab Ende 7.Jh.) Ars grammatica des Tatuinus (Erzbischof von Canterbury, 734) Basis u.a. ars major des Donatus (!); Institutio de nomine et pronomine et verbo (Priscian) Ars ambianesis (Anonym, ~ 8. Jh. irisch?) Ars Bernensis (Angelschsisch ? Ende 8. Jh. ?) Ars Bonifacii (Bonifacius ~ Vynfreth; Anfang 8. Jh.) Relativ isoliert, kaum eingebettet in zeitgen. Tradition, wenig wahrnommen Exegetisch Grammatiken: In der Tradition der ars major von Donatus Textexegese (besonders biblisch); meist (vor-)karolingisch; Angelschsisch Bereitet Grammatica Speculativa des 14. Jh. vor (s.u.) Allgemeine Definition Debatte der Definition ber Fragen/Antworten (cur, quare, interogandum est, requirendum est, quaeritur usw.) Basierend e.g. auf Donatus (nomen quod est ); hier > disputatio Erklrung linguistischer Phnomene ber die Religion: tres persona sunt in verno quia res divina amplius non sinet nisi tres personas esse: sicut in trinitate tres persona sunt ita et genus humanum (anon. Quae sunt quae,~ 9. Jh.) 'Es gibt drei Personen im Verb, weil gttliches Gesetz nicht mehr als drei Personen zulsst; da drei Personen in der Trinitt sind, sind es (auch drei) in der menschlichen Art.' Zielsetzung der frhen Scholastik: Erkennen, wie Sprache Wirklichkeit erschliet. Die Tatsache an sich wird nicht in Frage gestellt. scientia sermocinalis ist als Wissenschaft von der Sprache = Erkenntnistheorie Frage: Wie drckt man/erkennt man Wahrheit, indem man Stze bildet. Denken ist Sprache ber Sprache wird urteilend der Zugang zur Welt erstellt. Jede Sprache besteht aus Wrtern

  • 19

    Daher keine gesonderte Formalsprache Objektsprache = Metasprache: Jede Aussage ber eine uerung muss auch fr die Aussage selbst gelten. Alle Erkenntnis geht von der Sache aus und erfolgt mittels der Sprache Sprachliche Varianz ist gleich einer zunehmenden Konkretisierung der Welt und damit Distanzierung von universellen Ideen. Modisten (Schulische Tradition zwischen 1260 und 1350 Grammatik ist das in allen Sprachen Gemeinsame.

    Partikulares z.B. Artikel in Griechisch funktioniert wie Genus an Nomina im Latein Aber: Grammatik stellt keine absolute Notwendigkeit dar, sondern ist extern bedingt und nur intern in ihrer Struktur notwendig. Daraus abgeleitet: Grammatik ist eingebettet in superordiniertes Verfahren (Metaphysik, Mathematik, Physik), hat aber ihr eigenes Regelsystem. Damit methodisch sowohl Apriorisch (von (externen) Ursachen zu (internen) Wirkungen) Aposteriorisch (von (internen) Wirkungen zu (externen) Ursachen) Grundlage: Syntax (constructio): Sprache definiert sich als adamistisch basiertes Kommunikationsmittel orationes congruae et perfectae Syntax als universelle 'Matrix' aller Sprachen (so schon Jordanus de Saxonia (~ 1210)) Wiederbelebung des Augustinischen Zeichenbegriffs: Augustinus (354-430): Definition des Zeichens: signum est enim res praeter speciem quam ingerit sensibus alius aliquid ex se faciens in cogitationem venire. 'Das Zeichen ist etwas, das abgesehen von seinen erfahrbaren Formen, bewirkt, dass etwas anderes in den Sinn kommt.' signum rememorativum respectu conceptus (John Duns Scotus) 'Ein Zeichen [ist etwas], das [jemanden] an ein Konzept erinnert' Sptes Mittealter:

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    Deskriptives Primat: Basis: Joh 19,19-20: 19: scripsit autem et titulum Pilatus et posuit super crucem erat autem scriptum Iesus Nazarenus rex Iudaeorum 20: hunc ergo titulum multi legerunt Iudaeorum quia prope civitatem erat locus ubi crucifixus est Iesus et erat scriptum hebraice graece et latine 19 Pilatus lie auch ein Schild anfertigen und oben am Kreuz befestigen; die Inschrift lautete: Jesus von Nazaret, der Knig der Juden. 20 Dieses Schild lasen viele Juden, weil der Platz, wo Jesus gekreuzigt wurde, nahe bei der Stadt lag. Die Inschrift war hebrisch, lateinisch und griechisch abgefat. Missionsttigkeit bes. der Dominikaner (e.g. Tunis) fhrte zur Einreichtung von studia linguarum (Kathedralenschulen) Griechisch / Latein Hebrisch Arabisch Orientalische christl. Sprachen Fr lokale Mission traten 'Vernakulare' (einheim. Sprachen) hinzu. Renaissance: Allgemeiner Prozess: a) Fortsetzung der MA-Tradition b) Kritik an Syntax bes. zur Verbesserung der pdagogischen Effiziens (Guarino) c) Neuorientierung in Ausbildung, Abschaffung des MA-Kanons grammatischer Lehrwerke, massive systematische Kritik (Scaliger, Ramus) d) Stabilisierungsphase (Spanien, Jesuiten), hier besonders Francisco Schez de las Brozas (Minvera seu de causis linguae latinae, 1587) und Manoel Alvares (De institutione grammatica 1572, mit bersetzung ins Spanische schon 1594): rudimenta, paradigmata, syntax, metrum. Wirksamkeit der Renaissance-Grammatiken a) Beginnende Norm-Diskussion zu Vernakularen, besonders in Italien (Daten als Kontroverse): e.g. Cardinal Bembo (1525): Prose della volgar lingua (fr archaisierendes Toskanisch) Pier Francesco Giambullari (1551): Della lingua che si parla e scrive in Firenze (pro zeitg. Toskanisch) Gian Giorgio Trissino (1528): Castellano (pro 'pan-Italienisch) 'Sieger': Bembo-Typ: Kodifizierung durch Leonardi salviati (1584): Degli avvertimenti della lingua sopra 'l Decamerone.

  • 21

    b) Methodik der Deskription als Kontroverse Sprach-Tradition im beginnenden 17. Jahrhundert (unsystematisch): 1. Harmonisierung der MA-Traditionen und der Traditionen des Renaissance-Aufbruchs, Ausprgung eines deskriptiven Standards (gltig mit Modifikationen bis ins 19. Jahrhundert) 2. Philosophische Argumentation schwcher ausgeprgt. 3. Hinwendung zur Praxis der Vernakularen (Abbildung des Wandels im komm. Habitus) 4. Modernisierung der Sprach-Ausbildung, massive Verbreitung grammatischer (didaktischer) Werke, daher Erreichen grerer humaner Ressourcen: Sprache wird zum Gegenstand des Alltags (und mithin zu einem beschreibbaren Objekt). Webbe-Brookes-Debatte: Sprachlernen ber Paradigmenlernen (drill) oder Anwendung von 'Regeln' 5. Missions- und Dolmetscherttigkeiten fhren zu Mithradetes-Phase (im Einklang mit rationalistischer 'Sammler-Ttigkeit'). 6. Immer strker werdende 'Desemantisierung' grammatischer Kategorien (als Fortsetzung der modistischen Tradition), zugunsten der Beschreibung von Strukturbeziehungen (> Port Royal). Abbildung von ersten groen Technisierungserfahrungen. 7. Hinwendung zu Sprachursprungshypothesen (begrndet in humanistischer Mythos-Orientierung). 8. Abwendung von adamistischen Prinzipien: Skularisierung der Sprachauffassung 9. Beginnende Opposition: Deskriptive/normative Sprachbetrachtung (Einzelsprachen) vs.

    globale Sprachtheorie (in Port Royal zunchst harmonisiert), dialektische Reaktion: 'Kultur als Determinante' (Italien), beginnende 'ethnologische' Sprachbetrachtung.

