Upload
others
View
7
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 1
Grundrechte des GG (s. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG)
• Subjektive Rechte des Einzelnen im Staat mit Verfassungsrang.
• d.h.:
o „Die Grundrechte“ (1. Abschnitt des GG – aber nur Vermutungs- wirkung, s. Art. 7, 18 GG)
o sonstige Rechte des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG: „grundrechtsgleiche
Rechte“, aber nur, soweit sie auch solche Rechte enthalten (s.
Art. 33 Abs. 4 GG)
o andere Verfassungsgarantien nicht (s. z.B. Art. 21 GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 2
Grundrechtsträger:
• Natürliche Personen (s. Art. 1 I, 3 I GG: „Mensch“) – alle Menschen sind
Grundrechtsträger, auch wo dies nicht explizit steht
• Juristische Personen (s. Art.19 III GG) – juristische Personen sind Grund-
rechtsträger, soweit das jeweilige Grundrecht „seinem Wesen nach“ auf
die juristische Person anwendbar (str.)
• Probleme:
o Minderjährige (Grundrechtsmündigkeit – Prozessfähigkeit bei Ver- fassungsbeschwerde)
o Ungeborene: Grundrechtsfähigkeit des nasciturus
o Verstorbene
• Differenzierung: Menschenrechte – Deutschenrechte (Art. 8, 9, 11, 12, 33,
38 GG):
o Vermutung für den menschenrechtlichen Charakter (Regel- Ausnahme-Verhältnis)
o Sonderregelungen bei EU-Bürgern
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 3
Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen
(s. Art. 19 Abs. 3 GG)
• Grundrechtsträgerschaft von juristischen Personen im bürgerlich-
rechtlichen Sinne (Wdh.: Was ist eine jP ?) und darüber hinaus von
teilrechtsfähigen Personenzusammenschlüssen, soweit deren
Teilrechtsfähigkeit reichen kann – zudem: Parteien, Gewerkschaften
• „inländische jP“: Sitz im Inland; jP aus anderen EU-Staaten müssen
gleichgestellt werden
• soweit die Grundrechte „ihrem Wesen nach“ anwendbar sind (str.)
=> dabei kommt es auf den Schutzbereich an
• jP des öffentlichen Rechts: Grundsatz => keine Grundrechtsträgerschaft;
Ausnahme ist, wenn ein Grundrecht einer jPöR ausdrücklich Grundrechte
zuweist: Art. 5 Abs. 1 S. 2 (Rundfunk); Abs. 3 (Uni) (aber jeweils nur
diese, nicht sonstige Grundrechte!); wenn eine jPöR nur formell diese
Stellung trägt, aber nicht Teil der Staatsgewalt ist (Kirchen gem. Art. 137
Abs. 1 WRV); Art. 101, 103 GG (da allgemein anerkannte Grundlagen
des Rechtsstaats)
Rechtsprechung zur Nachbereitung
• BVerfGE 21, 263 (Grundrechtsfähigkeit jPöR)
• BVerfGE 15, 256 (zu Universitäten und Fakultäten); BVerfGE 31, 314 - Rundfunkanstalten);
BVerfGE 18, 385 (Grundrechtsberechtigung von Kirchen)
• BVerfGE 129, 78 – 107; NJW 2011, 3428 (zu juristischen Personen mit Sitz innerhalb der EU-
Mitgliedsstaaten)
• BVerfG, Beschl. vom 27. Juni 2018 - 2 BvR 1287/17 = NJW 2018, 2385 (zu ausländischen jP;
insbes. Abgrenzung inländische und ausländische jP)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Grundrechtsadressaten: Art. 1 Abs. 3 GG
Alle (deutsche) Staatsgewalt, d.h.
- EU nicht (Bindung an eig. Grundrechte, keine „grundrechtsfreie Zone“).
- In D: alle Staatsgewalt
• unabhängig von Ebene (Bd., Land, SV)
• unabhängig von Zweig (Gesetzgebung, Vollz., Rechtspr.)
• unabhängig von Handlungsform: ÖR, ZivR („Fiskalgeltung“).
Auch: verselbständigte Verwaltungseinheiten in Zivilrechtsform, z.B.
öffentliche Unternehmen, die
• in öff.-rechtl. Trägerschaft sind und
• Aufgaben dieses Trägers wahrnehmen (BVerfGE 128, 226, 244 ff).
- Private? (s.a.a. Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG.)
• Lehre von der mittelb. Drittwirkung (seit BVerfGE 7, 198, 204 f)
• Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten (BVerfGE 39, 1)
• Lehre von der Grundrechtsbindung on Sonderfällen, z.B. bei Monopol,
Inanspruchnahme staatlicher Finanzierung, Förderung, ungleicher
wirtschaftl. Macht (BVerfG, NJW 2018, 1667).
Folie 4
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 6
Grundrechtsschutz der Freizügigkeit (Art. 11 GG)
• Freizügigkeit ist die Freiheit der Wahl des eigenen Lebensmittelpunktes/
Wohnortes (§ 7 BGB), auch wenn dieser nur vorübergehend ist.
• Hierzu zählt auch die Reisefreiheit (Indiz: eine Übernachtung), nicht
hingegen die
o Freiheit, den eigenen Aufenthaltsort zu verlassen (Art. 2 Abs. 2 GG),
o freie Benutzung der Verkehrswege (Art. 2 Abs. 1 GG), o freie Wahl des Verkehrsmittels (Grundrecht auf Mobilität,
allenfalls Art. 2 Abs. 1 GG)
o die Verlängerung eines Reisepasses, der notwendig ist, um das Ausland zu bereisen (Art.2 Abs.1 GG).
• In diesem Rahmen garantiert Art. 11 GG
o die Freiheit der Einreise, o die Freiheit des Aufenthalts im Inland, o nicht jedoch die Freiheit der Ausreise (Arg.: Wortlaut) o kein Recht auf Asyl.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 7
Rechtmäßigkeit des Grundrechtseingriffs:
• Zulassung durch Grundrechtsschranken (Art. 11 Abs. 2 GG)
• Anwendbarkeit einer ausreichenden Eingriffsermächtigung (qualifizierter
Gesetzesvorbehalt)
• formelle Rechtmäßigkeit der Ermächtigung (Zuständigkeit, Verfahren des
Gesetzgebers, Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG)
• Materielle Rechtmäßigkeit der Ermächtigung (Voraussetzungen der
Grundrechtsschranken - Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG; Übermaßverbot;
Wesensgehaltssperre - Art. 19 Abs. 2 GG).
• zutreffende Anwendung der Eingriffsermächtigung durch
Behörde/Gericht (formelle Anforderungen, Tatbestand, Rechtsfolge)
• Wahrung des Übermaßverbots im Einzelfall
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 8
Das „System“ der Grundrechtsschranken:
• tatbestandsimmanente Grenzen (z.B. Art. 8 Abs. 1 GG - friedlich und
ohne Waffen)
• allgemeiner (einfacher) Gesetzesvorbehalt (z.B.: Art. 10 Abs. 2 GG)
• limitierter (qualifizierter) Gesetzesvorbehalt (z.B.: Art. 9 Abs. 2; 11
Abs. 2 GG)
• verfassungsunmittelbare Schranken (z.B.: Art. 18, 26 u.a. GG)
• verfassungssystematische Schranken bei der Kollision von mehreren
Grundrechten oder Grundrechten und öffentlichen Belangen mit
Verfassungsrang
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 9
Der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG
Überblick:
• weite und enge Auslegung
• Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit
• Auffanggrundrecht für alle Freiheiten, die nicht in anderen Grundrechten
genannt sind – umfassende subsidiäre Freiheitsverbürgung, die aber nicht
immer anwendbar ist, sondern nur dann, wenn kein Schutzbereich eines an-
deren Freiheitsgrundrechts eröffnet ist.
o sachliche Subsidiarität: Ausnahme => wenn eine Teilfreiheit in einem
anderen Grundrecht explizit ausgeschlossen ist (z.B.: Art. 8 Abs. 1
GG)
o persönliche Subsidiarität (h.M.)
• daraus folgt => abgeschlossenes System der Freiheitsrechte des GG
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 9a
Art.2 Abs.1 GG
Persönlichkeitsrechte Handlungsfreiheiten
Art.2 Abs.1 i.V.m. Art.1 Abs.1 GG
verbürgt das Allgemeine Persönlich-
keitsrecht (s.u.)
Handlungsfreiheiten im umfassenden
Sinne, ohne Rücksicht darauf, welches
Gewicht der Betätigung für die Per-
sönlichkeitsentfaltung zukommt
(BVerfGE 80, 137, 152)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 9b
Anwendungsfälle und Rechtsprechung zu Handlungsfreiheiten
Tauben füttern (BVerfG, NJW 1980, 2572) Reiten im Walde (BVerfGE 80, 137)
Verlängerung von Ausweispapieren, welche die Ausreise ermög-
lichen (Elfes-Fall, s. BVerfGE 6, 32) Privatautonomie und Vertragsfreiheit, sofern nicht andere Frei-
heiten (z.B. die Berufsfreiheit) vorgehen die Gestaltung des eigenen Aussehens nach individuellen Belie-
ben (auch in öffentlich-rechtlichen Anstellungskonstellationen, z.B. die Vorschrift für Polizeibeamte, das Haar in Hemdkragen- länge zu tragen, Tätowierungen, Brustimplantate)
„Recht auf Rausch“ (Umgang mit Cannabisprodukten, s.
BVerfG, NJW 1994, 1577) das Feiern an Karfreitag (BVerfG, NVwZ 2017, 461, 464))
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 10
Grundrechtskonkurrenzen
• praktisch wenig relevant bei der juristischen Bewältigung der Konkur-
renzlage: Vorrang, Nachrang, Subsidiarität
• schwieriger bei Idealkonkurrenz: Anwendbarkeit beider Garantien neben-
einander => faktisch gilt dann das Grundrechte mit dem besseren Schutz,
bzw. den geringeren Schrankenbestimmungen (z.B. Art. 8 und Art. 5
GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 11
Grundrechtsverletzung:
• Anwendbarkeit des Schutzbereichs (+)
• Eingriff (+)
• Rechtswidrigkeit des Eingriffs
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 12
Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG)
Die Menschwürde zählt zum unabänderlichen Kern des GG (Art. 79 Abs. 3
GG); Auslegung der Grundrechte „im Lichte der Menschenwürde“:
• wenn die „Subjektqualität prinzipiell infrage gestellt wird“ (Mensch als
Schaden?)
• durch Erniedrigung, Brandmarkung oder Ächtung, (Quasar)
• grausame, unmenschliche oder erniedrigende Strafen (auch: überbelegte
Zelle, Sicherungsverwahrung?)
• Folter (Art. 3 EMRK)
• rassische Diskriminierung
• „unantastbarer Kernbereich persönlicher Lebensgestaltung“
(BVerfGE 109, 313 f.)
• Gewährleistung des Existenzminimums (BVerfGE 1, 97, 104)
• Objektive Werteordnung („Zwergenweitwurf“, Lügendetektor im
Strafprozess, Laserdrome)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 13
Allgemeines Persönlichkeitsrecht
(Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs.1 GG)
Schützt die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer
Grundbedingungen (BVerfGE 54, 148, 153), d.h. das Personsein oder die
soziale Identität.
• Ehre (BVerfGE 114, 346) – Schutz vor falscher (Tatsachen-) Darstellung
durch Dritte
• Selbstdarstellung: Name (nicht diskriminierend) – Recht am eigenen Bild,
Recht am eigenen Wort
• Informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 43; 113, 46) => Schutz
vor Datenverarbeitung: Erhebung, Speicherung, Zusammenführung,
Übermittlung, Löschung personenbezogener (!) Daten – insb. bei
Beziehungen mit Vertraulichkeitsschutz (Arzt, RA usw.) – näher DSGe
• Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (BVerfGE
120, 274): Schutz vor Erhebung und Speicherung von „Massendaten“ (in
Abgr. zur informationellen Selbstbestimmung nach abgeschlossener
Kommunikation
• Privatsphäre als Rückzugsraum, sexuelle Selbstbestimmung,
Lebensgemeinschaften, familiärer Umgang, Jugendschutz
• Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse (s.a.a. Art. 12 GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 14
Grundrechtseingriffe
Eingriff:
• traditionell: imperativ, Befehl (Polizeiverfügung u.a.) – heute immer
noch, aber allein zu eng
• sodann:
o final (gezielt) => Beispiel: Verbotsverfügung,
Genehmigungsversagung (passt mehr auf Einzelakte als auf
Gesetze) – Problem: gezielter Todesschuss und Fehlschuss
o unmittelbar => Beispiel: Verbotsverfügung, Todesschuss,
Manöverschaden – aber Problem: Unbestimmtheit (Rathauskneipe,
Mülldeponie lockt Krähen an)
• heute:
jede staatliche Maßnahme, welche die Ausübung einer garantierten
Freiheit erschwert oder unmöglicht macht (auch „gemischter“
Eingriffsbegriff genannt)
• Der Eingriff ist nicht die einzige Form der Grundrechtsbeeinträchtigung,
sondern eine solche, welche ein bestimmtes Prüfungsschema abruft.
Eingriff und Gesetzesvorbehalt gehören zusammen!!!
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 15
Rechtmäßigkeit staatlicher Öffentlichkeitsarbeit durch
Warnungen
• kein Gesetzesvorbehalt erforderlich; statt dessen genügt Handeln
zuständiger Staatsorgane (z.B. Ressortprinzip, Art. 65 S. 2 GG; i.Ü.
„gubernative Staatsleitungskompetenz“, siehe z.B. „Glykol-
Entscheidung“ des BVerfG)
• Gebot inhaltlicher Richtigkeit, verfahrensfehlerfreier Informations-
sammlung und schlüssiger Informationsauswertung
• Gebot der Sachlichkeit
• Neutralitätspflicht
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 17
Versammlung
• Def.: Zusammenkunft mehrerer Personen zur Verfolgung eines
gemeinsamen Zwecks. (str. Anzahl der Personen)
• enger Begriff: gemeinsamer Zweck als „politischer“ Zweck
notwendig, dieser wird aber weit ausgelegt
• mittlerer Begriff: gemeinsamer Zweck als Meinungsbildung/-
äußerung unabhängig vom Thema
• weiter Begriff: jeder gemeinsame Zweck (auch Unterhaltung,
Spaß u.a., „Konsumveranstaltungen“)
Versammlungsfreiheit, Art.8 GG
• Entscheidung über das „Ob“ der Versammlung; str., ob auch die
„negative“ Versammlungsfreiheit“ erfasst ist
• freie Wahl von Thema, Ort, Zeitpunkt, Zuschnitt der
Versammlung
• Organisation der Veranstaltung: Thema und Zuschnitt festlegen,
aufrufen, einladen, organisieren
• Freiheit der Teilnahme: Anreise, Beteiligung, Abreise
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 18
Schutzbereichsimmanente Grenzen des Art. 8 Abs. 1 GG
• friedlich: kein „gewalttätiger Verlauf“ (§§ 5 Nr. 3; 13 Abs. 1 Nr. 2
VersG), wenn weder Zweck noch Verlauf die Begehung oder den
Versuch von Straftaten gegen Leib, Leben, Freiheit oder sonstige
erhebliche Rechtsgüter Dritter oder der Allgemeinheit mit sich
bringen
• ohne Waffen: wenn Teilnehmer keine Gegenstände mit sich
führen, welche ausschließlich oder überwiegend dem Zweck
dienen, zur Begehung von Straftaten gegen Dritte angewendet zu
werden
=> die Merkmale sind eng auslegen, darüber hinaus sind die
Schranken des Art. 8 Abs. 2 GG beachten
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 19
Versammlungsarten
• Anmeldepflicht (§ 14 VersG) mit Auflösungsmöglichkeit (§ 15
Abs. 3 VersG) und Strafandrohung (§ 26 Nr. 2 VersG) =>
Modell der organisierten Versammlung; aber:
o Spontanversammlung: aus aktuellem Anlass ohne
Veranstalter, Bekanntmachung – keine Möglichkeit der
Anmeldung
o Eilversammlung: aus dringendem Anlass – keine Möglichkeit der Einhaltung der Anmeldefrist
o Beide sind vom GG geschützt („ohne Anmeldung“) und
dürfen vom VersG nicht einfach verboten werden.
