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20.11.2013
Grundlagen der Industrie- und
Organisationssoziologie
5. Organisationen – Strukturen und Umwelt
Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink
e-mail: [email protected]
20.11.2013
Organisationen – Strukturen und Umwelt
Lektüre
Lawrence, Paul R./ Lorsch, Jay W. (1967): Organization and
Environment. Managing Differentiation and Integration. Boston:
Harvard Business School Press, S. 1-18
Thompson, James D. (1967): Organizations in Action. Social Science
Bases of Administrative Theory. New York u.a.: Mc Graw-Hill, S. 14-
38
20.11.2013
Organisationen – Strukturen und Umwelt
Inhalt
1. Der kontingenztheoretische Ansatz
2. Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch: Organization and Environment
3. James D. Thompson: Organizations in Action
20.11.2013
Kontingenztheoretischer Ansatz
Ausgangsproblem und Grundannahmen
Erklärung von Unterschieden in der Organisationsstruktur
Die formale Organisationsstruktur hat einen starken Einfluss auf die Effizienz einer Organisation
Es gibt keine universell effizienten Organisationsstrukturen
Um effizient zu sein, müssen Organisationen ihre Strukturen an ihre jeweilige Situation bzw. ihre jeweiligen Umwelten anpassen
20.11.2013
Kontingenztheoretischer Ansatz
Die Kontingenztheorien entwickelten sich Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre vor allem als Kritik am Bürokratiemodell in der Organisationsforschung^. Bemängelt wurde die unzureichende bis fehlende Erfassung von Umwelt- oder Situationsaspekten
Es entstand ein neues Paradigma, das sich von der Untersuchung geschlossen-rationaler bzw. geschlossen-natürlicher Organisationen abwandte und die Organisation statt dessen als offen-rationales System verstand
Im deutschen Kontext spricht man auch vom Situativen Ansatz , im englischen Raum hingegen wird entweder von einem „situational approach“ oder „contingency approach“ gesprochen
Mit dieser Bezeichnung soll die Annahme zum Ausdruck gebracht werden, dass Organisationsstrukturen von weiteren Faktoren abhängig (= kontingent) sind
20.11.2013
Kontingenztheoretischer Ansatz
Spezielle Fragen
Wie können Organisationsstrukturen beschrieben - in Begriffe gefasst - und
wie können die Beschreibungen für empirische Erhebungen operationalisiert
werden, so dass Unterschiede zwischen realen Organisationsstrukturen
deutlich werden?
Organisationsstruktur als Abhängige Variable (AV)
Dimensionen: Formalisierung, Spezialisierung, Zentralisierung,
Standardisierung, Automatisierung
Welche situativen Faktoren oder Einflussgrößen erklären die ermittelten
Unterschiede zwischen Organisationsstrukturen? (Unabbhängige Variablen
– UV)
z.B. Größe, Technologie-/Branchenzugehörigkeit, Alter, Umwelten
Welche Auswirkungen besitzen situative Faktoren und
Organisationsstrukturen auf das Verhalten der Organisationsmitglieder und
die Zielerreichung?
20.11.2013
Kontingenztheorie - Strukturdimensionen
• Max Webers Bürokratiemodell
1. Arbeitsteilung
2. Amtshierarchie
3. Technische Regeln / Normen
4. Aktenmäßigkeit
Aston-Gruppe um Derek Pugh
1. Spezialisierung
2. Standardisierung
3. Formalisierung
4. Zentralisierung
5. Konfiguration
These der Aston-Gruppe: Eigenschaften der Organisationsstrukturen sind nicht als Konstante, sondern als
Variable zu konzipieren
Beispiel: Je größer eine Organisation, desto formalisierter, hierarchisierter,
differenzierter, zentralisierter und standardisierter der Organisationsablauf und
damit desto effizienter.
(Pugh/Hickson 1968: 82 f.).
