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Geschichte des Qorāns Geschichte des Qorāns Story of the Qur’an Story of the Qur’an von Theodor Nöldeke Zweite Auflage völlig umgearbeitet von Friedrich Schwally Zweiter Teil Die Sammlung des Qorāns mit einem literarhistorischen Anhang uber die muhammedanischen Quellen und die neuere christliche Forschung The Collection of the Qur'an with a literary historical Supplement from the Muhammedan Sources and the newer Christian Research Leipzig Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung 1919 www.muhammadanism.org

Geschichte des Qorāns - Muhammad, Islam & … · Web viewSo lag denn auch bei seinem Tode das Manuskript für den zweiten Teil dieses Werkes bis auf ganz geringfügige Äußerlichkeiten

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Geschichte des Qorns

Geschichte des Qorns

Story of the Quran

von

Theodor Nldeke

Zweite Auflage

vllig umgearbeitet

von

Friedrich Schwally

Zweiter Teil

Die Sammlung des Qorns

mit einem literarhistorischen Anhang uber die muhammedanischen

Quellen und die neuere christliche Forschung

The Collection of the Qur'an

with a literary historical Supplement from the Muhammedan

Sources and the newer Christian Research

LeipzigDieterich'sche Verlagsbuchhandlung1919

www.muhammadanism.org

June 8, 2005

In Progress

Alle Rechte vorbehalten.

Druck von C. Schulze & Co., G.m.b.H., Grfenhainichen.

Vorbemerkung.

Am 5. Februar d. J. ist der Verfasser des vorliegenden Bandes, mein lieber Schwager Friedrich Schwally, als eines der vielen Opfer der anglo-amerikanischen Hungerblockade, der gegenber seine bereits etwas angegriffene Konstitution sich auf die Dauer nicht widerstandskrftig genug erwies, vorzeitig in seinem 56. Lebensjahre dahingerafft worden. Er hatte noch bis in die letzten Wochen vor seinem Tode angestrengt an der Fertigstellung des Manuskripts fr die Fortsetzung der Geschichte des Qorns gearbeitet. So lag denn auch bei seinem Tode das Manuskript fr den zweiten Teil dieses Werkes bis auf ganz geringfgige uerlichkeiten vollstndig druckfertig vor. Es konnte daher ohne groe Schwierigkeit auch von einem Semitisten, der wie der Unterzeichnete nicht eigentlich Arabist ist, durch die Presse gefhrt werden. Dies um so mehr, als mein hiesiger Kollege August Fischer dankenswerterweise das Mitlesen der Korrekturen und Revisionen bernahm und dabei namentlich auch fr die sachgem und konsequente Ansetzung und Umschrift der arabischen Verfassernamen, Bchertitel u. ., wofr in dem hinterlassenen Manuskript noch die letzte Durchfeilung fehlte, auf Grund seiner bewhrten fachmnnischen Kenntnis nach Mglichkeit Sorge trug. Auerdem steuerte er freundlichst einige Nachtrge bei zur sachlichen Richtigstellung einiger tatschlicher Versehen und zur Erwhnung einiger bersehener oder erst neuerdings erschienener wichtigerer einschlgiger Arbeiten.

Dieser vorliegende zweite Teil der Geschichte des Qorns mit seinem literaturgeschichtlichen Anhang ist nicht nur dem ueren Umfange nach weit betrchtlicher als der entsprechende zweite Teil und die literarische Einleitung in der ersten Auflage des Nldekeschen Werkes; Schwally hat vielmehr, der Flle von neuem Quellenmaterial und den bedeutenden Fort-

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schritten in der Forschung innerhalb der seitdem verflossenen fast 60 Jahre Rechnung tragend, diesen zweiten Teil, im Gegensatz zum ersten, auch inhaltlich derart eingreifend neu bearbeitet, da infolge davon, wie er selbst wiederholt betonte, von dem ursprnglichen Texte Nldekes kaum noch wesentliche Stcke im Wortlaut vorliegen, dieser zweite Band sich also grtenteils als seine eigene Leistung darstellt. Bei der Herausgabe konnte das hinterlassene Manuskript Schwallys wie schon hervorgehoben, inhaltlich unverndert zum Abdruck gebracht werden. Auch den letzten Teil des literarhistorischen. Anhangs, der die neuere christliche Forschung behandelt, habe ich ganz unverndert nach Schwallys Manuskript gegeben, obwohl fr diese letzte Partie, im Gegensatz zum brigen, keine endgltige Reinschrift mehr vorlag und Schwally selbst vermutlich bei einer solchen einzelnes noch ausgeglichen, gendert und wohl auch noch hinzugefgt haben wrde. Letzteres gilt namentlich auch hinsichtlich der Erwhnung einiger weiterer Qornbersetzungen auf S. 218f., wofr das Manuskript noch einen Hin-weis auf eine leider nicht mehr auffindbar gewesene Beilage bot.

Zu dem dritten Teile Die Lesarten des Qorns" fanden sich dagegen in dem Nachlasse Schwallys nur mehr oder weniger eingehende Vorarbeiten vor, jedoch noch kein druckfertiges Manuskript. Auf meine Bitte hat sich aber Gotthelf Bergstrer, Schwallys Nachfolger auf dem Knigsberger Lehrstuhl, bereit erklrt, diesen letzten dritten Teil, fr den er selbst berdies von seinem Konstantinopeler Aufenthalte her bereits allerlei Vorarbeiten besitzt, sobald es ihm seine anderweitigen literarischen Verpflichtungen ermglichen, unter Benutzung des von Schwally hinterlassenen Materials zur Neubearbeitung zu bernehmen.

Somit ist begrndete Hoffnung vorhanden, da die Neubearbeitung des meisterhaften Jugendwerkes von Theodor Nldeke kein Torso bleibt, sondern in absehbarer Zeit abgeschlossen vorliegen wird. Mge es unserm allverehrten hoch-betagten Altmeister vergnnt sein, dies noch selbst zu erleben!

Leipzig, im September 1919. Heinrich Zimmern.

Inhalt.

Zweiter Teil.

Die Sammlung des Qorns.

1.

Das Aufbewahren der Niederschriften der Offenbarungen zu Lebzeiten Muhammeds auf Grund qornischer Andeutungen und des literarischen Zustandes der Suren

S. 1-5

2.

Die uneigentlichen Qornsammler oder die gedchtnismigen Bewahrer der Offenbarung.

S. 58

Populre Qornkenntnis unter den ersten Chalifen

3.

Die schriftlichen Sammlungen und Ausgaben. Ali als Qornsammler

S. 811

4.

Die (erste) Sammlung des Zaid b. Tbit.

A.

Die herrschende Tradition

S. 1115

B.

Die abweichenden Traditionen

S. 1518

C.

Kritik der Traditionen

S. 1823

D.

Form und Inhalt der ersten Sammlung

S. 2327

5.

Die anderen vorothmanischen Ausgaben.

A.

Die Persnlichkeiten der Herausgeber. Verbreitung und Erhaltung ihrer Ausgaben

S. 2730

B.

Die Qornausgabe des Ubai b. Ka'b.

a) Der Qorn des Ubai nach der berlieferung des Fihrist

S. 3031

b) Der Qorn des Ubai nach der berlieferung des Itqn und deren Verhltnis zum Fihrist

S. 3233

c) Die dem Qorn des Ubai eigentmlichen Suren.

S. 3338

Die Echtheitsfrage.

d) Das Verhltnis der berlieferten Verzeichnisse der Suren des Ubai zueinander und zur kanonischen Ausgabe

S. 38-39

C.

Die Qornausgabe des Abdallh b. Masd.

a) Der Qorn des Ibn Masd nach der berlieferung des Fihrist

S. 39

b) Der Qorn des Ibn Masd nach der berlieferung des Itqn

S. 40

VI

c) Das Verhltnis der beiden Listen zueinander und zur othmanischen Ausgabe

S. 4042

D.

Verhltnis der Qorne des Ubai, Ibn Masd und Ab Ms zueinander und zur kanonischen Ausgabe

S.4246

E.

Obskure und zweifelhafte Qornausgaben

S. 4647

6.

Die Entstehung der offiziellen Qornausgabe unter dem Chalifate Othmans.

A.

Die herrschende Tradition

S. 4750

B.

Die abweichenden berlieferungen und ihr Wert

S. 5054

C.

Kritik der herrschenden berlieferung.

a) Die Personalien der Kommissionsmitglieder

S. 5455

b) Das Verfahren bei der Textherstellung und die Geeignetheit der Kommissionsmitglieder fr die Aufgabe

S. 5662

D.

Die Anordnung der Suren im othmanischen Qorn

S. 6368

E.

Die rtselhaften Buchstaben vor gewissen Suren

S. 6878

F.

Die Basmala

S. 7981

G.

Die angeblichen Flschungen des Qorntextes durch Ab Bekr und Othman.

a) Die Vorwrfe christlicher Gelehrter des Abendlandes

S. 8193

b) Die Vorwrfe muslimischer Sekten, besonders der Schiiten, gegen Othman

S. 93112

Die schiitische Zweilichter-Sure.

H.

Die obrigkeitlichen Manahmen zur Durchfhrung der othmanischen Ausgabe

S. 112119

7.

Der muhammedanische Kanon in seinem Verhltnis zum christlich- jdischen

S. 119121

Anhang.

Die muhammedanischen Quellen und die neuere christliche Forschung ber den Ursprung der Offenbarungen und die Entstehung des Qornbuches.

Die Aufgabe

S. 122123

1.

Die muhammedanischen Quellen.

A.

Die Grundzge des berlieferungswesens

S. 123129

B.

Die Prophetenbiographie

S. 129144

C.

Der gesetzliche Hadith

S. 144146

D.

Die Hadithliteratur

S. 146152

VII

E.

Die Biographien der Gefhrten Muhammeds

S. 153156

F.

Die Eigenart der muslimischen Qornauslegung. Der exegetische Hadith

S. 156163

G.

Die Schpfer der Exegese. Ibn 'Abbas und seine Schler

S. 163170

H.

Die erhaltenen Kommentare

S. 170179

I.

Die Kommentare der Schiiten

S. 179182

K.

Besondere Werke ber die Veranlassung der Offenbarungen

S. 182184

L.

Die Einleitungen in den Qorn

S. 184187

M.

Gedichte als Geschichtsquelle. Die dichterischen Belege in der biographischen und exegetischen Literatur

S. 188192

2.

Die neuere christliche Forschung.

A.

Die Kritik des Traditionswesens

S. 193198

B.

Die christlichen Biographen des Propheten

S. 198208

C.

Einzeluntersuchungen zur Geschichte und Auslegung

S. 208217

D.

Die Qornauslegung

S. 217219

Nachtrge und Berichtigungen von August Fischer

S. 220224

VIII

Von den Autoren des vorliegenden Buches erschien in der Dieterich'schen Verlagsbuchhandlung in Leipzig

GESCHICHTE DES QORNSvonTHEODOR NLDEKE

Zweite Auflage

bearbeitet von.FRIEDRICH SCHWALLY

Erster Teil:

BER DEN URSPRUNG DES QORNSPreis: M. 11.

DER HEILIGE KRIEG IM ALTEN ISRAELvonFRIEDRICH SCHWALLY(Semitische Kriegsaltertmer 1.)Preis: M. 3.

Die hier angefhrten Preise erhhen sich um den zurzeit ublichenTeuerungszuschlag.

Zweiter Teil.

Die Sammlung des Qorns.

1. Das Aufbewahren der Niederschriften der Offenbarungen zu Lebzeiten Muhammeds

auf Grund qornischer Andeutungen und des literarischen

Zustandes der Suren.

Die zahlreichen Einzeloffenbarungen, aus denen die Heilige Schrift des Islam besteht, gehen nach vielfachen, in ihnen selbst enthaltenen Andeutungen auf ein im Himmel bewahrtes Buch zurck, und zwar in genauer Wiedergabe, whrend die Bibel der Christen und Juden zwar demselben Archetypus entstammt, aber starke Entstellungen erlitten hat. Auch verschiedene Namen der Offenbarung wie qurn), kitb und wahj) lassen einen schriftlichen Hintergrund durchschimmern. Bei diesem Sachverhalt wre es unbegreiflich, wenn Muhammed nicht schon sehr frh die Schaffung einer neuen Offenbarungsurkunde sowie ihre schriftliche Fixierung ins Auge gefat htte). So ist bereits in dem mekkanischen Verse Sur. 29, 47 auf das

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Niederschreiben der Offenbarungen angespielt. Die Tradition sagt es ganz ausdrcklich und verzeichnet auch die Namen der Personen, denen der Prophet Offenbarungen in die Feder zu diktieren pflegte). ber die Einzelheiten des Verfahrens, ber Aufbewahrung und Ordnung des Materiales haben wir keine zuverlssigen Nachrichten). Nach Lamm- ens) lie sich Muhammed in Sure 75, 1647 von Allah den Rat geben, die Herausgabe des Qorns als besondere Sammlung nicht zu bereilen, damit es ihm frei stnde, in Gemtsruhe an dem Text zu ndern. Aber diese Auslegung ist verfehlt. Vielmehr kann sich nach dem Zusammenhang das bereilen nur auf eigenmchtiges Urteilen des Propheten beziehen, mit dem er zurck-halten soll, bis ihm eine entsprechende Offenbarung vollstndig vorgetragen worden sei. hnlich verbietet Sure 20,113 einen Qorn zu rezitieren, bevor seine Offenbarung beendigt ist. Doch lt die literarische Analyse der erhaltenen Suren erkennen, da Muhammed selbst schon zuweilen Einzelqorne zu greren Ganzen vereinigt oder sehr kunstvolle literarische Kompositionen als Ertrgnisse einmaliger und einheitlicher Offenbarungsakte betrachtet wissen wollte.