Entweder entfällt die Anmeldepflicht oder die
Anmeldefrist.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 20
Meinungsfreiheit – Art. 5 GG
• Meinung: Äußerung von Werturteilen die keinem Beweis
zugänglich sind => Unterschied: Tatsachenmitteilung, die
Abgrenzung spielt aber keine große Rolle, außer bei erwiesen
falschen Tatsachenbehauptungen (Holocaust-Leugnung, s.
BVerfG, NJW 2018, 2858)
Keine Differenzierung nach:
o wertvoll – wertlos
o politisch – unpolitisch
o öffentlich – privat (wohl aber bei den Schranken)
• Freiheit der
o Wahl des Inhalts einer Äußerung
o Entscheidung über die Äußerung (str.: sog. negative Meinungsfreiheit)
o Wahl der Form der Äußerung [Wort, Schrift, Bild,
Medien, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG), individuell oder kollektiv
(Art. 8 GG)]
• es besteht nur die Freiheit zur Kommunikation, nicht zur
Ausübung wirtschaftlichen oder sonstigen Drucks (BVerfGE 25,
256 – Blinkfuer)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 21
Grenzen der Meinungsfreiheit:
• Jugendschutz
• persönliche Ehre Dritter
• „Allgemeine Gesetze“ (seit BVerfGE 7, 198, 205 f. - Lüth) =>
Kombinationslehre:
Gesetze, welche sich
o weder gegen bestimmte Meinungen als solche richten,
o noch Sonderrecht gegen den Prozess freier Meinungsbildung darstellen, sondern
o dem Schutz eines Gemeinschaftswertes, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit Vorrang hat, dienen.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 22
Übermaßverbot
Herleitung aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art.20 Abs.1, 3 GG:
• Legitimer Zweck: von der Rechtsordnung gedeckt,
allgemeinwohlgerichtet
• Geeignetheit: jeder staatliche Eingriff muss den eigenen Zweck
fördern
• Erforderlichkeit: Gebot des mildesten Mittels
• Verhältnismäßigkeit: (negative) Effekte dürfen zum positiven
Zweck nicht unangemessen sein; ggf. praktische
Konkordanz/Wechselwirkungslehre
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 23
Drittwirkung von Grundrechten
Ausgangspunkte: Art. 1 Abs. 3; 1 Abs. 1 S. 2; 9 Abs. 3 S. 2 GG
• Grundrechte grds. als staatsgerichtete Rechte / Abwehrrechte
• inzwischen differenziert:
o früher: „mittelbare Drittwirkung der Grundrechte“ =>
Grundrechte als „wertentscheidende Grundsatznormen“
wirken auf die Auslegung der Generalklauseln des BGB ein
o später: Grundrechtskollisionen als ausgleichsbedürftiger Vorgang (zusammenfassend BVerfGE 81, 242), wenn
zwischen beiden Seiten ein Machtungleichgewicht
besteht und
im Einzelfall eine ungleichgewichtige Rechtslage
eingetreten ist und
letztere das Ergebnis des Machungleichgewichts ist.
Hier geht es nicht um Grundrechte contra öffentliche Gewalt (Art. 19
Abs. 4 GG), sondern um Grundrechte contra Grundrechte.
Siehe: BVerfG, NJW 2018, 1667(Stadionverbot)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 24
Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG)
Freiheit der Massenmedien auf Mitwirkung an der
Bildung/Artikulation der öffentlichen Meinung von der Gewinnung
der Information (Recherchefreiheit) bis zum Vertrieb des
Presseorgans; insb.:
• Freiheit der Informationsgewinnung – Schutz der Quellen,
Freiheit der Recherche, der Informationsspeicherung auch durch
Fotos; aber kein Recht auf Einbruch in geschützte fremde
Privatsphäre (Wohnung, Unternehmensgeheimnis usw.)
• Freiheit des Pressebetriebs (Tendenzschutz) – Grundentscheidung
für private Presse, aber kein Verbot staatlicher Öffentlichkeits- und
auch Pressearbeit
• Freiheit der Informationsherstellung (Redaktionsgeheimnis,
Aufmachung, Vertriebsform, Internet u.a.)
• Freiheit des Vertriebs, aber Bindung an allgemeine Gesetze
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 25
Rundfunkfreiheit, Art.5 Abs.1 S.2 GG
• genauer: „Berichterstattung durch Rundfunk“
• Def.: Rundfunk => elektronische Nachrichtenübermittlung mit
unbestimmter Zahl von Teilnehmern (Empfängern) unabhängig
vom Übermittlungsweg (atmosphärisch, Kabel, Internet)
• „Duale Rundfunkordnung“ als dienendes Grundrecht (geht über
freie Berichterstattung hinaus). Sinn und Zweck => Besondere
Verantwortung für öffentliche Meinung, für neutrale
Nachrichtenübermittlung und kulturelle Verantwortung in
„binnenpluralistischer Verfassung“; anders private Medien:
außenpluralistische Verfassung.
Daraus folgt:
o besondere Anforderungen an Organisation und
Freiheitssicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
(Unabhängigkeit von Staat und Parteien, von kommerziellen
und anderen als kommunikativen Interessen)
o die Rechtsstellung privater Rundfunkbetreiber ist eher wie die
privater Presse (s.o.): Freiheit der Gründung, des Betriebs, der
Berichterstattung
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 26
Freiheit der Kunst, Art.5 Abs.3 S.1 GG
• weite Definition: „freie schöpferische Gestaltung, in welcher
Künstler Eindrücke, Erlebnisse oder Empfindungen zum
Ausdruck bringen“; am Ende muss ein nicht notwendigerweise
materielles oder dauerhaftes „Werk“ stehen (Theater)
• offener Kunstbegriff: Vielfalt der Deutungsmöglichkeiten (im
Unterschied dazu: Meinung)
• Kriterien: Auffassung des Künstlers, sachkundiger Dritter,
Zugehörigkeit zu anerkannten Werkformen => auf Niveau,
außerkünstlerische Tendenzen (Politkunst) oder sittliche
Bewertung kommt es nicht an
• Die Kunstfreiheit ist von der Herstellung bis zur Präsentation
bzw. zum Vertrieb („Werk-“ und „Wirkbereich“) geschützt.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 27
Abgrenzung: Pressefreiheit / APR
Konzepte:
• BGH: „In-die-Öffentlichkeit-zerren“ contra „absolute“ und
„relative Personen der Zeitgeschichte“
• BVerfG: Pressefreiheit als schlechthin konstituierender Wert der
Demokratie, als Höchstwert. Grenze eher: Verletzung von
Schutzrechten, Geheimnisbereiche, Formalbeleidigungen.
• EGMR: BVerfG berücksichtigt die Privatsphäre zu wenig –
Abgrenzung von Privat- und Öffentlichkeitssphäre nötig.
1. Zugehörigkeit der Information zur Privatsphäre feststellen
2. öffentliche Funktion der betreffenden Person feststellen:
Vermutung für die Zulässigkeit der Veröffentlichung, sofern ein
(auch weitläufiger) Zusammenhang besteht
3. bei fehlender öffentlicher Funktion: Vermutung gegen die
Zulässigkeit, sofern nicht ein Informationsinteresse der
Öffentlichkeit im Einzelfall überwiegt
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 28
Pressefreiheit / Ehre
• Güterabwägung, Schutzauftrag für beide kollidierenden
Rechtsgüter
• bei Ehrverletzungen:
o Auslegungsgebot (auch versteckten Sinngehalt erfassen)
o Abwägungsgebot:
Tatsachenbehauptung weniger geschützt;
Sorgfaltspflichten beachten; Beweislast nicht einseitig
beim Äußernden oder beim Dritten, es kommt auf
Belegtatsachen, Auskunftsquellen an
Meinungen: wenig geschützt, am ehesten
Formalbeleidigung – Gegenschlagslehre
(Dummschwätzer)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 29
Vereine und Gesellschaften
Def.: „Jeder Zusammenschluss einer Mehrheit natürlicher oder
juristischer Personen für längere Zeit zur Verfolgung eines
gemeinsamen Zwecks auf freiwilliger Basis mit gemeinsamer
Willensbildung“ (BVerwGE 106, 177, 181).
Schutz:
• Gründungsfreiheit („bilden“) als individuelles Grundrecht –
nicht frei gegründete Zwangszusammenschlüsse unterfallen
nicht dem Art. 9 GG (BVerfGE 10, 89, 102)
• sog. negative Vereinigungsfreiheit (str.: bejahend BVerfGE 50,
290, 354; vgl. auch BVerfGE 146, 164 [IHK-
Pflichtmitgliedschaft])
• Schutz des Bestands, der inneren Vereinsaktivitäten, der
Mitgliederwerbung (BVerfGE 80, 244, 354)
• Schutz der Vereinigungsfreiheit „Dachverbände“ (BVerfGE 84,
372, 378)
• Schutz sonstiger Vereinsrechte nach Art. 19 Abs. 3 GG
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 30
Koalitionsfreiheit
• Def.: Freiwillig gebildeter, gegnerfreier, privatrechtlich
organisierter Personenzusammenschluss – nicht maßgeblich sind
Rechtsform und politische Ausrichtung.
• Weitere Anforderungen an Tariffähigkeit (überbetrieblich,
durchsetzungsmächtig) können vom Gesetzgeber in willkürfreier
Weise formuliert werden. Tariffähigkeit ist keine Voraussetzung
der Koalition(sfreiheit), sondern eher deren Folge.
• Adressaten:
o Staat (Art. 1 Abs. 3 GG) o Dritte (Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG) – unmittelbare Drittwirkung
als Schranke der Privatautonomie gegeneinander und
gegenüber Dritten
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 31
Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG
• Individuelle Koalitionsfreiheit: Gründungsfreiheit („bilden“);
Beitritts-, Auswahl-, Austrittsfreiheit (Problem: negative
Koalitionsfreiheit)
• Kollektive Koalitionsfreiheit: Recht auf Mitwirkung an der
Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch
„spezielle koalitionsmäßige Betätigung“ (BVerfGE 94, 268, 283) –
was darunter fällt ist nicht zuletzt Folge gesetzgeberischer
Ausgestaltung:
o in der Bundesrepublik faktisch: Tarifautonomie (TVG) als
zulässige, aber nicht einzig zulässige Ausgestaltung; d.h.:
Mitwirkung an der Aushandlung, Durchsetzung von
Tarifverträgen
o Instrumente dazu u.a.: Streik, Abwehraussperrung (s. Art. 9
Abs. 3 S. 3 GG); nicht => wilder Streik, politischer Streik.
Der zulässige Arbeitskampf lässt Rechte aus dem
Arbeitsverhältnis unberührt.
o gewerkschaftliche Betätigung in Betriebs-/Personalräten,
Wahlen dazu, Beratung der Mitglieder; str.:
Mitgliederwerbung (BVerfGE 57, 220, 246 ff.)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 32
Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit
Regelungen der Koalitionsfreiheit durch den Gesetzgeber sind
zulässig als Ausgestaltung:
• Entscheidung über und Regelung des Tarifvertragssystems (vgl.
BVerfGE 146, 71 [Verfassungsmäßigkeit Tarifeinheitsgesetz])
• Anerkennung der Tariffähigkeit und Wirkungen der Verträge
(willkürfrei)
• Herstellung der Tarifvertragsparität (BAG) bzw. der
Grundrechtsvoraussetzungen (BVerfGE 88, 103, 115) –
Ausgestaltung der Arbeitskämpfe:
o Übermaßverbot o Gesetze und Tarifverträge beachten o Streikbrecherarbeit ist zulässig o ausführliche Rspr. des BAG zu Verfahren, Form,
Wirkungen, Grenzen des Tarifvertrages, des Streiks, der Aussperrung
• Benachteiligungsverbot ggü. Nichtmitgliedern nur bei
faktischem Beitrittszwang (Problem: Offenbarungspflicht) –
keine schematische Gleichbehandlung erforderlich, auch nicht
im Tarifvertragssystem
Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Koalitionsfreiheit:
• Allgemeinverbindlicherklärung
• Problem: Mindestlohn
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 33
Grundrechtsschranken des Art. 9 Abs. 3 GG
• keine Einschränkungsermächtigung; nicht Art. 9 Abs. 2 GG
anwenden!
• kollidierendes Verfassungsrecht: h.M. für Tendenzbetriebe (Art. 4,
5 GG) => hier Tarifautonomie fast ausgeschlossen (Kirchen) oder
erheblich eingeschränkt (Presse); Notdienstpflichten im Streik
(Krankenhäuser u.a.)
• öffentlicher Dienst: die Koalitionsfreiheit gilt, kann aber im
Rahmen des Art. 33 GG beschränkt werden (so soll ein
Streikverbot für Beamte zulässig sein)
• gesetzlich zum Schutz kollidierender Belange mit Verfassungsrang
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 34
Art. 9 Abs. 3 GG und Europarecht
• keine Einschränkung der Grundfreiheiten
• Mitbestimmung
• Tariftreue (nur eingeschränkt zulässig - EuGH, NJW 2008,
3485)
• Umgehung des Tarifvertragssystems durch Grundfreiheiten
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 34
Grundrechtsschutz der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG)
• körperliche Bewegungsfreiheit: Recht, den Ort, an dem man sich befindet,
zu verlassen – Raum, Gebäude, Gebäudekomplex => Einschränkung etwa
durch Freiheitsstrafe, U-Haft, Gewahrsam, Unterbringung (auch durch
Betreuer), elektronische Fußfessel
• Grundrechtsschranken (Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG)
Ein schwerwiegender Grundrechtseingriff ist zulässig zum Schutz
hochwertiger Belange Dritter, der Allgemeinheit, insb.:
o Sicherung des Strafverfahrens (U-Haft)
o Strafvollstreckung o Schutz Dritter vor schwerwiegenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 35
Materiell-rechtliche Anforderungen an
grundrechtseinschränkende Gesetze:
• kein Einzelfallgesetz
• Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG): bei Gesetzen aufgrund
Einschränkungsvorbehalts; nicht bei
o vorkonstitutionellen Gesetzen o Wiederholung (nicht Verschärfung) vorkonstitutioneller Eingriffe o verfassungssystematischen Schranken
• Bestimmtheitsgebot
• Übermaßverbot – Geeignetheit, Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit
• Wesensgehaltssperre (Art. 19 Abs. 2 GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 36
Grundrecht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG)
• als Voraussetzung der Würde, aber damit nicht identisch (str.); s.a. Recht
auf einen menschenwürdigen Tod
• Menschenwürde als Modalität des Lebens
• h.M.: von der Nidation (Ungeborene) bis zum Tod (angiographisch)
• Unterlassungsanspruch => Luftsicherheit, Todesschuss, Todesstrafe
(Art. 102 GG)
• Schutzpflicht
o gegen Tötung durch Dritte; Streitfall: Abtreibung (BVerfGE 39, 1; 88, 203)
o gegen Tötung durch andere Staaten (Auslieferungsschutz bei drohender Todesstrafe)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 37
Wesengehaltsgarantie (Art. 19 Abs. 2 GG)
• Ausgangspunkt => drei Auffassungen:
o objektive Lehren: Grundrecht darf nicht vollständig (für alle)
aufgehoben sein
o subjektive Lehren: Grundrecht darf für den Einzelnen nicht
aufgehoben sein
o Abwägungslehre: Grundrechte müssen in gesetzgeberischen
Abwägungskontext eingehen; praktisch identisch mit Übermaßverbot.
