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UNIVERSITÄT WIEN Das Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Praxis in der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades „Magister der Philosophie“ an der Fakultät für Sozialwissenschaften an der Universität Wien eingereicht von Walter FIRLINGER St. Pölten, im April 2007 E-Mail: [email protected]

ÖGKV: ÖGKV - Österreichischer Gesundheits- und ...Theorie und Praxis und ich möchte nach Möglichkeiten suchen, die Spannungen des Theorie und Praxis Verhältnisses zu reduzieren

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Page 1: ÖGKV: ÖGKV - Österreichischer Gesundheits- und ...Theorie und Praxis und ich möchte nach Möglichkeiten suchen, die Spannungen des Theorie und Praxis Verhältnisses zu reduzieren

UNIVERSITÄT WIEN

Das Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Praxis in der

psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege

Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades

„Magister der Philosophie“

an der Fakultät für Sozialwissenschaften an der Universität Wien

eingereicht von

Walter FIRLINGER

St. Pölten, im April 2007

E-Mail: [email protected]

Page 2: ÖGKV: ÖGKV - Österreichischer Gesundheits- und ...Theorie und Praxis und ich möchte nach Möglichkeiten suchen, die Spannungen des Theorie und Praxis Verhältnisses zu reduzieren

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich versichere,

dass ich die Diplomarbeit selbstständig verfasst, andere als die angegebenen

Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten

Hilfe bedient habe,

dass ich dieses Diplomarbeitsthema bisher weder im In- noch im Ausland (einer

Beurteilerin/einem Beurteiler zur Begutachtung) in irgendeiner Form als

Prüfungsarbeit vorgelegt habe,

dass diese Arbeit mit der von der Begutachterin beurteilten Arbeit übereinstimmt.

_______________________ ___________________

Datum Unterschrift

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Kurzzusammenfassung

Die vorliegende Diplomarbeit hat eine theoretische und eine qualitative

Komponente.

Im theoretischen Teil werden nach der Einleitung im zweiten und im dritten

Kapitel die Begriffe Theorie und Praxis im Allgemeinen näher ausgeführt und

unter verschiedenen Sichtweisen explizit dargestellt. Im vierten Kapitel wird der

Begriff Wissen operationalisiert sowie die unterschiedlichen Zugänge zu dem

Gebiet in knapper Form dargestellt. Da es sich um eine pflegewissenschaftliche

Arbeit handelt, widmet sich das fünfte Kapitel etwas ausführlicher der

Praxisdisziplin Pflege. Eine kurze Retrospektive zeigt die Entwicklung der Pflege

vom dienenden Beruf bis hin zur Pflegewissenschaft. Die praktischen Aspekte der

Pflege werden ebenso proklamiert wie die theoretischen. Weil Pflegeplanung und

Pflegediagnosen zu einem nicht unwesentlichen Teil am Spannungsverhältnis

zwischen Theorie und Praxis beitragen, ist es wichtig, sich mit diesen Bereichen

auseinanderzusetzen. Anschließend wird das Theorie-Praxis-Verhältnis aus der

Sicht der Pflege veranschaulicht. Abschließend werden in diesem Kapitel die

Besonderheiten der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege

zusammengefasst sowie das Fachgebiet der Psychiatrie kurz vorgestellt und die

essentiellen Merkmale von psychiatrischen Krankheiten explizit erläutert. Das

sechste Kapitel widmet sich der Ausbildung zur psychiatrischen Gesundheits- und

Krankenpflege, sowohl was den theoretischen als auch den praktischen Bereich

betrifft. Abgeschlossen wird das Kapitel mit der Darstellung des Theorie und

Praxis-Verhältnisses im Bezug auf die Ausbildung. Im siebenten Kapitel beginnt

der empirische Teil der Arbeit. Hier werden Schüler der psychiatrischen

Gesundheits- und Krankenpflege mit einem Aufnahmegerät über das Theorie-

Praxis-Verhältnis hinsichtlich ihrer Ausbildung interviewt. Anschließend werden

die Angaben unter qualitativen Bedingungen ausgearbeitet und zusammengefasst,

aus den Daten werden eine Konklusion und die weiteren Aussichten abgeleitet.

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Abstract

The present diploma thesis has a theoretical and a qualitative component. In the

theoretical part after the introduction, in second and in the third chapter, the terms

theory and practice, generally, are implemented more near and represented under

different aspects explicitly.

In the fourth chapter the term knowledge is operationalisiert as well as the

different accesses, to the area, in brief is represented.

The fifth chapter, to devote itself to the practice discipline care. A short

retrospective, shows the development of the care, from the serving occupation

until to the care science. The practical aspects of the care are as well as

proclaimed like the theoretical. Because care planning and care diagnoses

contribute to a not insignificant part at the stress ratio between theory and

practice, it is important itself to engage with some areas. The theory practice

relationship is illustrated the care from the view afterwards. Finally in this chapter

the characteristics of the psychiatric health and nursing are summarized, as well as

the specialty of the psychiatry briefly presented and the essential characteristics of

psychiatric diseases explicitly describes.

The sixth chapter devotes itself to the education as the psychiatric health and

nursing, as well as what the theoretical and the practical area involves. The

chapter is finished with the representation of the theory and practice of

relationship, with reference on the education.

In the sieving chapter the empirical part of the work begins. Students of the

psychiatric health and nursing, with recording equipment, are interviewt over the

theory practice relationship, regarding their education. Subsequently, the

statements are worked out under qualitative conditions and summarized, from the

data a conclusion and the further prospects derived.

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Page 5: ÖGKV: ÖGKV - Österreichischer Gesundheits- und ...Theorie und Praxis und ich möchte nach Möglichkeiten suchen, die Spannungen des Theorie und Praxis Verhältnisses zu reduzieren

Vorwort

Die Idee zum Thema, über das Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Praxis

zu schreiben, kam mir während meiner beruflichen Ausbildung zum

Praxisanleiter. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Theorie einerseits und

Praxis andererseits und das Verhältnis zueinander weckte mein Interesse. Nicht

zuletzt dadurch, weil ich als Diplomkrankenpfleger schon seit über zwanzig

Jahren in der Praxis tätig bin und weil ich als zukünftiger Praxisanleiter mit

Schülern und deren Ausbildung konfrontiert werde.

In meiner Tätigkeit als Diplomkrankenpfleger habe ich festgestellt, dass die

Schüler theoretisch gut ausgebildet sind, sie haben zum Beispiel den

Pflegeprozess von der Basis auf gelernt und sie wissen wie man Pflegediagnosen

erstellt. Sie kommen im Rahmen ihres Praktikums auf die Station und wollen ihr

neu erworbenes Wissen in der Praxis auch anwenden. Doch viele Praktiker haben

den Pflegeprozess in ihrer Ausbildung noch nicht gelernt und sie stehen

theoretischem Wissen skeptisch und teilweise auch ablehnend gegenüber. Diese

Diskrepanz zwischen Schüler und Praktiker respektive zwischen Theorie und

Praxis finde ich sehr spannend. Da ich in Zukunft vermehrt mit dem Verhältnis

von Theorie und Praxis konfrontiert werde, erscheint es mir wichtig, sich mit

dieser Thematik auseinanderzusetzen und ich finde es als eine Herausforderung,

die beiden ungleichen Fachgebiete zu äquilibrieren.

Ich möchte mit dieser Arbeit die beiden Bereiche speziell in der Psychiatrie

explizit darstellen, um einen Einblick in beide Lernorte zu erhalten.

Ich erwarte mir von der Arbeit einen hermeneutischen Input über die Bereiche

Theorie und Praxis und ich möchte nach Möglichkeiten suchen, die Spannungen

des Theorie und Praxis Verhältnisses zu reduzieren. Im Hinblick auf die

Ausbildung der Schüler möchte ich versuchen, durch mehr Informationen die

Qualität der Ausbildung zu verbessern.

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Page 6: ÖGKV: ÖGKV - Österreichischer Gesundheits- und ...Theorie und Praxis und ich möchte nach Möglichkeiten suchen, die Spannungen des Theorie und Praxis Verhältnisses zu reduzieren

Danksagung

Danken möchte ich meiner Frau Sonja, die mich durch alle Höhen und Tiefen

während des Studiums mit viel Verständnis begleitet hat, viel Geduld aufgebracht

hat und mich in schwierigen Phasen motiviert hat.

Frau Mag.a Dr. Hanna Mayer, die mich als wissenschaftliche Betreuerin mit

wertvollen Hinweisen und konstruktiven Anregungen unterstützt hat, möchte ich

für die äußerst kompetente und fachliche Betreuung, für die mehrmals kurzfristig

erhaltenen Gesprächstermine und dafür, dass sie meine Arbeit als eine

individuelle Leistung ansieht, sehr herzlich danken.

Danke schön!

Des Weiteren möchte ich mich bei der Direktorin und den Lehrkräften der

Ausbildungsstätte für psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege in Ybbs

bedanken, die mich unterstützt und mir ihre gut geführte Bibliothek zur

Verfügung gestellt haben.

Ebenso möchte ich mich bei der Direktorin des Pflegedienstes des

Therapiezentrums in Ybbs für ihre Unterstützung bedanken.

Allen Interviewpartnern, die durch ihre Bereitschaft zum Interview den

empirischen Teil meiner Arbeit erst ermöglicht und zur Gewinnung wertvoller

Eindrücke und Einsichten beigetragen haben, sei herzlichst gedankt.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ..................................................................................................... 10

1.1 Problemdarstellung............................................................................. 11

1.2 Ziele und Fragestellungen der Arbeit ............................................... 13

1.3 Vorgangsweise ..................................................................................... 14

2 Theorie.......................................................................................................... 15

2.1 Induktiv versus Deduktiv ................................................................... 16

2.2 Theorie aus soziologischer Sicht ........................................................ 17

2.3 Theorie aus psychologischer Sicht..................................................... 17

2.4 Wissenschaftstheorien ........................................................................ 18

2.5 Alltagstheorien .................................................................................... 18

2.6 Klassifikation von Theorien ............................................................... 19

2.7 Ziele von Theorien .............................................................................. 20

2.8 Kritische Betrachtung von Theorien................................................. 21

2.9 Zusammenfassung............................................................................... 22

3 Praxis ............................................................................................................ 24

3.1 Praxis aus soziologischer Sicht........................................................... 24

3.2 Praxis aus wissenschaftlicher Sicht ................................................... 25

3.3 Zusammenfassung............................................................................... 25

4 Wissen........................................................................................................... 26

4.1 Theoretisches Wissen.......................................................................... 26

4.2 Praktisches Wissen respektive persönliches Wissen........................ 27

4.3 Intuitives Wissen ................................................................................. 28

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Page 8: ÖGKV: ÖGKV - Österreichischer Gesundheits- und ...Theorie und Praxis und ich möchte nach Möglichkeiten suchen, die Spannungen des Theorie und Praxis Verhältnisses zu reduzieren

4.4 Wissenschaft ........................................................................................ 28

4.5 Zusammenfassung............................................................................... 29

5 Pflege ............................................................................................................ 30

5.1 Definition von Pflege........................................................................... 30

5.2 Konzept-Pflege .................................................................................... 31

5.3 Theorie- und Praxisentwicklung im historischen Kontext der Pflege

............................................................................................................... 33

5.4 Zusammenfassung............................................................................... 39

5.5 Der praktische Aspekt in der Pflege.................................................. 40

5.5.1 Professionalität ............................................................................ 45

5.5.2 Zusammenfassung....................................................................... 46

5.6 Der theoretische Aspekt in der Pflege ............................................... 47

5.6.1 Pflegetheorien .............................................................................. 50

5.6.2 Der Pflegeprozess ........................................................................ 52

5.6.3 Pflegediagnosen ........................................................................... 54

5.6.4 Evidence-based-Nursing (EBN) ................................................. 56

5.6.5 Pflege als Wissenschaft ............................................................... 57

5.6.6 Kritische Betrachtung zum theoretischen Aspekt in der Pflege .

....................................................................................................... 59

5.6.7 Zusammenfassung....................................................................... 62

5.7 Das Theorie-Praxis-Verhältnis in der Pflege.................................... 64

5.8 Pflege in der Psychiatrie ..................................................................... 66

5.8.1 Psychiatrie.................................................................................... 69

5.8.2 Psychiatrische Erkrankungen.................................................... 70

5.8.3 Zusammenfassung....................................................................... 71

6 Die Ausbildung in der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege 73

6.1 Die theoretische Ausbildung .............................................................. 75

6.2 Die praktische Ausbildung ................................................................. 78

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6.3 Zusammenfassung............................................................................... 82

6.4 Das Theorie-Praxis-Verhältnis in der Ausbildung .......................... 84

7 Das Theorie-Praxis-Verhältnis aus der Perspektive der Auszubildenden. 88

7.1 Methode der Datenerhebung ............................................................. 88

7.2 Vorgangsweise der Datenerhebung................................................... 89

7.3 Methode der Datenauswertung.......................................................... 91

8 Ergebnisdarstellung ..................................................................................... 92

8.1 Erleben des ersten Praktikums.......................................................... 92

8.1.1 Ergebnisdiskussion...................................................................... 93

8.2 Der Stellenwert der Schüler in der Praxis ........................................ 95

8.2.1 Ergebnisdiskussion...................................................................... 97

8.3 Lernbedingungen auf der Station...................................................... 98

8.3.1 Ergebnisdiskussion.................................................................... 100

8.4 Verhaltenskonsequenzen .................................................................. 101

8.4.1 Ergebnisdiskussion.................................................................... 103

8.5 Lernorganisation zwischen Theorie und Praxis............................. 104

8.5.1 Ergebnisdiskussion.................................................................... 105

8.6 Das Theorie-Praxis-Verhältnis aus Sicht der Schüler ................... 107

8.6.1 Ergebnisdiskussion.................................................................... 110

8.7 Möglichkeiten, das Theorie-Praxis-Verhältnis zu verbessern ...... 111

8.7.1 Ergebnisdiskussion.................................................................... 113

9 Schlussfolgerungen.................................................................................... 115

10 Zusammenfassung ................................................................................. 120

11 Literaturverzeichnis ............................................................................... 124

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1 Einleitung

Theorie und Praxis, das sind zwei verschiedene Welten einer Einheit, vergleichbar

mit dem Yin und Yang aus der chinesischen Philosophie. Jeder Teil steht für sich

selbst, beeinflusst den anderen, beides sind Gegenstücke, die sich komplementär

verhalten, nicht Gegensätze die sich bekämpfen. Das Eine bedingt das Andere und

beide zusammen bilden eine Einheit.

Theorie und Praxis sind zwei Begriffe, die sehr unterschiedlich konnotiert sind.

Auf der einen Seite die Theoretiker mit dem Hang zur Wissenschaft, die mit ihrer

eigenen elaborierten Fachsprache zur Abgehobenheit tendieren und die der Praxis

Vorgaben machen, wie sie pflegen soll. Auf der anderen Seite die Praktiker, die

mit ihrem Erfahrungs- und Traditionswissen die Arbeit per se ausführen und

Theorie als nicht anwendbar ablehnen. Nicht umsonst meinen die Praktiker, dass

die Theoretiker in einem Elfenbeinturm sitzen, unverständlich und praxisfern

agieren. Umgekehrt behaupten die Theoretiker von den Praktikern, dass sie

Theorie ablehnen, Pflegehandlungen auf ihre Wirksamkeit zu wenig reflektieren,

in ihrer Grundlage nicht verifizierbar sind und dass sie in ihrer Einstellung als

reaktionär einzustufen sind.

Dass die Beteiligten der beiden Bereiche auf Grund der nicht ganz konfliktfreien

Bewertung und unterschiedlichen Auffassungen Spannungen entwickeln, ist

obligatorisch.

Die Berufsausbildung zum psychiatrischen Krankenpfleger ist eine duale

Ausbildung wie viele andere Ausbildungen auch, aber die beiden

unterschiedlichen Lernorte, die Schule für die theoretische Ausbildung und die

Station für die praktische Ausbildung, neigen dazu, Spannungen zu produzieren.

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1.1 Problemdarstellung

Schüler, die ihre Ausbildung zum psychiatrischen Diplomkrankenpfleger

absolvieren, befinden sich in diesem Spannungsverhältnis. Einen Teil verbringen

sie in der Schule, bekommen theoretisches Wissen vermittelt, das über das

benötigte Wissen des jeweiligen Krankenhauses hinausgeht, weil es ein

universelles Wissen ist und auch für andere Krankenhäuser anwendbar sein muss.

Die Ausbildung ist didaktisch ausgerichtet, erfolgt durch pädagogisch

ausgebildete Lehrkräfte, und die Schüler haben die Möglichkeit und auch die Zeit,

Pflegehandlungen zu reflektieren. Den praktischen Teil ihrer Ausbildung

verbringen sie auf der Station. Hier wird meist traditionell und nach den Vorgaben

und Regeln des zuständigen Krankenhauses gepflegt. Die Anleiter in der

praktischen Ausbildung haben meist keine pädagogische Schulung, sie wird oft

vom Pflegepersonal des täglichen Dienstes durchgeführt. Die Schüler sind in das

Stationsgeschehen eingebunden und haben auf Grund der personellen und

strukturellen Rahmenbedingungen nicht die Möglichkeit, die Praxis zu

reflektieren. Die Umsetzung von theoretischem Wissen in die Praxis ist oft nicht

möglich, weil die strukturellen und personellen Ressourcen dies nicht zulassen.

Ein zusätzlich belastender Faktor ist die unzeitgemäße Ausbildung der in der

Praxis Tätigen. Da die Ausbildung zumeist schon einige Jahre und länger

zurückliegt und der Pflegeprozess, der im neuen Gesundheits- und

Krankenpflegegesetz verankert ist, noch nicht evident war, fehlt den

Pflegepersonen das nötige Grundlagenwissen. Die Praktiker empfinden den

Pflegeprozess nur als eine Mehrarbeit und stehen ihm deshalb oft ablehnend

gegenüber. Sie gelten wegen ihrer Einstellung auch als reaktionär.

Für die Schüler ist der Pflegeprozess ein wichtiger Teil, sowohl was die

theoretische wie auch die praktische Ausbildung betrifft. Die Lehrer der

Ausbildungsstätte erwarten von den Lernenden, dass sie die theoretischen Inhalte

und Erfahrungen in der Praxis üben. Doch in der Praxis lässt sich das theoretische

Wissen oft nicht umsetzen.

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Die Schüler kommen zwar mit Erwartungsdruck, jedoch hoch motiviert und mit

neuem Wissen auf die Station, und sie möchten ihre Erkenntnisse nun in die

Praxis einfließen lassen, doch die Umsetzung scheitert zum Teil an den

mangelnden strukturellen und persönlichen Ressourcen und an der destruktiven

Einstellung des Pflegepersonals. Sie werden mit der Tatsache konfrontiert, dass

der Pflegeprozess hier nicht denselben Stellenwert wie in der Schule hat und zum

Teil sogar negiert wird. Die Schüler resignieren und passen sich meist an die

Gegebenheiten der Station an, weil sie sonst eine Benachteiligung bei der

Beurteilung ihres Praktikums befürchten.

Diese Spannungsfelder zwischen Theorie und Praxis können sich für die Schüler

frustrierend auswirken und die Effizienz ihrer Ausbildung behindern.

Die praktische Pflege hat sich aus einem dienenden und untergeordneten Beruf

entwickelt. Die Ausführungen von medizinischen Anordnungen und die

Ausführungen von hauswirtschaftlichen Tätigkeiten waren die wichtigsten

Tätigkeiten der Pflege. Erst mit der Einführung des Gesundheits- und

Krankenpflegegesetz wurde die Krankenpflege reformiert.

Der eigenverantwortliche Tätigkeitsbereich mit dem Pflegeprozess bedeutete eine

totale Neuorientierung der Pflege. Da aber viele Praktiker ihre Ausbildung bereits

vor 2001 absolviert haben, fehlt ihnen die theoretische Grundlage zum neuen

Krankenpflegegesetz, das führte anfangs zur Überforderung und wurde daher von

manchen sogar abgelehnt.

Die Umstellung einer hauptsächlich von der Medizin abhängigen Pflege zu einer

eigenständigen Pflege mit einem eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich machte

vielen Pflegepersonen Probleme. Zahlreiche fort- und weiterbildende Schulungen

und Maßnahmen, wie das Einsetzen von so genannten „Multiplikatoren“ wurde

notwendig, um mit der revolutionären Entwicklung Schritt halten zu können.

Hier haben die Schüler einen wesentlichen Vorteil gegenüber der Praxis. Sie

mussten sich nicht erst von einer funktionellen, von der Medizin abhängigen,

weisungsgebundenen Pflege abkoppeln, um sich zu einer Berufsgruppe mit

eigenverantwortlichem Tätigkeitsbereich zu entwickeln, sondern sie kommen mit

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einer fundierten theoretischen Ausbildung und mit viel Grundlagen-Wissen von

der Ausbildungsstätte auf die Station.

Trotz allem Wollen und aller Bereitschaft der Schüler zur Innovation, neues

Wissen in die Praxis zu transferieren, sind sie jedoch früher oder später dazu

bereit, vor allem weil sie die Schwächeren im System sind, sich dem Imperativ

der Praxis unterzuordnen (vgl. Görres 2002, S. 16).

1.2 Ziele und Fragestellungen der Arbeit

Das Ziel der Arbeit besteht darin, das Spannungsverhältnis zwischen Theorie und

Praxis, speziell in der psychiatrischen Pflege, aus verschiedenen Blickwinkeln

darzustellen, Gemeinsamkeiten sowie unterschiedliche Positionen

herauszuarbeiten und eine Konklusion für die Ausbildung abzuleiten. Weiters

möchte ich die Erfahrungen schildern, die Lernende in ihrer Ausbildung zum

psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpfleger im Bezug auf das Theorie-

Praxis-Verhältnis machen, sowie alle positiven und negativen Aspekte aus der

Sicht der Schüler explizit beschreiben.

Fragestellungen:

1. Wie stellt sich das Theorie-Praxis-Verhältnis dar?

2. Was macht das Theorie-Praxis-Spannungsverhältnis aus?

3. Welche Gemeinsamkeiten respektive unterschiedliche Positionen gibt es

zwischen Theorie und Praxis?

4. Wie erleben Lernende der psychiatrischen Gesundheits- und

Krankenpflege das Theorie-Praxis-Verhältnis in ihrer Ausbildung?

5. Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus den Beschreibungen ableiten?

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1.3 Vorgangsweise

Die vorliegende Arbeit ist eine Literaturrecherche mit einem qualitativen Aspekt.

Die Literatursuche richtete sich nach dem Thema. Als Suchhilfe wurden

Bibliothekskataloge, Freihandaufstellungen aus Bibliotheken, Datenbanken aus

fachspezifischen Verlagen, das Literaturservice der medizinischen Universität in

Graz, Fachdatenbanken im Internet und vertiefende Literatur zum Thema

Literaturrecherche verwendet.

Das subjektive Erleben der Schüler in Bezug auf ihre Situation in der

theoretischen und der praktischen Ausbildung ergänzt die theoretische

Ausführung. Diese wurde mittels semistrukturierter Interviews erhoben.

Zur Auswertung der erhobenen Daten wurde ein interpretativ-reduktives

Verfahren angewendet. Die inhaltstragenden Stellen im Text wurden mittels der

Analyse nach Fragen paraphrasiert und das Ergebnis dargestellt.

Abschließend erfolgen eine Zusammenfassung und eine Konklusion, um

mögliche Konsequenzen für die Praxis aufzuzeigen.

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2 Theorie

Eine Theorie ist ein Konzept zur Beschreibung von Zusammenhängen. In der

Logik bezeichnet eine Theorie eine deduktive abgeschlossene Formelmenge. Eine

Theorie entwirft ein Bild der Realität. Das Wort Theorie bezeichnete ursprünglich

die Betrachtung der Wahrheit durch reines Denken unabhängig von ihrer

Realisierung. Vermutlich wird deshalb der Begriff auch unbestimmt als Gegenteil

von Praxis benutzt (vgl. wikipedia.org 2006).

Der Begriff Theorie stammt aus dem spätlateinischen Wort „theoria“ und bedeutet

so viel wie Betrachtung oder Zuschauen. Theorie ist ein System wissenschaftlich

begründeter Aussagen zur Erklärung bestimmter Tatsachen oder Erscheinungen

und eine rein begriffliche, abstrakte, nicht praxisorientierte oder -bezogene

Betrachtungsweise (vgl. Duden/Das große Fremdwörterbuch 2003, S. 1341).

Theorie, das seit dem 16. Jahrhundert bezeugte Fremdwort, das gewöhnlich als

Gegenwort zu Praxis gebraucht wird, ist aus dem griechisch-lateinischen Wort

„theoria“ (das Zuschauen, die Betrachtung, die wissenschaftliche Erkenntnis

usw.) entlehnt. Zugrunde liegt das griechische Substantiv „theoros“, das so viel

bedeutet wie der Zuschauer oder jemand, der ein Schauspiel sieht. Dazu stellt sich

der Begriff „theoretisch“, der im 17. Jahrhundert aus dem Lateinischen

„theoreticus“ übernommen wurde, was so viel wie rein wissenschaftlich,

gedanklich oder vorstellungsmäßig, ohne einen hinreichenden Bezug auf die

Wirklichkeit zu haben, bedeutet (vgl. Duden/Das Herkunftswörterbuch 2001, S.

846).

Unter Theorie versteht der „Brockhaus“ die Betrachtung und Anschauung. Im

Allgemeinen wird unter Theorie die ordnende Verknüpfung von Beobachtungen

über Gegenstände, Sachverhalte, Vorgänge und Handlungen gesehen. Abwertend

könnte man auch sagen, Theorie steht für eine nicht praxis- und

anwendungsbezogene Betrachtungsweise. Unter reiner Theorie versteht man die

Erkenntnis um ihrer selbst willen (vgl. Der Brockhaus Band 14 1998, S. 88).

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Der Theoretiker (18. Jahrhundert) ist ein Wissenschaftler, Gelehrter, der

abschätzig auch gerne als wirklichkeitsfremder Mensch bezeichnet wird (vgl.

Duden/Das Herkunftswörterbuch 2001, S. 846).

Theorien befinden sich immer in einem Entwicklungsprozess. Theorie ist ein

Werkzeug zur Entwicklung von wissenschaftlichen Ansichten (vgl. Meleis 1999,

S. 47-48). Es gibt keine Theorien ohne Ideen, aber Ideen ohne Theorie. Ideen

entstehen aus Ahnungen persönlicher Erfahrungen, Einsichten, Inspirationen,

Intuitionen und der Tätigkeit mit den Erfahrungen anderer. Wir sind von Ideen

umgeben, doch nur wenige davon entwickeln sich zu Theorien (vgl. Meleis 1999,

S. 202). Theorien werden auf unterschiedliche Art und Weise entwickelt, zwei

Ansätze der Theorieentwicklung sind die Induktion und die Deduktion

(Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 65).

2.1 Induktiv versus Deduktiv

Bei der Theorienbildung durch Induktion geht man davon aus, dass der

Wissenschaftler im empirischen Prozess Datenmaterial erarbeitet. Die Ergebnisse

werden einer Verifikation zugeführt. Bei der Theorienbildung durch Deduktion

geht man davon aus, dass der Wissenschaftler durch kreative Akte sinnvolle

Hypothesen erzeugt, deren Übereinstimmung mit dem Datenmaterial er

anschließend überprüft. Die Ergebnisse werden der Falsifikation unterzogen (vgl.

wikipedia.org 2006,). Deduktives Schlussfolgern geht vom Allgemeinen zum

Besonderen, man geht von einer Theorie aus, leitet davon Hypothesen ab, welche

dann empirisch überprüft werden. Induktives Schlussfolgern geht umgekehrt vom

Besonderen zum Allgemeinen. Auf dem Weg des logischen Denkens und der

Beobachtung von Einzelfällen versucht man, allgemein gültige Theorie abzuleiten

(vgl. Mayer 2001, S.14).

Für Schlick steht fest, dass nicht die Deduktion, sondern allein die Induktion

unsere Erkenntnis von der Wirklichkeit erweitern kann. Unser Verstand arbeitet

dem Wesen nach analytisch, er kann besondere Wahrheiten nur aus dem Topf der

allgemeinen Wahrheiten heraus entwickeln, in dem sie bereits enthalten sind,

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mehr vermag das Denken nicht. Es ordnet nur und verknüpft gewonnene

Erkenntnisse durch deduktives Schließen, aber es schafft keine Erkenntnis.

Erkenntnisse können nur durch Induktion gewonnen werden (vgl. Oeser 2003, S.

65).

2.2 Theorie aus soziologischer Sicht

Theorie aus soziologischer Sicht ist ein Begriff mit stark variierender Bedeutung.

Allgemein wird mit Theorie ein System von Begriffen, Definitionen und

Aussagen bezeichnet, das dazu dienen soll, die Erkenntnisse über einen Bereich

von Sachverhalten zu ordnen, Tatbestände zu erklären und vorherzusagen. Häufig

wird mit Theorie auch ein Erklärungsprinzip für eine Aussage oder eine einfache

Hypothese über einen bestimmten Zusammenhang verstanden. In

wissenschaftstheoretischen Darstellungen, wie zum Beispiel im Rahmen des

kritischen Rationalismus, wird Theorie oft mit deduktiver Theorie gleichgesetzt.

Deduktive Theorien entstehen durch Axiomatisierung. Gedanken und

Überlegungen, die nicht auf direkten Erfahrungen beruhen, werden

umgangssprachlich ebenfalls als Theorie bezeichnet. In der

wissenschaftstheoretischen Diskussion herrscht heute weitgehend Einigkeit

darüber, dass die Erfahrungswissenschaften, darunter auch die Soziologie, nicht

theorielos arbeiten können (vgl. Fuchs-Heinritz/Lautmann/Rammstedt/Wienold

1994, S. 676-677).

Eine soziologische Theorie sollte rational durchsichtig, empirisch beweisbar, aber

auch moralisch verpflichtend sein. Rational durchsichtig bedeutet, dass sie sich

auf soziale Tatsachen konzentriert (vgl. Richter 2002, S. 28).

2.3 Theorie aus psychologischer Sicht

Eine Theorie ist eine geordnete Menge von Begriffen und Aussagen, die ein

Phänomen oder eine Gruppe von Phänomenen erklärt. Dabei gilt als gemeinsame

Grundlage der meisten psychologischen Theorien die Annahme des

Determinismus. Darunter versteht man, dass alle Ereignisse, gleich ob

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physikalischer, geistiger oder behavioraler Natur, das Ergebnis von spezifischen

Kausalfaktoren sind. Psychologische Theorien sind Versuche, die

deterministischen Zusammenhänge zwischen Gehirn, Verstand, Verhalten und der

Umwelt zu verstehen. Wenn in der Psychologie eine Theorie aufgestellt wird,

erwartet man für gewöhnlich von ihr, dass sie sowohl bekannte Faktoren erklären

kann als auch neue Ideen und Hypothesen generiert (Zimbardo 2004, S. 27-28).

2.4 Wissenschaftstheorien

Theorie aus wissenschaftlicher Sicht versteht ein System von Aussagen oder

Sätzen, das der Zusammenfassung einzelner empirischer Befunde eines

bestimmten Erkenntnis- bzw. Objektbereichs oder auch formaler Erkenntnisse

(Mathematik, Logik) dient (vgl. Der Brockhaus Band 14 1998, S. 89).

