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FRÜHKINDLICHE BILDUNG IN DER SCHWEIZ Eine Grundlagenstudie im Auftrag der UNESCO-Kommission Schweiz Prof. Dr. Margrit Stamm unter Mitarbeit von Dr. Vanessa Reinwand lic. phil. Kaspar Burger lic. phil. Karin Schmid Mag. Martin Viehhauser cand. MA Verena Muheim Universität Fribourg-CH

FRÜHKINDLICHE BILDUNG IN DER SCHWEIZ - Margrit Stamm · Vorwort Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser Vor sich haben Sie die Publikation «Frühkindliche Bildung in der Schweiz –

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FRÜHKINDLICHE BILDUNG

IN DER SCHWEIZ

Eine Grundlagenstudie im Auftragder UNESCO-Kommission Schweiz

Prof. Dr. Margrit Stammunter Mitarbeit von

Dr. Vanessa Reinwandlic. phil. Kaspar Burgerlic. phil. Karin Schmid

Mag. Martin Viehhausercand. MA Verena Muheim

Universität Fribourg-CH

FRÜHKINDLICHE BILDUNG

IN DER SCHWEIZ

Eine Grundlagenstudie im Auftragder UNESCO-Kommission Schweiz

Prof. Dr. Margrit Stammunter Mitarbeit von

Dr. Vanessa Reinwandlic. phil. Kaspar Burgerlic. phil. Karin Schmid

Mag. Martin Viehhausercand. MA Verena Muheim

Universität Fribourg-CH

AuftraggeberSchweizerische UNESCO-KommissionProjektgruppe Frühkindliche Bildung in der Schweiz

Unterstützt von AVINA STIFTUNGERNST GÖHNER STIFTUNGGEBERT RÜF STIFTUNGJACOBS FOUNDATIONSTIFTUNG MERCATOR SCHWEIZ

HerausgeberUniversität FribourgDepartement für ErziehungswissenschaftenProf. Dr. Margrit StammRue de Faucigny 2CH - 1700 Fribourgwww.unifr.ch/pedgperso.unifr.ch/margrit.stamm

Layout und Designunterstützt von Dr. Norman Weiss

Inhalt

Inhalt

Inhalt..................................................................................................................................3

Vorwort..............................................................................................................................5

Abstract..............................................................................................................................7

Management Summary.......................................................................................................9

Einleitung .........................................................................................................................16

1 Warum in Frühkindliche Bildung investieren?................................................................19

2 Die Schweiz im internationalen Vergleich......................................................................22

3 Forschungsstand............................................................................................................25

4 Die Praxis der FBBE Schweiz: Organisation, Angebote und Personal .............................34

5 FBBE für alle? Benachteiligte junge Kinder in der Schweiz..............................................55

6 Die Rolle der Eltern und die innerfamiliale Situation......................................................66

7 Die Grund-/Basisstufe und ihre FBBE-Verknüpfungen....................................................78

8 Der politische, gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Diskurs..................................83

9 Handlungsempfehlungen ..............................................................................................91

Literatur..........................................................................................................................101

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis...............................................................................107

Glossar und Abkürzungsverzeichnis.................................................................................109

Anhang............................................................................................................................113

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Vorwort

VorwortLiebe Leserin, lieber LeserVor sich haben Sie die Publikation «Frühkindliche Bildung in der Schweiz – Eine Grundlagenstu-die zur nachhaltigen Etablierung der Thematik in Gesellschaft, Politik und Wissenschaft», wiesie von der Schweizer UNESCO-Kommission in Auftrag gegeben wurde. An dieser Studie warenverschiedene Mitarbeitende meines Lehrstuhls beteiligt. Es sind dies: Frau Dr. Vanessa-IsabelleReinwand, Herr lic. phil. Kaspar Burger, Frau lic. phil. Karin Schmid, Herr Mag. Martin Viehhau-ser Frau cand. MA Verena Muheim. Sie haben mich tatkräftig darin unterstützt, alle relevantenInformationen aus Statistik, Forschung, Verwaltung und Praxis zusammenzutragen, darzustel-len und zu interpretieren. Bei der Suche nach der Beschaffung von Daten und Studien wurdenwir von externen Personen unterstützt. Besonders danken möchte ich an dieser Stelle HerrnDr. Claudio Del Don und Frau lic. ès sciences sociales et économiques Isabelle Kovacs, welchedie Daten für Tessin und Romandie zusammengestellt haben. Dank gebührt auch folgendenExpertenpersonen (in alphabetischer Reihenfolge): Rita Bieri, Diego Erba, Gabriele Gendotti,Ulla Grob-Menges, Francine Koch, Dr. Andrea Lanfranchi, Manuela Meyer-Mäder, AngelaPfäffli-Osterwalder, Jacqueline Ribi-Favero, Roberto Sandrinelli, Dr. Heidi Simoni, Brigitte Wie-derkehr sowie Marianne Zogmal.Danken möchte ich aber insbesondere der Auftraggeberin, der Schweizer UNESCO-Kommis-sion unter der Federführung von Heinz Altdorfer und den Mitgliedern der Projektgruppe: Dr.Thomas Baumann, Dr. Dieter Schürch und Pierre Varcher sowie der Koordinatorin, Beate Eck-hardt. Sie haben mit ihrem Vertrauen und der kompetenten Begleitung das wertvolle Funda-ment für eine konzentrierte Arbeit gelegt. Ganz besonders danke ich den fünf Stiftungen, wel-che diese Studie grosszügig finanziert haben. Auf diese Weise war es meinem Team und mirmöglich, mit einem angemessenen Zeitbudget die verantwortungsvolle Aufgabe zum Ziel zuführen. Es sind dies: Avina Stiftung, Ernst Göhner Stiftung, Gebert Rüf Stiftung, Jacobs Founda-tion und Stiftung Mercator Schweiz.Schliesslich danke ich auch folgenden Politikerinnen und Politikern, welche die Anliegen derSchweizerischen UNESCO-Kommission mittragen und dem Patronatskomitee «FrühkindlicheBildung in der Schweiz» beigetreten sind: Christiane Brunner, alt Ständerätin Kanton Genf, SP;Martine Brunschwig Graf, Nationalrätin Kanton Genf, FDP; Christine Egerszegi-Obrist, Stän-derätin Kanton Aargau, FDP; Jacqueline Fehr, Nationalrätin Kanton Zürich, SP; Anita Fetz, Stän-derätin Kanton Basel-Stadt, SP; Brigitta Gadient, Nationalrätin Kanton Graubünden, BPS; Chan-tal Galladé, Nationalrätin Kanton Zürich, SP; Christiane Langenberger, alt Ständerätin KantonWaadt, FDP; Thérèse Meyer, Nationalrätin Kanton Freiburg, CVP; Roger Nordmann, National-rat Kanton Waadt, SP; Kathy Riklin, Nationalrätin Kanton Zürich, CVP; Stéphane Rossini, Natio-nalrat Kanton Wallis, SP; Chiara Simoneschi-Cortesi, Nationalrätin Kanton Tessin, CVP; HeinerStuder, alt Nationalrat Kanton Aargau, EVP; Hans Widmer, Nationalrat Kanton Luzern, SP.Gerne hoffe ich, dass diese Politikerinnen und Politiker auf der Basis unserer Grundlagenstudiemithelfen, die Thematik auch hierzulande zu einem wichtigen Diskussionsthema werden zulassen, damit sie sichtbar, systematisch und zielgerichtet in Praxis, Verwaltung und Wissen-schaft verankert und im internationalen Vergleich anschlussfähig gemacht werden kann. In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie, liebe Leserin, lieber Leser, einen Gewinn aus der Lektüreziehen werden.Prof. Dr. Margrit Stamm Fribourg, im Januar 2009

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Abstract

Abstract

Die Grundlagenstudie «Frühkindliche Bildung in der Schweiz» gibt in umfassender WeiseAuskunft über den aktuellen Stand der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung(FBBE) für Kinder zwischen null und sechs Jahren. Ihr Ziel ist aufzuzeigen, wie sie ausgebaut,optimiert und konsolidiert werden kann. Im Mittelpunkt stehen acht Bereiche: die Unter-schiede im Verständnis und der nachgewiesene grosse volkswirtschaftliche Nutzen vonFBBE; die Schweiz im internationalen Vergleich; der aktuelle Forschungsstand; Organisation,Angebote, Aus- und Weiterbildung sowie Beschäftigungsbedingungen des Personals; be-nachteiligte junge Kinder in der Schweiz; die Rolle der Eltern und die innerfamiliale Situation;das neue Schuleingangsmodell der Grund-/Basisstufe und seine FBBE-Verknüpfungen sowieder politische und gesellschaftliche FBBE-Diskurs. Daraus resultiert ein zehn Punkte umfas-sendes Stärken-Schwächenprofil. Neben drei Schwachpunkten – die internationale An-schlussfähigkeit der FBBE-Schweiz, die frühkindliche Förderung benachteiligter Kinder undsolcher mit besonderen Bedürfnissen sowie die Sicherung der pädagogischen Qualität famili-energänzender Betreuungsangebote – markiert das Profil die vielfältigen Praxisangebotesowie das neue Schuleingangsmodell der Grund-/Basisstufe und ihre FBBE-Verknüpfungenals ausbaubare Stärken. Auf dieser Basis werden zehn Handlungsempfehlungen formuliert.Sie erlauben, auf den bestehenden Grundlagen ein nachhaltig wirksames, international an-schlussfähiges FBBE-System Schweiz zu entwickeln.