• das BVerfG scheint der letztgenannten Auffassung nahe zu stehen
• je schwerwiegender der Eingriff, desto bestimmter und schwerwiegender die
Anforderungen
• Frage: Kann der Betroffene in zulässiger Weise den Eingriff vermeiden, ihm
ausweichen?
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 38
Freiheitsentziehung
Bei Freiheitsentziehung zusätzlich zu prüfen:
• Grundrechtssicherung durch Verfahren/Richtervorbehalt (Art. 104 GG); s.a.
Art. 13 Abs. 2 ff. GG, §§ 100a ff. StPO; zur Kompensation von
Rechtsschutzlücken (Art. 19 Abs. IV GG) bei
o schwerwiegenden Grundrechtseingriffen, die
o überraschend oder heimlich stattfinden und daher
o rechtszeitigen Gerichtsschutz ausschließen (vollendete Tatsachen).
• Abgrenzung: Freiheitsbeschränkung/-entziehung
• Freiheitsentziehung in eng umgrenztem Raum – auch Lager
o mit technischen Mitteln (Einschließen) – Eingriffsmodalität
o für mehr als nur kurze Zeit (Mindestdauer: mehrstündig) –
Eingriffsintensität
o wenn die Verbleibenspflicht mehr als nur Nebenpflicht einer
Handlungspflicht (Zeugenaussage, Schulunterricht, Wahlvorstand),
sondern eine eigenständige Hauptpflicht ist – syst. Grundrechtseingriff
Siehe: BVerfG, NJW 2018, 2619 (Fixierungen in öffentlich-rechtlichen Unterbringungen)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 39
Richter i.S.v. Art. 97 GG
Der Richter muss:
• vorhanden sein und zumutbar tätig werden können; etwa bei großer Zahl
von Betroffenen
• zeitnah erreichbar sein: Dienstschluss, Wochenende – zumutbare
Wartefrist: 2-3 Stunden
• den Sachverhalt selbst feststellen bzw. prüfen
• dem Betroffenen rechtliches Gehör gewähren (s. auch Art.103 Abs.1 GG)
=> selbst vernehmen (oder Eindruck von Vernehmungsunfähigkeit
herstellen)
• die Gründe für die Freiheitsentziehung mitteilen und Gelegenheit zur
Stellungnahme geben
• eine eigene Entscheidung treffen und diese mit Gründen versehen
• die Heranziehung eines Rechtsbeistandes ermöglichen
• eine Person des Vertrauens informieren (Art. 104 Abs. 4 GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 40
Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG):
Def.: Eine Wohnung ist jeder Raum, welcher dem Einzelnen zur
Wahrung/Entfaltung seiner Privatsphäre zu dienen bestimmt ist und der
Zugänglichkeit/Einsicht der Öffentlichkeit entzogen ist (seit BVerfGE 32, 54).
Insb.:
• Wohnung i.e.S.: Wohnräume, Nebenräume, Treppenhäuser, Garagen,
soweit eine bauliche Verbindung mit der Wohnung i.e.S. besteht – nicht
bloß ein befriedetes Besitztum
• Wohnung i.w.S.: gewerbliche Räume, Hotelzimmer, Hinterzimmer von
Lokalen u.a., soweit sie für die Nutzer Aufenthalts-/Wohnzwecken
vergleichbar sind
• sonstige Gewerberäume: soweit sie eine bauliche Verbindung zur
Wohnung aufweisen und zwar auch dann, wenn sie der Öffentlichkeit
zugänglich sind (Läden, Werkstätten, Anwaltspraxen usw.)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 41
Schranken des Art. 13 GG
• Ziemlich systemlos: Drei limitierte Einschränkungsvorbehalte stehen
nebeneinander, zudem ist die Schrankenregelung (jedenfalls nach
herrschender Rechtsprechung) nicht abschließend.
• Ausgangspunkt => Art des Eingriffs:
o Abs. 2: „Durchsuchung“: jedes zielgerichtete Aufspüren von
Personen oder Sachen, die nicht unmittelbar erkennbar sind, durch
die öffentliche Gewalt, ohne Rücksicht auf die Rechtsgrundlage
(StPO, ZPO, PolG usw.) => Die Durchsuchung setzt das Betreten
voraus!
o Abs. 3-6: elektronische Überwachung der Wohnung von
innerhalb oder außerhalb; Betreten durch Personen allenfalls zum
Anbringen/Abmontieren der Geräte (nicht zum Suchen), also keine
Durchsuchung (h.M.). Es fehlt das Offenkundigkeits-/
Warnelement des Beamten in den Räumen.
o Abs. 7: Eingriffe und Beschränkungen „im Übrigen“: insb. „Betreten“, etwa zur Nachschau (Feststellung von Tatsachen oder
Durchsuchung), Mitnahme von Personen oder Sachen, die
erkennbar sind (Sicherstellung) usw.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 42
Art. 13 GG - Eingriffsvoraussetzungen
Die Voraussetzungen sind unterschiedlich:
• Durchsuchung: Richtervorbehalt als Regel, „Gefahr im Verzug“ als
Ausnahme; keine materiellen Beschränkungen (diese ergeben sich nur
aus Gesetzen), vgl. zum Richtervorbehalt bereits oben
• Elektronische Überwachung: repressiv (Abs. 3); präventiv (Abs. 4);
Selbstschutz (Abs. 5) kombiniert materielle Voraussetzungen und
Verfahrensvorrausetzungen (Richtervorbehalte) + Berichtspflichten
(Abs. 6)
zur Auslegung BVerfGE 109, 279 => materielle Grenzen beachten,
Verfahren einhalten
• Betreten: nur materielle Eingriffsgrenzen (Abs. 7), kein besonderes
Verfahren; für geöffnete Geschäftsräume sind die Schranken des Art. 2
Abs. 1 GG zu beachten (nur hier, nicht bei Durchsuchungen und nur zum
Schutz von Arbeitnehmern, Kunden, der Öffentlichkeit, soweit
zugelassen)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 43
Grundrechte in der EU
• explizit: (Art. 20 ff., 157 AEUV usw.)
• implizit: EMRK (s.a. Art. 6 EUV)
• Richterrecht, wo keine sonstigen Garantien bestehen (praktisch sehr
selten)
• Grundsatz:
o die EU ist an die eigenen Grundrechte gebunden o die Mitgliedstaaten sind an diejenigen aus Europa- (soweit sie
anwendbar sind) und an diejenigen aus nationalem Recht
gebunden, dabei geht der weitergehende Grundrechtsschutz vor
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 44
Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG)
• Schutz der Post und Telekommunikation per Distanz
• Rechtlicher Ausgleich der fehlenden Selbstbestimmung über Vertraulich-
keit: Weil man die Vertraulichkeit des Mediums nicht selbst herstel-
len/kontrollieren kann, wird es als formell vertraulich definiert und ge-
schützt.
• erfasst werden:
o Kommunikationsinhalte (kein Abhören, Mitschneiden usw. jdf. während der laufenden Kommunikation)
o sonstige Kommunikationsumstände (sog. Verbindungsdaten): Zeit,
Ort, Häufigkeit usw. (s. Vorratsdatenspeicherung). Es ist aber eine
möglicherweise unterschiedliche Eingriffsschwere zu beachten.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 45
Definitionen zu Art. 10 GG
• Brief: Jede mit einem verkörperten Medium verbundene Kommunikation
an einen oder bestimmte Empfänger (auch Postkarten).
• Post: Schutz körperlich übermittelter Informationen (Informationsträger)
und Kleingüter – von der Einlieferung bis zur Ablieferung an den Emp-
fänger.
• Fernmeldegeheimnis: Unkörperliche Übermittlung von Informationen
durch Fernmeldetechnik (elektronisch, optisch, akustische u.a.) unabhän-
gig vom verwendeten Medium (Netz, Funk, Kabel usw.).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 46
Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis
Schutzrichtung:
• Abwehrrecht: Verbot der Kenntnisnahme durch staatliche Stellen; darun-
ter fallen auch bereits Vorbereitungshandlungen (Verbot der Verschlüsse-
lung)
• Verbot der Verwendung von Daten aus Eingriffen in die Telekommuni-
kation (insb.: Verbot der Zweckentfremdung, der Verwendung zu weniger
hochwertigen Zwecken)
• Schutzpflicht: Schaffung rechtlicher Gewährleistung technischer Mög-
lichkeiten zur Herstellung vertraulicher Informationsbeziehungen (bei
privaten Anbietern). Diese selbst sind keine Grundrechtsträger für die Te-
lekommunikation ihrer Kunden (str.)!
• kein Schutz gegen Teilnehmer: Ermittler ruft an
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 47
Schutz der Privatsphäre in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG:
• Sphärentheorie (heute noch wichtig, aber zu schematisch)
• Informationelle Selbstbestimmung (BVerfGE 65, 1 – Volkszählung):
o Schutz der Selbstbestimmung über Preisgabe und Verwendung der
Daten durch die öffentliche Hand und wohl auch durch private
Dritte (str.) – setzt Möglichkeit der Selbstbestimmung voraus.
o Schutz gegen erzwungene wie gegen heimliche Informationsge- winnung, -verarbeitung und –übermittlung des einzelnen Datums
• Integrität/Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme (BVerfGE
120, 274) – nicht nur, aber wesentlich des Internets; Schutz auch über lau-
fenden Kommunikationsvorgang hinaus; Massendaten
• namentlich, aber nicht nur bei fehlender Selbstbestimmung (insb.: Ange-
wiesenheit auf das Medium):
o Schutz der Kommunikationsinhalte bzw. -vorgänge (Art. 10 GG) o Schutz der Kommunikationsendgeräte (PCs usw.; s. schon o.: Han-
dy) – jedenfalls bei der Nutzung des Netzes zur Überwachung
(Art. 2 Abs. 1 GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 48
Einschränkungen aus Art. 10 Abs. 1; 2 Abs. 1 GG:
• Gesetzesvorbehalt (formelle Anforderungen beachten)
• ggf. limitierte Gesetzesvorbehalte beachten (Art. 13 Abs. 3-6 GG)
• keine verdachtsunabhängige Überwachung
• Bestimmtheitsgebot (nicht des GG oder des BVerfG, sondern des Geset-
zes!)
• Verhältnismäßigkeit (hängt eng mit der Bestimmtheit zusammen)
• Richtervorbehalt für Informationserhebung
• Begrenzung der Informationsverwendung (insb.: Kenzeichnungspflicht;
keine Übermittlung zu Zwecken, welche nicht den Erhebungszwecken
entsprechen)
• hinreichende technische Vorkehrungen zur Gewährleistung dieser Anfor-
derungen
• kein Eingriff in den „unantastbaren Kernbereich der Privatsphäre“
(dessen Umfang ist str.): Erhebungs- oder Verwendungsverbot?
• ggl. geschützte Vertrauensverhältnisse müssen abgewogen, aber nicht
schematisch geschützt oder gar gleichbehandelt, werden
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 48a
Grundrechtsschutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG)
• Schutz der Ehe in weltlich bürgerlich-rechtlicher Form (rechtlich aner-
kannte, auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft unterschiedlichen oder
gleichen Geschlechts, § 1353 BGB) – sonstige Lebensgemeinschaften fal-
len unter Art. 2 Abs. 1 GG.
• Freiheit der Eheschließung, der Form des Zusammenlebens (Schutz der
Lebensgemeinschaft) und Ausgestaltungsfreiheit zur Ehescheidung (wohl
eher Art. 2 Abs. 1 GG).
• Schutz der Familie (der bürgerlich-rechtlichen Form der Lebensgemein-
schaft) von Eltern / Kindern; auf eine Ehe der Eltern kommt es nicht an,
vielmehr auf die soziale Funktion:
o Schutz der elterlichen Sorge (Vermögenssorge, Personensorge) o Betreuung betreuungsbedürftiger Angehöriger im rechtlichen Sinne
(Kinder, Adoptivangehörige, eingeschränkt auch der Pflegekinder)
• Gleichstellung nichtehelicher Kinder (und mittelbar auch ihrer Eltern):
Art. 6 Abs. 5 GG (durch Gesetzgebung und Rechtsprechung).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 48b
Rechtsfolgen des Art. 6 GG:
„besonderer Schutz“; d.h.:
• Eingriffsverbot => Schranken: Art. 6 Abs. 3 GG – staatliches Wächter-
amt; eigener Überwachungs- und Erziehungsauftrag (i.V.m. Art. 7 GG)
zum Schutz der Kinder
• Benachteiligungsverbot gegenüber Unverheirateten, sonstigen Lebens-
gemeinschaften
• Gleichbehandlungsgebot: namentlich Gleichstellungsanspruch Familien-
recht – Sozialrecht => Existenzminimum
• Gleichstellung der Ehegatten; unter Beachtung von Art. 6 Abs. 4 GG
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 48c
Aktuelle Einzelfälle zu Art. 6 GG:
• Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung (+), aber nicht auf Benen-
nung des nicht-ehelichen Vaters, BVerfGE 96, 56.
• Recht auf Feststellung der (Nicht-)Vaterschaft, BVerfGE 117, 202 (+)
• Recht auf Entscheidung über die Schullaufbahn (+), jedoch nicht uneinge-
schränkt (s. Art. 7 GG)
• Recht auf die Bestimmung des Familiennamens / Doppelnamens usw.;
str. (BVerfGE 104, 373 ff.; verneinend für Kinder)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 49
Glaubens,-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit
Art. 4 GG
• Kommunikationsgrundrecht – nicht bloß forum internum
• Fallgruppen:
o Glauben, Weltanschauung, Bekenntnis, Religionsausübung – s.a. Art. 140 GG, Art. 136 ff. WRV
o Gewissen, Kriegsdienstverweigerung (Art. 4 Abs. 3 GG)
• Siehe auch:
o Art. 3 Abs. 3 S. 1; 33 Abs. 3 GG: Diskriminierungsverbote o Art. 7 Abs. 2, 3 GG (Religionsunterricht) – Abs. 4 GG: Privatschu-
len
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 50
Glauben (Oberbegriff: Religion, Weltanschauung)
• Überzeugungen von Herkunft, Ziel und Sinn des Ganzen bzw. des Lebens
• irrelevant: Größe, soziale Relevanz, Vorhandensein von Organisationsfor-
men, Vereinbarkeit mit anerkannten Religionen/Überzeugungen
• religiös, nicht-religiös, es muss aber eine Vergleichbarkeit bestehen
• keine Ein-Punkt-Überzeugungen, geistige Technik
• wichtige Abgrenzung: Religion – Kommerz: objektive Betrachtung, nicht
(nur) eigenes Selbstverständnis; Ausschlusskriterium: Verfolgung aus-
schließlich oder überwiegend geschäftlicher Zwecke, auch aus religiösen
Gründen – dabei ist abzustellen auf => äußeres Erscheinungsbild, übliches
Preisniveau, Angebotsstruktur, Vertriebswege => Scientology ist keine Reli-
gion
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 51
Glaubensfreiheit - individuell
• Schutzbereich: Glauben
o bilden, haben o bekennen, verbreiten, werben, abwerben, Kindererziehung, Be-
gräbnis, glaubensspezifische Kleidung, Bart u.a.
o negative Glaubensfreiheit
• Bei religiös neutralen Handlungen:
o Lehre von den „spezifisch religiösen Handlungen“ – Abgrenzung nach der Handlung
o Lehre von der religiösen Motivation (BVerfGE 24, 236 – Rumpel- kammer)
o differenzierende Lehre: Abstellen auf Übereinstimmung der Ziele, institutionelle Verflechtungen
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 52
Glauben – kollektiv (s.a. Art. 4 Abs. 2; 140 GG i.V.m. Art. 136 ff. WRV)
Schutzbereich:
• Bildung von Glaubensgemeinschaften: Freiheit der Organisations- und
Rechtsform (s.a. Art. 137 Abs. 2 ff. WRV) – rechtliche Unterschiede sind
vorgegeben (Art. 137 Abs. 5 WRV) – öffentlich-rechtliche Körperschaft
ist nur eine Rechtsform, keine Staatsgewalt (Art. 137 Abs. 1 WRV)
• Betätigung der Organisation: Veranstaltungen und Versammlungen ab-
halten, Gebäude errichten, Glockenläuten, Gebetsruf usw.