Wissenschaftliche Theorien im engeren Sinn bestehen aus Vermutungen darüber,

wie die Wirklichkeit funktioniert. Die Wissenschaftler können mit Hilfe von

Theorien Veränderungen in ihrem Untersuchungsfeld vorhersagen. Sie treffen

Vermutungen über die Wirklichkeit (vgl. Richter 2002, S. 15).

Wissenschaftliche Theorien müssen einer strengen Überprüfung standhalten,

deren Ergebnisse wiederum von unabhängigen Forschern repliziert werden

müssen, bevor eine Theorie als bewiesen gilt (vgl. Zimbardo 2004, S. 27).

Wirklichkeitserkenntnisse sind streng genommen Hypothesen. Denn keine

wissenschaftliche Wahrheit, mag sie historischer Art sein oder der exaktesten

Naturforschung angehören, kann im Prinzip sicher sein, irgendwann einmal

widerlegt und ungültig zu werden (vgl. Oeser 2003, S. 67).

2.5 Alltagstheorien

Alltagstheorien entstehen im Verlauf des Lebens und enthalten Muster zur

Interpretation der Umwelt, sie bestimmen einen großen Teil unseres

Handelns (Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 56).

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Alltagstheorien können genau wie wissenschaftlich entwickelte Theorien

teilweise oder ganz richtig oder falsch sein. Alltagstheorien sind oft

Ausgangspunkt für die Entwicklung wissenschaftlicher Theorien. Viele

Alltagstheorien in der Pflege fassen wichtige Erfahrungen zusammen und würden

eine systematische Überprüfung verdienen (Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff

2006, S. 56).

Handelnde im Alltag tun dasselbe wie Wissenschaftler, sie treffen Vermutungen

über die Wirklichkeit. Sie treffen blitzschnell, oft unbewusst, wie

selbstverständlich Annahmen über die Situation, in der sie sich befinden. Das

Alltagsleben funktioniert, weil diese Annahmen meist richtig sind. Wenn wir zum

Beispiel einkaufen gehen, verhalten wir uns als Käufer und bekommen meist, was

wir wollen. Weil auch im Alltag ständig Vermutungen über die Situation

getroffen werden, könnte man sagen, dass es zwischen Theorien im Alltag und der

Theorie der Wissenschaft keinen qualitativen Sprung gibt, sondern nur graduelle

Unterschiede (vgl. Richter 2002, S. 15-16).

Der Unterschied zwischen wissenschaftlichen Theorien und den Theorien

des Alltags besteht darin, dass die wissenschaftlichen Theorien immer

bewusst sein sollten, d. h. ich muss als Wissenschaftlerin angeben können,

welcher Theorie ich folge oder welche Theorie ich gerade zu konstruieren

versuche (Kühne-Ponesch 2004, S. 43).

2.6 Klassifikation von Theorien

Am gebräuchlichsten ist die Einordnung der Theorien nach ihrem

Abstraktionsgrad. Pflegewissenschaft, aber auch andere Wissenschaften bedienen

sich dieser Unterteilung. Es gibt Theorien mit niedrigem und mit hohem

Abstraktionsniveau. Folgende Theorien nach dem Abstraktionsniveau werden

sowohl von der Soziologie als auch von der Pflegewissenschaft verwendet.

Beginnend mit dem niedrigsten Abstraktionsniveau (AN) sind die Alltagstheorien

(AN 1), dann die Ad-hoc-Theorien (AN 2), weiters die Theorien mittlerer

Reichweite (AN 3), die Theorien höherer Komplexität oder auch Grand Theories

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genannt (AN 4) und letztendlich die Metatheorien, die eigentlich keine richtigen

Theorien sind, sondern Theorien über Theorien.

Ausschnittsweise möchte ich hier die soziologischen Theorien in Anlehnung an

Rene König (1967) darstellen.

Er unterscheidet: empirische Regelmäßigkeiten, Ad-hoc-Theorien, Theorien

mittlerer Reichweite und Theorien höherer Komplexität.

Empirische Regelmäßigkeiten sind streng genommen keine Theorien, es handelt

sich dabei meist um Studien, die versuchen, die Wirklichkeit zu beschreiben. Sie

haben den geringsten Abstraktionsgrad.

Ad-hoc-Theorien sind den Alltagstheorien sehr nahe, sie gelten bei näherer

Betrachtung als zu oberflächlich und als Vorurteil, weil sie üblicherweise sehr eng

sind und nur einen kleinen Ausschnitt der Wirklichkeit repräsentieren.

Theorien mittlerer Reichweite erheben den Anspruch, die Wirklichkeit umfassend

zu erklären, indem sie mehrerer Ad-hoc-Theorien zu einem Themenbereich

zusammenfassen.

Theorien höherer Komplexität bieten eine allumfassende Erklärung für die soziale

Wirklichkeit und besitzen ein hohes Abstraktionsniveau (vgl. Kühne-Ponesch

2004, S. 47-49).

2.7 Ziele von Theorien

Wenn eine Theorie aufgestellt wird, erwartet man gewöhnlich von ihr, dass sie

sowohl bekannte Fakten erklären kann als auch neue Ideen und Hypothesen

generiert. Eine Hypothese ist eine vorläufige und überprüfbare Aussage über den

Zusammenhang zwischen Ursachen und Folgen. Hypothesen werden oft als

Wenn-dann-Vorhersage formuliert. Wir können zum Beispiel vorhersagen: Wenn

Kinder sehr viel Gewalt im Fernsehen übermittelt bekommen, dann werden sie

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aggressiv. Um die Wenn-dann-Beziehung zu bestätigen, muss geforscht werden.

Theorien sind von grundlegender Bedeutung für die Generierung neuer

Hypothesen (vgl. Zimbardo 2004, S. 27).

Theorien leiten die Praxis dadurch an, dass sie auf pflegerelevante Prozesse und

Zusammenhänge aufmerksam machen. Wenn die Pflege als Profession anerkannt

werden soll, ist ein Fortschritt im Wissen unabdingbar. Wenn die Pflege als

wissenschaftliche Disziplin anerkannt werden soll, sind Theorieentwicklung und

Evaluation durch Forschung unentbehrlich (vgl. King 1995, S. 69).

2.8 Kritische Betrachtung von Theorien

Theorie ist wichtig, aber man sollte dabei nicht den Boden der Realität verlieren,

frei nach dem Motte: Man kann den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen (vgl.

Oeser 2003, S. 47).

Jede Theorie ist eine Art von komplexer Gesamtvorstellung oder eine Vorstellung

im Großen, was sich bei der Bildung jeder Vorstellung im Kleinen von uns

vollzieht. Auch in einer mathematischen, formulierten, physikalischen Theorie ist

daher nicht das Wesentliche die Formel, sondern die interne Repräsentation der

realen Außenwelt (vgl. Oeser 2003, S. 43).

Eine Theorie kann mit einem Objekt der Natur niemals deckungsgleich sein, sie

ist vielmehr nur ein geistiges Bild der Erscheinung und sie verhält sich zu diesem

wie das Zeichen zum Bezeichneten. Theorien sind nicht aus lauter logisch

unumstößlich begründeten Wahrheiten aufgebaut, sie setzten sich eher aus

Hypothesen zusammen. Es gibt sogar die Möglichkeit, dass zwei verschiedene

Theorien mit einem Phänomen gleich gut übereinstimmen, also, obwohl

verschieden, können beide gleich richtig sein. Erst wenn neuere, bis dahin noch

unbekannte Erscheinungen zugezogen werden, zeigt sich der Vorzug jener

Theorie, die mehr erklären kann, weil in ihr Hypothesen enthalten sind, die über

die bisher gemachte Erfahrung entscheidend hinausreicht (vgl. Oeser 2003, S. 47).

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Keine Theorie kann als absolut wahr, aber auch keine Theorie kann als absolut

falsch betrachtet werden, vielmehr muss jede Theorie allmählich vervollkommnet

werden, wie die Organismen nach der Lehre Darwins (vgl. Oeser 2003, S. 28).

Theorien werden mit Erfahrungswissen ergänzt und führen so zur Entwicklung

einer Expertise, einer Art professioneller Intuition. Die Gefahr, die bei der

Anwendung von Theorien besonders bei Berufsanfängern entstehen kann, ist die,

dass bei Eigenschaften, die nicht formalisierbar sind, (wie zum Beispiel

Beziehungsfähigkeit, Sich-Einlassen-Können auf die Situation) ganzheitliche

Wahrnehmung und Intuition zu kurz kommen (vgl.

Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 66).

Boltzmann vertritt die Auffassung, dass Hypothesen und Theorie eine

Entsprechung in der Realität an sich haben müssen. Sie sind

Darstellungsmöglichkeiten der Realität und nicht nur Instrumente unseres

Denkens (vgl. Oeser 2003, S. 35).

Jede Theorie, die auf eine Praxis anders einwirkt, als dass diese ihr Tätigkeitsfeld

perfektioniert und auf zweckrationalisiertes Handeln bezogen ist, muss als

dogmatisch eingestuft werden (vgl. Habermas 1978, S. 317).

2.9 Zusammenfassung

Theorie ist eine abstrakte, nicht praxisorientierte Betrachtungsweise über

Sachverhalte und Zusammenhänge ohne hinreichenden Bezug zur Realität.

Theorien sollten Aussagen über Verbindungen zwischen Ursachen und Folgen

treffen und die Praxis dadurch anleiten, diese Aussagen zu überprüfen.

Theorien können über deduktives oder induktives Schlussfolgern entwickelt

werden. Theorien können aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden.

Aus soziologischer Sicht sollte die Theorie empirisch beweisbar und sich auf

soziologische Tatsachen konzentrieren. Aus psychologischer Sicht lautet die

Kernaussage, dass Theorien Versuche sind, deterministische Zusammenhänge

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zwischen Gehirn, Verstand, Verhalten und der Umwelt zu verstehen. In der

Psychologie erwartet man von einer Theorie, dass sie sowohl bekannte Fakten

erklären kann, als auch fähig ist, neue Hypothesen zu generieren.

Der Unterschied zwischen Wissenschaftstheorien und Alltagstheorien liegt im

Wesentlichen darin, dass wissenschaftliche Theorien einer strengen Überprüfung

standhalten müssen, bevor sie als bewiesen gelten. Alltagstheorien hingegen

entstehen meist im Verlauf des Lebens, sind Interpretationen der Umwelt und

bestimmen zumeist unser Handeln.

Bei der Klassifizierung von Theorien gibt es verschiedene Möglichkeiten, die je

nach Autor und Wissenschaftsbereich, unterschiedlich konnotiert sind.

Wichtig ist, dass Theorien nicht als absolut wahr aber auch nicht als absolut falsch

betrachtet werden, sondern sie mit Erfahrungswissen ergänzt zu einer Expertise

kommen und sich damit der Wahrheit ein Stück weit annähern.

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3 Praxis

Der Begriff Praxis bezeichnet die tatsächliche Durchführung einer Tätigkeit und

die Erfahrung in einem Tätigkeitsfeld (vgl. wikipedia.org 2006,).

Der Begriff Praxis wird gleichgesetzt mit dem Tun, der Handlungsweise. Praxis

bedeutet die Anwendung von Gedanken, Vorstellungen, Theorien in der

Wirklichkeit, Ausübung, Tätigsein, Erfahrung und ist das Gegenteil von Theorie

(vgl. Duden Das große Fremdwörterbuch 2003, S. 1088).

Der Begriff Praktik kommt aus dem Spätlateinischen und bedeutet soviel wie

Ausübung, Tätigkeit und Vollendung. Praktik ist eigentlich die Lehre vom aktiven

Handeln. Praktizismus ist die Neigung bei der praktischen Arbeit, die

theoretischen Grundlagen zu vernachlässigen (vgl. Duden Das große

Fremdwörterbuch 2003, S. 1083).

Praxis, das seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts bezeugte Fremdwort, tritt zuerst

in der Bedeutung als Berufsausübung oder Tätigkeit auf. Im 18. Jahrhundert

findet es sich dann als Gegensatz zu Theorie als Bezeichnung für die tätige

Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und der daraus gewonnenen Erfahrung

(vgl. Duden Das Herkunftswörterbuch 2001, S. 627).

Praktik ist die Ausübung einer Tätigkeit sowie die Handhabung, die

Verfahrensweise oder der Kniff (vgl. Der Brockhaus Band 11 1998, S. 168).

3.1 Praxis aus soziologischer Sicht

Unter Praxis aus soziologischer Sicht versteht man die Art und das Ergebnis des

richtigen Handelns als Eingriff in gegebene Zustände. Erfolgreiche soziale Praxis

setzt aber voraus, dass man die gesellschaftlichen Bedingungen kennt, dass

zweckmäßige Mittel zur Umsetzung vorhanden sind, dass diese beherrscht werden

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und damit auch umgegangen werden kann. Außerdem braucht man angebbare

Ziele und die Ergebnisse müssen auch überprüft werden (vgl. Fuchs-

Heinritz/Lautmann/Rammstedt/Wienold 1994, S. 511).

3.2 Praxis aus wissenschaftlicher Sicht

Die wissenschaftliche Praxis basiert auf der Akzeptanz von Belegen, die durch

kontrollierte Beobachtung, Experimente oder sorgfältige Messung gewonnen

wurden. Geheimniskrämerei ist im Forschungsprozess nicht akzeptabel, weil alle

Daten und Methoden der öffentlichen Überprüfbarkeit zugänglich sein müssen.

Das ergibt anderen Forschern die Möglichkeit, die Daten und Methoden zu

inspizieren, zu kritisieren, zu replizieren oder gar zu widerlegen. Nur so kann ein

kumulativer Wissensbestand in einem Forschungsfeld erweitert und gesichert

werden (vgl. Zimbardo 2004, S. 28).

3.3 Zusammenfassung

Unter Praxis versteht man die Handlungsweise, das Tun, die Anwendung von

Gedanken und Vorstellungen sowie die tätige Auseinandersetzung mit der

Wirklichkeit, und sie ist das Gegenteil von Theorie. Erfolgreiche Praxis setzt aber

voraus, dass man die gesellschaftlichen Bedingungen kennt, dass zweckmäßige

Mittel zur Umsetzung vorhanden sind, dass man diese auch beherrscht und damit

umgehen kann. Praxis muss, um als wissenschaftlich zu gelten, ihre aus

Experimenten gewonnen Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich machen, damit

andere Forscher die Möglichkeit haben, die Daten zu verifizieren oder zu

falsifizieren.

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4 Wissen

Das wichtigste Ziel, das ein Mensch anstreben kann, ist Wissen, weil Wissen für

den Menschen Macht und Freiheit bedeutet (vgl. Meleis 1999, S. 206).

Wissen wird in einem Erfahrungsprozess persönlich gebildet, egal ob es sich um

theoretisches oder praktisches Wissen handelt. Damit dieses Wissen internalisiert

und in konkreten Situationen auch angewendet werden kann, bedarf es der

praktischen Übung und Wiederholung.

4.1 Theoretisches Wissen

Unter theoretischem Wissen versteht man für gewöhnlich ein abstraktes,

allgemeines, intersubjektives Wissen (vgl. Kirkevold 2002, S. 27).

Theoretisches Wissen ist personenunabhängig und hat in der Regel die Form einer

schriftlichen Aussage, die sich prinzipiell jeder aneignen und benutzen kann, der

an diesem Wissen interessiert ist (vgl. Kirkevold 2002, S. 29).

Theoretisches Wissen bildet den Rahmen für die Interpretation und die

Beurteilung von praktischem Handeln (vgl. Schrems/Schneider 2006, S. 16),

weiters stellt es für die Arbeitswelt sinnhafte Begründungs- und

Sinnzusammenhänge her und verhilft zum Beispiel der Pflege, Pflegehandlungen

zu beschreiben, um sie besser zu verstehen (vgl. Henke 2002, S.50).

Theoretisches Wissen umfasst zum Beispiel die Grundwerte und Leitprinzipien

der Pflege mit dem Ziel, darüber nachzudenken, was Pflege ist. Theoretisches

Wissen wird über Theorien und Wissenschaft kommuniziert (vgl. Meleis 1999, S.

248).

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Theoretisches Wissen gilt als Grundlage der Macht, deshalb ist Theorie im

Streben nach Autonomie für den Berufsstand der Pflege ein äußerst wichtiger

Faktor (vgl. Meleis 1999, S. 116).

4.2 Praktisches Wissen respektive persönliches Wissen

Praktisches Wissen erfolgt über Tradition, ist ein persönliches Wissen, das durch

eigene Erfahrungen erworben wird (vgl. Meleis 1999, S. 248).

Praktisches Wissen ist konkret und speziell, subjektiv und geschichtlich bedingt,

es hängt also mit bestimmten Erlebnissen und Ereignissen zusammen, die eine

Person erlebt respektive erfahren hat. Praktisches Wissen befindet sich mit

anderen Worten im Besitz der Person, die die Situation erlebt hat (vgl. Kirkevold

2002, S. 29).

Praktisches Wissen ist vielfach auch ein stillschweigendes Wissen. In der

praktischen Pflege Tätige haben meist viel Erfahrung und ein umfangreiches

Wissen, das aber weder reflektiert noch verbal geäußert wird. Es ist ein implizites

Wissen, das weitgehend für niemanden sonst zugängig ist (vgl. Kirkevold 2002,

S. 72-73).

Persönliches Wissen ist durch Lebenserfahrung und Reflexion erworbenes Wissen

über sich selbst. Persönliches Wissen ist mit dem Bemühen verbunden, das

Handeln mit inneren Haltungen in Einklang zu bringen (vgl.

Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 44).

Praktisches Wissen hat in unserer Gesellschaft seit jeher einen geringen

Stellenwert, ein Grund dafür könnte in der Verwendung der Sprache liegen. Seit

jeher ist die Sprache einer der wichtigsten Bestandteile unserer emotionalen und

sozialen Kommunikation, je besser diese entwickelt und ausgebildet ist, umso

differenzierter, gewählter kann sich der Mensch mitteilen. In unserer Gesellschaft

ist die Fachsprache, darunter versteht man Begriffe, die nur von einer Branche

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verwendet werden, ein Zeichen der Professionalität eines Berufsfeldes. Nicht

zuletzt kommt der Sprache als ein zentrales Medium hinsichtlich des

Stellenwertes in der Gesellschaft eine besondere Bedeutung zu. Die Entwicklung

der Sprache in der Praxis soll im Wesentlichen aus der primären Sozialisation

resultieren (vgl. Henke 2002, S. 54).

Einen weiteren Grund, warum praktisches Wissen in unserer Gesellschaft eher

negativ bewertet wird, sehen Berger und Luckmann (1980) in der Arbeitswelt der

Pflege, die durch Routine und Rituale geprägt wird. Das Wissen, auf das sich

Routine und Rituale gründen, ist Alltagswissen. Routinisierte und ritualisierte

Handlungen werden in der Regel nicht mehr reflektiert. Handlungen aus Routine

sind auch als Richtlinien für institutseigene Vorschriften anzusehen, die durch

Anweisungen mit Inhalt versorgt werden (vgl. Henke 2002, S. 48).

4.3 Intuitives Wissen

Gibt einem Menschen ein, was er in bestimmten Situationen tun soll, es

ermöglicht die unmittelbare Erfassung der Bedeutung einer Situation. Die

Integration intuitiven Wissens ist ein Merkmal meisterhafter Pflege durch

Expertinnen (vgl. Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 41). Intuitives

Wissen ist schwer erfassbar und darstellbar, am besten kann es durch das

Wiedergeben und Analysieren von Pflegegeschichten und durch die Untersuchung

von Berichten erfahrener Pflegender begriffen werden.

4.4 Wissenschaft

Unter „Wissenschaft“ versteht man einerseits alle Aktivitäten, die auf

wissenschaftliche Erkenntnis abzielen, also auf das Forschen und das

Bilden von Theorien, andererseits versteht man darunter die Gesamtheit

der Erkenntnisse, die auf diesem Weg gewonnen werden. Charakteristisch

dabei ist ein methodisches Vorgehen beim Sammeln, Beschreiben und

Ordnen des Materials, aus dem man Erkenntnisse gewinnt (Mayer 2001, S.

16).

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Wissenschaft beruht auf gründlicher und glaubwürdiger Forschungsarbeit und auf

gut entwickelten und bewiesenen Theorien. Theorie ist ein wesentlicher

Bestandteil einer wissenschaftlichen Disziplin (vgl. Meleis 1999, S. 277).

4.5 Zusammenfassung

Wissen wird, egal ob es sich um theoretisches oder praktisches Wissen handelt, in

einem Erfahrungsprozess gebildet. Theoretisches Wissen ist ein abstraktes,

allgemeines, personenunabhängiges Wissen und wird in der Regel schriftlich

festgehalten. Es hat einen öffentlichen Charakter und ist somit prinzipiell für

jeden zugänglich, der an diesem Wissen interessiert ist. Praktisches Wissen hängt

mit bestimmten Erlebnissen und Erfahrungen zusammen und ist an eine Person

gebunden. Es ist ein implizites Wissen, das weitgehend für niemanden sonst

zugänglich ist. Praktisches Wissen hat auf Grund der restringierten Sprache einen

geringen Stellenwert. Intuitives Wissen ermöglicht einem Menschen die

unmittelbare Erfassung der Bedeutung einer Situation und dementsprechend zu

handeln. Unter Wissenschaft, versteht man die Erkenntnisgewinnung aus

gründlicher Forschungsarbeit mit methodischer Vorgangsweise.

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5 Pflege

Der etymologische Ursprung von Pflege bezieht sich auf Sorge, Obhut und

Betreuung. Das westgermanische Verb „pflegen“, mhd. (mittelhochdeutsch)

pflegen, ahd. (althochdeutsch) pflegan ist dunklen Ursprungs und bedeutete

zunächst für etwas einstehen, sich für etwas einsetzen. Daraus entwickelten sich

bereits in den alten Sprachzuständen einerseits die Bedeutung „sorgen, betreuen,

hegen“ und andererseits die Bedeutung „sich mit etwas abgeben, betreiben,

gewohnt sein“. Das Verb wurde früher stark gebeugt (pflog, gepflogen), es wurde

in der substantivierten Form zu Gewohnheit und Gepflogenheit und bildete in

einer weiteren Form eine Verbindung zu dem Begriff „Pflicht“ (vgl. Duden, Das

Herkunftswörterbuch 2001, S. 603).

Die ursprüngliche Wortbedeutung von Pflege liegt in der Sorge für etwas. Es geht

um Werte wie Erhalten, Gestalten, Fördern, Hegen und Schonen. Gesundheits-

und Krankenpflege dient demnach in erster Linie dem Leben, sie ist

gesunderhaltend und gesundheitsfördernd, sie begleitet und unterstützt Kranke

und Sterbende in ihren Bedürfnissen (vgl. Juchli 1991, S. 115).

5.1 Definition von Pflege

Florence Nightingale (1858, 1946) definiert Pflege als Sorge für die

persönliche Gesundheit des Individuums, die das Individuum in den

bestmöglichen Zustand bringt, damit die Natur an ihm wirken kann

(Meleis 1999, S. 200).

Eine weitere Begriffserklärung wird von der American Nurses Association (ANA,

1980) angeboten. Da wird Pflege als die Diagnose und Behandlung menschlicher

Reaktionen auf aktuelle oder potentielle Gesundheitsprobleme definiert (vgl.

Meleis 1999, S. 201).

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Meleis und Trangenstein (1994) bestimmen Pflege als Auseinandersetzung mit

dem Prozess und der Erfahrung von Menschen, die sich in einem Statusübergang

befinden. Deshalb wird Pflege als Hilfe bei Transitionen zur Steigerung des

Gefühls von Wohlbefinden definiert (vgl. Meleis 1999, S. 201).

Pflege ist eine Praxiswissenschaft, die sich mit menschlichen Erfahrungen,

Bedürfnissen und Reaktionen in Zusammenhang mit Lebensprozessen,

Lebensereignissen und aktuellen oder potentiellen Gesundheitsproblemen befasst,

wobei sie als Wissenschaft Pflegefachwissen überprüft und generiert und als

Praxis Menschen bei der Bewältigung des Alltags unterstützt, dabei kommt der

Gesundheitsförderung und dem Einbezug des Umfelds große Bedeutung zu (vgl.

Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 37).

5.2 Konzept-Pflege

Die Pflege ist vom Ursprung her ein praktisches Fach und stellt eine

systematisierte Form von praktischem und theoretischem Wissen dar, das sich vor

allem durch Tradition weiterentwickelt hat (vgl. Kirkevold 2002, S. 24).

Außerdem ist Pflege eine Disziplin, die sich aus Elementen der Philosophie,

Theorie, Praxis und Forschung zusammensetzt (vgl. Meleis 1999, S. 30), diese

Komponenten stehen reziprok zueinander und definieren das Aufgabengebiet der

Pflege (vgl. Kühne-Ponesch 2004, S. 14).

Sie hat einen sozialen Auftrag, nämlich Menschen zu helfen, die aus

gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht in der Lage sind, ihre täglichen

Aktivitäten zur Erhaltung und Förderung des Lebens aus eigener Kraft

wahrzunehmen (vgl. Kirkevold 2002, S. 15).

Alltagssprachlich ist der Begriff höchst unterschiedlich konnotiert. Gepflegt

werden Autos ebenso wie Menschen, Traditionen, Kontakte, Denkmäler usw. Der

Begriff „Pflege“ ist also sehr weit reichend. Im Kontext der Gesundheits- und

Krankenpflege bezieht sich der Pflegebegriff auf das Verhältnis von „gesund“ und

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„krank“ respektive auf die Praxis zwischen Pflegeperson und Patienten (vgl.

Schroeter/Rosenthal 2005, S. 20). Pflege richtet sich nicht auf die Krankheit

selbst, dafür ist die Medizin zuständig, sondern auf die menschlichen Reaktionen

auf diese Krankheit. Pflege richtet sich unter anderem auf die Folgen der

Krankheit, auf Funktionsstörungen, Einbußen im Alltag, Krankheitsbewältigung

und auf den Umgang mit Therapien (vgl. Kistner 2002, S. 3). Pflege ist eine

anspruchsvolle Tätigkeit, denn es bedeutet hochkomplexen, kaum

standardisierbaren, von menschlichen Problemlagen bestimmten

Aufgabenstellungen gewachsen zu sein (vgl. Holoch 2002, S. 254). Die

Kompetenzen, welche Pflege ausmachten, sind schwer zu vermitteln respektive zu

erwerben, weil sich Pflegende in erster Linie mit menschlichem Handeln und

nicht mit organischen Reaktionen befassen. Pflege bezieht sich wesentlich auf

Gesundsein und Kranksein, nicht auf Gesundheit und Krankheit. Pflege

interessiert sich für das, was Menschen erleben und tun. Menschen nehmen wahr,

schätzen ihre Lage ein, bewerten, deuten, urteilen und messen ihrem Handeln

sowie ihrer Situation einen Sinn bei. Diese Prozesse sind aber von außen nicht

sichtbar, sie müssen von den Pflegenden aus dem Verhalten heraus erschlossen

werden. Diese Tatsache macht jede Pflegsituation, jede Begegnung mit einem

Patienten zu einem jeweils neuen, niemals gleichen Ereignis (vgl. Holoch 2002, S.

255).

Pflege ist aber auch mehrdimensional zu sehen, denn sie umfasst die

Unterstützung bei den medizinischen Therapien, sie leistet Hilfe, wo die Medizin

nichts mehr tun kann, zum Beispiel bei Behinderten, chronisch Kranken und

Sterbenden, sie begleitet Menschen in Krisensituationen und in Krankheit, aber

sie richtet sich nicht nur auf Gesundheitsdefizite, sondern setzt auch auf

gesundheitsfördernde Maßnahmen und versucht die Ressourcen und gesunden

Anteile des Menschen zu aktivieren (vgl. Juchli 1991, S. 116-117).

Um Pflege fachgerecht ausüben zu können, benötigt man bestimmte Kenntnisse

und Fertigkeiten, welche einerseits in der fachlichen Grundausbildung und

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andererseits durch das Praktizieren nach abgeschlossener Ausbildung erworben

werden (vgl. Kirkevold 2002, S. 27).

Die Krankenpflege stand lange Zeit im Dienste der Medizin, aus diesem Grund

war sie auch sehr lange fremdbestimmt. Andere haben definiert, was Pflege sein

soll, die sich nachhaltig sehr negativ auf das Selbstbewusstsein auswirkt (vgl.

Juchli 1991, S. 12). Der Versuch, Pflege über berufsfremde Rollen zu definieren,

erschwert den Prozess der Professionalisierung oder macht ihn gar unmöglich

(vgl. Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 41).

5.3 Theorie- und Praxisentwicklung im historischen Kontext

der Pflege

Der Blick auf die historische Entwicklung ist wichtig, weil aus dieser Perspektive

künftiges theoretisches Wissen aufgebaut wird. Erfahrungen, die in der

Vergangenheit gesammelt wurden, liefern die nötigen Impulse für die zukünftige

Entwicklung in der Pflege (vgl. Meleis 1999, S. 98).

Florence Nightingale hat Ende des neunzehnten und Anfang des zwanzigsten

Jahrhunderts im Krimkrieg erste theoretische Versuche unternommen, Pflegeziele

und -handlungen zu beschreiben.

Als erster Versuch, eine Theorie der Pflege zu entwickeln, kann das 1859

erstmals erschienene Werk „Notes on Nursing: what it is, and what it is

not“ von Florence Nightingale (1969) genannt werden. Ihre Vorstellung

von Pflege prägte über ein Jahrhundert die Pflegelandschaft (Kühne-

Ponesch 2004, S. 65).

In dieser Phase wurde Pflege als Bereitstellung von Versorgung und Trost

definiert, um Heilung und Wohlbefinden zu fördern und eine gesunde Umwelt zu

schaffen. Mitte der fünfziger Jahre unternahmen amerikanische Pflegelehrerinnen

Theorieversuche, indem sie Lehrpläne und Curricula entwickelten. Dieser Weg

hat wohl die weitere Entwicklung von theoretischem Denken geebnet. Jede dieser

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Phasen in der Geschichte der Pflege half den Pflegkräften, der Definition und

ihrer Domäne ein Stück näherzukommen (vgl. Meleis 1999, S. 61-64).

Domäne umfasst den Gegenstand einer Disziplin, die wichtigsten, allgemein

anerkannten Werte und Überzeugungen, die zentralen Begriffe, Phänomene, die

wichtigsten Probleme und Methoden, die angewandt wurden, um fachbezogene

Antworten zu erhalten. Die Akteure der Domäne Pflege sind die Praktiker,

Forscher, Theoretiker, Metatheoretiker, Philosophen, Unterrichtskräfte, Berater

und Ethiker (vgl. Meleis 1999, S. 41).

Die Pflegetheoretikerinnen der ersten Generation waren durch ihren

Theoriemonismus charakterisiert. Sie vertraten eine wissenschaftliche Position,

die davon ausging, dass es nur eine Theorie der Pflege geben könnte, und diese

eine Theorie sollte von möglichst großer Reichweite sein. Diese Ansicht zeigte

sich aber als nicht realisierbar, sie wirkte sich eher hemmend auf die

Theorieentwicklung aus. Erst die nachfolgende Generation von

Pflegetheoretikerinnen wie Meleis, Moers, Schaeffer und Steppe, die sich weniger

um die Entwicklung neuer Theorien bemühten, sondern vielmehr pluralistisch

vorangingen, versuchten, die bestehenden Theorien zu reflektieren, zu analysieren

und zu klassifizieren (vgl. Meleis 1999, S. 14). Den neuen Generationen von

Pflegewissenschaftlerinnen wurde klar, dass Pflege nicht auf eine einzige

Wissenschaft reduziert werden kann. Pflege ist komplex und braucht inhaltliche

und methodische Autonomie (vgl. Meleis 1999, S. 67).