Auch erschwert es die homiletische Anlage der meisten Suren auerordentlich, in das Geheimnis der Komposition einzudringen und ein Urteil darber abzugeben, bis zu welchem Grade die Vereinigung von Einzeloffenbarungen verschiedener Herkunft in einer Sure dem Propheten selbst oder nur spteren Redaktoren zuzutrauen ist. Mit annhernder Sicherheit lt sich literarische Einheit bei greren Suren nur da verfechten, wo Gleichheit oder Gleichartigkeit des Inhaltes vorliegt wie bei den Suren 12 und 18, oder wo sich ein Refrain wie ein roter Faden durch das Ganze hindurchzieht wie bei den Suren 26, 56, 70 und 77, oder wo Stil, Reim und Rhythmus eine so groe bereinstimmung zeigen wie bei Sure 37. Viel zweifelhafter ist die Sache schon bei den Suren 17, 41 und 7. Vollends

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bei den Suren 2, 8, 63, 4 und 9 ist jede Entscheidung ein Ding der Unmglichkeit. Jedenfalls kann keine der genannten Suren beanspruchen, ohne Zuhilfenahme von Aufzeichnungen zustande gekommen zu sein.

Dasselbe mchte ich auch da annehmen, wo Muhammed in Medina frhere Offenbarungen durch kleinere Hinzufgungen oder Einschaltungen erweitert), oder gar durch einen neuen Text von abweichendem Inhalte ersetzt oder aufgehoben hat). Das war ein Mittel, um die Kette, die er durch die schriftlich fixierten Offenbarungen seiner prophetischen Freiheit unvorsichtiger Weise um den Hals gelegt hatte, etwas zu lockern.

Dagegen erheischen die zahlreichen in der Luft schwebenden Verse und die fragmentarischen Versgruppen, die entweder in Suren eingebettet sind oder jetzt im letzten Teil der kanonischen Ausgabe zusammenstehen, eine besondere Erklrung. So groen Wert Muhammed auch auf das Niederschreiben legte, allzu groe Vollstndigkeit und archivalische Treue darf man doch nicht erwarten, am wenigsten in Mekka, wo er um seine Anerkennung als Gottgesandter noch auf Tod und Leben zu ringen hatte. Unter dem Zwange uerer Umstnde wird die Aufzeichnungen, selbst wenn sie beabsichtigt war, mehr als einmal unterblieben sein. Aber in der, frhsten Zeit blieb wohl alles dem Gedchtnis berlassen, das den Propheten jedoch zuweilen im Stiche lie. So trstet er die Glubigen Sur. 2, 100 damit,

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da ihnen Allah fr jeden in Vergessenheit geratenen Vers einen hnlichen oder noch besseren schenke.

Auer den von Muhammed selbst veranlaten Niederschriften gab es wahrscheinlich auch solche kleineren wie greren Umfanges, die eifrige Anhnger seiner Lehre selbst angefertigt oder in Auftrag gegeben hatten. Danebenher geht die gedchtnismige Bewahrung, die fr eine Zeit, in der Lesen und Schreiben noch eine seltene Kunst war, von grter Bedeutung sein mute. Abgesehen von der gewi nicht geringen Zahl von Genossen, die kleinere Qornstcke auswendig wuten, soweit dies fr die Gebetsliturgie notwendig) war, gab es einzelne Personen, die ihrem Gedchtnis grere Abschnitte eingeprgt hatten, so da sie dieselben mit der Treue eines Buches wiedergeben und dadurch manche Offenbarung, deren Text nicht aufgezeichnet oder verloren gegangen war, vor gnzlichem Untergange bewahren konnten.

So lange der Prophet auf Erden weilte, befand sich die Offenbarung in stetem Flusse. Nachdem aber durch seinen Tod dieser Strom pltzlich versiegt war), mute entsprechend der prinzipiellen Bedeutung, welche die himmlischen Offenbarungstexte fr die neue Religion hatten, innerhalb der Gemeinde sich frher oder spter das Bedrfnis regen, das ganze Material in zuverlssiger Form beisammen zu haben.

Das Verdienst an dieser Sammlung des Qorns schreibt die berlieferung mit bemerkenswerter Einhelligkeit den drei ersten Chalifen zu). Hierber gibt es eine betrchtliche Zahl lterer und jngerer Traditionen. Wenn viele derselben auch in wesentlichen Zgen bereinstimmen, so gehen sie doch in wichtigen Einzelheiten wieder auseinander. Da bei Quellen, die so wichtige Angelegenheiten der Religion zum Gegenstande

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haben, von vornherein der Verdacht tendenziser Frbung vorliegt, mssen wir an die bereinstimmenden Angaben mit derselben Vorsicht herantreten, wie an die widersprechenden. Durch eine in diesem Sinne vorgehende Untersuchung in Verbindung mit sorgfltiger Bercksichtigung der uns erhaltenen Gestalt des Qorns, als des Endresultates der Entwickelung und eigentlich des einzigen unbedingt sicheren Anhaltspunktes, ist es aber vielleicht doch noch mglich, der Wahrheit nher zu kommen.

2. Die uneigentlichen Qornsammler oder die gedichtnismBigen Bewahrer der Offenbarung.

Da der Qorn zu Lebzeiten des Propheten noch nicht vollstndig gesammelt gewesen sein kann, versteht sich von selbst, da ja der Gottgesandte pltzlich und unerwartet vom irdischen Schauplatz abberufen wurde. Wenn eine auf Zaid b. Tbit zurckgefhrte Tradition) behauptet, da der Qorn damals ganz und gar nicht gesammelt war, so liegt dem eine andere Vorstellung zugrunde, die an den Nachrichten ber das Zustandekommen der Ausgabe Ab Bekrs) orientiert ist. Danach hat dieser Chalife die Offenbarungen zerstreut und verzettelt oder, wie Sujt erluternd hinzufgt, weder an einem Orte vereinigt, noch nach Suren geordnet vorgefunden. Diese Auffassung stimmt jedoch nicht ganz zu den Ergebnissen des vorigen Kapitels, denen zufolge es schon damals nicht allein Suren gab, die von vornherein als literarische Einheiten verfat waren, sondern auch solche, die Muhammed selbst nachtrglich aus Stcken verschiedener Herkunft zusammengeschweit hatte.

Whrend die Entscheidung dieser Streitfrage zurckgestellt werden mu, bis die Untersuchung ber die Qornausgabe Ab Bekrs abgeschlossen ist, kann ein anderer merkwrdiger Widerspruch mit der herrschenden Ansicht schon jetzt aufgeklrt werden. Es gibt nmlich nicht wenig Traditionen, die ganz

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harmlos und ohne eine Spur von Polemik gegen abweichende Ansichten eine ganze Reihe von Personen namhaft machen, die den Qorn zu Lebzeiten des Propheten gesammelt haben sollen. Ibn Sa'd widmet diesem Gegenstand sogar ein besonderes Kapitel), obschon er an anderen Stellen seines Werkes die ersten Chalifen als die ersten Veranstalter von Qornausgaben bezeichnet. Unter diesen Umstnden kann kaum ein Zweifel bestehen, da es mit jenen Traditionen eine besondere Bewandtnis hat. In der Tat bezieht sich die dort gebrauchte Phrase gama'a l-qurna nicht auf die Vereinigung der zerstreuten Offenbarungen in einem Buche, sondern, wie schon die mohammedanischen Autoritten der Hadt-Interpretation erkannt haben, um das Bewahren im Gedchtnisse). Bei dieser. Auffassung mu es natrlich dahingestellt bleiben, ob die einzelnen Sammler wirklich die ganze Offenbarung oder grere Teile derselben im Kopfe batten. Wie wir spter noch sehen werden, ist das Auswendigwissen der heiligen Texte zu allen Zeiten die Hauptsache gewesen, die schriftliche Fortpflanzung der Offenbarung wurde immer nur als Mittel zum Zwecke betrachtet.

Nicht nur ber die Zahl, sondern auch ber die Namen dieser sog. Sammler gehen die Meinungen der einzelnen Traditionen sehr auseinander. Am hufigsten findet man folgende

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vier zusammen genannt): Ubai b. Ka'b, Mu'd b. Gabal, Zaid b. Tbit und Ab Zaid al-Ansr. In den zahlreichen Varianten dieser Tradition tauchen noch viele neue Namen auf, wie Ab 'l-Dard, 'Otmn, Tamm al-Dr:, 'Abdallh b. Masd, Slim b. Ma'qil, Ubda b. Smit, Ab Aijb, Sa'd b. 'Ubaid, Mugammi' b. Grija, 'Ubaid b. Mu'wija und 'Al b. ab Tlib.

Von diesen Personen werden wir Ali, Slim, Zaid, Ubai und Ibn Masd als angeblichen oder wirklichen Bearbeitern schriftlicher Qornsammlungen noch spter begegnen.

Populre Qornkenntnis unter den ersten Chalifen.

Die Qornkenntnis eines Durchschnittsmuslims aus der Frhzeit des Islam kann man sich nicht gering genug vorstellen. In der Literatur findet sich hierzu manch drastischer Beleg. Nach der Schlacht bei Qdisja wies Omar den Oberfeldherrn Sa'd b. ab Waqqs an, die groen berreste der Beute unter die Qornkenner (hamalat al-qurn) zu verteilen.

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Als nun der berhmte Kriegsmann 'Amr b. Ma'dkarib vor ihn kam und ber seine Kenntnis der Offenbarung befragt ward, entschuldigte er sich mit den Worten: Ich bin in Jemen zum Islam bergetreten, war aber spter immer im Kriege und hatte deshalb keine Zeit, den Qorn auswendig zu lernen. Bischr b. Rab'a aus Tif, an den hierauf von Sa'd die gleiche Frage gerichtet wurde, antwortete mit der bekannten Eingangsformel bismi llh al-rahmn al-rahm). Als in der Schlacht von Jemma die Ansr von ihrem Anfhrer mit dem ehrenvollen Namen Leute der Kuh-Sure angeredet wurden, beteuerte ein taijitischer Krieger, da er von dieser Sure auch nicht einen einzigen Vers im Gedchtnis habe). Aus b. Hlid, ein angesehener Beduine vom Stamme Taij, ward einst, da er keine Qornstelle hersagen konnte, vom Kommissar des Chalifen Omar so geschlagen, da er starb). Ja noch in der Omajjadenzeit soll in Kufa ein Prediger die Kanzel bestiegen haben, der ein Zitat aus dem Diwan des 'Ad b. Zaid als Qornvers vorbrachte). Wenn auch diese Erzhlungen nichts weiter als Anekdoten sind, so geben sie doch gewi ein treues Bild von der Bibelfestigkeit der beduinischen Soldateska des jungen Islam. Und sonderbare Kuze wie diesen Prediger kann es noch in viel spterer Zeit gegeben haben.

3. Die schriftlichen Sammlungen und Ausgaben.

Ali als Qornsammler.

Al b. ab Tlib, der Vetter und Schwiegersohn Muhammeds, wird von verschiedenen berlieferungen als Urheber einer Qornsammlung genannt. Nach einer Tradition tat er dies

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noch zu Lebzeiten des Propheten und auf seinen ausdrcklichen Befehl. Wie es heit, sammelte er den Qorn von Blttern, Seidenlappen und Zetteln, die er hinter dem Kopfkissen des Propheten vorfand, und legte dabei das Gelbde ab, nicht eher das Haus zu verlassen, bis er damit fertig wre). Andere verlegen den Vorgang in die Zeit unmittelbar nach dem Tode Muhammeds und lassen Ali jenes Gelbde als Vorwand benutzen, um die Huldigung fr Ab Bekr hinauszuschieben). Man sagt auch, Ali habe sich durch die Unbestndigkeit, welche er beim Tode Muhammeds an den Menschen wahrnahm, bestimmen lassen und die Niederschrift aus dem Gedchtnis in drei Tagen vollendet). Der Verfasser des Fihrist will sogar noch ein Bruchstck des Originals gesehen haben. An alledem ist kein wahres Wort. Schon die Quellen dieser Nachrichten schiitische Qornkommentare und schiitisch beeinflute sunnitische Geschichtswerke sind verdchtig, da alles, was die Schiiten von dem obersten Heiligen ihrer Sekte erzhlen, von vornherein als tendenzise Erfindung zu gelten hat. Inhaltlich widersprechen diese Nachrichten allen sicheren Tatsachen der Geschichte. Weder die Traditionen ber die Qornsammlung Zaids noch die ber die anderen vorothmanischen Sammlungen wissen etwas von einem hnlichen Werke Alis. Dieser selbst beruft sich weder whrend seines Chalifates noch vorher jemals auf seine eigene Sammlung, und es ist sicher, da die Schiiten niemals eine solche besessen haben).