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Management Summary

Management Summary

Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung, Be-treuung und Erziehung (FBBE) – von Ge-burt an. Die UN-Kinderrechtskonventionschreibt dieses Bildungsrecht explizit fest.Dass ein Staat FBBE als öffentliches Gutund demokratische Verpflichtung betrach-tet, sie systematisch ausbauen und qualita-tiv verbessern soll, ist heute internationalanerkannt. Beispielhaft umgesetzt wirdFBBE in Schweden, Finnland, Neuseelandoder Italien. Die Schweiz ist im internatio-nalen Vergleich jedoch bestenfalls Mittel-mass. Sie gehört zu den Ländern, in denenKinder unter sechs Jahren noch ohne Kon-zept gebildet und erzogen werden. Dieszeigt unsere Grundlagenstudie «Frühkindli-che Betreuung, Bildung und Erziehung inder Schweiz» auf der Basis einer umfassen-

den Bestandesaufnahme und unter Mass-gabe des Starting Strong II-Berichts derOECD (2006). Unter die Lupe genommenwerden: die Unterschiede im Verständnisund der nachgewiesene grosse volkswirt-schaftliche Nutzen von FBBE; die Schweizim internationalen Vergleich; der aktuelleForschungsstand; Organisation, Angebote,Aus- und Weiterbildung sowie Beschäfti-gungsbedingungen des Personals; benach-teiligte junge Kinder in der Schweiz; dieRolle der Eltern und die innerfamiliale Si-tuation; das neue Schuleingangsmodell derGrund-/Basisstufe und seine FBBE-Ver-knüpfungen sowie der politische und ge-sellschaftliche FBBE-Diskurs. Aus dieser Be-standesaufnahme resultiert das nachfol-gend dargestellte Stärken-Schwächenprofil.

BereichEntwicklungsstand*

1 2 3 4 5Schweiz und ihre internationaleAnschlussfähigkeit •FBBE-Forschung •Steuerung und Strategie •Praxis: Qualifikation des Personals •Praxis: Sicherung der pädagogischenQualität •Praxis: Angebote •Benachteiligte Kinder und solche mitbesonderen Bedürfnissen •Eltern, ihre Rolle und ihre Mitwirkung •Grund-/Basisstufe und ihre FBBE-Verknüpfungen •Politischer, gesellschaftlicher undvolkswirtschaftlicher Diskurs •* 1=muss grundlegend entwickelt werden; 2=rudimentäre Ansätze sind vorhanden; 3=verschiedene, jedochungebündelte Ansätze sind vorhanden; 4=vielfältige Entwicklungen sind im Gang; 5=auf hohem Niveau ent-wickelt.

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Grundlagenstudie

Drei Bereiche entpuppen sich als Schwä-chen und mit hohem Entwicklungsbedarf:die internationale Anschlussfähigkeit, dieFörderung benachteiligter Kinder und sol-cher mit besonderen Bedürfnissen sowiedie Sicherung der pädagogischen Qualitätfamilienergänzender Betreuungsangebote.Als ausbaubare Stärken präsentieren sichdie Praxisangebote sowie die Grund-/Basis-stufe und ihre FBBE-Verknüpfungen. Damitüberhaupt eine qualitativ leistungsfähigeFBBE-Landschaft Schweiz aufgebaut wer-den kann, bedürfen drei weitere Bereicheverstärkter Aufmerksamkeit: Steuerungund Strategie, die Qualifikation des Perso-nals sowie der politische, gesellschaftlicheund volkswirtschaftliche Diskurs. Gute,aber wenig ausgebaute und verinselte An-sätze bestehen in den Bereichen FBBE-For-schung und der Rolle der Eltern.

Warum in frühkindliche Bildung in-vestieren?

Aktuell gibt es in der Schweiz einen relativvehementen Widerstand gegenüber demAnsinnen, die ‚Bildung’ in der frühen Kind-heit zu verankern. Nicht selten wird siesogar einer glücklichen Kindheit als abträg-lich erachtet. Der Grund für diese Ableh-nung liegt hauptsächlich darin, dass unterfrühkindlicher Bildung die Vorverlegungschulischer Inhalte in den bis anhin bil-dungsfreien Vorschulraum verstandenwird. Frühkindliche Bildung ist jedochetwas Anderes. Sie meint die bewusste An-regung der kindlichen Aneignungstätigkeitdurch Erwachsene. Diese entspricht demangeborenen Drang des Kleinkindes, sichWissen anzueignen und sich ein Bild vonder Welt zu machen. Damit dies möglichwird, braucht es eine anregungsreiche, lie-bevolle und beschützende Umwelt. Dies istdie Aufgabe der frühkindlichen Betreuung.Sie meint die altersangemessene Pflegeund Versorgung des Kindes, um seine ele-

mentaren physischen und psychischen Be-dürfnisse zu stillen.

Frühkindliche Bildung, Betreuung und Er-ziehung (FBBE) muss aus vier Gründen einzentrales Anliegen der Schweizer Bildungs-und Sozialpolitik werden:

1. Bildungschancen sind in der Schweizstark durch die soziale Herkunft be-stimmt. Kinder aus unterprivilegierten,bildungsfernen Familien haben bereitsbeim Eintritt in den Kindergarten nichtdie gleichen Chancen wie privilegiertund bildungsnah aufwachsende Kinder.Die Förderung muss deshalb bereits inden ersten Lebensjahren einsetzen.

2. Es bestehen grosse und ungelöste Her-ausforderungen, Familie und Beruf öko-nomisch und qualitativ verträglich zuvereinbaren.

3. Junge Kinder verfügen über herausra-gende Lern- und Entwicklungskapazitä-ten. Sie sollen weit stärker als bishergefördert und unterstützt werden.

4. Die ersten Lebensjahre sind die kri-tischste Phase für die Entwicklung einesKindes. Dies gilt in sozialer, emotionalerund intellektueller Hinsicht. In der frü-hen Kindheit wird ein wichtiger Grund-stein für den Bildungs- und Lebenser-folg gelegt. Was hier unterlassen wird,kann später nur mit grossem Aufwandaufgeholt werden. Deshalb kommt inden ersten Lebensjahren nicht nur Be-treuungs-, sondern auch Bildungspro-zessen eine grundlegende Bedeutungzu.

Was leistet frühkindliche Bildung?

Länder mit gut entwickelten FBBE-Syste-men zeigen uns in mindestens dreifacherHinsicht, was Best Practice ausmacht: Ers-tens werden Kinder aus unterprivilegierten,bildungsfernen Schichten besonders gutgefördert, so dass bei Schuleintritt Start-

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Management Summary

chancengleichheit weitgehend umgesetztist. Zweitens wird die Vereinbarkeit vonBeruf und Familie derart realisiert, dasssich mehr junge Paare für Kinder entschei-den können und die Geburtenrate ansteigt.Daraus resultiert drittens die volkswirt-schaftliche Bilanz: Ein gutes FBBE-Systemführt Kinder zu besseren Schulabschlüssenund ihre Eltern zu einer ausgeprägterenBerufstätigkeit und damit zu einem höhe-ren Einkommen. Weil frühkindliche Bildungfür benachteiligte Kinder besonders wirk-sam ist, brauchen sie weniger sonderpäd-agogische Stützmassnahmen, müssen sel-tener Klassen wiederholen und zeigen auchweniger delinquentes Verhalten. In Folgedessen spart der Staat Kosten und profi-tiert von höheren Steuereinnahmen. Ent-sprechend hoch sind die Bildungsrenditendurch Investitionen in den Vorschulbe-reich: Eine FBBE-Investition von einemFranken bewirkt einen volkswirtschaftli-chen Nutzen von ungefähr zwei bis vierFranken. FBBE-Investitionen sind somitrentabel – der Verzicht auf sie verursachtder Gesellschaft hingegen Kosten.

Wo steht die Schweiz im internatio-nalen Vergleich?