Die unterschiedlichen Konzepte, welche von den Theoretikerinnen in den

sechziger und siebziger Jahren entwickelt wurden, waren meist zu theoretisch und

wurden eher für die Ausbildung als für die Praxis konzipiert (vgl. Meleis 1999, S.

69). Die unterschiedlichen Theorien verunsicherten die Praktiker. Sie fragten sich,

ob sie nun nur eine Theorie anwenden und andere weglassen sollten, ob diese eine

Theorie auch andere Felder der Pflege abdeckte oder ob sie mehrere Theorien

gleichzeitig anwenden sollten. Um diese Unsicherheit zu umgehen, wurden die

Theorien von den Praktikern per se ignoriert oder sie weigerten sich, sie

anzuwenden. Der Versuch der Pflegewissenschaftlerinnen eine Theorie für die

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gesamte Disziplin der Pflege zu entwickeln, scheiterte daran, dass sie entweder zu

umfangreich oder zu reduktionistisch war. Von den Praktikern wurde daher

Nützlichkeit und Anwendbarkeit einer Leittheorie in Frage gestellt und auch

abgelehnt (vgl. Meleis 1999, S. 70).

Der Wunsch nach nur einer Theorie für das Gebiet der Pflege mag eine

verführerische Illusion sein, aber in einer Disziplin, die mit Menschen zu tun hat,

ist es vielleicht gar nicht möglich, mit einer einzigen Theorie alle fachspezifischen

Phänomene zu erklären (vgl. Meleis 1999, S. 140). Es gibt triftige Gründe, warum

Pflege nicht aus einer Theorie bestehen kann. Pflege beschäftigt sich mit

Menschen, Interaktionen, Gesundheit, Krankheit und Pflegeinterventionen, zu

denen es eine Theorie gibt. Obwohl die Theorien verschieden sind, weil sie sich

auf verschiedene Phänomene beziehen, ergänzen sie sich eigentlich wieder. Pflege

hat mit menschlichem Verhalten zu tun und Verhalten kann nicht mit einer

einzigen, allgemein umfassenden Theorie erklärt werden (vgl. Meleis 1999, S.

141).

In dieser Periode fragten Pflegetheoretiker nicht länger, ob Pflege eine Theorie

braucht oder ob Pflege eine Theorie entwickeln kann, sondern was heißt Theorie,

was sind die Hauptbestandteile einer Theorie und wie können Theorien analysiert

und kritisiert werden. Ziel dabei ist die Etablierung der einzigartigen Wissensbasis

von Pflege. Die Anwendung von Theorie zur Curriculum-Entwicklung steigerte

die Aufmerksamkeit der akademischen Pflege, spaltete jedoch das Ziel in

Theorieentwicklung für die Praxis und Theorieentwicklung für die Ausbildung.

Zu jener Zeit war der Schwerpunkt auf Theorie und Theorieentwicklung gelegt,

was den theoretischen Pflegekräften ein größeres Gewicht verlieh (vgl. Meleis

1999, S. 86-87).

In den achtziger Jahren wurden Theorien wieder weniger hinterfragt. Erkannt

wurde, welche Bedeutung Theorie für die Pflege hat. Die bestehenden Theorien

wurden verfeinert und weiterentwickelt, wobei aber der Bezug zwischen Theorie

und Forschung näher war als der Bezug zwischen Theorie und Praxis (vgl. Meleis

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1999, S. 89). Ein beachtlicher Fortschritt in der Wissensentwicklung der Pflege

kennzeichnete die neunziger Jahre. Es entstanden viele Theorien mittlerer

Reichweite. Diese beziehen sich auf spezielle Pflegephänomene und spiegeln die

Pflegepraxis wieder (vgl. Meleis 1999, S. 91).

Theoretiker jüngerer Zeit sehen in der Umwelt einen zentralen Faktor in der

Pflege. Sie sehen den Menschen in einer Interaktion mit seiner Umwelt. Der

Begriff Umwelt umfasst für diese Theoretiker Energiefelder, soziale Systeme,

Familie und Gesellschaft (vgl. Meleis 1999, S. 197).

Dass sich Pflegetheorien so langsam und behäbig entwickelten und nicht wirklich

akzeptiert wurden, kann auch mit der Geschlechterrolle zu tun haben. Pflege war

immer eine Tätigkeit, die vorwiegend von Frauen ausgeübt wurde, etwa

fünfundneunzig Prozent der Pflegekräfte sind Frauen. Die Tatsache, dass die

Wesenszüge der Frauen immer noch mit fürsorgenden und vorsorgenden Rollen

in Verbindung gebracht werden, darf bei der Diskussion über Theorieentwicklung

nicht ignoriert werden. Da wir in einer patriarchalen Gesellschaft leben, wurden

diese geschlechtlichen Unterschiede negativ bewertet. Da Pflege nicht auf

wirtschaftlichen Erfolg und Unabhängigkeit ausgerichtet ist, diese eher

gesellschaftlich erwünschte Eigenschaften des Mannes sind und die Identität des

Mannes an solchen Parametern gemessen wird, bleibt Pflege ein Beruf, der eher

mit den Erwartungen an Frauen vereinbar ist. Die Stereotypisierung der

Geschlechterrollen hat die theoretische Entwicklung der Pflege sehr behindert

(vgl. Meleis 1999, S. 105-106). All diese Hindernisse, ob geschlechtlich oder

kulturell, haben das Potenzial der Theorieentwicklung behindert (vgl. Meleis

1999, S. 113).

So, wie sich die Pflege als theoretische Disziplin im Laufe der Evolution

verändert und weiterentwickelt hat, so kann die praktische Pflege ebenfalls auf

eine fulminante historische Entwicklung zurückblicken.

In der langen Geschichte der praktischen Pflege wurde Neugier durch

Pragmatismus und unkritische Haltung ersetzt. Die Pflegenden wurden dazu

36

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ausgebildet, sich als Handlanger des Arztes und als Ausführende des Systems zu

sehen. Die praktisch Pflegenden hatten ihren Schwerpunkt in der medizinischen

und sozialen Rolle. Wissenschaftliche Haltung oder Forschung wurde nicht

vermittelt. Das System ließ es einfach nicht zu, dass Pflegekräfte sich selbst als

Wissensquellen betrachten. Die Durchführung einer Handlung, ohne zu denken,

zu reflektieren oder sich problemlösend zu verhalten, ist ein Wesenszug der

Pflege, man hatte einfach zu funktionieren. Die Last der Tradition, die

untergeordnete, unterwürfige Stellung und das Ausbildungsmodell der Pflege,

plagen heute noch die innere Haltung von Pflegekräften (vgl. Meleis 1999, S.

101-102). Trotz des Reichtums an pflegerischer Praxis gab es nicht den nötigen

Impuls, sich mit Beschreibung von Pflegephänomenen zu befassen. Wegen der

engen Bindung der Pflege zur Medizin hat sich Pflegewissen traditionellerweise

an Symptomen orientiert. Die pflegerische Tätigkeit lief so ab, dass ein Problem

identifiziert wurde, dann wurde auf das medizinische Modell zurückgegriffen. Die

pflegerische Tätigkeit bestand größtenteils aus dem Versuch, bei medizinischen

Maßnahmen zu assistieren und den Patienten unterstützend zur Seite zu stehen.

Die Domäne der Medizin diktierte die Krankenpflege. Sogar frühe Lehrbücher

dokumentieren, dass Pflegeschüler vorwiegend in medizinischen Fächern

ausgebildet wurden (vgl. Meleis 1999, S. 210-211). Lange Zeit dominierte das

biologische Konzept der Pflege, welches sich vorwiegend auf Krankheit,

medizinische Behandlung, Hilfestellung im medizinischen Betrieb und auf die

traditionellen pflegerischen Interventionen wie zum Beispiel die Grundpflege

konzentrierte.

In der Ära der totalen Abhängigkeit vom medizinischen Modell schaffte es die

Pflege offensichtlich nicht, sich ihrem eigenen Tätigkeitsfeld zu nähern. Erst in

den späten achtziger Jahren wurde die vorhandene Pflegepraxis als Quelle

theoretischer Entwicklung wieder entdeckt (vgl. Meleis 1999, S. 210-211).

Die Pflege richtete ihr Augenmerk nun stärker auf die nichtmedizinischen

Aspekte und ging mehr auf die psychischen Bedürfnisse des Patienten ein. Die

Pflege befasste sich jetzt mit der Rolle der professionellen Pflegekraft und mit der

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Entwicklung eines pflegespezifischen Wissens (vgl. Mischo-Kelling 1995, S.

175).

Als Folge unterschiedlicher Entwicklungen haben sich für die Pflege neue

Arbeitsfelder mit besonderen Anforderungen, wie Gesundheitsförderung und

-beratung, Prävention oder Rehabilitationsmaßnahmen aufgetan (vgl. Görres/Roes

2002, S. 117). Die veränderten Tätigkeitsbereiche beeinflussten auch die

Einstellung der Pflege, in einer weitgehend holistische Betrachtung sieht sie den

Menschen nun als ein adaptives, biopsychosoziales Wesen, das in ständiger

Interaktion mit einer sich veränderten Umwelt steht (vgl. Schroeter/Rosenthal

2005, S. 22).

Die heutige Auffassung der Pflege orientiert sich zunehmend an Pflegetheorien

und Pflegekonzepten, der Aspekt des Dienens, des Assistierens und gehorsamen

Ausführens von Anordnungen des Arztes geht zurück und hat sich zugunsten des

eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereichs entwickelt (vgl. Hasenauer 2002, S.

101). Nicht das Assistieren, Vor- und Nacharbeiten ärztlich-medizinischer

Ausführungen stehen im Vordergrund, sondern ein selbstständiges, planendes

Pflegeverständnis (vgl. Hasenauer 2002, S. 108).

Eingeleitet wurde der theoretische Diskurs mit der Einführung des Gesundheits-

und Krankenpflegegesetzes (GuKG) im Jahre 1997. Der Gesetzgeber fordert von

der Pflege, dass die Pflegebedürftigen nach dem neuesten Stand der Wissenschaft

gepflegt werden müssen (vgl. Sieger/Brinker-Meyendriesch 2004, S. 23). Damit

ist das Berufsbild der Pflege neu konstruiert worden, die Pflege sollte damit in

Richtung Professionalität und Autonomie gelenkt werden. Das Bild der

untertänigen Krankenschwester ist somit als ein Relikt der Vergangenheit zu

sehen, die Pflege ist als eigenständige und selbstbewusste Profession darzustellen.

Die Einführung des eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereiches (§14) kann als das

Kernstück der professionellen Pflege und als Begründung der Einführung der

Pflegediagnostik in die Praxis bezeichnet werden. Er ist weiters ein wichtiger

Aspekt des neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes und geht mit einer

neuen Wertschätzung der Pflegeperson und mit einer beruflichen

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Identitätsfindung der Pflegenden einher. Der eigenverantwortliche

Tätigkeitsbereich bedeutet selbstständiges Arbeiten, dadurch erhält die Pflege

mehr Entscheidungsspielraum bei Pflegephänomenen und dies erfordert

gleichzeitig mehr Selbstbewusstsein und eine völlig neue Patientenorientierung

(vgl. Schrems 2003, S. 32).

5.4 Zusammenfassung

Pflege ist ein Praxisfach, das sich aus Elementen der Philosophie, Theorie, Praxis

und Forschung zusammensetzt und sich mit menschlichen Erfahrungen,

Lebensprozessen, Lebensereignissen und aktuellen oder potenziellen

Gesundheitsproblemen befasst. Pflege hat einen Auftrag, nämlich Menschen zu

helfen, die aus bestimmten Gründen nicht in der Lage sind, ihre täglichen

Aktivitäten zur Erhaltung des Lebens von sich aus wahrzunehmen. Pflege richtet

sich auf die Folgen von Krankheiten, deren Bewältigung und deren Prävention.

Sie richtet ihre Aktivität auf die gesunden Anteile des Menschen und versucht

seine Ressourcen zu aktivieren. Pflege ist aber differenzierter zu sehen, denn sie

umfasst auch die Unterstützung der Mediziner bei Behandlungen und Therapien.

Die Entwicklung einer Theorie der Pflege reicht zurück bis zu Florence

Nightingale ins Jahr 1859. In dieser Phase wurde Pflege mit Versorgung und

Trost definiert. Im geschichtlichen Kontext wurden die Theorien bis heute laufend

verfeinert und weiterentwickelt. Theoretiker heutiger Zeit beziehen sich auf

Pflegephänomene, spiegeln die Pflegepraxis und sehen den Menschen in einer

Interaktion mit seiner Umwelt.

In der langen Geschichte der praktischen Pflege reichten die Schwerpunkte vom

einstigen Handlanger des Arztes, mit der totalen Abhängigkeit vom medizinischen

Modell, bis in die späten achtziger Jahre hinein, und erst ab diesem Zeitpunkt

richtete die Pflege ihr Augenmerk nun stärker auf nichtmedizinische Aspekte und

ging mehr auf die Bedürfnisse der Patienten ein. Als Folge entwickelten sich für

die Pflege neue Arbeitsfelder, wie Gesundheitsförderung und -prävention. Mit der

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Einführung des neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetztes 1997 wurde mit

dem § 14 ein eigenständiger Tätigkeitsbereich gesetzlich verankert und die Pflege

aufgefordert, selbstständig zu arbeiten. Pflegeprozess und Pflegediagnosen

erlaubten mehr Entscheidungsspielraum bei der Erfassung von

Pflegephänomenen, erforderten gleichzeitig mehr Selbstbewusstsein und eine

völlig neue Patientenorientierung.

5.5 Der praktische Aspekt in der Pflege

Pflegepraxis ist die Pflege am Krankenbett, die Sorge um die kranken Menschen

und deren Betreuung in Spitälern oder anderen institutionellen

Gesundheitseinrichtungen. Die Pflegepraxis ist geprägt durch Situationen rund um

Menschen, die direkte Pflege benötigen (vgl. Spirig 1994, S. 17).

Die Pflegepraxis ist eine zusammenhängende und komplexe Form sozial

etablierter, menschlicher Aktivität, die dem gesellschaftlichen Bedarf an

Pflege für pflegebedürftige Individuen entspricht und dabei von

integrierten Werten, Erkenntnissen und Fertigkeiten ausgeht. Die

Pflegepraxis hängt eng mit dem Fach der Pflege zusammen, welche das

gesamte Wissen über und für die Pflegepraxis bereitstellt (Kirkevold 2002,

S. 25).

Die Praxis unterstützt Patienten im Rahmen eines Problemlösungs- und

Beziehungsprozesses bei der Bewältigung des Alltags und beim Streben nach

Wohlbefinden, bei der Erhaltung, Anpassung oder Wiederherstellung von

physischen, psychischen und sozialen Funktionen (vgl.

Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 47).

Die praktische Pflege begleitet den Patienten durch emotionale Krisen und

Entwicklungsprozesse, um ihn zu befähigen, sich so stark als möglich an seiner

Genesung zu beteiligen und Verantwortung für sich und seine Erkrankung zu

übernehmen (vgl. Schroeter/Rosenthal 2005, S. 22).

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Das Praxisfeld Pflege beruht auf intuitiven, erfahrungsgeleiteten Handlungen mit

Alltagswissen und der Fähigkeit sich zu orientieren. Die Arbeitswelt wird durch

Rituale und Routine geprägt (vgl. Henke 2002, S. 47-48).

Die Komplexität der Pflege fordert von den Pflegenden vielfältigste Fähigkeiten

und Kompetenzen ein. Diese Attribute entwickeln sich vorwiegend durch

Erfahrungen und Traditionen. Käppeli (1991) stellte fest, dass Pflegende vor

allem Wissen anwenden, das sie in Pflegesituationen erworben haben, indem sich

Pflegehandlungen als effektiv und richtig herausgestellt haben. Dieses Wissen

wird dann tradiert an andere Pflegepersonen weitergegeben. Die praktischen

Tipps werden mit theoretischem Wissen ergänzt und so entsteht Alltagswissen,

welches den in der Praxis Pflegenden prägt (vgl. Spirig 1994, S. 17-18).

Das konkrete Handlungsfeld des in der Praxis Pflegenden umfasst die Versorgung

der Patienten im Rahmen der Grund- und Behandlungspflege sowie die

Durchführung der Maßnahmen im Rahmen des mitverantwortlichen

Tätigkeitsbereiches nach ärztlicher Anordnung, weiters die Überwachung von

therapeutischen Maßnahmen und die Beobachtung unerwünschter Effekte wie

Toxizität und Nebenwirkungen von Medikamenten. Diagnostik und

Patientenüberwachung, um eventuelle Komplikationen oder Exazerbationen des

Gesundheitszustandes frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen einzuleiten,

gehören ebenfalls zum Aufgabengebiet der Praxis (vgl. Juchli 1979 S. 16-22).

Des Weiteren müssen sie zu ihrer Pflegetätigkeit am Patienten auch für einen

reibungslosen Stationsablauf sorgen, in dem viele Tätigkeiten fallen, die nicht

direkt mit der Arbeit am Krankenbett zu tun haben. Dazu gehören administrative

Tätigkeiten wie die Aufnahme und Entlassung von Patienten und die Anmeldung

zu diversen Untersuchungen, die Organisation der Pflege und die Anleitung von

Schülern und Hilfspersonal. Sie müssen zusätzlich technisches Verständnis

mitbringen, denn die Bedienung von medizinischen Geräten ist genauso Teil der

Pflegepraxis wie das Arbeiten mit dem Personalcomputer (Spirig 1994, S. 17-19).

41

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In der praktische Pflege lassen sich die Handlungen der Pflegenden schon längst

nicht mehr nur auf die kurativen Maßnahmen des ehemaligen „Heilhilfsberufes“

beschränken, sondern der Anspruch und die Anforderungen an das Wissen und

Können der Pflegenden sind gestiegen. Seit das Paradigma der Gesunderhaltung

und Gesundheitsförderung in ihr Handlungsfeld aufgenommen worden ist und der

wissenschaftliche Einfluss Eingang in die Pflege gefunden hat, benötigt die

Pflegenden zunehmend analytische, koordinierende, kommunikative, edukative,

diagnostische, technische und evaluative Kompetenzen (vgl. Michaelis 2005, S.

272).

Die Pflegepraxis unterscheidet auf konkreter Ebene unterschiedliche

Situationstypen mit unterschiedlichen Herausforderungen an die Pflegenden und

unterschiedlichen Ansprüchen an Wissen und Kompetenz. Kirkevold

unterscheidet vier Typen von Pflegesituationen:

1. Akutsituationen,

2. problematische Situationen,

3. nicht-problematische Situationen,

4. problemidentifizierende Situationen.

Die vier Situationstypen unterscheiden sich im Hinblick darauf, wie die

Pflegepersonen auf die jeweilige Situation reagieren. Manchmal spielt die Zeit

eine Rolle, die der Pflegekraft zur Verfügung steht, um eine Entscheidung rasch

treffen zu können. Dies trifft besonders auf Akut-Situationen zu, in denen sehr

viel medizinisches Wissen vom Pflegepersonal verlangt wird. Es ist wichtig, sich

schnell einen Überblick zu schaffen, die Anforderungen und Ressourcen

aufeinander abzustimmen, um rasch zu intervenieren (Kirkevold 2002, S. 52-53).

Bei problematischen Situationen oder wenn der Zustand des Patienten sehr

unsicher und wechselhaft ist, ist meist nicht eindeutig definiert, worin das

Problem oder Bedürfnis des Patienten besteht. Hier hängt es davon ab, ob die

Pflegeperson imstande ist, die Situation gut zu definieren und eine gute,

42

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befriedigende, klinische Beurteilung vorzunehmen. Da hat die Forschung gezeigt,

dass erfahrene Pflegepersonen fähiger sind, die Situation unter verschiedenen

Gesichtspunkten zu sehen, Zusammenhänge zu erkennen und schneller mögliche

Erklärungen anzubieten (Kirkevold 2002, S. 55-56).

Bei Nicht-problematischen Situationen ist es offensichtlich, wo das Problem liegt,

was der Patient braucht, und die Lage der Situation ist stabil. Das trifft meist auf

Patienten zu, die einen längeren Pflegebedarf benötigen, d. h. es gibt einen klaren

Anfang, aber kein klares Ende. In dieser Situation geht es vor allem darum, das

Beste aus der Situation zu machen, nämlich dem Patienten ein bestmögliches

Befinden und seine grundlegenden Bedürfnisse zu sichern (Kirkevold 2002, S. 59-

60).

Situationen, in denen die Pflegeperson versucht, mögliche Probleme zu erkennen,

bevor sie auftreten oder sich zu ernsten Problemen entwickeln, nennt man

problemidentifizierende Situationen. Neben dem Erkennen möglicher Probleme

ist das Vorbeugen von Komplikationen ein wesentliches Element der Pflege. Die

erforderliche Kompetenz, die an Pflegende dabei gestellt wird, ist, den Patienten

klinisch zu beurteilen, ausgehend von dem Wissen einer erwarteten Entwicklung.

Ein konkretes Beispiel dafür ist das Erkennen und Vorbeugen von

Komplikationen bei bettlägerigen Patienten. Das erfordert eine solide Kenntnis

darüber, wie eine normale Entwicklung aussieht und darüber, was Zeichen für

eine Abweichung sind (Kirkevold 2002, S. 62-63).

So lässt sich konstatieren, dass einige Dimensionen der Pflegepraxis nicht ohne

eine gewisse Standardisierung auskommen, insbesondere in Akut-Situationen, in

denen kein Raum für Reflexion und Planung bleibt. Das Wissen, das hier benötigt

wird, muss internalisiert sein. Bei anderen Situationen der Pflegepraxis ist eher

eine individuelle Gestaltung der Pflege relevant. Besonders bei lange dauernden,

nicht-problematischen Situationen wie z. B. bei chronischen Krankheiten, wo das

Ziel darin liegt, für den Patienten ein bestmögliches Befinden zu sichern, zeigt

43

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sich die Qualität darin, dass die Pflege von den Erfahrungen und Wünschen des

einzelnen Patienten ausgeht (vgl. Kirkevold 2002, S. 69).

Auf einer übergeordneten Ebene ist die Frage zu stellen, ob in der Pflegepraxis,

sowie in anderen praktischen Disziplinen auch, die Ansicht besteht, dass der

praktische Aspekt eines Berufes im Prinzip als angewandte Wissenschaft

betrachtet werden kann, was von vielen Wissenschaftlern wie z. B. Benner 1984,

Martinsen 1975 oder Molander 1993 als unbefriedigend angesehen wird (vgl.

Kirkevold 2002, S. 67).

Bishop und Scudders (1990, 1991, 1995) sind der Meinung, dass ein wesentlicher

Unterschied zwischen der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnis in der Praxis

und einer Betrachtung der Praxis als angewandter Wissenschaft besteht. Sie

vertreten die Auffassung, dass Pflege als Form der Praxis in der Hauptsache durch

klinische Ausübung, Erfahrung und praktische Vermittlung qualitativ gut geführt

wird, aber um Pflegepraxis weiterzuentwickeln und zu verbessern, wäre die

Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Praxis eine weitere

Möglichkeit, ohne damit vorauszusehen, dass Praxis angewandte Wissenschaft ist.

Denn eine Praxis, die sich nicht durch Verwirklichen von Möglichkeiten

entwickelt, ist tot (vgl. Kirkevold 2002, S. 68).

Der Arbeitsalltag in der praktischen Pflege ist gravierenden Veränderungen

unterworfen, die Gründe dafür sind einerseits in den gesundheitspolitischen und

sozialpolitischen Entwicklungen und in den Umbrüchen im Gesundheitswesen zu

suchen, aber auch in den Professionalisierungsbestrebungen innerhalb der

Pflegeberufe sowie in der langsamen Entfaltung der Pflegewissenschaft (vgl.

Sieger 2001, S. 13).

44

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5.5.1 Professionalität

Professionalität (lat.) ist eine souveräne Ausübung einer Tätigkeit respektive

Beherrschung eines Arbeitsgebietes (vgl. Duden Das Fremdwörterbuch 2003, S.

1097).

Während Professionen Berufe sind, die den vollen Status einer Profession erreicht

haben, bedeutet Professionalisierung den Weg zur Profession. Professionalismus

entwickelt sich dann, wenn sich einige Individuen spezialisierte Fertigkeiten auf

der Basis von theoretischem Wissen in langer Ausbildung angeeignet haben.

Profession verlangt ein Handeln, das durch systematisiertes, empirisches Wissen

geleitet wird. Überlieferte traditionelle Ansichten finden dabei keine Beachtung.

Eine adäquate Ausbildung in Form einer wissenschaftlichen Ausbildung wurde

zum bedeutenden Abgrenzungskriterium zu anderen Berufssparten. Die Begriffe

der Professionalisierung und Spezialisierung sind somit eng mit der

Akademisierung eines Berufsstandes verbunden (vgl. Kühne-Ponesch 2004, S.

22)

Ein wesentliches Merkmal von Profis ist, dass sie bestimmte Sachverhalte auf

Grund ihrer spezifischen Expertise beurteilen respektive diagnostizieren und

daraus Interventionen vorschlagen können. Professionalität wird auch dadurch

charakterisiert, was Berufsangehörige in einer bestimmten Situation denken, was

sie theoretisch überlegen, was sie als Konklusion ziehen und was sie ihren

Patienten empfehlen. Professionalität setzt voraus, dass ein Beruf ein eigenes,

mehr oder weniger exklusives Wissensgebiet hat (vgl.

Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 41).

Professionelle verfügen wegen ihres Wissens und der Bereitschaft zur Übernahme

von Verantwortung über ein hohes Sozialprestige und eine Anerkennung in der

Gesellschaft. Anerkennung in der Gesellschaft wird den Professionellen mit mehr

politischer Präsenz und auch mit einer höheren monetären Leistung honoriert.

Zuerkennung von Autonomie ist ein wesentliches Element einer Profession.

Autonomie versteht sich als selbstständige Kontrolle der eigenen Tätigkeit.

Professionen unterliegen, was die Beuteilung ihrer Leistungen betrifft, nicht der

Fremdkontrolle. Die Kollektivitätsorientierung hängt eng mit der Verantwortung

45

Page 46: ÖGKV: ÖGKV - Österreichischer Gesundheits- und ...Theorie und Praxis und ich möchte nach Möglichkeiten suchen, die Spannungen des Theorie und Praxis Verhältnisses zu reduzieren

gegenüber den Patienten und einer Wertorientierung in der Berufsausübung

zusammen. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Entwicklung

eines Berufes zur Professionalität ohne die genannten Kriterien praktisch nicht der

Fall ist. Daher muss die Gesundheits- und Krankenpflege diese Kriterien erfüllen,

um als Profession anerkannt zu werden. Widerstände gegenüber Theorien

erschweren die Professionalisierung, denn ein Theoriediskurs ist notwendig, um

die Eigenständigkeit von Pflege zu festigen. Ein unzureichender Grad an

Professionalisierung geht mit mangelnder Akademisierung des Berufsstandes

einher (vgl. Kühne-Ponesch 2004, S. 23-26).

5.5.2 Zusammenfassung

Pflegepraxis ist die Pflege am Krankenbett und geprägt durch die Situation rund

um Menschen, die Pflege benötigen. Praktische Pflege hat sich durch Tradition

entwickelt und ihre Handlungen beruhen auf intuitiven und erfahrungsgeleiteten

Fähigkeiten. Die Praxis unterstützt Patienten bei der Bewältigung des Alltags, die

auf Grund ihrer Erkrankung selbst nicht in der Lage sind, ihre Probleme zu lösen.

Zur praktischen Pflege gehören neben der Versorgung der Patienten im Rahmen

der Grund- und Behandlungspflege, die Durchführung der Anordnungen des

Arztes sowie die Überwachung und Beobachtung der Patienten, um

Komplikationen frühzeitig zu erkennen. Sie muss weiters für einen reibungslosen

Stationsablauf sorgen, dazu gehören administrative Tätigkeiten genauso wie die

Bedienung von medizinisch-technischen Geräten sowie die eigene Planung der

Behandlung für den Patienten.

Die Pflegepraxis unterscheidet auf konkreter Ebene vier unterschiedliche Typen

von Pflegesituationen, die unterschiedliches Wissen und Kompetenzen von den

Pflegenden verlangt. Denn es besteht ein Unterschied in den pflegerischen

Handlungen, ob es sich zum Beispiel um eine akute Situation oder um eine nicht-

problematische Situation handelt.

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Auf einer übergeordneten Ebene ist die Frage zu stellen, ob praktische Pflege eine

angewandte Wissenschaft ist, oder ob es von Vorteil ist, wissenschaftliche

Erkenntnisse in der Praxis anzuwenden. Um die Praxis aber weiterzuentwickeln

und zu verbessern, wäre die Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse ein

wichtiges Werkzeug dazu.

Die Anforderungen an die praktische Pflege sind durch neue Betätigungsfelder

wie Gesundheitsförderung und -prävention gestiegen und haben somit zu

gravierenden Veränderungen im Pflegealltag geführt.

5.6 Der theoretische Aspekt in der Pflege

Eine Theorie ist eine symbolische Darstellung von Aspekten einer Realität, die

Ereignisse, Beziehungen oder Situationen beschreibt, erklärt oder vorhersagt (vgl.

Meleis 1999, S. 43).

Die Theorie ist ein abstraktes „Bild“ (oder Modell) von der Wirklichkeit

oder von Teilen davon. Eine Theorie beschreibt ausgesuchte Phänomene

und die Beziehungen zwischen ihnen. Theorien können einen

unterschiedlichen Abstraktionsgrad haben und entweder neutral

beschreibend oder normativ beschreibend sein (zielgerichtet oder

vorschreibend) (Kirkevold 2002, S. 25).

Theorien sind beschreibend, erklärend und voraussagend. Theorien können somit

die Praxis der Pflege beschreiben, erklären, voraussagen und dienen zum Zweck

der Handlungsanweisung für Pflegende (vgl. Buckley-Viertel 2001, S. 412).

Theorien bestehen aus Annahmen, Konzepten, narrativen Beschreibungen,

Behauptungen und typischen Beispielen (vgl. Meleis 1999, S. 53), und sie lassen

sich in drei Arten von Theorien einteilen. Es gibt die große Theorie oder „grand

theories“, in der die systematische Konstruktion des Wesens der Pflege, die

Aufgaben und die Ziele der Pflege beschrieben werden. Die Theorien mittlerer

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Reichweite oder „middle-range-theories“ umfassen das Gebiet der Pflege, das

weniger abstrakt ist. Sie behandeln spezifische Phänomene oder Konzepte und sie

spiegeln die Praxis wieder. Theorien, die sich auf ein spezifisches

Pflegephänomen konzentrieren, sich auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe oder

ein bestimmtes Praxisgebiet beschränken, nennt man situationsspezifische

Theorien (vgl. Meleis 1999, S. 50-51).

Theorien können auch auf ihre Ziele klassifiziert werden und so unterscheidet

man zwischen beschreibenden und vorschreibenden Theorien.

Beschreibende Theorien tragen zum Verständnis und zur Erklärung menschlicher

Gesundheits- und Krankheitsprozesse bei und sind reine oder grundlegende

Theorien. Vorschreibende Theorien sind solche, die sich den Lehren der

Pflegetherapie und deren Maßnahmen widmen. Theorien, die zur Praxiskontrolle,

-förderung oder -veränderung entwickelt wurden, sind pflegepraktische Theorien

oder vorschreibende Theorien (vgl. Meleis 1999, S. 52-53).