• Vereine/Organisationen gründen, z.B. Diakonie usw.
Schutzrichtung:
• Trennung von Staat und Kirche (Art. 137 Abs. 1 WRV): Kirche hat keine
staatlichen Aufgaben, kann solche aber erlangen – Staat hat keine inner-
kirchlichen Aufgaben, kann solche aber erlangen (Kirchensteuer) => Ko-
operationsverhältnisse
• staatliche Neutralitätspflicht: keine Laizität, sondern (abgestufte) „Neutra-
lität“ – Feiertage u.a. (s.a. Art. 141 WRV)
• Anerkennung des gesellschaftlichen Pluralismus => Abwehrrechte,
Schutzpflichten (für alle Seiten), Anerkennung von Vielfalt
• (P): Schule (Schulgebet u.a.); Kindergarten (dto.); Militär usw. – einheit-
liche Organisation(-spflicht) bei binnenpluralistischer Mitgliedschaft –
Ausweichen als mildere oder diskriminierende Alternative?
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 53
Religiöses Selbstverwaltungsrecht
• Anerkennung des religiösen Selbstverwaltungsrechts (Art. 137 Abs. 2, 5
WRV) etwa bei:
o Einnahmehoheit: Beiträge, Abgaben u.a.
o Regelung der eigenen Angelegenheiten: Mitgliedschaftsrecht,
Dienstrecht, Beitragsrecht usw., im Rahmen der „für alle geltenden
Gesetze“ => die „für Religionsgemeinschaften dieselbe Bedeutung
haben wie für jedermann“
o Ausnahmen von der staatlichen Justizhoheit, soweit ein innerkirch-
liches Äquivalent besteht und staatliche Belange nicht überwiegen
(Dienstrecht, Besoldungsrecht der Mitglieder)
• Sonderfall: Arbeitsrecht der Religionsgemeinschaften => im Grundsatz
ist die kirchliche Regelungsbefugnis anerkannt; Ausnahme von Gesetzen,
Tarifautonomie, eingeschränkte Mitbestimmung im Tendenzbetrieb;
str. aber bei der Berufsbildung
• Bedeutung für das Arbeitsverhältnis => Arbeitnehmer tritt aus Religions-
gemeinschaft aus oder verhält sich nicht nach deren Regeln:
o EuGH: Kündigung wegen erneuter Heirat kann Diskriminierung darstellen (s. EuGH, NJW 2018, 3086)
o BVerfG: Grundsatz => Vorrang der innerkirchlichen Regelung, ei- ne Abwägung ist nahezu ausgeschlossen
o BAG: es ist die Lehre vom Tendenzbetrieb anzuwenden und die
Zumutbarkeit für beide Seiten zu beachten => Nähe des Arbeits-
verhältnisses zur Tendenzbildung/ -ausübung; Abwägung zwischen
den Rechten beider Seiten
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 54
Gewissensfreiheit
Gewissen: jede individuelle, ernstliche, an den Kategorien von gut und böse ori-
entierte Entscheidung, die der Einzelne als für sich als verbindlich erlebt
(BVerfGE 12, 45, 55).
=> Individuelle Ausnahmen von allgemeinen gesetzlichen Pflichten:
Kriegsdienst-, Wehrpflicht (Art. 4 Abs. 3 GG) – nicht hingegen: Zivil-
dienst (Art. 12a GG)
militärische Befehlsverweigerung bei schwerwiegenden Rechtsverstößen
(rechtswidriger Krieg u.a.; BVerwGE 83, 358)
=> Aber:
Keine Ausnahmen von Steuer-/Beitragspflichten wegen deren gewissens-
widriger Verwendung (BVerfG, NJW 2003, 2600).
Keine Ausnahmen von der Schulbesuchspflicht aus Gewissensgründen
(BVerfG, B. v. 31.05.2006, 2 BvR 1693/04).
Kein Anspruch auf Unterlassung von Tierversuchen (auch im Studium;
BVerwGE 105, 73).
Keine Verweigerung der Beförderung bestimmter Postsendungen
(BVerwGE 113, 361).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 55
Grundrechte im „Sonderstatus“
früher „besonderes Gewaltverhältnis“: Grundrechte im Staat-Bürger-
Verhältnis – Lehrer im staatlichen Innenbereich; Grundrechtsverlust, des-
sen Reichweite unklar war
später (seit BVerfGE 33, 1) „Sonderstatus“: dieser muss gesetzlich be-
gründet werden; Grundrechtseinschränkung nach Sonderregeln, aber kei-
ne Geltungsbeschränkung s.a. Art. 33 Abs. 4 GG
Problembereich: Trennbarkeit/Überschneidungsbereiche im Sonderstatus:
o Polizeibeamter in Uniform sammelt Unterschriften für eine Ge- werkschaft
o Polizeibeamter im Einsatz wird fotografiert und ist als Person er- kennbar
o Lehrer trägt im Unterricht dieselbe Kleidung bzw. dieselben Anste- cker u.a. wie sonst auch
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 56
Berufsfreiheit, Art. 12 GG
Beruf: jede erlaubte, auf Dauer angelegte Tätigkeit mit der Absicht der
Gewinnerzielung (Bezug zum Grundrechtszweck)
Tätigkeit: Tätigwerden gegenüber Dritten, welches berufsspezifische Ri-
siken schafft (nicht: Verwaltung eigenen Vermögens)
erlaubt: wenn die Tätigkeit ihrerseits grundrechtlich geschützt ist (jdf.:
Art. 2 Abs. 1 GG) – unterscheiden: Tätigkeit – Berufstätigkeit (Hobby-
fußball/Profifußball) – ist schon die Tätigkeit verboten, kann sie nicht
Gegenstand des Berufs sein (Hehler, Dealer usw.) – das allg. Kriterium
der Gemeinschaftsschädlichkeit schließt die Berufseigenschaft nicht aus
auf Dauer angelegt: subjektives Merkmal (nicht nur einmal, z.B. Haus-
verkauf) – aber => intentional (auch bei Scheitern beim ersten Versuch)
Absicht der Gewinnerzielung: Spezifikum des Berufs; es ist ein nen-
nenswerter Beitrag zum Einkommen notwendig; wem der Gewinn zu-
fließt, ist gleichgültig => Gewinnverwendung setzt Gewinnerzielung vo-
raus
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 57
Geschützte Freiheiten aus Art. 12 GG
Freiheitsrecht als Abwehrrecht: Freiheit der Wahl/Betätigung in vorhan-
denen Berufen/Arbeitsplätzen => kein Recht auf Schaffung von Arbeits-
plätzen durch den Staat.
Freier Wettbewerb mit allen, die rechtmäßig eine Tätigkeit ausüben
(ggf. auch die öffentliche Hand; a.A.: Priorität für Träger des Grundrechts
aus Art. 12 GG => Privat vor Staat) – aber: Wettbewerbsbedingungen
müssen hergestellt/erhalten werden, dies ist kein Eingriff in Art. 12 GG.
Schutz der Berufstätigkeit, -geheimnisse, -erwerbsaussichten: Art. 12
GG schützt den Erwerb, Art. 14 GG das Erworbene – Schutz des guten
Rufs im Geschäft gegen unwahre staatliche Aussagen (s.o.: staatliche Öf-
fentlichkeitsarbeit, Glykol, s. BVerfGE 105, 252).
Kein Anspruch auf Vergabe öffentlicher Aufträge, berufliche Förderung
und Subventionen
Keine Freiheit von (auch berufsbezogenen) Abgaben, Steuern, Gewerbe-
steuern usw.
Schutz des Berufszugangs bzw. der Ausbildungsmöglichkeiten: An-
spruch auf Auslastung vorhandener Ausbildungskapazitäten
(BVerfGE 33, 303 – gleicher Zugang entweder in Art. 12 GG oder aber in
Art. 3 Abs. 1 GG geschützt, für Beamte Art. 33 Abs.2, 3 GG).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 58
Einschränkungen der Freiheiten aus Art. 12 GG
Eine gesetzliche Regelung/Einschränkung setzt (nach allen Auffassungen)
eine Unterscheidung voraus:
Leitsatz: Berufs-
o wahl => Entscheidung über das „Ob“ der Berufstätigkeit: Auf-
nahme, Fortführung, Beendigung; Kombination von Berufen, Be-
rufswechsel, Ausscheiden aus einem Beruf.
o (der Arbeitsplatz steht systematisch zwischen Berufswahl und -
ausübung): Entscheidung darüber, einen konkreten Arbeitsplatz
anzunehmen, beizubehalten oder aufzugeben; Niederlassungsfrei-
heit für Selbständige; geschützt ist auch die Wahl des Arbeitsplat-
zes im öffentlichen Dienst (s.a. auch Art. 33 GG: soweit dieser
reicht, ist er vorrangig).
o ausübung => Entscheidung über das „Wie“ der Berufstätigkeit:
Umfasst ist die gesamte berufliche Tätigkeit: Gründung von Unter-
nehmen, Beschäftigung von Arbeitnehmern, Führung von Bezeich-
nungen, Vertragsfreiheit, Arbeitszeit, Wettbewerb usw.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 59
Stufenlehre:
Objektive Berufswahlbeschränkung: Kriterien, die vom Einzelnen
Grundrechtsträger unabhängig sind, wie etwa Kapazität, Monopole usw.
=> Einschränkung nur zulässig bei „höchstwahrscheinlich schweren Ge-
fahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut“
Subjektive Berufswahlbeschränkung: Kriterien, die an den einzelnen
Grundrechtsträger anknüpfen, wie etwa Ausbildung, Altersgrenzen usw.
=> Einschränkung nur zulässig zum „Schutz überragender Gemein-
schaftsgüter; genauer: gesetzlich anerkannter und geschützter Güter bzw.
Interessen.“
(Problemfall: BVerfGE 13, 97: Meisterbrief zur Mittelstandsförderung)
Berufsausübungsregelung: Eingriffe, welche die Berufswahl nicht be-
rühren, sondern nur das „Wie“ der Betätigung regeln
=> Einschränkungen zulässig aufgrund jeder vernünftigen Erwägung des
Gemeinwohls (entspricht Art. 2 Abs. 1 GG).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 60
Alternative zur Stufenlehre:
Art. 12 Abs. 1 S. 1: verfassungssystematische Schranken
Art. 12 Abs. 1 S. 2: Einschränkungsermächtigung an den Gesetzgeber
Gesetzesvorbehalt: Wesentlichkeit (auch für Rechtsverordnungen usw.)
Wahrung der Schrankenschranken (allgemein; s. Anlage 2)
Übermaßverbot: Geeignetheit, Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit =>
kann auch die jeweils betroffene Grundrechtsdimensionen (Ob, Wie) be-
rücksichtigen
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 61
Eigentum
Def.: jedes vermögenswerte subjektive Privatrecht
Privatrecht: gesetzlich begründetes/anerkanntes Recht – Begründung
durch Gesetzgeber (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG); aber nicht (bloß) Eigentum
i.S.d. § 903 BGB, sondern auch Nutzungs-, Anteils-, Forderungs- und
sonstige vermögenswerte Rechte.
subjektives Recht: einzelnen, konkretisierbaren Trägern zugeordnet =>
Bezug: Art. 19 Abs. 4 GG „seinen Rechten“ = subjektives Recht
vermögenswert: keine Persönlichkeitsrechte, z.B. Recht am eigenen Bild;
guter Ruf usw. – Abgrenzung zu Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeines Persön-
lichkeitsrecht)
(P) Vermögen: Umstritten ist, ob das Vermögen als solches dem Eigen-
tumsbegriff unterfällt; BVerfG lehnt dies ab => RF: Staatliche Abgabe-
pflichten greifen nicht in Art. 14 GG ein, sondern sind an Art.2 Abs.1 GG
zu messen (BVerfGE 95, 267, 300).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 62
Eigentumsschutz öffentlich-rechtlicher Positionen
Vermögenswerte Rechte des öffentlichen Rechts, welche vom Einzelnen
durch (überwiegend) eigene Leistung erworben wurden und seiner Existenz-
sicherung zu dienen bestimmt sind (dieser Teil bleibt ohne Bedeutung) – Proto-
typ: Sozialversicherungsansprüche (Bsp.: Renten) im Unterschied zu Versor-
gungsleistungen (Sozialstaatsprinzip, Art. 1, Art. 6 u.a. GG).
Nicht: Sozialhilfe, BAföG, Kindergeld, öffentlich-rechtliche Genehmi-
gungen (anders: zivilrechtliche Aufwendungen im Hinblick auf rechtmä-
ßige öffentlich-rechtliche Genehmigungen), Beamtengehälter (s.a. Art. 33
Abs. 5 GG)
Diskussionsfall Baufreiheit: Genehmigung nach Maßgabe des öffentli-
chen Rechts und daher nicht unmittelbar aus Art. 14 GG – eventueller Un-
terschied: Bebauung (geschützt) – Bebaubarkeit (nicht geschützt).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 63
Systematik des Eigentumsschutzes
Schutzbereich: Eigentum mit Ausgestaltungsvorbehalt
(„Inhalt“, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG)
Einschränkungsmöglichkeit: Gesetzesvorbehalt
(„Schranken“, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG)
Es bestehen aber unterschiedliche Anforderungen:
o entweder Art. 14 Abs. 2 GG (ohne Entschädigung) o oder Art. 14 Abs. 3 GG (mit Entschädigung – Vermögensschutz) o (oder keines von beiden: Grundrechtsverletzung => Bestands-
schutz).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 64
Inhalts- und Schrankenbestimmungen
Ausgestaltung: Herausnahme eines Rechts aus dem Eigentumsbereich mit Wir-
kung für die Vergangenheit (Entziehung); bei Wirkung die für Zukunft ist das
Recht nicht mehr Teil des Grundrechtsschutzes.
Schrankenziehung:
Schrankenbestimmung: Gesetzesvorbehalt (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) -
kein Anwendungsfall des Zitiergebotes.