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Die Reihenfolge der Suren in der Qornsammlung, die Ali gleich nach dem Tode Muhammeds veranstaltete, soll nach Ja'qb) folgende gewesen sein: 2. 12. 29. 30. 31. 41. 51. 76. 32. 79. 81. 82. 84. 87. 98 (I. Sektion). 3. 11. 22. 15. 33. 44. 55. 69. 70. 80. 91. 97. 99. 104. 105. 106 (II. Sektion). 4. 16. 23. 36. 42. 56. 67. 74. 107. 111. 112. 103. 101. 85. 95. 27 (III. Sektion). 5. 10. 19. 26. 43. 49. 50. 54. 60. 86. 90. 94. 100. 108. 109 (IV. Sektion). 6. 17. 21. 25. 28. 40. 58. 59. 62. 63. 68. 71. 72. 77. 93. 102 (V. Sektion). 7. 14. 18. 24. 38. 39. 45. 98. 57. 73. 75. 78. 88. 89. 92. 110 (VI. Sektion). 8. 9. 20. 35. 37. 46. 48. 52. 53. 61. 64. 65. 83. 113. 114 (VII. Sektion).

Wenn auch einige Suren durch Zuflligkeiten der handschriftlichen berlieferung ausgefallen sind (Sur. 1. 13. 34. 47. 107), so ist doch das Prinzip der Anordnung vollkommen durchsichtig. Dasselbe beruht auf einer eigenartigen Kombination der Reihenfolge der kanonischen Ausgabe mit den Sektionen oder Leseabschnitten (agz, sing. guz). Whrend sonst diese Sektionen Einschnitte in dem Texte nach der berlieferten Anordnung darstellen, ist hier in jeder der sieben Sektionen eine bestimmte Anzahl (1617) ausgewhlter Suren vereinigt. Ganz willkrlich ist diese Auswahl nicht, da jede Sektion regelmig mit einer Sure niederer Nummer (27) nach der offiziellen Anordnung beginnt und dann durch die verschiedenen Dekaden hindurch mit geringfgigen Ausnahmen, die wahrscheinlich selbst wieder Textverderbnissen zur Last fallen bis zu den hheren Nummern fortschreitet, so da jede Sektion gewissermaen einen Querschnitt durch den ganzen Qorn gibt.

Wenn so schon die Reihenfolge der Suren eine Abhngigkeit von der othmanischen Rezension bezeugt, so weist in noch sptere Zeit die Einteilung in Leseabschnitte, die erst im omajjadischen Zeitalter aufgekommen ist.

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Nach einer anderen, brigens ebenso haltlosen, Nachricht) war die Reihenfolge der sechs ersten Suren im alidischen Qorn Sur. 96. 74. 68. 73. 111. 81.

Eine andere Sammlung, die, wie es scheint, ebenfalls unmittelbar nach dem Tode Muhammeds herausgekommen sein soll, wird dem Slim b. Ma'qil, dem Klienten des Ab Hudaifa, zugeschrieben). Als er sich an die Arbeit machte, schwur er, wie Ali, nicht eher das Haus zu verlassen, bis er damit fertig wre. Nachher beriet man sich darber, wie die Sammlung zu benennen wre. Einige schlugen Sifr vor, aber Slim lehnte diese Bezeichnung ab, da so die Basmala der Juden laute; vorzuziehen sei Mushaf, das er in Abessinien in einer hnlichen Bedeutung kennen gelernt habe. Demgem wurde beschlossen. Sujt teilt an derselben Stelle noch eine andere Tradition mit, nach der Slim zu denen gehrte, die auf Befehl Ab Bekrs die Qornsammlung in Angriff nahmen. Diese Tradition widerspricht, wie sich noch zeigen wird, allen sicheren Tatsachen der Qorngeschichte. Sujt billigt ihr deshalb mit Recht nur den Wert einer Kuriositt (gharb) zu.

4. Die (erste) Sammlung des Zaid b. Tbit.

A. Die herrschende Tradition.

ber diese Sammlung haben wir eine lange, auf Zaid selbst zurckgefhrte Tradition), die trotz ihrer weiten Verbreitung verhltnismig wenig Vernderungen erlitten hat).

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Ihr Inhalt ist folgender: Whrend des Krieges gegen den Propheten Maslama, besonders in der entscheidenden Schlacht von Jemma (Aqrab) im Jahre 11 oder 12) waren viele Qornleser) gefallen. Deshalb wurde 'Omar b. al-Hattb von der Besorgnis erfllt, sie mchten nach und nach alle im Kampfe umkommen, so da der grte Teil des Qorns verloren gehen wrde, und gab dem Chalifen den Rat, die Offenbarungen zu sammeln. Anfangs trug Ab Bekr Bedenken, ein Werk zu unternehmen, zu dem der Prophet keine Vollmacht gegeben htte. Aber zuletzt willigte er ein und beauftragte mit der Ausfhrung den Zaid b. Tbit, einen intelligenten jungen Mann, der schon die Offenbarungen fr den Propheten niedergeschrieben

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hatte). Nach einigem Struben erklrte sich dieser bereit, obgleich er meinte, da es leichter sei, einen Berg von der Stelle zu rcken, und sammelte den Qorn von Zetteln),Steinen), Palmstengeln), Schulterknochen), Rippen), Lederstcken) und Brettchen). Als letzte Quelle nennt die Tra

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dition die Herzen der Menschen), d. h. mit anderen Worten, Zaid ergnzte seine archivalischen Nachforschungen durch Befragen von Personen, die Qornstcke auswendig wuten. Schlielich, heit es, fand er Sure 9, 129 f. bei Huzaima) oder Ab Huzaima) aus Medina. Die einzelnen Stcke schrieb er

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auf gleichmige Bltter) und bergab sie dem Chalifen. Nach dessen Tode kamen sie an seinen Nachfolger Omar, der sie selbst wieder durch testamentarische Verfgung seiner Tochter Hafsa, der Witwe des Propheten, hinterlie.

B. Die abweichenden Traditionen.

Whrend Omar in der herrschenden berlieferung nur als der intellektuelle Urheber der ersten Sammlung erscheint, ist es Ab Bekr, der in seiner Eigenschaft als regierender Chalif den Befehl zur Ausfhrung erteilt, den technischen Leiter ernennt und das vollendete Werk in seine Obhut nimmt. Es gibt aber noch eine andere Tradition, die, soweit der knappe Wortlaut ein Urteil zult, den ersten Chalifen vollstndig ausschaltet und alle eben genannten Funktionen auf die Schultern seines tatkrftigen Nachfolgers legt. Die Worte der Tradition) Omar ist der erste, welcher den Qorn auf Blttern sammelte schlieen vielleicht noch den weiteren Sinn ein, da nicht nur das Ende, sondern auch der Anfang des Unternehmens in die Regierungszeit dieses Chalifen fllt. Dagegen bezieht sich die Bemerkung, da Omar gestorben sei, noch ehe er den Qorn gesammelt hatte), auf die endgltige, kanonische Rezension, die auch er schon ins Auge gefat haben soll).

An anderen Orten erfahren wir noch verschiedene Einzelheiten ber sein Verfahren bei der ersten Sammlung. Als Ver

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anlassung gibt eine jngere Quelle an, da er einst auf die Frage nach einem Qornvers die Antwort erhalten htte, der, welcher den Vers auswendig wisse, sei in der Schlacht von Jemma gefallen). Weiter soll er z. B. nur solche Stellen aufgenommen haben, deren Zugehrigkeit zum Qorn durch zwei Zeugen beglaubigt war). Auch die Traditionen ber den Steinigungsvers) scheinen von der Voraussetzung auszugehen, da Omar bei der Sammlung des Qorns eine Rolle gespielt hat. Wie einige Berichte ausfhren), befrchtete er, da die Glubigen den Vers dereinst schmerzlich vermissen wrden, wenn sie ihn nicht im Buche Gottes fnden). Nach anderen) bekennt er frei heraus, da der Vers von ihm nicht aufgenommen worden sei, weil er sich nicht den Vorwurf zuziehen wollte, zu der Offenbarung einen Zusatz gemacht zu haben. Nach Itqn 137 bestimmte ihn dazu der Umstand, da nicht die blichen zwei Zeugen aufzutreiben waren). Allen diesen Traditionen liegt die Meinung zugrunde, da der Steinigungsvers zur Offenbarung gehrt. Ist dies jedoch irrig, wie ich frher) nachzuweisen versucht habe, so ist es auch

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schwer zu glauben, da ein Mann wie Omar sich so hartnckig fr seine Echtheit eingesetzt hat.

Eine dritte berlieferungsgruppe) ist bestrebt, den Inhalt der ersten und zweiten zu harmonisieren. Danach schrieb Zaid auf das Gehei Ab Bekrs die Offenbarungen auf Lederstcke, Schulterknochen und Palmstengel. Nach dem Tode des Chalifen, also unter Omar, kopierte er diese Texte auf ein einziges Blatt), ber dessen Gre leider nichts verraten wird.

Schlielich ist noch einer ganz abenteuerlichen Erzhlung) zu gedenken. Nach dieser weigert sich Ab Bekr, den Qorn zu sammeln, da der Prophet es auch nicht getan habe. Da macht sich Omar ans Werk und lt ihn auf Bltter schreiben. Dann beauftragt er 25 Koraischiten und 50 Ansarier, den Qorn abzuschreiben und dem Sa'd b. al-s vorzulegen. Es liegt auf der Hand, da hier die Traditionen ber die erste Qornsammlung und die kanonische Ausgabe durcheinander geworfen sind. Eine so groe Zahl von Mitarbeitern wird sonst bei der ersten Sammlung niemals erwhnt. Sa'd war bei dem Regierungsantritt Omars erst ein Kind von 11 Jahren. Fr diesen heillosen Wirrwarr ist jedoch wahrscheinlich weder Ja'qb noch eine seiner Quellen verantwortlich, sondern eine Lcke in der vom Herausgeber benutzten Handschrift).

Hinsichtlich der Grnde, die gerade Zaid fr die Sammlung der Offenbarungen besonders geeignet erscheinen lieen, herrscht bereinstimmung, indem alle unsere Quellen) seine Jugendlichkeit und Intelligenz sowie seine frhere Ttigkeit als Spezialsekretr Muhammeds fr die Offenbarungen) hervor

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heben. Die erste Angabe wird von den Forschern gewhnlich dahin verstanden, da von dem jungen Manne grere Willfhrigkeit gegenber den Befehlen des Chalifen zu erwarten war als von einem alten, eigensinnigen Beamten. Dagegen sagen die genannten Quellen ber die Fhigkeit Zaids im Auswendigwissen der Qorntexte nichts, sonst wird dieselbe fters erwhnt).

Die Angaben ber das Verfahren Zaids setzen stillschweigend voraus, da er den Originalen, die er benutzte, im allgemeinen folgte. Doch zeigt seine Behandlung der letzten Verse von Sure 7 (V. 129. 130), die er ohne weiteres an eine groe Sure anhngte, da er zuweilen auch vor Willkrlichkeiten nicht zurckschreckte. Zaid oder Omar soll bei dieser Gelegenheit gesagt haben, wenn dieser Teil aus drei statt aus zwei Versen bestanden htte, so wrde er daraus eine eigene Sure gemacht haben).

C. Kritik der Traditionen.

Wie wir gesehen haben, stehen sich bei den Muslimen drei verschiedene Ansichten ber die Entstehung der ersten Qornsammlung gegenber. Nach der ersten Ansicht der sog. herrschenden Tradition vollzog sich dieselbe unter der Regierung Ab Bekrs, nach der zweiten whrend der Herrschaft Omars, nach der dritten erfolgte die Inangriffnahme unter Ab Bekr, die Vollendung erst unter seinem Nachfolger. Da die Entscheidung der Frage, welcher Ansicht der Vorzug gebhrt, nicht auf der Hand Liegt, ist eine umstndliche Untersuchung notwendig.

In der herrschenden berlieferung sind verschiedene Zge enthalten, die teils einander, teils sonstigen geschichtlichen Nachrichten widersprechen:

1. Ab Bekr veranstaltete zwar die erste Sammlung, aber

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der intellektuelle Urheber und die eigentliche, treibende Kraft war Omar.

2. Die Veranlassung des Planes durch den Feldzug von Jemma, der feierliche Beweggrund, das Wort Gottes vor dem Untergang zu bewahren, sowie die Beteiligung des regierenden Chalifen und des neben ihm damals mchtigsten Mannes der Theokratie, alle diese Umstnde geben der Sammlung den Charakter eines fr Religion und Staat grundlegenden Werkes. Deshalb war es nur in der Ordnung, da dasselbe nach dem Tode Ab Bekrs nicht an einen seiner Verwandten kam, sondern an seinen Amtsnachfolger Omar.

3. Die Vererbung der Sammlung durch Omar an seine Tochter Hafsa zwingt dagegen zu dem Schlusse, da sie nicht als Eigentum der Gemeinde oder des Staates, sondern als Privateigentum betrachtet wurde. Denn eine Urkunde von offiziellem oder ffentlichem Charakter htte nicht an eine beliebige Person der Verwandtschaft vererbt werden drfen, am wenigsten an eine Frau, auch wenn sie eine Witwe des Propheten war, sondern gehrte in die Hnde des folgenden Chalifen.

Fr den privaten Charakter der Sammlung spricht weiter der Umstand, da sie nach den groen Eroberungen in keiner auswrtigen Provinz als magebende Rezension in Gebrauch kam, whrend, wie wir noch sehen werden, die Ausgaben des Abdallh b. Masd und des Ubai b. Kab diesen Erfolg hatten, obwohl ihnen nicht so hohe Protektion zur Verfgung stand.