Theorie ist darauf ausgerichtet, Erkenntnisse über pflegepraktische Situationen zu

liefern, Pflegehandlungen zu begründen und zu reflektieren und Forschung

anzuleiten und ihr die Richtung zu weisen. Theorie fungiert als Begründungs- und

Reflexionsinstrument, sie ist die Entscheidungsgrundlage jedes Handelns, denn

letztendlich beruhen Pflegehandlungen auf der Grundlage einer Theorie (vgl.

Schrems/Schneider 2006, S. 15). Durch die Interaktion mit der Praxis wird

Theorie geformt und es entstehen praktische Richtlinien. So ist Theorie ein

Werkzeug, das die Praxis effizienter und effektiver macht. Theorie gibt der Pflege

einen gemeinsamen Wortschatz und eine Sprache zur Beschreibung und

Erklärung pflegerischer Phänomene und Begriffe (vgl. Buckley-Viertel 2001, S.

413). Dies erlaubt eine knappe, verkürzte Darstellung der Situation. Die dadurch

effektivere und effizientere Kommunikation zwischen Theoretiker und Praktiker

kann schließlich die Theorieentwicklung fördern (vgl. Meleis 1999, S. 55).

48

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Theorien im Allgemeinen sind aber nicht nur dazu da, um die Pflegepraxis zu

verbessern und die in der Pflegepraxis Tätigen handlungsanleitend anzuweisen,

sondern die Pflege auch hinsichtlich übergeordneter Kriterien wie zum Beispiel

nach Emanzipation und ethischem Selbstverständnis weiterzuentwickeln (vgl.

Schroeter/Rosenthal 2005, S. 23).

Theorie hat weiters die Aufgabe einen theoretischen Bezugsrahmen zu

entwickeln, der die klinische Praxis widerspiegelt, die Praxis besser einbezieht

und die fachbezogene Forschung vorantreibt. Sie ist das Bindeglied zwischen

Forschungsergebnissen und praktischer Anwendung, wenn es z. B. um die Frage

geht, wie Patienten Symptome wahrnehmen und interpretieren, und mit welchen

Strategien sie mit diesen bestimmten Symptomen und ihrer Gesundheit ganz

allgemein umgehen. Theorie ist dynamisch, veränderlich und immer in Bewegung

anzusehen und hat viel zum generellen Fortschritt der Pflegewissenschaft

beigetragen (vgl. Meleis 1999, S. 635-637).

Das Ziel einer Theorie besteht darin, Pflegewissenschaftler anzuregen, wichtige

Probleme im Bereich Pflege zu erforschen und indem sie das tun, steigert sich das

Entwicklungspotenzial für Pflegewissen. Weiters haben Theorien das Ziel, Pflege

als eigene wissenschaftliche Disziplin zu etablieren, die sich von der Medizin

differenziert und einen professionellen Status hat (vgl. Meleis 1999, S. 113),

damit wird die Autonomie und Verantwortlichkeit des Berufsstandes der Pflege

gefördert (vgl. Meleis 1999, S. 635).

Theoretiker nehmen laut Fealy für sich in Anspruch, mit ihren Tätigkeiten die

Basis für eine professionelle pflegerische Praxis zu legen. Theoretiker

beschreiben, wie die Qualifikation von Pflege auszusehen habe. Sie sind der

Meinung, eine Annäherung der Praxis an die Theorie kann nur in der Weise

erfolgen, indem sie die Praktiker informieren, wie eine ideale Praxis aussehen

soll, und sie der Praxis den richtigen Weg aufzeigen (vgl. Fealy 1999, S. 75).

49

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5.6.1 Pflegetheorien

Meleis definiert Pflegetheorie als Konzeptionalisierung einiger Aspekte der

Pflegerealität, die mit dem Ziel zusammengestellt werden, um damit Phänomene

zu beschreiben, Beziehungen zwischen Phänomenen zu erklären, Folgen

vorherzusagen oder Pflegehandlungen vorzuschreiben (vgl. Meleis 1999, S. 43).

Die Pflegetheorien sind Theorien, die die Pflegewirklichkeit als Ganzes

oder in Teilen beschreiben, d. h. das, was den Patienten aus einer

Pflegeperspektive charakterisiert, sowie die Pflegepraxis und Ziel und

Kontext der Pflege, wie sie den Patienten und die Ausübung der Pflege

beeinflussen (Kirkevold 2002, S. 25).

Pflegetheorien können sich aus rein theoretischen Annahmen entwickeln oder sie

erwachsen aus praktischen Erfahrungen (vgl. Juchli 1991, S. 96). Meleis meint,

dass Pflegetheorien aus der gegebenen Pflegerealität entstehen, aber mit den

Augen einer Theoretikerin gesehen, die wiederum von der eigenen Philosophie

geprägt ist (vgl. Meleis 1999, S. 48).

Pflegetheorien versuchen zu beschreiben, welche Rolle Pflegende spielen und

zeigen die philosophischen Grundlagen von Pflege auf, außerdem liefern sie

Beschreibungen darüber, wie Patienten geholfen werden kann (vgl. Meleis 1999,

S. 322). Weiters dienen Pflegetheorien dazu, Pflegewissen zu strukturieren,

Pflegepraxis und Ausbildung zu gestalten sowie Hintergrundwissen für den

Pflegeprozess zu liefern, und sie sind wissenschaftlicher Überprüfung zugänglich

(vgl. Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 55-63).

Pflegetheorien untermauern und begründen die Erweiterung von Verantwortung

und Arbeitsbereichen. Sie beschreiben und klären die pflegerische Aufgabe, die

Beziehung zwischen Pflegeperson und Patienten, die Pflegetätigkeit und

Patientenergebnissen (vgl. Buckley-Viertel 2001, S. 411).

50

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Die traditionellen Pflegetheorien respektive Modelle lassen sich unterschiedlich

typisieren. Sie werden je nach Autor in mehrere Gruppen eingeordnet. So gibt es

die Bedürfnistheorien, bei denen die Bedürfnisse der zu Pflegenden im

Mittelpunkt stehen und die Pflege überwiegend an der Behebung von Defiziten

und der Lösung von Pflegeproblemen orientiert ist, weiters gibt es die

Interaktionstheorien, die sich auf die pflegerische Beziehung zwischen dem

Pflegenden und dem Pflegebedürftigen konzentrieren und es gibt die

Pflegeergebnistheorien, die sich am Resultat von Pflegehandlungen ausrichten.

In der Regel werden die Theorien in verkürzter und checklistenartiger Form für

die bestehende pflegerische Praxis handhabbar gemacht und so ihrer theoretischen

Basis entzogen (vgl. Görres/Friesacher 2005, S. 41).

Pflegetheorien wurden entwickelt, um etwas darüber auszusagen, was das Fach

Pflege eigentlich ausmacht, weiters sollten sie die Frage klären, womit sich Pflege

beschäftigt und was das Ziel der Pflege ist. Die Theorien sollten sich als eigenes

Fachgebiet definieren und sie sollten sich von anderen benachbarten Fächern wie

Medizin oder Soziologie klar abgrenzen (vgl. Kirkevold 2002, S. 140).

Zu den bekanntesten Theorien gehört die Pflegetheorie von Orem, die auch unter

dem Namen „Selbstpflegedefizit-Theorie“ bekannt ist und der Denkschule der

Bedürfnistheorien zuzurechnen ist. In der Theorie von Orem verbleibt

pflegerisches Handeln lediglich auf der Ebene technischen Handelns im Sinne

einer zweckrationalen Tätigkeit auf angegebene Ziele ausgerichtet. Sie ist

weitgehend am biologischen Modell orientiert und an einer an Norm- und

Kontrollwerten ausgerichteten Pflege angesiedelt. Bei dieser Theorie verbleibt die

pflegerische Handlungstätigkeit auf die natürliche Selbsterhaltung des Patienten

beschränkt und weist sehr paternalistische Grundzüge auf. Bei der Theorie von

Orem wird auf Phänomene wie Trauer, Leiden und Schmerzen, die einer

technischen Lösung nicht zugänglich sind, kaum eingegangen. Konflikte und

Widersprüche werden durchgängig ausgeklammert, was eine ethisch äußerst

fragwürdige Konzeption darstellt (vgl. Görres/Friesacher 2005, S. 41-42).

51

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Obwohl diese Arten von Pflegetheorien in mehrfacher Hinsicht überholt sind und

sie als historische Artefakte betrachtet werden, weil sie mehr über die

geschichtliche Entwicklung der Pflegewissenschaft erzählen als über das, womit

sich das Fachgebiet eigentlich beschäftigt, und sie keine wirkliche Antwort auf die

Frage geben konnten, was das Fach Pflege ausmacht, sind sie dennoch ein

wichtiger Beitrag innerhalb der Pflegewissenschaft und repräsentieren seriöse

Versuche, diese Frage zu lösen. Kirkevold meint, dass man traditionelle

Pflegetheorien durch Forschung und Praxis testen könnte, sie weiterentwickelt

und Teile, die als unbefriedigend gelten, eliminiert und so die Theorie in

modifizierter Form wieder in Verwendung bringt (vgl. Kirkevold 2002, S. 155).

5.6.2 Der Pflegeprozess

Im neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetz von 1997 wurde der

Pflegeprozess in Österreich, mit dem §14 (Eigenverantwortlicher

Tätigkeitsbereich) erstmals gesetzlich festgeschrieben, und er verpflichtet das

Pflegepersonal des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege, die

Pflege der Patienten nach dem Pflegeprozess auszuüben, außerdem ist er zu einem

Kernelement der theoretischen sowie der praktischen Ausbildung geworden (vgl.

Bundesgesetzblatt 1997, S. 1279).

Der Pflegeprozess ist ein von Pflegenden im Rahmen ihrer Interaktion mit

PatientInnen und/oder Familien verwendetes systematisches

Problemlösungsverfahren, mit dem der Pflegebedarf beurteilt, die

pflegerische Unterstützung geplant und gegeben sowie auf ihre

Wirksamkeit überprüft wird (Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006,

S. 367).

Der Pflegeprozess ist als Synonym für eine wissenschaftliche Methode zu

verstehen und er ist der organisierte Bezugsrahmen für die Pflegepraxis (vgl.

Roode 1995, S. 303). Der Pflegeprozess folgt dem Prinzip des kybernetischen

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Regelkreises. Dieser liegt dem Prinzip der Ist-Soll-Ausgleichung oder auch der

Problem-Ziel-Abstimmung zu Grunde (vgl. Schrems 2003, S. 38).

Der Pflegeprozess beginnt mit der Einschätzung der Pflegebedürfnisse und endet

mit der Auswertung der Resultate der Pflegemaßnahmen (vgl. Faßbinder/Lust

1997, S. 42), und er besteht aus zwei unterschiedlichen Komponenten, dem

Beziehungsprozess einerseits und dem Problemlösungsprozess andererseits.

Der Problemlösungsprozess besteht aus verschiedenen wohl abgestimmten

Schritten, der Informationssammlung, der Problemformulierung mit dem

diagnostischen Prozess, der Eruierung der Ressourcen, der Festsetzung der Ziele

und der daraus resultierenden Maßnahmen (vgl.

Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 48). Die konkrete Vorgabe ist im

neuen Gesundheits- und Krankenpflegegesetz mit dem § 14, dem

eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich, geregelt.

Unter Beziehungsprozess versteht man die Interaktion, die zwischen Pflegeperson

und Patienten stattfindet. Der Beziehungsprozess ist ein wichtiger Bestandteil des

Pflegeprozesses, denn ohne einer empathischen, tragfähigen Beziehung zum

Patienten wird sich kein Vertrauen entwickeln, und ohne Vertrauen wird der

Patient nicht bereit sein, einen Beitrag zum Informationsgewinn in der Anamnese

zu leisten, somit wäre der gesamte Pflegeprozess gefährdet, denn ein Patient, der

zu den ihm behandelnden und pflegenden Personen kein Vertrauen hat, ist sehr

viel eher geneigt, sich möglicherweise behandlungswidrig zu verhalten (vgl.

Kistner 2002, S. 7-8).

Standardisiertes und objektiviertes Pflegewissen stellen die Basis bei der

Erstellung des Pflegeplanes dar, doch dazu bedarf es eines interaktiven Settings,

dessen Hauptinstrument die Kommunikation ist. Dies gilt vor allem für die Phase

der Anamnese und der Diagnoseerstellung. Um den Patienten und sein Problem

zu verstehen, muss zum Problemlösungsinstrument „Pflegeprozess“ parallel dazu

ein Kommunikationsprozess installiert werden. Idealerweise laufen diese beiden

Prozesse aber nicht parallel, sie sollten als ein Prozess erscheinen (vgl. Schrems

2003, S. 19).

53

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Vor der Anwendung des Pflegeprozesses glaubten die Pflegenden, dass sie am

besten wüssten, was die Patienten bräuchten, und es wurde meist über deren

Köpfe hinweg entschieden, welche Maßnahmen zu setzen sind. Seit der

Implementierung des Pflegeprozesses und seitdem die Patienten als Partner

betrachtet werden, wird mehr auf ihre Bedürfnisse eingegangen (vgl.

Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 49).

5.6.3 Pflegediagnosen

Mit dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz von 1997 wird in Österreich

erstmals gesetzlich festgeschrieben, dass Pflegephänomene zu diagnostizieren

sind. Es wurde zwar schon immer diagnostiziert, wenn Phänomene benannt

wurden, aber diese wurden nicht explizit als Pflegediagnosen bezeichnet.

Pflegediagnosen sind ein Novum und daher etwas gänzlich Unbekanntes in der

Pflege (vgl. Schrems 2003, S. 28).

Pflegediagnosen haben einen wesentlichen Anteil im Zusammenhang mit

Qualitätssicherung, denn je präziser und einheitlicher Pflegeprobleme definiert

werden, desto besser können Maßnahmen darauf abgestimmt werden (vgl.

Schrems 2003, S. 26), und sie verfolgen auch ein anderes Ziel als medizinische

Diagnosen. Während die Medizin ihren Blickwinkel auf die Krankheit sowie

deren Heilung richtet, so steht für die Pflege die erfolgreiche Bewältigung des

Alltages im Rahmen des Krankheits- und des Gesundheitsprozesses im

Mittelpunkt (vgl. Schrems 2003, S. 27).

Pflegediagnosen sind Namen für Probleme, die in den Bereich von Pflege fallen.

Sie sind eine präzise Zusammenfassung über den Gesundheitszustand des

Patienten. Sie enthalten die Beurteilungen von Pflegekräften (vgl. Meleis 1999, S.

217).

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Laut Gordon (1987) beinhalten Pflegediagnosen drei wesentliche Komponenten,

die als „PES“ bezeichnet werden. Das „P“ steht für Gesundheitsprobleme, das „E“

soll Auskunft über die Entstehung des Problems geben und das „S“ beschreibt die

Symptome des Problems (vgl. Townsend 1998, S. 15).

Pflegediagnose ist die Feststellung und Einschätzung der

patientenbezogenen Probleme und pflegerischen Bedürfnisse insbesondere

im Hinblick auf die Problemursachen. Sie liefert die Grundlage zur

Auswahl von Pflegehandlungen und zum Erreichen erwarteter Pflegeziele

und schafft Rahmenbedingungen zur Anwendung der Pflegeplanung

(Faßbinder/Lust 1997, S. 43).

Die Pflegediagnose ist ein wesentlicher Bestandteil des Pflegeprozesses und sie ist

ein wichtiger Schritt bei der Einschätzung des Gesundheitsproblems des Patienten

(vgl. Townsend 1998, S. 30-31).

Caroll-Johnson (1991) beschreibt eine Pflegediagnose als eine klinische

Beurteilung der Reaktionen von Individuen, der Familie oder der Gemeinschaft

auf aktuelle oder potentielle Gesundheitsprobleme respektive Lebensprozesse

(vgl. Powers 1999, S. 7).

Pflegediagnosen dienen der systematischen Erkennung und Beschreibung von

Gesundheitsproblemen eines Patienten. Damit gibt es der Pflegeperson die

Möglichkeit, ihr berufliches Handeln sinnvoll zu gestalten. Alle Pflegediagnosen

eines Patienten zusammen beschreiben die Gründe, aus denen dieser Pflege

benötigt, und sie beschreiben den Pflegebedarf. Pflegediagnosen sind aber auch

für die Berufsentwicklung von Bedeutung. Sie beschreiben das Fach- und

Wissensgebiet der Pflege, sie tragen weiters dazu bei, charakteristische Probleme

der Pflegepraxis zu erkennen und zu beschreiben. Pflegediagnosen definieren die

Position der Pflege im interdisziplinären Kontext und bilden eine wichtige

Grundlage für die Pflegeforschung (vgl. Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff

2006, S. 391).

55

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5.6.4 Evidence-based-Nursing (EBN)

Evidence-based-Nursing ist die Nutzung der derzeit besten

wissenschaftlich belegten Erfahrungen Dritter im Arbeitsbündnis zwischen

einzigartigen Pflegebedürftigen und professionell Pflegenden

(Behrens/Langer 2004, S. 21).

Evidence-based-Nursing stellt sich die Frage, ob und wie wissenschaftlich

überprüfte Erfahrungen in die eigene Pflegepraxis zwischen einem einzigartigen

Pflegebedürftigen und einem professionell Pflegenden einbezogen werden kann.

Die Patienten erwarten heutzutage von den Pflegenden, dass sie die Kunst der

Pflege und der Wissenschaft beherrschen. Die Kunst der Pflege besteht darin, dass

der praktisch Pflegende die Fähigkeit besitzt, die Probleme und Ressourcen des

Pflegebedürftigen richtig einzuschätzen, die Maßnahmen adäquat zu planen,

gemeinsame Ziele zu erarbeiten und zu fixieren und diese in regelmäßigen

Abständen zu evaluieren (vgl. Behrens/Langer 2004, S. 21).

Evidence-based-Nursing ist ein auf wissenschaftlichen Grundlagen

basierendes Konzept für die Pflege und dient der rationalen

Entscheidungsfindung beim Einsatz pflegerischer Maßnahmen in

Übereinstimmung mit klinischer Forschung (Kühne-Ponesch 2004, S.

175).

Der Prozess läuft in verschiedenen Stufen ab und wird auf Grund der persönlichen

Erfahrung unter Einbeziehung der Patientenwünsche sowie auf Basis der besten

verfügbaren Evidenz (Beweisbarkeit) getroffen. Die Beweisbarkeit kann mittels

eines hierarchisch konzipierten Kategorieschemas eingeschätzt werden. Obwohl

dieses starre Schema von vielen Wissenschaftlerinnen kritisiert wird, ist EBN ein

wichtiges Instrument des qualitätsüberprüfenden Erkenntniseinsatzes (vgl. Kühne-

Ponesch 2004, S. 175-176).

56

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5.6.5 Pflege als Wissenschaft

Pflegewissenschaft ist eine relativ junge Disziplin, auch wenn ihre Anfänge vor

circa 100 Jahren in den USA gelegt wurden. Speziell die skandinavischen Länder

können in Europa auf etwa 30 Jahre Erfahrung zurückblicken. Österreich ist, was

die Institutionalisierung der Pflegewissenschaft betrifft, ein Nachzügler, denn erst

im Wintersemester 1999/2000 wurde das erste individuelle Diplomstudium

„Pflegewissenschaft“ an der Universität Wien etabliert (vgl. Moers 2001, S. 72).

Pflegewissenschaft beschäftigt sich mit dem Menschen, der sich in einem

veränderten Gesundheitszustand in einer bestimmten Umwelt (einem

bestimmten Kontext) befindet, und mit den Möglichkeiten professioneller

Handlungen, die gesetzt werden können, um die Lebensqualität dieses

Menschen und seiner Bezugspersonen zu verbessern oder zu erhalten

(Mayer 2002, S. 29).

Die wissenschaftliche Betrachtung des pflegerischen Handelns wurde bisher nicht

von den Pflegenden selbst, sondern zum Teil von anderen

Wissenschaftsdisziplinen wahrgenommen. Pflegeforschung wurde von

pädagogischen, soziologischen und psychologischen Theorien und weniger von

Pflegetheorien geleitet. Aber nur Pflegetheorien regen Pflegewissenschaftler an,

wichtige Probleme im Bereich Pflege zu erforschen, und indem sie das tun,

steigert sich das Entwicklungspotenzial für Pflegewissen (vgl. Meleis 1999, S.

54).

Pflegewissenschaft ist eine Praxisdisziplin und hat noch immer einen starken

Bezug zur Medizin, Soziologie, Pädagogik, Psychologie und Philosophie. Der

dadurch unterschiedliche Zugang zur Theoriebildung macht es für die Pflege nicht

gerade leicht und verlangt einen eigenen Stellenwert (vgl. Görres/Friesacher 2005,

S. 35). Für die Pflege ist es aber wichtig und notwendig, eigene

pflegewissenschaftlich relevante Paradigmen aufzustellen, um zu neuen

Erkenntnissen zu kommen. Um als eigene Wissenschaft bestehen zu können, denn

Aufgabe jeder Wissenschaft ist es, neues Wissen zu synthetisieren und zu

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Page 58: ÖGKV: ÖGKV - Österreichischer Gesundheits- und ...Theorie und Praxis und ich möchte nach Möglichkeiten suchen, die Spannungen des Theorie und Praxis Verhältnisses zu reduzieren

produzieren (vgl. Obex 2006, S. 18), ist es prinzipiell wichtig, sich aus der

Umklammerung anderer wissenschaftlichen Disziplinen, hier vor allem der

Medizin, zu befreien und nicht weiter als Nebendisziplin zu gelten, denn ein

Kriterium für eine wissenschaftliche Disziplin ist, dass man sie von anderen,

benachbarten Fächern abgrenzen kann, obwohl ein Überlappen toleriert werden

kann. Im Prinzip sollte ein eigenständiges Interessensgebiet für eine Disziplin

erkennbar sein (vgl. Kirkevold 2002, S. 154).

Der Vorteil, den die Pflegewissenschaft aus den anderen Wissenschaften

generieren konnte, ist darin zu sehen, dass sie in vielen Bereichen sowohl in

methodologischer, theoretischer und empirischer Hinsicht als auch im Hinblick

auf konkrete inhaltliche Forschungsprobleme auf einen breiten und über lange

Zeit zusammengetragenen Fundus soziologischer Expertisen zurückgreifen kann.

Als neue Wissenschaft bleibt die Pflegewissenschaft aufgrund des soziologischen

Hintergrundes vor vielen Irrtümern und Streitigkeiten bewahrt und muss daher

nicht noch einmal alle Fehler einer neuen Wissenschaft durchmachen (vgl.

Görres/Friesacher 2005, S. 46).

Pflegewissenschaft hat seit ihrer Einführung einen klaren sozialen Auftrag. Sie

soll Wissen bereitstellen, das die Pflegepraxis unterstützt und verbessert. Das zu

bereitstellende Wissen wird aus wissenschaftlichen Erkenntnissen im Bereich der

Pflege gewonnen und dann durch Unterricht oder auf anderen Wegen vermittelt

(vgl. Kirkevold 2002, S. 13).

Eine Aufgabe der Pflegewissenschaft ist, die gängige Pflegepraxis zu reflektieren,

die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse könnte sie zu neuen Theorien

generieren, damit diese unabhängig von Pflegepersonen und ihren Patienten

existieren und in Datenbanken gespeichert werden können. Damit schafft sie eine

wissenschaftlich fundierte Basis, kann damit die Pflegequalität verbessern und

somit auch die Lebensqualität der Patienten positiv beeinflussen.

Pflegewissenschaftler sollten jede Theorie kritisch hinterfragen, besonders wenn

es darum geht, eine eingefahrene Praxis zu verändern. Man sollte sich immer

fragen, welches Risiko damit verbunden ist, die derzeitige Praxis auf der

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Grundlage neuer Forschungsergebnisse zu ändern respektive welchen Nutzen

bringt es, die Praxis zu verändern. Man sollte sich aber gleichzeitig fragen,

welches Risiko damit verbunden ist, die bestehende Praxis weiter anzuwenden. Es

ist eine wichtige Herausforderung für die Pflegewissenschaft, jede relevante

Forschung zu beurteilen, ob sie eine solide Grundlage für die Praxis darstellt,

damit sie applikabel für die Praxis wird (vgl. Kirkevold 2002, S. 131-133).

5.6.6 Kritische Betrachtung zum theoretischen Aspekt in der Pflege

Theorien sind zu abstrakt und stiften Verwirrung, häufig mit dem Resultat, dass

sie nichts erklären und zu wenig praxisnah sind. Sie beschreiben eher den

Sollzustand der Pflege als die Wirklichkeit. In vielen Theorien finden sich

Definitionen von Pflege, die Pflege als omnipotent erscheinen lassen. Sie kann

alles und ist für alles zuständig, was ein unrealistischer und auch unerwünschter

Ansatz ist. Mangelnde wissenschaftlich-empirische Forschung führt zum

Vorwurf, Pflege basiere auf pseudowissenschaftlicher Erkenntnis. Begriffe aus

unterschiedlichen Kulturen, vorwiegend aus dem angloamerikanischen Bereich,

werden unserer Kultur ohne Adoption einfach übergestülpt, wodurch sich

Probleme ergeben. Doch es werden dabei oft die vorherrschenden

Rahmenbedingungen übersehen, denn theoriegeleitetes Handeln kann nur in

einem theoriefreundlichen Umfeld stattfinden. Der größte Teil der theoretischen

Arbeit ist weder induktiv entwickelt noch in der Praxis getestet worden, was den

Schluss zulässt, dass Pflegetheorien die Praxis nicht in gewünschter Weise

verändern (vgl. Kühne-Ponesch 2004, S. 179-181).

Der Transfer von Theorien aus dem Ausland auf die hiesige Pflegsituation ist mit

Schwierigkeiten verbunden, besonders die Anwendung von Theorien in der Praxis

wirft Probleme auf. Ungünstige Rahmenbedingungen in Krankenhäusern und

traditionelle Rollenerwartungen an Pflegepersonen von Seiten anderer Disziplinen

behindern den Transfer beziehungsweise die Umsetzung vieler neuer Konzepte

und Theorien (vgl. Buckley-Viertel 2001, S. 411).

59

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Die Pflegetheorie ist hauptsächlich noch in den Weiterbildungseinrichtungen

angesiedelt und weniger in der Praxis, die wenigen Akademiker und Theoretiker,

welche Pflegetheorie prägen, unterrichten vor allem, leiten an, beraten und finden

vielleicht beiläufig noch etwas Zeit zu forschen. Auf diese Art wird Pflege

hauptsächlich als theoretisches Wissen vermittelt und die praktische Erfahrung

bleibt isoliert als Alltagswissen auf der Station (vgl. Spirig 1994, S. 94).

Der Pflegeprozess gilt heute formell als Sinnbild für berufliche Kompetenz und ist

ein Kennzeichen professionellen Pflegehandelns. Richtet man den Blick auf die

Pflegepraxis, dann stellt man rasch fest, es ist noch immer nicht gelungen, den

Pflegeprozess als vorteilhafte Verfahrensweise auf breiter Basis in die praktische

Pflegearbeit zu etablieren (vgl. Lay/Brandenburg 2002, S. 150).

Auf der Suche nach Gründen für das Auseinanderklaffen von Theorie und Praxis

stellt sich die Frage, warum eine Methode mit allen Mitteln aufrechterhalten

werden soll, wenn die in der Praxis als wenig praktikabel gilt und von vielen

Pflegepersonen abgelehnt wird. Der Pflegeprozess wird als

Problemlösungsinstrument eingesetzt, dessen Ziel die Verringerung der Kluft

zwischen Ist und Soll ist. Man kann sagen, dass es sich beim Diagnostizieren von

Problemen um das Feststellen eines Unterschieds zwischen dem, was ist, und

dem, was sein soll, handelt. Der dahinter ablaufende Prozess des

Erkenntnisgewinnes ist dabei ungeheuer komplex. Es liegt die Vermutung nahe,

dass die Bestrebung der Implementierung des Pflegeprozesses alleine auf der

methodischen Ebene stattfand, die Füllung dieses Prozesses mit Inhalten aber

vernachlässigt wurde (vgl. Schrems 2003, S. 17-18). Eine der grundlegenden

Tatsachen des Pflegeprozesses besteht darin, dass es sich lediglich um eine

Methode eines Prozesses des Ausführens von Pflege handelt, es wird dabei nichts

darüber ausgesagt, was eingeschätzt, diagnostiziert und geplant wird (vgl.

Schrems 2003, S. 39). Da der Pflegeprozess zu statisch und mechanistisch

angewendet wird, kann vermutet werden, dass das zur Ablehnung geführt hat. Der

Pflegeprozess muss daher mit mehr Inhalten im Sinne der individuellen

Zuwendung zum Patienten gefüllt werden. Es stellt sich daher nicht die Frage, ob,

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sondern sehr viel eher, wie in der Pflege diagnostiziert werden soll und welchem

Anspruch sie dabei gerecht werden will (vgl. Schrems 2003, S. 34).

Da Menschen sehr individuelle und komplexe Wesen sind und die meisten

Praxissituationen im Prinzip einmalig, unvorhersehbar, schwierig einzuordnen

und vieldeutig sind, stehen viele Pflegepersonen dem technisch-rationalen Aspekt

des Pflegeprozesses skeptische gegenüber. Die Idee des Pflegeprozesses wird

nicht von allen akzeptiert und muss sich massive Kritik gefallen lassen. Eines der

Hauptargumente gegen die Idee des Pflegeprozesses lautet, dass damit die Pflege

auf ein technisches und formalrationales Handeln reduziert wird. Mit dem

Pflegeprozess muss immer mehr Schreibarbeit geleistet werden, dadurch stehen

den Pflegepersonen weniger Ressourcen zur Verfügung, mit dem Patienten in

Interaktion zu treten. Durch dieses Instrument entfernt sich die Pflege immer mehr

vom Patienten. Der Patient ist schwach und hilfsbedürftig und man muss ihm mit

Fürsorge und Mitmenschlichkeit begegnen. Als Gegenvorstellung zum

technischen und wissenschaftlichen Pflegeprozess wurde angeführt, dass es in der

Pflege um eine Fürsorgebeziehung zum Patienten geht (vgl. Kirkevold 2002, S.

49).

Die Kritik an den Pflegediagnosen beruht ferner auf einem problemorientierten

Ansatz von Pflege. Ein theoretischer Ansatz, der auf Erhaltung und Förderung

von Gesundheit setzt, also den positiven Ansatz hervorhebt, interpretiert den

Auftrag von Pflege besser. Leider kommt dieser Ansatz in der heutigen Pflege im

Bezug auf Diagnosen, Interventionen und Ergebnissen immer noch zu kurz (vgl.

Meleis 1999, S. 643). Außerdem enthalten Pflegediagnosen einen versteckten

behavioristischen Ansatz. Sie nehmen eine Verhaltensweise als normal an und

beschreiben die Abweichung davon als Problem. Gerade in der Psychiatrie wird ja

immer wieder darüber diskutiert, was normal und was nicht mehr als normal gilt

(vgl. Townsend 1998, S. 12). Kritisch an Pflegediagnosen könnte man noch

anmerken, dass deren Sprache manchen zu abstrakt erscheint und dass sie der

Komplexität des Individuums nicht gerecht wird. Sie sind untheoretisch und es

liegen keine Beweise vor, dass sie zur Klärung des Auftrages von Pflege oder zur

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Kommunikation zwischen Pflegeperson und den anderen Teammitgliedern des

Krankenhauses beigetragen haben (vgl. Meleis 1999, S. 218).