Dass die Schweiz aktuell im FBBE-Bereichhöchstens Mittelmass ist, zeigt sich über-deutlich im internationalen Vergleich derAusgaben für den Vorschulbereich. Mit In-vestitionen von 0.2% des Bruttoinlandpro-duktes (BIP) bleiben wir weit unter dem,was die OECD empfiehlt (1.0%), und wir in-vestieren nicht einmal 25% dessen, wasNorwegen (0.8%) oder nicht die Hälfte vondem, was Deutschland (0.59%) für diesenBereich ausgibt. Problematisch ist dabei,dass wir nur ansatzweise über statistischeDaten verfügen, die sich internationalexakt vergleichen lassen. In Folge dessenfehlt ein FBBE-Bildungsmonitoring. Einerder Hauptgründe liegt darin, dass die (Bil-dungs-)Traditionen in den drei Sprachregio-

nen sehr heterogen sind und das föderalis-tische System eine gesamtschweizerischestatistische Erfassung von Daten sowie eineRegelung von Gesetzen und Rahmenbedin-gungen erschwert.

Wie steht es um die Forschung imFBBE-Bereich?

Die Bestandesaufnahme zeigt: Zwar gibt esrecht viele Evaluationen von Praxisprojek-ten, die Aufschluss über die Wirksamkeitder eingesetzten Massnahmen erlauben.Vereinzelt gilt dies auch für anwendungs-und grundlagenorientierte Forschungspro-jekte, doch handelt es sich dabei immer umpartielle Bemühungen. Für eine umfassen-de Wissensgrundlage sind sie ungenügend.Dies verdeutlicht auch die Tatsache, dasses keinen universitären Lehrstuhl für denFBBE-Bereich gibt, sondern lediglich anno-tierte Schwerpunkte.

Wie sieht die aktuelle FBBE Praxis inder Schweiz aus?

In der Schweiz besuchen circa 90% derFünfjährigen eine vorschulische Einrich-tung, allerdings nur knapp 25% der Drei-bis Vierjährigen, die meisten im Tessin.Diese altersbedingten Unterschiede resul-tieren aus der Aufteilung der gesamt-schweizerischen Strukturierung in einenvorschulischen Bereich (vier bis sechsJahre) und einen Frühbereich (null bis vierJahre). Kindergarten, école enfantine undscuola dell’infanzia gehören zum staatli-chen Bildungssystem und werden unent-geltlich angeboten. Im Gegensatz dazu ver-langen die Einrichtungen der familiener-gänzenden FBBE (Kindertagesstätten, insti-tutions de la petite enfance, asili nidi) kan-tonal unterschiedlich hohe Elternbeiträge.Viele dieser Einrichtungen sind den Elternzu teuer und nicht ausreichend auf ihrenindividuellen Bedarf (Öffnungszeiten, Nähezum Wohnort bzw. Arbeitsort im Tessin,

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Grundlagenstudie

Betreuungsplätze für Säuglinge) zuge-schnitten. Zudem sind sie qualitativ nichtüberprüft. Trotzdem besteht aktuell kaumein Angebotsdefizit, sondern vielmehr einemangelnde Passung von Angebot undNachfrage. Die Angebotslücke betrifft nursubventionierte Plätze, währenddessen beinicht subventionierten Plätzen ein Über-schuss besteht.

Da insgesamt kein Rechtsanspruch auf dieVerfügbarkeit von Betreuungsplätzen fürKinder zwischen null und vier Jahren be-steht, werden ca. 50% der Vorschulkindervon Grosseltern und nahen Verwandtenbetreut.

Eine ebenfalls defizitäre Situation zeichnetsich im Personalbereich ab: Sowohl Löhnesowie Beschäftigungsbedingungen unter-scheiden sich stark nach Kanton sowie Trä-gerschaft. Auch die Ausbildung des FBBE-Personals ist als unangemessen zu bezeich-nen. Eine Tendenz zur Professionalisierungder eidgenössisch zertifizierten Aus- undWeiterbildungsangebote ist zwar zu erken-nen. Es fehlt jedoch bis jetzt an einergrundlegenden Diskussion über pädagogi-sche Ausbildungsinhalte. Dazu kommt, dassFBBE-Berufe trotz hoher Beliebtheit beiAuszubildenden über wenig gesellschaftli-ches Prestige verfügen. Der überwiegendeTeil des Personals (mehr als 90%) ist weib-lich, solches mit Migrationshintergrundfehlt fast vollständig.

Was leistet die Schweiz für benach-teiligte Kinder im Bereich der FBBE?

Besonders benachteiligte Gruppen wie Kin-der unter der Armutsgrenze, mit niedrigemsozioökonomischem Status, mit Migrati-onshintergrund und Kinder mit heilpädago-gischen Bedürfnissen oder besonderen Ta-lenten könnten ganz besonders von einemausgewogenen integrativen FBBE-Systemprofitieren. Aktuell ist die Situation jedochvöllig unbefriedigend, wobei sie im Tessin

insgesamt am günstigsten ist. Obwohl eini-ge hervorragende Praxisbeispiele im Auf-bau oder bereits etabliert sind, fehlt so-wohl eine kantonale als auch eine ge-samtschweizerische Systematik und Ver-netzung. Dazu kommt, dass das pädagogi-sche Personal in FBBE-Einrichtungen nurungenügend auf die besonderen Heraus-forderungen der Arbeit mit Kindergruppenvorbereitet ist, die sich durch kulturelleund intellektuelle Diversität und sozialeKomplexität auszeichnen.

Welche Rolle kommt den Eltern imFBBE-Prozess zu?

Beruf und Familie zu verbinden ist für Müt-ter wie Väter in der Schweiz im internatio-nalen Vergleich nach wie vor schwer. Diegesetzlichen und institutionellen Rahmen-bedingungen sowie infrastrukturelle Unter-stützungsmassnahmen (Mutterschaftsur-laub, Kinderzulagen, Steuererleichterun-gen, Familienfreundlichkeit des Arbeitge-bers, Flexibilität und Kosten der ausserfa-milialen FBBE) fördern die Berufstätigkeitbeider Elternteile nur beschränkt. Diese Si-tuation ist erstaunlich, liefert die Forschungdoch klare und positive Signale: Sie weistnach, dass sich Kleinkinder durch zeitlichbeschränkte ausserfamiliale Betreuungs-verhältnisse nicht per se emotional und ko-gnitiv nachteiliger entwickeln, als wenn sieallein von der Mutter oder vom Vater be-treut würden. Umstritten ist nur eine hoheIntensität an Krippenbetreuung im erstenLebensjahr. Es ist vor allem die Qualität derMutter-Kind-Beziehung im ersten Lebens-jahr, welche die spätere Fähigkeit des Kin-des, sich an andere Personen sicher zu bin-den, prägt. Familienexterne Betreuung hatdarauf wenig Einfluss. Aber: Schlechte Krip-penqualität beeinträchtigt sehr wohl dieMutter-Kind-Bindung. Damit krippenbe-treute Kinder keinen Nachteil haben, müs-sen Mindeststandards erfüllt sein.

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Management Summary

Die Forschung verweist aber auch auf dieSchlüsselrolle der Eltern: Die Merkmale derFamilie inklusive die Qualität der Beziehun-gen und des Anregungsmilieus sind vongrosser Bedeutung für die kindliche Ent-wicklung. Eine familienergänzende Betreu-ung kann deshalb immer nur als positiveErgänzung zur Kernfamilie des Kindes be-trachtet werden, nie jedoch als Ersatz. Eingutes FBBE-System muss deshalb alles da-ran setzen, die familieninternen Ressour-cen zu stärken.

Welche Verknüpfungen hat dieGrund-/Basisstufe mit FBBE?

Die Grund-/Basisstufe ist eine erfolgreicheReform der Eingangsstufe. Es ist in kurzerZeit gelungen, ein neues Lernkonzept zuentwickeln, das sich an einem ganzheitli-chen Bildungsbegriff orientiert. Alle Kinder,insbesondere diejenigen mit fortgeschritte-nen Basiskompetenzen, sind bisher gut ge-fördert worden. Diese Reform hat jedocheine ‚Achillesferse’: die Tatsache, dass Kin-der mit Anfangsrückständen diese nichtbesser kompensieren konnten als ver-gleichbare Kinder im herkömmlichen Kin-dergarten. Dabei handelt es sich fastdurchgehend um Kinder aus benachteilig-ten, unterprivilegierten Familien. Dieses Er-gebnis verweist auf zwei Konsequenzen,die auf die Notwendigkeit frühkindlicherBildung verweisen: Erstens muss ein kom-pensatorisches Lernkonzept erarbeitetwerden, das vor dem Eintritt in die Grund-/Basisstufe einsetzen muss. Die Schnittstellebeim Eintritt in die Grund-/Basisstufe wirddamit zu einer wichtigen Grösse. Zweitensbraucht es eine gezielte Weiterbildung. Siemuss den Lehrkräften aufzeigen, wie be-nachteiligte Kinder besser gefördert wer-den können. Diese Weiterbildung muss stu-fenübergreifend sein und auch das FBBE-Personal einschliessen.

Wie gestaltet sich der politische undgesellschaftliche Diskurs zu FBBE?