Rechtfertigung: Wohl der Allgemeinheit =>
o darin auch schutzwürdige Belange Dritter o das Eigentumsrecht bzw. die Eigentumsnutzung muss überhaupt
Rechte Dritter tangieren können
o Unterschied: persönliches Eigentum / wirtschaftliche genutztes Ei- gentum
Abwägung: Übermaßverbot => beide Belange sind zu berücksichtigen
(„zugleich“ - Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 65
Enteignung / Entziehung
Enteignung (BVerfGE 70, 199 f.):
o vollständige oder teilweise Entziehung o einzelner subjektiver Eigentumspositionen o zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben
Entziehung: (rechtmäßige) hoheitliche Beschaffung von Gütern unter
Begründung von Nutzungsrechten Dritter (Enteignungsbegünstigter)
– Enteignung als Vorgang der Güterbeschaffung – ;
nicht bei
o Beschränkungen/Entziehungen, welche auch im Interesse des Ei- gentümers liegen (Flurbereinigung);
o Beschränkungen zur Abwehr von Gefahren (auch der Sicherstel- lung, z.B. Tötung des tollwütigen Hundes).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 66
Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben („Wohl der Allgemeinheit“)
Es handelt sich hierbei eher um eine Rechtmäßigkeitsbedingung als um eine
Begriffsbestimmung:
gesetzlich begründete Zweckbestimmungen des Staates, öffentlicher Ein-
richtungen, der Allgemeinheit, einzelner Dritter (hier aber nur, wenn der
im Allgemeininteresse liegende Zweck erreicht und dauerhaft gesichert ist
(BVerfGE 74, 285 ff.))
bei Beendigung des öffentlichen Zwecks => Rückübereignung
Verhältnismäßigkeit
Die Junktimklausel ist keine bloß salvatorische Klausel (i.S.v.: „sollte
eine Enteignungswirkungen eintreten, dann wäre eine Entschädigung die
Folge“); sie gilt aber nur bei Enteignungen, nicht bei „enteignenden Ein-
griffen“.
Die Bemessung der Entschädigung („angemessen“, nicht notwendig in
der Höhe des Verkehrswertes; Unterschied => Schadensersatz) muss be-
stimmt werden; meist durch Verweis auf Enteignungsgesetze.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 67
Besondere Gleichheitsrechte
Spezialregelungen gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG:
o Art. 3 Abs. 2, 3 GG o Art. 6 Abs. 5 GG o Art. 33 Abs. 1-3 GG o Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG
Die Dogmatik ist aber durchaus verschieden: Gleiches Recht der fakti-
schen Gleichheit.
Bei Art. 38 Abs.1 S.1 GG (s.u. Demokratie, Wahlen) gilt der Grundsatz
der faktischen Gleichheit => streng formalisierter Gleichheitssatz.
Bei Art. 3 Abs. 2, 3 GG: rechtliche und faktische Gleichheit nebeneinan-
der => Grundsatz: gleiches Recht (hier ist die Deutung als Begründungs-
verbot nahe liegend).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 68
Besondere Gleichheitsrechte
Bei erheblicher faktischer Ungleichheit bestehen Gleichstellungsansprüche
(Bsp.: Frauenquoten im öffentlichen Dienst; darüber hinaus besteht ein Auftrag
zum Abbau gesellschaftlich bedingter Diskriminierung (BVerfGE 109, 64, 89).
Objektiver Auftrag + subjektives Recht.
Voraussetzung: Einerseits feststellbare Benachteiligung des einen Ge-
schlechts und keine Verstöße gegen zwingende verfassungsrechtliche
Grenzen andererseits. => dann auch: faktische Gleichheit durch unglei-
ches Recht.
Grenzen: Verfassungsrechtliche Ungleichheitstatbestände, namentlich
Art. 6 Abs. 4; 12a Abs. 2 GG.
Sonderfall: Gleichstellungsauftrag aus Art. 6 Abs. 5 GG
Benachteiligungsverbot an alle Staatsorgane
Gleichstellungsgebot an den Gesetzgeber (in jüngerer Zeit wieder stärker
eingefordert) => Gleichstellung statt „Ersatzregelungen“.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 69
Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)
Es müssen mehrere Anwendungsfälle/Fallgruppen vorliegen,
auf diese müssen Rechtsnormen anwendbar bzw. sonstige staatliche Maß-
nahmen angewandt worden sein („behandelt“),
diese müssen (rechtlich) ungleich gewesen sein (nur dann entsteht Recht-
fertigungsbedürfnis!),
die ungleich behandelten Fälle müssen tatsächlich verschieden gewesen
sein und
die rechtliche Ungleichbehandlung muss ihren Grund in der tatsächlichen
Ungleichheit gefunden haben.
Andere Formulierung: Willkürverbot => keine (rechtliche) Ungleichbe-
handlung ohne zureichenden (tatsächlichen) Grund
Sonderfall: objektive Willkür bei völlig unvertretbarer Rechtsausle-
gung/-anwendung (auch ohne Vergleichsfall)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 70
Selbstbindung der Verwaltung Normative Grundlage: Art.3 Abs.1 GG
Die Verwaltung hat einen Sachverhalt gestaltet,
dabei System erkennen lassen (etwa durch Verwaltungsvorschriften),
dieses System hätte die Begünstigung eines Anderen geboten,
der Andere ist nicht begünstigt worden,
ein zureichender Grund für die Abweichung vom System ist nicht erkennbar
(etwa: neues System, Kasse leer).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 71
Prüfungsschema (Quelle: Pieroth/Schlink, Rn. 501)
Die Frage, ob ein Gleichheitsgrundrecht, sei es ein spezieller oder der allgemeine Gleichheits-
satz, durch ein Gesetz verletzt ist, ist in folgenden Einzelfragen abzuarbeiten
=> (Zwei-Schritt-Prüfung):
I) Behandelt das Gesetz wesentlich Gleiches (Vergleichbares) ungleich (verschieden)?
1) Sind verschiedene Personen, Personengruppen oder Situationen vergleichbar?
2) Werden sie durch dieselbe Rechtsetzungsgewalt ungleich (verschieden) behandelt?
II) Ist die Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich gerechtfertigt?
1) Ist das Gesetz kompetenz- und verfahrensmäßig korrekt zu Stande gekommen?
2) Anforderungen der Gleichheitssätze:
a) Bei speziellen Gleichheitssätzen: Sind deren besondere Anforderungen an die Be-
gründung der Ungleichbehandlung erfüllt, d.h.:
- verzichtet diese auf nicht zugelassene Diskriminierungskriterien
(z.B. gem. Art. 3 Abs. 3 GG),
- bzw. bedient sie sich der allein zugelassenen Rechtfertigungsgründe
(z.B. gem. Art. 33 Abs. 2),
- oder ist das Abstellen auf die nicht zugelassenen Diskriminierungskriterien bzw.
das Nichtabstellen auf die allein zugelassenen Rechtfertigungsgründe ausnahms-
weise verfassungsrechtlich gerechtfertigt (z.B. gem. Art. 12a Abs. 1)?
b) Beim allgemeinen Gleichheitssatz: Liegt eine Ungleichbehandlung geringerer oder
größerer Intensität vor?
- Bei geringerer Intensität: Gibt es für die Ungleichbehandlung einen sachlichen
Grund?
- Bei größerer Intensität: Dient die Ungleichbehandlung einem legitimen Zweck und
ist die Ungleichbehandlung zur Erreichung des Zwecks geeignet, erforderlich und
angemessen?
3) Genügt das Gesetz den Anforderungen des Parlamentsvorbehalts?
4) Ist das Gesetz in Tatbestand und Rechtsfolge klar und bestimmt gefasst?
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 72
Anspruch auf Gleichbehandlung (nicht stets auf gleiche Leistung):
Unterlassung von Benachteiligungen
Aufhebung/Beseitigung von Folgen der Benachteiligung
Anspruch auf gleichen Zugang, gleiche Benutzung, Wettbewerbsgleichheit
(keine unzulässige Begünstigung Dritter)
Berücksichtigung der eigenen Gleichheitsrecht bei Verwaltungs- und Ge-
richtsentscheidungen
Leistungsrechte bestehen nur, wenn
o ein Dritter eine Leistung erhalten hat, o dadurch eine Ungleichheit begründet wurde, o diese nicht anderweitig kompensiert ist, o die Ungleichheit nur durch Begünstigung wettgemacht werden kann, o keine rechtfertigenden Gründe für die öffentliche Hand bestehen, von der
bisherigen Praxis abzuweichen.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 73
Rechtsschutz des Bürgers gegen Grundrechtsverletzungen
Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG: Rechtsschutzgarantie („Rechtsweg“) zu deut-
schen Gerichten (Art. 92 ff. GG)
Diese ist abzugrenzen von:
Petitionsrecht (Art. 17 GG) an „zuständige Instanzen“ (Behörden, Gerich-
te, Parlamente) der zuständigen Körperschaften
Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG): (s.u.)
Rechtsweg zu internationalen/supranationalen Gerichten (Art. 34 EMRK,
Art. 263, 265 AEUV).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 74
Subjektive Rechte
Subjektives Recht („in seinen Rechten“) => Schutznormkriterium:
Grundrechte
Unterscheidung: subjektives Recht - objektives Recht
Formel: Ein subjektives Recht gewährt
jede Rechtsnorm,
welche Interessen abgegrenzter Personenkreise schützt
und diese zu schützen bestimmt ist.
Dieses sind nicht nur Grundrechte, grundrechtsähnliche Rechte und internatio-
nale Menschenrechte, sondern auch subjektive Rechte aus Gesetzen, Rechtsver-
ordnungen und Satzungen.
Unterschied: Außenrecht / Innenrecht => Es bestehen aber Transformatoren,
wie etwa: Gleichheitsrechte, Selbstbindung und Willkürverbot.
Der Rechtsschutzsuchende muss Träger des Rechts (Bezug: Grundrechtsträger)
sein.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 75
Rechtsschutzgarantie Art. 19 Abs. 4 GG
Bezug: „alle Staatsgewalt“ i.S.d. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG; s.a. Art. 93 Abs.
1 Nr. 4a GG.
Nur öffentliche Gewalt i.S.d. GG, nur deutsche Gewalt
Nicht: supranationale / ausländische Maßnahmen (EU) (Arg.: Aus-
schlusswirkung von Art.23, 24 GG und Art.19 Abs.4 GG)
Aber => im Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 4 GG gilt der Begriff nur ein-
geschränkt (anders als in Art.1 Abs.3; 20 Abs.2, 3; 93 Abs.1 Nr.4a GG):
Nur vollziehende Gewalt, unabhängig von Instanz (Regierung, Vollzie-
hung) und Rechtsbereich (nicht begünstigend, begünstigend)
Nicht die förmliche Gesetzgebung (Art. 97 GG) => Merksatz: „Rechts-
schutz nach dem Gesetz, nicht gegen das Gesetz.“ – im Konfliktfall:
Vorlageverfahren (Art. 100 GG)
Nicht die Rechtsprechung => Merksatz: „Schutz durch Gerichte, nicht
gegen Gerichte.“ (P) Letzte Instanz
Nicht die öffentlich-rechtlichen Körperschaften u.a., welche keine öffent-
liche Gewalt ausüben (Kirchen)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 76
Rechtsweggarantie
Rechtsweg i.S.d. Art. 92 ff. GG => d.h. sachlich und persönlich unabhän-
gig.
Garantie des Zugangs zum Gericht
o Der Rechtsweg muss gesetzlich eröffnet sein (andernfalls greift Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG)
o Die Anrufung des Gerichts muss möglich/zumutbar sein => keine „unzumutbaren Beeinträchtigungen“, wie etwa Vorverfahren, Kos-
ten, Fristen, Präklusion.
o Annahmepflicht des Gerichts: Verbot der Rechtsverweigerung
Effektivität des Rechtsschutzes:
o vorbeugender Rechtsschutz jedenfalls bei Unzumutbarkeit o vorläufiger Rechtsschutz, wenn zur Rechtsverwirklichung notwen-
dig
o Rechtsschutz binnen angemessener Frist (s.a. Art. 6 EMRK) o Fortsetzungsfeststellungsrechtsschutz, soweit dieser zur Grund-
rechtsdurchsetzung geboten ist
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 77
Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG)
Das Gericht darf seine Entscheidung nicht auf Tatsachen stützen, zu welchen die
Beteiligten keine Gelegenheit zur Äußerung hatten.
Daraus folgt insb.:
Anspruch auf ordnungsgemäße Ladung zum Termin (Zeit, Ort, Gegen-
stand)
Anspruch auf Hinweise zur Gehörsmöglichkeit, zum erheblichen Streit-
stoff, zum maßgeblichen Recht (Verbot der Überraschungsentscheidung)
Anspruch auf Kenntnisnahme der Äußerung (Lektüre des Schriftsatzes!)
Anspruch auf Auseinandersetzung mit erheblichem Vorbringen
Bei Verletzung:
Gehörsrüge (etwa: § 321a ZPO)
Verfassungsbeschwerde (subsidiär; hier aber ungewöhnlich oft erfolg-
reich)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 78
Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1; Abs. 2 S. 1 GG; s.a. Art. 79 Abs. 3 GG)
Wahlen und Abstimmungen:
Abstimmungen: Entscheidung des Volkes über Sachfragen, zu unter-
scheiden sind:
o Bürgerbegehren => Antrag der Bürger auf Befassung o Volksbegehren => Gesetzesvorlage durch das Volk o Volksabstimmung => Inkraftsetzung einer Rechtsnorm durch das
Volk
Für den Bund angeblich nur durch Verfassungsänderung einführbar, hin-
gegen auf Länder-/Kommunalebene weit verbreitet (z.B. in NRW:
Art. 67a, 68 LV; §§ 25 f. NRWGO).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 79
Wahlrechtsgrundsätze I
Allgemeinheit: Verbot des Ausschlusses einzelner Bürger/Gruppen vom
Wahlrecht; dieses gilt auch für den Wahlvorschlag (BVerfGE 89, 251) –
Ausnahmemöglichkeit: Inkompatibilitäten (Art. 137), Art.38 Abs.2 GG
als Konkretisierung der Allgemeinheit (Wahlalter).
Unmittelbarkeit: Verbot des Einflusses (nachträglicher) fremder Wil-
lensentscheidungen auf das Wahlergebnis. Ein Parteiausschluss darf nicht
zu einem Mandatsverlust führen – (P) Ausschluss von Nachrückern, die
aus der Partei ausgeschlossen worden sind (BVerfGE 7, 72); „ruhendes
Mandat“ (HeStGH, E 27, 197 ff.).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 80
Wahlrechtsgrundsätze II
Freiheit:
o Recht auf Freiheit von Zwang/ Druck Dritter im Hinblick auf die
Wahlentscheidung, durch den Staat (BVerfGE 44, 139) oder Pri-
vate (BVerfGE 66, 380).
o Eine Wahlpflicht ist wohl unzulässig.
o Grenze für amtliche Öffentlichkeitsarbeit: Grundsatz der Neutralität
Verbot der Wahl-/ Parteiwerbung auf Staatskosten
Verbot der Verwendung zweckgebundener staatlicher Mittel
zu Wahlzwecken, auch für Fraktionen – zulässig ist dagegen
die amtliche Öffentlichkeitsarbeit aus Sachgründen ohne Be-
zug zur Wahl
Geheimheit:
o Unzulässigkeit der Öffentlichkeit/ Offenbarungspflicht der Stimm- abgabe, diese richtet sich wiederum gegen Staat und Private (s.o.)
o Erforderlichkeit von Schutzvorkehrungen, (P): Briefwahl
Personen, die nicht selbst zur Wahl gehen können (BVer-
fGE 59, 119, 127)
Unterschriftenlisten für Wahlvorschläge
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 81
Wahlrechtsgrundsätze III
Gleichheit:
o Recht auf gleiche Berücksichtigung / Gewichtung der einzelnen Stimmen, insb.:
Zählwertgleichheit: alle haben die gleiche Zahl von Stimmen
Erfolgswertgleichheit: alle Stimmen sind in gleicher Weise
bei der Ermittlung des Wahlergebnisses zu berücksichtigen/
zu gewichten
Chancengleichheit der Bewerber: keine Differenzierung zwi-
schen parteiangehörigen und -losen Kandidaten
o Strikt formalisiertes besonderes Gleichheitsrecht (geht insoweit Art. 3 Abs. 1 GG vor).