20.11.2013
Kontingenztheoretischer Ansatz
Die formale Organisationsstruktur hat einen starken Einfluss auf die Effizienz
einer Organisation
Es gibt keine universell effizienten Organisationen
Um effizient zu sein, müssen Organisationen ihre Strukturen an ihre jeweilige
Situation anpassen
Das Ausgangsmodell
Verhalten der Organisations-
mitglieder
Effizienz der
Organisation
Situation der
Organisation
FormaleOrganisations-
struktur
20.11.2013
Kontingenztheoretischer Ansatz
Joanne Woodward (ca. 1960)
Branche als unabhängige Variable
z.B. Stahlindustrie vs Flugzeugbau
Organisationsstruktur als AV
Stahl: Hohe Formalisierung, geringe Spezialisierung,
hohe Zentralisierung, hohe Standardisierung, geringe
Automatisierung
Flugzeugbau: mittlere Formalisierung, hohe
Spezialisierung, eher Dezentralsierung, geringe
Standardisierung, hohe Automatisierung
Tom Burns /G.M. Stalker (1961)
Stabile vs. Dynamische Umwelten (UV)
Mechanische vs organische Strukturen (AV)
20.11.2013
Kontingenztheoretischer Ansatz
Kontext der
Organisations-struktur
(globaleMerkmale
des Betriebsund seiner
Umwelt)
Dimensionen der
Organisations-struktur
(Arten organisa-torischer
Regelungenm im Betriebund seinen
Teilbereichen)
FunktionaleRollen-
dimensionen
(Vorgaben zur Steuerung des
aufgabenbezogenenVerhaltens der
Mitarbeiter)
Verhaltensweisenund
Einstellungen
(tatsächliches Verhalten derMitarbeiter beider Aufgaben-
erfüllung)
individuelleund
kollektiveEffizienz-kriterien
Variablen dergesamtbetrieblichen Ebene
Variablen derIndividualebene
Effizienz-variablen
Die Erweiterung durch die „Aston-Gruppe“ (Aston-University,
Birmingham)
20.11.2013
Kontingenztheorie – ausgewählte Vertreter
•
Paul R. Lawrence is the Wallace Brett Donham
Professor of Organizational Behavior, Emeritus at
Harvard Business School (gest. 2011)
Jay W. Lorsch is the Louis Kirstein Professor of
Human Relations at the Harvard Business School.
He is a graduate of Antioch College (1955) with a
M.S. degree in Business from Columbia University
(1956) and a Doctor of Business Administration from
Harvard Business School (1964). At Columbia, he
was a Samuel Bronfman Fellow in Democratic
Business Administration.
Organization and Environment (1969) won the
Academy of Management's Best Management Book
of the Year Award and the James A. Hamilton Book
Award of the College of Hospital Administrators in
1969.
20.11.2013
Kontingenztheorie – ausgewählte Vertreter
• Derek Salman Pugh 1930 in London) ist ein britischer Psychologe und Organisationsforscher. Bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2000 war Pugh Professor für International Management an der Open University, Großbritannien (ab 1983). Mitglied der Forschungsgruppe an der Aston-University, Birmingham.
• James David Thompson (1920 -1973) was an American sociologist.
• He graduated from Indiana University with a B.A. in business. He obtained a master's degree in journalism.From 1950 to 1954, he worked on his final degree, a Ph.D. in sociology from the University of North Carolina at Chapel Hill.
• From there, he moved to Cornell University to teach at the School of Business and Public Administration. He helped found the Administrative Science Quarterly of which he was the first editor, in 1956. He became the director of the Administrative Science Center at the University of Pittsburgh.
• In 1967, he published Organizations in Action: Social Science Bases of Administrative Theory, one of the most influential books on organizations.