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    Teil III Geschichte der Sprachwissenschaft 1500-1820

    und die Entdeckung der Sprachvielfalt

    Renaissance (zeitgenssisch: reformatio, ital auch rinscita): Gekoppelt mit Humanismus-Traditionen seit dem 14. Jh., bes. neuaufkommende Pflege antiker berlieferung, philologische Tradition zur Bereitstellung literarischer 'templates' fr zeitgenssische Literatur. 'Entdeckung' der Natur und ihrer Varianz (> Sammlungs-/Dokumentationswerke) Vorbild: Antike 'Perspektivische' Genauigkeit Kritik an transzendentaler Orientierung ('Diesseitigkeit') Externe Motive: 1) Neudefinition der norditalienischen Staatswesen (contra HRRdN), Orientierung an Imperium Romanum, verstrkt durch: 2) 'Fall von Konstantinopel' 29. Mai 1453 [Mehmed II, letzter Basileios Konstantin XII Dragases] Folge: Ansiedlung griechischer Gelehrtengruppen in Italien, 'Quellenffnung' 3) Wg. Schlieung der 'asiatischen Brcke', Neurorientierung der Handelssysteme (Seefahrt) Folge: Erweiterung der geographischen und 'ethnologischen' Perspektive 4) Kritik an rmisch-katholischen Traditionen artikuliert bes. im marginalen Bereich des Klerus; Klientel waren besonders monolinguale Laien Folge: Vernakulare Sprachen als Mittlersprachen der 'Reformation' 5) Mit 3) und 4): Zunehmende (katholische) Missionsttigkeit (Nordosteuropa, Auereuropa), unter Nutzung von: 6) Einfhrung des Buchdrucks: Johan [Gensfleisch zum] Gutenberg um 1450 (1453 42-zeilige Bibel) und Nutzung der Papierschpfung (2. Jh. n.Chr. China, 12. Jh. Valencia (arab.); 1390 erste deutsche Papiermhle in Nrnberg) 7) Zunahme der Universittsgrndungen (studium generale); tendenzielle Skularisierung (und Aristokratisierung) der Lehre. 8) konomisierung und Individuierung der allgemeinen Lebensbereiche (bes. im Brgertum), beginnende 'Rationalisierung' und Entmystifikation; 'Deglobalisierung'.

    9) Missions- und Dolmetscherttigkeiten fhren zu Mithradetes-Phase (im Einklang mit rationalistischer 'Sammler-Ttigkeit').

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    Gessner, Conrad 1555. Mithridates. De diffenrentiis lingvarum tvm vetervm tum qu hodie apud diuersas nationes in toto orbe terrar in usu sunt. Tiguri: Froschovervs. Hieronymus Megiser (1554-1618/19) [Wrterbuch des Slowenischen, Grammatik des Trkischen, bersetzung von Marco Polos Reiseberichten usw.]

    Hieronymus Megiser 1603. Thesaurus Polyglottus: vel, Dictionarium Multilingue: Ex quadringentis circiter tarn veteris, quam novi (vel potius antiquis incogniti) Orbis Nationum Linguis, Dialectis, Idiomatibus & Idiotismis, constans, Frankfurt a.M. Megiser 1593. Specimen quadraginta diversarum atque inter se differentium Linguarum el dialectorum. videlicet oratio dominica totidem linguis expressa. Frankfurt.

    Megiser 1603. Specimen quinquaginta diversarum atque inter se differentium Linguarum et dialectorum. Frankfurt.

    Megiser 1603. Prob einer Verdolmetschung in Junfzig unterschiedlichen Sprachen, darin das heylyg Vater unser, der Englisch Gru, die zwlf Artikel unsers christlichen Glaubens, die zehn Gebott, transferiert und in Truch verfertiget worden. Frankfurt.

    Die Kolonialgebiete um 1660 (Putzgers Historischer Schul-Atlas 1905)

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    Vgl.

    Sprachfamilien der Welt (grob schematisch) / http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/68/Sprachen_der_Welt.png Sprachvielfalt und geographische Rume: Sprachfamilien oder isolierte Sprachen

    Sprachenzahl Davon aktuell

    Sprecherzahl Groregion (ohne europ. Globalisierung)

    45 470 337 12.162.807 Sdamerika

    29 1064 972 4.749.992.722 Eurasien

    26 123 63 36.800 Australien

    25 211 138 477.550 Nordamerika

    19 1.965 1925 296.840.503 Indopazifisch

    17 119 85 781.707 Mittelamerika

    8 1.964 1885 735.355.200 Afrika und NA

    169 5.916 5405 5.795.647.290 Gesamt

    Sprachfamilien mit mehr als 100 Sprachen: Sprachfamilien Sprachenzahl Davon

    aktuell Sprecherzahl Region Groregion

    Niger-Kongo 1.386 1.364 354 Mio. West-, Zentral- und Sdafrika Afrika und NA

    Austronesisch 1.144 1.119 296 Mio. Philippinen, Malaysia, Indonesien, Madagaskar, Neuguinea, Ozeanien

    Indopazifisch

    Trans-Neuguinea 533 530 3,2 Mio. Neuguinea; Timor, Alor, Pantar

    Indopazifisch

    Afroasiatisch 354 311 347 Mio. Nordafrika, Naher Osten Afrika und NA

    Sinotibetisch 343 335 1.288 Mio. China, Himalaya-Region, Sdostasien

    Eurasien

    Indogermanisch 280 220 2.675 Mio. Europa, Sdwest- und Sdasien; heute weltweit

    Eurasien

    Nilosaharanisch 196 188 34 Mio. Afrika: Sd-Sahara-Zone, Sudan

    Afrika und NA

    Austroasiatisch 157 156 95 Mio. Nordost-Indien, Sdostasien Eurasien

    Sepik-Ramu 102 102 235.000 Nordwest- u. Nord-Zentral-Papua-Neuguinea

    Indopazifisch

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    Sprachfamilien mit Sprecherzahl ber 1 Mio. Sprachfamilien Sprachenzahl Davon

    aktuell Sprecherzahl Region Groregion

    Indogermanisch 280 220 2.675 Mio. Europa, Sdwest- und Sdasien; heute weltweit

    Eurasien

    Sinotibetisch 343 335 1.288 Mio. China, Himalaya-Region, Sdostasien

    Eurasien

    Niger-Kongo 1.386 1.364 354 Mio. West-, Zentral- und Sdafrika

    Afrika und NA

    Afroasiatisch 354 311 347 Mio. Nordafrika, Naher Osten Afrika und NA

    Austronesisch 1.144 1.119 296 Mio. Philippinen, Malaysia, Indonesien, Madagaskar, Neuguinea, Ozeanien

    Indopazifisch

    Dravidisch 27 27 220 Mio. Sd- und Zentral-Indien; Nord-Indien; Pakistan

    Eurasien

    Turkisch 41 37 160 Mio. West- u. Zentralasien, Osteuropa, Nordost-Sibirien

    Eurasien

    Japanisch-Ryukyu 4 4 126 Mio. Japan, Okinawa Eurasien

    Austroasiatisch 157 156 95 Mio. Nordost-Indien, Sdostasien

    Eurasien

    Tai-Kadai 69 68 83 Mio. Sd-China, Sdostasien Eurasien

    Koreanisch 1 1 78 Mio. Korea Eurasien

    Nilosaharanisch 196 188 34 Mio. Afrika: Sd-Sahara-Zone, Sudan

    Afrika und NA

    Uralisch 31 28 24 Mio. Nordosteuropa, Ungarn, Ural-Gebiet, Westsibirien

    Eurasien

    Quechua 39 38 10 Mio. Peru, Ecuador, Kolumbien, Bolivien, Argentinien

    Sdamerika

    Weitere Folgen der ersten Mithridates-Phase: 6. Immer strker werdende 'Desemantisierung' grammatischer Kategorien (als Fortsetzung der modistischen Tradition), zugunsten der Beschreibung von Strukturbeziehungen (> Port Royal). Abbildung von ersten groen Technisierungserfahrungen. 7. Hinwendung zu Sprachursprungshypothesen (begrndet in humanistischer Mythos-Orientierung). 8. Abwendung von adamistischen Prinzipien: Skularisierung der Sprachauffassung 9. Beginnende Opposition: Deskriptive/normative Sprachbetrachtung (Einzelsprachen) vs. globale Sprachtheorie (in Port Royal zunchst harmonisiert), dialektische Reaktion: 'Kultur als Determinante' (Italien), beginnende 'ethnologische' Sprachbetrachtung. Ausgliederung der sprachwissenschaftlichen Tradition: Philosophisch Tradition (zum Teil neo-adamistisch) Deskripitive Tradition (Neo-Donatinisch) Prskriptive Tradition (Normierung; Edukativ) Enzyklopdisch-Sammler-Tradition ( la Mithridates) Beginnende Mechanisierungsdebatte ( Wolfgang von Kempelen 1791: "Mechanismus der menschliche Sprache nebst Beschreibung einer sprechenden Maschine")