4. Ab Bekrs kurze Regierungszeit von zwei Jahren und zwei Monaten) ist fr die in den Augen der Tradition so schwierige Sammlung der zerstreuten Texte etwas knapp. Vollends wenn der Anfang damit erst nach dem Feldzuge von Jemma) gemacht wurde, drften nur etwa 15 Monate brig bleiben.

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5. Die Verknpfung der Sammlung mit dem Feldzug von Jemma steht auf sehr schwachen Fen. L. Caetani) weist darauf hin, da sich in den Verzeichnissen der bei Aqrab gefallenen Muslime nur wenig Persnlichkeiten befnden, denen eine grere Qornkenntnis zugetraut werden knne, indem fast alle den Kreisen der Neubekehrten angehrten. Die Behauptung, da viele Qornleser in jenen Kmpfen umgekommen seien und da sich Ab Bekr dadurch beunruhigt fhlte, knne deshalb unmglich richtig sein. Dagegen wird sich nicht viel einwenden lassen, vorausgesetzt natrlich, da die von Caetani) aufgestellte, 151 Personen umfassende Verlustliste einwandfrei und unsere Kenntnis der Qornleser jener Zeit einigermaBen erschpfend ist.

In der Tat finden sich in den mir zugnglichen Berichten als gefallen nur zwei Personen verzeichnet, deren Qornkenntnis ansdrcklich bezeugt wird). Das ist 'Abdallh b. Hafs b. Ghnim) und Slim, ein Klient des Ab Hudaifa), der nach ihm die Fahne der Muhdschir trug. Auf das Vorhandensein einer greren Zahl solcher unter den muslimischen Kmpfern deuten die Worte des Ab Hudaifa: O Leute des Qorn, schmucket den Qorn mit Taten!), falls sie authentisch sind.

Aber selbst wenn die von Caetani aus Licht gezogenen Widersprche hinfllig wrden, liee sich trotzdem die tradi

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tionelle Verknpfung der Sammlung mit jenem Feldzuge nicht aufrecht erhalten. Denn, wie der weitere Bericht mit drren Worten sagt, ist ja die Sammlung fast ausschlielich aus geschriebenen Quellen entnommen worden. Jeder Zweifel daran ist ausgeschlossen, da wir wissen, da Muhammed selbst fr die Niederschrift der Offenbarungen Sorge getragen hatte). Unter diesen Umstnden konnte auch der Tod noch so vieler Qornleser nicht die Besorgnis rechtfertigen, da die Kenntnis der Offenbarungen des Propheten verloren ginge.

Um in diesem Wust von Widersprchen und Irrtmern die geschichtliche Wahrheit zu ermitteln, gibt der Inhalt der Tradition weiter kein Mittel an die Hand. Deshalb mssen wir versuchen, Anhaltspunkte aus der Form der Tradition zu gewinnen und durch literarische Analyse einen lteren Kern herauszuschlen. Nun spricht die berwiegende Mehrzahl der Einzelzge fr die Wertung der Qornsammlung als Staatsangelegenheit. Der einzige die privatrechtliche Auffassung vertretende Zug, nmlich der bergang der Bltter von Omar in das Eigentum seiner Tochter Hafsa, ist leicht aus dem Texte auszuscheiden. Hiernach scheint es keinem Zweifel mehr unterliegen zu knnen, da die andere Auffassung die ltere und zutreffende ist.

Nichtsdestoweniger mu diese an sich so einfache und einleuchtende Lsung als falsch betrachtet werden. Denn gerade der Umstand, da sich die Sammlung nach dem Tode Omars in dem Besitze Hafsas befand, ist die sicherste Tatsache des ganzen Berichtes, weil sie durch die Nachrichten ber die kanonische Qornausgabe besttigt wird. Denn von Othman heit es dort, da er die Bltter bei Hafsa holen und seiner Rezension zugrunde legen lie. Dies ist der feste Punkt, von dem aus wir uns rckwrts orientieren mssen. Obgleich die Berichte ber die beiden Qornausgaben jetzt meistens miteinander verbunden sind, so hat doch in den lteren Quellen jeder seinen besonderen Isnd und damit eine durchaus selbststndige literarische Stellung.

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Es mu deshalb zunchst dahingestellt bleiben, inwieweit das ber die Vorgeschichte jener Bltter Gesagte Vertrauen verdient. Nichts ist ja an sich natrlicher, als da dieselben auf dem Wege des Erbganges an Hafsa gelangt sind. Die Sache verhlt sich aber vielleicht doch anders. Wenn Hafsa des Lesens kundig war), konnte sie eine Qornsammlung fr ihren eigenen Gebrauch erworben oder in Auftrag gegeben haben. Im anderen Falle liee sich mehr als ein Grund anfhren, der eine der vornehmsten Frauen des damaligen Medina zu einem solchen Vorgehen bestimmt haben mochte. War Omar nicht der Vorbesitzer, so fllt auch seine Urheberschaft dahin. Das Aufkommen dieses Irrtums liegt eigentlich sehr nahe. Nachdem die Glubigen sich mit der bitteren Wahrheit abfinden muten, da ein so unfhiger und miliebiger Herrscher wie Othman der Vater der kanonischen Rezension geworden war, mochte es ihnen als ein Gebot der ausgleichenden Gerechtigkeit erscheinen, dem jenen soweit berragenden Vorgnger wenigstens an der Vorarbeit zu dieser Rezension einen Anteil beizumessen.

Auf keinen Fall fhrt ein Weg von Omar zurck zu Ab Bekr, so da, wenn berhaupt ein Chalife als Urheber in Betracht kommt, es nur Omar gewesen sein kann. Auf diesen weist ja auch der ausdrckliche Wortlaut einer der abweichenden Traditionen und die Hauptberlieferung wenigstens insofern, als sie diesen Chalifen als die treibende Kraft des Unternehmens hinstellt.

Die Auffassung von dem Mitwirken Ab Bekrs ist durch die andere von der wirklichen oder angeblichen Urheberschaft seines Vorgngers bedingt. War Omar der geistesgewaltigste unter den ersten Chalifen, so hatte Ab Bekr den Vorzug, einer der ersten Glubigen und der nchste Freund Muhammeds gewesen zu sein. Da mochte es vielen verwunderlich erscheinen, da ein solcher Mann nicht ebenfalls bereits die Schaffung der Qornsammlung betrieben htte, und dieser fromme Wunsch

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sich allmhlich zu einer geschichtlichen Aussage verdichten. Vielleicht hatte bei diesen Bestrebungen auch scha ihre Hand im Spiele, die bekannte Witwe Muhammeds und Tochter Ab Bekrs, die, der Familienpolitik nicht abhold, gewohnt war, ihrem Ehrgeiz Wahrheit und Ehre zu opfern.

Die letzte der oben genannten drei muslimischen Ansichten, welche die Sammlung auf die Regierungszeit der beiden Chalifen verteilt, hat gegen sich, da sie eine knstliche Harmonisierung der ersten und zweiten Ansicht darstellt und berdies das erwiesenermaen als Privatangelegenheit zu wertende Unternehmen wieder mehr zu einer Staatsaktion stempelt.

Die redigierende Ttigkeit Zaids lt sich mit allen, hier errterten Formen der Tradition vereinbaren und hat noch den weiteren Vorzug, nicht leicht dem Verdachte tendenziser Erfindung einheimfallen zu knnen. Bei seiner Bestallung durch Othman vermit man allerdings einen ausdrcklichen Hinweis darauf, da er ja der Bearbeiter oder Schreiber der Bltter der Hafsa sei.

Die urschliche Verknpfung der ersten Sammlung mit dem Feldzuge von Jemma ist oben als ungeschichtlich erwiesen worden. Nach einer besonderen Veranlassung anderer Art zu fragen ist mig, denn es war in den allgemeinen Zeit-umstnden begrndet, da sich nach dem Tode Muhammeds frher oder spter das Bedrfnis regen mute, seine Offenbarungen in getreuer Niederschrift beisammen zu haben, waren sie doch das wertvollste Vermchtnis, das der Gottgesandte der Gemeinde der Glubigen hinterlassen hatte. Am allerwenigsten, sollte man meinen, bentigte ein sachkundiger Mann wie Zaid der Anregung fr ein Werk, dessen Nutzlichkeit und Zweckmigkeit so klar zutage lag.

D. Form und Inhalt der ersten Sammlung.

Das Bild, welches wir von dem Zustande der Qornniederschriften nach dem Tode Muhammeds erhalten, ist ziemlich trostlos. Denn sie sollen nicht nur zerstreut und ungeordnet gewesen sein, sondern auch auf mindestens einem halben

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Dutzend verschiedener Stoffe gestanden haben. Es regt sich aber der Verdacht, da die Tradition stark bertrieben hat, sei es, um das Verdienst der Sammler tchtig herauszustreichen, oder die rhrende Einfachheit der alten Zeit recht eindringlich vor Augen zu. stellen). Da Briefe in damaliger Zeit auf Palmstengel und Lederstcke geschrieben wurden, geht aus einigen unverfnglichen Stellen in der Prophetenbiographie des Ibn Sa'd) mit Sicherheit hervor. Es liegt aber nahe, zu glauben, da man sich fr hhere literarische Zwecke mglichst gleichmiges Material zu verschaffen suchte. Dies wrde hier um so eher am Platze gewesen sein, als es sich um Texte himmlischen Ursprunges handelte, und da, wie wir oben) nachgewiesen haben, nicht nur kleinere Einzeloffenbarungen niederzuschreiben waren, sondern auch groe Suren.

Der Name Suhuf) Bltter, den man der Sammlung Zaids beilegt, weist einerseits wohl darauf hin, da es sich um gleiches Material und Format handelt. Hierfr kommt deshalb von den verschiedenen Beschreibstoffen, auf denen sich angeblich der literarische Nachla des Propheten befand, nur Leder in Betracht. Ob Pergament schon damals in Arabien gebruchlich war, kann ich nicht feststellen. Andererseits scheint die Bezeichnung Bltter andeuten zu wollen, da

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die einzelnen Teile der Sammlung noch nicht so fest georduet) waren wie die sptere kanonische Ausgabe, die den Namen Mushaf) Buch fhrt.

Diese Auffassung ist aber unhaltbar. Mgen jene Suhuf immerhin lose Bltter gewesen sein, so mute doch der auf dem einzelnen Blatte stehende Text eine bestimmte Anordnung haben. Das schlo schon eine nicht unerhebliche Einschrnkung der Willkr in sich. Denn ein solches Blatt umfate mindestens zwei Seiten, wenn es gefaltet war, sogar vier Seiten. Die feste Textordnung konnte sich weiter auf mehrere Doppelbltter hin erstrecken und zwar auf so viele, wie zu einer Lage vereinigt waren. Eine Lage besteht aber in den alten griechischen Bibelhandschriften gewhnlich aus drei bis vier), in den von

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mir untersuchten groen kufischen Pergament-Kodizes aus drei bis fnf Doppelblttern, also aus zwlf bis zwanzig Seiten. Andere Anhaltspunkte fr die richtige Aufeinanderfolge des Textes ergaben sich ferner, wenn ein Vers am Ende eines Blattes oder einer Bltterlage abbrach, oder wenn ein Blatt zwar mit einem neuen Verse begann, aber die Verbindung nach rckwrts durch den Inhalt mit Sicherheit hergestellt wurde. Ernstliche Zweifel waren eigentlich nur dann denkbar, wenn eine Bltterlage mit einer neuen Sure begann. Aber dieser Fall konnte nur sehr selten eintreten, um so seltener, je umfangreicher die Bltterlage war, bei fnffacher Bltterlage wahrscheinlich kein einziges Mal). Wie man sieht, lt sich auch ohne uere Merkzeichen wie Bltterlagen- oder Seitenzhlung sowie ohne Kustoden eine (verhltnismig) auerordentlich groe Genauigkeit der Anordnung erzielen).

Unter diesen Umstnden drfte die Bestimmtheit der Reihenfolge der Suren auf den Blttern der ersten Qornsammlung hinter der der spteren Ausgaben nicht viel zurckgestanden haben. Es ist deshalb schwer zu begreifen, warum dieser Sammlung in der Regel nicht der Name Mushaf oder Kodex zugebilligt wird. Das Zusammenheften der Bltter kann nicht entscheidend sein, da wir nicht einmal von den othmanischen Musterhandschriften wissen, ob sie geheftet waren, und da es im islamischen Orient noch bis zum heutigen Tage vielfach

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blich ist, auch gedruckte Werke nur in losen Bogen aufzubewahren).

Den Fragen nach Inhalt und Vollstndigkeit der ersten Sammlung, nach ihrer Form, der Einteilung in Suren und deren etwaiger Abgrenzung durch Basmala, Siglen oder andere Merkzeichen, knnen wir erst nhertreten, wenn die Entstehung der anderen vorothmanischen Ausgaben sowie der kanonischen Rezension untersucht ist.