Obwohl die Forschung eindeutige Ergebnis-se vorlegt, welche die Bedeutung frühkind-licher Bildung, Betreuung und Erziehungunterstreichen, gehen die Wogen in derGesellschaft hoch. Während die Linke flä-chendeckende Krippenplätze und Vorschul-angebote fordert, postuliert die Rechte dieStärkung der Familie als Erziehungshoheitund eine Mutter, die zum Kind gehört unddeshalb zu Hause bleibt. IdeologischeSchlagworte überwiegen auch in der jüngs-ten HarmoS-Diskussion: Plakativ genutzteund ideologisch untermauerte Begriffe wie«frühere Einschulung» und «Verstaatli-chung der Erziehung» haben nicht nurÄngste geschürt, sondern gleichzeitig einenvorurteilsfreien, wissenschaftlich gestütz-ten Diskurs verhindert. Das Wohl und dieBedürfnisse des Kindes sind kaum im Zen-trum gestanden, sondern vor allem diejeni-gen der politischen Parteien und Interes-senvertreter.

Handlungsempfehlungen

Die Handlungsempfehlungen basieren aufden Erkenntnissen, die aus den Fragestel-lungen resultieren. Sie liefern die Grundla-ge für den Aufbau eines international an-schlussfähigen FBBE-Systems Schweiz.

1. Paradigmenwechsel: Für den Aufbaueines FBBE-Systems benötigt dieSchweiz einen Paradigmenwechsel vonBetreuung zu Bildung. «FrühkindlicheBildung» ist dabei als ganzheitlichesund mehrdimensionales Konzept zuverstehen. Sie meint nicht «frühereEinschulung».

2. Internationale Anschlussfähigkeit: Uminternational anschlussfähig zu blei-ben, wird empfohlen, Investitionen inFBBE zu erhöhen, statistisch vergleich-bar Daten zu erheben sowie die Quali-

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Grundlagenstudie

fikation und das Ansehen des FBBE-Personals zu optimieren.

3. Forschungsinfrastruktur: Dem Bundwird empfohlen, Forschungsprogram-me zu relevanten Kernzielen der FBBE-Politik nachhaltig zu unterstützen undgleichzeitig die Entwicklung von Strate-gien zur Weitergabe von Forschungser-gebnissen («Wissenstransfer») an in-teressierte Kreise damit zu verbinden.Der Forschungsfokus sollte dabei inter-disziplinär ausgelegt sein.

4. Einheitlicher Bildungs- und Betreu-ungsraum: Empfohlen wird eine engeKooperation aller beteiligten Institutio-nen und eine Überwindung der Tren-nung der Verantwortlichkeiten vonSODK (vorschulischer Bereich) und EDK(obligatorischer Bildungsraum).

5. Verantwortlichkeiten und eine langfris-tige Strategie: Um eine Balance vonzentralen Vorgaben und dezentralerVielfalt zu erreichen, wird eine Stär-kung des Bundes inklusive der Verbes-serung gesetzlicher Rahmenbedingun-gen empfohlen. Auf diese Weise kön-nen gemeinsame Verantwortlichkeitenvon Bund, Kantonen und Gemeindengeschaffen und Zuständigkeiten ge-klärt werden.

6. Aufwertung des Personals: Es wirdempfohlen, die Professionalisierungs-frage voranzutreiben. Dabei solltenvermehrt die erforderlichen Inhalteund nicht ausschliesslich das Ausbil-dungsniveau debattiert werden. Ver-stärkte Aufmerksamkeit sollte auchqualifizierenden Weiterbildungsange-boten für die Praxis geschenkt werden.Gleiches gilt für die Vielfalt des Perso-nals (männliche Fachkräfte, Personalaus Minderheitsgesellschaften). DieLöhne sowie Beschäftigungsbedingun-gen sind nach Bundesvorgaben zu re-geln.

7. Sicherung der pädagogischen Qualität:Es wird empfohlen, ein System zurQualitätssicherung und Mindeststan-dards einzuführen. In längerfristigerPerspektive sollten Bildungspläne ent-wickelt werden, in kurzfristiger Per-spektive ein träger- und konzeptüber-greifendes, nationales Gütesiegel, dasAuskunft über die erreichte Qualitätgibt.

8. Bedarfsgerecht ausgerichtetes Ge-samtsystem von FBBE: Die bestehen-den, stark fragmentierten Angebote imfamilienergänzenden Bereich solltenkoordiniert gebündelt und auf den tat-sächlichen Bedarf von Familien ausge-richtet werden.

9. Förderung von benachteiligten Kindernund solchen mit besonderen Bedürfnis-sen: Es wird empfohlen, der FBBE vonsolchen Kindern erste Priorität zuschenken. Massnahmen sollten früheinsetzen, integrativ sein, die sprachli-che Förderung aber auch den Erwerballgemeiner Lerndispositionen sowiedie Mitwirkung der Eltern besondersbeachten. Sie sollten niederschwelligim sozialen Netz der Familie verankertwerden.

10. Stärkung der Eltern: FamilieninterneRessourcen sind vermehrt zu stärken.Deshalb wird empfohlen, den Mutter-schafts- auf einen Elternurlaub auszu-dehnen und verstärkt in FBBE-Informa-tionskampagnen und Weiterbildungs-angebote für Eltern zu investieren. EinWechsel von der Objekt- zur Subjektfi-nanzierung würde dieses Postulat imSinne der Wahlfreiheit der Eltern stär-ken.

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Grundlagenstudie

Einleitung

Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung, Be-treuung und Erziehung (FBBE) – von Ge-burt an. Die UN-Kinderrechts-konventionschreibt dieses Bildungsrecht explizit fest.Es fusst auf ihrem Grundgedanken, wo-nach alle Rechte in erster Linie auf dasWohl des Kindes abzielen sollen. Das be-deutet, dass die Bedürfnisse des Kindes imMittelpunkt stehen müssen und nicht dieBedürfnisse der Eltern. Dass ein Staat früh-kindliche Bildung, Betreuung und Erzie-hung als öffentliches Gut betrachten, siesystematisch ausbauen und qualitativ ver-bessern soll, ist heute international aner-kannt. Beispielhaft umgesetzt wird sie inSchweden, Finnland, Neuseeland oder Ita-lien. Auch in Deutschland hat sich in denletzten Jahren viel getan – in der Schweizsteckt die FBBE-Praxis jedoch noch in denAnfängen. Dieser Anfang ist allerdings viel-versprechend, existieren doch zahlreicheGrundlagen sowohl in praktischer als auchin wissenschaftlicher und verwaltungs-technischer Hinsicht. Unsere Grundlagen-studie gibt einen Überblick über diesenStatus quo vor dem Hintergrund eines in-ternationalen Vergleichs. Sie zeigt auf, wound wie die FBBE in der Schweiz ausge-baut, vertieft, optimiert und konsolidiertwerden kann.

Massgabe ist der so genannte StartingStrong II-Bericht der OECD vom Jahr 2006.Dabei handelt es sich um eine internatio-nal vergleichende Analyse der Systemefrühkindlicher Bildung und Betreuung ininsgesamt zwölf Ländern. Ihr Ziel war es,den beteiligten Staaten Anregungen fürdie Weiterentwicklung der Bemühungenim FBBE-Bereich zu geben und die Er-kenntnisse aus den einzelnen Staaten aufinternationaler Ebene zu kommunizieren.Die Schweiz hat sich nicht an dieser Studiebeteiligt. Trotzdem oder vielleicht geradedeswegen ist frühkindliche Bildung, Be-

treuung und Erziehung auch in derSchweiz eine viel diskutierte Thematik ge-worden. Zu Recht hat sie die Nationalrats-präsidentin Chiara Simoneschi-Cortesi an-lässlich der Pressekonferenz zur Lancie-rung unserer Studie am 4. April 2008 inBern als «zentrales Anliegen eines Gross-teils der Schweizer Bildungs- und Sozialpo-litik» bezeichnet. Begründen lässt sich die-ses Anliegen damit, dass

• Bildungschancen in der Schweiz starkdurch die soziale Herkunft bestimmtsind und Kinder aus unterprivilegier-ten, bildungsfernen Familien bereitsbei Kindergarten- und Schuleintrittnicht die gleichen Chancen haben wieprivilegiert und bildungsnah aufwach-sende Kinder;

• grosse und ungelöste Herausforderun-gen bestehen, Familie und Beruf öko-nomisch und qualitativ verträglich zuvereinbaren;

• junge Kinder über herausragende Lern-und Entwicklungskapazitäten verfü-gen, die weit stärker als bislang geför-dert und unterstützt werden können.Denn die ersten Lebensjahre sind diekritischste Phase für die Entwicklungeines Kindes.