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    Semantische/Semiotische Spekulationen (Francis Bacon, Thomas Hobbes, Berkeley, John Locke), mehr(Locke) oder minder (Bacon) nominalistisch [universalia post rem statt (idealistisch(~realistisch): universalia ante rem. Ausprgung von 'universalistischen' Deskriptoren (als universelle Metasprache), auf der Basis des 'Realismus' (Universalien sind 'gegeben' und nicht nur benamt), besonders Leibniz, Delgarno (ars signorum 1661), Wilkins (Essay towards a real character and a philosophical language 1668). Vgl. Eco "Die Suche nach der vollkommenen Sprache, Mnchen: Beck 1993). Universelle Objektsprache als Ziel (Leibniz und viele andere, e.g. Guillaume Postel (1510-1581): Hebrisch als Alpha und Omega, hnlich Gesner: Gessner: Vermutung, dass mit der Reduktion der Sprachvielfalt auf Griechisch, Latein und Hebrisch der 'Sndenfall von Babel' rckgngig gemacht wird, so etwa Conrad Gessner 1555:1v: Quemadmodum autem magna infelicitatis human pars fuit sermonis confusio: ita nostris temporibus donem uer diuinum & prclar felicitatis loco iudicare debemus, totum fer orbem terrarum tribus illis in cruce consecratis linguis, quas passim homines studiosi exercent, denu coniungi: atque harum cognitione non ea modo qu ad hominum commercia, quqe ad sapientiam humanam pertinent, sed pietatem et Deum innotescere. ["Immerhin, so, wie die Verwirrung der Sprachen zum groen Teil aufgrund des Unglcks der Menschen geschah, so mssen wir es auch als ein wirklich gttliches Geschenk und den Grund fr ein bemerkenswertes Glck ansehen, dass fast die ganze Welt vereint ist unter den drei auf dem Kreuz verewigten Sprachen, die gelehrte Menschen berall praktizieren. Und man erkennt durch das Wissen dieser Sprachen nicht nur das, was die Beziehungen zwischen den Menschen und das, was die menschliche Weisheit angeht, sondern auch Frmmigkeit und Gott (...)."; bersetzung: W.S.] Furor etymologicus: "wilde Jagd nach Etymologien" (Eco), e.g. Claude Duet 1613 (Thrsor de l'histoire des languegs de cet univers): Einschluss der 'Neusprachen' (linguae novae) in etym. Spekulation, dabei Rckfhrung auf Hebrisch (Hebrisch habe sich die Nhe zu den Dingen bewahrt). Vgl. auch Estienne Guichard: L'harmonie etymologique des langues (1606) mit Versuch, alle Lexeme aller Sprachen (soweit jeweils bekannt) aus dem Hebrischen abzuleiten) [Permutationen etc. in kabbalistischer Tradition, analog spter zu Fabre d'Olivier, Whorf etc.] Athanasuis Kirchner: Turris Babel 1679: Schpfungsgeschichte bis Babylon, dann 'Sprachgeschichte': Neo-Admaistisch, Kabbalistisch (Rabbi Becchai) Erste Stammbaum'formate': Hebrisch Fnf Dialekte Chaldisch Samaritanisch Syrisch Arabisch thipoisch Phnizisch

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    Grnde fr Sprachwandel nach Babylon: Verschiedenheit der Vlker und Mischung (Kreolisierung la Sabir) Migration Kriege und Seuchen Kolonisierung Klima (!) Dagegen 'Krise des Hebrischen' als lingua sancta, schon bei Joseph Justus Scaliger (d.J.) in Diatriba de europaeorum linguis 1599 mit 11 linguae matrices (= Sprachfamilien) als Ur-Muttersprachen, nur innerhalb, aber nicht miteinander verwandt. Wichtiger jetzt nicht 'Ursprache' selbst zu fixieren, sondern Sprachen zu klassifizieren, um das Gemeinsame und Verschiedene freizulegen. Verschiedenheit der Sprachen notwendig und Menschwerk, da die Vernunft nicht bei allen Vlkern gleich sei (Richard Somin, in: Histoire critique du Vieux Testament 1678) Hebrisch kann nicht Ursprache sein, da alle Sprachen sich entwickeln, also Hebrisch auch (Mric Casaubon in Dequatuor linguis commentatio 1650), analog Leibniz. Mit Wiederentdeckung von Lukrez (< Epikur's Brief an Herodot, nach Diogenes Laertius X 75) De rerum natura, hier V 1041-1090 beginnende 'biologistische' sensualistische Sicht von Sprache. Damit verbunden Frage, ob es pr-adamitische Wesen gab, bes. hypothesisiert fr China und Amerika, in bernahme arab. Traditionen (e.g. Geograph al-Maqdisi mit Bezug auf Sura 2,31) Formuliert von Isaac de La Peyre 1655 (Systema Theologicum ex prae-adamitarum hypothesi): Ausgangspunkt Paulus-Brief an die Rmer, kap. 5,14 "dennoch herrschte der Tod von Adam bis Mose auch ber die, welche nicht wie Adam durch bertreten eines Gebots gesndigt hatten; Adam aber ist die Gestalt, die auf den Kommenden hinweist." Polygenetische Hypothesen zum Sprachursprung. Die Grammatik von Port Royal ARNAULD, Antoine (1612-1994) [Logiker, Philosoph] LANCELOT, Claude (ca. 1615-1695) [Didaktiker] Arnauld, Antoine & Lancelot, Claude 1660, Grammaire gnrale et raisonne, contenant les fondements de l'art de parler, expliquz d'une manire claire et naturelle, les raisons de ce qui est commun toutes les langues et de leur diffrences principales et plusieurs remarques nouvelles sur la langue franaise . Paris: Port-Royal.

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    Grundlage: Jansenismus (Kloster von Port Royal) [Bischoff Cornelius Jansen, 1585-1638]

    Im Lehren wird dem Schler 'sichtbar' gemacht, was er wei (Plato's Mutmaungen ber das Erinnern). Wahrheit ist vorgegeben und muss ber Introspektion etc. erfahren werden.

    Sprachwissen ist vorgegeben und muss im Lernen 'erfahren' werden. [Universalismus]

    Philosophische Grammatiken gegen partikulare Grammatiken/Sprachbeschreibungen. Vgl. August Friedrich Pott 1863: "Gewi, es wre gar hbsch, wenn der Sprachphilosoph, mit einer allgemeinen oder nothwendigen Grammatik bequemsten Taschenformates in der Hand, und in dem angenehmsten Bewutsein, viele unbehlfliche Bcher, die nur von blo 'wirklichen' Sprachen reden, ohne groen Schaden fr sich unbercksichtigt lassen zu knnen, schon wie weiland As[in]us omnia sua secum portans, den ganzen Sprachkram wenigstens in sublimierter vergeistigter Gestalt mit sich herum trge! Er htte dann einiges Recht, auf uns arme geplagte Sprachforscher gewhnlichen Schlags, die wir uns durch ein unendliches Detail hindurchwrgen mssen, mit einer gewissen souvernen Verachtung herabzublicken. Gleichwohl ist es doch gar ein eigen Ding, mit dem, was ist, also auch mit den unzhligen Sprachidiomen der Wirklichkeit, gegenber dem, was decretis philosophorum zufolge, 'nothwendig' sein soll, ohne, beim Lichte besehen, in Wahrheit auch nur immer wirklich, wieviel weniger nothwendig zu seyn." August Friedrich Pott 1863. Zur Geschichte und Kritik der sogenannten Allgemeinen Grammatik. In: Zeitschrift fr Philosophie und philosophische Kritik, N.F. 43,102-141 und 185-245. [Rezension bes. zu Steinthal, Heymann 1855. Grammatik, Logik und Psychologie. Ihre Prinzipien und ihr Verhltnis zueinander. Berlin: Dmmler.]

    Wiederaufnahme der scholastischen W->D->S-Hypothese (modi der Abbildung), Zusammenfgung in sog. 'logisch-grammatischer Parallelismus'.

