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(Ge)schichten über Schichten

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(Ge)schichtenüber Schichten

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(Ge)schichten über SchichtenEine Projektdokumentation

Sabine BöhmeAnke FischerGabriele Sagasser

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Diese Publikation dokumentiert ausgewählte Stationen des archäologischen Kunstprojekts (Ge)schichten über Schichten.

Texte Sabine Böhme, Gabriele Sagasser, Freyja CastlesFotos und Gestaltung Anke Fischer Druck druckpunkt, Berlin

Fotos auf den Seiten 14 bis 15 und 28 bis 31 mit freundlicher Genehmigung des Vorderasiatischen Museums und der Besucher-Dienste der Staatlichen Museen zu Berlin.

Nachdruck der Broschüre mit freundlicher Unterstützung der Besucher-Dienste der Staatlichen Museen zu Berlin.

© 2008 Berlin

ProjektzeitraumSeptember 2007 bis August 2008

Konzept und ProjektleitungSabine Böhme M. A., Vorderasiatische ArchäologinAnke Fischer, Bildende Künstlerin und KunstvermittlerinGabriele Sagasser, Lehrerin für Bildende Kunst

PartnerCarl-Kraemer-GrundschuleKunstbetonte GanztagsschuleZechliner Straße 4 13359 Berlin-Wedding

Seniorendomizil an der PankeKoloniestraße 2313359 Berlin-Wedding

FörderungDas Projekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Programms Vielfalt tut Gut. Jugend für Vielfalt, toleranz und Demokratie - gegen Rechtsex-tremismus, fremdenfeindlichkeit und antisemitismus.

Ausstellung im Museum für Vor- und FrühgeschichteDas Projekt wird vom 15.11.2008 bis 28.02.2009 im Museum für Vor- und Frühgeschichte vorgestellt.

Museum für Vor- und FrühgeschichteSchloss Charlottenburg, Langhansbau14059 Berlin-Charlottenburg

ÖffnungszeitenDi bis Fr 9.00 bis 17.00 UhrSa bis So 10.00 bis 17.00 Uhr

VerkehrsverbindungenU-Bahn U2 (Sophie-Charlotte-Platz), U7 (Richard-Wagner-Platz)S-Bahn S41, S42, S46 (Westend)Bus M45, 309 (Schloss Charlottenburg), 109 (Luisenplatz/Schloss Charlottenburg)

Eine Ausstellung der Besucher-Dienste der Staatlichen Museen zu Berlin in Kooperation mit der Carl-Kraemer-Grundschule Berlin-Mitte und dem Museum für Vor- und Frühgeschichte.

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Impressum

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Die Archäologin

„Live vom Petriplatz“ - Ausgrabung vom Landesdenkmalamt 2007 bis 2008

Ordnen, Klassifizieren, Restaurieren

Spurensuche im Kiez - Erste Ausgrabung auf dem Schulhof

Schichten in 45 Minuten - Eine inszenierte Ausgrabung auf dem Schulhof

Entdecken & Deuten

Was siehst du?

Vergleichen & Beobachten - Vor den Vitrinen im Museum

Lyrischer Ton

Markenware

Verwandeln & Verfremden - Bauen für die Zukunft

Live!Speaker

Warum es so wichtig ist ...

Autoren

InhaltsverzeichnisImpressum

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Welche Möglichkeiten gibt es, Menschen in einem Kiez wie dem um die Soldiner Straße im Wedding zueinander zu bringen? Die heutigen Bewohner des ehemals bodenständi-gen, aber wenig privilegierten Berliner Kiezes - der bekannte Schauspieler Harald Juhnke ist hier aufgewachsen - gehören 32 verschiedenen Nationen an. Diese in Berlin lebenden Personengruppen fasst man üblicherweise unter dem Begriff Migranten zusammen. In Vergessenheit gerät darüber bis-weilen, dass hinter jedem dieser Menschen sich eine eigene Geschichte verbirgt. Einige der Kinder, die im Kindergarten oder in der Schule erstmals aufeinander treffen, wurden in der alten Heimat, andere bereits in Deutschland geboren.

Welche Identitäten können die Kinder, aber auch die Eltern dieser Kinder in der neuen Umgebung entwickeln, vor allem, wenn nicht selten wirtschaftliche und auch persönliche Probleme den Alltag über Gebühr belasten? Welche ge-meinsamen Themen kann es im Kiez geben, auch mit den „deutschen“ Berlinern?

In unserem Projekt (Ge)schichten über Schichten von September 2007 bis August 2008 haben wir zusammen mit Schülergruppen der Carl-Kraemer-Grundschule, einer kunst-betonten Schule im Umfeld der Soldiner Straße, versucht, uns in intensiver Projektarbeit mit dieser kulturellen Vielfalt auseinanderzusetzen. Wir wollten die gemeinsamen Erfah-rungen unseres Tuns mit anderen Gruppen im Kiez teilen und haben einige Mühe darauf verwendet, diese einzubeziehen. Im Vordergrund unserer Arbeit standen Schüler der 4. und 5. Klassen der Carl-Kraemer-Grundschule.

Ausgangspunkt unseres Projekts war ein Grundgedanke archäologischen Forschens. Die Vergangenheit und damit ihre für uns heute verborgene materielle Hinterlassenschaft stammt aus verschiedenen Schichten und Zeithorizonten, es gibt älteres und jüngeres, also uns heute näheres Material. Die Arbeit des Forschers besteht zum einen darin, die Funde aus den einzelnen Schichten verantwortungsvoll zu bergen und zu erhalten. Eine weitere Aufgabe ist es, die Beziehungender Funde einer Schicht und die Bedeutung der Schichten zu-einander zu verstehen und zu deuten. Das sollte den Schülern zwischen neun bis zwölf Jahren in unserem Projekt (Ge)schichten über Schichten näher gebracht, mit den Mitteln der Kunstpädagogik vertieft und in Bildern und anderen Kunstwerken dokumentiert werden.

Einzelne Stationen unserer Arbeit mit Schülern und ihren unterschiedlichen Lernbefähigungen waren z. B. ein Besuch der großen und äußerst spannenden Ausgrabungen des Lan-desdenkmalamtes Berlin am Petriplatz in Berlin-Mitte,

der die praktischen Tätigkeiten der Forscher veranschaulichte und es den jungen Besuchern ermöglichte, alles selbst in Augenschein zu nehmen. Daneben konnten die Schüler noch Einblicke in die Geduld erfordernde Arbeit von Restauratoren auf der Museumsinsel gewinnen. Nach dieser Vorbereitung haben wir das Gesehene selbst in die Tat umgesetzt. Das geschah in Form einer Ausgrabung im Hof der Schule. Wis-senschaftliches wie künstlerisches Arbeiten im Team bei der Umsetzung aller notwendigen Tätigkeiten hat den Schülern und den zu uns gestoßenen Kiezbewohnern von Mal zu Mal immer mehr Freude bereitet und Aha-Erlebnisse vermittelt.