5. Die anderen vorothmanischen Ausgaben.

A. Die Persnlichkeiten der Herausgeber. Verbreitung und Erhaltung ihrer Ausgaben.

Aus der knappen Zeit von zwanzig Jahren, die zwischen dem Tode Muhammeds und der Rezension Othmans liegen, sind uns auer den Blttern der Hafsa nicht weniger als vier berhmte Sammlungen oder Ausgaben bekannt, fr deren Entstehung niemand anders verantwortlich gemacht werden kann als die Personen, unter deren Namen sie geben. Daneben sind vielleicht noch andere Ausgaben vorhanden gewesen, die nicht zu grerem Ansehen gelangten und deshalb in der berlieferung keine Spuren zurcklieen. Als Bearbeiter jener vier berhmten Ausgaben werden genannt Ubai b. Ka'b, 'Abdallh b. Masd, Ab Ms al-As'ar und Miqdd b. Aswad.

Solange ber das literarische Verfahren dieser Mnner nichts nheres bekannt ist, mu es dahingestellt bleiben, ob sie selbstndige Sammlungen der zerstreuten Offenbarungstexte veranstaltet oder sich an bereits vorhandene Sammlungen an

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gelehnt haben. Es wird deshalb vorsichtiger sein, ihre Werke allgemein als Ausgaben zu bezeichnen.

Ubaij b. Ka'b), ein Medinenser von dem chazragitischen Geschlechte Naggr, trat frh zum Islam ber und focht bei Bedr und Ohod gegen die Unglubigen. Da er sich schon im Heidentum durch seine Kenntnis im Schreiben ausgezeichnet hatte, nahm ihn Muhammed als Sekretr an, und zwar nicht nur fr seine Korrespondenz), sondern auch fr die Offenbarung). Deshalb ist es kein Wunder, da er auch als Qornleser einen Namen hat. Als sein Todesjahr wird 19, 20, 22, 30 oder 32 angegeben).

'Abdallh b. Masd, ein Mann niederer Herkunft von den Hudail, trat frh zum Islam ber und focht schon bei Bedr. Als Diener Muhammeds war er fast immer in seiner Nhe und eignete sich dabei eine groe Kenntnis der Offenbarungen an. Er konnte von sich sagen, da er bereits 70 Suren inne hatte, als Zaid b. Tbit noch ein kleiner Knabe war, der mit seinen Kameraden auf der Strae spielte. Omar schickte ihn nach Kufa als Qd und Schatzmeister, und er starb daselbst a. H. 32 oder 33. Nach anderen starb er in Medina).

Ab Ms Abdallh b. Qais el-As'ar befand sich bei der Gesandtschaft des jemenischen Geschlechtes Asar, die im Jahre 7 vor Muhammed erschien, als er gerade die jdische

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Veste Chaibar belagerte). Er nahm den Islam an und bekleidete unter den Chalifen Omar und Othman administrative und militrische mter, zu denen ihn sein persnlicher Schneid besonders befhigte. A. H. 17 wurde er gar Statthalter von Basra und a. H. 34 an Stelle des Said b. al-'s; ber Kufa gesetzt. Daneben bettigte er sich als Qornlehrer und Qornrezitator, wobei ihm seine schne und mchtige Stimme sehr zu statten kam. Als Traditionarier hielt er strenge darauf, da seine berlieferungen nicht aufgezeichnet, sondern nur gedchtnismig bewahrt wurden. Er starb a. H. 42 oder 52).

Miqdd b.'Amr), vom jemenischen Stamm Bahr, mute, in eine Blutfehde verwickelt, flchten und war schlielich in Mekka gelandet und Schutzgenosse des Aswad b. Abd-Jaght, offenbar eines jemenischen Landsmannes, geworden. Er nahm hier als einer der ersten den Islam an und nahm fast an allen Kmpfen gegen die Unglubigen teil, und zwar als Reiter, was auf seine vornehme Herkunft schlieen lt. Bei der Eroberung gyptens) hatte er ein Kommando inne und machte unter Muawija den Zug nach Zypern mit). ber seine Religiositt schweigen sich die Quellen ebenso aus wie ber seine Qornkenntnis. Als er a. H. 33 starb, sprach Othman das Leichengebet ber ihn.

Was die Verbreitung der von diesen Mnnern veranstalteten Ausgaben anbelangt, so hielten sich die Damaskener bzw. Syrer) an die Lesart des Ubai, die Kufier an die des Ibn Masd, die

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Basrier an die des Ab Ms und die Bewohner von Hims an diejenige des Miqdd). Da die Ausgaben des Ibn Masd und Ab Ms in Kufa bzw. Basra solches Ansehen erreichten, ist nicht weiter verwunderlich, wenn man sich der einflureichen Stellungen erinnert, welche diese Mnner an den genannten Orten bekleideten. Dagegen ist von ueren Beziehungen Miqdds zu Hims oder Ubais zu Syrien nichts bekannt.

Von den Ausgaben dieser Mnner ist keine einzige auf uns gekommen, so da wir fr die Fragen nach der ueren Anlage und Textgestalt derselben lediglich auf indirekte Quellen angewiesen sind. Die Ausgabe des Miqdd hat nicht einmal in diesen eine Spur hinterlassen. Von Ab Ms kenne ich nur die Notiz bei Itqn 154, da er die Suren des Ubai in seinen Qorn aufgenommen htte, sowie die Traditionen ber zwei seinem Kanon eigentmliche Verse). Dagegen besitzen wir von den Texten des Ubai und Ibn Masd nicht allein eine gewisse Zahl von Lesarten, die in dem dritten Teil dieses Werkes gesammelt werden, sondern auch Verzeichnisse ber die Zahl und Reihenfolge der Suren.

B. Die Qornausgabe des Ubai b. Ka'b.

a) Der Qorn des Ubai nach der berlieferung des Fihrist.

Der Qorn Ubais hatte nach dem Fihrist) folgende Anordnung): Sur. 1. 2. 4. 3. 6. 7. 5. 10. 8. 9. 11. 19. 26. 22. 12. 18. 16. 33. 17. 39. 45. 20. 21. 24. 23. 40. 13. 28. 37. 38.

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36. 15. 42. 30. 43. 41. 32. 14. 35. 48. 47. 57. 58.) 25. 32. 71. 46. 50. 55. 56. 72. 53. 68. 69. 59. 60. 77. 78. 76. 81. 79. 80.) 83. 84. 95.) 96. 49. 63. 62. 65.) 89. 67. 92. 82. 91.85. 86. 87. 88. 64.) 98.) 61. 93. 94. 101. 102. ). ). 104. 99. 100. 105. 113. 108. 97. 109. 110. 111. 106. 112. 113. 114.

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b) Der Qorn des Ubai nach der berlieferung des Itqn und deren Verhltnis zum Fihrist.

Itqn 150 f. gibt von dem Qorn des Ubai folgende Liste: Sur. 1. 2. 4. 3. 6. 7. 5. 10. 8. 9. 11. 19. 26. 22. 12. 18. 16. 33. 17. 39. 41 oder 43.) 20. 21. 24. 23. 34. 29. 40. 13. 28. 27. 37. 38. 36. 15. 42. 30. 57. 48. 47. 58. 67. 61. 46. 50. 55. 56. 72. 53. 70. 73. 74. 54. 41 oder 43.) 44. 31. 45. 52. 51. 69. 59. 60. 77. 78. 75. 81. 65. 79.) 80. 83. 84. 95. 96. 49.

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63. 62. 66. 89. 90. 92. 82. 91. 86. 87. 88. 61. 64. 98. 93. 94. 101. 102. 103. ). ). 104. 99. 100. 105. 106. 107.108. 97. 109. 110. 112. 113. 114.

Vermit werden die Suren 74. 25. 32. 35. 68. 76. 85. 111, whrend die Zahl der fehlenden Suren im Fihrist fast das Doppelte, nmlich 14, betrgt und ganz andere Suren betrifft. Die Gesamtzahl der Suren des Ubai ist also auch in dieser Liste auf 116 zu berechnen, obwohl eine ausdrckliche Angabe darber fehlt. Dagegen teilt Sujt an einer anderen Stelle) zwei Traditionen mit, nach denen diese Rezension nur 115 Suren hatte, indem Sur. 105. 106) oder Sur. 93. 94 vereinigt waren. Die Zuverlssigkeit dieser Angaben lt sich nicht weiter nachprfen. Der Umstand, da in den berlieferten Listen die vier Suren einzeln benannt sind, braucht jedenfalls nicht dagegen zu sprechen, indem Sur. 94 unmittelbar hinter Sur. 93, und Sur. 106 unmittelbar hinter 105 steht

c) Die dem Qorn des Ubai eigentmlichen Suren.

Von grerer Bedeutung ist die Tatsache, da die Sammlung des Ubai zwei in der kanonischen Rezension fehlende Suren enthlt. Diese gehen bald unter ihren besonderen Namen Srat al-Hal' und Srat al-Hafd), bald unter dem zusammenfassenden Titel Srat 'l-qunt) oder gar Srat al-qunt). Den anderen Bezeichnungen Du' al-qunt),

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Du' al-Fagr) oder al-Du') liegt die Voraussetzung zugrunde, da es sich nicht um Suren, sondern um einfache Gebete handelt. Viel seltener findet sich der Wortlaut des Textes. Mabn III gibt den Anfang der ersten Sure, Fihrist den Anfangsvers der ersten sowie die beiden letzten Worte der zweiten Sure, Gauhar und Lisn den dritten Vers derselben, Zamahsar die zwei ersten Verse. Der vollstndige Text der Suren scheint nur bei sehr spten Schriftstellern vorzukommen, bei Sujt (gest. 1510 a. D.)), Taskprzde (gest. 1560) und bei Birgili (gest. 1562). Dagegen gehen die von Sujt angefhrten Isnde oder Zeugenreihen, soweit sie chronologisch festzustellen waren, noch auf Autoritten des ersten Jahrhunderts zurck).

Die beiden Suren sind zum erstenmal von J. v. Hammer verffentlicht worden). Abgesehen davon, da er seine Handschrift nicht genau wiedergegeben hat, lt sich jetzt schon allein mit Hilfe der inzwischen bekannt gewordenen Parallelen ein besserer Text herstellen.

Text.

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) ( * ( ( * *

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bersetzung.

Sure der Preisgabe.

Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers:

1) O Gott, wir bitten Dich um Hlfe und Vergebung;

2) Wir preisen Dich, und sind nicht undankbar gegen Dich,

3) Und geben preis und verlassen Jeden, der wider Dich frevelt.

Sure des Hinstrebens.

Im Namen Gottes, des barmherzigen Erbarmers:

1) O Gott, Dir dienen wir;

2) Und zu Dir beten wir und verneigen uns;

3) Und zu Dir eilen und streben wir hin,

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4) Wir hoffen auf Dein Erbarmen,

5) Und frchten Deine Strafe;

6) Wahrlich Deine Strafe erfat) die Unglubigen.

Die Echtheitsfrage.

Da diese Texte nach Inhalt und Form Gebete sind, so lt sich ihr Offenbarungscharakter nur dann aufrecht erhalten, wenn vor ihnen das Wrtchen Qul Sprich! ausgefallen ist, dessen sich der Qorn bekanntlich bedient, um Gebete z. B. Sur. 113. 114 oder subjektive uerungen Muhammeds als Gotteswort zu legitimieren. Allerdings fehlt ein solches Qul auch der Erffnungssure unserer Ausgaben, aber dieser Umstand ist gerade einer der Grnde, um derentwillen die Ftiha im Verdachte steht, kein Teil der Offenbarung zu sein. Die anderen Grnde liegen, wie im ersten Teil dieses Werkes S. 110 ff. ausfhrlich dargelegt ist, in einer starken Abhngigkeit von der Sprache jdischer und christlicher Liturgien, die auch den Gebrauch einer im Qorn sonst nicht vorhandenen Wendung veranlate), ferner die Anwendung einer dem Qorn sonst fremden grammatischen Konstruktion), sowie schlielich in dem schwerflligen Bau des letzten Verses, was vielleicht auf bersetzungsschwierigkeiten beruht. Demgegenber ist der Stil der Ubai-Suren viel glatter und bewegt sich mehr auf der Linie allgemeiner qornischer Redensarten. Trotzdem lt sich eine, imVerhltnis zum geringen Umfange des Textes keineswegs geringe Zahl sprachlicher Abweichungen nachweisen. Die Konstruktion von ista'na mit dem Akkusativ der Person ist, wie eben gesagt, im Qorn nur an einer Stelle der Ftiha zu belegen. Das

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Verbum loben fehlt dem Qorn gnzlich), whrend in ihm doch andere Verba dieser Bedeutung recht hufig sind). Ebenso fehlt eilen. laufen ist zwar gut qornisch, aber die Verbindung mit zu Gott hinstreben kommt nicht vor). freveln hat hier den Akkusativ der Person bei sich, whrend es im Qorn nur absolut gebraucht wird (Sur. 75, 5. 91, 8). , das im Qorn berhaupt nur einmal zu belegen ist (Sure 20, 12), steht nicht, wie hier, im bertragenen Sinne). Aus diesen Grnden ist es weder glaubhaft, da diese Suren echte Teile des Qorn sind, noch da sie berhaupt vom Propheten herrhren. Sie sind aber allem Anschein nach alte Gebete, die schon zu Lebzeiten Muhammeds im Gebrauch waren. Sie werden ja, wie wir sahen, in der Tradition oft als Du bezeichnet, und Omar wie Ubai selbst sollen sich ihrer bei dem Qunt-Gebete bedient haben). Von hier aus war es leicht, zur Ansicht von ihrem himmlischen Ursprunge zu gelangen). Andere verleitet dazu vielleicht schon allein der Umstand, da sie mit der Basmala versehen waren ).