5.6.7 Zusammenfassung

Der theoretische Aspekt in der Pflege kann die Praxis beschreiben, erklären und

voraussagen. Theorien bestehen aus Annahmen, Konzepten und Behauptungen,

lassen sich in drei Arten einteilen und können auf ihre Ziele klassifiziert werden.

Theorie hat die Aufgabe, Erkenntnisse über pflegepraktische Situationen zu

bekommen, Pflegehandlungen zu begründen und zu reflektieren, um somit die

Pflegeforschung anzuleiten und voranzutreiben, damit wird die Pflege verbessert

und weiterentwickelt. Das Hauptziel einer Theorie für die Pflege besteht darin,

Pflegewissenschaftler anzuregen, im Bereich der Pflege zu forschen, Pflege als

wissenschaftliche Disziplin, unabhängig von der Medizin, zu etablieren, damit die

Autonomie des Berufsstandes der Pflege gefördert wird.

Mit Pflegetheorien wird die Pflegerealität, d. h. die pflegerische Aufgabe und die

Beziehung zwischen Pflegepersonal und Patienten, als Ganzes oder in Teilen

beschrieben und erklärt. Sie dienen dazu, Pflegepraxis und Ausbildung zu

strukturieren und der wissenschaftlichen Überprüfung zugänglich zu machen. Je

nach Autor gibt es verschiedene Modelle von Theorien und sie müssen für die

Praxis handhabbar gemacht werden. Pflegetheorien sollten die Frage klären,

womit sich Pflege beschäftigt, die Pflege als eigenes Fachgebiet definieren und

sich dabei von anderen Disziplinen abgrenzen. Obwohl die traditionellen

Pflegetheorien keine wirklich konkreten Antworten darauf gaben, was das Fach

Pflege ausmacht, so leisteten sie dennoch einen wichtigen Beitrag zur

Pflegewissenschaft.

Mit dem Pflegeprozess hat der theoretische Aspekt der Pflege einen organisierten

Bezugsrahmen für die Pflegepraxis bekommen. Der Pflegeprozess beinhaltet zwei

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unterschiedliche Komponenten und er ist der Versuch, den Pflegebedarf des

Patienten zu beurteilen und die pflegerische Tätigkeit zu planen.

Mit dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz von 1997 wurde in Österreich

erstmals gesetzlich festgeschrieben, dass Pflegephänomene zu diagnostizieren

sind. Die Pflegediagnosen sind ein wesentlicher Bestandteil des Pflegeprozesses

und sie sind Namen für Probleme, die in den Bereich der Pflege fallen und sie

unterscheiden sich von medizinischen Diagnosen dadurch, dass sie ihren

Blickwinkel nicht auf die Krankheit sondern auf die Bewältigung des Alltags

richten. Die Pflegediagnose ist eine klinische Beurteilung der Reaktion von

Menschen auf aktuelle oder potenzielle Gesundheitsprobleme und

Lebensprozesse.

Ein weiterer Gesichtspunkt des theoretischen Aspektes der Pflege ist Evidence

based Nursing. Darunter versteht man ein auf wissenschaftlicher Grundlage

basierendes Konzept, das versucht, das Arbeitsbündnis zwischen

Pflegebedürftigen und Pflegenden auf eine wissenschaftliche Basis zu bringen.

Als letzter Bereich zum theoretischen Aspekt in der Pflege wird diese als

Wissenschaft implizit dargestellt. Pflege als Wissenschaft ist eine relativ junge

Disziplin und wurde erst im Wintersemester 1999/2000 in Österreich etabliert.

Pflegewissenschaft versucht mit den Möglichkeiten professioneller Handlungen

die Lebensqualität von Menschen zu verbessern. Pflegewissenschaft wird von

anderen Wissenschaften stark beeinflusst, vor allem von der Medizin. Um aber als

eigene Disziplin bestehen zu können, ist es notwendig, ein eigenes Paradigma im

Wissenschaftssystem aufzustellen. Eine der Aufgaben der Pflegewissenschaft ist

es, aus den gewonnenen Erkenntnissen der Pflegepraxis neue Theorien zu

generieren, um damit eine wissenschaftlich fundierte Basis zu schaffen, was ein

möglicher Aspekt ist, um die Pflegequalität zu verbessern.

63

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5.7 Das Theorie-Praxis-Verhältnis in der Pflege

Die praktische Pflege ist eine komplexe soziale Aktivität, die sich über einen

längeren Zeitraum durch Tradition entwickelt hat. Das Praxisfeld Pflege beruht

auf intuitiven, erfahrungsgeleiteten Handlungen und wird durch Rituale und

Routine geprägt.

Das Wissen, auf das sich Routine und Rituale gründen, ist Alltagswissen und

dieses wird in unserer Gesellschaft eher negativ konnotiert, weil es in der Regel

nicht reflektiert wird und weil es ein implizites Wissen ist, das weitgehend für

niemanden sonst zugängig ist.

Die Praxis ist im Rahmen des eigenverantwortlichen, des mitverantwortlichen und

des interdisziplinären Tätigkeitsbereiches durch Handlungen direkt am Patienten

oder durch die Ausführung von Maßnahmen nach Anordnungen des Arztes

gekennzeichnet sowie mit der Durchführung von administrativen Tätigkeiten

beauftragt, und sie ist für einen reibungslosen Stationsablauf verantwortlich.

Auf Grund der unterschiedlichen Pflegesituationen und Anforderungen werden

von den Pflegenden in der Praxis verschiedene Kompetenzen und Kenntnisse

verlangt.

Theorien beschreiben und erklären Pflegephänomene, sie spiegeln faktisch die

Praxis, dabei versuchen sie Erkenntnisse über Pflegephänomene zu gewinnen und

zu reflektieren.

Theorien tragen zur Erklärung von Prozessen bei, indem sie die Pflegepraxis

verändern, Pflegewissen strukturieren und gestalten und es wissenschaftlichen

Überprüfungen zugänglich machen. Theorie ist das Werkzeug, die Praxis

effektiver und effizienter zu machen. Dabei leisten Theorien einen wesentlichen

Beitrag zu Pflegewissenschaft, entwickeln den Berufsstand zu einer Profession

und versuchen die Forschung voranzutreiben.

Theoretisches Wissen ist allgemein zugänglich, es kann prinzipiell jeder benutzen

und es verhilft der praktischen Pflege, Pflegehandlungen besser zu verstehen.

In der beruflichen Pflege stehen sich Theorie und Praxis in einem gespannten

Verhältnis gegenüber. Im Mittelpunkt dieses Konfliktes steht die Frage, welches

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Wissen, praktisches Wissen oder theoretisches Wissen, das wichtigere Wissen ist.

Offensichtlich fehlt eine gegenseitige Anerkennung und Bezugnahme. Zusätzlich

behindern ungünstige Rahmenbedingungen im Krankenhaus die Umsetzung vieler

neuer Theorien und Konzepte in die Praxis.

Auf der einen Seite werfen die Vertreter der Theorie den Pflegenden in der Praxis

mangelnde Selbstreflexion, ausbleibende Weiterentwicklung und mangelndes

Interesse an Theorien und Pflegewissenschaft vor.

Auf der anderen Seite besteht die Kritik der Pflegenden darin, dass Theorien zu

abstrakt, zu praxisfern sind und daher mangelnde Praxistauglichkeit haben.

Mit der Begründung, dass Menschen sehr individuell und die meisten

Pflegephänomene im Prinzip einmalig und vieldeutig sind, stehen viele Praktiker

dem technisch-rationalen Aspekt der Theorie skeptisch gegenüber. Sie sind der

Meinung, dass sich die Theorie immer weiter vom Patienten entfernt, weil unter

anderem immer mehr Schreibarbeit zu leisten ist, ihnen daher weniger Ressourcen

zur Verfügung stehen, um mit dem Patienten in Interaktion zu treten.

Um das Theorie-Praxis-Verhältnis der beiden Bereiche zu verbessern und die

Gemeinsamkeit zu unterstützen, sind die Zusammenarbeit und der gegenseitige

Respekt unumgänglich.

Eine Forderung an die Theoretiker ist daher, aus Erkenntnissen des Bereiches der

Praxis neue Theorien zu generieren und diese der Praxis in einer applikablen und

handhabbaren Form wieder zur Verfügung zu stellen, damit die Praxis verbessert

und verifizierbar gemacht werden kann.

Die Praktiker sollten ihrerseits ihre Tätigkeit nicht nur auf das Beherrschen von

Fertigkeiten reduzieren, damit Anforderungen nicht immer auf ähnliche oder

gleiche Aufgaben beschränkt bleiben, sondern sie sollten ihre Handlungen

ausreichend reflektieren und, da wissenschaftliche Aspekte noch nicht den

Einfluss in die Praxis gefunden haben, offen dafür sein, theoretische Inputs und

neue Theorien in ihre tägliche Arbeit zu implementieren.

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Ziel der Gemeinsamkeit ist es, die Pflegequalität insgesamt zu verbessern, was

den Patienten in Form einer verbesserten Lebensqualität zukommen würde. Dazu

gehört neben der beiderseitigen Anerkennung der Bereiche Theorie und Praxis

auch die Schaffung einer geeigneten Struktur im Krankenhaus sowie die

Bereitstellung der dafür nötigen Ressourcen, damit eine Äquivalenz erreicht

werden kann.

5.8 Pflege in der Psychiatrie

Psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege umfasst die Betreuung und Pflege

von Menschen mit psychischen Störungen und neurologischen Erkrankungen aller

Alters- und Entwicklungsstufen, sowie die Förderung der psychischen Gesundheit

(vgl. Bundesgesetzblatt 1997, S. 1287).

Zu den allgemeinen Aufgaben gehören die Stationsorganisation, hier vor allem

Materialwirtschaft und Verwaltungsaufgaben und alles, was auch zur allgemeinen

Krankenpflege wie Grund- und Behandlungspflege gehört.

Zu den speziellen Aufgaben der Pflege bei psychischen Erkrankungen gehört in

erster Linie ein auf Alltagsgestaltung und Alltagsbewältigung ausgerichtetes,

eigenständiges therapeutisches Angebot. Dieses, für den Patienten zugeschnittene

Angebot, zielt auf folgende Bereiche:

Entwicklung einer ausreichenden Kompetenz zur Selbstpflege, dazu gehören der

Umgang mit der Krankheit, Bewältigungstraining, Entwicklung individueller

Präventionsstrategien zur Rückfallprophylaxe, Alltagsbewältigung, Entwicklung

einer Tagesstruktur und sinnvolle Freizeitbewältigung.

Training sozialer Kompetenzen und die Anleitung in dem Bereich Wohnen und

Zusammenleben, um die Entwicklung sozialkonstruktiven Verhaltens zu fördern.

Weiters gehören zur Pflege in der Psychiatrie die organisatorische Abstimmung

mit anderen zuständigen Therapeuten, Diagnostik und Planung der erforderlichen

Maßnahmen, die Anordnung und Durchführung der Maßnahmen des Arztes und

die Anordnung und Durchführung der eigenen Maßnahmen in der

Therapieplanung (Kistner 2002, S. 4-6).

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Die psychiatrische Pflege spiegelt sich in ihrer Rollenvielfalt. Sie macht sich ein

ganzheitliches Bild vom Patienten und sieht diesen nicht nur mit seiner

Erkrankung sondern auch mit seinen gesunden Anteilen, seinen Ressourcen,

seinen Fähigkeiten und seinem Umfeld. Dies erfordert aber auch die

Zusammenarbeit im Team und mit anderen Berufsgruppen im Krankenhaus, denn

erst die unterschiedliche Sichtweise ermöglicht ein umfassenderes Bild des

Patienten. Die Pflege hat im Rahmen des mitverantwortlichen Tätigkeitsbereiches

den Anordnungen des Arztes nachzukommen, sie ist daher auch verpflichtet, sich

mit den Phänomenen der Krankheit des Patienten auseinanderzusetzen, so

gehören Maßnahmen nach ärztlichen Anordnungen, wie zum Beispiel die

Beobachtung der Wirkung von Psychopharmaka, ebenfalls zum Aufgabengebiet

der Pflege (vgl. Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 312).

Eine weitere Besonderheit der Pflege in der Psychiatrie ist die Ambivalenz, die

sich daraus ergibt, dass einerseits die Interessen des Krankenhauses, der Station,

sowie der gesetzliche Auftrag zu erfüllen sind und andererseits eine Beziehung

zum Patienten hergestellt werden muss. Denn auf der einen Seite tritt die Pflege

als Kontrolleur oder Aufpasser auf, wenn es zum Beispiel darum geht, Patienten

mit einer Suchtproblematik zur Abnahme von Drogenharn zu verpflichten, oder

wenn Patienten, die selbst- oder fremdgefährdet sind, gegen ihren Willen

behandelt und/oder ihrer Freiheit entzogen werden, indem sie am Verlassen des

Krankenhauses gehindert werden können. Auf der anderen Seite soll die Pflege

empathisch sein, eine Beziehung zum Patienten aufbauen, um Vertrauen zu

gewinnen, damit die Pflege den Patienten in seinen Anliegen unterstützen kann.

Einmal soll sie Humanität verkörpern und eine menschliche, individuelle Pflege

ausführen und ein anderes Mal soll sie den Zwängen und Prinzipien der

Organisation folgen (vgl. Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 318).

Da psychische Krankheiten meist einen langen Krankenhausaufenthalt zur Folge

haben, nimmt der Aufbau einer tragfähigen Beziehung zum Patienten einen

wesentlichen Teil der psychiatrischen Pflege in Anspruch. Das Schaffen einer

Vertrauensbasis ist eine schwierige Aufgabe und verlangt viel Feingefühl vom

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Pflegepersonal. Besonders für Schüler ist es ein Problem, den Abstand für Nähe

und Distanz zum Patienten herzustellen. Die richtige Ausgewogenheit zwischen

professioneller Nähe und professioneller Distanz ist eine Kunst und kann in der

Theorie nicht erworben werden. Diese Erfahrung kann nur im Rahmen der

Bezugspflege in der Praxis gewonnen werden. Unter Bezugspflege versteht man

im Allgemeinen den Aufbau einer tragfähigen Beziehung zwischen Patient und

Pflegepersonal, um eine Vertrauensbasis zu schaffen, in der der Patient bereit ist,

sich dem Pflegepersonal so weit zu öffnen, um einen Einblick in sein Leben zu

gewähren(vgl. Holnburger 1998, S. 15-16). Der Beziehungsprozess impliziert

Vertrauen, Verlässlichkeit und Verständnis als zentrale Elemente in der

Beziehung zwischen Pflegenden und Patienten in der psychiatrischen Pflege (vgl.

Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 48) und stellt einen wesentlichen

Baustein zum Behandlungserfolg dar. Die therapeutische Beziehung als

Interaktion zwischen Patienten und Pflegeperson unterliegt auch einer sozialen

Beeinflussung (vgl. Müller/Schanz 2002, S. 321).

Auch die Pflegeplanung kann in der psychiatrischen Pflege zum Problem werden,

nämlich dann, wenn ein Patient in einen psychischen Ausnahmezustand gerät, wie

zum Beispiel in eine schizoaffektive Psychose oder in eine akute manische Phase.

Es ist unmöglich, den Patienten in einer derartigen Phase in den Planungsprozess

miteinzubeziehen. Auch die Dokumentation stellt besondere Anforderungen wie

Fachkenntnisse, Wahrnehmungsvermögen und sprachliche Ausdrucksfähigkeit an

die Pflegekräfte in der Psychiatrie. Psychische und psychosoziale Probleme, und

vor allem um diese geht es in der psychiatrischen Pflege, sind oft weniger greifbar

und schwieriger zu beschreiben als somatische Probleme in der allgemeinen

Krankenpflege. Es ist sicher leichter, im Pflegeplan die Behandlung und den

Verlauf einer Wunde als die pflegerische Maßnahme zur Bewältigung eines

Angstzustandes konkret zu beschreiben (vgl. Lay/Brandenburg 2002, S. 151).

Die Steuerung des Zusammenlebens der einzelnen Patienten auf der Station und

die Milieugestaltung sind ein wichtiger Aspekt in der psychiatrischen Pflege.

Pflegende vermitteln Normalität, das hilft den Patienten, sich im Alltag wieder

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leichter zurechtzufinden. Die Patienten sollen das Gefühl haben, auch mit

jemandem reden zu können, ohne dass jeder Satz interpretiert wird. Es ist daher

wichtig, dass Pflegende nicht die Rolle des Co-Therapeuten übernehmen (vgl.

Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 47).

5.8.1 Psychiatrie

Der Begriff Psychiatrie (grch.) ist ein Teilgebiet der Medizin und befasst sich mit

der Diagnose, Erforschung und Behandlung psychischer Störungen. Zu den

Aufgaben der Psychiatrie gehört auch die soziale Wiedereingliederung psychisch

Kranker (vgl. Der Brockhaus 1998, Band 11, S. 223).

Psychiatrie wird mit den Begriffen Psyche und Seele (seelische Krankheiten)

konnotiert und kann aus naturwissenschaftlich-medizinischer oder aus einer

ontologisch-theologischen Sicht betrachtet werden.

Psyche (grch.) ist gleichbedeutend mit Seele und definiert sich in der Psychologie

als das seelisch-geistige Leben des Menschen im Gegensatz zum körperlichen

Sein (vgl. Der Brockhaus 1998, Band 11, S. 223).

Seele ist ein altgermanisches Wort und ist wahrscheinlich eine Ableitung von See

mit der Grundbedeutung „die zum See Gehörende“. Nach alter germanischer

Vorstellung wohnten die Seelen der Ungeborenen und der Toten im Wasser (vgl.

Duden Das Herkunftswörterbuch 2001, S. 750).

Die Institution „Psychiatrie“ ist ein Teil des gesellschaftlichen Gesundheitswesens

und zugleich für bestimmte Aufgabenbereiche ein Organ der staatlichen Gewalt.

Dadurch erfüllt sie nicht nur medizinische Aufgaben wie Behandlung von

Krankheiten, sondern auch ordnungsrechtliche und juristische Aufgaben wie

Freiheitsentziehung, Zwangsbehandlung und Maßnahmenvollzug. Diese

Doppelfunktion unterscheidet die Psychiatrie ganz wesentlich von anderen

medizinischen Einrichtungen (vgl. Kistner 2002, S. 60). Die Notwendigkeit und

Möglichkeit von Zwangsbehandlungen ist ein für die Psychiatrie typischer und in

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allen anderen medizinischen Disziplinen undenkbarer Tatbestand. Aus den

speziellen Eigenschaften der psychiatrischen Erkrankungen ist die therapeutisch

notwendige Gewalt oft das einzige Mittel zur Behandlung und somit ein

wesentlicher Bestandteil der institutionellen Psychiatrie (vgl. Kistner 2002, S. 64).

Psychiatrie hat die Aufgabe, den Patienten aus der Fremdverantwortung

herauszuführen und ihn wieder soweit zu fördern, dass er die Selbstverantwortung

für sich übernehmen kann (vgl. Dörner/Plog 1992, S. 480).

5.8.2 Psychiatrische Erkrankungen

Psychiatrische Erkrankungen umfassen nicht nur den Geist oder den Körper,

sondern beides und zeigen daher ihre Auswirkungen und Symptome auf beiden

Bereichen. Allerdings liegt der Schwerpunkt der Behandlung und Pflege meist auf

dem psychiatrischen Phänomen (vgl. Holnburger 1998, S. 16). Unter psychischer

Krankheit versteht man, wenn ein Mensch sich subjektiv krank fühlt und unter

seinem Verhalten leidet, wenn er psychisch gestörte Funktionen oder

Verhaltensauffälligkeiten zeigt oder wenn er Symptome aufweist, die eindeutig

als psychiatrische Erkrankung klassifiziert werden (vgl.

Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 93-94). Psychiatrische

Erkrankungen sind in den allermeisten Fällen chronische Erkrankungen.

Merkmale chronischer Erkrankungen sind die Krankheitsdauer, die

Krisenhaftigkeit und die sehr reduzierten Heilungschancen (vgl. Schulz 2005, S.

261).

Der Verlauf einer psychischen Krankheit zeigt sich sehr variabel, wobei er aber

nicht prognostizierbar ist. Der Krankheitsverlauf beschreibt meist Phasen und

Schübe, während und nach einer Therapie kann es immer wieder zu Rezidiven

und zur Exazerbation kommen. Patienten begeben sich meistens mehrmals in

psychiatrische Behandlung, oft ohne Aussicht auf Verbesserung, was sich

frustrierend für Patienten als auch für Pflegende (wegen des mangelnden

Behandlungserfolges) auswirken kann.

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Die meisten Krankheiten gelten heute als therapeutisch gut beeinflussbar, wobei

Rückfälle und Rezidive meist zum Krankheitsgeschehen gehören (vgl.

Sauter/Abderhalden/Needham/Wolff 2006, S. 96).

5.8.3 Zusammenfassung

Die psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege umfasst die Betreuung und

Pflege von Menschen mit psychischen Störungen und neurologischen

Erkrankungen aller Alters- und Entwicklungsstufen sowie die Förderung der

psychischen Gesundheit.

Die Pflege in der Psychiatrie unterstützt den Patienten bei der Bewältigung und

Gestaltung des Alltags, der Entwicklung einer Tagesstruktur, beim Training

sozialer Kompetenzen und im Bereich Wohnen und Zusammenleben.

Die psychiatrische Pflege sieht den Patienten nicht nur mit seiner Erkrankung,

sondern auch mit seinen Fähigkeiten und seinen Ressourcen und versucht ein

ganzheitliches Bild vom Patienten zu bekommen.

Eine weitere Besonderheit der psychiatrischen Pflege ist die Ambivalenz, die sich

daraus ergibt, dass die Pflege auf der einen Seite, wenn es zum Beispiel um

Zwangsmaßnahmen geht, als Kontrolleur und Aufpasser auftreten muss und auf

der anderen Seite eine empathische Beziehung zum Patienten herstellen soll,

wenn es darum geht, den Patienten in seinen persönlichen Anliegen zu

unterstützen.

Da psychische Krankheiten meist einen längeren Krankenhausaufenthalt zur

Folge haben, ist die Beziehungsgestaltung zum Patienten eine wichtige und

wesentliche Aufgabe der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege.

Besonders für Schüler sind der Aufbau einer Beziehung und die Entwicklung von

Nähe und Distanz eine Herausforderung, weil dieser Aspekt in der Theorie nicht

wirklich vermittelt werden kann.

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Gleichfalls schwierig gestaltet sich die Pflegeplanung, sie stellt an die Pflegenden

eine besondere Herausforderung, denn eine Maßnahme zur Bewältigung eines

Angstzustandes ist allenfalls schwerer zu explorieren und zu beschreiben als der

Verlauf einer Wunde.

Auch das Zusammenleben und die Milieugestaltung auf der Station sind ein

wichtiger Bestandteil in der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege,

denn eine gelebte Normalität hilft den Patienten, den Alltag wieder leichter und

selbstständiger zu bewältigen.

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6 Die Ausbildung in der psychiatrischen

Gesundheits- und Krankenpflege

Die Ausbildung in der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege dauert in

Österreich drei Jahre, umfasst mindestens 4600 Stunden in Theorie und Praxis

und dient der Vermittlung der zur Ausübung des Berufes erforderlichen

theoretischen und praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten (vgl.

Bundesgesetzblatt 1999, S. 861).

Die theoretische Ausbildung umfasst in der psychiatrischen Gesundheits- und

Krankenpflege mindestens 2000 Stunden und die praktische Ausbildung umfasst

insgesamt mindestens 2480 Stunden (vgl. Bundesgesetzblatt 1999, S. 867).

Personen, die sich um eine Aufnahme in eine Schule für psychiatrische

Gesundheits- und Krankenpflege bewerben, müssen zu den bestimmten

physischen und psychischen Voraussetzungen ein Lebensalter von mindestens 18

Jahren nachweisen und sie müssen zusätzlich eine Aufnahmeprüfung absolvieren

(vgl. Bundesgesetzblatt 1997, S. 1305). Die Festsetzung eines Mindestalters von

18 Jahren als zusätzliche Aufnahmevoraussetzung ist auf die erhöhte psychische

Belastung, der bereits Schüler im Rahmen der praktischen Ausbildung ausgesetzt

sind, zurückzuführen (vgl. Faßbinder/Lust 1997, S. 138).

Die Ausbildung in der Krankenpflege folgt dem Prinzip einer dualen Ausbildung.

Die Schule als Lernort gehört dem Bildungswesen an, die Praxis als Arbeitsort

gehört zum Beschäftigungssystem. Die Pflegeausbildung nimmt hier einen

besonderen Status ein, denn der Träger der Ausbildung ist in der Regel

gleichzeitig der Beschäftigungsträger. Obwohl dem Beschäftigungsträger sowohl

die theoretische als auch die praktische Ausbildung obliegt und man dabei die

Annahme ableiten könnte, dass sich dadurch die Inhalte besser vernetzen lassen,

wird empirisch nicht bestätigt. Im Gegenteil, die Vernetzung der theoretischen mit

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der praktischen Ausbildung gilt sehr oft als problematisch (vgl. Brinker-

Meyendriesch 2001, S. 167).

Durch die räumliche und oft institutionelle Trennung der beiden Lernorte kann die

schulische und die betriebliche Ausbildung weder zeitlich noch inhaltlich

aufeinander angepasst werden. Es gibt kaum eine didaktische Vermittlung

zwischen den beiden Lernorten (vgl. Bischoff 1993, S. 8). Görres/Roes (2002)

sind der Ansicht, dass die Trennung der Lernorte Schule und Praxis seit jeher das

Problem der inhaltlichen, strukturellen, didaktischen und organisatorischen

Zusammenarbeit haben. Da die Schüler zumeist einen theoretischen Block

absolvieren und anschließend ins Praktikum gehen, kann auf Grund der

zeitverschobenen Vermittlung von theoretischem und praktischem Wissen der

systematische Zusammenhang nicht ausreichend reflektiert werden. Wichtige

Synergieeffekte und Ressourcen können so nicht in dem Maße genutzt werden,

wie es erforderlich wäre. (vgl. Görres 2002, S. 18).

Die Schüler werden im Rahmen ihrer Ausbildung in verschiedenen Bereichen

eingesetzt, damit sie ein Repertoire an Ausführungs- und Lösungsmöglichkeiten

kennenlernen. Um die Motivation zu fördern und zugleich selbstständiges Lernen

zu begünstigen, wird ihnen die Möglichkeit zum Experimentieren, zum Erproben

von Neuem und zum Entdecken geboten (vgl. Sieger 2001, S. 96-97).

Ziel der Ausbildung ist es, die Kreativität der Schüler zu fördern, damit sie ihr

Potenzial entfalten können. Außerdem sollten die Auszubildenden die Befähigung

zum Handeln in den beruflichen Kontexten der Pflege erlangen (vgl. Sieger 2001,

S. 89), und sie sollten in ihrer Entwicklung soweit gefördert werden, dass sie den

Pflegeberuf sowohl kompetent als auch befriedigend ausüben können (vgl.

Sieger/Brinker-Meyendriesch 2004, S. 22).

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6.1 Die theoretische Ausbildung

In der theoretischen Ausbildung muss die Schule auf die Komplexität der

heutigen Pflege reagieren, denn mit Einführung des Gesundheits- und

Krankenpflegegesetzes sind viele Neuerungen beschlossen worden. Bezogen sich

die theoretischen Inhalte in der Vergangenheit auf Krankheiten, biologische

Systeme, medizinische Kategorien und praktische Techniken, so kann diese Art

von Theorie nicht mehr als die wissenschaftliche Grundlage der Pflege aufgefasst

werden (vgl. King 1995, S. 69).

Der heutige Aufgabenbereich der Ausbildungsstätte umfasst unter anderem die

Entwicklung verschiedener Kompetenzen für das zukünftige Berufs- und

Arbeitsleben sowie die Entwicklung der Persönlichkeit und der Kommunikation.

Weiters sollen Einsichten in gesellschaftliche, berufspolitische, wirtschaftliche

und rechtliche Zusammenhänge erworben werden. In der Schule werden

außerdem die Freiräume geschaffen, um vorhandene Fragen aus praktischen

Erfahrungen zu reflektieren (vgl. Brinker-Meyendriesch 2001, S. 174).

Der Schule obliegt weiters die Aufgabe, den zukünftigen Pflegefachkräften die

theoretischen Grundlagen für die praktische Arbeit auf den Stationen des

Krankenhauses zu vermitteln (vgl. Römer 1999, S. 290). Die theoretischen

Lehrinhalte sollten Lex ante wissenschaftlich ausgerichtet sein, sie sollen weiters

zur Sicherung der Pflegequalität und zur Unterstützung der Weiterentwicklung

der Pflegepraxis beitragen (vgl. Bundesgesetzblatt 1999, S. 862).

Die Schule vermittelt theoretisches Wissen, ideale Pflegemethoden und macht den

Auszubildenden mit verschiedenen Theorien und Modellen vertraut. Des

Weiteren sind Pflegeprozess und Pflegeforschung Schlagworte, welche die

theoretischen Inhalte der heutigen Ausbildung dominieren. Darüber hinaus

vermittelt die Ausbildungsstätte universelles Wissen, denn Wissen, welches die

Krankenpflegeschule vermittelt, muss weit über die Ansprüche der derzeitigen

Praxis hinausreichen. Die theoretische Ausbildung darf sich nicht nur auf ein

Krankenhaus oder möglicherweise nur auf eine Station beschränken, sondern auf

verschiedene Krankenhäuser und Stationen, es muss grenzüberschreitend und

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Page 76: ÖGKV: ÖGKV - Österreichischer Gesundheits- und ...Theorie und Praxis und ich möchte nach Möglichkeiten suchen, die Spannungen des Theorie und Praxis Verhältnisses zu reduzieren

universell einsetzbar sein. In der Schule muss also systematisches-,

übergeordnetes- und Hintergrundwissen, also Wissen mit einem hohen

Allgemeinheitsgrad, vermittelt werden. Allgemeines Wissen deckt sich aber nicht

immer mit Konkretem auf der Station. Allgemeines Wissen ist nicht unmittelbar

anzuwenden, sondern es dient dazu, um als diplomierter Gesundheits- und

Krankenpfleger in diversen Gesundheitseinrichtungen, anderen Krankenhäusern

und verschiedenen anderen Stationen tätig zu werden. Die Schule vermittelt also

die notwendige Flexibilität, die wiederum Mobilität ermöglicht (vgl. Bischoff

1993, S. 14).