Was kann es für Schüler im Soldiner Kiez und für ihre neu gewonnenen Kontakte bedeuten, mehr über Archäologie und ihre Methoden zu wissen und damit auch ein positives „Gefühl“ für die Arbeit von Forschern gewonnen zu haben?Zum einen sind wir der Ansicht, dass die spielerisch-künstle-rische Beschäftigung mit archäologischen Methoden bei den Schülern Bewusstsein für Geschichte geweckt hat. Lehrerin-nen und Lehrer in den Schulen um die Soldiner Straße haben die Erfahrung gemacht, dass dieser Kiez in seinen sozialen Beziehungen innerhalb der Familien wie auch nach außen hin relativ „stumm“ ist. Über die eigene Familiengeschichte wird wenig gesprochen. In unserem Projekt (Ge)schichten über Schichten sollte zum anderen die Idee vermittelt werden, dass es einfach interes-sant sein kann und Spaß macht, sich mit materiellen Dingen aus früheren Zeiten von hier oder anderswo in der Welt aus-einanderzusetzen, zumindest, wenn man sich intellektuell und emotional einbringt.

Am Ende des Projekts sind wir der Meinung, dass es uns mit vereinten Kräften von museums- und kunstpädagogisch ausgerichteter Arbeit nicht nur gelungen ist, bei den Schü-lern Interesse für Archäologie zu wecken. Auch die Haltung der Schüler im Umgang mit anderen Kulturen hat sich verändert. Etwas schwieriger gestaltete sich im begrenzten Projektzeitraum die Übertragung dieser Ideen in den Kiez hinein. Wir stellten fest, dass das Thema Archäologie attrak-tiv, die Interaktion zwischen Schülern und Gruppen im Kiez aber in der praktischen Umsetzung nicht immer einfach war.Eines wurde jedoch besonders deutlich: Entgegen gängiger Ansichten über die vermeintliche Bildungsferne bestimmter Personengruppen können auch in einem Stadtbezirk wie dem um die Soldiner Straße Museen und andere kulturelle Institutionen der Stadt sowie „kulturelle“ Themen „punk-ten“. Neben guter pädagogischer Betreuung in den Schulen bedarf es hierzu jedoch qualifizierter Mittlerpersonen, die über einen längeren Zeitraum greifbar, ansprechbar und präsent sind.

Einführung

21. 09.2007Schülerinnen und Schüler der Carl-Kraemer-Grundschule setzen mit der Ausgrabungsleiterin Claudia Melisch eine Ofenkachel aus der Zeit Friedrich des Großen (1712 - 1786) zusammen.

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Unser Dank gilt an dieser Stelle denen, die nicht im Kiez angesiedelt sind, aber trotzdem - oft außer der Reihe und nur für uns - ihre Tore öffneten oder bereit waren, es zu tun, aber aus Zeitmangel nicht mehr im Rahmen unseres Projekts zum Zuge kamen: Claudia Melisch M. A., Leiterin der Ausgrabungen des Landesdenkmalamts am Petriplatz; Uta von Eickstedt, Leiterin der Restaurierungswerkstatt im Vorderasiatischen Museum, Staatliche Museen zu Berlin; Geraldine Saherwa-la, Besucherdienste Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin; Gerwulf Schneider, Arbeits-gruppe Archäometrie der Freien Universität Berlin; Dr. Angelika Tischer, Senatsverwaltung für Bildung, Wissen-schaft und Forschung, Fachaufsicht Bildende Kunst.

Und daneben gilt unser besonderer Dank: Clarissa Meyer und Kirsten Dürkop, Seniorendomizil an der Panke; Töpfermeister Gottfried Bielenstein, USE Union Sozialer Einrichtungen; Frau Mohammed, Elternbera-tungsstelle Casa-Dar; Hans Michalski und Helga Putzger, Förderverein der Carl-Kraemer-Grundschule; Christine Frank, Rektorin der Carl-Kraemer-Grundschule; Claudia Stötzer, Rainer Thoms, Karin Beyer und Dagmar Fischer, Carl-Kraemer-Grundschule; Keramikerin Monika Hinke; Mitarbeitern des Kiezcafés la tortuga.

Ebenso danken wir Prof. Dr. Matthias Wemhoff, Museum für Vor- und Frühgeschichte und Christoffer Richartz, Besucher-Dienste der Staatlichen Museen zu Berlin (Generaldirektion), für Ihre Unterstützung bei der Ausstellung.

Unser Projekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Programms Vielfalt tut Gut. Jugend für Vielfalt, toleranz und Demokratie - gegen Rechtsextremismus, fremdenfeind-lichkeit und antisemitismus.

Die folgenden Seiten dokumentieren Ablauf und ausge-wählte Stationen des Projekts (Ge)schichten über Schichten. Sie sollen als Anregung und Anschauungsmaterial für Perso-nen dienen, die in den Bereichen Schule, Jugendarbeit sowie Kultur- und Museumsarbeit tätig sind.

Bei der Konzeption unseres Projekts galt es, den Schulalltag und kunst- und museumspädagogisches Arbeiten über einen langen Zeitraum miteinander zu kombinieren. Ein weiterer Aspekt war, das, was sich die Schüler im Projektverlauf aneignen konnten, soweit wie möglich hinaus in den Kiez zu tragen. Hintergedanke war dabei, die Schüler und andere Menschen im Soldiner Kiez anzuregen, Kultur und kulturelle Identitäten durch eine neue Brille zu sehen, wie sie durch die Sichtweisen der Archäologie vorgegeben sind.Unser Projekt kann als Beispiel dienen, ob und wie sich ungewöhnliche Themen in den festgefügten Schulalltag integrieren lassen. Unser Projekt kann aber auch als Beispiel dafür herangezogen werden, inwieweit es möglich ist, mit bestimmten Impulsen über die Schule ausgewählte Thematiken im Kiez „anzustoßen“.

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Sanuel mit dem Adler des Bundesministeriums 04.10.2007Schulhofausgrabung. Kauthar und Amienah säubern Funde.

Die Schüler der 4. und 5. Klassen der Carl-Kraemer-Grund-schule, die bei dem Projekt (Ge)schichten über Schichten mitmachten und später als Multiplikatoren im Kiez wirken sollten, brachten folgende Voraussetzungen mit:

Deutsch in überwiegenden Fällen als zweite Sprache • mit vergleichsweise eingeschränktem Vokabular und reduzierter Grammatikrelativ häufig ausgewiesene Lernbehinderungen• altersbedingt kaum Vorkenntnisse in Geschichte• allerdings im Rahmen der kunstbetonten Ausrichtung • der Carl-Kraemer-Grundschule viel Erfahrung mit kunstpädagogischem Arbeiten

Für das Projekt (Ge)schichten über Schichten wurde eigenes Unterrichts- und Anschauungsmaterial vorbereitet und Besuche an authentische Orte organisiert. Wir hoffen, dass sich an den folgenden Seiten ablesen lässt:

die Durchführung eines solchen Projekts im Schulalltag • ist nicht einfach und bedarf großen Entgegenkommens seitens der Leitung und des Kollegiums der Schuledie messbare Begeisterung der Schüler für Archäologie • und ihre praktische Vorgehensweise war ein positives Ergebnisinsbesondere war das Niveau, auf dem die Schüler • ihre Erfahrungen umsetzten, der beste Beweis ihrer Potenziale. Von einer Distanz zwischen den „Migranten“ und der Kultur der Mehrheitsgesellschaft war bei den Schülern wenig zu spüren„Kultur“ kommt bei den Schülern an, wenn sie sich • diese aktiv erarbeiten können und wenn ein von ihnen akzeptierter Ansprechpartner, der Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen repräsentiert, über einen relativ langen Zeitraum zur Verfügung steht in einem Stadtquartier wie dem um den Soldiner Kiez • ist es möglich, ein Thema wie die Archäologie als ge-meinsames Thema über alle trennenden Unterschiede hinweg einzubringen. Es bedarf hierfür aber eines erheblichen zeitlichen und personellen Aufwandes