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Andere wollten noch mehr wissen und verlegten ihre Offenbarung, ebenso wie die der Worte Sur. 3, 123, in die Zeit der Verfluchung der Modar-Stmme durch Muham-med). Aber diese Angabe beruht auf der Kombination des fr die Ubai-Suren geprgten Namens du' al-qunt mit der Tradition, da Muhammed gleich nach jener Verfluchung ein Qunt-Gebet gesprochen habe). Nach einer Tradition hatte auch Ab Ms al-As'ar die beiden Suren in seinem Kanon), whrend Ibn 'Abbas sich nach der gemeinsamen Lesart des Ab Ms und Ubai richtete. Und Ali soll dem 'Abdallh b. Zurair al-Ghfiq diese Suren als Teile des Qorns mitgeteilt haben. Da ein so hervorragender Sachverstndiger wie Ubai sich tuschen lie, darf nicht in Erstaunen setzen, hat doch ein nicht geringerer Kenner, nmlich Ibn Masd, die Ftiha verworfen, whrend sie Zaid in seinen Kanon aufnahm.

d) Das Verhltnis der berlieferten Verzeichnisse der Suren des Ubai zueinander und zur kanonischen Ausgabe.

Die Surenfolge im Qorn des Ubai zeigt trotz vieler und starker Abweichungen doch im allgemeinen das Prinzip der kanonischen Rezension, nmlich das Fortschreiten von den lngeren Kapiteln zu den krzeren. Das ist nach beiden Listen am deutlichsten im Anfang und am Ende, weniger im mittleren Teil. Vollkommene bereinstimmung mit der othmanischen Anordnung zeigt die Liste des Fihrist an folgenden 16 Stellen: 1) Sur. 6. 7. 2) 8. 9. 3) 20. 21. 4) 37. 38. 5) 57. 58. 6) 55. 56. 7) 68. 69. 8) 59. 60. 9) 77. 78. 10) 79. 80. 11) 83. 84. 12) 95. 96. 13) 85. 86. 87. 88. 14) 99. 100. 15) 109. 110. 111. 16) 112. 113. 114.

Nach dem Verzeichnisse des Itqn kommen hiervon die Nummern 5, 6, 7, 10 und 13 in Wegfall, whrend dafr fnf

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andere gleiche Reihen auftauchen, nmlich Sur. 1. 2, 73. 74, 93. 94, 101. 102. 103 und 105. 106. 107. 108. bereinstimmung unter den zwei Listen herrscht auch hinsichtlich der Stellung der Qunt-Gebete, die hier wie dort zwischen die Suren 103 und 104 gesetzt sind.

C. Die Qornausgabe des Abdallh b. Masd.

a) Der Qorn des Ibn Masd nach der berlieferung des Fihrist.

Ebenso wie ber die Qornausgabe des Ubai besitzen wir ber die des Ibn Masd zwei ausfhrliche Mitteilungen. Nach der Liste des Fihrist S. 26 hatten ihre Suren die folgende Anordnung: 2. 4. 3. 7. 6. 5. 10). 9. 16. 11. 12. 17. 21. 23. 26. 77. 38. 28. 24. 8. 19. 29. 30. 36. 25. 22. 13. 34. 35. 14. 38. 47. 31). 39. 40. 43. 41. 46. 45. 44. 48. 57. ). 32. 50. 65. 49. 67. 64. 63. 62. 61. 72. 71. 58. 60. 66. 55. 53. 51). 52. 54. 69. 56. 68. 79. 70. 74. 73. 83. 80. 76. 55. 79. 78. 81. 82. 88. 87. 92. 89. 84. 85. 96. 90. 93. 94. 86. 100. 107. 101. 98. 91. 95. 104. 105. 106. 102. 97. 103. 110. 108. 109. 111. 112.

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b) Der Qorn des Ibn Masd nach der berlieferung des Itqn.

Die Liste des Itqn 151 f. zeigt folgende Anordnung: 2. 4. 3). 7. 6. 5. 10. 9. 16. 11. 12. 18. 17. 21. 20. 23. 26. 37. 33. 22. 28. 27. 24. 8. 19. 29. 30. 36. 25. 15. 13. 34. 35. 14. 38. 47. 31. 39. 40. 43. 41. 42. 46. 45. 44. ). 48. 59. 32. 65. 68. 49. 67. 64. 63. 62. 61. 72. 71. 58. 60. 66. 55. 53. 52. 51. 54. 56. 79. 70. 74. 73. 83. 80. 76. 77. 75. 78. 81. 82. 88. 87. 92. 89. 85. 84. 96. 90. 93. 86. 100. 107. 101. 98. 91. 95. 104. 105. 106. 102. 97. 99. 103. 110. 108. 109. 111. 112. 94.

c) Das Verhltnis der beiden Listen zueinander und zur

othmanischen Ausgabe.

Die Surenfolge in der Rezension des Ibn Masd nach dem Itqn zeigt bereinstimmung mit der offiziellen Ausgabe an folgenden Stellen: 1) Sur. 11. 12. 2) 29. 30. 3) 34. 35. 4) 39. 40. 5) 41. 42. 6) 81. 82. 7) 104. 105. Nach dem Fihrist kommen dazu noch vier weitere Stellen Sur. 77. 78, 84. 85, 93. 94, 111. 112. Danach steht die Reihenfolge des Fihrist der kanonischen Anordnung nher.

Die Suren, welche dem Fihrist fehlen (16. 18. 20. 27. 42. 49), sind alle in dem Itqn vorhanden, wie umgekehrt diejenigen, welche im Itqn vermit werden (50. 57. 64), sich im Fihrist vorfinden. Diese Auslassungen sind demnach smtlich rein zuflliger Natur. Setzt man dieselben in die entsprechenden Verzeichnisse ein, so ergibt sich, da beide die gleiche Zahl

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von Suren enthalten, nmlich alle Suren der offiziellen Ausgabe mit Ausnahme der Suren 1, 113 und 114. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses wird durch eine am Schlusse beider Verzeichnisse stehende Bemerkung besttigt.)

Whrend die Zahl der in der Ausgabe des Ibn Masd vorhandenen Suren im Itqn nicht ausdrcklich angegeben ist, wird sie im Fihrist auf 110 berechnet. Das ist sehr merkwrdig. Da dieser Ausgabe doch nur drei Suren fehlen, mte die Summe der brigen 111 betragen, es sei denn, da zwei derselben in eine einzige zusammengezogen waren. Die Suren, an deren Vereinigung man zunchst denken knnte, Sur. 8. 9, indem Sure 9 wenigstens in der othmanischen Ausgabe der Basmala entbehrt, kommen hier nicht in Betracht, da sie in keiner der beiden Listen hintereinander stehen). Da unsere Quellen auch keine anderen Kombinationen dieser Art an die Hand geben, so wird zu vermuten sein, da jene sonderbare Zahlenangabe einfach auf einem Textfehler beruht.

In einer anderen Tradition) heit es, da Ibn Masd 112 Suren hatte, indem die beiden Beschwrungssuren fehlten. Hiernach wird ihm also die Ftiha wieder zugeschrieben, und diese Ansicht ist weit verbreitet. Sujt erwhnt an einer spteren Stelle des Itqn) noch drei weitere damit bereinstimmende Traditionen. Der Verfasser des Fihrist erzhlt), da er einen 200 Jahre alten Qornkodex des Ibn Masd ge

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sehen habe, in dem diese Sure geschrieben war, und da es berhaupt unter den Handschriften jener Rezension nicht zwei gebe, die ganz untereinander bereinstimmten. Sogar die entgegenstehende Angabe les Fihrist ber die drei im Kodex des Ibn Masd fehlenden Suren) macht den Eindruck, als ob die Worte erst nachtrglich in den Text eingesetzt seien.

In jedem Falle wrde die ablehnende Haltung Ibu Mas'ds gegen die drei Suren nicht unbegrndet sein. Denn sie unterscheiden sich nach Inhalt und Form so sehr von allen brigen Suren, da sie zur Verdchtigung ihrer Echtheit geradezu herausfordern. Whrend die Ftiha durch starke Abhngigkeit von jdischen und christlichen Liturgien auffllt), stecken die Beschwrungssuren voll des massivsten Heidentums), obwohl sie durch Vorsetzung des Wrtchens Qul uerlich als Offenbarung gekennzeichnet sind. Derjenige, welcher diesen Gebeten ihre jetzige Stellung im Qorn anwies, bestimmte sie offenbar als eine Art Schutzwall fr denselben, wobei dem Lobgebete der Ftiha wohl die Aufgabe zufiel, den Schutz Allahs herabzuziehen, whrend die beiden Beschwrungsgebete den Einflu der bsen Geister abzuwehren hatten.

D. Verhltnis der Qorne des Ubai, Ibn Masd und Ab Ms zueinander und zur kanonischen Ausgabe.

Ubai hatte in seinem Qorn alle Suren der kanonischen Ausgabe und dazu noch die beiden Qunt-Gebete. Ibn Masd dagegen hatte zwei oder drei Suren (1. 113. 114) weniger als die sptere offizielle Rezension. Die Anordnung der Suren in diesen beiden Ausgaben ist so verschieden, da sich Aufeinanderfolge gleicher Suren nur an zwei Stellen der Listen findet, nmlich am Anfang (Sur. 2. 4. 3) und am Ende (Sur. 105. 106 nach Itqn), bzw. in der Mitte (Sur. 43. 41 nach Fihrist).

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Das Verhltnis beider zur kanonischen Ausgabe ist viel gnstiger, indem die Reihenfolge des Ibn Masd an 8 (Itqn) bzw. 12 (Fihrist), die des Ubai gar an 16 Stellen mit der kanonischen bereinstimmt. Dagegen ist die bereinstimmung mit den genau nach der Gre geordneten Suren nach der von mir S. 65 f. entworfenen Tabelle wieder geringer, denn mit dieser besteht Reihengleichheit nur an vier bis fnf Stellen, nmlich Sur. 2. 4. 3; 9. 11; 63. 62; 110. 111; 112. 13 (Ubai nach Fihrist) bzw. Sur. 2. 4. 3. 7. 6. 5; 48. 57; 77. 78; 111. 112 (Ibn Masd nach Fihrist).

Unbeschadet aller Differenzen und Ungenauigkeiten liegt den beiden Ausgaben doch unverkennbar das Prinzip zugrunde, von den lngeren Suren zu den krzeren fortzuschreiten. Dieses Prinzip ist so eigenartig, da seine zweimalige Anwendung nicht auf Zufall beruhen kann, sondern eine Folge literarischer Beziehungen sein mu, wenn wir dieselben auch nicht weiter nachweisen knnen. Da jenes Prinzip aber auch in der kanonischen Ausgabe befolgt ist, die, wie wir noch sehen werden, auf die erste Sammlung Zaids zurckgeht, so mssen sich die angedeuteten literarischen Beziehungen auf diese mit erstrecken. Das gleiche ergibt sich noch aus einer anderen Beobachtung. Da in den Listen der Suren des Ubai und Ibn Masd fast durchweg dieselben Titel erscheinen wie in der spteren kanonischen Ausgabe, so liegt dem ohne Zweifel die Voraussetzung zugrunde, da hinter den gleichen Namen im wesentlichen der gleiche Inhalt steckt. Diese Sureneinteilung mu demnach schon in dem Exemplar der Hafsa vorhanden gewesen sein, da es ja, wie die Tradition sagt, der othmanischen Ausgabe als Vorlage diente. Das kann natrlich nicht auf Zufall beruhen, sondern mu eine Folge literarischer Beziehung sein. Dieselbe nher zu bestimmen, ist leider nicht mglich. Zwar soll jenes Exemplar auf der ersten Sammlung der Offenbarungen beruhen, die berhaupt veranstaltet wurde. Aber darauf ist nicht unbedingt Verla, da der Tradition ber diese Sammlung Zaids auch andere Irrtmer nachzuweisen sind. Es darf auch nicht bersehen werden, da Ibn Masd und Ubai ltere Zeit

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genossen Zaids waren und lnger als er im Dienste Muhammeds standen.

Es gibt noch einige zerstreute Traditionen ber Verse, die in diesen beiden Rezensionen gestanden haben sollen, aber in unseren Ausgaben fehlen. ber den verlorenen Vers, den einst Ibn Masd angeblich in seinem Qorn hatte, spricht er sich selbst in einer von Hibatallh ed. Cair. S. 10 mitgeteilten Tradition also aus: Der Gesandte Gottes lie mich einen Vers rezitieren, den ich auswendig lernte und dann in meinen Kodex eintrug. Als ich aber nachts zu meiner Schlafstelle zurckkehrte, wute ich ihn nicht mehr, und die Stelle in meinem Kodex war wei. Ich befragte hierauf den Propheten, der mir erwiderte, da der Vers schon gestern wieder aufgehoben worden sei. Mit solchen allgemeinen Redensarten ist natrlich gar nichts anzufangen, auch wenn sie Glauben verdienten.

Bestimmter sind die Angaben ber die drei verlorenen Verse, die Ubai in seinem Qorn hatte.