20.11.2013
Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch
Organization and Environment
Nicht die gesamte Organisationsstruktur wird in
einheitlicher Weise von der Umwelt geprägt
Verschiedene Bereiche einer Organisation sind mit
unterschiedlichen Umwelten konfrontiert und entwickeln
dafür umweltbezogene Strategien
Forschungsfrage: Erklärung managerieller Strategien
20.11.2013
Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch
Organization and Environment
Die Organisationsstruktur ergibt sich aus dem Spannungsverhältnis von
Differenzierung und Integration
Differenzierung: Unterschiede in der kognitiven und emotionalen
Orientierung der Manager in den verschiedenen Bereichen / Abteilungen der
Organisation
Ziel-, Zeit- und zwischenmenschliche Orientierung der Mitarbeiter sowie
der Formalisierungsgrad einer Abteilung sind hier relevant
Je größer diesbezüglich die Unterschiede zwischen verschiedenen
Bereichen sind, desto höher ist der Differenzierungsgrad eines
Unternehmens.
Integration beschreibt dann die Qualität der notwendigen
Zusammenarbeit zwischen den Bereichen
20.11.2013
Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch
Organization and Environment
1. Verhältnis externe Umwelten (Herausforderungen) und interne
Strukturen (effektives Organisieren)
2. Gibt es einen Zusammenhang zwischen stabilen Organisationen und
zentralisierten Strukturen? Woran liegt das? Geringerer
Integrationsbedarf?
3. Zusammenhang Arbeitsteillung / funktionale Differenzierung und
Umweltbedingungen
4. Zusammenhang Differenzierung und Integrationsbemühungen
Forschungsfragen
20.11.2013
Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch
Organization and Environment
Hypothesen
Die Mitglieder eines Subsystems werden sich primär an Zielen orientieren,
die sich auf ihre funktionsspezifische Umwelt bezieht
Je heterogener die Umwelt, um so höher ist der Differenzierungsgrad einer
Organisation
Je heterogener die Umwelt, um so geringer wird die Integration zwischen
den Subsystemen sein
Wenn die Differenzierung zwischen den Subsystemen einer Organisation
den Erfordernissen der Umweltsektoren entspricht und zwischen den - je
nach Dynamik der Gesamtumwelt relevanten - Subsystemen ein hoher
Integrationsgrad besteht, dann wird die Organisation eine hohe Effizienz
erzielen
Wenn die Umwelt heterogen ist, dann sind - über die Management-
Hierarchie hinaus - zusätzliche Integrations-Einrichtungen zu erwarten
20.11.2013
Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch
Organization and Environment
Ergebnisse einer vergleichenden Studie in 10 Unternehmen
der USA – unterschiedliche Branchenzugehörigkeit
1. Die relevante Umwelt beeinflusst die Ausprägung der
Differenzierungsvariablen. Je höher z.B. die Unsicherheit ist, desto
kurzfristiger ist die Zeitorientierung der Manager und desto geringer ist
der Formalisierungsgrad
2. Der Differenzierungsgrad ist umso höher, je unterschiedlicher die
Umweltsektoren der Unternehmensbereiche sind
20.11.2013
Paul R. Lawrence und Jay W. Lorsch
Organization and Environment
Ergebnisse einer vergleichenden Studie in 10 Unternehmen
der USA – unterschiedliche Branchenzugehörigkeit
3. Je höher der Differenzierungsgrad ist, desto schwieriger ist die
Integration. - Integrationsmechanismen; Teams; Integrationseinheiten,
effektive Konfliktlösung?
4. Die Konfliktlösung ist umso wirksamer, je offener Konflikte ausgetragen
werden, je mehr Positions- und Expertenmacht die Integrationseinheiten
besitzen, je weniger sich einzelne Bereiche übergangen fühlen und je
stärker zugleich der Einfluss der Einheiten ist, die über das relevante
Wissen verfügen. (Integrationseinheiten sind am wirkungsvollsten, wenn
sie im Verhältnis zu den zu integrierenden Bereichen einen mittleren
Differenzierungsgrad aufweisen und ihr Anreizsystem die
Gesamtzielerreichung honoriert.)