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Die ArchäologinArchäologin: Erinnert ihr euch, was ich mache?Schüler: Du machst etwas mit alten Sachen. Du hast ein Buch geschrieben mit wertvollen Sachen. Abdrücke sind darin.Archäologin: Ich bin eine Forscherin. Was ist forschen? Mehrere Schüler: Man will etwas genauer wissen. Wie bei Naturwissenschaft ... Ein Experiment machen ... Ich habe mal nach Blättern geforscht. Ich habe sie abgemalt ... Ich habe einmal meine Schere erforscht - unter dem Mikroskop ... Ich habe mein Meerschweinchen erforscht. Es hat mich gekratzt ... Ich habe einmal ein Baugerät von meinem Vater auseinan-der genommen. Ich konnte es nicht mehr zusammen bauen. Meine Mutter hat es wieder zusammen gebaut.Archäologin: Was braucht man zum Forschen?Schüler: Geduld! Bei der Sache bleiben. Als Team durchhalten.Archäologin: Was wollen wir in unserem Projekt erforschen? Was heißt (Ge)schichten über Schichten? Schüler: Eine Schicht kommt auf die andere.Archäologin: Schichten erzählen von Menschen. Schichten

wurden von Menschen gemacht. Wie erfahren wir von den Schichten? Schüler: Sie buddeln ... (Hier protestieren die anderen Schüler:) Nein, sie graben aus! Sie legen etwas frei. Sie finden etwas.Archäologin: Was sind Funde? Warum will man etwas über die früheren Menschen wissen?Mehrere Schüler: Wie sie alles überlebt haben. Was sie gemacht haben, wie sie durchgehalten haben. Was sie ge-arbeitet haben. Wie sie ihre Häuser gebaut haben. Welches Material sie hatten. Was sie angezogen haben.Archäologin: Archäologen fragen, wie es wirklich war. Was sind Fakten?Mehrere Schüler: Wenn man einen Beweis hat. Jemand klaut etwas und man hat Fingerabdrücke und Fußspuren. Ein weiterer Schüler: Wenn es nur ein paar Dinosaurierknochen gibt, wie können die dann vollständig gezeigt werden?

11.10.2007Fundstücke auf dem Schulhof! Scherben, Schutt und Steine freilegen.

Was hat die Archäologie mit unseren Schülern zu tun?Ein Archäologe beobachtet und isoliert, beschreibt und interpretiert Fakten, setzt Bruchstücke zusammen und füllt Lücken. Das tun Grundschüler ebenfalls, wenn sie entdeckend lernen. An vielen Punkten des Projekts wird deshalb die Frage „Was siehst du?“ gestellt. Der Forscherblick des Kindes wird angesprochen, das wertfreie Staunen und Fragen. Die Kinder erfahren im Projekt, wie ein Archäologe arbeitet. Die Ausgrabungsstücke regen zu einer Auseinandersetzung über den Wert einer Sache an.

20.09.2007Wie funktioniert Archäologie? Sabine Böhme zeigt Bilder einer Ausgrabung in Syrien, bei der sie als Archäologin geforscht hat.

1. Projektwoche

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„Archäologen wissen, dass Cölln und Berlin älter sind als das Datum auf der Urkunde

(von 1237)“, sagt Claudia Melisch, Leiterin der Ausgrabungen, in der Berliner Zeitung.

Spurensuche in den mittelalterlichen Städten Cölln und Berlin so die Überschrift

des Artikels von Anne Vorbringer in der Ausgabe Nr. 32 vom 07.02.2008.

Wir wechseln ein paar Meter weiter zum alten Friedhof. Dort legt eine Anthropologin gerade ein menschliches Skelett frei. In ihrem Werkzeugkoffer finden wir Kellen, Spachtel, Löffel und Pinsel, ein Maßband, Buntstifte, kleine Tüten, Bleistiftanspitzer, Lot und Schnur.Das Sterbealter des Menschen wird anhand der Zähne er-mittelt. Sie sind das härteste Material im menschlichen Kör-per und noch gut erhalten. An der Ausrichtung der Skelette von West nach Ost ist erkennbar, dass es sich um Christen handelte. Nach der wissenschaftlichen Bearbeitung werden die Skelettreste aus Pietätsgründen wieder bestattet.

Auf dem Gelände ist Vorsicht geboten. Die Erdschichten wurden sorgsam abgetragen. Eindrücklich ist für die Schü-ler, wie einzelne Schädel und Knochen, durch die Archäolo-gen herauspräpariert, halb aus der Erde ragen. Am meisten berührt sie das Skelett eines einjährigen Kindes.

„Live vom Petriplatz“Ausgrabung vom Landesdenkmalamt 2007 bis 2008

Heute sammeln wir Eindrücke vor Ort bei den Profis. Die Kinder sind aufgeregt und erwartungsvoll. Claudia Melisch, die Leiterin der Ausgrabung am Petriplatz, empfängt uns mit braungebranntem Gesicht. In ihrem beigefarbenem „Activity-Anzug“ und dem roten „Piratenkopftuch“ sieht sie sehr professionell aus.

Das Grabungsgelände liegt abgeschirmt hinter einem Bau-zaun direkt neben der großen und stark befahrenen Kreu-zung am Spittelmarkt. Hier standen einst die älteste Schule Berlins und eine große Kirche. Am Bauwagen schauen wir uns die Fundkisten an. Sie sind gefüllt mit Keramikscherben, Tierknochen und Kacheln. Unter einem Wasserstrahl dürfen die Schüler ausgesuchte Scherben reinigen. Mit Begeisterung setzen sie die Einzel-teile einer schwarzen Ofenkachel zusammen. Unter der Sandkruste kommt ein königlich-preußisches Monogramm zum Vorschein. Claudia Melisch: „Das könnt ihr ja richtig gut. Ihr könnt hierbleiben.“ Nach dem Betrachten muss dieser Fund unbedingt wieder in die Fundkiste.

21.09.2007Wie die Archäologen haben wir unsere eigenen Kopfbedeckungen gegen die „Wüstensonne“ auf der Ausgrabung am Petriplatz mitgebracht. Mehmet und Ugur zeigen, wie winzig ein Ober-schenkelknochen ist, den die Archäologen freigelegt haben.

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Was tun die Archäologen? Beobachte und notiere die einzelnen Arbeitsschritte. Was kennst du schon? Was ist dir unbekannt? Sei genau!

2. Projektwoche

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„Am südlichen Zipfel der Museumsinsel stand die Wiege Berlins,“ schreibt Kai Michel in seinem Artikel Geburt der Metropole in Die Zeit, Nr. 6 vom 31.01.2008.

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Uta von Eickstedt, Restauratorin im Vorderasiatischen Museum, bringt die Dinge wieder „in Ordnung“. In ihrer Werkstatt hat sie verschiedene Arbeitsplätze für uns vor-bereitet, an denen die Kinder die Arbeit eines Restaura-tors nachvollziehen können. Während des Zusammenfügens einer Tontafel aus den un-zähligen, kleinen Bruchstücken vergleicht die Restauratorin immer wieder den Fortschritt ihrer Arbeit anhand von Fotos, die sie zu Beginn der Restaurierung gemacht hat. Uta von Eickstedt sagt, dass sie die Keilschrifttexte selbst nicht lesen kann, sie weiß aber, wie die Schriftzeichen auf der Tafel ver-laufen müssen. Wenn sich Tonbruchstücke verzogen haben,

und es nur über die Kenntnis des Texts möglich ist, die Platzierung des Bruchstücks vorzunehmen, muss sie den verantwortlichen Wissenschaftler fragen.Die Schüler können auch durchs Mikroskop auf eine antike Terrakottafigur schauen. Sie erkennen die vielen kleinen Salz-kristalle, die für die Terrakotta schädlich sind und sie zerstö-ren werden. Die Kristalle müssen vom Restaurator entfernt werden.