    Graud de Cordemoy: Discours physique de la parole (1677), Teil des Six discours sur la distinction et l'union du corps et de l'Ame (1666ff.): Keine mechanistische Erklrung von Sprache und ihrer Lautung mglich, sondern Inbeziehungsetzung von Ausdruck (Discours) als 'Krper' zu Semantik als 'Ame' ber generelle Faktoren. >>> Ausprgung der Phil.Gramm. besonders in Frankreich, England und Deutschland. Deutschland besonders zwichen 1700 und 1750, etwa 20 Autoren (mindestens), e.g. Philipp Christoph Graf 1769. Versuch einer allgemeinen Sprachlehre. Schwabach Johann Henrich Tnnies 1775. Grammatica universalis. Hamburg.

    Logizismus des Christian Wolff (1679-1754) geprgt, Prof. fr Mathematik und Philosophie in Marburg und Halle. Fixierung einer (philosophischen) Wissenschaftssprache Wissenschaft ist conubium (Ehe) rationis et experientiae

    Sprache als Zeichensystem 1703 Breslauer Dissertation Disquisitio philosophica de loquela (phil.Untersuchung zur Sprache)

  • 29

    Grammatikbegriff in deutscher UG-Tradition (1700-1750) noch relativ traditionell, basierend auf Klassik und Scholastik (Trivium) = oder ars, e.g. "ars quae rectam linguam formationem docet" (Jakob Carpov (1699-1768, Lehrer in Weimar) in meditatio philosophico-critica de lingua .... 1743. [Zerrissen zwischen Aufklrungstheologie und radikalem Wolffianismus] Sprache ist eine Fhigkeit (dexteritas), eine "Kunst, wie man recht reden und schreiben soll" (Israel Gottlieb Canz (1690-1753), Professor Gottlob Ernst Mller (Vita nahezu unbekannt, ~ 1710- ?) Delineatio grammaticae philosophicae universalis 1736 Sprache abgeleitet aus 'angeborerem Glcksstreben' > zoon politikon ~ socialiter vivere Sprache garantiert zoon politikon. loquela = Sprachfhigkeit vox (sprachl. Zeichen) lingua loqui a) loquela = facultas ideas in animo conceptas com aliis communicandi b) vox = lingua ex congerie sufficienti vocum apte compositarum constet (lingua besteht aus einer hinreichenden Menge von passend verbundenen Zeichen) c) loqui = konkretes Sprechen Grammatica est scientia vocum et compositionis earundem [Grammatik als Wissenschaft (meta), nicht mehr ars!] Aufgabe von Grammatik nicht die Beschreibung eines konkreten sprachlichen Phnomens oder Befunds, sondern Erklrung der Phnomene durch Zurckfhrung auf principia indubitata. Prinzipien sind angelegt in der allgemeinen Funktion der Wrter, Vorstellungen zu reprsentieren. Vorstellungen bilden Realitt und ihre Ordnung ab. Sprache illustriert UG, erklrt sie aber nicht! UG ist aprioristisch im Kantschen Sinne Kant: " allgemeine(n) Grammatik, die nichts weiter als die bloe Form der Sprache enthlt, ohne Wrter, die zur Materie der Sprache gehren." (Kant 1982:433f.)

  • 30

    Johann Heumann, 1711-1760, geadelt 1757 > Edler von Teutschenbrunn Jurist, bibliophiler Sammler, Professor fr Staatsrecht. Daneben sprachwissenschaftliche Interessen, hier der Aufsatz: Meditatio de grammatica universali. In: Opuscula quibus varia iuris germanici itemque historica et philologica argumenta explicantur. Nrnberg: Lochner 1747: 472-479 Kurzdarstellung auf 5 Seiten in 46 Paragraphen Ziel: Si ea investigemus quae plurimis linguis communia sunt, ad linguam aliquam universalem deducemur (p.473) 'Wenn wir untersuchen, was in vielen Sprachen gemeinsam ist, erfahren wir, was an der Sprache universal ist.'

    Universalien werden induktiv gewonnen > Sprachvergleich liefert 'Elemente' die in 'allen' Sprachen vorkommen. Korpus von Heumann: Latein, Giechisch, Hebrisch, Arabisch, Phnizisch, gyptisch (!), Dnisch, Deutsch, Englisch, Franzsisch, Italienisch, Spanisch, Russisch, Armenisch, Chinesisch, Persisch, Ungarisch.

    Analog schon Leibniz: "..., da die Gelehrten ebene in der Walisischen, Biscaischen, Slavnischen, Finnischen, Trkischen, Persischen, Armenischen, Georgischen und anderen Sprachen arbeiteten, um deren bereinstimmungen zu entdecken, was (...) besonders dazu dienen wrde, den Ursprung der Nationen aufzuklren. (...) Da die die Sprachen im Allgemeinen die ltesten Denkmler der Vlker noch vor der Schrift und den Knsten sind, so zeigen sie auch am besten den Ursprung der Verwandtschaft und Wanderungen an" (Leibniz, Neue Abhandlungen ber den Menschlichen Verstand)

    Die Neu-Entdeckung des Exotischen a) thiopisch: Reichshofrat Hiob Ludolf (oder Leutholf oder Job Ludolph), Geb. 24. Juni 1624 in Erfurt Medizin und Jura, widmete sich aber bald den verschiedensten Sprachen, vor allem denen des Orients. 1645 Leiden, um seine Studien zu vollenden. Er unternahm zahlreiche Reisen, Begrnder der thiopistik in Europa. Gest. am 8. April 1704 in Frankfurt am Main. Schler: Johann Michael Wansleben (1635-1679) Lexicon Aethiopico-Latinum ex omnibus libris impressis, et multis msstis contextum; accedit index latinus copiosissimus. 1. Aufl. London 1661 (Roycroft), hgg. von Johann M. Wansleben, 3 Teile: Wrterbuch der klassischen thiopischen Sprache (Ge'ez)

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    Lexicon Amharico-Latinum cum indice Latino copioso inquirendis vocabulis Amharicis in hoc opere contentis. Frankfurt am Main 1698 (Zunner). Erste Wrterbuch des Amharischen. b) Sanskrit: Erstmal nachgewiesen bei baskischem Jesuiten (Missionar in Goa) Francisco de Yasu y Xavier (1506-1522) [Franciscus Xaverius] Florentiner Kaufmann Filippo Sassetti (1683-1588 in Indien): Verweist auf hnlichkeiten der Sanksrit-Zahlwrter mit denen des Italienischen. Jesuit Johann Ernst Hanxleben (1680-173) (Disctionarium Malabaricum Samscridamicum Lusitanum), dazu erste europische Sanksrit-Grammatik. /Jeweils Manuskripte/ Missionar Benjamin Schultze, vergleicht 1725 Zahlwrter des Sanskrit mit denen des Lateinischen, Griechischen und Deutschen. Mnch/Bibliothekar/Antiquar in Berlin Maturin Veyssiere La Croze (1661-1739), war angeblich der erste, der die Verwandtschaft des Sanskrit mit dem Persischen andeutete. Jesuit G.L. Coeurdoux, mit umfangreicher Liste von Wortgleichungen (1767) Sanskrit Griechisch Latein (in einem Brief an Pariser Acadmie des Inscriptions er Belles-Lettres, gedruckt erst 1808)). Ursache fr hnlichkeit 'die ursprngliche Verwandtschaft der Inder, Griechen und Lateiner' (in Brief) /aber nicht unbedingt gemeint als 'genetische' Verwandtschaft, eher als Zusammengehen der Sprecher nach babylonischer Sprachverwirrung (Lehnbeziehungen) Ausgangspunkt fr Sanksrit-Philologie: Schaffung eines indischen Rechtstextes in Sanskrit durch Brahmanen (Pandits), gefordert von engl. Besatzung, erst ins Persische bersetzt, dann von Nathaniel Brassey Halhed (1751-1830) in Englische bersetzt: "A code of Gentoo laws, or, Ordinations of the pundits, from a Persian translation. made from the original, written in the Shanscrit language" (1776) 1778 franzsische und deutsche Versionen Einleitung informiert ber Sanskrit und ind. Kultur Frdert Interesse an Sanskrit Besonders in England: Sir Charles Wilkins (1750-1833) Lernt Sanskrit in Benares, erster Europer, der Sanskrit 'kann' Bhagavadgit Sir William Jones (1746-1794), 1783 Oberrichter in Kalkutta 'Beherrschte schlielich 28 Sprachen' 2. Februar 1786 Rede vor der von ihm gegrndeten 'Asiatick Sociecy' (> 'Asiatic Society of Bengal' seit 1839): On the Hindus:

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    Sanskrit stammt mit Griechisch und Latein von einer gemeinsamen Wurzel ab, die vielleicht nicht mehr existiert. Dazu (auch wenn Evidenz nicht so 'forcible') auch Gotisch und Keltisch ('blended with a very different idiom'), dazu 'Old Persian'. (1788:422-3) Kriterium der bereinstimmung: 'the roots of verbs and in the forms of grammar' Henry Thomas Colebrooke (1765-1837) Richter, spter 'Prof. of the Sanscrit Language' am College von Fort Williams in Indien U.a. Panini-Rezeption (1803, 1810), dann 1805 'A grammar of the Sanscrit language' c) Altgyptisch Neben Weiterleben antiker Lesarten bes. Jesuit Athanasius Kircher (1602-1680), bersetzte ein Koptisch-Arabisches Vokabular (mitgebracht von Pietro della Valle) Prodomus Coptus sive Aegytiacus (1636) Koptisch als wissenschaftlicher Gegenstand Kircher: Weitergehende Versuche der Deutung von Hieroglyphen Weitere Versuche von Joseph de Guignes (1721-1800), William Warburton (1698-1779) und Carsten Niebuhr (1733-1815) 1799: Entdeckung des Steins von Rosetta durch franz: Soldaten bei Schanzarbeiten in Rosetta Griechisch/Demotisch/Hieroglyphische Trilingue Nur kleiner Teil des Hieroglyphischen erhalten Inhalt: Dekret zu Ehren des Knig Ptolemus Epiphanes (196 v.Chr.) Stein von Rosetta wurde von Englndern 'erobert', Kopie ging in Hnde des franz. Orientalisten Silvestre de Sacy. Vergebliche Versuche von de Sacy, bergab die Kopie an den schwedischen Diplomaten kerblad in Paris, orientalistischer Privatgelehrter. In zwei Monaten schaffte kerblad demotische Namen und Wrter fr 'Tempel' und 'Griechen' zu identifizieren, hatte aber 'alphabetische Hypothese' (< Koptisch) Publiziert 1802 in 'Lettre Mr. de Sacy' Parallelisierung Demotisch-Hieroglyphisch durch Thomas Young (Begrnder der Theorie des Lichts) 1814-16. Konzentrierte sich auf Kartuschen > Knigsnamen Jean Franois Champollion, geb. 23.12.1790 (Figeac), gest. 4.3.1832 (Paris) Mit 12 Jahren Hebrisch und Arabisch, massiv orientalisierend, untersttzt von seinem Bruder Jacques Joseph Champollion-Figeac. Student in Grenoble -> Alte Geschichte, Koptisch etc. Mit 18 Jahren Professor in Grenoble, als Republikaner 19815 entlassen, 1816 Schulmeister in Figeac, 1817-20 wieder in Grenoble (Bibliothekar); Flucht nach Paris.

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    29. September 1822: Vortrag an der Akademie: Lettre M. Dacier relative l'aphabet des hirogylphes phontiques. 1824: Prcis du systme hiroglyphique. d) Indianische Sprachen Besonders Lorenzo Hervs y Panduro (1735-1809) Bis zur Vertreibung der Jesuiten aus Sdamerika (1767) in Mission, spter Bibliothekar im Quirinal in Rom. Sammelte Aufzeichnungen anderer Missionare zu Sprachen und Kulturen Grammatiken und lexikalische Sammlungen 1784: 17. Band einer 21-bndigen Enzyklpdie: Catalogo delle lingue conoscute e notizia della loro affinit e diversit, daraus 1800-1805 sechsbndige Version (Spanisch) Catlogo de las lenguas de las naciones conocidas y numeracin, divisn, y clases de estas segn la diversidad de sus idiomas y dialectos Grammatiken und lex. Listen von ~ 300 Sprachen Band I (Indianersprachen) Band II (Indischer und Pazifischer Ozean) Band III (Asien) Band IV-VI (Europa) Schaffte erste umfassende Klassifikation der amerinden Sprachen e) Persien/Babylonien (u.a. Carsten Niebuhr, Georg Friedrich Grotefend (* 9. Juni 1775 in Hann. Mnden; 15. Dezember 1853 in Hannover): Entzifferer der Keilschrift. 1797 Kollaborator der dortigen Stadtschule 1803 wurde er Prorektor, spter Konrektor des Gymnasiums in Frankfurt am Main 1821 Direktor des Lyceums in Hannover f) Indogermanistik Johann Christoph Adelung (1732-1806), deutscher Grammatiker und Verfasser des Mithridates oder allgemeine Sprachenkunde mit dem Vater Unser als Sprachprobe in bey nahe fnfhundert Sprachen und Mundarten (Berlin 1806-1827, 4 Bnde, Band 2-4 von Johann Severin Vater (1771-1826)) Von Leibniz etc. angeregte Universalglossar-Tradition, Adelung: Schon 1781 eine Schrift ber den Ursprung der Sprachen und den Bau der Wrter, besonders des Deutschen Explanativ eine Mlange aus Sprachkontakt-Erklrungen (E.g. Deutsch-Persisch aus Zeit der Vlkerwanderung) und Urverwandtschaftshypothesen. Die Etablierung der historischen Sprachwissenschaft: Die Brder Schlegel etc.

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    e) Indogermanisch: Preisfrage der Kniglich Dnischen Gesellschaft der Wissenschaften (1813): "Mit historischer Kritik zu untersuchen und mit passenden Beispielen zu erlutern, aus welcher Quelle die alte skandinavische Sprache am sichersten hergeleitet werden kann; den Charakter der Sprach und das Verhltnis anzugeben, worin sie seit den lteren Zeiten und whrend des Mittealters teils zu nordischen, teils zu germanischen Dialekten gestanden hat; und die Grundstze genau zu bestimmen, worauf alle Herleitung und Vergleichung in diesen Sprachen aufgebaut werden muss." Rasmus Kristian Rask (1787-1832): Undersgelse von det gamle Nordiske eller Inslandske Sprogs Oprindelse (1814 eingereicht) Erschien erst 1818. Zwischenzeitlich (1816) erschien in Frankfurt Franz Bopp (1791-1867): ber das Conjugationssystem der Sanskritsprachen in Vergleichung mit jenen der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache. Nebst Episoden des Ramajan und Mahabharat in genauen metrischen bersetzungen aus dem Originaltexte und einigen Abschnitten aus den Veda's.

    Historisierung der Sprachwissenschaft im Gefolge der (Frh-)Romantik. Basis: Die 'Entdeckung der Geschichte' Mythisierung der literarischen/sprachlichen Welt (logos-Mystik / Sprachhumanismus) Auflsung des regelbasierten Modells sprachlichen Tuns (Anti-Klassik) Fremde Kulturtraditionen als exotische Modelle (Indien, Altgypten, Indianisch) Volkssprache als Evidenz (Herder) Mythos als Ersatz fr christliche Begrndungszusammenhnge Sprache als 'geistiger' Ausdruck eines kollektiven Mythos Sprache ist apriori-Bedingung fr Erkennen der Welt Nationalisierung der Sprache (Humboldt) (Vorratshaus-Metapher) Johann Georg Hamann Knigsberg 27.8.1730 Mnster 21.6.1788 Johann Gottfried Herder (seit 1802 'von') Mohrungen 25.8.1744 Weimar 18.12.1803 Friedrich Wilhelm Christian Karl Ferdinand Freiherr von Humboldt (22.6.1867 (Potsdam) 8.4.1835 (Tegel)

    [vgl. dazu ausfhrlicher: http://www.lrz-muenchen.de/~wschulze/BB/swgbb.pdf , Seiten 109-122].

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    Teil IV Geschichte der Sprachwissenschaft 1800-1900

    Historismus und die 'Wiederentdeckung des Signifiant'

    Grundlage: 'DENKEN' Signifi Signifiant Klassische Sprachphilosophie: Gegenstandsbereich vor allem die Beziehung von 'Denken' (Kognition) und sprachlichem signifi ('Begriff'). Signifiant nur Hilfsmittel, um diese Beziehung aufzudecken. Mithridates-Phasen bewirken Wahrnehmung der 'Ausdrucksvarianz' (signifiant).

    Relativismus: Varianz im Ausdruck (signifiant) reflektiert Varianz im signifi und damit Varianz in der Kognition.