Solche Stichworte prägen auch die inter-nationale FBBE-Debatte. Für die Schweizvon besonderem Interesse ist dabei dieTatsache, die sich im Zuge der PISA-Unter-suchungen offenbart hat: Die erfolgreichs-ten Länder zeichneten sich nicht nur durchdie Leistungen ihrer 15jährigen in Lesen,Mathematik oder Naturwissenschaftenaus, sondern verfügen auch über gut aus-gebaute FBBE-Systeme und fördern dar-über hinaus auch Kinder aus unterprivile-gierten, bildungsfernen Schichten beson-ders gut. Häufig verknüpfen sie dabeiFBBE-Angebote mit kognitiven Inhalten,

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Einleitung

d.h. nicht nur mit Betreuung und Pflege,sondern auch mit intellektueller Anregungin spezifisch lernförderlich gestaltetenUmgebungen. Dass ein solcher Weg be-sonders erfolgreich ist, belegt auch dieWissenschaft: Alle verfügbaren Untersu-chungen zeigen, dass FBBE-Angebote fürbenachteiligte Kinder besonders wirksamsein können. Sie sind nicht nur in der Lage,die von der Bildungspolitik vielfach einge-forderte Startchancengleichheit bei Schu-leintritt umzusetzen, sondern könnenauch einen Beitrag zum späteren Schuler-folg dieser Kinder leisten, weil sie wenigersonderpädagogische Stützmassnahmenbrauchen, seltener Klassen wiederholenmüssen und später auch weniger abwei-chendes und delinquentes Verhalten zei-gen.

Aktuell gibt es in der Schweiz jedoch einenrelativ vehementen Widerstand gegen-über dem Ansinnen, die ‚Bildung’ in derfrühen Kindheit zu verankern. Nicht seltenwird sie sogar einer glücklichen Kindheitals abträglich erachtet und gegen das Ler-nen sozialen Verhaltens ausgespielt. Wo-rin diese Ablehnung begründet liegt ist of-fensichtlich – und auch verständlich: Wervon uns verbindet ‚Bildung’ nicht sofortmit Schule, Schule mit Leistungsdruck undLeistungsdruck mit schlechten Erinnerun-gen an Zeugnisse, Elternschelte und Miss-erfolg? Bildung und Lernen haben seit Ge-nerationen einen üblen Beigeschmack.Deshalb ist verständlich, wenn die Angstvor der Verschulung der frühen KindheitÜberhand nimmt. Auch leuchtet es ein,dass Eltern und Lehrpersonen Bildungsan-sprüche möglichst bis kurz vor Schulein-tritt vom Kind fernhalten und es eher inseinen sozialen, emotionalen und motori-schen Fähigkeiten fördern wollen.

‚Frühkindliche Bildung’ ist jedoch etwasAnderes. Dafür bürgt auch das KürzelFBBE. Es verweist erstens darauf, dass‚Frühkindliche Bildung’ immer mit Betreu-

ung und Erziehung zusammengedachtwerden muss und dass sie zweitens nie-mals einer Vorverlegung des schulischenWissenserwerbs gleichkommt, um dasKind gemäss den Vorstellungen der Gesell-schaft möglichst früh fit zu machen für diespätere Karriere. Ebenso wenig geht esdarum, FBBE mit dem Ziel gleichzusetzen,das Potenzial junger Kinder frühzeitig inBaby-Sprachkursen zu entfalten. Anderer-seits wird damit deutlich, dass sich Erzie-hung, Betreuung und Förderung in der frü-hen Kindheit nicht weiterhin ausschliess-lich auf Sozialverhalten, Emotionalität undMotorik beschränken kann. Im Wesentli-chen umfasst frühkindliche Bildung das,wofür die Erziehungswissenschaft, die Ent-wicklungspsychologie und auch die Hirn-forschung plädieren: die Gestaltung an-spruchsvoller, anregungsreicher, entwick-lungs- und beziehungsförderlicher Umge-bungen, in denen die Kinder alle Sinnesor-gane brauchen und ihre intellektuellenLerndispositionen entwickeln können.

Die Forschung lehrt uns: Die ersten Le-bensjahre sind die kritischste Phase für dieEntwicklung eines Kindes. Dies gilt in so-zialer, emotionaler und intellektueller Hin-sicht. In der frühen Kindheit wird ein wich-tiger Grundstein für den Bildungs- und Le-benserfolg gelegt. Was hier unterlassenwird, kann später nur mit grossem Auf-wand aufgeholt werden. Deshalb kommtin den ersten Lebensjahren nicht nur Be-treuungs-, sondern auch Bildungsprozes-sen eine grundlegende Bedeutung zu.Damit Kinder Bildungsangebote jedoch an-nehmen können, müssen sie in gut entwi-ckelte Beziehungsstrukturen eingebettetsein. Deshalb ist für den Aufbau einer all-gemeinen Bildungsbereitschaft besonderswichtig, dass ein Kind soziale Beziehungensowohl in seiner Herkunftsfamilie als auchin seinem weiteren Umfeld aufbaut undsich in diesem Beziehungsraum geborgenund emotional sicher fühlen kann. Dies gilt

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Grundlagenstudie

sowohl für Kinder mit förderlichem alsauch mit ungünstigem familiärem Hinter-grund. Für diese Kinder gilt es jedoch ganzbesonders.

Solche Tatsachen sind international zueiner wissenschaftsgestützten und poli-tisch anerkannten Selbstverständlichkeitgeworden. Dies zeigt sich auch darin, dassin vielen Ländern nur noch die Frage des«Wie?» diskutiert wird. In der Schweiz istdies aktuell anders: Bei uns geht es nochum grundsätzlichere Fragen: Was sollFBBE ausrichten und in welche Richtungsoll sie entwickelt werden? Diese Grundla-genstudie beantwortet solche Fragen. IhrZiel ist sowohl die Darstellung der gesamt-gesellschaftlichen Bedeutung der FBBE inder Schweiz aus wissenschaftlicher, bil-dungs- und gesellschaftspolitischer Per-spektive als auch die Neubewertung ihresStellenwerts. Grundlage bildet eine Be-standesaufnahme der aktuellen Situationin der Schweiz in allen drei Sprachregio-nen auf der Basis eines internationalenVergleichs mit OECD- und anderen Studi-en. Darauf aufbauend zeigt sie die not-wendigen Handlungsfelder, Themen undAufgaben für eine nachhaltige Bearbei-tung und Institutionalisierung auf.

Die Studie ist in acht Hauptkapitel geglie-dert: Kapitel 1, 2 und 3 geben einen Ein-blick in grundlegende Fragen des Gegen-standsbereichs. Die Kapitel 4 und 5 richtenden Blick auf den Status Quo in derSchweiz im Hinblick auf konkrete Umset-zungen: auf Angebote, Anbieter, Finanzie-rung und Ausbildung sowie Professionali-sierung, aber auch auf die wichtige Frage,welchen Stellenwert FBBE für Kinder ausbenachteiligten Familien hat. Die Rolle derEltern – ein in der FBBE häufig vernachläs-sigtes Thema – steht im Mittelpunkt vonKapitel 6. Es zeigt auf, wie die innerfamilia-le Situation von Familien mit Kleinkindernin der Schweiz verläuft und welches Enga-gement von der Arbeitswelt erwartet wer-

den kann. Kapitel 7 fokussiert die bil-dungspolitisch wichtige Frage nach demStellenwert des neuen Schuleingangsmo-dells der Grund-/Basisstufe für die früh-kindliche Bildung. In Kapitel 8 wird die ak-tuelle politische und gesellschaftliche Si-tuation zum FBBE-Diskurs präsentiert undnach politischen Vorstössen und gesell-schaftlichem Meinungsbild differenziert.Schliesslich zieht Kapitel 9 eine bewerten-de Bilanz. Neben Stärken und Schwächender FBBE-Schweiz werden Bereiche mitHandlungsbedarf formuliert und daraufaufbauend insgesamt zehn Handlungs-empfehlungen ausgesprochen.

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1 Warum in Frühkindliche Bildung investieren?

1 Warum in Frühkindliche Bildung investieren?

Was ist FBBE?

Frühkindliche Bildung, Betreuung und Er-ziehung (FBBE) ist ein umfassendes Kon-zept, das Auskunft zu Formen und Bedin-gungen des Aufwachsens junger Kinderzwischen null und sechs Jahren liefert. MitBildung ist die bewusste Anregung derkindlichen Aneignungstätigkeit durch Er-wachsene gemeint. Sie entspricht dem an-geborenen Drang des Kleinkindes, sichWissen anzueignen und sich ein Bild derWelt zu machen. Damit dies möglich wird,braucht es eine anregungsreiche, liebevol-le und beschützende Umwelt. Dies ist dieAufgabe der frühkindlichen Betreuung. Siemeint die altersangemessene Pflege undVersorgung des Kindes, um seine elemen-taren physischen und psychischen Bedürf-nisse zu stillen. Unter frühkindlicher Erzie-hung wird der absichtsvolle Umgang mitdem Kind durch zumeist erwachsene Be-zugspersonen verstanden. Die BereicheBildung, Betreuung und Erziehung lassensich in der frühen Kindheit nicht voneinan-der trennen. Sie bilden eine Einheit, wes-halb wir von FBBE sprechen.