28.09.2007 Besuch der Restaurierungswerkstatt des Vorderasiatischen Museums Berlin

Ordnen, Klassifizieren, Restaurieren

Einige Glas- und Keramikscherben sowie Steine, die wir auf dem Petriplatz gefunden haben, dürfen wir mit Erlaubnis der Archäologin von der Grabung mitnehmen. Wir untersu-chen sie in unserer Werkstatt. Scherben und Steine werden abgebürstet, gesäubert, ausgemessen, sortiert, auf Fund-zetteln vermerkt und in Fundtüten aufbewahrt.

27.09.2007Amienah und Daniel nehmen Scherben unter die Lupe.

Funde aus einer Fundstelle werden:

gesammelt1. gewaschen2. getrocknet3. zusammengefügt (restauriert)4. rekonstruiert5. beschrieben, fotografiert, gezeichnet6. ausgestellt7.

3. Projektwoche

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Liebe Allesfinder und angehende Ausgräber,

am Donnerstag, den 04.10.2007 geht es los.

Wir präparieren unsere Fundstelle!

Treffpunkt: 1. Hof, an der Eibe.

Bitte Arbeitskleidung anziehen! Feste Schuhe, Hosen.

Das gleiche gilt für den 11 .10.2007.

Für Donnerstag brauche ich Kinder, die helfen,

die Ausgrabungswerkzeuge nach draußen zu schaffen.

Bitte fragt, ob ihr schon um 8:15 Uhr kommen dürft.

Bitte unbedingt pünktlich sein.

Frau Sagasser

„Ich habe versucht, die Scherben zu kleben. Aber ich hatte keinen Klebstoff. Deshalb habe ich die Scherben zusammengelegt. Mehmet hat mir geholfen. Es war schwer, die Sachen zu reinigen wegen der Ritzen, Rillen und Risse. Die Scherben glitzerten, weil ich sie sauber gemacht habe. Ich habe die Scherben nach der Farbe geordnet: weiß zu weiß, grau zu grau, schwarz zu schwarz, rot zu rot. Es hat Spaß gemacht. Ich vermute, dass die Scherben vom Friedhof waren.“

Halid, 5a

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Spurensuche im Kiez

Tu deinen Job! Wenn du etwas anderes arbeiten möchtest, besprich das mit dem Ausgrabungsleiter. Bleib ruhig und geduldig!

Erste Ausgrabung auf dem Schulhof

Zunächst mussten wir das Gelände abstecken und von Blättern, Wurzeln und störenden Ästen säubern. Der da-raus entstehende Bio-Abfall wurde mit viel Begeisterung in die braune Tonne verfrachtet. Immerhin sechs schwere Säcke! Nachdem die Archäologin ein Areal von 4 x 3 Me-tern mit der Kelle auf dem Boden umrissen hatte, wurde zunächst ein Orientierungsmesspunkt gesucht. Um die zukünftigen Funde einzumessen, wurden an den Längs- und Querseiten Messbänder befestigt.

Zwei Schülerinnen sichern sofort mit Baustellenflatter-band den gesamten Ausgrabungsbereich. Während die an-deren anfangen auszugraben, bauen sie mit Anke Fischer ein Gestell für unsere Infotafel. Sie soll die anderen Schüler über das Projekt und das, was wir im Hof machen, informieren.

Stark verschmutzte Funde sammeln wir in einem ge-sonderten Eimer. Sie werden gesäubert und gewaschen. Überwiegend handelt es sich um gelbe und rote Zie-gelsteinreste, Porzellanscherben - meistens weiß -, ein langes, henkelartiges Metallrohr, sogar eine etwas ram-ponierte Austernmuschelschale und viel Plastikabfall aus jüngerer Zeit. Die Kinder können im noch ungewaschenen Fundmaterial nur schwer zwischen Steinen und echten Funden wie Scherben unterscheiden. Solche Probleme ha-ben aber durchaus auch Archäologiestudenten des ersten Semesters.

Das spielerische Arbeiten mit archäologischen Vorge-hensweisen und Methoden ist nicht immer einfach. Tiefe Baumwurzeln behindern das Abtiefen. Wie auf archäologi-schen Ausgrabungen sollte das auszugrabende Areal in einer rechteckigen Form erkennbar bleiben. Ebenso die Schnitt-kanten der Grabungsstelle, um die einzelnen Schichten von-einander unterscheiden zu können. Die jüngere Gruppe - die allesfinder - machen dort weiter, wo die erfahrenen lockermacher aufgehört haben. Bei die-ser Gruppe sind Entdeckervorfreude und Begeisterung nur schwer steuerbar. Jeder versucht, sich ein Handwerkszeug zu erstreiten und hackt darauf los. Zwei Schülerinnen, denen das zu unruhig ist, setzen sich ab und konzen-trieren sich auf das Waschen der Funde.

Alle staunen über die Funde, die aus der Erde im Schulhof geborgen werden. Eine reichhaltige Fundkiste mit ca. 50 eingetüteten Funden und dazugehörigen Fundzetteln widerlegte am Ende die Befürchtung, dass „hier ja doch nichts gefunden werden“ könne.

die LockermacherKlasse 5Jaqueline Tuba ValentinaSamanthaJasmina Halid MehmetAhmad Ugur

Die Grabungsteams

die AllesfinderKlasse 4KautharZehra Jasmin Amienah Mathilda Daniel MarvinOmar Deni SanuelMarko Ali

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4. Projektwoche

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Schichten in 45 Minuten

02.11.2007Die „ältere“ Schicht wird mit Jute und Sägespänen angelegt.

Die „jüngere“ Schicht besteht aus Luftpolsterfolie, Styropor und Schaumstoff.

Mutterboden eimerweiseschichten.

Eine inszenierte Ausgrabung auf dem Schulhof

Erster Schritt: Bekannte Gegenstände, die alle um das Thema Geburtstagsfeier kreisen, werden von den Schülern künstlerisch verfremdet.

Zweiter Schritt: Die Grabungsteams vergraben diese „Funde“ - Tassen, Teller, Speisen und Dekoration - in ver-schiedenen Schichten. Die „älteren“ Gegenstände legen sie in eine Schicht aus Naturmaterialien, die „jüngeren“ in eine darüber liegende Schicht aus Plastikfolie.

Dritter Schritt: Wieder sind die Allesfinder und die locker-macher im Dienst. Abwechselnd heben sie die Funde der jeweils anderen Gruppe. Die jugendlichen Ausgräber sam-meln und beschriften sie mit Fundzetteln. Aus ihren Beob-achtungen ergeben sich Fragen. Werden wir alles wieder-finden? Und in welchem Zustand werden die vergrabenen Gegenstände sein? Welche Geschichten erzählen sie uns?

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Lege deine Schicht an. Achte auf die Reihenfolge. Besprich dich mit deinem Partner. Bleib bei deinem Job.