Aber in der Schule wird nicht nur graue Theorie gelehrt, sondern es wird auch

praktisch geübt. Die Schüler können unter sich in einem eigens für

Unterrichtszwecke eingerichteten Krankenzimmer die Grund- und

Behandlungspflege praktisch trainieren. Auch das Erstellen von Pflegeanamnese,

Pflegediagnosen, der Pflegeplanung sowie das Planen der Maßnahmen werden

anhand von vorgegebenen Assessmentdaten trainiert, dabei kommt der

Gesprächsführung eine immer wichtigere Funktion zu. Gesprächsführung ist ein

zentrales Element in der psychiatrischen Krankenpflege und kann im Rahmen

eines „Trockentrainings“ (Gespräch ohne Patienten) mit anderen Kollegen

trainiert werden. In Rollenspielen ist es möglich, die Technik einer

Gesprächsführung unter Anleitung und Reflexion einer Lehrkraft zu üben. Die

praktischen Übungen mit Kollegen bleiben trotz der unbestrittenen Effektivität

aber nur „Theorie“, denn der krasse Unterschied zur Praxis wird dann schnell

deutlich, wenn der Patient kontroversiell reagiert oder wenn die Muster der

Übertragung und Gegenübertragung ins Gespräch einfließen. Außerdem bleibt ein

Fehler des Schülers ohne Folgen, was bei einem Gespräch in einer kritischen

Situation in der Praxis massive Probleme zur Folge haben könnte. Damit ist die

Grenze der theoretischen Ausbildung an der Schule gezogen. Der Schüler

erarbeitet sich in der Schule die theoretische Basis der Pflege, trainiert die

Pflegemaßnahmen unter optimalen Bedingungen, die so in der Praxis aber nie

vorzufinden sind. Trotzdem ist es wichtig und wertvoll und kaum zu bezweifeln,

dass ein Schüler, bevor er mit der Praxis beginnt, ein theoretisches Rüstzeug

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vermittelt bekommt und Maßnahmen eingeübt haben muss (vgl. Römer 1999, S.

290).

Eine weitere Methode des Lernens in der theoretischen Ausbildung ist das Modell

des angeleiteten Praktikums. Beim angeleiteten Praktikum übernimmt der Schüler

abhängig vom Ausbildungsgrad unter Anleitung eines Lehrers selbstständig die

Pflegeplanung eines Patienten. Bei fachlichen Fragen oder Problemen besteht die

Möglichkeit, einen Praxisanleiter oder eine Pflegeperson zu Rate zu ziehen. Das

angeleitete Praktikum ist eine Möglichkeit, theoretisches Wissen in einem

praktischen Umfeld sehr realitätsnah, zu üben (vgl.

Wichern/Haubensack/Schwiering 2002, S. 246).

Der Unterricht wird zusätzlich durch Lehrausgänge, Exkursionen, Seminare und

Projektunterricht komplementiert, um den Schülern Einblicke in umfassende

Zusammenhänge auf gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Gebieten zu

geben (vgl. Bundesgesetzblatt 1999, S. 862).

Für die Vermittlung des theoretischen Wissens sind die Lehrer in den

Ausbildungsstätten zuständig, sie sind nämlich die Experten für Lehrprozesse

(Darmann-Finck 2006, S. 194). Die Lehrinhalte werden von den pädagogisch

ausgebildeten Lehrkräften didaktische aufbereitet, um so das Problembewusstsein

durch die theoretischen Zusammenhänge aufzubauen (vgl. Frauenlob 2002, S.

48). Da in der theoretischen Ausbildung nicht nur pflegerelevante, sondern auch

medizinische, psychologische, rechtliche und andere Fächer unterrichtet werden,

sind Vertreter anderer Berufsgruppen ebenfalls an der Ausbildung beteiligt (vgl.

Bundesgesetzblatt 1999, S. 863).

Auf Grund der räumlichen, oft institutionellen Trennung der beiden Lernorte

Schule und Praxis wird der theoretische Unterricht meistens komprimiert

abgehalten. Ein Theorieblock dauert dann in der Regel zwei Monate und

anschließend kommt der Schüler für mindestens 160 Stunden in die Praxis.

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6.2 Die praktische Ausbildung

Die praktische Ausbildung ist in Österreich in Form von Praktika auf

verschiedenen Stationen durchzuführen. Ein Praktikum hat mindestens 160

Stunden an einer Ausbildungseinrichtung zu umfassen (vgl. Bundesgesetzblatt

1999, S. 867).

In der praktischen Ausbildung sind die theoretischen Lehrinhalte in die berufliche

Praxis umzusetzen, weiters wird der Rahmen geschaffen, Tätigkeiten des

eigenverantwortlichen, mitverantwortlichen und interdisziplinären

Tätigkeitsbereichs an Patienten zu erlernen (vgl. Faßbinder/Lust 1997, S 138),

wobei eine umfassende Anleitung, Unterstützung und Kontrolle der Schüler

gewährleistet sein muss (vgl. Bundesgesetzblatt 1999, S. 867). Die praktische

Ausbildung ist daher nur unter Anleitung und Aufsicht von Lehr- und Fachkräften

durchzuführen. Im Rahmen der Ausbildung dürfen die Schüler nur zu Tätigkeiten

herangezogen werden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Ausbildung

stehen (vgl. Bundesgesetzblatt 1999, S. 868).

Die praktische Ausbildung dient einerseits der Entwicklung und Erlangung von

beruflicher Handlungskompetenz, Auszubildende sollen befähigt werden, die

komplexen Anforderungen des Stationsalltags erfolgreich zu bewältigen, und

andererseits dient die Ausbildung zur Heranbildung einer beruflichen Identität.

Mit dem beruflichen Alltag wird der Schüler in seiner Entwicklung und

Persönlichkeit beeinflusst (vgl. Schrems/Schneider 2006, S. 12). Der Schüler lernt

durch die Beobachtung und Interaktion mit erfahrenen Kollegen und erwirbt

durch die Einbindung in die Expertenkultur ein implizites Wissen (vgl. Darmann

2004, S. 202).

Elementarer Bestandteil der praktischen Ausbildung ist das Lernen der Handlung,

das Tun. Die Lernprozesse umfassen die konkrete Arbeit und das wiederholte

Ausführen von Tätigkeiten. Diese Form des Lernens hat aus pädagogischer Sicht

ein besonders starkes, die Persönlichkeit veränderndes Potenzial. Dies wird

augenfällig durch das erforderliche Training der Feinmotorik respektive der

Aufgabenerfüllung notwendiger Wahrnehmungs- und Koordinationsleistungen.

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Anhand des Berufes wird das eigene Selbstwertgefühl zu einem erheblichen Maße

generiert, es kommt zur Außen- und Innenstabilisierung der Person (vgl.

Breitenstein 2002, S. 38-39).

Praktisches Lernen auf der Station heißt „Routine“ und Sicherheit gewinnen, ein

praktisches Gefühl für die verschiedenen Patienten entwickeln und auf die

unterschiedlichen Krankheiten reagieren können. Lernen auf der Station heißt

weiter, dass der Schüler lernt, die in der Schule erlernten Theorien, in einem

echten Pflegeprozess umzusetzen, indem er in individuellen Pflegesituationen

dem Patienten begegnet. Des Weiteren erkennt er die realen Arbeitssituationen

des Stationsalltages, die durch Zeitmangel, Ressourcen- und Personalknappheit

bestimmt sind (vgl. Römer 1999, S. 290).

Auf der Station erfährt der Schüler eine Hierarchie, die bei der Stationsleitung

beginnt und absteigend über die Pflegekräfte und Abteilungshilfen bei ihm, dem

Schüler, endet. Er ist in den Stationsalltag eingebunden und das praktische Lernen

findet unter Anleitung auf der Station mit Patienten statt. Wegen der oft

mangelnden personellen Ressourcen werden Schüler nur oberflächlich ausgebildet

und meist nur als zusätzliche Arbeitskräfte eingesetzt. Das führt dazu, dass die

Zeit zur Reflexion fehlt, was eine Störung des Entwicklungsprozesses zur Folge

haben kann. Wenn für die Ausbildung kein ausgebildeter Praxisanleiter zur

Verfügung steht, dann ist die Zuständigkeit meist unklar definiert und keiner fühlt

sich für die Schüler und deren Ausbildung verantwortlich (vgl. Dielmann 1993, S.

16). Schüler wissen oft nicht, wer für sie zuständig ist, sie haben keinen direkten

Ansprechpartner, sie trauen sich oft nicht, jemanden zu fragen, sie haben Angst,

etwas falsch zu machen, Überforderung oder Unterforderung können die Folge

sein. Wenn für die Ausbildung eine durchgehende Schüleranleitung auf Grund der

stationären Gegebenheiten nicht gewährleistet ist, respektive wenn die

Teammitglieder die Abwesenheit des Praxisanleiters mittragen müssen, dann sind

Konflikte nicht auszuschließen (vgl. Beermann 2002, S. 234).

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Schüler finden oft auch schwierige Lernbedingungen vor, weil Praktiker nicht

motiviert sind, weil auf der Station meistens hoher Arbeitsdruck vorherrscht, weil

die strukturellen Voraussetzungen fehlen und weil die Pflegepersonen vor Ort

nicht ausreichend pädagogisch geschult sind. Es gibt Diskrepanzen zwischen dem

Pflegeverständnis im Team auf der Station und den theoretischen Inhalten des

Lernenden. In der Praxis ist der Schüler aber Teil des Teams und er wird sich

daher unterordnen, wenn seine neuen, theoretischen Lerninhalte nicht

angenommen werden, denn man ist Schüler und man ist neu auf der Station, man

möchte nicht auffallen oder gar querschießen. Mit neuem Wissen aus der Schule

oder gar mit Verbesserungsvorschlägen hält man sich besser zurück, denn die

Leute arbeiten schon lange hier auf der Station und wissen was sie tun, nur keine

Konflikte heraufbeschwören, denn sonst steht man schnell außerhalb des Teams.

Ja, bei einigen Teammitgliedern ist der Wille und das Verständnis da, offen für

Neues zu sein, sich weiterentwickeln zu wollen, Anregungen aufzunehmen, aber

neues Tun bedeutet, Gewohnheiten aufzugeben, schafft Unsicherheit, Unbehagen

und könnte mit Arbeit enden, und Arbeit gibt es schon mehr als genug, also wer

will schon wirklich seine Gewohnheiten ändern und sich auf Neues und

Unbekannte einlassen (vgl. Fobbe 2001, S. 758-760).

Der Schüler weiß, dass die Pflegeplanung auch anders geht, als es hier in der

Praxis gemacht wird. Er erhebt den Anspruch für seine weitere Ausbildung und

zukünftige Arbeit, das ideal Erlernte in die pflegerische Praxis umzusetzen. Des

Weiteren kennt er die Forderung seiner Lehrer, nämlich den Pflegeidealen in

Theorie und Praxis gerecht zu werden (vgl. Römer 1999, S. 291). Doch in der

Praxis wird noch meist tradiert und mit Routine gepflegt, neueres Pflegewissen

wird von den erfahrenen Pflegepersonen skeptisch betrachtet und als unpraktisch

abgelehnt (vgl. Bischoff 1993, S. 13-14). Eine bittere Erfahrung, die Lernende auf

der Station leider immer wieder machen, nämlich, dass sie ihr Wissen, das

hochaktuell und oft evidenzbasiert ist, in der Praxis nicht anwenden können.

Diese Ambivalenz, sich einerseits an die Vorgaben der Praxis zu halten, um eine

positive Beurteilung zu bekommen, und auf der anderen Seite die Vorgaben der

Lehrer und die eigenen zu vernachlässigen, erzeugt Druck auf die Schüler (vgl.

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Page 81: ÖGKV: ÖGKV - Österreichischer Gesundheits- und ...Theorie und Praxis und ich möchte nach Möglichkeiten suchen, die Spannungen des Theorie und Praxis Verhältnisses zu reduzieren

Bischoff 1993, S. 13-14), und dagegen nützt die beste theoretische Ausbildung

nicht, wenn es nicht die Möglichkeit gibt, das neue Wissen auch anzuwenden

(vgl. Obex 2006, S. 21).

Die erfahrenen Kollegen wissen, dass sie den Schülern überlegen sind, doch sie

sind nicht immer dazu bereit, von dieser Überlegenheit Abstriche zu machen und

auf die Argumente des Schülers einzugehen (vgl. Römer 1999, S. 291).

„In der Schule lernt ihr das so, wir machen es aber hier auf der Station so!“

Im günstigsten Fall lassen dem Schüler die Kollegen eine gewisse Freiheit

und er kann den Pflegeprozess so gestalten, wie er es in der Schule gelernt

hat (Römer 1999, S.291).

Manche Pflegepersonen reagieren aber auch gereizt auf die Vorschläge des

Schülers, weil sie sich herabgesetzt und kritisiert fühlen. Die Gründe sind oft

einfach. Den älteren Pflegepersonen fehlt vielfach das Hintergrundwissen für die

Theorie, sie haben in ihrer Ausbildung manches nicht gelernt, weil es nicht

Bestandteil ihrer Ausbildung war. Aus- und Fortbildungsangebote werden oft

abgelehnt, weil sie als zusätzliche Belastung erlebt werden (vgl. Römer 1999, S.

292). Ein kritischer Diskurs mit den Kollegen unterbleibt in den meisten Fällen,

weil diese sich und ihre Arbeit nicht in Frage stellen wollen (vgl. Römer 1999, S.

291).

Wenn Pflegepersonen keine Motivation aufbringen, um neues, theoretisches

Wissen auch nur ansatzweise zu akzeptieren, und wenn Schüler das Gefühl haben,

ein Störfaktor zu sein, dann kann diese Diskrepanz zwischen dem theoretischen

Anspruch der Schule und der praktischen Arbeit auf der Station für Schüler sehr

frustrierend sein (vgl Hindermann/Kratzsch/ Krol/Schön 2002, S. 215).

Arbeiten Krankenpflegeschüler das erste Mal auf einer Station, erleben sie

(möglicherweise) den sogenannten Praxisschock. Der besteht nicht nur darin, dass

es schwerkranke Menschen gibt, sondern auch darin, dass die praktische Arbeit

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auf der Station von der Pflegetheorie und den praktischen Übungen in der Schule

abweicht oder diesen sogar widerspricht (vgl. Römer 1999, S. 291).

Um den von zahlreichen Schülergenerationen beklagten „Praxisschock“ zu

mindern und langfristig die Ausbildungsqualität zu verbessern, ist es eine

sinnvolle Maßnahme, einen Praxisanleiter zu integrieren, der die Schüler während

der Ausbildung begleitet (vgl. Beermann 2002, S. 229).

Die betriebliche Berufsausbildung ist eine geplante Anleitung, die

berufspädagogisch fundiert ist und zur Reflexion der eigenen Person sowie der

Berufspraxis anregen soll (vgl. Sieger/Brinker-Meyendriesch 2004, S. 112).

Praxisanleitung trägt weiters dazu bei, dass theoretisches Fachwissen zur

praktischen Anwendung gelangt, das führt zu einer vertieften Auseinandersetzung

und Aktualisierung des Wissens von Schülern (vgl. Scheffel 2002, S. 289).

6.3 Zusammenfassung

Die Ausbildung zum psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpfleger dauert in

Österreich drei Jahre und umfasst in der theoretischen Ausbildung mindestens

2000 Stunden und in der praktischen Ausbildung mindestens 2480 Stunden.

Personen müssen, wenn sie sich um eine Aufnahme in eine Schule für

psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege bewerben, ein Lebensalter von

mindestens 18 Jahren nachweisen.

Die Ausbildung folgt einem dualen Prinzip, indem die Schule als Lernort dem

Bildungswesen und die Praxis als Arbeitsort dem Beschäftigungssystem angehört.

Wegen der räumlichen und oft institutionellen Trennung der beiden Lernorte kann

der Transfer von theoretischem Wissen in die Praxis als problematisch betrachtet

werden. Da beide Lernorte aber für die Qualität der Ausbildung unabdingbar sind,

ist eine Kooperation zwischen Lehrer in der Schule und Anleiter in der Praxis

Bedingung.

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Die Ausbildung sollte die Kreativität der Schüler vorantreiben, diese sollten in

ihrer Entwicklung so weit gefördert werden, dass sie den Pflegeberuf kompetent

ausüben können. Der Schwerpunkt der theoretischen Ausbildung liegt in der

Entwicklung der Persönlichkeit, verschiedener Kompetenzen und der

Kommunikation, des Weiteren sollen Einsichten in gesellschaftliche, berufliche,

wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhänge erworben werden.

In der Ausbildungsstätte werden wissenschaftlich ausgerichtete, theoretische

Grundlagen für die praktische Arbeit auf der Station vermittelt und sie machen

den Auszubildenden mit verschiedenen Pflegetheorien und -modellen vertraut.

In der Schule wird übergeordnetes Wissen vermittelt, das über die Ansprüche der

derzeitigen Praxis hinausreicht, denn die Ausbildung beschränkt sich nicht nur auf

eine Station oder ein Krankenhaus, sondern das Wissen ist universell einsetzbar.

In der Schule wird nicht nur Theorie vorgetragen, sondern die Schüler können

unter sich in einem eigens eingerichteten Krankenzimmer die unterschiedlichsten

pflegerischen Maßnahmen unter optimalen Bedingungen praktisch üben. Eine

weitere Methode des Lernens ist das angeleitete Praktikum. Bei dieser Methode

hat der Schüler die Möglichkeit, in Begleitung eines Lehrers im praktischen

Umfeld zu üben.

Für die Vermittlung der theoretischen Lehrinhalte der Pflege sind eigens dafür

ausgebildete Lehrkräfte zuständig. Für die Vermittlung nicht pflegerelevanter

Fächer werden die Schüler von Vertretern diverser anderer Berufsgruppen

unterrichtet.

Der Unterricht wird auf Grund der Trennung der Lernorte meist in

Theorieblöcken abgehalten. Die dadurch zeitverschobene Vermittlung von

theoretischem und praktischem Wissen behindert wichtige Synergieeffekte und

Ressourcen.

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Die praktische Ausbildung wird in Form von Praktika auf verschiedenen

Stationen durchgeführt. Sie dient der Entwicklung und Erlangung von beruflicher

Handlungskompetenz und sie soll die Schüler befähigen, die Anforderungen des

Stationsalltags zu bewältigen. Praktische Ausbildung hat ein die

Persönlichkeit veränderndes Potenzial und führt zur inneren und äußeren

Stabilisierung der Person. In der Praxis lernt der Schüler, das in der Theorie

erworbene Wissen in individuellen realen Pflegesituationen umzusetzen. Der

Schüler ist dabei in das Stationsgeschehen aktiv eingebunden und wird von

speziell für die Praxis ausgebildeten Pflegepersonen oder von in der Praxis tätigen

diplomierten Pflegekräften angeleitet.

Die Lernbedingungen gestalten sich für die Schüler manchmal sehr schwierig. Sie

können ihr Wissen in der Praxis nicht umsetzen, weil auf Grund mangelnder

struktureller und personeller Ressourcen die Voraussetzungen dafür fehlen. Oft

werden sie nur als zusätzliche Arbeitskräfte eingesetzt und oberflächlich

ausgebildet, was zur Überforderung der Schüler führen kann. Und Praktiker sind

oft nicht bereit und auch nicht motiviert, neue theoretische Lerninhalte oder

Verbesserungsvorschläge des Schülers anzunehmen, manche Pflegepersonen

reagieren sogar gereizt auf Vorschläge des Schülers. Diese Diskrepanz kann sich

frustrierend für die Schüler auswirken.

6.4 Das Theorie-Praxis-Verhältnis in der Ausbildung

Das Ausbildungswesen in der Krankenpflege folgt einem dualen Prinzip. In der

Schule wird theoretisches Wissen vermittelt und in der Praxis wird praktisches

Wissen vermittelt. In der Schule wird gelernt und in der Praxis wird gearbeitet,

das heißt, der Schüler erwirbt durch das Tun ein implizites Wissen.

Die theoretische Ausbildung vermittelt Regeln für pflegepraktisches Handeln und

repräsentiert Lösungen für pflegerische und gesundheitsbezogene Problemlagen.

In der Schule wird neben Theorie und Modellen auch universelles Wissen

vermittelt, das über den Bereich der Station und des jeweiligen Krankenhaus

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hinausreicht. In der Schule wird theoretisches Wissen vermittelt und gelernt, der

Lernstoff wird didaktisch aufbereitet und an die Schüler unter dem Einsatz

verschiedener Methoden weitergegeben, zum Beispiel wird mit Mitschülern in

Rollen- und Planspielen das Erlernte praktisch geübt. In der Ausbildungsstätte ist

der Rahmen vorhanden, das Erlernte im Kontext der Klasse und mit einem Lehrer

zu reflektieren. Die Schüler finden in der Schule optimale Lernbedingungen vor.

Betreut und unterrichtet werden die Lernenden von pädagogisch ausgebildeten

Lehrkräften.

In der praktischen Ausbildung sollen die Auszubildenden befähigt werden, die

komplexen Anforderungen des Stationsalltags erfolgreich zu bewältigen. Lernen

auf der Station heißt, dass der Schüler lernt, die in der Schule erlernten Theorien

in der Praxis umzusetzen.

In der Praxis findet die Ausbildung auf der Station statt und die Schüler sind in

den täglichen Stationsablauf eingebunden.

Wegen der oft mangelnden personellen und strukturellen Ressourcen werden

Schüler meistens als zusätzliche Arbeitskräfte eingesetzt, dadurch ist kein Raum

vorhanden, das Erlernte zu reflektieren, und es fehlen die zeitlichen Ressourcen,

das theoretische Wissen auf konkrete Pflegehandlungen zu übersetzen.

Das in der Theorie erworbene Wissen lässt sich in der Praxis zumeist nicht

anwenden, weil Praktiker nicht bereit und nicht motiviert sind, sich mit

theoretischem Wissen auseinanderzusetzen. Die Lernbedingungen sind für die

Schüler in der Praxis aus den oben genannten Gründen nicht ideal, was zu Frust

unter den Schülern führen kann.

In kaum einem anderen Berufsfeld fallen die berufspraktische und theoretische

Ausbildung so weit auseinander wie in den Berufen der Pflege. Das hat mit der

Trennung der Lernorte Schule und Praxis zu tun. Seit jeher gibt es das Problem

der Zusammenarbeit, denn Handlungen von Schule und Praxis sind inhaltlich,

strukturell und organisatorisch unterschiedlich gelagert. Es handelt sich um zwei

verschiedene Welten. Durch diese Trennung der institutionellen, personellen,

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teilweise auch inhaltlichen Gegebenheiten und durch den zeitlichen Abstand

zwischen der Vermittlung von theoretischem Wissen und der Ausbildung in der

Praxis können wichtige Synergieeffekte in der Ausbildung nicht optimal genützt

werden.

Ob es um das Verhältnis zwischen Schule und Pflegepraxis oder zwischen

theoretischem und praktischem Unterricht geht, nirgends ist ein unbeschwertes

Verhältnis zu finden. Unterschiedliche Vorstellungen prallen aufeinander. Die

Schule vermittelt theoretisches Wissen und macht den Auszubildenden mit

verschiedenen Theorien und Modellen vertraut. Auf der Station erleben die

Auszubildenden dies oft ganz anders. Hier geht es um schnelles und routiniertes

Arbeiten, wobei Pflegetätigkeiten oft anders ausgeführt werden, als es den

Schülern in der Ausbildungsstätte vermittelt wurde.

Beide Lernorte sind aber für die Qualität der pflegerischen Ausbildung

unabdingbar, und eine optimale Vernetzung zwischen Theorie und Praxis kann

nur gewährleistet werden, wenn theoretische und praktische Anteile aufeinander

bezogen sind, die Kooperation zwischen Lehrer in der Schule und Anleiter in der

Praxis auf einer tragfähigen Basis steht und wenn mögliche persönliche und

institutionelle Schranken abgebaut werden (vgl. Sieger/Brinker-Meyendriesch

2004, S. 118).

Das Gemeinsame der beiden Lernorte ist faktisch darin zu sehen, dass diese als

zwei unterschiedliche Formen der Erkenntnisgewinnung betrachtet werden

können. Beide Lernorte tragen aber dazu bei, das berufliche Wissen der

Auszubildenden zu fördern. Die Schule trägt zum Beispiel dazu bei, das

theoretische Wissen mit Konstruktion und Abstraktion zu ermöglichen und das

Krankenhaus stellt den Schülern die Erfahrungswelt zur Verfügung.

Die Zukunft liegt darin, Konzepte zu entwickeln, die bei gleichzeitiger

Aufrechterhaltung der lernortspezifischen Funktionen auf die Integration von

schulischer und betrieblicher Ausbildung setzen. Es ist wichtig, die

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Eigenständigkeit und Originalität der beiden Lernorte beizubehalten, aber es sollte

gleichzeitig eine gemeinsame Ausbildungsstrategie erarbeitet werden.

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7 Das Theorie-Praxis-Verhältnis aus der

Perspektive der Auszubildenden

Schüler der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege werden zu ihrer

theoretischen und praktischen Ausbildung befragt. Sie sollen ihre Meinung und

ihre Einstellung zum Theorie-Praxis-Verhältnis in Form eines Interviews

weitergeben.

Im empirischen Teil meiner Arbeit wollte ich das Verhältnis zwischen Theorie

und Praxis von innen heraus, aus subjektiver Sicht der Schüler, erfahren und

verstehen. Vordergründig interessierten mich die Gefühle, Einstellungen und die

Meinungen der Schüler zu ihrer Ausbildung. Ich wählte die qualitative Forschung,

weil dadurch die soziale Wirklichkeit nach bestimmten Regeln abgebildet wird

(vgl. Atteslander 2003, S. 7).

7.1 Methode der Datenerhebung

Zur Erhebung der Daten verwendete ich das Interview. Der Grundgedanke des

qualitativen Interviews besteht darin, dass die Betroffenen selbst zur Sprache

kommen und ihre eigene, subjektive Deutung im Mittelpunkt steht. Durch gezielte

Fragestellungen will man tiefere Einblicke in gewisse Situationen gewinnen (vgl.

Mayer 2002, S. 126).

Da ich gewisse Themenschwerpunkte favorisierte, entschied ich mich für das halb

standardisierte Interview. Dazu entwarf ich während des Literaturstudiums einen

Leitfaden, der dazu diente, gezielt und konkret, aber doch auch flexibel, meine

Themenschwerpunkte anzusprechen. Der Interviewleitfaden wurde im Laufe der

Interviews mehrmals modifiziert.

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7.2 Vorgangsweise der Datenerhebung

Die Interviewpartner für diese Arbeit wurden über eine Ausbildungseinrichtung

für psychiatrische Gesundheits- und Krankenpflege rekrutiert. Damit das Projekt

starten konnte, bedurfte es zuerst der Einwilligung der Direktorin der Schule. Die

Direktorin fühlte sich von dem Vorhaben angesprochen und unterstützte es, indem

sie eine Liste mit den Namen und Telefonnummern der Schüler zur Verfügung

stellte. Sie zeigte außerdem die Intention, Informationen über die Ergebnisse

dieser Arbeit zu bekommen, weil es auch im Interesse der Schule lag, qualitative

Informationen aus der Sicht der Schüler über die Ausbildung zu generieren.

Die Auswahl der Probanden erfolgte durch eine gezielte Stichprobenauswahl. Die

Entscheidung fiel auf Schüler des dritten Jahrganges, weil diese zu ihrem ersten

Praktikum in der Psychiatrie, das üblicherweise erst im zweiten Ausbildungsjahr

erfolgt, schon den nötigen Abstand gewonnen hatten, um ihre Erfahrungen daraus

reflektiert replizieren zu können.

Die weitere Auswahl erfolgte nach Geschlecht, Alter und Ausbildungsstand.

Anschließend wurde telefonisch mit den zur engeren Auswahl stehenden

Probanden Kontakt aufgenommen. Sie wurden unter dem Aspekt der

Freiwilligkeit über den Sinn und Zweck der Arbeit aufgeklärt und über den

Nutzen, den sie aus dem Projekt lukrieren können, informiert. Weiters wurden sie

über die Methode der Datenerhebung sowie über den Ablauf der Interviews

aufgeklärt und es wurde ihnen absolute Anonymität zugesichert.

Da Gesprächsführung zum Repertoire eines jeden psychiatrischen Gesundheits-

und Krankenpflegers gehört und ein wesentlicher Teil der Ausbildung ist,

erfahren die Schüler einerseits, wie ein Gespräch in der Realität vonstattengeht,

und andererseits können sie in der Rolle als Interviewpartner die Position eines

Patienten wahrnehmen, und das impliziert einen therapeutischen Effekt. Denn wer

einmal die Position eines Befragten eingenommen hat, ist eher in der Lage, auf

einen Patienten empathisch einzugehen, wenn er in seiner Funktion als

Krankenpfleger ein Anamnese- oder ein therapeutisches Gespräch führen muss.

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Offensichtlich war es die Neugier und der Lerneffekt, der alle Kontaktierten

veranlasste, sich spontan bereit zu erklären, bei den Interviews mitzumachen.

Zum Abschluss des Telefongespräches ersuchte ich um einen Termin für einen

persönlichen Kontakt, um die Einzelheiten und das weiters Procedere abzuklären.

Die Gespräche fanden nach der Mittagspause oder nach Unterrichtsschluss mit

jedem Schüler einzeln statt. Das Gespräch diente zum persönlichen Kennenlernen,

um den Ablauf des Interviews darzulegen, über den Umgang mit den gewonnen

Daten aufzuklären, Zusicherung der Anonymität und die Zustimmung über die

Aufnahme mittels Tonbandgerät einzuholen.

Die Interviews wollte ich außerhalb des Schulbereiches durchführen, darum

wählte ich als Ort das psychiatrische Krankenhaus, in dem die Schüler ihre

praktische Ausbildung absolvieren. Dazu bedurfte es der Zustimmung der

Direktorin des Pflegedienstes. Diese erklärte sich bereit, mich zu unterstützen,

weil auch von ihrer Seite Interesse da war, die qualitativen Aspekte in der

Ausbildung der Schüler auf praktischer Ebene zu beleuchten. Diese Auffassung

deckte sich auch mit meinen Interessen, denn ich möchte mit meiner Arbeit einen

Beitrag zur Verbesserung des Theorie-Praxis-Verhältnisses leisten.

Mir wurde zur Durchführung der Interviews ein Raum im Krankenhaus zur

Verfügung gestellt, der nach fünfzehn Uhr nicht mehr frequentiert wurde und

daher ein störungsfreies Setting gewährleistete.

An den Interviews nahmen sieben Schüler, davon fünf weiblichen und zwei

männlichen Geschlechts (das Geschlechterverhältnis spiegelt in etwa die

geschlechtliche Zusammensetzung in der Klasse wider) im Alter zwischen

dreiundzwanzig und einundvierzig Jahren teil. Die Aufnahmedauer der Interviews

lag zwischen vierzig und sechzig Minuten.

Die Schüler beantworteten die Fragen sehr unterschiedlich, manche antworteten

kurz und prägnant, schweiften kaum ab, andere brachten eigene Erlebnisse,

Meinungen und Gefühle mit ein. Nach der Abschaltung des Aufnahmegerätes

fanden durchwegs Nachgespräche statt, weil manche Schüler Hemmungen vor

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dem Tonbandgerät hatten. Die Nachgespräche dauerten zwischen zehn und

zwanzig Minuten und wurden mit einem Gesprächsprotokoll festgehalten.

Um die Anonymität der Probanden zu gewährleisten, wurden die Namen der

Schüler und die Daten aus den Interviews separat gespeichert. Die

Tonbandaufzeichnungen wurden transkribiert und codiert, mit Nummern

versehen, um eine Nachvollziehbarkeit zu verhindern, anschließend wurde das

Material paraphrasiert, sodass Rückschlüsse auf dahinterstehende Menschen

unmöglich werden.

7.3 Methode der Datenauswertung

Zur Auswertung der erhobenen Daten wurde ein interpretativ-reduktives

Verfahren angewendet, dabei wurde nach den Schritten von Lamnek 1995

vorgegangen. Nach dem Paraphrasieren der inhaltstragenden Stellen im Text

wurden mittels der Analyse nach Fragen, nach der Beschreibung von Morse 1998,

sieben Hauptthemen gebildet und anschließend eine Ergebnisdarstellung

durchgeführt.