    FORMA FORMANS statt FORMA FORMATA 'Energeia' statt 'ergon': sagt er nmlich: "Sie selbst (die Sprache) ist kein Werk (Ergon), sondern eine Ttigkeit (Energeia)." W.v. Humboldt, ber die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues". Vgl. Percy Bysshe Shelley (17921822) Nymphe Asia: He [Prometheus] gave man speech, and speech created thought, Which is the measure of the universe; "Prometheus Unbound: A Lyrical Drama In Four Acts" 2. Akt, Szene 2,4: 72-73 Die Entdeckung der 'Geschichte': Geologie

    Dnischer Arzt und Naturforscher Niels Stensen (Nicolaus Steno) (1638 - 1687)

    Zeichnete erstes geologische Profil (Toskana) stratigrafische Prinzip. 'Was unterhalb liegt, ist lter'.

    Anordnung im Raum = Abfolge in der Zeit Geologie und Fossiliensamlung Teil der brgerlichen Allgemeinbildung im 18. Jh. Kombination von traditionellem Wissen der Bergleute und theoretischen Modellen. Geologische Kartierung Englands durch den Vermessungsingenieur und Kanalbauer William Smith (1769 - 1839) Geschichte als Bestimmung nationaler Identitten. Basierend u.a. auch Giambattista Vico (1668-1744): Die Ursprnge der Nationen liegen in einem gttlich-heroischen Zeitalter. Friedrich Schlegel (1772-1829) [Kulturphilosoph, Philosoph, Kritiker, Literaturhistoriker und bersetzer+, Bruder von August Wilhelm Schlegel, Vertreter der Jenaer Frhromantik+: NB: Sanskrit = Ursprache, von der Griechisch, Lateinisch, Persisch und Gotisch abstammen sollen (ber die Sprache und Weisheit der Indier, Kln 1808).

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    Prgung (?) des Begriffs Historismus (1797) Winckelmann's Historismus (17171768), deutscher Archologe) Mit der 'Entdeckung' des Sanskrit (bes. Sir William Jones (1746-1794) und anderer antiker Sprachen wurden 'ltere Sprachschichten' sichtbar. Dazu: Auflsung von Kirchengtern infolge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 macht Texte in Klstern usw. zugnglich(er).

    Entdeckung des Mittel- und Althochdeutschen etc. Folge: 'Diachrone Mithridates-Phase' Fr. Schlegel: "Jener entscheidende Punct aber, den hier alles aufhellen wird, ist die innre Struktur der Sprachen oder die vergleichende Grammatik, welche uns ganz neue Aufschlsse ber die Genealogie der Sprachen auf hnliche Weise geben wird, wie die vergleichende Anatomie ber die hhere Naturgeschichte Licht verbreitet wird" (1808:28).

    Formuliert einige 'Buchstabenbergnge' vom Lateinischen zum Spanischen bzw. Deutschen = erster Schritt hin zu Lautgesetzen August Wilhelm Schlegel 1816: ber das Conjugationssystem der Sanskritsprache in Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache. Nebst Episoden des Ramajan und Mahabharat in genauen metrischen bersetzungen aus dem Originaltexte un einigen Abschnitten aus den Veda's. Herausgegeben und mit Vorerinnerungen begleitet von Dr. K. J. Windischmann. Schon Johann Christoph Adelung (1732-1806) [Bibliothekar, Germanist] Aelteste Geschichte der Deutschen, ihrer Sprache und Literatur bis zur Vlkerwanderung. (Leipzig 1806) Mithridates oder Allgemeine Sprachenkunde. T. 1-4. Mit dem Vater Unser als Sprachprobe in bey nahe fnfhundert Sprachen und Mundarten. Fortges. u. bearb. von J. S. Vater. Berlin: Vo 1806-17.

    Kurzer Begriff menschlicher Fertigkeiten und Kenntnisse so fern sie auf Erwerbung des Unterhalts, auf Vergngen, auf Wissenschaft, und auf Regierung der Gesellschaft abzielen. Fr Realschulen und das brgerliche Leben, 4 Teile. Leipzig 1778-1781. "Ohne eine genaue Kenntni des Stufengangs, welchen eine Nation in dem Baue und der Bildung ihrer Wrter von dem ersten Ursprunge ihrer Sprache an, bis zu ihrer hchsten Verfeinerung beobachtet hat, wird in keiner Sprache eine ertrgliche Sprachlehre zustanden kommen." (Bd. III,p.232). Jacob Grimm (1785-1863): Deutsche Grammatik (1819):

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    Ziel: Den Beweis zu erbringen, "da und wie alle deutschen Sprachstmme innigst verwandt und die heutigen Formen unverstndlich seyen, wo man nicht bis zu den vorigen, alten und ltesten hinaufsteige, da folglich die gegenwrtige grammatische Structur nur geschichtlich aufgestellt werden drfe" (Kl.Schriften, 16). Jacob Grimm in Beilage Nr. 27 zu Kasseler Allgemeinen Zeitung vom 1. September 1838 zur Kritik an Adelungs Versuch eines vollstndiges grammatisch-kritischen Wrterbuches der Hochdeutschen Mundart, mit bestndiger Vergleichung der brigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen (5 Bd., Leipzig 1774-1786). "Das Wrterbuch Adelungs, des unter allen Vorgngern allein nennenswerthen, ist weit hinter der Flle des Materials zurckgeblieben und ruht auf keiner ausreichenden Grundlage, die, wie sich von selbst versteht, nur eine historische sein kann". Idealisierung des Berufsbildes des Ingenieurs, der die Praxis der Theorie symbolisiert. Erneute 'Technisierung der Sprachwissenschaft'

    Empirismus (Bacon, Hobbes, Locke, Berkeley, Hume, John Stuart Mill (1806-1873))

    Grundlage der Erkenntnis liegt in der (Sinnes-)Erfahrung von Gegenstnden und Phnomenen. Richtiger 'Vernunftgebrauch' kann diese ordnen und kann induktive Schlsse daraus ziehen.

    Sprache existiert an sich und fr sich, d.h. ist OBJEKT. Idealismuskritik nach dem Tod von Hegel (1831) Vgl. Sren Kierkegaard (1813-1855), patrizischer Privatier: Kritik des abstrakten Denkens; Prioritt der 'positiven' Existenz der begrifflichen Essenz (im Wesen) -> Individuierung der Existenz: "Was ist abstraktes Denken? Es ist das Denken, bei dem es keinen Denkenden gibt... Was ist das konkrete Denken? Es ist das Denken, bei dem es einen Denkenden gibt..." Konkretisierung und Bezug zu Naturwissenschaften: August Friedrich Pott (1802-1887)

    Anti-Kaulen: Oder mystische Vorstellungen vom Ursprung der Vlker und Sprachen, 1863 Bezug: Franz Kaulen (Theologe): Die Sprachverwirrung zu Babel. Linguistisch-theologische Untersuchungen ber Gen XI 1-9. Bonn 1861. "Im schroffen Gegensatze zu der Linguistik neuen Stils" (p,.65) "(...) diese Lautverschiedenheit, obwohl sie im hheren Sinne von der Theorie als Zuflligkeit anerkannt werden muss, steht und bildet sich unter Naturgesetzen,

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    vorzglich dem der der physiologischen Lautverwandtschaft" (Pott 1833:XXVI) [Etymologische Forschungen] "(...) selbst im blossen Buchstaben [herrscht] nicht wie [es] sonst nirgends in der Sprache der Fall ist [...] die Gesetzlosigkeit frecher Willkr [...], sondern vernnftige Freiheit, d.h. Einschrnkungen durch selbsteigene, in der Natur der Laute begrndete Gesetze" (Pott 1833:XII) [Etymologische Forschungen] Verstrkung des Historismus durch Biologismus und Evolutionstheorie "Die Sprachen sind Naturorganismen, die ohne vom Willen des Menschen bestimmbar zu sein, entstunden, nach bestimmten Gesetzen wuchsen, und sich entwickelten und wiederum altern und absterben." (August Schleicher, Die Darwinsche Theorie und die Sprachwissenschaft. Weimar 1863:6) Vgl. Charles Darwin (1809-1882): On the origin of species by means of natural selection, or the preservation of favoured races is struggle for life (1859) [Ergebnisse seiner Bebobachtungen am dem Vermessungsschiff BEAGLE 1831-1836). Verffentlichung motiviert durch die Publikation von A.R. Wallace (1823-1913) "ber die Neigung der Varietten unbegrenzt von den ursprnglichen Typus anzuweichen" (1858)

    Morphologische (formale) hnlichkeit wird aus einer historischen Perspektive erklrt

    Deszendenzlehre - Phylogenetik

    Abgrenzung von wesentlichen und unwesentlichen Merkmalen Vgl. dialektische Oppositionslehre Hegels:

    Jede These birgt in sich schon ihre Antithese, beide werden in der Synthese aufgehoben.