„Was war denn das für eine Party?“ Verändere die Gegen-stände. Setze min-destens drei Dinge neu zusammen. Die andere Gruppe soll sich wundern.

5. und 6. Projektwoche

Ein vorbereitetes „Fundstück“ für die inszenierte Ausgrabung: Partybecher mit Papierschirmchen und Kunststoffsardine in eingefärbtem Gips.

Unser LeitmotivAnalog zu den Strategien der zeitgenössischen Kunst entwickeln wir im Projekt Arbeitswei-sen, die einem realen Forschungsvorhaben ähnlich sind. Der wissenschaftliche Blick soll durch einen ästhetischen, einen „wilden“, vor-wissenschaftlichen Blick nicht abgeschafft, sondern abgewandelt werden. Verrückte For-schungssituationen sollen Raum schaffen für ungewöhnliche Perspektiven.

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„Die Massivkette“Wem gehört der Fund? Dem, der ihn zuerst ge-sehen, oder dem, der ihn ausgegraben hat? Ist ein Ausgrabungsgegenstand persönliches Eigentum?

01.11.2007„Und was ist mit den häßlichen Dingen? ... Die graben wir wieder ein.“

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An diesem Tag kommt eine Besuchergruppe aus dem Seniorendomizil an der Panke hinzu.

Es wird ein Name für den Fundort gesucht und schnell gefunden: Palme 1. Anke Fischer und Gabriele Sagasser erklären die Vorgehensweise beim Bürsten und Säubern: Sie zeigen Kartons für das Schichtenmaterial, Pinsel und Bürsten zum Säubern sowie Klebeband zum Reparieren ka-putter Fundstücke. Auf dem Säuberungstisch liegen außer-dem Schaschlikspieße, Strohhalme und Handtücher bereit. Wasserschalen werden herbeigeschafft. Sabine Böhme erläutert unterdessen an einem dafür bereitgestellten Tisch, wie die Fundzettel auszufüllen sind.

J. kaut Kaugummi, sie ordnet ihren Arbeitsplatz, sie trägt Turnschuhe, schwarze Jeans, ein T-Shirt und eine offene Strickjacke, obwohl es kalt ist. Sie ist so groß wie Gabriele Sagasser. Anke Fischer bringt noch mehr Pappkartons, welche von J. mit Klebefilm repariert (genannt: „präpariert“) werden. T. bereitet die Fundzettel vor. J. arrangiert die ge-säuberten Fundstücke auf einem Handtuch auf ihrem Säu-berungstisch. Y. fotografiert sie. J.: „Ihh!! Eine Batterie ist in der Dose.“ Aufbrausend schimpft sie: „Wo sind die Sachen?“. Sabine Böhme hatte sie zum Beschriften abgeholt. Herr B. aus dem Altenheim arbeitet mit, er schreibt auch Fundzet-tel. J. wäscht eine Glasscherbe mit Wasser und Schwamm, trocknet sie dann ab. J. bürstet eine mit Verband umwickel-te Gabel: „Das darf ich nicht eintauchen. Als wenn es eine Mumie ist“, kommentiert sie ihre Arbeit. A.: „Gib mal das ...“ zeigt auf den Greifer. Er bürstet die Erde weg und scheint endlich das Verfahren begriffen zu haben. Doch dann ist er wieder ungeduldig und will die Plastikfolie herausreißen. Anke Fischer: „Erst muss die Erde weggeschaufelt werden.“ A. zieht wieder etwas unter der Schicht hervor. A. soll ein kleines Kästchen (Fundstück) vorsichtig in die Schichtenkis-te tun. Er schmeißt es hinein. Er braucht eine Pause, sitzt ca. zehn Minuten abseits. J. stellt fest, dass Ton nicht ins Wasser darf. Sie fragt „Machen wir das länger als zwei Stunden?“ Anscheinend hat sie Lust, noch weiter zu arbeiten. A. und V. rechen Laub von der markierten Ausgrabungsstelle weg. Sie finden etwas unter der Erde, mit der Bürste wird vorsich-tig die restliche Erde entfernt und in einem „Schichteneimer“ gesammelt. Die zweite Schicht besteht aus Zeitung.

A. ist ungeduldig und gräbt mit dem Spaten Löcher. Die Er-wachsenen versuchen, ihm zu erklären, dass er „nicht in die Tiefe gehen“, sondern die „Spur verfolgen“ soll. J. klebt wei-ter Kisten. Sie wartet auf Funde zum Bürsten. Da sie sonst keine Arbeit hat, ordnet sie wieder ihren Arbeitsplatz. A. hat inzwischen einen Spachtel bekommen, in der Hoffnung, dass er damit behutsamer vorgeht. V. hat ein Ende eines Plastikseils entdeckt und zieht daran. A. findet eine Kerze. Jeder Fund wird hochgehalten und kommentiert, teilweise auch fotografiert. Er zieht eine Tasse aus der Erde, ohne darauf zu achten, aus welcher Schicht diese kommt. Jetzt graben viele Kinder mit Spaten, Bürsten und Kellen. Anke Fi-scher versucht immer wieder die Schüler davon abzuhalten, sich als „Schatzgräber“ zu betätigen. Sie werden ermutigt, systematischer, also Schicht für Schicht, beim Freilegen der Objekte vorzugehen. Gäste aus dem Altenheim kommen, Gabriele Sagasser kümmert sich um sie. J. probiert erst jetzt verschiedene Bürsten aus. Gabriele Sagasser beginnt mit den Aufräumarbeiten. J. äußert, dass es ihr gut gefallen hat, Spaß gemacht hat, aber zu kurz war. Insgesamt hat sie sehr konzentriert, wenn auch nicht unbedingt behutsam gear-beitet. A. ist erschöpft. Ihm war es anscheinend zu lang. Er spricht mit anderen Kindern. J. gräbt an verlassener, leerer Fundstelle weiter. A. soll aufräumen helfen. J. fragt: „Was machen wir mit den Sachen?“, Gabriele Sagasser gibt die Frage zurück. J.: „Ordnen, katalogisieren, wie bei der Mord-kommission.“

Insgesamt scheint es, trotz Anstrengung und teilweiseungeordneten Momenten, allen Spaß gemacht zu haben. Die Kinder haben ohne Kommentar die Pause durchgear-beitet, obwohl die anderen Klassen auf dem Hof gespielt und teilweise auch zugeguckt haben. Sie waren mit Ernst-haftigkeit in ihre Arbeit vertieft. Nur beim Aufräumen waren sie nicht mehr ganz so eifrig dabei.

Freyja Castles

Notizen einer Lehramtsstudentin im Rahmen ihres Unterrichtspraktikums

1. und 2. HospitationsstundeInszenierte Ausgrabung zum Thema Geburtstag, Kunstunterricht bei Gabriele Sagasser01.11.2007, 8: 45 bis 10:20 Uhr, Klasse 5a Ort: Vorbereitete Ecke auf dem Schulhof

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„Ich messe einen Restteller aus und schreibe Fund-zettel. Auf einem Fundzettel steht der Name der Grabungsstelle, die Fundnummer, die Bezeichnung des Gegenstands und seine Maße.“

Ali, 4a

Entdecken & DeutenUm Fremdes und Ungewöhnliches aus einer - vielleicht auf den ersten Blick nur - unbekannten Welt zu begreifen, für uns und unser heutiges Leben verständlich zu machen, müssen wir die entdeckten Dinge genau betrachten, begut-achten, zeichnerisch festhalten, vielleicht fotografieren

und unsere Beobachtungen aufschreiben und mittei-len. Der künstlerische wie fantasievolle Umgang kann uns beim Verstehen genauso helfen wie das nüchterne Arbeiten eines Forschers.