Wie einleitend aufgezeigt worden ist, wirdder Begriff ‚Frühkindliche Bildung’ in derSchweiz bis anhin nur vereinzelt öffentlichdiskutiert, dann jedoch in erster Linie ne-gativ konnotiert. Dies ist insbesondere seitder HarmoS-Debatte vom Herbst 2008 derFall, in deren Zusammenhang frühkindli-che Bildung des öfteren mit früherer Ein-schulung gleichgesetzt worden ist. Die mo-derne Pädagogik versteht jedoch unterfrühkindlicher Bildung weit mehr als Infor-mation, Lernen oder Wissen – und schongar nicht die in den frühkindlichen Raumvorverlegte Aneignung schulischer Inhalte.Ein solches, mehrdimensionales Verständ-nis liegt auch unserer Studie zu Grunde. Zubetonen ist dabei, dass FBBE stets sowohl

in der Kernfamilie als auch ausserhalb derFamilie geschieht, d.h. innerhalb von Be-treuungsverhältnissen durch Dritte.

Weshalb ist FBBE ein gesellschafts-und bildungspolitisches Top-Thema?

Lange bevor die Hirnforschung über dieEntwicklung des Gehirns in den ersten Le-bensjahren nachdachte und lange vor derVeröffentlichung der PISA-Ergebnisse ha-ben Erziehungswissenschaft und Entwick-lungspsychologie auf die grosse Bedeu-tung der frühkindlichen Bildung, Betreu-ung und Erziehung hingewiesen. Dass dieFBBE jüngst ins öffentliche Bewusstseingerückt ist, hängt somit nicht damit zu-sammen, dass diese beiden Wissenschaf-ten an politischer Relevanz gewonnen hät-ten. Die Gründe liegen vielmehr in der De-mographie und in der Volkswirtschaft. An-gesichts der diagnostizierten Überalterungunserer Gesellschaft aufgrund der Ten-denz zunehmender Kinderlosigkeit wirdnicht nur der Ruf nach Investitionen in dieFamilienpolitik laut, sondern ebenso in dieKinder- und Nachwuchsförderung. Im Mit-telpunkt stehen Forderungen nach einerfamilienfreundlicheren Gesellschaft, in dersich die Berufstätigkeit bestmöglich miteiner Elternschaft verbinden lässt undMenschen sich vermehrt für Kinder ent-scheiden können. Im Zuge dieser Debattegeraten auch hoch qualifizierte Frauen inden Blickpunkt der Betrachtung. Denn an-gesichts des zunehmenden Fachkräfte-mangels in Wirtschaft und Industrie undder Tatsache, dass das Qualifikationsni-veau der jungen Frauen dasjenige derMänner überholt, bekommt die (qualifi-zierte) weibliche Arbeitskraft zukünftigeine immer wichtigere Bedeutung. Gleich-zeitig ertönt der Ruf nach einer frühen, an-deren und besseren Förderung junger Kin-

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Grundlagenstudie

der, um später im globalen Wettbewerbder Wissensgesellschaft bestehen zu kön-nen. In dieser Sichtweise gilt jedes Kind,das im Kindergarten oder in der Schulescheitert, als ein Problemkind – aber alseines zuviel. Denn es wird zukünftig aufdem Arbeitsmarkt und als Beitragszahlerfür unsere Sozialversicherungen gebrauchtwerden. In volkswirtschaftlicher Perspekti-ve wird schliesslich geltend gemacht, dasseine umfassende Investition in den Früh-bereich nicht nur Chancenungleichheitbestmöglich auszubalancieren vermag,sondern auch Humankapital durch mehrWachstum fördert. Anger, Plünnecke undTröger (2007) gehen beispielsweise davonaus, dass mit einem gut ausgebautenFBBE-System das Wachstumspotenzialeiner Volkswirtschaft um jährlich 0.1% ge-steigert, das Ausmass von Bildungsarmutund Kinderarmut hingegen um mehrereProzente gesenkt werden kann. Um diesesZiel zu erreichen, wird im Allgemeinen einAusbau der Vereinbarkeit von Familie undBeruf, eine bessere Qualität frühkindlicherFörderung durch eine Höherqualifizierungdes Fachpersonals sowie eine Finanzie-rung gefordert, die sich stärker an bil-dungsökonomischen Leitlinien orientiert.Auf diese Weise kann eine qualitativ hochstehende FBBE die Grundlage für das ineiner Wissensgesellschaft wesentliche le-benslange Lernen schaffen. Dieses wieder-um fördert die soziale, emotionale, physi-sche, sprachliche und kognitive Entwick-lung.

Was soll FBBE leisten?

Nicht nur die UN-Kinderrechtskonventionerachtet Bildung als den zentralen Schlüs-sel, um sozialer Ausgrenzung vorzubeugenund ihr entgegenzuwirken. Auch die UN-ESCO hat als weitere Akteurin in ihrem Ak-tionsplan «Bildung für alle» sechs Bil-dungsziele festgehalten, deren erstes die

frühe Bildung, insbesondere für Kinder ausbenachteiligten Familien, darstellt.

Was bedeutet dies für die Schweiz, einemLand, in dem die PISA-Studie gezeigt hat,dass die späteren Chancen eines jungenKindes davon abhängen, welchen Bil-dungsstand seine Eltern haben, wie viel sieverdienen und welche Sprache in der Fa-milie gesprochen wird? In erster Linie istdamit die Verpflichtung zur Bereitstellungvon Rahmenbedingungen verbunden, umdie Rechte des Kindes auf Wohlergehenund Bildung zu garantieren. Dies kannFBBE leisten. Sie ist deshalb eine demokra-tische Verpflichtung, die auf drei, mitein-ander eng verwobenen Ebenen zum Aus-druck kommt: auf der gesamtgesellschaft-lichen, der organisationalen und der pra-xisbezogenen Ebene.

• Auf der gesamtgesellschaftlichen Ebe-ne ist die Aufgabe von FBBE dreige-teilt: Erstens geht es darum, herkunfts-bedingte Chancenungleichheit zu ver-meiden und damit das verfassungs-mässig verbriefte Recht aller Men-schen auf Gleichbehandlung konse-quent zu realisieren. Zweitens hat sieden Auftrag, in volkswirtschaftlicherHinsicht in das Aufwachsen junger Kin-der zu investieren. Dass sich solche In-vestitionen in den Vorschulbereichaufgrund ihrer hohen Bildungsrenditelohnen, ist eine vielfach belegte volks-wirtschaftliche Tatsache. Die dritte ge-samtgesellschaftliche Aufgabe liegt inder breiten, allen Sozialschichten zu-gänglichen Verankerung von FBBE-An-geboten. Sie können einen Beitrag lie-fern, der demographisch bedenklichenzunehmenden Kinderlosigkeit entge-genzuwirken.

• Auf der Ebene der Organisationsstruk-turen kommt der FBBE die Aufgabe zu,unterschiedliche Betreuungs- und Bil-dungskonstellationen zu ermöglichen:innerfamiliale, innerhalb von Betreu-

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1 Warum in Frühkindliche Bildung investieren?

ungsverhältnissen durch Dritte (Ver-wandte, Babysitters, Au Pairs), sowieinnerhalb von institutionalisierten Be-treuungsverhältnissen. Notwendig istdabei die gleichberechtigte Diskussiondieser Betreuungskonstellationen imHinblick auf die Definition dessen, waseine optimale Ausgestaltung von FBBEdarstellt. Dabei muss diese Diskussionvon entwicklungspsychologisch vorge-gebenen Besonderheiten der frühenKindheit geleitet werden. Damit kannauch einer generellen Vorverlegungschulischer Inhalte in die frühe Kind-heit entgegengetreten werden. Aller-dings sind gerade für Kinder aus be-nachteiligten Sozialschichten famili-enextern angebotene schulvorberei-tende Angebote im Sinne der Förde-rung von Vorläuferfähigkeiten imsprachlichen und mathematischen Be-reich dann zentral, wenn sie diese An-gebote innerfamilial nicht erhalten. Siesind das Herzstück zur Herstellung vonStartchancengleichheit.

• Die Ebene der konkreten Praxis fragtnach der praktischen Ausgestaltungvon FBBE. Im Mittelpunkt stehen so-wohl der Ausgleich von Bedürfnissen,die sich bei einzelnen Kindern aufGrund ihrer sozialen und kulturellenHerkunft ergeben als auch die Förde-rung individueller Potenziale, Talenteund Begabungen. Herzstück ist dabeidie pädagogische Professionalität desFachpersonals und die Qualität des An-gebots, der Inhalte und Prozesse.Diese ‚pädagogische’ Qualität meint,dass FBBE entwicklungsadäquat ausge-richtet, kulturell angemessen undhochwertig sein soll. Auf diese Weisewird durch FBBE Chancengerechtigkeitrealisierbar. Sie bezieht sich auf die in-dividuelle Lage des einzelnen Kindes,auf seine Bedürfnisse, Talente und Be-gabungen.