Problemfälle:
o Ungleiche Wahlkreisgrößen: nur soweit zwingend erforderlich o 5% Klausel: zulässig (aber nicht geboten) zur Herstellung/ Er-
haltung der Funktionsfähigkeit des Parlaments, Stabilität der
Regierung; dies bedarf im Einzelfall der Begründung; kritisch
bei Kommunalwahlen (NRWVfGH, NVwZ 2000, 666); in die-
sem Zusammenhang: Grundmandatsklausel (BVerfGE 95, 408).
o Wahlkampfkostenzuschüsse / Parteienfinanzierung: darf abge-
stuft werden, aber Ausschluss allenfalls bei ganz marginalen
Parteien zulässig (BVerfG: 0,5%) => System der „abgestuften
Chancengleichheit“
o Wahlwerbung im Fernsehen / „TV-Duell“ (BVerfG, NJW 2002, 2939)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 82
Formen demokratischer Legitimation:
Parlamente:
aus unmittelbarer Wahl
Periodizität der Wahl (Art. 39 GG): Verbot der Verlängerung laufender
Legislaturperioden
Pluralistische Zusammensetzung: Recht auf Opposition; Chancengleich-
heit der Abgeordneten
Öffentlichkeit / Transparenz ihres Verfahrens und ihrer Abstimmung
(Art. 42 GG)
Revisibilität der Entscheidungen
weitere Folgerungen aus Demokratieprinzip:
Vorbehalt des Gesetzes für wesentliche Entscheidungen (BVerfGE 86, 90,
106)
Vorrang des Gesetzes (wegen unmittelbarer demokratischer Legitimation;
Art. 20 Abs. 3 GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 83
Formen demokratischer Legitimation:
Exekutive:
Differenzierung: unmittelbare demokratische Legitimation (durch Wah-
len) vs. mittelbare demokratische Legitimation (durch gewählte Volksver-
treter; Parlament als „Legitimationsspender“) => d.h.: Die Legitimation
durch das Volk muss auf den Wahlvorgang rückführbar sein.
Lehre vom notwendigen Legitimationsniveau / abgestufte demokratische
Legitimation:
o formell: durch Wahl, Abstimmung oder Einsetzung o materiell: durch gesetzliche sonstige Vorgaben und deren Durch-
setzung
Formen:
o Wahlen, soweit vorhanden (Gemeinde, Bürgermeister) o Personale Legitimationsketten (Einsetzung, Weisung, Aufsicht:
Hierarchieprinzip)
o ausreichende gesetzliche Aufgaben - Befugniszuweisung (z.B. für Beleihung, Rechtssetzung)
o Mitwirkung Betroffener, soweit die gesetzliche Determination of- fen ist und diese vorsieht
o wirksame Kontrollmechanismen im Hinblick auf Einhaltung ge- setzlicher Vorgaben (intern, extern – Bezug zur Gerichtskontrolle)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 84
Politische Parteien (Art. 21 GG) Politische Parteinen effektiveren Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG (Rückbindung des
Staatswillens an den Volkswillen) durch:
o Mitwirkung an der Bildung des Volkswillens o Transfer in den staatlichen Bereich hinein o Beschaffung von Akzeptanz für staatliche Entscheidungen
Unklar / str.: „Parteienstaat“ – Formel tritt heute an Bedeutung zurück. Art. 21 GG ist partielle Spezialregelung gegenüber Art. 9 GG, aber kein ei-
genes Grundrecht (Art. 93 GG); stattdessen gilt Art. 21 i.V.m. Art. 3 (u.a.)
GG.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 85
Parteien
Def.: Vereinigungen von Bürgern, die dauend oder für längere Zeit für den Be-
reich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss
nehmen und an der Vertretung des Volkes mitwirken wollen (§ 2 Abs. 1 PartG).
freie Bildung, Existenz, Rechts- und Grundrechtsfähigkeit
Eintritts-, Austrittsfreiheit – Parteiausschluss: §10 PartG
Parteienpluralität
Betätigung: Mitwirkung an der Bildung der öffentlichen Meinung durch
politische Meinungsäußerungen und Information, Parteipresse (BVer-
fGE 121, 1)
Mitwirkung an der Staatswillensbildung / Beteiligung an Wahlen: Auf-
stellung von Kandidaten, Wahlkampf, Vorbereitung / Ermöglichung/
Kontrolle des Wahlvorgangs
Organisation der Parlamentsarbeit: Mehrheits- und Oppositionsbildung;
Fraktionen => zur Mindestgröße der Fraktionen (5%) § 10 GOBT und
BVerfGE 96, 264; zum Fraktionsausschluss BerlVerfGH, NVwZ-RR
2006, 441
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 86
Ansprüche der Parteien
Chancengleichheit: gleicher Zugang zu staatlichen Leistungen (aber keine
originären Zulassungsansprüche); System der abgestuften Chancengleich-
heit (§ 5 PartG).
Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung => heute nicht mehr Er-
stattung der Wahlkampfkosten, sondern Zuschuss zur allgemeinen Partei-
tätigkeit; Grenze: keine überwiegende Finanzierung durch die öffentliche
Hand, s. insb. Art.21 Abs.3 GG zur Finanzierung von Parteien, die frei-
heitlich-demokratische Grundordnung gefährden / beeinträchtigen
Effektiver Rechtsschutz: Verfassungsmäßigkeit periodischer Wahlen ist
auch prozessual zu verwirklichen
„Parteienprivileg“ (Art. 21 Abs. 2 GG): Solange eine Partei nicht verboten
ist, darf ihre Verfassungswidrigkeit von keinem Staatsorgan zur Grundla-
ge eigener Entscheidungen gemacht werden.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 87
Aufgaben des Parlaments nach dem Grundgesetz
Gesetzgebung (Art. 76 ff. GG)
Wahlen: z. B. Bundeskanzler (Art. 63 GG)
Kontrolle der Regierung
Öffentlichkeit (Art. 42 GG) für das Plenum; für Ausschüsse nur aus-
nahmsweise
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 88
Rechtsstellung der Abgeordneten im Bundestag
Art. 38 Abs.1 GG: „freies Mandat“; Unabhängigkeit von Weisungen
Dritter, der Parteien und Fraktionen, aber => Fraktionsdisziplin (≠ Frak-
tionszwang)
Mitwirkungsrechte an der Parlamentsarbeit: Teilnahmerecht (auch im
Ausschuss), Rederecht, Abstimmungsrecht => BVerfG: Gleichberechti-
gung aller Abgeordneten; aber auch: Mediatisierung der Abgeordneten
durch Fraktionen. Mediatisierungsfest sind allein die Mitwirkungsrechte,
welche dem einzelnen Abgeordneten im GG ausdrücklich garantiert oder
welche zur Mandatsausübung unabweisbar sind, namentlich Antrags-,
Abstimmungs-, Rederecht.
Indemnität (Art. 46 Abs.1 GG): keine gerichtliche Nachprüfung von Äu-
ßerungen eines Abgeordneten im Parlament (auch nicht durch Unterlas-
sungsansprüche u.a.)
o Anders bei Parteiveranstaltungen, Talkshows usw.
Immunität (Art. 46 Abs.2 – 4 GG): Verbot der Strafverfolgung ohne
Einwilligung des BTages / auf frischer Tat betroffen
Zeugnisverweigerungsrecht (Art. 47 GG)
Diäten u.a. (Art. 48 GG): Der Grundsatz der Gleichberechtigung der Ab-
geordneten erfordert gleiche Diäten => Vollalimentation, keine Differen-
zierung nach Funktionen. Es ist ein Parlamentsentwurf erforderlich
(Art. 48 Abs. 3 S. 3 GG), ein Gesetz muss die Grundzüge regeln („Ent-
scheidung in eigener Sache“); Verbot der Indexierung.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 89
Kontrollinstrumente des Bundestages
Informationserlangung durch Fragerechte, Antwortansprüche, Diskussion
(Art. 38, 42 GG); es bestehen Fragerechte der einzelnen Abgeordneten und des
Bundestages insgesamt (§§ 100 ff. GOBT).
Eigene Informationserhebung durch
Untersuchungsausschüsse (Art. 44 GG): für Fragen im Rahmen der Bun-
deskompetenz, im Rahmen der Kompetenzen des Bundestages.
Beweiserhebungsanspruch nach StPO / §§ 17 ff PUAG: nicht im Kernbe-
reich der Exekutive; d.h. allein bei (in der Exekutive) abgeschlossenen
Vorgängen; Anspruch auf Aktenvorlage und Aussagegenehmigungen;
Art. 10 GG und Richtervorbehalte (Art. 13 Abs. 2 GG) bleiben unberührt.
Rechtsschutz des Ausschusses => BVerfG; gegen den Ausschuss => nach
Art der Maßnahme bei den Verwaltungsgerichten (bei Verwaltungsmaß-
nahmen), den ordentlichen Gerichte (bei gerichtlichen Beschlüssen, Rich-
tervorbehalten usw.). Ultima ratio: BVerfG.
Reaktionsmöglichkeiten des Bundestages: öffentliche Debatte, informeller
Missbilligungsbeschluss, Ablehnung von Regierungsvorlagen, Haushaltsrecht
(Art. 110 Abs. 2 GG), Ablehnung der Vertrauensfrage (Art. 68 GG), Misstrau-
ensvotum (Art. 67 GG).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 90
Aufgaben des Bundespräsidenten
Vorschlag des Bundeskanzlers (Art. 63 Abs.1 GG)
Ernennung der Bundesregierung, von Bundesbeamten (Art. 60, 63 GG):
nur formelles Ernennungsrecht
Völkerrechtliche Vertretung des Bundes (Art. 59 GG; s.a. Art. 32 GG)
=> nach außen; anders => nach innen: Bindungswirkung nach innen
durch innerstaatliche Rechtsakte, namentlich Transformationsgesetz
(Art. 59 Abs. 2 GG) – Beispiel EMRK.
Auflösung des Bundestages (Art. 63, 68 GG)
Das Amt hat überwiegend symbolische Funktionen.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 91
Prüfungsrecht des Bundespräsidenten
Ausgangspunkt: anwendbare Norm beachten (fakultative / obligate Amts-
handlungen)
Prüfungsrecht bei obligaten Amtshandlungen (Beispiel: Ausfertigung
von Gesetzen):
o formelles Prüfungsrecht: Wortlaut Art. 82 GG (unstrittig)
o materielles Prüfungsrecht: Verfassungsbindung (Art. 20 Abs. 3 GG)
Amtseid (Art. 56 GG)
Art. 79 Abs. 2 GG
Historisch / verfassungsrechtliche Stellung des BPräs.
Sinn und Zweck der Ausfertigung
teils bejaht, teils verneint, teils eingeschränkt:
• Kompetenzkonkurrenz zum BVerfG
• Keine Verpflichtung zur Vornahme offenkundig ver-
fassungswidriger Akte
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 92
Aufgaben der Bundesregierung
Rechtssetzung: Gesetzesvorbereitung, Erlass von Rechtsverordnungen
usw.
Exekutivspitze mit
o Organisationsgewalt: Bestimmungsrecht der Verwaltungsgsorgani- sation, -abläufe, -verfahren
o Sachleitungsgewalt: Weisungsrecht hinsichtlich der materiellen Er-
füllung der Verwaltungsaufgaben (nur im Rahmen der Bundesver-
waltung oder wenn das GG dieses ausdrücklich vorsieht (s. etwa
Art. 85 Abs. 3 GG)
o Ausprägung: Erlass von Verwaltungsvorschriften
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 93
Die Auflösung des Bundestages
• In einem parlamentarischen Regierungssystem bedarf die Bundesregierung
des Vertrauens des Bundestages, nicht umgekehrt.
• Effektivität des Wählerwillens: dieser soll sich in der Zusammensetzung/
Willensbildung des Parlaments zeitnah und wirksam durchsetzen – aber auch
manipulationsfrei.
• Dagegen: Stabilität der Staatsorgane durch Periodizität, daraus folgt:
Beschränkung der Abwahl- / Auflösungsmöglichkeiten.
Abschaffung organloser Zeiten (Art. 39 Abs. 1 S. 2; 69 Abs. 3 GG).
• Anwendung dieser Ausgangspunkte auf den Bundestag: Ende der Legislatur
periodisch (Art. 39 Abs. 2 GG)
durch Auflösung durch den Bundespräsidenten (Art. 63 Abs. 4; 68
GG) => abschließend geregelt
kein Selbstauflösungsrecht
also nur bei Unfähigkeit des Bundestages, einen Bundeskanzler mit
Vertrauen zu wählen bzw. zu erhalten
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 94
Der Bundesrat (Art. 50 ff. GG)
Vertretung der Länder durch die Landesregierungen => abgestufter de-
mokratischer Proporz bei insgesamt 69 Stimmen
Gebot einheitlicher Stimmabgabe (Art. 51 Abs. 3 GG)
Kein freies Mandat: Weisungen sind zulässig (s. Art. 77 Abs. 2 S. 3; 53a
Abs. 1 S. 3 GG) nach Landesrecht (Ministerpräsident, Regierung insge-
samt), aber => Verstöße gegen Weisungen sind allein landesrechtlich von
Bedeutung, nicht aber bundesrechtlich, sofern die Stimmen einheitlich
abgegeben werden
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 95
Bundeskompetenzen nach dem Grundgesetz
Gesetzgebung (Art. 70 ff., 76 ff. GG)
Vollziehung (Art. 83 ff. GG)
Rechtsprechung (Art. 95 ff. GG)
Auswärtige Beziehungen (Art. 32 GG)
Finanzverfassung (Art. 104a GG).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 96
Gesetzgebungskompetenzen des Bundes
Zunächst sind Sonderregelungen zu beachten (z.B. Art. 21 Abs. 3; 38 Abs. 3; Art. 84 ff., 105 Abs. 1 GG usw.).
Sodann die allgemeinen Regelungen der Art. 71 ff. GG, namentlich der
Art. 73 f. GG.
Formen der Bundesgesetzgebungskompetenz:
o ausschließliche Gesetzgebung (Art. 71, 73 GG) o konkurrierende Gesetzgebung (Art. 72, 74 GG) o ungeschriebene Gesetzgebung (Annex, kraft Sachzusammenhangs,
Natur der Sache)
o Grundsatzgesetzgebung: Art. 106 Abs. 4 S. 3; 109 Abs. 3 GG
[Erinnerung: Die frühere Rahmengesetzgebung (Art.75 GG) ist weggefallen!]
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 97
Arten der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz
voraussetzungslose / abweichungsfeste („Kernkompetenz“) nach Art. 72
Abs. 1 GG
„Erforderlichkeitskompetenz“: zur Herstellung gleichwertiger Lebens-
verhältnisse bzw. zur Wahrung des Rechts- oder Wirtschaftseinheit
(Art. 72 Abs. 2 GG)
Bundesgesetze mit Abweichungskompetenz (Art. 72 Abs. 3 GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 98
Die Erforderlichkeitskompetenz der Bundesgesetzgebung
(Art. 72 Abs. 2 GG)
Voraussetzung: Gesetzgebung in einer der aufgezählten Nummern (enu-
merativ begrenzt).
Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse: „wenn sich die Le-
bensverhältnisse in den Ländern in erheblicher, das bundesstaatliche So-
zialgefüge beeinträchtigender Art und Weise auseinander entwickelt ha-
ben oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet“ (BVer-
fGE 112, 226, 244).
Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit: „wenn Ländergesetzge-
bung „eine Rechtszersplitterung (bzw. erheblich Nachteile für die Ge-
samtwirtschaft) mit problematischen Folgen darstellt, die im Interesse
sowohl des Bundes als auch der Länder nicht hingenommen werden
kann“ (BVerfGE 106, 62, 145).
Erforderlichkeit: fehlt, wenn die genannten Ziele durch Län-
der(gesetzgebung) bereits verwirklicht sind oder aber werden können
(BVerfGE 106, 62, 159).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 99
Die Abweichungsgesetzgebung nach Art. 72 Abs. 3 GG
Sinn und Zweck: Schutz der Eigenheit der Länder in Rechtssetzung und Ver-
waltung (früher: Zustimmungsrecht des Bundesrates (Landesregierung); jetzt
=> Rechtssetzungsrecht des Landes (Landtag; Stärkung der Landesparlamente).
Voraussetzung: Gesetzgebung in einer der aufgezählten Nummern (enumera-
tiv) =>
späteres Inkrafttreten soll Abweichung ermöglichen (Ausnahme bei Zu-
stimmung des Bundesrates. Art. 72 III 2 GG)
Abweichungsrecht der Ländergesetzgebung auf Gebieten, wo dies nicht
ausgeschlossen ist (etwa. Art. 72 Abs. 3 Nr. 2 „Grundsätze des Natur-
schutzes“)
dann wieder: späteres Änderungsrecht des Bundes, dann wieder der Län-
der usw.
kein Vorrang des Bundesrechts (Ausnahme: Art. 31 GG)
statt dessen: lex-posterior-Regel (neuartig => diese setzt eigentlich Rang-
gleichheit voraus)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 100
Abweichungsgesetzgebung zum Schutz von Organisations- und
Verfahrensrecht der Landesbehörden (Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG)
Gegenstand: Einrichtung oder Verfahren der Landesbehörden (S. 1)
Die Bundesgesetzgebung berührt diese Materien
Hat das Land abweichende Regelungen getroffen => Bundesrecht tritt erst
6 Monate später in Kraft; hat das Land keine abweichende Regelung ge-
troffen => Bundesgesetzgebung kann sofort in Kraft treten (unterschiedli-
ches Inkrafttreten von Bundesrecht in den Ländern möglich), vgl. S. 3.
Ein Land kann abweichende Regelung treffen, dann kann der Bund wie-
der Neuregelung treffen usw. – kein Vorrang, keine Sperrwirkung, lex-
posterior-Regel (S. 2, 4)
Der Bund kann Abweichung ausschließen – aber nur für Verwaltungsver-
fahren, nicht für Behördeneinrichtung; nur mit Zustimmung des Bundes-
rates (S. 5, 6). Insoweit wieder: keine Inkrafttretenssperre; Vorrang des
Bundesrechts, kein Abweichungsrecht der Länder.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 101
Das Verfahren der Bundesgesetzgebung
(Art. 76 ff. GG)
1. Einbringung
2. parlamentarisches Beratungs- und Beschlussverfahren
3. Ausfertigung
4. Verkündung
Einbringung (Art. 76 GG)
Förmlicher Gesetzesvorschlag und Antrag auf Einleitung des Beratungs-/
Beschlussverfahrens
„Initiativrecht“: Bundesregierung, Bundesrat, Mitte des Bundestages
(§ 76 Abs. 1 GOBT: Fraktion oder Abgeordnete in Fraktionsstärke). Für
jeden Initiativberechtigten besteht ein unterschiedliches Verfahren (Abs.
1-3), daher ist eine gemeinsame Gesetzesinitiative unzulässig.
Zulässig:
Änderung der Initiative (Abgeordnete bringen einen Entwurf ein, der von
der Bundesregierung erarbeitet worden ist)
Teilung des Gesetzentwurfs (kann bedeutsam sein für Mitwirkung des
Bundesrates, BVerfGE 105, 338 ff.)
Fehlende Gesetzesinitiative wird durch Beschluss des BTages geheilt!
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 102
Parlamentarisches Beratungs-/Beschlussverfahren
(Art. 77 GG; ausgeformt in §§ 75 ff. GOBT)
Offenheit, Öffentlichkeit, unmittelbare Legitimation des Parlaments durch
Wahlen bewirken besondere demokratische Legitimation des Gesetzes,
welches seine Stellung im Verfassungssystem begründet:
o Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) o Vorbehalt des Gesetzes für alle wesentlichen Entscheidungen
Abstimmungen:
o einfache Mehrheit (anders: Art. 121 GG; s.a.: Art. 79 Abs. 2 GG) o kein Mindestquorum für Beschlussfähigkeit; Abstimmung weniger
Abgeordneter wird als ausreichend angesehen; solange die Be-
schlussunfähigkeit nicht festgestellt (§ 45 GOBT) wird, wird diese
vermutet
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 103
Mitwirkung des Bundesrates bei der Bundesgesetzgebung
Formen:
Einspruchsgesetze: alle Gesetze, welche nicht ausdrücklich Zustim-
mungsgesetze sind; der Einspruch kann vom Bundesrat erhoben, vom
Bundestag aber zurückgewiesen werden (Art. 77 Abs. 4 GG); hierin liegt
ein eher formelles Verzögerungsrecht („suspensives Veto“); aber: Beteili-
gungsquorum beachten/ spiegelnde Mehrheitsquoren beachten – bei hoher
Ablehnungsmehrheit kann das Gesetz im Bundestag politisch „gestorben“
sein => 2/3 Mehrheit.
Zustimmungsgesetze: alle Bundesgesetze, hinsichtlich derer die Zu-
stimmung des Bundesrates notwendig ist – fehlende Zustimmung kann
nicht vom Bundestag ersetzt werden; der Bundesrat kann das Gesetz also
selbst endgültig verhindern („materielles Vetorecht“).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 104
Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen im Bundesrat
Wenn im GG ausdrücklich vorgesehen:
Sonderregeln (Art. 74 Abs. 2 GG)
Regelungen zum Schutz der Verwaltungshoheit der Länder, sofern kei-
ne Abweichungsgesetzgebung zulässig ist (etwa: Art. 84 Abs. 1 S. 5 GG)
Regelungen zum Schutz der Finanzhoheit der Länder (Art. 104a Abs. 4;
105 Abs. 3 GG).
Einheitstheorie: wenn eine Vorschrift des Gesetzes zustimmungsbedürf-
tig ist, soll es das ganze Gesetz sein; Auswirkung => Art. 80 Abs. 2 letzte
Alt. GG
Aber: nicht jedes Gesetz, welches ein zustimmungsbedürftiges Gesetz än-
dert, ist seinerseits zustimmungsbedürftig, diese ist nur dann der Fall,
wenn das Änderungsgesetz selbst neue zustimmungsbedürftige Klauseln
enthält.
Nicht bei Aufhebung zustimmungsbedürftiger Gesetze
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 105
Der Vermittlungsausschuss (Art. 77 Abs. 2 GG)
Einziger gemeinsamer Ausschuss mehrerer Bundesorgane; daher bestehen zum
Teil rechtliche Sonderregeln:
Grundsatz der Spiegelbildlichkeit der Zusammensetzung der beiden
Bänke (BVerfGE 112, 142 f.)
Weisungsfreiheit auch für Bundesratsmitglieder (Art. 77 Abs. 2 S. 3
GG).
Das Anrufungsrecht ist nach Einspruchsgesetzen / Zustimmungsgesetzen detail-
liert geregelt.
Befassungsrechte:
mit Gesetzen, hinsichtlich derer die Anrufung beschlossen worden ist,
dabei besteht auch die Möglichkeit, mehrere entsprechende Gesetze
zusammenzufassen; Änderung im Rahmen des Anrufungsbegehrens
und des ihm zugrunde liegenden Gesetzesvorschlags
Abgrenzung: kein eigenes Initiativrecht des Vermittlungsausschusses
=> Vorschläge nur hinsichtlich von Vorlag en/Anträgen u.ä., die schon
im Gesetzgebungsverfahren (nicht später oder nachträglich) vorgele-
gen haben (von Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung) (BVer-
fGE 120, 56)
also nur Ausgleich schon vorhandener Meinungsverschiedenheiten
von Bundestag und Bundesrat
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 106
Die Normenhierarchie
Europarecht
Grundgesetz
Bundesgesetz
Bundesrechtsverordnung (Art. 80 GG)
Landesverfassung
Landesgesetz
Landesrechtsverordnung (Art. 70 Landesverfassung NRW)
Satzung
Beachte dazu auch:
Allgemeine Regeln des Völkerrechts (Art. 25 GG)
Verwaltungsvorschriften (z.B. Art. 84 GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 107
Die Rechtsverordnung
(Art. 80 GG)
=> delegierte Rechtssetzung durch die staatliche Exekutive (phänotypische Ab-
grenzung vom Gesetz) mit den folgenden Grundsätzen:
Gesetzesvorbehalt (Art. 80 Abs. 1 GG) – keine nachträgliche Heilung bei
rechtswidriger Ermächtigungsgrundlage.
Art. 80 GG gilt nur für Rechtsverordnungen aufgrund von Bundesgeset-
zen; sonst: Art. 70 LV.
Die Begrenzung der Adressaten ist wörtlich zu nehmen; Möglichkeiten
der Weiterdelegation durch Rechtsverordnungen; anders: Art. 70 LV
=> keine Begrenzung.
besonderes Bestimmtheitsgebot: Inhalt (Anwendungsbereich, Tatbestän-
de) – Ausmaß (Rechtsfolgen) – Regelungsintention (Zweck)
Die Rechtsverordnung muss ihre Ermächtigungsgrundlage nennen.
Verfahren (Art. 80 Abs. 2, 3 GG): Zustimmungsbedürftigkeit des Bundes-
rates; BT/Ausschuss kann sich Zustimmung vorbehalten und Rechtsver-
ordnungen durch Gesetz ändern (str.)
Verkündung: BGBl. oder sonstiges Verkündungsblatt (VerkündungsG)
Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG)
Bei Außerkrafttreten des ermächtigenden Gesetzes tritt die Rechtsverord-
nung nicht automatisch mit außer Kraft (str.).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 108
Die Satzung
Def.: Delegierte Rechtssetzung durch Selbstverwaltungskörperschaften
Sie bedarf der eigenständigen Begründung durch Gesetz.
Namentlich für Grundrechtseingriffe: Je schwerwiegender der Grund-
rechtseingriff, desto weitreichender ist der Vorbehalt des förmlichen Ge-
setzes, sowie die Reichweite der Bestimmtheit der Übertragung.
Demokratisches Rechtssetzungsverfahren: Durch Mitglieder unmittelbar
oder durch ausreichend gewählte Vertreter; die Grundsätze der Art. 38
sowie 28 Abs. 1 GG sind zu beachten.
Die Rechtssetzungsgewalt besteht nur gegenüber Mitgliedern und Benut-
zern eigener Einrichtungen.
Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 109
Die Verwaltungsvorschrift
Verwaltungsvorschriften (s. z.B. Art. 84 GG)
=> Def.: „Regelungen, die für eine abstrakte Vielheit von Sachverhalten des
Verwaltungsgeschehens verbindliche Aussagen treffen, ohne auf eine unmittel-
bare Rechtswirkung nach außen gerichtet zu sein“ (BVerfGE 100, 258).
Innenrecht: Die Frage nach dem Rechtscharakter hängt vom Rechtsbegriff ab.
Verbindlichkeit: nach innen (Adressatenfrage) im Rahmen des Hierar-
chieprinzips (nur für nachgeordnete Stellen, nicht für andere Träger, außer
bei Bestehen einer gesetzlichen Ermächtigung).
Erlassbehörden: partiell angegeben (Art. 84 Abs. 2 GG); im Übrigen im
Rahmen jedes Hierarchieverhältnisses.
Verfahren: intern geregelt; bei gesetzlichen Bestimmungen: Gesetzesbin-
dung (etwa: Art. 84 Abs. 2 GG).
Gesetzesbindung.
Grundsatz: keine unmittelbare Bindung von Gerichten und Bürgern.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 110
Mittelbare Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften
Grundsatz: keine unmittelbare Bindung von Gerichten und Bürgern.
Ausnahmen: „mittelbare Drittwirkung“
Voraussetzungen:
die Verwaltungsvorschrift ist ergangen
die Verwaltungsvorschrift ist mit höherrangigem Recht vereinbar (kei-
ne Gleichbehandlung im Unrecht)
die Verwaltungsvorschrift ist mindestens einmal angewendet worden
(Bezug nach außen!)
der neue Sachverhalt unterfällt der Verwaltungsvorschrift und würde
nach ihrem Inhalt gleich behandelt werden müssen
kein Grund zur Abweichung von der Verwaltungsvorschrift
(etwa: Aufhebung, Änderung, sonstiger Rechtsgrund)
Sonderfall:
„Normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift“ (verbindliche Interpreta-
tion unbestimmter Rechtsbegriffe)
Folgefrage => Publikationspflicht: Diese wird für außenwirksame Ver-
waltungsvorschriften in jüngerer Zeit bejaht.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 111
Bundes- und Landeskompetenzen im Bereich der Exekutive
(Art. 30, 83 GG)
Grundsatz: Landeskompetenz (Art. 30 GG).
Siehe näher: Art. 83 ff. GG (aber nicht für Kompetenzen des Bundesprä-
sidenten und der Bundesregierung, diese folgen aus Art. 54 ff., 63 ff. GG.)
Grundlage:
Trennung der Gesetzgebungs- und Vollzugszuständigkeiten; diese dürfen
aber nicht über jene hinausgehen (Überschrift IV. Abschnitt).
Dabei:
o gegenständliche Begrenzung durch das GG: Bundespolizei und Art. 87 Abs. 1 GG;
o Bundeskompetenz nur bei Annex- bzw. Sachzusammenhangsauf-
gaben: Schutz von Bundesgebäuden durch BKA/Bundespolizei;
Bahnpolizei.
Vollzug von Landesgesetzen => Länderzuständigkeit: Art. 30 GG
Keine Übertragung von Aufgaben / Befugnissen auf Bundesbehörden
durch Landesgesetze (mit Bagatellvorbehalt).
Folie 112
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer Repetitorium: Öffentliches Recht
(Grundrechte, Staatsorganisation)
Die Ausführung der Gesetze
│ Landesgesetze │ Bundesgesetze Kompetenz Landesexekutive
(Art. 30 GG)
Landesexekutive
„als eigene Angelegenheit“
(Art. 84 GG)
Landesexekutive „im Auftrag des Bundes“
(Art. 85 GG)
Bundesexekutive („bundesei- gene Verwaltung“)
(Art. 86 GG)
Voraussetzung Bundesexekutive von Landes- recht unzul.