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Erdversteck 07/08Fund-Nr.: 4Blaues Objekt, 5,5 cmPlatz- und Knallschicht

Palme 1Fund-Nr.: 2Schale mit SchlüsselHöhe 1,8 cm, Durchmesser 9 cmSchicht II

Palme 1Fund-Nr.: 14kaputte Gabel aus PlastikSchicht I

Palme 1Fund-Nr.: 19kaputtes PlastikglasSchicht III

Palme 1Fund-Nr.: 23Kännchen mit HaarenSchicht III

7. und 8. Projektwoche

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Zeichnen schärft den Blick und übt das Auge. Zeichnen hilft, Verborgenes zu erkennen und die Vielfalt eines scheinbar wertlosen Gegenstandes wahrzuneh-men. Kontraste wie hell und dunkel, durchsichtig und undurchsichtig, eckig und gebogen, glänzend und stumpf nicht nur zu sehen, sondern auch darzustellen, erfordert Geduld, Sorgfalt und Erfindungsgabe.

Was siehst du?

Palme 1Fund-Nr.: 13 Schildkröte aus Plastik, 8 cmSchicht I

Palme 1Fund-Nr.: 4Pokalglas, 9 cm, Durchmesser 12 cmSchicht II

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Zeichne dein Fundstück genau ab. Zeichne groß. Achte auf Licht und Schat-ten. Achte auf Strukturen und Muster. Benutze Kohle, Kreide und Rötel. Übertreibe, aber bleib dabei genau!

Erdversteck 07/08Fund-Nr.: 11 PlastikblumenPlatz- und Knallschicht

Palme 1Fund-Nr.: 3Dose und Löffel mit Batterie und Schaumstoff, 17.5 cmDurchmesser 6,5 cmSchicht II

Erdversteck 07/08Fund-Nr.: 7 Armband, 4,7 cmPlatz- und Knallschicht

Erdversteck 07/08Fund-Nr.: 3 Armbanduhr, 18 cmLaubschicht

11. und 12. Projektwoche

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Vergleichen & BeobachtenVor den Vitrinen im Museum

Dinge oder Objekte, die wir herstellen, spiegeln einen Teil unserer Welt wider. So ist das auch mit Dingen, die lange in der Erde verborgen waren. Sie gehörten Menschen, die vor uns lebten und berichten über die Vergangenheit. Diese Dinge kommen erst durch Forscher wie Archäologen erneut ans Licht.

Nachdem sie sortiert, dokumentiert und restauriert wurden, gelangen die Funde einer Ausgrabung ins Maga-zin oder in die Ausstellungsräume eines Museums. Dort kannst du sie nur noch hinter Glas betrachten!Bewohner aus dem Seniorendomizil an der Panke haben uns ins Museum für Vor- und Frühgeschichte begleitet. Alfred Zagorski hat dort viel gezeichnet.

Markante Köpfe:Porträt einer römischen Dame, Schicht Troja IX, Ende 1. Jh. v. Chr.1. Alfred Zagorski, 28.04.20082. Porträt des Tronfolgers und späteren Kaisers Tiverius, Schicht Troja IX, 10 v. Chr bis 14 n. Chr.3.

28.04.2008Jedes Ding hat seine Geschichte. Führung durch die Ausstellung im Schliemann-Saal des Museums für Vor- und Frühgeschichte

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26. und 27. Projektwoche

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Gefäße im Museum für Vor- und Frühgeschichte

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Zeichne die Gegenstände in deinerVitrine. Achte auf die Öffnungen, Henkel und Füße der Gefäße! Schreibe unten rechts auf, wie deine Gegenstände heißen.

Formenkunde im Museum

Viele Gefäße erinnern auch sprachlich an den Körper des Menschen: Sie haben Arme und Beine, Nasen, Ohren, Füße, Hälse, Schultern und Bäuche. Es gibt Zwillings- und Drillings-gefäße oder Gefäße in Tiergestalt.

Wozu wurden sie wohl benutzt?

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Fragebogen

Warum sind die Dinge hier ins Museum gekommen?Leute haben sie abgegeben• Das ist Abfall, den niemand haben will• Sie stammen aus Ausgrabungen• Weil sie vom Südpol kommen•

Was sind das für Dinge?zerbrechliche• neue• alte• hässliche• praktische•

Warum sind die Dinge hinter Glas ausgestellt?Sie ruhen sich aus • Sie werden hier verkauft • Sie werden hier gepflegt• Sie werden so gesichert, man darf sie nicht anfassen•

Warum gehen Leute ins Museum?Sie wollen sich informieren• Sie finden die Dinge schön• Sie haben nichts Besseres vor• Es ist ein Ort mit einer besonderen Stimmung•

Was hast du dir zum Abzeichnen ausgewählt?Tontopf • Tonfigur • Glasbecher• Silber-Bronzesachen• Metallgegenstand • Goldschmuck• Anderes•

Warum dieser Gegenstand?Frau Sagasser oder Frau Fischer haben mir das geraten• Mir gefällt es, weil ...•

Was hast DU von der Führung Schatz von Troja behalten? Nenne drei Stichwörter!

Die Kinder haben aufgeschrieben:

Spitzhelm, Ziernadel und Gewandnadel, Bronze 1. Hellebarde2. Flaches weibliches Idol, Ton3. Tongefäß mit langem Hals4. Mykenischer Krater, Henkelzone beidseitig mit 5. Stieren bemalt, TonKanne und Kännchen6. Schwerter 7. Frau mit Taube8. Trinkgefäße9. Pfeilspitzen, Nadeln, Angelhaken, Beschlag und 10. Gerät zur Metallverarbeitung

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Lyrischer Ton

Die Jagdgöttin artemis, lotusknospen und -blüten, Mäander Ahmad

Von großer Macht war der Weingott Dionysos. Hier überreicht er zwei Anhängerinnen eine Trinkschale. Als Gegengabe opfern sie ihm ein junges

Reh. Die alten Griechen feierten Dionysos durch wilde Feste, bei denen Frauen durch Wälder und Berge tanzten. Bestimmt tranken sie dabei

auch sehr viel Wein! Valentina malte dieses Bild von einer antikenAmphora des Malers Amasis ab.

Nach der Formenkunde kommt die Deko: Muster, Mythen, Männer und Tiere. Unter dem Stichwort lyrischer ton betrachten wir antike Vasenbilder. Mit den schwarzfigurigen Keramikvasen geht eine Art Zauber einher. Die schwarzen Figuren wurden nicht mit „schwarzer Farbe“ aufgetragen. Der feine Malschlicker enthielt eisenhaltigen Ton, der sich beim Brennen durch Einwirkung der Hitze farblich veränderte.

Eine Auswahl unseres Bildmaterials:

fabeltiere,• Frühkorinthischer Kelchtiere und Ornamente, • Chiotischer orientalischer KelchHerakles bei iphitos, • darunter Reiterfries, Korinthischer KolonettenkraterSteinböcke, lotusknospen und -blüten, ein flechtband, •Ostgriechische KanneDas abwiegen der Waren, • Amphora, Taleides-MalerDionysos und zwei Mainaden, • Amphora, Amasis-Malerachill und aias beim Würfelspiel, • Amphora, ExekiasRinger, • Amphora, Andokides-MalerGelage und Kompasten, • Trinkschale, Heidelberg-Malerartemis mit zwei Hirschen, • François-Vase

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Entscheide dich für Muster und Figuren, die dir besonders gefallen. Zeichne sie groß ab. Kombiniere. Erfinde. Sei genau!