5. Unternehmen, deren Differenzierung den Anforderungen der Umwelt
entspricht und die zugleich die erforderliche Integration innerhalb der
Organisation sicherstellen, sind erfolgreicher als andere Unternehmen.
20.11.2013
James D. Thompson: Organizations in Action
Organisationen sind sowohl offene als auch geschlossene Systeme -
Doppelstruktur. Als offene Systeme sind sie mit Unsicherheit konfrontiert, als
geschlossene Systeme stehen sie unter dem Anspruch der
Rationalitätssteigerung, die wiederum den weitreichenden Ausschluss von
Unsicherheit voraussetzt.
Theoretische Ausgangspunkte
Alvin W. Gouldners Unterscheidung in natürliche und rationale Systeme
Talcott Parsons Differenzierung in technische, managerielle und
institutionelle Ebene
Philip Selznicks Idee des „co-alignment“ (aufeinander abgestimmte
Ausrichtung) zwischen Organisationen und ihren institutionellen Umwelten
Paul Simon und James G. March’s Analyse zu begrenzter Rationalität und
Entscheidungsprozessen in Organisationen.
20.11.2013
James D. Thompson: Organizations in Action
Paradox of Administration - Verwaltung
Paradoxie des Organisierens als Dualität
Einerseits – Andererseits
Turbulente und unsichere Umwelten – es bedarf planbarer Kontexte
und Sicherheit
Dynamik der Umwelt erfordert flexible Anpassungsstrategien – zur
Erstellung von Leistung braucht es stabile Strukturen
Unsicherheit als fundamentales Problem komplexer
Organisationen und der effiziente Umgang mit Unsicherheit als
das Wesen des Verwaltungsprozesses.
20.11.2013
James D. Thompson: Organizations in Action
Thompson nennt zwei Arten von Rationalität im Unternehmen bzw. in der
Organisation: Koordinationsprobleme erster Ordnung
Technologische Zweck-Mittel-Rationalität
Wissen um Kausalwirkungen - technische Ebene
Abhängig von bestimmten Voraussetzungen
Sicherung von Ressourcen – Aufgabe des Managements
Organisationale Rationalität
Aktive Pufferung, Stabilisierung und Schutz des Kerns (technischer Kern) gegenüber Unsicherheiten und Veränderungen der Umwelt
Die managerielle bzw. institutionelle Ebene hat die Aufgabe, die Beziehung zu den externen Umwelten zu erhalten und zu ermöglichen
Modell einer Zwiebel im Gegensatz zu Lawrence/Lorsch’s horizontalen Allianzen
20.11.2013
James D. Thompson: Organizations in Action
Zentrales Problem und Rationalitätskriterium für komplexe Organisationen ist
dann die Koordination der unterschiedlich operierenden Teile:
Koordinationsproblem zweiter Ordnung
Maxime der „minimalen Koordinationskosten“ – Organisationen sind dann
rational, wenn sie die realisierbaren Koordinationsformen (zwischen den
Bereichen) so nutzen, dass die internen Transaktionskosten (vgl. Williamson)
minimal sind und die zu beherrschenden Interdependenzen (wechselseitige
Abhängigkeiten) effizient gehandhabt werden können
„Begrenzte Rationalität“ als Lösung der Koordinationsprobleme, denn die
Interdependenzen bleiben und sind nicht völlig rationalisierbar bzw.
integrierbar in das jeweilige Subsystem.
20.11.2013
Kritik
Die Situation determiniert nicht die Organisationsstruktur
Der Situative Ansatz enthält kein Konzept, das die Anpassung der
Organisationsstruktur an die Situation erklärt
Der Situative Ansatz verschleiert die Ausübung von Herrschaft in
Organisationen
Organisationsstrukturen lassen sich nicht objektiv, d.h. unabhängig
von Wahrnehmungen, Intentionen und Handlungen der
Organisationsmitglieder konzipieren und erfassen
Regelmäßigkeiten in den Beziehungen zwischen Situation und
Organisationsstruktur sind von Kultur zu Kultur unterschiedlich