(Art. 30 GG)
Regelfall, soweit GG nichts anderes bestimmt
(Art. 83 GG)
nur, wenn im GG ausdrück- lich zugelassen (Art. 83 GG, s. etwa Art. 87 b II, c, d II, 89
II, 90 II)
nur, wenn im GG ausdrück- lich zugelassen, (Art. 83 GG, s. etwa Art. 87 I 2, II 87 b, 87
d, 89 II, 87 III GG)
Behördeneinrichtung Land
(Art. 30 GG)
Land (Art. 84 I GG)
(im Einzelfall:
Bund, Art. 84 I GG)
Land( Art. 85 I GG)
(im Einzelfall:
Bund, Art. 85 I GG)
Bund
(Art. 86 S. 2 GG)
Verwaltungsvorschriften Land
(Art. 30 GG)
Land (Art. 84 II GG)
(auf Ermächtigung:
Bund, Art. 84 II GG)
Land(Art. 85 II GG)
(auf Ermächtigung:
Bund, Art. 85 II GG)
Bund (Art. 86 GG)
(auf Ermächtigung:
Land, Art. 86 GG)
Weisungen Land
(Art. 30 GG)
Land (Art. 84 V GG)
(Bund, Art. 84 V GG)
Bund
(Art. 85 III GG)
Bund
Aufsicht Land
(Art. 30 GG)
Land: Fachaufsicht
Bund: Rechtsaufsicht
(Art. 84 III GG)
Bund
(Art. 85 IV GG)
Bund
Kosten Land (Art. 104 a I, V GG)
Land (Art. 104 a I, V GG) Land (Art. 104 a V GG) und
Bund (Art. 104 a II GG)
Bund (Art. 104 a I, V GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 113
Einzelheiten der Art. 83 ff. GG
Trennungsprinzip:
Prinzip der getrennten Aufgabenwahrnehmung von Bund und Ländern
(aus demokratischer Legitimation/ Kontrolle)
Trennung der Verwaltungshierarchien: Keine Vorordnung von Bundes-
über Landesbehörden, sofern nicht ausdrücklich grundgesetzlich zugelas-
sen.
Verbot der Mischverwaltung: gemeinsame bzw. über- / untergeordnete
Wahrnehmung von Verwaltungskompetenzen durch Bund und Länder.
(s.a.a. Gemeinschaftsaufgaben, Art. 91a GG).
Zusammenarbeits- / Unterstützungspflichten (Art. 35 GG)
Sonderfall: Bundeswehr (Art. 87a, b GG)
o Nur zur Verteidigung (Bundesgebiet; Nato-Gebiet; (P) Hindu- kusch)
o Des Weiteren: „Einsatz“ (BVerfG: militärische Ausrüstung, Mit- tel), nur soweit das GG es ausdrücklich zulässt.
o BVerfG: Gesetzesvorbehalt (aus Wesentlichkeitslehre)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 114
Kommunale Selbstverwaltung
(Art. 28 Abs. 2 GG; 78 NRWLV) Unterscheidung: Staatsverwaltung – Selbstverwaltung.
Selbstverwaltung der Gemeinden / Gemeindeverbände für Angelegenhei-
ten der örtlichen Gemeinschaft: „Bedürfnisse und Interessen, die in der
örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen speziellen Bezug ha-
ben“ (BVerfGE 110, 370, 400) => hierbei besteht Universali-
tät/Allzuständigkeit der Gemeinden, d.h.:
o Gebietshoheit o Organisationshoheit o Rechtssetzungshoheit / Satzungsautonomie (durch GG bzw. Geset-
ze verliehen), s.a. Satzungen)
o Personalhoheit o Planungshoheit o Finanzhoheit (s.a. Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 115
Grenzen der kommunalen Selbstverwaltung „Rahmen der Gesetze“: dabei => Übermaßverbot beachten
insb.: Verflechtung örtlicher und überörtlicher Angelegenheiten
(Beispiel: Planung)
Keine Bestandsgarantie der einzelnen Gemeinde, sondern nur von Ge-
meinden überhaupt (vor Neugliederung ist eine Beteiligung/Anhörung der
betroffenen Körperschaften durchzuführen).
Aber: Keine Übertragung von Aufgaben an Gemeinden durch Bun-
desgesetze (Art. 84 Abs. 1 S. 7; 85 Abs. 1 S. 2 GG).
Einzelfälle:
o Warnung vor Sekten (BayVfGH, 50, 219, 225)
o Werbeverbot für Alkohol / Tabak (BWVGH, NVwZ 1993, 905) o wirtschaftliche Betätigung (str.; bejahend wohl BVerwG,
NVwZ 2000, 675 f.)
o Anbieten von Telekommunikationsleistungen (zulässig,
s. Art. 87 f. GG; § 68 Abs. 4 TKG).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 116
Der öffentliche Dienst
(Art. 33 GG)
Weiter Begriff: Alle Dienstposten bei Bund, Ländern und sonstigen Ho-
heitsträgern (auch: Angestellte, Arbeiter, Richter), sofern sie öffentlich-
rechtliche Aufgaben wahrnehmen (nicht privatrechtliche Trabanten der
öffentlichen Verwaltung, wie etwa öffentliche Unternehmen), seien sie
haupt-, neben- oder ehrenamtlich.
Gleicher Zugang (Art. 33 Abs. 2 GG): setzt sachgerechtes Auswahlver-
fahren voraus.
o Grenzen => Gleichstellung (Art. 3 Abs. 2 GG) o Förderung behinderter Menschen (Art. 3 Abs. 3 GG), aber: Abwä-
gung (sofern im Einzelfall kein gleichwertiger Belang überwiegt)
o (P) Verbeamtung von EU-Bürgern: siehe § 7 Abs.1 Nr.1 BeamtStG Funktionsvorbehalt für Beamte i.e.S. bei der „Ausübung hoheitsrechtli-
cher Befugnisse“ (Art. 33 Abs. 4 GG) => nur Polizei, Justiz, Finanzver-
waltung, Militär.
Berücksichtigung hergebrachter Grundsätze des Berufsbeamtentums
(Art. 33 Abs. 5 GG), wie etwa:
o Lebenszeitprinzip o Alimentationsprinzip o Versorgung o Fürsorgepflicht
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 117
Rechtsstaat
(Art. 28 Abs. 1 GG; s.a. Art. 20 Abs. 3 GG) Vom BVerfG nicht als unantastbar i.S.d. Art. 79 Abs. 3 GG anerkannt
(„nur ... soweit in Art. 20 statuiert...“).
Es bestehen zwei, miteinander verschränkte, Dimensionen:
o Formeller Rechtsstaat: Rechtsbindung aller Staatsgewalt; organisa- torische Vorkehrungen zur Verwirklichung dieser Rechtsbindung.
o Materieller Rechtsstaat: „Gerechtigkeitsstaat“ – Bindung an obers-
te Rechtswerte und -grundsätze – aber nur im Rahmen der grundge-
setzlichen Vorgaben, nicht gegen das GG (Art. 20 Abs. 3 GG).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 118
Rechtsstaat – Einzelheiten Rechtsbindung aller Staatsgewalt: Vorrang des GG, des Gesetzes =>
Anwendungsgebot und Abweichungsverbot (Art. 20 Abs. 3 GG)
Gesetzesvorbehalt: früher => rechtsstaatlicher Eingriffsvorbehalt;
heute => Wesentlichkeitsvorbehalt (aus dem Demokratieprinzip). Es ist
jedoch die Summe der grundgesetzlichen Gesetzesvorbehalt zu beachten
und systematisch auslegen. Wichtig insb.: Bundeswehr (BVerfGE 90,
286, 381).
Rechtsschutzgarantie: Soweit subjektive Rechte einschlägig sind
=> „Wo kein Recht ist, ist auch kein Rechtsschutz“. Dieses hat Folgen für
die Gestaltungsspielräume der Vollziehung. Der Gesetzgeber muss das
Wesentliche, aber auch nur das – und nicht alles – regeln. Die Delegation
ist zulässig (Art. 80 GG).
Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung ist grundsätzlich zulässig
(BVerfGE 34, 269) – aber nicht contra legem (Art. 20 Abs. 3 GG) und
nicht im Bereich der Wesentlichkeit.
Rechtssicherheit: Grenze des Gerichtsschutzes; res judicata.
Rechtsklarheit/Bestimmtheit (s.a. Art. 103 Abs. 2 GG):
„je-desto-Formel“ des BVerfG (z.B. BVerfGE 109, 279: Lauschangriff)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 119
Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeit i.w.S.)
Geeignetheit: Jede staatliche Maßnahme muss ihren eigenen Zweck för-
dern.
Erforderlichkeit: Gebot des mildesten Mittels (Voraussetzung: Es müs-
sen mindestens zwei geeignete Mittel erkennbar sein.)
Verhältnismäßigkeit (i.e.S.): Zweck-Mittel-Relation => negative Effekte
staatlicher Maßnahmen dürfen zu ihrem positiven Zweck nicht völlig au-
ßer Verhältnis stehen.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 120
Vertrauensschutz / Rückwirkungsverbot
Unterscheidung: Rückwirkungsverbot: Betrifft Rechtsfolgen einer Norm für den Zeit-
punkt vor ihrer Verkündung (sog. abgeschlossene Sachverhalte =>
„echte Rückwirkung“; „retroaktive Regelung“, BVerfG: Rückbewir-
kung von Rechtsfolgen).
Bsp: 2010 wird ein Steuergesetz für 2009 geändert. Vertrauensschutz: Betrifft Rechtsfolgen einer Norm für den Zeitpunkt
nach ihrer Verkündung (sog. nicht abgeschlossene Sachverhalte =>
„unechte Rückwirkung“; „retrospektive Regelung“, BVerfG: tatbestand-
liche Rückanknüpfung).
Bsp: 2010 wird ein Steuergesetz für 2010 geändert.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 121
Rückwirkungsverbot und Vertrauensschutz
Rückwirkungsverbot
o Art. 103 Abs. 2 GG beachten (für Strafrecht) => nicht generalisier- bar, außerhalb des Strafrechts:
o „echte“ Rückwirkung“ ist grundsätzlich unzulässig, außer bei be- sonderen rechtfertigenden Gründen:
das alte Recht ist verfassungswidrig, unklar oder verworren
das alte Recht ist nur provisorisch (dann ist kein Vertrauens-
tatbestand erkennbar)
es drohen nur „unerhebliche Nachteil für die Betroffenen“
zwingend Gründe des Gemeinwohls“ (eng zu verstehen,
s. BVerfGE 30, 367) Vertrauensschutz
Änderungen für die Zukunft sind grds. zulässig, außer bei besonderen
Vertrauenstatbeständen (änderungsfeste Zusage, Vertrag, rechtskräftiges
Urteil u.a.) – BVerfG: „differenzierende Betrachtung“ (BVerfGE 72,
200).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 122
Finanzverfassung - Einnahmenseite
Regelt das Recht der staatliche Einnahmen-/Ausgabenverteilung bei
Steuern (hoheitliche Abgaben ohne Gegenleistung; siehe § 3 AO). Anders verhält es sich hingegen bei:
o Beiträgen (=Abgaben für Nutzungsmöglichkeit für öffentliche Ein- richtungen)
o Gebühren (=Abgaben für Veranlassung staatlichen Aufwandes; ein Leistungs-/Gegenleistungsverhältnis ist nicht erforderlich)
Das Grundgesetz regelt auf der Einnahmenseite:
o Steuergesetzgebungshoheit (Art. 105 GG), diese richtet sich we- sentlich nach
o Steuerertragshoheit (Art. 106 GG) und o Steuerverwaltungshoheit (Art. 108 GG).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 123
Finanzverfassung – Ausgabenseite Die Ausgabentragung richtet sich nach den jeweiligen Aufgaben
(Art. 104a GG; bislang nicht nach dem Verursacherprinzip).
Grundsätze (Art. 109 GG): Selbständigkeit, Unabhängigkeit, gesamt-
wirtschaftliches Gleichgewicht
Regelung durch Haushaltsgesetz (Art. 110 Abs. 2 GG), das Vollständig-
keit, Haushaltswahrheit/-klarheit, Jährlichkeitsprinzip und Vorherigkeits-
prinzip beachten muss.
Begrenzung der Kreditaufnahme (Art. 115 GG) auf die Höhe der Inves-
titionen; mit begründungsbedürftigen Ausnahmen (s.a. Art. 125 AEUV;
3,5 % des BIP).
Bewirtschaftung nach Grundsätzen:
o Wirtschaftlichkeit und o Sparsamkeit (Art. 114 GG)
Prüfung durch den Bundesrechnungshof (Art. 114 GG).
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 124
Staatshaftung - Art. 34 GG
Voraussetzungen:
o Bestehen einer Amtspflicht, welche Dritte zu schützen bestimmt ist o Amtsträgereigenschaft des Handelnden (Beamter, Richter, Ange-
stellter, Arbeiter, nicht: Abgeordneter)
o Handeln „in Ausübung“ (weiter Begriff), nicht nur bei Gelegenheit o (Rechtswidrige) Verletzung der Amtspflicht
o Verschulden o Schaden o Kausalität von Verletzung und Schaden.
Rückgriffsvorbehalt (Art. 34 S. 2 GG) Rechtsweggarantie (Art. 34 S. 3 GG)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 125
EU-Recht
Primärrecht (Verträge): Abschluss, Änderung durch Mitgliedstaaten
Rechtssetzung: Sekundärrecht => Art. 288 AEUV: Verordnung, Richtli-
nie, Entscheidung, Stellungnahme.
Ausführung durch Mitgliedstaaten; nur ganz ausnahmsweise durch Ge-
meinschaftsbehörden (z.B. Kartellamt).
Rechtsschutz: die Gerichtszuständigkeit hängt von der handelnden Stelle
ab =>
o bei EU-Behörden: „europäischer Gerichtshof“ (Art. 251, 254, 256 AEUV)
o bei nationalen Stellen: Nationale Gerichte (Verwaltungsgerichte usw., welche dabei das Europarecht anwenden)
bei Zweifels-/Divergenzfragen
o Vorlagerecht/-pflicht (Art. 267 AEUV): Vorabentscheidung o in der Bundesrepublik: Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG =>
europäische Gerichte als gesetzlicher Richter.
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 126
EU- und deutsches Recht
Bindung der EU an das Grundgesetz: EuGH: „nein“, statt dessen Bindung an das Europarecht, europäische
Grundrechte, EMRK.
BVerfG: grundsätzlich „nein“, jedenfalls soweit
o in Europa strukturell vergleichbare Rechtsstandards bestehen und o Art. 79 Abs. 3 GG nicht angetastet wird.
Verhältnis des EU-Rechts zum deutschen Recht:
EuGH: Anwendungsvorrang, jedoch kein Geltungsvorrang
BVerfG: nebeneinander, jedoch Bindung der deutschen Stellen an das
Europarecht.
Siehe dazu:
BVerfGE 37, 271 (Solange I)
BVerfGE 73, 339 (Solange II)
BVerfGE 85, 155 (Maastricht)
Prof. Dr. Christoph Gusy Dr. Johannes Eichenhofer
Repetitorium: Öffentliches Recht (Grundrechte, Staatsorganisation)
Folie 127
Haftung der EU für Schäden (Art. 340 AEUV)
Haftung der Mitgliedstaaten für unterlassene Umsetzung gegenüber Dritten? (+) wenn die Voraussetzungen erfüllt sind:
Geltung einer Richtlinie,
die hinreichend bestimmt ist,
eine Umsetzungsfrist enthält,
welche abgelaufen ist,
bei fehlender Umsetzung der Richtlinie durch nationale Stellen
und daraus entstandenem Schaden,
der nicht durch Rechtsmittel abwendbar war. Die Rechtsgrundlage ist offen => allgemeiner Rechtsgrundsatz, der auch für den
Gesetzgeber gilt. Die Anwendung auf sonstige Verletzungen des Gemein-
schaftsrechts durch Mitgliedstaaten wird erwogen.