Der erste lautet: Htte der Mensch ein Tal von Schtzen, so wrde er dazu noch ein zweites verlangen, und htte er ein zweites, so wrde er dazu noch ein drittes verlangen; aber nur Staub wird den Bauch des Mensch fllen, und Allah kehrt sich zu denen, die sich zu ihm kehren). Dieser Vers soll angeblich in Sur. 10, 25 oder irgendwo in Sur. 98 gestanden haben), was aber schon wegen der Verschiedenheit des Reimes unmglich ist. Es kann aber auch keine andere Stelle fr ihn in Betracht kommen, da das hier im Original fr Mensch gebrauchte Wort ibn dam unqornisch ist).

Der zweite Vers lautet: Wahrlich die Religion bei Gott ist das milde Hanifentum, nicht das Judentum noch das Christentum; und wer Gutes tut, wird dafr nicht unbelohnt bleiben"). Auch dieser Vers soll zu Sur. 98 gehrt haben, was nach

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Inhalt und Reim unzulssig ist. Er ist berhaupt unecht, da die hier fr die drei verschiedenen Religionen gebrauchten Ausdrcke dem Qorn fremd sind.

Der dritte Vers lautet: Wenn ein bejahrter Mann und eine bejahrte Fran Unzucht treiben, so steinigt sie unbedingt zur Strafe von Gott; Gott aber ist allmchtig und allweise.) Dieser sog. Steinigungsvers kann weder ein Bestandteil von Sure 33 gewesen sein des abweichenden Reimes wegen noch des Qorns berhaupt, da jene grausame kriminalrechtliche Bestimmung, wie ich frher dargelegt habe), erst nach dem Tode Muhammeds eingefhrt sein kann.

Von dem ersten Verse des Ubai wird auch gesagt, da ihn Ab Ms, in einer der neunten hnlichen Sure gelesen habe. Nach einer Tradition) legt er den Vers, so wie er ihn noch im Gedchtnis hatte, in Basra einer Versammlung von dreihundert Qornlesern vor.

Bei dieser Gelegenheit trug Ab Ms, wie berichtet wird, noch einen anderen Vers vor, der einer den sog. Musabbiht) hnlichen Sure angehrte. Ob diese Sure verloren ist oder einen Bestandteil unserer Ausgaben bildet, nur da sie dem Gedchtnis Ab Mss entfallen war, geht aus dem Wortlaute der Tradition nicht klar hervor. Der Vers lautet: O Ihr Glubigen, warum redet Ihr, was Ihr nicht tut? So wird man Euch ein Zeugnis auf den Hals schreiben und Euch am Tage der Anferstehung darnach fragen). Die erste Hlfte dieses Textes deckt sich mit Sure 61, 2. Die zweite Hlfte kann, des Reimes wegen, weder der Sure 61 noch einer anderen der Musabbiht angehrt haben. Wenn dieser Teil auch an sich keine Handhabe bietet, seine Echtheit anzugreifen, so ist dieselbe doch

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nicht wahrscheinlich, da alle anderen Traditionen ber verloren gegangene Qornverse sich als unglaubwrdig erwiesen haben).

Auf welche Weise die Suren in den genannten vorkanonischen Qornausgaben getrennt waren, ob blo durch einen freien Raum oder durch ein anderes Zeichen oder Wort, wissen wir nicht. Nach Zamahsar zu Sure 106 bildeten die Suren 105 und 106 im Qorn des Ubai eine einzige Sure ohne Trennung), whrend 'Aladdn zur Stelle sagt, da zwischen beiden das Trennungszeichen der Basmala fehlte). Diese Formulierung geht von der Annahme aus, da vor allen brigen Suren die Basmala stand. Falls das richtig wre, mte die Basmala schon im Exemplare der Hafsa angewandt gewesen sein, von dem ja, wie oben gezeigt wurde, die anderen vorkanonischen Ausgaben abhngig sind.

E. Obskure und zweifelhafte Qornausgaben.

Es ist nicht undenkbar, vielleicht sogar wahrscheinlich, da es auer den berhmten, von uns besprochenen Qornsammlungen noch andere gegeben hat, die kein greres Ansehen erlangten und deshalb in der Literatur keine Spuren hinterlieen. Wenn es dagegen heit, da einige Gefhrten des Propheten wie Ali die Suren in chronologischer Ordnung hatten, so verdient diese Tradition) keinen Glauben. Denn eine solche Anordnung setzt eine lngere Zeit gelehrter exegetischer Ttigkeit voraus und wre zudem gar nicht durchfhrbar gewesen, weil Muhammed schon selbst in den von ihm veranlaten Niederschriften jngere Offenbarungen mit lteren verbunden hatte). Aus dem gleichen Grunde gehren auch die oben Teil I S. 60 ff. mitgeteilten chronologischen Listen

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in viel sptere Zeit als ihre Isnde glauben machen wollen. Sie mssen aber andererseits und zwar aus inneren Grnden lter sein als chronologisch geordnete Qornausgaben, falls solche berhaupt jemals vorhanden waren. Die angebliche Reihenfolge der sechs ersten Suren im chronologischen Qorn Alis (Sur. 96. 74. 68. 73. 111 nach Itqn 145) stimmt brigens zu keiner der eben erwhnten chronologischen Listen, in denen durchgngig Sur. 68. 73 vor Sur. 74 steht. In jedem Falle ist gewi, da Ali eine derartige Ausgabe nicht veranstaltet haben kann. Weder ist eine so gelehrte und historisch orientierte Anordnungsweise von einem Zeitgenossen des Propheten zu erwarten, noch darf bersehen werden, da alle Traditionen ber eine Ttigkeit Alis als Sammler oder Redaktor des Qorns von vornherein unter dem Verdacht schiitischer Erfindung stehen).

Damit soll natrlich nicht gesagt sein, da Ali kein eigenes Qornexemplar hatte. Es ist im Gegenteil uerst wahrscheinlich, da nicht nur er, sondern zahlreiche seiner Zeitgenossen aus den Kreisen des theokratischen Adels Niederschriften der Offenbarungen Muhammeds besaen. Diese Exemplare werden aber, so weit sie einigermaen vollstndig waren, im wesentlichen nach dem Muster jener berhmten Sammlungen eingerichtet gewesen sein. Dieser Gruppe wrde auch das Exemplar der Ascha beizuzhlen sein, von dem berliefert wird, da es eine andere Ordnung hatte, ohne da die Besitzerin viel Wert darauf legte).

6. Die Entstehung der offiziellen Qornausgaben unter dem Chalifate Othmans.

A. Die herrschende Traditions).

In den Feldzgen gegen Armenien und Adherbeidschan zankten sich die Krieger aus dem Iraq und Syrien ber die

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wahre Gestalt des Qorntextes. Die von Hims (Emesa) hielten ihren auf Miqdd b. Aswad zurckgehenden Text fr den besten. Die Damaskener bzw. Syrer gaben ihrem Texte) den Vorzug. Die Kufenser erkannten als magebend nur die Lesung des 'Abdallh ibn Masd an und die Basrier nur die des Ab Ms). Als der berhmte Heerfhrer Hudaifa nach Beendigung jener Feldzge wieder in Kufa eintraf, gab er seiner Entrstung ber diese Verhltnisse, die nach seiner Meinung die Zukunft des Islam ernstlich gefhrdeten, gegenber dem Statthalter Sa'd b. al-'s lauten Ausdruck. Aus den Kreisen des theokratischen Adels pflichteten ihm viele bei, nur die Anhnger des Ibn Masd beharrten hartnckig auf der Autoritt ihres Meisters. Nicht lange hernach kam Hudaifa nach Medina und trug dort seine Wahrnehmungen dem Chalifen Othman vor. Nachdem dieser die alten Gefhrten des Propheten versammelt hatte, wurde einmtig beschlossen, der Meinung des Generals beizutreten. Hierauf setzte der Chalife eine Kommission ein, die aus dem Medinenser Zaid ibn Tbit und drei vornehmen Koraischiten, 'Abdallah b. al-Zubair, Sa'd b. al-'s und 'Abdarrahmn b. al-Hrit bestand, und betraute sie mit der Aufgabe, von dem Qornexemplare der Hafsa) Abschriften anzufertigen. Nach Beendigung der Arbeit erhielt Hafsa ihr Eigentum wieder zurck, whrend die Abschriften nach verschiedenen auswrtigen Provinzen versandt wurden, um dort hinfort als magebende Re

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zension zu dienen. Dagegen wurden die lteren Sammlungen der Vernichtung berantwortet. Wie es scheint, fgte sich die Bevlkerung allenthalben gutwillig diesen Manahmen, nur die allezeit unbotmigen Kufier, unter der Fhrung des Ibn Masd, leisteten Widerstand.

Die Zeit dieser Begebenheiten ist nur ungefhr festzustellen. Die genannten Feldzge werden gewhnlich in das Jahr 30 a. H. gesetzt). Doch ist deren Verhltnis zu anderen, von den Chronisten berichteten Kmpfen in derselben Gegend und mit denselben handelnden Personen) keineswegs deutlich. Falls Ibn Masd wirklich das Zustandekommen der othmanischen Ausgabe erlebt hat, mu dasselbe vor die Jahre 32 oder 33 a. H. fallen), die als seine Sterbejahre genannt werden. Der uerste Termin ist der Tod Othmans am Ende (1.8. D'l-higga) des Jahres 35 d. H.

Die Anregung zu dem Unternehmen ist nach der einhelligen Annahme der berlieferung nicht vom Chalifen ausgegangen, sondern von einem der berhmtesten seiner Feldherren. Dessen Motiv war die Befrchtung, da durch Streitigkeiten ber den richtigen Text des heiligen Buches die Einheit des Islams und des auf die Religion gegrndeten theokratischen Staatswesens gefhrdet sei. Immerhin bleibt es ein unleugbares Verdienst Othmans, dem guten Rate gefolgt zu sein und seine Ausfhrung beschleunigt zu haben. Er vollzog damit seine verstndigste Regierungshandlung und die einzige, welche sein Andenken mit Ruhm bedeckte. Die Aufstndischen machten ihm spter

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freilich auch diese segensreiche Manahme zum Vorwurf (Tabar I 2952). Dagegen sollen so hervorragende Persnlichkeiten wie 'Abdallh b. Omar und Ali, obwohl sie persnlich und politisch Gegner Othmans waren, gerade in dieser Beziehung mit ihm einverstanden gewesen sein).

Die Tradition, deren Inhalt soeben dargelegt worden ist, habe ich in der berschrift die herrschende genannt, weil sie in der Literatur, dem Hadith, den Qornkommentaren und den Geschichtswerken am meisten verbreitet ist. Die uere Beglaubigung ist nicht so gut wie bei der Tradition ber die erste Sammlung, da die Zeugenkette mit dem berhmten berlieferer Anas b. Mlik) abbricht, also nicht auf einen unmittelbaren Augenzeugen zurckgeht. Doch hat gerade die Kritik jener anderen Tradition gezeigt, wie wenig Verla auf solche uerlichkeiten ist.

B. Die abweichenden berlieferungen und ihr Wert.

Die abweichenden berlieferungen sind uerlich durchaus nicht schlechter beglaubigt als die sog. herrschende Tradition, da die Gewhrsmnner, auf die sie zurckgefhrt werden, wie 'Abdallh b. al-Zubair, Katr b. Aflah, al-Zuhr, zu den angesehensten Autoritten gehren. Deshalb mu bei jeder der jetzt vorzufhrenden Traditionen gleich die Frage nach ihrer inneren Glaubwrdigkeit erhoben werden.

Eine berlieferung im Muqni' lt den Sa'd weg und setzt an seine Stelle den 'Abdallh b.'Amr b. al-'s sowie den 'Abdallh b. 'Abbs. Ersterer zeichnete sich aus durch eifrige, asketisch gerichtete Frmmigkeit, groe Hadithbeherrschung und Schreibkunde, soll auch eine Hadithsammlung verfat haben). Nichtsdestoweniger ist seine Zugehrigkeit zur Kommission unwahrscheinlich, da sein Vater, den Othman im Jahr 28

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von der Statthalterschaft ber gypten entfernt hatte), sich auf die Seite der Feinde des Chalifen schlug. Ibn 'Abbs wre wegen seiner groen theologischen und exegetischen Gelehrsamkeit) fr die gedachte Aufgabe sehr geeignet gewesen. Doch beruht seine Nennung ohne Frage auf dem tendenzisen Bestreben, auch eine Person aus der Familie des Propheten an der Herstellung des kanonischen Textes zu beteiligen.

Eine andere Quelle) fgt zu jenen Vieren den Ubai b. Kab, einen der berhmtesten Qornkenner und Bearbeiter einer besonderen Sammlung). Aber das ist abzulehnen, da er nach der vertrauenswrdigen Angabe des Wqid, der bei seiner Familie Erkundigungen eingezogen hatte, im Jahre 22, nach anderen gar schon zwei bis drei Jahre frher gestorben ist). Die Angabe, da sein Tod ins Jahr 30 oder 32 falle, steht unter dem Verdachte, geflscht zu sein, um seine Mitwirkung am Werke Othmans zu ermglichen.