91

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8 Ergebnisdarstellung

In der Ergebnisdarstellung werden die analysierten Daten der Interviews in

systematischer und logischer Form dargestellt.

8.1 Erleben des ersten Praktikums

Lernende berichten über ihre Vorstellungen und Erfahrungen, die sie in ihrem

ersten Praktikum erlebt haben. Sie hatten auch wegen der eher negativen Meinung

der Gesellschaft die unterschiedlichsten bis keine Vorstellungen von der Praxis.

So konnten sich die meisten Schüler überhaupt kein Bild darüber machen, was sie

in ihrem ersten Praktikum erwartet. Manche äußerten sogar Angst vor dem ersten

Kontakt mit der Praxis, vor allem auch vor den Patienten.

„Ich habe es mir ziemlich schwierig vorgestellt, weil die Leute draußen viel

reden, es wird Narrenhaus geschimpft, ich habe anfangs Angst davor gehabt.“

(I1)

„Ich hatte keine Vorstellung, ich hatte Angst, da ich nicht wusste, wie ich mit

psychisch kranken Menschen umgehen soll.“ (I6)

„Ich habe mir nichts vorstellen können, habe mir auch keine Gedanken darüber

gemacht.“ (I7)

„Ich habe keine wirklichen Vorstellungen gehabt, ich habe vorher über gewisse

Krankheitsbilder im Internet nachgelesen, dass ich ein bisschen Ahnung habe.“

(I4)

Schüler werden bei ihrem ersten Praktikum ziemlich alleine gelassen, sie haben

wenig Unterstützung, wissen nicht, was sie tun sollen, haben zum Teil Angst und

sind zum Teil überfordert, weshalb sich der Start in die Praxis nicht optimal

gestaltet.

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„Schlimm war für mich am Anfang, was soll ich machen, habe mich nicht gleich

in den Stationsalltag eingefunden, bin mir verloren vorgekommen.“ (I4)

„Man weiß nicht, was man machen soll, ich habe dann beobachtet, wie die

anderen mit den Patienten umgehen.“ (I7)

„Ich hatte nur Angst, da ich nicht wusste, wie ich mit psychisch Kranken umgehen

soll. Hatte auch keine Unterstützung vom Pflegepersonal und wurde alleine

gelassen.“ (I6)

„Es war schwer und anfangs habe ich Angst davor gehabt, wie ich mit den

Patienten umgehen soll und ob ich es verkraften kann.“ (I1)

„Ich dachte, am Anfang arbeite ich mit jemandem mit und sie zeigen mir, was ich

machen soll und werde nicht gleiche alleine gelassen. Es gab keine Einführung,

auch keine Einschulung, das hätte ich mir nicht erwartet.“ (I5)

„…ungutes Gefühl, hast ja keinen Kontakt vorher mit den Patienten, du weißt

nicht, wie die Leute wirklich sind, vielleicht war auch manchmal Angst da, ob ich

überfordert werde.“ (I2)

8.1.1 Ergebnisdiskussion:

Schüler berichten, dass sie bei ihrem ersten Praktikum ziemlich alleine und

verloren dastehen. Da sie keine konkreten Vorstellungen über ihr Praktikum

haben und psychiatrische Krankenhäuser in der Gesellschaft noch immer einen

negativen Beigeschmack haben, bleibt für die Schüler nur die Interpretation

dessen, was möglicherweise sein könnte, und das erzeugt bei den meisten ein

ungutes Gefühl und Angst.

Außerdem tragen mangelnde Einschulung und fehlende Unterstützung vom

Pflegepersonal noch zusätzlich zur Unsicherheit der Schüler bei.

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Wenn in der praktischen Ausbildung die Zuständigkeit nicht klar definiert wird,

wenn sich keine Pflegeperson für die Schüler zuständig fühlt, dann kann eine

Überforderung der Schüler die Folge sein.

Beermann (2002) bestätigt mit seiner Ansicht, dass Schüler, speziell in der

Anfangsphase ihrer praktischen Ausbildung, Unterstützung brauchen. So sollen in

praktischen Situationen nicht alleine gelassen werden. Eine unzureichende

Anwesenheit des Pflegepersonals oder des Praxisanleiters wird in dieser Phase als

negativ erlebt (vgl. Beermann 2002, S. 231).

Die Ursachen, dass Schüler bei ihrem ersten Praktikum, bei ihrem Erstkontakt mit

psychisch kranken Menschen alleine gelassen und nicht richtig eingeschult und

begleitet werden, können unterschiedlich sein.

Einerseits ist es ein strukturelles und ein personelles Problem, weil die

Zuständigkeit für die Ausbildung nicht klar definiert wird und sich dadurch keine

Pflegeperson für die Schüler zuständig fühlt, wie im Kapitel 6.2 nachzulesen ist,

und weil möglicherweise zu wenig Praxisanleiter auf der Station zur Verfügung,

respektive den Schülern nicht kontinuierlich zur Seite stehen und weil das

Pflegepersonal keine ausreichende pädagogische Schulung hat, um die Lernenden

professionell anzuleiten.

Auf der anderen Seite könnte dies auch mit der Eigenheit der psychiatrischen

Gesundheits- und Krankenpflege im Zusammenhang stehen, denn das Besondere

in der psychiatrischen Pflege sind die Krankheitsbilder der Patienten, deren

schwierige Pflege und die Beziehungsgestaltung zum Patienten. Denn zum

Beispiel ist die pflegerische Handlung für die Versorgung einer Wunde leichter zu

erklären und auszuführen als die Aufgabe bei Angstzuständen. Solche

Besonderheiten der Psychiatrie sind eine Herausforderung für das Pflegepersonal

und machen die Anleitung für die Schüler sehr schwierig.

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Nichtsdestotrotz müssen die Schüler ausreichend informiert, eingeschult und

unterstützt werden, und das Pflegepersonal ist hier gefordert, die erforderlichen

Maßnahmen zu treffen, damit die Schüler nicht so alleine und verlassen dastehen.

Meyendriesch, Rustemeier-Haltwick, Schönlau (2001) konstatieren, dass Schüler

einen Anspruch darauf haben, sowohl auf ihr Berufsleben als auch auf die

Lernanforderungen des betrieblichen Lernortes vorbereitet zu werden. Die

Pflegedienstleitung trägt Kraft ihrer Position die Ausbildungsverantwortung und

hat für die entsprechende Strukturgebung im Betrieb als Lernort zu sorgen. Auf

der mittleren Organisationsebene sind die Bereichs- und Stationsleitungen dafür

verantwortlich, dass die Arbeitsabläufe geplant, organisiert und kontrolliert

werden (vgl. Meyendriesch/Rustemeier-Haltewick/Schönlau 2001, S. 176).

Da der erste Eindruck im Allgemeinen prägend für die weitere Ausbildung ist und

bleibende Spuren hinterlassen kann, sowohl im positiven als auch im negativen

Sinne, wäre es von Vorteil, wenn auf eine professionelle Einführung mehr Wert

gelegt würde.

8.2 Der Stellenwert der Schüler in der Praxis

Schüler erheben an ihre Ausbildung den Anspruch, etwas - lernen - zu - wollen,

gleichzeitig möchten sie nicht wie in der traditionellen Ausbildung als billige

Hilfskräfte im täglichen Stationsablauf eingebunden sein. Sie verlangen eine nach

modernen Maßstäben ausgerichtete, gut geplante und didaktisch aufbereitete,

praktische Anleitung, außerdem wünschen sie sich, ins Team integriert zu werden

und als gleichwertige Partner zu gelten. Auf keinen Fall wollen sie als Mitläufer

oder womöglich als Störfaktor angesehen werden.

„Als Schüler möchte man etwas lernen, …konkret habe ich es hin und wieder

erlebt, eine Hilfskraft zu sein.“ (I5)

„Ich habe außer Betten machen, auch andere, hochwertigere pflegerische

Tätigkeiten, wie Do-In, Gespräche führen, Medikamentengebahrung, usw.

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machen dürfen, das war ganz gut auf der Station, man hat etwas gelernt und war

akzeptiert und keine billige Hilfskraft.“ (I1)

„Mir ist eine gute Aufnahme im Team wichtig, dass man sich dann auch

wohlfühlt.“ (I7)

Grundsätzlich haben die Schüler, zumindest auf den meisten Stationen, einen

guten Stellenwert, sie erleben sich nicht als Störfaktor und sie werden in das Team

integriert. Dieses Eingebundensein gefällt ihnen sehr gut und dadurch wächst das

Selbstvertrauen.

„Wenn dich das Team unterstützt, wächst das Selbstvertrauen, wobei Kritik auch

wichtig ist.“ (I3)

„Auf den meisten Stationen hat man als Schüler einen guten Stellenwert.“ (I4)

„…man wird als Schüler ins Team eingebunden.“ (I2)

„...aber ich habe mich nicht als Störfaktor erlebt.“ (I5)

Es gibt aber noch immer Stationen, wo das Verhältnis zwischen Schüler und

Praxis nicht so gut funktioniert. Da werden Schüler vermehrt zum Putzen,

Bettenmachen, für Botendienste oder bei „allen Patienten“ RR messen …

eingesetzt, wo sie das Gefühl haben, nur da zu sein, damit sie die Tätigkeiten

machen, die vom Pflegepersonal nicht gerne gemacht werden.

„Dann gibt es andere Teams, wo das Gefühl entsteht, wir sind halt da, weil sie

uns nehmen müssen, und wir müssen die Arbeit tun, die sie selber nicht machen

möchten.“ (I3)

„Eigentlich solltest du etwas lernen, aber wir sind auf die Station gekommen und

haben putzen müssen und nur Bettenmachen, ich denke mir, das ist das

Allerschlechteste, was lernt man da, Bettenmachen lerne ich zu Hause auch.“ (I1)

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„Ich habe leider allzu oft erleben müssen, dass ich ausgenutzt wurde. Es war sehr

viel Arbeit auf der Station und man hat alles alleine machen müssen, es gab sogar

verbale Attacken vom Pflegepersonal, wenn zu langsam gearbeitet wurde oder

wenn man zu lange mit Patienten Gespräche führte. Das war alles sehr mühsam

und bitter und erzeugt Frust. Man möchte nicht der Schani für alles sein.“ (I6)

Wenn Schüler mit Aussagen konfrontiert werden wie: „Ihr seid Schüler, verhaltet

euch dementsprechend, macht’s das was man euch anschafft, mehr wollen wir

von euch nicht“, dann fühlen sich die Schüler nicht als gleichwertig, sondern eben

nur als Schüler.

„In der Rolle als Schüler fühlst du dich nicht als gleichwertig, sondern eben nur

als Schüler.“ (I3)

„Du musst tun, was dir die Pflegeperson anschafft, du bist ja nur eine Schülerin.

Sie setzen dich hinunter, weil du eine Schülerin bist.“ (I1)

8.2.1 Ergebnisdiskussion

Der Anspruch der Schüler nach einer guten Ausbildung und die Realität klaffen

offensichtlich noch auseinander.

Auf manchen Stationen sind die Schüler ins Team eingebunden, werden

unterstützt, haben einen guten Stellenwert, werden nicht nur als Hilfskräfte

eingesetzt, sondern bekommen die Möglichkeit, das Spektrum der Pflege in ihrer

Vielfältigkeit und Komplexität kennen zu lernen.

Es gibt aber auch Stationen, in denen eine Diskrepanz zwischen den Ansprüchen

der Schüler und dem Alltagsleben auf der Station vorherrscht. Hier werden

Schüler ausschließlich als Hilfskräfte eingesetzt und sie werden zu Tätigkeiten

herangezogen, die vom Pflegepersonal nicht so gerne gemacht werden. Es gibt

auch Teams, die die Schüler als zusätzliche Belastung und vor allem als

zusätzliche Mehrarbeit wahrnehmen. Dass sich diese Einstellung nicht besonders

förderlich auf die Ausbildung der Schüler auswirkt, ist eine logische Folge daraus.

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Wie aus den Aussagen der Schüler hervorgeht, entsteht bei ihnen der Eindruck,

ausgenutzt zu werden, und sie erleben sich leider auch sehr oft als Störfaktor. Sie

fühlen sich nicht als Partner in einem Team, sondern eben nur als Schüler, als

etwas Minderwertiges.

In so einem Umfeld ist das Ziel der Ausbildung, die Persönlichkeit und die

berufliche Handlungskompetenz der Schüler zu fördern, nicht zu erreichen, ganz

im Gegenteil, ein negatives Lernumfeld wirkt sich nachteilig auf das

Selbstvertrauen und die persönliche Entwicklung der Schüler aus.

Der Grund, dass Schüler nur als zusätzliche Arbeits- und Hilfskräfte eingesetzt

werden, kann an den mangelnden strukturellen und personellen Ressourcen

liegen. Es kann aber auch daran liegen, dass die Ausbildenden keine pädagogische

Ausbildung haben, dass Schüler nicht den Stellenwert erhalten, der ihnen zusteht,

dass sie dadurch noch immer als Hilfskräfte eingesetzt oder als Mehrarbeit

betrachtet werden, weil zu wenig Praxisanleiter für die Ausbildung zur Verfügung

stehen und das Pflegepersonal dadurch überfordert wird. Hier wäre noch Potenzial

für weitere Untersuchungen.

8.3 Lernbedingungen auf der Station

Die Lernbedingungen in der Praxis sind auf Grund der mangelnden strukturellen

und personellen Ressourcen nicht immer optimal, weil für eine genaue

Ausführung der Pflegeplanung die zeitlichen Ressourcen zumeist nicht vorhanden

sind.

„Der Pflegeplan wird in der Schule komplexer und genauer ausformuliert als in

der Praxis, da ist das ganz anders, da wird oberflächlich gearbeitet, weil auf der

Station zu wenig Zeit dafür ist.“ (I4)

„In der Praxis wird der Pflegeplan nicht so genau angewendet, wie er in der

Schule vermittelt wird, geht einfach nicht, weil der Pflegeplan zu zeitaufwändig

ist.“ (I5)

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„Ob der Pflegprozess genau umgesetzt wird, hängt mit der Auslastung der Station

zusammen, denn bei einem hohen Arbeitsaufwand wird nicht so genau gearbeitet.

Es ist also ein Zeitfaktor und ein strukturelles Problem.“ (I3)

„In der Praxis wird anders gearbeitet, als wir es in der Theorie vermittelt

bekommen. Für eine genaue Pflegeplanung fehlte die Motivation.“ (I2)

Schüler wollen ihr neu erworbenes theoretisches Wissen in der Praxis üben und

anwenden. In der Praxis ist schon mehrheitlich Interesse für neues Wissen da,

aber es wird zumeist nicht umgesetzt und es bleibt alles beim Alten.

„Es ist schon Interesse an theoretischem Wissen da, sie hören sich das an, aber

dabei bleibt es. In der Praxis wollen sie nichts Neues.“ (I6)

„Sechzig Prozent der Pflegepersonen sind neugierig, vierzig Prozent zeigen kein

Interesse an theoretischem Wissen.“ (I5)

Die mangelnde Umsetzung von theoretischem Wissen in die Praxis hängt zum

Teil damit zusammen, dass Pflegepersonen, bei denen die Ausbildung schon

länger zurückliegt, wenig Interesse an neuem Wissen zeigen. Sie sind unmotiviert,

haben Probleme mit dem Pflegeprozess, weil ihnen zum Teil das Basiswissen

fehlt, und sie wollen nicht so gerne mit Schülern zusammenarbeiten.

„Ältere Pflegepersonen sind eher nicht so motiviert, das ist aber nicht generell zu

behaupten, auch jüngere Pflegepersonen müssen nicht immer motiviert sein.“ (I7)

„Nach meiner Erfahrung reagieren ältere Pflegepersonen nicht positiv auf

Neuerungen, sie arbeiten auch nicht gerne mit Schülern zusammen.“ (I4)

„Die älteren Pflegepersonen wollten den Pflegeprozess gar nicht, die haben uns

machen lassen, ob er dann gut geworden ist, weiß man nicht, denn es hat ja

niemand kontrolliert, weil sie es selber nicht können.“ (I1)

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„Den älteren Pflegepersonen fehlt die Genauigkeit und sie tun sich schwerer mit

der Pflegeplanung, weil ihnen das Grundwissen fehlt und der theoretische

Hintergrund. Ältere Pflegepersonen sind überwiegend nicht neugierig, aber es

gibt auch welche, die neugierig sind.“ (I5)

„Der Pflegeprozess wird nicht genau umgesetzt, ich glaube, weil sie es nicht

gelernt haben und nicht so genau nehmen.“ (I1)

„Die älteren Pflegepersonen haben es immer so gemacht, daher wird es auch so

gemacht, wie sie es wollen. Die jüngeren Pflegepersonen haben keine Chance, sie

sind in der Minderheit, somit keine Änderung.“ (I2)

8.3.1 Ergebnisdiskussion:

Mangelnde strukturelle, personelle und zeitliche Ressourcen beeinflussen die

Lernbedingungen der Schüler in der Praxis. Eine genaue und komplexe

Ausführung des Pflegeplanes, so wie er in der Schule vermittelt wird, ist auch mit

der Patienten-Auslastung auf der Station in Verbindung zu bringen. Ein hoher

Auslastungsfaktor auf der Station erhöht zwangsläufig den Arbeitsaufwand, dies

resultiert zu ungenauer und oberflächlicher Ausführung des Pflegeplanes.

Bischoff (1993) konstatiert, dass Auszubildende die idealen Pflegemethoden, die

sie in der Schule vermittelt bekommen, auf der Station ganz anders erleben. Hier

geht es um schnelles und rationelles Arbeiten, wobei auch manchmal Standards

verletzt oder Pflegetätigkeiten anders ausgeführt werden, als sie in der Theorie

vermittelt wurden (vgl. Bischoff 2993, S. 8).

Schüler sind oft nicht in der Lage, ihr neu erworbenes Wissen in der Praxis

umzusetzen, weil Pflegepersonen, bei denen die Ausbildung schon länger

zurückliegt, im Bezug auf den Pflegeprozess gravierende Unkenntnis aufweisen.

Sie zeigen außerdem wenig Interesse und Motivation, neues theoretisches Wissen

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umzusetzen. Sie haben immer schon so gearbeitet und so bleibt es auch, die

jüngeren Pflegepersonen haben keine Chance, etwas zu verändern.

Auch Kirkevold (2002) vertritt die Ansicht, dass Pflegekräfte, die den

theoretischen Hintergrund nicht kennen, oft kein Interesse zeigen und auch nicht

die Bereitschaft haben, theoretisches Wissen in der Praxis anzuwenden (vgl.

Kirkevold 2002, S. 19).

Wie in Kapitel 6.2 bereits beschrieben wurde, finden Schüler oft schwierige

Lernbedingungen auf der Station vor. Wenn Schüler in einem hierarchischen

Stationsalltag eingebunden sind, wo nach Routine und unter hohem Arbeitsdruck

gepflegt wird, wenn in der Praxis anders gearbeitet wird, als es die Schüler in der

Schule vermittelt bekommen haben, und wenn sie mangelhaft angeleitet werden,

dann ist es für Schüler meist nicht möglich, ihr theoretisches Wissen, in der Praxis

auch umzusetzen. Diese Diskrepanz zwischen theoretischem Anspruch und der

mangelnden Umsetzung in die Praxis kann sich für Schüler frustrierend

auswirken.

Wenn Pflegepersonen, bei denen die Ausbildung schon länger zurückliegt, nicht

motiviert und bereit sind, neues theoretisches Wissen in ihre Arbeit einfließen zu

lassen, und für die Schüler nicht die Möglichkeit besteht, ihr theoretisches Wissen

in der Praxis üben und anwenden zu können, dann werden viele Chancen und

positive Aspekte auf beiden Seiten verpasst. Denn einerseits könnte die Station

vom Wissen der Schüler profitieren und vice versa die Schüler von der Praxis. Es

ist daher ein Muss für die verantwortlichen Personen, dass optimale

Lernbedingungen geschaffen werden.

8.4 Verhaltenskonsequenzen

Wie aus anderen Kapiteln ersichtlich, kommen Schüler mit dem Anspruch in das

Praktikum, ihr theoretisches Wissen in der Praxis üben zu wollen. Auf der Station

sind sie in den Stationsalltag eingebunden, sie arbeiten in der Praxis mit und sie

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wissen, wie hier gepflegt wird. Wenn die Praxis aber nicht dem entspricht, was sie

in der Schule gelernt haben, kann es zur Diskrepanz zwischen theoretischem

Verständnis und der Praxis kommen. Lernende reagieren mit ihrem Verhalten

unterschiedlich auf diese Diskrepanz. Manche haben Angst, trauen sich nichts zu

sagen und denken sich ihren Teil, unter anderem, weil sie auch auf eine positive

Beurteilung Rücksicht nehmen müssen.

„Wenn man auf einer Station arbeitet und man weiß, dass die Arbeit hier nicht

dem entspricht, was man in der Schule gelernt hat oder was richtig ist, aber man

Angst vor der Beurteilung hat und man möchte eine gute Beurteilung, dann sage

ich nichts, beiße mich einfach durch und schaue, dass ich es schnell hinter mich

bringe.“ (I3)

„Wenn du in der Praxis pflegerische Handlungen siehst und du in der Schule

gelernt hast, wie es besser geht, und die auf der Station machen es nicht, denkst

du dir schon, es ist schade für die Patienten, aber du machst es dann auch so,

denn du bist der Schüler und sagst lieber nichts, du steckst zurück, du kannst ja

nicht anders, denn du wirst ja beurteilt, das ärgert schon ein bisschen, aber

nichts anmerken lassen.“ (I1)

„Wenn auf der Station anders gearbeitet wird, als wir es in der Schule vermittelt

bekommen haben und das Team der Station nicht positiv auf Theorie eingestellt

ist, dann steht man alleine da und man passt sich an. Ich sage zu keiner

Pflegeperson etwas, ich denke mir meinen Teil.“ (I5)

„Diese Diskrepanz gibt es, dass wir in der Schule etwas lernen, was in der Praxis

nicht oder ganz anders gemacht wird. Ich sage nichts.“ (I4)

„Wenn du das Gefühl hast, dass die Theorie besser wäre, als es in der Praxis

durchgeführt wird und du eigentlich motiviert bist und etwas verändern möchtest,

traut man sich doch irgendwie nicht, denn da kommen Meldungen vom

Pflegepersonal zurück, da sagst lieber nichts, das ersparst du dir.“ (I2)

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Viele Schüler empfinden es als positiv und es hilft ihnen, wenn sie diese

Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis in einem Forum wie der Supervision

oder mit Lehrern oder Mitschülern besprechen und reflektieren können.

„…wir reden dann einfach in der Supervision, die in der Schule angeboten wird,

darüber.“ (I1)

„…bespreche aber mit meinem Vertrauenslehrer in der Schule die Situation und

auch mit Mitschülern werden die Diskrepanzen von der Station besprochen, das

hilft mir.“ (I4)

„Die Idee mit der Supervision ist grundsätzlich gut, nur in der Schule schlecht

umgesetzt, es sind zu große Gruppen, wo man nicht auf Themen eingehen kann.“

(I3)

8.4.1 Ergebnisdiskussion:

Wenn Schüler ihr theoretisches Wissen auf der Station nicht üben und umsetzen

können, dann reagieren sie mit unterschiedlichem Verhalten auf diese Diskrepanz.

Die meisten Schüler haben Angst vor einer negativen Beurteilung und versuchen

erst gar nicht, ihr erworbenes Wissen in der Praxis anzuwenden, sie ärgern sich

zwar, denken sich ihren Teil, sagen aber nichts, lassen sich nichts anmerken und

beißen sich durch.

Aber wie aus den Antworten der Schüler zu entnehmen ist, wird diese Diskrepanz

als sehr belastend erlebt. Einerseits kann das theoretische Wissen nicht in die

Praxis umgesetzt werden. Die Schüler sind jedoch der Meinung, dass das in der

Schule Erlernte für den Patienten besser wäre als das in der Praxis Angewandte.

Andererseits wollen die Schüler nichts sagen, weil sie sonst negativ beurteilt

werden könnten.

103

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Manche Schüler reflektieren ihr Praktikum mit ihrem Vertrauenslehrer und finden

hier die Möglichkeit, ihren Frust zu verbalisieren, andere besprechen die Situation

mit ihren Mitschülern. Eine gute und brauchbare Lösung dieser Problematik wird

in der Schule angeboten, bei der Supervision besteht die Möglichkeit, Probleme

anzusprechen und aufzuarbeiten, sofern der zeitliche Abstand zum Ereignis nicht

zu weit und die Gruppe nicht zu groß ist, wie manche Schüler kritisch anmerken.

Ist das zu oft der Fall, dann geht der Sinn und Zweck der Supervision verloren

und das wäre schade.

Hier scheinen die Schüler offensichtlich ausreichende Möglichkeiten zur

Verfügung zu haben, um ihre Problematiken aus dem Praktikum zu reflektieren.

Dass die Schüler eine Möglichkeit vorfinden, ihre Probleme zum Beispiel in der

Supervision zu besprechen, ist ein guter Ansatz, aber nur eine Reaktion auf eine

Problematik. Das Problem sollte schon in seiner Ätiologie vermieden werden.

Kooperation zwischen Schule und Praxis, mehr und bessere Aufklärung für die

Praktiker und ein eventueller Ansprechpartner respektive eine Person, die die

Interessen der Schüler in der Praxis wahrnimmt und vertritt, vielleicht so in der

Art wie ein Ombudsmann, könnte sublimierend für ein Gleichgewicht sorgen.

8.5 Lernorganisation zwischen Theorie und Praxis

Schüler sind generell der Ansicht, dass der Lerneffekt besser ist, wenn zuerst die

Theorie vermittelt wird und man anschließend das Praktikum absolviert. Man

wird dadurch auf die Praxis vorbereitet, hat schon eine Ahnung, worum es geht,

und man erhält ein Vorwissen. Der Lernstoff kann besser verknüpft werden, wenn

man zuerst das theoretische Wissen über einen bestimmten Fachbereich vermittelt

bekommt und anschließend das Erlernte in der Praxis übt und vertieft.

Schüler berichten über ihre Erfahrungen bezüglich der Gestaltung der

Lernorganisation in ihrer Ausbildung. Einige hatten zuerst den theoretischen Teil

und absolvierten dann das Praktikum, bei anderen Schülern war es genau

umgekehrt.

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„Es macht schon einen Unterschied, ob ich den Theorieblock vorher oder

nachher mache. Wenn ich vorher weiß, um was es geht, dann kann ich es besser

verknüpfen. Der Lerneffekt ist besser, wenn man zuerst Theorie gehabt hat.“ (I3)

„Die beste Variante wäre für mich persönlich, zuerst Theorie, dann Praxis und

dann wieder Theorie. Zuerst in der Theorie das Wissen vermitteln, dann in der

Praxis üben und dann wieder in der Theorie alles reflektieren, das wäre optimal.“

(I4)

„Theorie ist am Anfang gut, um ein Vorwissen zu bekommen.“ (I7)

„Es ist nicht gut, wenn du als erstes in die Praxis gehst und dann die Theorie

dazu bekommst. Du hast von nichts eine Ahnung und du bist für das Praktikum

nicht vorbereitet. Es wäre besser, einen theoretischen Einblick zu bekommen,

dann in die Praxis zu gehen und dann wieder in der Theorie alles aufstocken.“(I6)

Wenn das Zeitintervall zwischen der Vermittlung des theoretischen Wissens und

des Praktikums zu groß ist, wird manches, was man gelernt hat, wieder vergessen.

„Wenn im ersten Ausbildungsjahr sehr große Mengen an theoretischem Wissen in

sehr kurzer Zeit vermittelt wurden, dann weiß ich im dritten Ausbildungsjahr in

der Praxis nicht mehr, wie es geht. Ich muss dann zu Hause nachschauen.“ (I3)

„Die Praxis sollte in knappem Abstand auf die Theorie folgen. Ich finde zu lange

Abstände nicht gut.“ (I7)

„…der Zeitabstand zwischen Theorie und Praxis sollte nicht zu lange sein.“ (I6)

8.5.1 Ergebnisdiskussion:

Die Schüler äußerten bei der Befragung, dass sie es generell besser fänden, wenn

sie zuerst theoretischen Unterricht erhielten, dann das erworbene theoretische

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Wissen in der Praxis üben und vertiefen könnten, und anschließend die

Möglichkeit bestände, das Erlernte in der Theorie noch einmal zu reflektieren.

Das wäre für viele Lernende die optimale und effektivste Form des Lernens.

Der Vorteil, wenn zuerst Theorie vermittelt und dann in der Praxis geübt wird,

liegt darin, dass man ein Vorwissen respektive eine theoretische Basis bekommt,

dadurch das Erlernte besser verknüpft werden kann und so der Lerneffekt erhöht

wird.

Scheffel (2002) bestätigt mit seiner Ansicht, wenn Schüler mit einem

theoretischem Vorwissen in die Praxis kommen und wenn nach dem Praktikum

die Möglichkeit besteht, die Erfahrungen der Praxis in der Schule noch einmal zu

reflektieren, dann kann sich das auf den Lernerfolg sehr positiv auswirken (vgl.

Scheffel 2002, S. 287).

Der Abstand zwischen Theorie und Praxis sollte aber nicht zu groß sein, weil

sonst vieles wieder vergessen wird.

Wie eine Studie von R. Schmid konstatiert, kann die Verknüpfung von Theorie

und Praxis verbessert werden, indem der zeitliche Abstand zwischen Vermittlung

von theoretischem Wissen und der praktischen Bearbeitung so gering wie möglich

gehalten wird (vgl. Schmid 2005, S.283).

Manche Schüler kommen auf Grund mangelnder struktureller Ressourcen zuerst

in die Praxis und erhalten anschließend den theoretischen Unterricht. Dieser

Umstand führt dazu, dass viele pflegerische Handlungen in der Praxis nicht

verstanden werden, es fehlt das Hintergrundwissen, warum Tätigkeiten so

gemacht werden, wie sie gemacht werden. Die Zusammenhänge werden erst mit

dem theoretischen Wissen erkennbar.

Leider werden auf Grund der Trennung der beiden Lernorte Schule und Praxis,

wie im theoretischen Teil Kapitel 6 dieser Arbeit beschrieben, die Synergieeffekte

und Ressourcen der Ausbildung nicht optimal genutzt. Hier wäre sicher ein

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Ansatzpunkt vorhanden, von Seiten der verantwortlichen Führungskräfte zu

schauen, dass die Struktur der Lernorganisation optimiert wird und der Abstand

zwischen der Vermittlung von theoretischem und praktischem Wissen so gering

wie möglich gehalten wird.

Die logistische Bearbeitung der Lernorganisation wäre sicher ein Beitrag, einen

Teilbereich der Ausbildung zu verbessern.

8.6 Das Theorie-Praxis-Verhältnis aus Sicht der Schüler

Schüler sind generell der Auffassung, dass Theorie wichtig ist, weil es als

Grundwissen für die Praxis dient und weil es zum besseren Verständnis beiträgt.

„Theorie ist ganz wichtig und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Praxis, weil

es einem zeigt, wie es in der Praxis am besten gemacht gehört.“ (I6)

„In der Praxis merkt man, dass man viele Grundsätze, die man in der Theorie

gelernt hat, auch anwendet. Man wird sensibler durch den Theorieunterricht, man

achtet mehr darauf, was man sieht.“ (I3)

„Ich konnte theoretisches Wissen aus der Schule in der Praxis gut umsetzen.“ (I5)

In der Schule wird optimale Pflege gelehrt, der Pflegeprozess ist komplexer,

genauer ausformuliert, und es werden die zeitlichen Ressourcen dafür zur

Verfügung gestellt, die man so in der Praxis aber nicht vorfindet.