    Funktionsbegriff, e.g. [bertragen]: Der Laut [b] ist dann /b/, wenn er in sich schon die Antithese (e.g. [p]) birgt, beide aufgehoben in /b/ bzw. /p/.).

    Hierarchische Systeme der abgestuften hnlichkeit (Bauplne -> Typen: Organisationstypus = Strukturmodell des Merkmalkomplexes, der allen Gliedern eines Typs gemeinsam ist). Aber Residuen der romantischen 'panta rhei-Perspektive': "Auch suche man in Sprachen keine Gesetze, die festeren Widerstand leisten als die Ufer der Flsse und Meere" (Bopp 1836:15, in Vocalimus oder sprachvergleichende Kritiken ber J. Gramm's deutsche Grammatik und Graff's althochdeutschen Sprachschatz. Berlin)

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    Lautwandel nicht 'gesetzlich': "Die Lautverschiebung erfolgt in der Masse, tut sich aber im einzelnen niemals rein ab; es bleiben Wrter im Verhltnis der alten Einrichtung stehn, der Strom der Neuerung ist an ihnen vorbeigeflossen" (Jacob Grimm, Dt.Gram, p.590) [Angelehnt an Jakob Hornemann Bredsdorff , Germanist (1790-1841) 1821. [ber die Ursachen der Sprachvernderung]

    Nach Grimm Naturalisierung der Sprachwissenschaft (die Entdeckung des Sprechers und der lebenden Sprachen)

    Rudolf von Raumer (1815-1876), Germanist, Phonetiker/Orthograph, Kritiker von Grimm; 1837: Die Aspiration und die Lautverschiebung. Eine sprachgeschichtliche Untersuchung.

    Gesetzmigkeit des Lautwandels bedingt durch physiologische Natur der Sprechorgane und ihre Entwicklung (Notwendigkeit der Systematisierung von 'Lauten')

    Lauteigenschaften knnen nicht ber 'tote' sondern nur ber 'lebende' Sprachen erfasst werden.

    Andreas Schmeller (1785-1852): Betont Wert der Sprache der 'unteren Schichten', die oft sprachliche Elemente enthalten, die in der Sprache der hheren Klassen nicht vorhanden sind. 1821: Die Mundarten Bayerns grammatisch dargestellt. 1827-37: Bayerisches Wrterbuch August Schleicher (1821-1868) "Dass wir hier unter Sprachvergleichung nur die wahrhaft vernunftsgemsse historische Sprachbetrachtung meinen, nicht jene aller getzmssig-geschichtlichen Entwicklung spottende Wortspielerei, versteht sich von selbst" (ber den Wert der Sprachvergleichung, 1850). Kulminiert in: "Aller lautwandel, so weit er mechanisch vor sich geht, vollzieht sich nach ausnahmslosen gesetzen, d.h. die richtung der lautbewegung ist bei allen angehrigen einer sprachgenossenschaft, ausser dem fall, dass dialektspaltung eintritt, stets dieselbe, und alle wrter, in denen der der lautbewegung unterworfene laut unter gleichen verhltnissen erscheint, werden ohne ausnahme von der nderung ergriffen. (Hermann Osthoff und Karl Brugmann, Morphologische Untersuchungen auf dem Gebiete der indogermanischen Sprachen. 1878-1890:XIII (Junggrammatisches Manifest). Vgl. Aktualismus in der Geologie (Charles Lyell (1797-1875): Ursachen der Vernderung auf der Erdrinde waren in frheren Zeiten die gleichen wie heute: Die Erde hat ihre heutige Gestalt ber fortlaufende, analoge Prozesse erhalten. Vertreter der frhen Phonetik (Auswahl):

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    Hart, John (c. 1501-1574) Bullokar, William (c. 1531-1609) Madsen Aarhus, Jacob (1538-1586) Montanus, Petrus (1594/5-1638) Wilkins, John (1614-1672) Wallis, John (1616-1703) Holder, William (1616-1698) Dalgarno, George (c. 1619-87) Lodwick, Francis (1619-1694) Cordemoy, Geraud de (1626-1684) Cooper, Christopher (c. 1655-1698) Amman, Johann Conrad (1669-1730) Kate Hermansz, Lambert ten (1674-1731) Steele, Joshua (1700-1791) Brosses, Charles de (1709-1777) Sheridan, Thomas (1719-1788) Kratzenstein, Christian Gottlieb (1723-1795) Walker, John (1732-1807) Kempelen, Wolfgang von (1734-1804) Jones, Sir William (1746-1794) Spence, Thomas (1750-1814) Duponceau, Pierre Etienne (1760-1844) Thelwall, John (1764-1834) Grimm, Jacob Ludwig Carl (1785-1863) Rask, Rasmus Kristian (1787-1832) Bredsdorff, Jakob Hornemann (1790-1841) Lepsius, Carl Richard (1810-1884) Pitman, Sir Isaac (1813-1897) Ellis, Alexander John n Sharpe) (1814-1890) Raumer, Rudolf von (1815-1876) Bell, Alexander Melville (1819-1905) Brucke, Ernst (1819-1891) Armstrong, Lilias Eveline (1822-1937) Storm, Johan (1836-1920) Bell, Alexander Graham (1847-1922) Boyanus, Simon Charles (1871-1952)

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    Die Deskription der basalen Einheiten der signifiant-Ebene Organik: [Kurzfassung, siehe ausfhrlicher http://www.lrz-muenchen.de/~wschulzeWS0708/gkphon.pdf]

    Alle in speech involvierten Organe sind nicht-spezialisierte Krperstrukturen, d.h. nur in ihrer (gekoppelten) Ausprgung sprachrelevant. Wesentlich: Sprachbezogene Organik stellt keinen life support im engeren Sinne dar. Basiert aber auf life support des respiratorischen Systems. Basis: Organe und Organbasen: Lunge Trachea Larynx (Kehlkopf mit Stimmbndern [sowie - funktionell - Glottis])

    Subglottal

    Supraglottal Pharynx Uvulum Weicher Gaumen (Velum) Harter Gaumen (Palatum) Zunge Zhne Lippen Nasenraum Subglottal: Respiratorisches System (Energiequelle) Supraglottal: Phonetische Spezifikation (i.d.R.) LARYNX (Kehlkopf) Basisfunktion: Protektion des Luftrhrentrakts vor Aufnahme von Partikeln etc. (> Ableitung in den sophagus (Speiserhre)). Larynx ist verbunden mit Lungen ber Luftrhre (Trachea) (11 cm lang, 2,5 cm ). Larynx besteht aus Knorpelsystem, wobei die Knorpel sich z.T. zueinander bewegen knnen. Genauer: Kranialer (kopfbezogener) Teil der Luftrhre mit der Doppelfunktion Pfrtner der unteren Luftwege Apparat der Stimmbildung Besteht aus: Gerst von Knorpeln Verbunden durch Gelenke, Bnder und Membranen (beweglich zueinander)

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    Stellung der Knorpel und Spannung der Bnder werden durch quergestellte Kehlkopfmuskeln reguliert. Kehlkopfhhle ist durch Schleimhaut ausgekleidet zwei Paar sagittal (in Pfeilrichtung) gestellte Falten Obere Plica vestibularis (Taschenfalte) Untere Plica vocalis (Stimmfalte) mit Plattenepithel, in der das Stimmband (ligamentum vocale) und der Musculus vocalis liegen.

    Epiglottis (Kehlkopfdeckel) Os hyoideum (Zungenbein) [mit lig. hyoepiglotticum] Bnder Knorpel (cartilago) Lig. vocale Conus (Kegel) elasticus Knorpel Kehlkopf (Ausschnitt) Stimmband (vereinfacht, von oben): Epiglottis Lig.vocale Respirationsstellung Phonationsstellung Glottis

    Glottis: 17-22 mm (males) - 11-16 mm (females); Grenunterschied prgt sich in Pubertt aus (Teil (!) des Stimmbruchs! Verlngerung des lig. voc. um 10 mm bei males, um 3-4 mm bei females).