Wie zwei Traditionen behaupten, ist dem Zaid nur ein einziger Koraischite beigegeben worden. Die eine von ihnen nennt den schon in der vorhin erwhnten Viererliste vorkommenden Sad b. al-'s). Othman, so heit es, legte den

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Gefhrten des Propheten die Frage vor, wer am besten arabisch verstnde, und wer am schnsten schreiben knne. Darauf gaben sie dem Sad den Vorzug als Sprachkenner und dem Zaid als Kalligraphen. Daher habe jener diktiert, dieser geschrieben. Wenn ich recht sehe, liegt hier eine Vereinfachung der herrschenden Tradition vor. 'Abdarrahmn b. al-Hrit ist wahrscheinlich deshalb weggelassen, weil man keine rechte Verwendung fr ihn ausfindig machen konnte. Falls dies zutrifft, so ist die vorliegende Tradition von der herrschenden berlieferung abhngig, also jngerer Herkunft.

Die andere jener beiden Traditionen) nennt neben Zaid den Abn b. Sa'd b. al-'s, wahrscheinlich einen Oheim des schon oft erwhnten Sad. Abn hatte allerdings dem Propheten als Sekretr gedient), ist aber nach Tabar I 2349 bereits a. H. 14 in der Schlacht am Jarmuk gefallen. Das spteste Sterbejahr, das ich fr ihn finde, a. H. 29, ist wohl mit Rcksicht auf seine angebliche Mitarbeit am othmanischen Qorn nachtrglich errechnet, aber trotzdem mindestens zwei Jahre zu frh ausgefallen. Ibn 'Atja und Qurtub sind deshalb gewi im Rechte, wenn sie die ganze Tradition fr unglaubwrdig (da'f) erklren.

Wieder einen Typus fr sich bildet eine berlieferung, deren Kenntnis wir der Belesenheit Sujts verdanken): Ibn ab D'd von Muhammad b. Srn von Katr b. Aflah). Als Othman die Qornexemplare schreiben lassen wollte, versammelte er zwlf Mnner von den Koraisch und den Hilfsgenossen. Hierauf lie er die Qornkiste) aus dem Hause Omars holen und nahm die Versammelten in eidliche Verpflichtung. So oft sie ber einen Text verschiedener Meinung

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waren, warteten sie mit der Entscheidung, bis festgestellt war, wer die Stelle zuletzt authentisch gehrt hatte. Ob die Nachricht, da Othman nicht davor zurckgeschreckt sei, Personen zu befragen, auch wenn sie drei Tagereisen von Medina entfernt wohnten), zu dieser Tradition in Beziehung gesetzt werden darf, steht dahin. Qastallni), der aus derselben Quelle wie Sujt schpft, rechnet zu den Zwlfen den Ubai b. Ka'b bzw. den Mos'ab b. Sa'd, whrend Ibn Sa'd III, II S. 62,19 f. auer Ubai den Zaid b. Tbit nennt und Kanz 'umml Bd. I Nr. 4763 diesen beiden noch den Sad b. al-'s hinzufgt, aber alle zwlf den Koraisch zurechnet.

An dieser berlieferung ist kein wahres Wort. Die umfangreiche Kommission scheint den Zweck zu verfolgen, den Anteil der medinischen Gemeinde an dem Qornwerke strker hervortreten zu lassen. Die Zwlfzahl ist auffallend und erinnert bedenklich an die zwlf Stammesfursten (naqb) der Kinder Israel (Sur. 5, 15). Das Verschweigen der meisten Namen erregt ebenfalls Verdacht. Schlielich geht die Beschreibung des Verfahrens bei der Festsetzung des Textes, wie wir noch sehen werden, von irrigen Voraussetzungen aus.

Von der herrschenden Tradition entfernt sich entschieden am meisten eine berlieferung, die Sujt) aus dem Mushaf-Werke des Ab Bekr b. Asta) bernommen hat: 'Abdallh b. al-Zubair sagt: Einst trat ein Mann zu Omar und sagte ihm, da die Leute ber den Qorn in Streit geraten seien. Omar beschlo deshalb, den Qorn nach einer einzigen Lesart zu sammeln, wurde aber, noch ehe er zur Ausfhrung schritt, er-mordet. Dann trat der Mann zu dem Chalifen Othman und machte ihm dieselbe Mitteilung. Daraufhin sammelte Othman die Kodizes und befahl mir, den Kodex der Ascha zu holen. Nachdem wir denselben durchgesehen und verbessert hatten,

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lie er die brigen Exemplare zerreien"). Hierauf bezieht sich wohl auch die Angabe einer anderen Quelle), da Omar ermordet worden sei, ehe er den Qorn gesammelt habe. Die Tradition hat offenbar das Bestreben, das Verdienst Othmans zugunsten seines groen Vorgngers abzuschwchen, hnlich wie die biblische Erzhlung vom Tempelbau David gegen Salomo ausspielt). Da die Musterhandschrift aus dem Besitze der Ascha stammt, ist ebenfalls Tendenz, da diese Fran durch ihre Schwester Asm die Tante des Zubairiden war.

C. Kritik der herrschenden berlieferung.

a) Die Personalien der Kommissionsmitglieder.

Nachdem unsere Untersuchung dahin gefhrt hat, alle abweichenden Traditionen und ihre Angaben ber die Zusammensetzung der Qornkommission abzulehnen, mu nunmehr die herrschende Tradition auf ihre Zuverlssigkeit geprft werden.

Was zunchst die Personalien der vier Kommissionsmitglieder betrifft, so war Zaid b. Tbit ein Medinenser von den Naggr, einem Unterstamm der Hazrag. Er hatte noch als ganz junger Mensch dem Propheten als Sekretr gedient, besonders fr seine Offenbarungen), und spter den Kodex der Hafsa geschrieben). Unter Othman bekleidete er das Amt eines Qd), nach anderen verwaltete er den Staatsschatz), oder auch die Kanzlei). Ein unerschrockener Anhnger des Chalifen) hielt er sich auch nach dessen Ermordung zu den Omaija und verweigerte Ali die Huldigung). Als sein Todesjahr wird gewhnlich a. H. 45 angegeben)

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Sa'd b. al-s ist kurz nach der Higra geboren. Er war selbst Omaijade und erklrter Liebling Othmans. Unter den zahlreichen Frauen, die er im Laufe seines Lebens ehelichte, werden auch zwei Tchter dieses Chalifen genannt). Nach der Absetzung des Wald b. 'Oqba a. H. 29 wurde er Statthalter von Kufa und behielt diesen Posten bis gegen Ende des Jahres 34.

'Abdarrahmn b. al-Hrit war etwa gleichaltrig und gehrte zu der vornehmen mekkanischen Familie der Mahzm. Als sein Vater der berchtigten Pest von Emmaus zum Opfer gefallen war, heiratete Omar dessen Witwe Ftima. Unter den Frauen 'Abdarrahmns wird neben einer Tochter Ab Bekrs und Zubairs auch eine Tochter Othmans genannt, und zwar dieselbe (Marjam), welche auch unter den Frauen Sa'ds genannt wird. Politisch ist er nach den Quellen nicht hervorgetreten. Sein Verhltnis zu den Omaijaden scheint dauernd ein gutes geblieben zu sein, da zwei seiner Tchter in den Harem angesehener Angehriger dieser Familie des Mu'wija und des Sa'd b. al-'s eintraten).

'Abdallh b. al-Zubair, der etwa gleichaltrig mit 'Abdarrahmn war, gehrte ebenfalls einer vornehmen mekkanischen Familie an. Durch seine Mutter Asm war er nicht nur Enkel Abu Bekrs und Neffe Aschas, sondern auch nachmals Stiefsohn des Chalifen Omar. Er soll sich nicht nur als Soldat, sondern auch durch groen Religionseifer, fleiiges Beten und Fasten ausgezeichnet haben. Als Sohn eines Mannes, der spter bei dem Aufstande gegen Othman eine mindestens zweideutige Rolle spielte und dann selbst seine Hand nach dem Chalifate ausstreckte, darf er nicht zu den unbedingten Anhngern des Chalifen gerechnet werden).

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b) Das Verfahren bei der Textherstellung und die Geeignetheit der Kommissions-mitglieder fr die Aufgabe.

Die Geeignetheit Zaids fr die Ausfhrung des von Othman erteilten Auftrages steht nach Magabe seiner frheren Ttigkeit auer Zweifel. Er war hier wirklich wie kein anderer am Platze und ist deshalb auch die einzige Persnlichkeit, ber deren Zugehrigkeit zur Qornkommission alle Traditionen bereinstimmen.

Nur selten uern muslimische Gelehrte ihr Erstaunen, da an Stelle Zaids nicht Ibn Masd herangezogen worden sei, der den Islam schon zu einer Zeit angenommen habe, als Zaid noch nicht geboren war und der auerdem noch andere Vorzge besitze). Doch beruhigen sie sich schlielich bei der Erklrung, da Zaid den ganzen Qorn auswendig wute, Ibn Masd aber nur siebzig Suren. Diese Auffassung ist ganz unhaltbar, beruht einerseits auf Miverstndnis einer Tradition, die nur besagt, da der Prophet dem Ibn Masd schon siebzig Suren persnlich vorgetragen hatte), als Zaid noch ein kleiner Junge war, und sie bersieht, da Ibn Masd ja selbst der Vater einer eigenen, in hohem Ansehen stehenden Qornrezension war; andererseits verkennt sie die Tatsache, da der othmanische Qorn nichts als eine Kopie des Kodex der Hafsa ist und da es deshalb zur Leitung dieser Kopierarbeit keine bessere Kraft geben konnte als gerade Zaid, den einstmaligen Schreiber oder Redaktor dieses Musterkodex.

Dagegen ist es sehr schwer, sich ber die Grnde zur Wahl der drei Koraischiten ein Urteil zu bilden. Sa'd war seit a. H. 29 Statthalter von Kufa. Ob er sich zur Zeit der Einsetzung der Kommission gerade in Medina befand, oder ob er vom Chalifen eigens herbeizitiert worden war, wissen wir ebensowenig, wie wir die Beweggrnde dafr kennen. Der Umstand, da Sa'd die Verhltnisse im Iraq genau kannte und die Beschwerden des Hudaifa schon frher an Ort und

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Stelle entgegengenommen hatte, drfte nicht ins Gewicht fallen, da diese Vorzge fr die Ttigkeit in der Kommission ganz unfruchtbar waren. Da aus den Personalien der beiden anderen Koraischiten fr ihre Zugehrigkeit zur Kommission in keiner Richtung etwas gefolgert werden kann, mssen wir sehen, ob sich aus der eigentlichen Tradition Anhaltspunkte gewinnen lassen.

Das ist in der Tat der Fall. So gibt Othman der Kommission folgende Dienstanweisung: Wenn ihr verschiedener Meinung seid, so schreibt es im Dialekte der Koraisch nieder, in dem die Offenbarung erfolgt ist). Diese Worte berechtigen anscheinend zu dem Schlusse, da die koraischitische Mehrheit in der Kommission die dialektische Treue des Textes verbrgen solle. Eine andere Tradition lt diese drei Mnner ebenfalls als beste Kenner der koraischitischen Mundart gelten, schiebt aber die endgltigen Entscheidungen bei Meinungsverschiedenheiten dem Chalifen zu. Als Zaid z. B. einst (mit ) schreiben wollte, whrend die brigen (mit ) Sur. 2, 249. 20, 39 vorzogen, erklrte Othman die letzte Form fr die echte koraischitische). Diese Auffassung ist jedoch irrig. Schon das Beispiel ist unglcklich gewhlt, da tbt gar nicht echt arabisch, sondern abessinisches Lehnwort ist. Tbhun ist eine greuliche Unform. Auch ist ein Streiten ber solche Sprachform ganz gegen den Geist jener alten Zeit. Weder der Prophet noch seine nchsten Nachfolger und Anhnger wuten ja das geringste von philologischer Akribie).

Die Auffassung der Muslime hngt aufs engste zusammen mit der ebenfalls viel von ihnen errterten Frage nach dem Verhltnis der kanonischen Rezension zur ersten Sammlung

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Zaids. Da nach ihrem dogmatischen Vorurteil, das im Glauben au den gttlichen Ursprung des Qorns begrndet ist, die beiden Ausgaben vllig gleich waren), die Vornahme der zweiten Ausgabe aber doch einen Sinn haben mute, ersannen die Gelehrten die Theorie von den sieben Ahruf oder Lesarten. Danach enthielt die erste Sammlung die Varianten in sieben verschiedenen arabischen Dialekten), whrend in die othmanische Ausgabe nur ein einziger Dialekt, der koraischitische, aufgenommen wurde), in dem der Engel Gabriel zuletzt dem Propheten die Offenbarung vorgetragen hatte.

berhaupt ist jede Tradition zurckzuweisen, in der die Festsetzung des othmanischen Textes mit irgendwelchen dialektischen Fragen in Verbindung gebracht wird, da der Qorn gar nicht in einem Lokaldialekt geschrieben ist. Seine Sprache ist vielmehr identisch mit der der vorislamischen Gedichte. Diese knnen aber unmglich in Dialekt geschrieben sein, da ihre Verfasser so verschiedenen und so weit auseinander wohnenden Stmmen angehren, da die Texte sehr starke mundartliche Differenzen aufweisen mten. Freilich ist einzurumen, da bei der Fixierung in einer so unvollkommenen Schrift wie der arabischen, welche die Vokale grtenteils gar nicht andeutet und viele Konsonanten durch das nmliche Zeichen ausdrckt, manche Eigenarten des mndlichen Vortrages gar nicht erkennbar waren. Trotzdem ist die lexikalische und grammatische bereinstimmung so gro, da man eine wirkliche Spracheinheit anne