28. bis 30. Projektwoche

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eine Schlange zwischen fabeltierenMehmet

PflanzenornamentSamantha (1x)

Die Jagdgöttin artemis, ein Reiter und zwei PferdeAmienah

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Die rot- und schwarzfigurigen Gefäße der griechischen Antike waren in jeder Hinsicht ein wertvolles „Geschenk“. Zum Beispiel erhielten Olympia-Sieger solche Vasen als Preis. Reich bemalte und verzierte Keramiken waren so etwas wie für uns heute die „Markenware“. Manchmal hat sich sogar der Töpfer selbst mit seinem Namen auf der Vase verewigt.

Markenware

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Das abwiegen von WarenMehmet (mit Signatur)

achill verbindet den im Kampf verwundeten PatroklosSemran, Herr Paul

Das SymposiumJasmin, Jaqueline

Das SportfestHalid, Alfred Zagorski

Scherben auf blauem GrundAhmad, Ugur

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26.06.2008Semran und Herr Paul collagieren eine Vase mit Kopiervorlagen und eigenen Mustern nach Vorbildern der griechischen Antike.

Dekoriere deine Vase nach griechischem Vorbild.

30. bis 35. Projektwoche

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Verwandle deine Plastikflasche in ein neues Gefäß! Verwende mindestens ein Gefäßmerkmal wie Arme, Beine, Bauch oder Hals, um dein Gefäß zu verändern. Übertreibe, damit deutlich wird, was du meinst.

Bauen für die Zukunft

Mit unterschiedlichen Mitteln entstehen Gefäße aus leeren Spülmittel-, Weichspüler- und Wasserflaschen. Für die Umgestaltung der Plastikflaschen verwenden die Kinder jegliches Material: Schläuche, Drähte, Papier, Kleister, Korken, Papprollen. Mit Acryllacken werden sie bemalt. Wir beschränken uns auf wenige Farben, damit die Nach-welt die Objekte einer bestimmten Epoche zuordnen kann.

Bildliche Darstellungen von Fußballspielern, Tänzern und anderen Sportlern werden analog zu den Vorbildern auf den antiken Vasen ausgeschnitten und mit Klebstoff aufgetragen.

Verwandeln& Verfremden

30. bis 35. Projektwoche

Farbschema Epoche II

Jasmin kaschiert eine weitere Schicht Zeitungen auf ihr Gefäß.

03.04. 2008Ugur und Ahmad montieren ein Gefäß aus Plastikflaschen.

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Farbschema Epoche I

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99 Projektwoche

10. 04.08Schicke Antike

Antikes Setting

Die Arbeitsschürzen sind verschwunden. Bettlaken und Leinentücher aus dem Fundus werden spontan um den Körper geschlungen, gewickelt, geworfen. Das Spiel wird ernst. Die Drapierungen erinnern an die Kleidung der Griechen. Sie wurde hauptsächlich durch den Faltenwurf variiert. Männer wie Frauen trugen einen weißen Chiton, eine Art Unterkleid, und darüber, wenn es kalt war, einen Mantel.

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Sagenhaft gut!

Wir wollen tiefer in die Welt der Griechen eintauchen.Der bulgarische Schriftsteller Dimiter Inkiow hat zahl-reiche Sagen und Fabeln für Kinder aufgeschrieben und in eine für Kinder verständliche Sprache übersetzt. Während wir arbeiten, hören wir uns die CD an. Dem Sprecher merkst du die Lust am Fabulieren deutlich an. Er schlüpft mit seiner Stimme in jede Rolle.

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Du bist ein Live!Speaker. Suche dir zwei bis drei Bilder oder Objekte, über die du Auskunft geben möchtest. Hilf dem Ausstellungsbesucher mit deinen Hinweisen.

Zur Ausstellungseröffnung am 3. Juli 2008 waren unsere Schüler mit kleinen Schildchen als live!Speaker erkenn-bar. Sie führten größtenteils fremde Personen durch ihre Ausstellung im Kunstflur der Carl-Kraemer-Grund-schule. Mit großem Stolz und mit viel Sachverstand haben sie selbst gewählte Exponate vorgestellt. Die Ge-spräche waren sehr persönlich, da die Besucher erfahren wollten, wie die Bilder und Objekte entstanden sind. Als die Präventionsbeauftragten der Polizei, welche für den Soldiner Kiez zuständig sind, in den Kunstflur kamen, waren die Kinder beim Anblick der Uniformen zunächst sehr aufgeregt. Sie übernahmen jedoch sofort wieder ihre Expertenrolle, so dass die Kommunikation auf glei-cher Augenhöhe statt fand.

Live!Speaker

Experten unter sich. Der Präventionsbeauftragte für den Soldiner Kiez interessiert sich für Jasmins Zeichungen alter Vasen.

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03.07.2008Eröffnung der Ausstellung (Ge)Schichten über Schichten im Kunstflur der Carl-Kraemer-Grund-schule. live!Speaker sprechen mit Ausstellungs-besuchern über ihre Arbeit.

35. Projektwoche

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Warum es so wichtig ist, dass wir in der Schule mit außerschulischen Partnern arbeiten: In unserem Projekt lernten die noch recht jungen Schülerinnen und Schüler die Arbeitmethoden von Archäologen kennen, indem sie diese selbst anwendeten. Parallel dazu konnten sie vor Ort, am Petriplatz, im Museum und in der Restaurierungs-werkstatt erleben, welche Mühe, Sorgfalt und Geduld von den Wissenschaftlern aufgebracht werden muss, damit ein Forschungsvorhaben gelingt. Dabei können auch alltägliche Dinge für sie interessant sein. Das Arbeiten bei Wind und Wetter auf dem Petriplatz macht hungrig und durstig. Ausgrabungsleiterin Claudia Melisch zeigte ihre Freude über den mitgebrachten Kuchen einer Schülerin. Für Kinder können diese Begegnungen und Gespräche anregende Impulse auf ihrem Weg der Selbstfindung und des Mündigwerdens geben, sie können darüber hinaus Alternativen und Perspektiven aufzeigen.

Damit ein Projekt mit außerschulischen Partnern gelingt: Bevor man ein Projekt mit außerschulischen Partnern beginnt, muss man eine Finanzierung beantragen. Von der Antragstellung bis zum Schlussbericht ist diese Arbeit, besonders bei öffentlichen Förderungen, sehr zeit- und papierintensiv. Man möchte mit Personen zusammen-arbeiten, die ihre professionelle Kompetenz in die Schule tragen und gleichzeitig ein gutes pädagogisches Einfüh-lungsvermögen besitzen. In engem Kontakt mit den

Warum es so wichtig ist ...Lehrern an der Schule lernen sie die Lernvoraussetzungen der Kinder und Unterrichtsrituale kennen. Außerschulische Partner müssen sich in der Schule auskennen und sprich-wörtlich verschlossene Türen öffnen können. Alle am Pro-jekt beteiligten Akteure müssen flexibel sein, da es immer wieder hemmende Faktoren gibt: Schüler fehlen, Unter-richtspläne werden umgestellt, Unterricht muss vertreten werden. Das Projekt gelingt nur, wenn die Schulleitung und das gesamte schulische Personal der Sache positiv gegenüber stehen, wie es bei uns der Fall war.