    Phonation ("kontrollierte Stimmtonerzeugung durch die im Kehlkopf befindlichen Stimmlippen") ergibt sich durch das stndige ffnen/Schlieen der Glottis.

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    Laustrke: Qualifiziert durch PSg. Hhe (pitch): Perzpetives Korrrelat zur Zahl der Vibrationen der Stimmbnder: Relevant: Psg (moderat); Lnge, Spannung und Masse der Stimmbnder (und ihre Manipulation); Timbre: Lnge der ffnung pro Zyklus (Zyklus: Geschlossen - Offen - Geschlossen); Zustzlich bestimmt durch Geschwindigkeit des Luftstroms; Glottale Modi: Inspiration: Global weite ffnung Phonation: Durchgngiges ffnen/Schlieen des Gesamtbereichs Flstern: Durchgngiger Verschlu des oberen Bereichs der Glottis (keine Vibration), kleiner unterer Bereich bleibt konstant offen; Breathy: Wie Flstern, aber mit Vibration; Falsetto: Lngung der Stimmbnder, sonst wie Phonation; Creaky: Verkrzung der Stimmbnder, sonst wie Phonation. Inspiration Phonation Flstern Breathy Creaky Falsetto

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    PHARYNX (Rachen) - Passive Region / nur durch Aktivitten der Umgebung modifiziert. Von Muskeln geformter Hohlraum, ungefhr 12 cm lang. zwischen Glottis und Schdelbasis. Drei funktionale Regionen: Laryngo-Pharynx Oro-Pharynx Naso-Pharynx Naso-Pharynx Velo-pharyngale ffnung Oro-Pharynx Laryngo-Pharynx Epiglottis Glottis

    Laryngo-Pharynx (Glottis bis Epiglottis) kann modifiziert werden durch muskulre Verbindung zwischen Zungenbein und Zungenkrper; dazu Auf-und-Abbewegungen des Kehlkopfs; Oro-Pharynx (Bereich zwischen Epiglottis und Uvulum); wesentlich ist Modifikation des Raums zwischen Epiglottis und Rachenwand (20 mm bei front vowels bis 5-6 mm bei back vowels); Naso-Pharynx: Weicher Gaumen bis Nasenraum: Modifiziert durch Hebung des weichen Gaumens / Uvulums.

    Velum (Segel) Velum = weicher Gaumen: Fortsetzung des Dachs der Mundhhle, hinter dem Knochenbereich des harten Gaumens

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    Flexibles Blatt von Bndern und Muskelfasern, das im Uvulum (Zpfchen) endet.

    Velum

    Velopharyngaler Zugang

    Uvulum

    In Anhebung des Uvulums erfolgt ein Abschluss hin zum Nasenraum: Verschluss des velopharyngalen Zugangs. Drei Muskelaktivitten: Hebung des Velums (ber den levator palatine, untersttzt vom Uvularen Muskel) Verbreiterung / Vergrerung des Velums (Streckung) mittels Palatalem Spanner (Palatal Tensor) [Muskel]: Senkung des Velums durch Palatoglossus und palatopharyngale Muskeln. Palatopharyngale Muskeln sind gekoppelt mit Larynx: Wenn Larynx stabil und Muskel kontrahiert, wird Velum gehoben. Wenn Velum stabil und Muskel kontrahiert, wird Larynx gehoben.

    In der Produktion von Vokalen wird Velum angehoben, um Luftstrom durch die Mundhhle zu lenken (> oral) Oder: Velum wird gesenkt Luftstrom geht sowohl durch Nasenhhle als auch Mundhhle (> nasalisierte Vokale) Nasenraum Typischerweise 10cm lang (von Pharynx bis Nasenflgel) Vorne geteilt durch das Septum (Zaun, Schranke = Scheidewand) Komplexe Struktur ohne muskulre Bindung (Aunahme: Nasenflgel)! Kontrolliert indirekt durch Velum-Aktivitten.

  • 46

    Mundhhle:

    Nasenhhle Velum Lippen Uvulum Zhne Kiefer Blatt Rcken (Dorsum) Spitze Zunge Epiglottis Larynx

    Funktionaler Grundaspekt: Modifikation der Geometrie der Mundhhle zur Beeinflussung des Luftstroms. Grenzen: Palatoglossaler Muskel -> Lippen (horizontal) Zungenboden und Muskeln des Zungenbeinbereichs -> Palatum Palatum O Lippen V H Palatoglossus / Uvulum U Zunge(nboden) / Zungenbein

  • 47

    Oberer Bereich: Vord.-Palat. Palat. Velum Alveolen Uvulum Lippen Zahn Lippen (aktiv mobil) [labial] Zhne (immobil) [dental] Alveolen (Zahndamm) (immobil) [strukturierte Membrane] Palatum (harter Gaumen) (immobil) [Membrane/Haut], endet mit Ende des Kieferknochens Velum (weicher Gaumen) mit Uvulum (aktiv mobil) Seitlich begrenzt durch Backenzhne (immobil) Backen (passiv mobil) Zunge Wesentlichster Faktor der Varianz in der Mundhhlengeometrie Muskelkomplex, der am Zungenbein verankert ist. Muskelbewegung erfolgt a) intrinsisch (ber den Zungenmuskel selbst, aktiv) > Zungenform b) extrinsisch (ber mit dem Zungenmuskel gekoppelte Muskeln, passiv). > Lokalisierung / Form

    Zunge Palatoglossus

    Styloglossus

    Genioglossus Hyoglossus

  • 48

    Zungengliederung: Blade Dorsum Corpus linguae Tip Radix linguae Apex linguae Zungenbein Intrinsisch vor allem vier Muskeltypen: Longitudinal superior: Krzung der Zunge, Hebung der vorderen Rnder Longitudinal inferior: Senkung der Spitze und Krzung der Zunge Tranversal: Lngung / Verengung der Zunge, Furchung Vertikal: Flchung und Breitung der Zunge Log. sup. Transvers. Vertik. Log. inf. Zungenbein Beachte: Zungen- und Lippenbewegung ist nicht notwendigerweise gespiegelt (kolateral), kann auch unilateral erfolgen!

    Lippen Vordere Begrenzung der Mundhhle Bestehen aus Muskeln, Membranen und Haut. Funktional eine Einheit, daher sind Lipennbewegungen oben/unten miteinander gekoppelt. Bewegungstypen: ffnen Einziehen Schlieen Spreitzen Ein- ziehen Spreitzen Schlieen Vorstlpen ffnen

  • 49

    Kiefer Sekundre Funktion: Bei Strung keine relevanten Einschrnkungen der Artikulation. Doppelfunktion: Verankerung relevanter Muskelstrnge Manipulation des ffnungsgrads des Oraltrakts

    Artikulationsorte: Generell vs. speziell (Ausschnitt)

    Labial Bilabial

    Labiodental

    Coronal

    Apical

    Apico-dental

    Apico-alveolar

    Apico-postalveolar

    Apico-palatal

    Laminal

    Linguo-labial

    Interdental

    Lamino-dental

    Laminal-alveolar

    Lamino-postalveolar

    Lamino-palatal

    Sublaminal Sublamino-palatal

    Lateral Lateral

    Dorso-palatal

    Dorsal Dorso-velar

    Dorso-uvular

    Radical Pharyngeal

    Epiglottal

    Laryngeal Glottal

    [Coronal = vom Zahnkranz (corona = Kranz) umgeben] Basale Artikulationsweisen (Auswahl): Approximative Starke Engebildung Aspirated Grerer (pulmonischer) Luftstrom Breathy voiced Vibration der Stimmbnder ohne Kontakt (+ Luftstrom) / Murmur /MA Creaky Vibration der Stimmbnder mit gepreten Ary(tenoid)Knorpel Egressive Luftstrom nach auen Fortis Starker Psg /Psupragl Fricative Mittlere Engebildung Ingressive Luftstrom nach innen Lenis Schwacher Psg / Psupragl Nasal Velarer Verschlu mit nasalem Luftstrom Rhotic Dynamische Zungenbewegung / Tap / Flap / Thrill Slack voice Geringe Vibration der Stimmbnder, schwacher Luftstrom

  • 50

    Stop Verschlubildung Thrill Vibrierendes ffnen/Schlieen (z.T. approx). Voiced: Regulre Vibration der Stimmbnder Voiceless: Keine Vibration der Stimmbnder Co-articulation (Auswahl) Labial Engebildung, Verschlubildung Velar Engebildung, Verschlubildung Pharyngeal Engebildu