Fazit

FBBE ist ein mehrdimensionales Kon-zept, das den angeborenen Drang desKleinkindes, sich Wissen anzueignenund sich ein Bild der Welt zu machenumfasst. Dazu benötigt es eine anre-gungsreiche, liebevolle und beschüt-zende Umwelt mit Bezugspersonen, dieeinen bewussten, erzieherischen Um-gang mit dem Kind pflegen. In FBBE zuinvestieren lohnt sich, weil sie das Fun-dament bereit stellen kann, damit vonAnfang an allen Kindern ihr durch dieKinderrechtskonvention verbriefteRecht auf Bildung ermöglicht unddamit Chancengleichheit für alle Kinderdurchgesetzt wird. Damit kann unteranderem eine volkswirtschaftlich be-deutsame höhere Bildungsrendite ga-rantiert werden.

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Grundlagenstudie

2 Die Schweiz im internationalen Vergleich

Die Investitionen in FBBE-Systeme sind in-ternational nur schwer vergleichbar. DieLänder verfügen über unterschiedlich auf-gebaute Bildungssysteme, und die Ermitt-lung statistischer Daten hängt von der Or-ganisation der FBBE ab. Dennoch sollen imFolgenden aussagekräftige Zahlen genanntwerden, die zumindest in der Tendenz dieStellung der Schweiz im internationalenVergleich verdeutlichen. Tabelle 2.1 zeigtbeispielsweise auf, dass 2003 (nach Schät-zungen der OECD) die Schweiz mit Investi-tionen von 0.2% des Bruttoinlandproduktes(BIP) weit unter der Hälfte von dem bleibt,was die OECD empfiehlt (1,0%) und 20%dessen investiert, was Österreich (0.6%)oder nicht einmal ein Sechstel dessen, wasFrankreich (1.3%) für diesen Bereich aus-gibt. An der Spitze stehen die skandinavi-schen Länder. Dänemark investiert 2.3%des BIP in Kinderbetreuungseinrichtungen.Nur Portugal liegt im Durchschnitt nochunter den Investitionen der Schweiz. Im in-ternationalen Vergleich ist die Teilnahmevon unter Dreijährigen in der Schweiz mit7.2% und knapp einem Drittel der Vierjähri-gen gering, während die Teilnahmeratender Fünfjährigen mit 84% durchaus inter-national anschlussfähig sind. Obwohl euro-paweit noch nicht allen Kindern unter vierJahren ein FBBE-Platz zur Verfügung steht,hat in allen Ländern die Teilnahme vor

allem von drei- bis vierjährigen Kindern anFBBE-Programmen in den letzten Jahrenstetig zugenommen (OECD, 2006).

Weitere Daten zeigen: In der Schweiznimmt bisher lediglich ein Viertel aller Drei-bis Vierjährigen an einem vorschulischenAngebot teil, in Frankreich sind es 98%, inItalien 99% (OECD, 2006). Unter den EU-Mitgliedsstaaten wurde die Zielvereinba-rung verabschiedet, bis 2010 für 33% allerKinder unter drei Jahren und für 90% allerKinder ab fünf Jahren einen FBBE-Platz zurVerfügung stellen zu können. Letzteres Zielhat die Schweiz bereits erreicht.

In anderen Bereichen wird die Schweiz je-doch ungünstig beurteilt. Dies belegt bei-spielsweise die im Dezember 2008 erschie-nene UNICEF-Studie «The child care transi-tion». Sie untersuchte in 25 OECD-Staatendie Umsetzung der FBBE anhand von zehnKriterien. Im Ergebnis belegen die skandi-navischen Länder sowie Frankreich die ers-ten Plätze, wobei nur Schweden alle zehnKriterien («Mindestanforderungen») er-füllt. Die drei Schlusslichter sind Australien,Kanada und Irland, die Schweiz liegt unmit-telbar dahinter. Unser Land erfüllt lediglichdrei Kriterien. Neben dem Lob für die ange-strebte Harmonisierung der obligatori-schen Schule und für die Einführung derGrund-/Basisstufe gehören die Ausbildung

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Tab. 2.1: Staatliche Ausgaben für ausserfamiliale Kinderbetreuung und Teilnahme im inter-nationalen Vergleich 2003 (OECD, 2005)

Staatliche Ausgaben für ausserfamiliale Kinderbetreuung und Investitionen in FamilienSchweiz Öster-

reichDäne-mark

Frank-reich

Neusee-land

Nieder-lande

Portugal

Ausgaben für Kinderbetreu-ungseinrichtungen[in % des BIP]

0.2 0.6 2.3 1.3 0.4 0.4 0

Von den Kinderbetreuungseinrichtungen erfasste Population [in % der angesprochenen Population]Kinder unter 3 Jahren 7.2 13 64 64 40 17 22Kinder ab 3 Jahren 31 - 84* 86 91 98 98 98.5 75* 31% (4 J.), 84% (5 J.)

2 Die Schweiz im internationalen Vergleich

des FBBE-Personals (mehr als 80% ist aus-gebildet), das gute Betreuungsverhältnisund die geringe Kinderarmut dazu. Kriti-siert wird jedoch, was in Tabelle 2.1 bereitsin Ansätzen zum Ausdruck kommt: Die iminternationalen Vergleich geringen Investi-tionen (Mindestanforderung 1,0% desBSP), die nur noch in Korea und Irlandtiefer ausfallen; die tiefe Quote der unterDreijährigen in FBBE-Einrichtungen mit we-niger als 5% (Mindestanforderung 25%);der tiefe Anteil von 39% der Vierjährigen insubventioniert ausserfamilial und qualifi-ziert betreuten Einrichtungen (Mindestan-forderung 80%); der niedrige Anteil derDrei- bis Sechsjährigen in FBBE-Einrichtun-gen mit 45% bei einem OECD-Durchschnittvon ca. 68%; der mit 16 Wochen als sehrknapp bemessene Mutterschaftsurlaub(Mindestanforderung: ein Jahr Elternurlaubbei 50% des Lohns); und der mit wenigerals 50% geringe Anteil von Früherzieherin-nen mit Hochschulabschluss.

Dieser UNICEF-Studie ist allerdings entge-genzuhalten, dass sich die Schweiz nur sehrschwierig im internationalen Vergleich plat-zieren lässt. Der Grund ist ein zweifacher.Erstens verfügen zwar einige Kantone be-reits über familienpolitische Leitbilder (AR,BL, BS, LU, OW, NW, SO, UR), formulierenHandlungsbedarf jedoch vor allem in struk-turellen und politischen Problemfeldern(politische Verantwortung, statistische Da-ten, Finanzierung, gesetzliche Grundlagen,Zugang und Angebots-Struktur). Pädagogi-sche und bildungspolitische Perspektivenwerden noch kaum thematisiert. Zweitenssind keine ausreichenden statistischen Ver-gleichsdaten vorhanden. Jeder Kanton, teil-weise sogar jede Gemeinde, verfügt übereigene Regelungen und Organisationsstruk-turen. Kantonale und/oder kommunaleTräger entscheiden selbst, welche Mass-nahmen getroffen und welche Daten erho-ben werden sollen. Zum Anderen schwan-ken Besuchsquoten und öffentliche Ausga-ben beträchtlich. In den Kantonen Genf

und Tessin betragen sie für Dreijährige 80%bis 90%, im Kanton Appenzell Innerrhoden15%. Die Ausgaben betrugen im Jahr 2003für den Vorschulbereich pro Kind zwischen4’540 CHF (AI) und 13’235 CHF (BS). 2005flossen 3.6% der Bildungsausgaben der öf-fentlichen Hand in den Vorschulbereich.Davon gingen 39.5% zu Lasten der Kantoneund 60.5% zu Lasten der Gemeinden.

Insgesamt befindet sich der FBBE-BereichSchweiz noch in einer Entwicklungsphase.Ungeachtet der kantonalen Differenzenhaben wir die Standards anderer europäi-scher Länder noch nicht erreicht. Einer derHauptgründe ist im föderalistischen Systemzu suchen, das die Verantwortlichkeitenauf viele Schultern verteilt. Entsprechendist bis heute nicht geklärt, wer für den Aus-bau der familienergänzenden Angebotegrundlegend verantwortlich ist. Sind es dieEltern beziehungsweise Familien? Ist es derStaat (Bund, Kantone, Gemeinden, Erzie-hungs- und Bildungsdirektionen oder Sozi-aldepartemente)? Oder sind es die Unter-nehmen oder private Organisationen? Sol-che nicht gelösten Zuständigkeitsfragensowie erhebliche Unterschiede innerhalbder Bildungstraditionen unseres Landeshaben bislang dazu beigetragen, dass keineeindeutige ‚Schweizer Position’ mit klarenHandlungsmassnahmen entwickelt werdenkonnte.