Eine Schülerin bringt das so auf den Punkt:

„Es ist ein ganz großer Unterschied zwischen Theorie und Praxis. In der Schule

lernst du es so, dass es was bringt, der Anamnesebogen wird zerlegt, und in der

Praxis geht es dann zack, zack, fertig ist er. Man sollte es in der Praxis genauso

machen, denn es hilft dem Patienten.“ (I1)

„Der Pflegeprozess ist in der Schule etwas komplexer, wird genauer ausgeführt

als in der Praxis. Auf der Station ist zu wenig Zeit dafür.“ (I4)

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„In der Schule wird der Pflegeplan genau gelernt, in der Praxis zumeist nicht

immer, oft aus Zeitmangel, oder weil man den Patienten schon kennt und daher

der Pflegeplan schon öfters gemacht wurde.“ (I2)

„In der Schule wird unterrichtet, dass man patientenorientiert arbeiten soll und in

der Praxis geht es dann mit Vollgas durch, da entsteht Stress, dann bist du mit der

Arbeit fertig und hast nichts mehr zu tun. Es ist ein Unterschied zwischen Theorie

und Praxis.“ (I2)

„Theorie ist der Praxis voraus, die Schere zwischen Theorie und Praxis geht

manchmal auseinander.“ (I5)

In der Ausbildungsstätte wird auch theoretisches Wissen vermittelt, das sich in der

Praxis nicht umsetzen lässt, weil es einerseits zu theoretisch ist und der praktische

Bezug fehlt und weil es andererseits oft schon veraltert, also nicht mehr auf dem

aktuellsten Stand der Pflege ist. Auch unter den Lehrenden gibt es

Unstimmigkeiten und Meinungsunterschiede bezüglich der Inhalte von Theorie.

„In der Schule lernt man, aber es gibt kein Übungsfeld. Die praktischen Übungen

und Rollenspiele sind nur mit Mitschülern möglich. Mir hat aber der praktische

Bezug zur Praxis gefehlt.“ (I4)

„Das in der Schule Erlernte ist teilweise zu theoretisch, zum Beispiel lernt man in

der Schule über medizinische Geräte, aber man hat dieses Gerät noch nie in der

Realität gesehen.“ (I7)

„In der Schule ist manches, was vorgetragen wird, schon veraltert, sie geben altes

Wissen weiter, besonders bei medizinischen Geräten sind sie oft nicht auf dem

neuesten Stand.“ (I6)

„In der Schule wird die Pflegeplanung noch mit der Hand geschrieben und es

wird mit vorgedruckten Formularen gearbeitet, in der Praxis läuft der

Pflegeprozess schon über den Computer.“ (I2)

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„Es gibt in der Theorie Sachen, die wir nur gestreift haben, und erst in der Praxis

durchschaut haben. Medizinische Geräte, die wir in der Schule nicht haben,

bekommen wir aber im Praktikum super erklärt.“ (I3)

„Auch zwischen den Lehrenden in der Schule herrscht keine Einigkeit, es gibt

Unstimmigkeiten und Meinungsunterschiede bezüglich der Pflegeplanung im

Bezug auf das Stellen der Pflegediagnosen.“ (I6)

In der Praxis lernt man genauso wie in der Theorie, vor allem anschaulicher, aber

es fehlen die zeitlichen Ressourcen.

„Der Pflegeplan dauert in der Schule zwei Stunden, wird in der Praxis nicht so

gemacht, geht nicht, ist zu zeitaufwändig.“ (I5)

„Ich habe in der Praxis sehr viel gelernt, ist auch anschaulicher.“ (I7)

„In der Praxis lernst du das Ausführen, in der Theorie durch das Zuhören. Das

Ausführen ist für mich persönlich wesentlich einprägsamer als das Zuhören.“ (I3)

„Auf der Station ist zu wenig Zeit, den Pflegeplan so auszuführen, wie er in der

Schule gemacht wird.“ (I4)

Viele Schüler vertreten die Ansicht, dass es zwischen Theorie und Praxis keinen

Unterschied gibt und dass man die beiden Bereiche nicht trennen sollte.

„Ich sehe zwischen Theorie und Praxis keinen wesentlichen Unterschied, ich habe

in beiden Feldern genug Informationen bekommen und genug gelernt.“ (I2)

„Es sollte eine gesunde Mischung zwischen Theorie und Praxis sein, das heißt,

Theorie und Praxis sollten sich im Gleichgewicht halten, beide Seiten sollten

gleich viel vertreten sein.“ (I4)

„In der Arbeit lernt man auch sehr viel, man sollte das nicht trennen. Das Wissen

aus der Schule und das Wissen der Praxis ist eine Einheit.“ (I7)

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„Du wirst in der Praxis nie so viel oder das erfahren, was du in der Theorie

erfahren hast, und du wirst dir die Theorie nie so einprägen können, als du es in

der Praxis üben kannst.“ (I3)

8.6.1 Ergebnisdiskussion:

Dass Theorie als Basiswissen zum besseren Verständnis der Praxis beiträgt, darin

sind sich die Schüler einig.

Dass die Schule der Ort ist, wo professionell unterrichtet wird, wie ideale

Pflegmethoden sein sollen, wo die Zeit zur Reflexion vorhanden ist und wo

theoretisches Wissen vermittelt wird, wird von den meisten Schülern als Faktum

gesehen.

Dass das vermittelte theoretische Wissen aber schon oft veraltert ist, nicht mehr

dem neuesten Stand der Pflege entspricht, teilweise zu theoretisch und zu

praxisfern ist und sich dadurch in der Praxis oft nicht anwenden lässt, ist ein

Manko, das überdacht werden sollte. Dass selbst unter den Lehrenden keine

Einigkeit herrscht und es zu Divergenzen beim Stellen der Pflegediagnosen im

Rahmen der Pflegeplanung kommt, zeigt die Komplexität der Pflegeplanung.

Zur Pflegeplanung und zum Pflegeprozess gibt es aber auch kritische Stimmen,

wie im Kapitel 5.6.6 in dieser Arbeit nachzulesen ist, und wenn Theoretiker sich

untereinander nicht einig sind, so kann das nur bedeuten, dass noch sehr viel

Arbeit nötig ist, um die Theorie verständlicher zu machen.

Eine Forderung vor allem an die Lehrer ist, dass sie ihr Wissen und ihre

Unterlagen auf den neuesten Stand bringen sollten, um den Unterricht praxisnaher

und anschaulicher gestalten zu können. In der Schule sollte auf einer von allen

Lehrern akzeptierten Basis unterrichtet werden.

In der Praxis lernt man durch das Tun und das Ausführen, dass das praktische

Lernen anschaulicher und einprägsamer als das theoretische ist, doch leider lässt

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der mangelnde Zeitfaktor keine optimalen Lernbedingungen zu. Strukturelle

Anpassungen könnten hier Abhilfe schaffen und das Problem lösen.

Generell sind die Schüler der Ansicht, dass beide Lernorte für die Ausbildung

unabdinglich sind. Sie haben in beiden Bereichen genug gelernt, es sollte eine

gesunde Mischung zwischen Theorie und Praxis geben und es sollten sich beide

Bereiche im Gleichgewicht halten.

Auch Dangel (2004) ist der Ansicht, wenn praktische Aspekte und theoretische

Aspekte der Pflege als Gegensätze gesehen werden, anstatt sie zu integrieren,

dann ist das bestimmt ein Weg in die falsche Richtung, deshalb müssen Theorie

und Praxis als produktiv aufeinander bezogene Pole verstanden werden (vgl.

Dangel 2004, S. 413).

8.7 Möglichkeiten, das Theorie-Praxis-Verhältnis zu

verbessern

Die Schüler bieten im Interview unzählige Möglichkeiten an, wie das Theorie-

Praxis-Verhältnis zu verbessern wäre. Um zu Beginn des Praktikums den

Praxisschock, die Angst oder die Überforderung zu verhindern, wünschen sich die

Schüler, bevor sie ins Praktikum kommen, mehr Aufklärung und Information über

Krankheitsbilder und Patienten.

„Bevor ich mein Praktikum antrete, wäre es für mich wichtig, dass ich die

Krankengeschichte vorher kenne und mehr Informationen über die Patienten

bekomme. Von Seiten des Pflegepersonals wünsche ich mir mehr Aufklärung.“

(I1)

„Bevor man in der Praxis tätig wird, sollte man über die Krankheitsbilder der

Patienten Bescheid wissen, und es wäre gut, wenn jemand da wäre, der einen

aufklärt und sagt, was man zu tun hat.“ (I7)

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Um die Qualität in der Praxis zu verbessern, wünschen sich die Schüler, dass die

Stationsleitungen als Vorbild dienen und das Team motivieren sollen.

„Wie in der Praxis gearbeitet wird, hängt von der Führung ab. Wenn ein

Oberpfleger hergeht und sagt: „ Wir müssen diese Pflegediagnose machen, es ist

so vorgeschrieben“, und es wird nur dokumentiert, um dem Ganzen Genüge zu

tun, dann geht der Sinn und Zweck dahinter verloren. Wenn er aber erklärt, dass

es um das Wohl des Patienten geht, dass es um Qualität geht, dann kann man im

Team sehr viel erreichen, Ich habe Praktika erlebt, wo dies der Fall war, da steigt

die Qualität immens.“ (I3)

Eine Möglichkeit, um das Theoretische anschaulicher zu machen, wäre, in der

Schule zur besseren Darstellung der Praxis nicht nur Skripten zu verwenden,

sondern auch andere Mittel zur Gestaltung des Unterrichts einzusetzen.

„In der Schule sollten auch mit anderen Medien wie Videos und Fotos gearbeitet

werden, das wirkt plakativer und würde das Theoretische besser verdeutlichen als

nur die Verwendung von Skripten.“ (I4)

Lehrer der Ausbildungsstätte sollten mehr in der Praxis mitarbeiten, um nicht zu

praxisfern zu sein, Lehrer und Praktiker sollten besser kooperieren.

„Die Lehrer sollten sich mehr auf den Stationen blicken lassen beziehungsweise

mitarbeiten, es wäre dann die Schule nicht so praxisfern. Außerdem herrscht zu

wenig Kooperation zwischen Lehrer und Praktiker.“ (I6)

„Beim angeleiteten Praktikum wäre es besser, wenn ein Lehrer und eine

Pflegeperson von der Station gemeinsam das angeleitete Praktikum durchführen,

denn Lehrer tun sich in der Praxis schwer.“ (I5)

Damit Schüler nicht so alleine und verlassen dastehen, wünschen sie sich einen

Praxisanleiter als Ansprechpartner und eine kontinuierliche Begleitung.

„Der Praxisanleiter sollte am Anfang der Ausbildung unbedingt begleiten, er ist

meine Ansprechperson und man hält sich an ihn an.“ (I5)

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„Ich finde einen Praxisanleiter voll wichtig, habe dann einen Ansprechpartner,

der mir erklärt, und ich kann mir dann auch etwas abschauen.“ (I7)

„Es sollte Begleitung bzw. eine Ansprechperson da sein, um Fragen stellen zu

können.“ (I6)

Konstruktives Feedback zur richtigen Zeit ist eine weitere Möglichkeit, nicht nur

um die Zufriedenheit der Schüler zu fördern, sondern auch eine Form der

Evaluation des bisher gelernten Stoffes.

„Feedback ist ganz wichtig, aber es sollte zwischendurch stattfinden.“ (I6)

„Feedback ist wichtig, es sollte aber immer gleich alles angesprochen werden,

auch wenn es nicht passt. Im Nachhinein finde ich es nicht förderlich.“ (I7)

„Ein Feedback geben, aber während des Praktikums, damit ich weiß, wie ich

unterwegs bin. Feedback ist richtungweisend.“ (I5)

8.7.1 Ergebnisdiskussion

Um das Theorie-Praxis-Verhältnis zu verbessern, um sich eine Vorstellung über

die Praxis machen zu können und um Angst und Überforderung abzubauen,

wünschen sich die Schüler, bevor sie ins Praktikum kommen, mehr Informationen

über die Patienten und eine bessere Aufklärung. Um die Qualität in der Praxis zu

verbessern, sollte die Stationsleitung als Vorbild dienen und das Team motivieren.

Weiters sollte der theoretische Unterricht praxisbezogener und plakativer gestaltet

werden. Von den Lehrern wünschen sie sich, dass sie mehr in der Praxis

mitarbeiten, sodass die Kooperation zwischen Lehrer und Praktiker verbessert

wird, weil sich das positiv auf die Lernbedingungen auf der Station auswirken

würde.

Obex (2006) ist ebenfalls der Ansicht, dass eine Lernkooperation eine mögliche

Lösung wäre, um das Theorie-Praxis-Verhältnis zu kultivieren. Eine

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Lernkooperation beinhaltet laut Obex die methodische, inhaltliche,

organisatorische und konzeptionelle innovative Form der Zusammenarbeit der

Lernorte Schule und Praxis (vgl. Obex 2006, S. 21).

Ein Praxisanleiter sollte als Ansprechpartner und kontinuierlicher Begleiter

vorhanden sein, damit er den Schülern erklärt, worum es geht und sie Fragen

stellen können. Vielleicht könnte auch er die Rolle des Ombudsmannes für die

Schüler übernehmen.

Konstruktives Feedback zum richtigen Zeitpunkt ist wichtig, damit die Schüler

wissen, wo sie in ihrer Ausbildung stehen.

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9 Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass das Therapie-Praxis-Verhältnis sehr

komplex ist und unterschiedlichen Einflussfaktoren unterliegt.

Auf der Ebene der Information und Beratung lässt sich im Vorfeld zum Praktikum

schon sehr viel erreichen, wenn der Informationsmangel, die mangelnde

Vorbereitung und Einschulung auf das bevorstehende Praktikum und die fehlende

Unterstützung vom Pflegepersonal durch konkrete Maßnahmen vermieden wird.

Ein stärkeres Hinführen der Schüler auf ihre zukünftigen Aufgaben erscheint mir

sehr zielführend, denn so könnte die Angst und Unsicherheit der Schüler

vermieden werden

Dieser Aspekt widerspiegelt auch die Ergebnisse dieser Arbeit, warum Theorie

und Praxis in einem Spannungsverhältnis stehen. In der Theorie lernt man

Basiswissen der Pflege, wie man patientenorientiert arbeiten soll, wie optimale

Pflege aussehen soll. Diese leistet einen wesentlichen Beitrag für die Praxis, um

diese zu erklären und effektiver zu machen.

In der Praxis mangelt es aber an der Umsetzung auf der einen Seite, weil das

theoretische Wissen zu theoretisch, zu praxisfern ist, weil es teilweise schon

veraltert ist und sich in der Praxis nicht anwenden lässt. Zweitens weil Praktiker

immer noch intuitiv und erfahrungsgeleitet arbeiten, weil sie unmotiviert sind und

wenig Interesse an neuem Wissen zeigen. Sie wollen sich nicht mit theoretischem

Wissen auseinandersetzen, lehnen dieses ab, oft auch, weil ihnen das Basiswissen

und der theoretische Hintergrund fehlen.

Mangelnde strukturelle und zeitliche Ressourcen tragen ebenfalls dazu bei, dass

sich theoretisches Wissen in der Praxis nicht umsetzen lässt. Das hat zur Folge,

dass die Implementierung von neuem Wissen in die Praxis verhindert und die

Entwicklungen in der Pflege gebremst wird, weil pflegerische Handlungen

weiterhin so wie bisher ausgeführt werden.

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Wesentlich in diesem Zusammenhang ist es, dass die Praxis von dem Wissen der

Schüler profitieren könnte. Die Praktiker könnten ihre pflegerischen Handlungen

mit dem neuen theoretischen Wissen vergleichen und Modifizierungen dort, wo

sie notwendig sind, vornehmen. Auf der anderen Seite würden die Schüler

insofern einen Vorteil lukrieren, weil ihr theoretisches Wissen mit der Praxis

verknüpft wird und weil theoretisches Wissen, das im praktischen Tun geübt wird,

zur Vertiefung des Lernstoffes beiträgt, den Lerneffekt erhöht und dadurch die

beiden Bereiche Theorie und Praxis verständlicher macht.

Um diesen Aspekt umzusetzen, bedarf es der kritischen Auseinandersetzung mit

theoretischem Wissen und der Position der Pflege generell sowie der Motivation

des Pflegepersonals auf der Station. Außerdem müsste der Stellenwert der Schüler

überdacht werden, denn, wenn sie weiterhin Tätigkeiten ausführen müssen, die

vom Pflegepersonal nicht gerne gemacht werden, dann wird sich nichts ändern.

Wenn Schüler keine optimalen Lernbedingungen auf der Station vorfinden, wenn

sie Angst erleben, wenn sie sich verlassen vorkommen oder ihr theoretisch

erworbenes Wissen in der Praxis nicht umsetzen können, dann enthält dies

Belastungspotential für die Lernenden. Alle diese Einflüsse führen letztendlich zu

Verhaltenskonsequenzen der Schüler. Die Frage ist, wie sie mit diesen Situationen

umgehen. Diese Aspekte stellen einen wesentlichen Ansatzpunkt zur Veränderung

dar.

Ein weiterer Aspekt, der sich in dieser Arbeit findet, ist die Organisation der

Vermittlung von theoretischem Wissen in die Praxis. Aufgrund der Trennung der

beiden Lernorte Schule und Praxis sind die Handlungen inhaltlich, strukturell und

organisatorisch unterschiedlich gelagert. Wichtige Synergieeffekte zwischen

Theorie und Praxis lassen sich dadurch nicht optimal nützen.

Durch die Trennung der Lernorte ist es wichtig, wie der Ablauf von Theorie und

Praxis organisatorisch geregelt ist. Denn, wie aus der Arbeit hervorgeht, gibt es

einen gravierenden Unterschied zwischen den unterschiedlichen

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Lernorganisationen. Wenn zuerst Theorie unterrichtet wird, lässt sich das

theoretische mit dem praktischem Wissen besser verknüpfen und der Lerneffekt

wird dadurch besser.

In diesem Zusammenhang spielt auch das Zeitintervall der Vermittlung eine

Rolle. Wenn der zeitliche Abstand zwischen Theorie und Praxis zu groß ist, wird

vieles wieder vergessen, und das würde den Lerneffekt wieder verringern.

Folglich würde eine optimale Abstimmung der Lernorganisation zwischen

Theorie und Praxis zu einem besseren Lernerfolg in der Ausbildung beitragen.

Eine konkrete Maßnahme, das Belastungspotenzial der Schüler zu verringern,

wäre die Supervision. Da in der Schule der zeitliche Rahmen zur Verfügung steht

und auch der örtliche Abstand zur Praxis gewährleistet ist, ist Supervision eine

gute Möglichkeit, Probleme zu besprechen und damit mögliche Belastungen

abzubauen, vorausgesetzt, dass die Supervision in einem professionellen Rahmen

und in einem zeitlich adäquaten Abstand zum Ereignis abgehalten wird.

Konkrete Maßnahmen, um das Theorie-Praxis-Verhältnis zu verbessern, könnten

demnach sein, dass die Schüler, bevor sie ins Praktikum gehen, mehr

Informationen, eine Einschulung und bessere Unterstützung von Seiten des

Pflegepersonals bekommen. Dazu müsste ein Ansprechpartner installiert werden,

der den Schülern zumindest zu Beginn ihrer praktischen Ausbildung zur

Verfügung steht, und sie kontinuierlich begleitet, oder es müssten Teammitglieder

für die Einschulung konkret bestimmt werden.

Als eine weitere konkrete Möglichkeit könnte die Ausbildungsstätte mit neuen

Mitteln und Methoden den Unterricht praxisnaher arrangieren und die Lehrer

sollten ihre theoretischen Unterlagen auf den neuesten Stand der Pflege bringen.

Um das Theoretische praxisnaher zu gestalten, kam von den Schülern im

Interview der Vorschlag, nicht immer nur Skripten zu verwenden, sondern auch

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andere Medien wie Videos und Bildmaterial plakativ einzusetzen. Auch das

angeleitete Praktikum könnte einen Beitrag leisten, das Verhältnis von Theorie

und Praxis zu verbessern, denn das angeleitete Praktikum ist eine Methode,

theoretisches Wissen unter praktischen Bedingungen zu üben und damit das

Theoretische praxisnaher zu gestalten.

Die Schüler kritisieren am angeleiteten Praktikum, dass dieses nur mit einem

Lehrer der Theorie abgehalten wird, und dadurch der praktische Bezug nicht

optimal umgesetzt werden kann, weil Lehrer sich in der Praxis schwertun. Sie

wünschen sich, dass ein Praktiker beigezogen wird. Hier wäre eine konkrete

Maßnahme, dass Theoretiker und Praktiker kooperieren, kollektiv

zusammenarbeiten und das angeleitete Praktikum gemeinsam mit den Schülern,

durchführen.

Um die Motivation der Pflegepersonen zu erhöhen, sollten einerseits die

mangelnden strukturellen und personellen Ressourcen beseitigt werden, somit

bliebe mehr Zeit für die Pflegepersonen, um sich mit der Theorie

auseinanderzusetzen. Andererseits müssten die Pflegepersonen aufgeklärt und

informiert werden, wie wichtig theoretisches Wissen für die Qualität ihrer Arbeit

und die weitere Entwicklung der Pflege ist. Auch bedarf es Änderungen im

Stationsablauf, denn wenn Schüler im alltäglichen Stationsgeschehen als

Hilfskräfte eingesetzt werden, wird keine Änderung möglich sein. Hier sollte

ebenfalls ein Ansprechpartner für die Schüler zur Verfügung stehen, der sie

kontinuierlich begleitet und ihnen Feedback als eine Form der Evaluation des

bisher gelernten Stoffes gibt.

Die Schüler wünschen sich diesbezüglich einen Praxisanleiter, der gleichzeitig

auch den Part der Vorbildfunktion übernehmen könnte.

Bei der Organisation der Vermittlung von theoretischem Wissen in die Praxis

sollten die verantwortlichen Führungskräfte darauf achten, dass alle Schüler zuerst

theoretischen Unterricht erhalten, dass zuerst das theoretische Fachgebiet, das

gerade im Lehrplan zur Ausbildung ansteht, in der Theorie umfassend erläutert

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und aufgearbeitet wird, bevor es anschließend in der Praxis geübt und mit dem

theoretischen Wissen verknüpft wird. Dabei muss aber auch auf den zeitlichen

Abstand geachtet werden, weil sonst der Lernerfolg nicht so effektiv ist.

Die Schlussfolgerungen, die ich aus den Ergebnissen dieser Arbeit ziehe,

betreffen in erster Linie strukturelle, personelle und organisatorische

Veränderungen, aber auch die vermehrte Information und Aufklärung des

Pflegepersonals, um die Wichtigkeit der beiden Bereiche Theorie und Praxis

hervorzuheben. Diese beiden Disziplinen sollen nicht gegeneinander, sondern

komplementär miteinander kooperieren.

Diese Änderungen können nur hierarchisch von den oberen Führungskräften

angeordnet werden.

Die oben beschriebenen Maßnahmen können bewirken, dass Spannungen

zwischen Theorie und Praxis abgebaut werden, dass Vorurteile beseitigt werden

und dass das Theorie-Praxis-Verhältnis zwar nicht sofort, aber doch langfristig

auf ein ausgeglichenes Niveau gebracht wird.

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10 Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit hatte zum Ziel das Theorie-Praxis-Verhältnis in der

Gesundheits- und Krankenpflege und die Ausbildung, im Speziellen aus der Sicht

von Schülern der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege, ihre Situation

in der Schule sowie in der Praxis darzustellen und zu zeigen, wie sie das Theorie-

Praxis-Verhältnis erleben.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass das Theorie-Praxis-Verhältnis von vielen

Faktoren abhängig ist, sowohl was den Bereich der Pflege als auch die

Ausbildung betrifft.

Das Fach Krankenpflege ist grundsätzlich eine praktische Disziplin, die dadurch

geprägt ist, dass sie Menschen, die Pflege benötigen, unterstützt. Die praktische

Pflege stand immer in der Abhängigkeit der Medizin und hat sich durch Tradition

entwickelt. Die Handlungen, das Tun beruhen auf intuitiven und

erfahrungsgeleiteten Fähigkeiten. Im Laufe der Zeit ist der Anspruch an die Pflege

aber größer geworden. Die Anforderungen sind auf Grund neuer

Betätigungsfelder und nicht zuletzt wegen des neuen Gesundheits- und

Krankenpflegegesetzes gestiegen.

Der theoretische Aspekt der Pflege beschreibt und erklärt Pflegephänomene.

Theorie hat die Aufgabe, Pflegehandlungen zu begründen und die

Pflegeforschung voranzutreiben. Das Ziel besteht darin, die Pflege als

wissenschaftliche Disziplin zu etablieren, Pflege aus der Abhängigkeit anderer

Wissenschaften, vor allem der Medizin, herauszuführen und Pflege als eine

autonome Profession darzustellen.

Die Problematik der beiden Bereiche besteht darin, dass Theorien zu abstrakt und

zu wenig praxisnah sind und in der Praxis als wenig praktikabel gelten. Die

Praktiker stehen dem Aspekt der Theorie skeptisch gegenüber und werfen den

Theoretikern vor, sich mit ihren technokratischen Konzepten immer weiter vom

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Patienten zu entfernen. Die Theoretiker unterstellen den Praktikern, pflegerische

Handlungen zu wenig zu reflektieren und sich reaktionär bezüglich

wissenschaftlicher Erkenntnisse zu verhalten. Diese unterschiedlichen

Auffassungen vom Verständnis der Pflege erzeugen Spannungen und die

ungünstigen Rahmenbedingungen im Krankenhaus und auf der Station tragen

noch zusätzlich zum gespannten Verhältnis zwischen Theorie und Praxis bei.

Das Ziel der beiderseitigen Anerkennung und Zusammenarbeit und die Schaffung

einer geeigneten Struktur im Krankenhaus sind noch lange nicht zu erwarten und

somit ist weiterhin ein gespanntes Verhältnis zwischen Theorie und Praxis zu

verzeichnen.

Das Spannungsverhältnis zwischen Theorie und Praxis findet ihre Fortsetzung

und ist auch in der Ausbildung evident.

In der theoretischen Ausbildung werden die Basis und das Hintergrundwissen für

pflegerisches Handeln und Lösungen bei gesundheitsbezogenen Problemen für die

Praxis vermittelt.

In der Schule werden optimale Pflegemethoden didaktisch gut aufbereitet, von

pädagogisch geschulten Lehrkräften vermittelt und in Rollenspielen mit Kollegen

kann das Erlernte geübt werden. Auch der Rahmen und die zeitlichen Ressourcen

sind vorhanden, um die aus der Praxis gesammelten Erfahrungen reflektieren zu

können.

Die praktische Ausbildung findet in den Stationen des Krankenhauses statt und

die Schüler sind in den Stationsablauf eingebunden. Mangelnde strukturelle,

zeitliche und persönliche Ressourcen lassen wenig Raum zu, das in der Theorie

angeeignete Wissen in der Praxis umzusetzen.

Ein starker Einflussfaktor, warum sich theoretisches Wissen nicht umsetzen lässt,

sind die Praktiker, deren Ausbildung schon länger zurückliegt. Ihnen fehlt zum

Teil der theoretische Hintergrund und sie sind nicht bereit, theoretisches Wissen

in ihre pflegerischen Handlungen einfließen zu lassen.

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Die Lernbedingungen auf der Station sind für die Schüler nicht gerade als optimal

einzustufen. Weil sich das theoretische Wissen der Schüler in der Praxis nur

bedingt oder überhaupt nicht umsetzen lässt, steigt der Belastungsfaktor bei den

Schülern und verursacht Spannungen und letztendlich Frust.

Da die Ausbildung einem dualen Prinzip folgt, indem die Schule den

Bildungsauftrag und die Praxis als Arbeitsort dem Beschäftigungssystem

angehört, ist die räumliche, oft auch institutionelle Trennung der beiden Lernorte

ein weiterer Faktor, warum das Theorie-Praxis-Verhältnis als problematisch zu

sehen ist.

Schule und Praxis sind inhaltlich, personell und strukturell unterschiedlich

gelagert und die Zusammenarbeit klappt nicht besonders, sodass wichtige

Synergieeffekte der Ausbildung nicht genutzt werden können.

Wenn Schüler aus organisatorischen Gründen zuerst ihr Praktikum absolvieren

und anschließend den theoretischen Input vermittelt bekommen, dann ist der

Lerneffekt geringer, als wenn die Ausbildung vice versa erfolgt.

Auch der zeitliche Abstand zwischen dem theoretisch Erlernten und dem

Praktikum sollte nicht zu groß sein, denn sonst wird vieles wieder vergessen.

Alle diese Einflüsse zeigen letztendlich sehr deutlich, dass Spannungen im

Theorie-Praxis-Verhältnis vorhanden sind, dass die Probleme, die dazu führen,

aber nicht unlösbar sind.

Wie schon die Schüler bei ihrer Befragung konstatieren, ist das Wissen aus

Theorie und Praxis eine Einheit und sollte nicht getrennt werden, denn in beiden

Bereichen wird viel Wissen vermittelt und daraus gelernt. Es sollte eine gesunde

Mischung zwischen Theorie und Praxis vorhanden sein und sie sollte sich im

Gleichgewicht halten.

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Theorie und Praxis sind zwei Bereiche, die dazu beitragen, die Qualität der

Ausbildung zu erhöhen und damit auch das Fach der Pflege weiterzuentwickeln.

Beide Disziplinen dürfen sich nicht länger als Gegensätze betrachten, sondern sie

müssen miteinander kooperieren und konstruktiv zusammenarbeiten, sie müssen

das Gemeinsame in den Vordergrund stellen, nur dann kann sich die Pflege als

eigene Wissenschaft und Profession unter all den anderen Wissenschaften im

Gesundheitsbereich etablieren.

123

Page 124: ÖGKV: ÖGKV - Österreichischer Gesundheits- und ...Theorie und Praxis und ich möchte nach Möglichkeiten suchen, die Spannungen des Theorie und Praxis Verhältnisses zu reduzieren

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Curriculum Vitae

Name: Walter Firlinger

Geburtsdatum: 20.09.1958

Staatsbürgerschaft: Österreich

AUSBILDUNG:

1964-1968 Volksschule

1968-1972 Hauptschule

1972-1973 Polytechnischer Lehrgang

1973-1976 Maurerlehre

1981-1984 Ausbildung zum psychiatrischen Krankenpfleger

1991-1992 Ausbildung zum Fahrlehrer

2001-2002 Ausbildung zum NLP-Practitioner

2002 Studienberechtigungsprüfung

2002-2007 Studium der Pflegewissenschaft

2004-2005 Ausbildung zum Praxisanleiter

FORTBILDUNGEN:

1998-1999 Pflegesystematiken und -Aktivitäten in der Psychiatrie

1999 Pflegediagnostik in der Psychiatrie

1999 NLP-Einführungsseminar

2000 NLP-Intensivseminar

BERUFSPRAXIS:

1984-dato DGKP, Psychiatrie in Ybbs

1992-2000 Fahrlehrer

2005-dato Praxisanleiter

St. Pölten, am 24.04.2007

Walter Firlinger