Das Positive unserer Kinder und der künstlerische Prozess: Die Kinder der Carl-Kraemer-Grundschule sind im Kunst-unterricht allem Neuen gegenüber aufgeschlossen. Sie zeigen stets großes Einfühlungsvermögen. Vieles von dem, was Mühe macht, beginnen sie mit Widerwillen. Aber dann! Sie lassen sich auf den künstlerischen Prozess ein, der darin besteht, dass sie nicht etwas nachmachen, sondern etwas Neues schaffen. Sie arbeiten an etwas, von dessen Verlauf sie allenfalls eine vage Vorstellung besitzen. Das Ziel geben die außerschulischen Partner vor, die den Prozess professionell begleiten. Uns ist dabei besonders wichtig, dass die Schüler mit gutem Material arbeiten. Ein professionelles Setting, sorgfältig recher-chiertes Bildmaterial und richtiges Werkzeug können sehr motivierend sein und unterstützen die Identifikation mit der eigenen Arbeit.

Die Spracharmut unserer Schüler ist das größte Problemund deren Überwindung das Leitmotiv der Unterrichts- und Erziehungsarbeit des gesamten Schulpersonals. Deshalb ist das wichtigste Ziel all unserer Aktionen, die Kinder über die hochprofessionellen Kunstangebote von außerschuli-schen Partnern und den Kunstlehrern zum Sprachhandeln anzuleiten. Das passiert natürlich in allen anderen Fächern auch. Die Besonderheit im künstlerischen Tun besteht je-doch darin, dass die Kinder ihre Erfindungskraft in Prozesse und Produkte investieren, die jenseits der Kriterien „richtig“ oder „falsch“ liegen. Vielen Kindern gelingt es durch diese Herangehensweise unbeschwerter über ihre Arbeit und die der anderen zu sprechen oder zu schreiben.

Die Vernetzung mit außerschulischen Institutionen: Wir hatten das große Glück, dass uns die unterschied-lichsten Institutionen und ihre Vertreter wie Claudia Melisch vom Landesdenkmalamt und Uta von Eickstedt vom Vorderasiatischen Museum Berlin ihre Türen öffneten und Schülerinteressen in ihren Arbeitsalltag einbauten. Im Seniorendomizil an der Panke konnten die Schüler ge-meinsam mit Senioren griechische Vasen collagieren und ihr archäologisches Projekt vorstellen. Sie waren jetzt die Experten und konnten ihr Wissen in Bezug auf inhaltliche, handwerkliche, künstlerische und technische Abläufe an andere weitergeben.Das Kennenlernen der authentischen Orte in der Vorbereitungsphase und die damit verbundene

Erkundung der eigenen Stadt waren die Grundlage, auf der diese Form des Lernens möglich war.

Die Rahmenbedingungen an der Carl-Kraemer-Grund-schule: Vieles von dem, was im Kunstunterricht und durch die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern fruchtbringend realisiert wird, ist nur durch die guten Rahmenbedingungen möglich. Der Kunstunterricht findet in Kooperation mit einem anderen Lehrer statt, so dass bei Bedarf die Lerngruppe geteilt werden kann. Für Exkursionen, Museumsbesuche und Projekte vor Ort steht mir als Kunstlehrerin ein Unterrichtstag zur Verfügung, an dem ich nicht anderweitig eingesetzt werde, wie etwa für Vertretungen oder Pausenaufsichten. Es gibt an der Carl-Kraemer-Grundschule zahlreiche professionell aus-gestattete Kunsträume, Werkstätten, Medienkabinette, eine Schülerbücherei mit vielen guten Kunstbüchern und Ausstellungsräume, in denen die Schülerarbeiten präsen-tiert werden. Diese Bedingungen tragen dazu bei, dass die Arbeit mit Kunst und Kultur einen festen Bestand im Schulalltag der Kinder hat.

Gabriele Sagasser

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Sabine Böhme M.A. ist Vorderasiatische Archäologin. Sie hat nach ihrem Studium nicht nur in Syrien ausgegra-ben, sondern auch mit ihrer Familie über einen längeren Zeitraum in Amman (Jordanien) und in Istanbul (Türkei) gelebt. Seit ihrer Rückkehr nach Berlin hat sie an Ausstel-lungen im Vorderasiatischen Museum Berlin teilgenom-men. 2006 erschien im Nicolai Verlag ihr Kinderbuch Von Keilschriften, Drachen und einer babylonischen Stadt voller Weltwunder.

Anke Fischer (www.anke-fischer.com) ist Bildende Künstlerin und Kunstvermittlerin. Seit sechs Jahren realisiert sie Langzeitprojekte im Bereich Ästhetische forschung an Berliner Schulen und in der Lehrerfort-bildung. Ihr besonderes Interesse gilt den Strategien der zeitgenössischen Kunst und deren Vermittlung an Kinder und Erwachsene. Arbeitsprozesse und Ergebnisse ihrer Projekte hat sie umfangreich dokumentiert und in Aus-stellungen vorgestellt.

Gabriele Sagasser: Studium der Malerei, Kunstwissen-schaft und Grundschulpädagogik an der Hochschule der Künste Berlin. Studium an der kulturpädagogischen Arbeitsstelle für Weiterbildung, Hochschule der KünsteBerlin. Durchführung zahlreicher Kunstprojekte an Jugendkunstschulen, an Volkshochschulen und in der Lehrerfortbildung. Mitarbeit an den Rahmenlehrplänen Bildende Kunst an Grundschulen. Zuletzt Lehrbeauftragte am Fachbereich Musisch-Ästhetische Erziehung (MAERZ) an der Universität der Künste Berlin. Seit 2002 Kunst-lehrerin an der Carl-Kraemer-Grundschule. Sie hat dort maßgeblich den schulinternen Schwerpunkt Kunstbetonung mitentwickelt und viele außerschulische künstlerische Partner in die Schule geholt.

Kontakt: ge_schichten�web.de

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fabeltiereTuba

Autoren

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Im archäologischen Kunstprojekt (Ge)schichten über Schichten haben wir den Versuch unternommen, Faszination und Entdeckerfreude der Archäologen bei ihrer Arbeit unter freiem Himmel und in Museen hinein in den Weddinger Kiezum die Soldiner Straße zu bringen und zu den dort lebenden Menschen, die ganz überwiegend einen so genannten Migrationshintergrund haben.

Mit Schülern der kunstbetonten Carl-Kraemer-Grundschule und Partnern aus dem Viertel haben wir eine Schulhofausgrabung gemacht, die große Ausgrabung am Petriplatz in Berlin-Mitte besucht und in Museen gezeichnet sowie die Arbeit eines Restaurators kennen gelernt.

Die Schüler und Kiezbewohner haben unter kunstpädagogischer Anleitung ihre Beobachtungen in künstlerische Arbeiten umgesetzt. Mit ihren Arbeiten machen besonders die Schüler im Alter von neun bis zwölf Jahren die beste Werbung für sich und ihre Bereitschaft, sich mit dem archäologischen Thema auseinanderzu-setzen. Die Arbeiten und die darin erkennbare Motivation geben einen Denkan-stoß, mehr in Schulen und andere kulturelle Einrichtungen in den Kiezen selbst zu investieren und sie besser mit den Berliner Museen zu vernetzen.