Fazit

Die Schweiz verfügt über keine ausrei-chenden statistischen Daten, die sich in-ternational exakt vergleichen lassen.Trotz dieser Einschränkung wird klar er-sichtlich, dass die Investitionen in FBBE-Massnahmen – auch wenn einige guteAnsätze da sind – nicht den Empfehlun-gen der OECD entsprechen. Gegenübervielen Ländern fallen unsere Bemühun-gen stark ab. Als im internationalenVergleich erschwerend muss die Tatsa-che betrachtet werden, dass keine ge-

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Grundlagenstudie

samtschweizerische Regelung der Ver-antwortlichkeiten besteht. Eine solcheist jedoch für den Aufbau eines zu-kunftsweisendes FBBE-Systems notwen-dig.

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3 Forschungsstand

3 Forschungsstand

Wie wirksam ist FBBE?

Zur Frage, wie wirksam frühkindliche Bil-dungs- und Betreuungsangebote sind, lie-gen viele Antworten vor. Vor allem die USAund Grossbritannien verfügen in dieserHinsicht über eine lange Tradition. «HeadStart» war das erste kompensatorische, aufKinder aus unterprivilegierten Familienausgerichtete und im Vorschulbereich inden 1960er Jahren eingesetzte Bildungs-programm. Es läuft auch heute noch undhat nach wie vor für viele andere ProjekteModellcharakter. In den letzten Jahrzehn-ten wurden in vielen anderen Ländern zahl-reiche ähnliche Projekte lanciert. Eines derbekanntesten sind das «Sure Start-Projekt»und das «EPPE-Projekt (Effective Preschooland Primary Education)» in Grossbritanni-en. Gemeinsam ist allen Projekten die Be-reitstellung von Dienstleistungen im Be-reich Bildung, Betreuung und Erziehung fürjunge Kinder zwischen zwei Jahren undSchuleintritt. Verschiedene Projekte sindnicht nur auf Kinder, sondern auch auf ihreEltern mit dem Ziel ausgerichtet, die famili-äre Entwicklung günstig zu beeinflussenund insbesondere die gesundheitliche undemotionale Entwicklung des Kindes da-durch zu verbessern.

Von diesen grossflächig eingesetzten Pro-grammen zu unterscheiden sind so ge-nannte Modellprojekte. Dazu gehören bei-spielsweise die amerikanischen Projekte«Carolina Abecedarian Project» und das«High/Scope Perry Preschool Program»sowie das breiter angelegte und ins Schul-system integrierte Interventionsprogramm«Chicago Child-Parent Program». Es han-delt sich dabei um qualitativ hochwertigeProjekte, die sich meist nur an eine kleineZahl von Kindern aus benachteiligten Mi-lieus richten, denen unter der Leitung gutausgebildeten Fachpersonals besonders

günstige Lern-, Entwicklungs- und Erzie-hungsbedingungen geschaffen werden. Fürdie in der Schweiz bedeutsame Frage, obund inwiefern frühkindliche Bildung, kom-biniert mit Betreuungs- und Erziehungs-komponenten, wirksam sein kann, sind sol-che Projekte von besonderem Interesse,liegen von ihnen doch Langzeitergebnissezum späteren Schul- und Lebenserfolg die-ser Kinder bis ins Alter von 40 Jahren vor.Im deutschen Sprachraum existieren keinesolchen Projekte und in Folge dessen auchkeine entsprechenden Ergebnisse.

Positive Effekte

Aus dem «High/Scope Perry Preschool»Projekt – die beiden anderen oben genann-ten Projekte liefern allerdings fast identi-sche Ergebnisse – wissen wir, dass die Kin-der, welche ein Vorschulprogramm absol-viert hatten, bessere Schulleistungen, hö-here Bildungsabschlüsse, tiefere Klassen-wiederholungsraten, bessere Gesundheitund niedrigere Kriminalitäts- und Delin-quenzraten bei gleichzeitig guter Integrati-on in den Arbeitsmarkt aufwiesen. Abbil-dung 3.1 zeigt ausgewählte Resultate desletzten Untersuchungszeitpunkts im Altervon 40 Jahren. Sie verdeutlicht, dass derAnteil der Personen mit High School-Ab-schluss bei den Programmteilnehmern mit65% prozentual höher war als in der Grup-pe der Personen, die das Programm nichtbesucht hatten (45%). Auch hinsichtlich derberuflichen Anstellung zeigen sich ähnlicheUnterschiede: 76% der Programmteilneh-mer waren mit 40 Jahren in einer berufli-chen Anstellung, im Gegensatz zu 62% derNicht-Programmteilnehmer. Besonders au-genfällig sind die Unterschiede in Bezug aufdelinquente Handlungen: So wurden pro-zentual weniger Programmteilnehmer zueiner Gefängnisstrafe verurteilt (28% zu52%), und die Festnahmequote war tiefer

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Grundlagenstudie

(36% zu 55%). Schliesslich war auch dieRate des Sozialleistungsbezugs geringer(59% zu 80%).

Erweitert man den auf die USA gerichtetenBlick auf andere Länder, so lassen sich eini-ge weitere Studien nennen, die ebenfallspositive Auswirkungen von frühkindlicherBildungspartizipation auf die späterenSchulleistungen nachweisen. Allerdingssind sie deutlich kurzfristigerer Art. Dazugehören Studien aus Irland, Neuseeland,Kanada oder Schweden (Roßbach, 2005).Für Deutschland liegen ebenfalls Befundeaus der so genannten «European ChildCare and Education (ECCE)»-Studie vor. Sieuntersuchte in vier europäischen Ländern(Deutschland, Österreich, Spanien, Portu-gal) die Auswirkungen vorschulischer Bil-dungs- und Betreuungsangebote auf dasSozialverhalten und die Schulleistungen

von Kindern bis im Alter von acht Jahren.Die Studie konnte nachweisen, dass sichFBBE positiv auf die kindliche Entwicklungauswirken kann (ECCE, 1999). Auch zweienglische Studien berichten günstige Wirk-samkeitsergebnisse: Osborn und Milbank(1987) und Sylva et al. (2004) konnten auf-zeigen, dass diejenigen Kinder, die Vor-schuleinrichtungen besucht hatten, auchzwei Jahre nach Schuleintritt in ihrer kogni-tiven Entwicklung weiter fortgeschrittenwaren als Kinder, welche keine Vorschul-programme besucht hatten. Positive Effek-te zeigten sich auch in der sozialen Ent-wicklung: Kinder, die bei Eintritt in das Vor-schulprogramm erhöhte soziale Entwick-lungsdefizite aufgewiesen hatten, konntendiese bis zum achten Lebensjahr weitge-hend aufholen. In der aktuellsten Wieder-holungsuntersuchung im Alter von elf Jah-

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≥ 5 Festnahmen

Berufliche Anstellung

Mindestens eine Gefängnisstrafe

High School Abschluss

0% 20% 40% 60% 80%

36%36%

76%76%

59%59%

28%28%

65%65%

55%55%

62%62%

80%80%

52%52%

45%45%

Versuchsgruppe Kontrollgruppe

Mindestens ein Sozialleistungs-bezug in den letzten zehn Jahren

Abb. 3.1: Ausgewählte Resultate des «High/Scope Perry Preschool»-Projekts, nach Schwein-hart et al. (2005).

3 Forschungsstand

ren konnten erneut positive Effekte des Be-suchs von FBBE-Institutionen auf Englisch-und Mathematikkenntnisse der Kindernachgewiesen werden. Allerdings wurdedabei auch festgestellt, dass die Qualitätder Lernumgebung im Elternhaus in denersten Lebensjahren sowie der sozioökono-mische Status der Familien als zwei derwichtigsten Faktoren einer guten Entwick-lung angesehen werden müssen (EPPE,2008).

Gemischte Effekte

Nicht alle Ergebnisse der Forschung sindpositiver Art. Barnett (1998) berichtet vonverschiedenen englischen, schwedischenund amerikanischen Projekten, die kaumEffekte auf die späteren Schulleistungennachweisen konnten. Allerdings – und dieserscheint für die Diskussion hierzulandebesonders bedeutsam – zeigten sich dannWirkungen, wenn den Vorschulprogram-men kontinuierliche Investitionen im Ver-laufe der Schulzeit folgten, Eltern intensivan den Bildungs- und Betreuungsprozessenbeteiligt und in ihrer Erziehungsarbeit un-terstützt wurden und wenn die Bildungs-und Betreuungsqualität des Angebotshochstehend war. Dass die pädagogischeQualität eine herausragende Rolle spielt,bestätigen auch neuere Untersuchungenzur Qualität von Kindergärten in Deutsch-land (Roßbach, 2006).

Von Vorschulangeboten profitieren nichtalle Kinder auf die gleiche Art und Weise.Zwar machen die meisten Kinder Lernfort-schritte, besonders deutliche Gewinne er-zielen jedoch meist Kinder aus sozial be-nachteiligten Milieus, wenngleich sie oftnicht zu ihren privilegierter aufwachsendenAltersgenossen aufschliessen können(OECD, 2007; Moser, Bayer & Berweger,2008). In Deutschland haben beispielswei-se Kinder mit Migrationshintergrund nachdem Besuch eines Kindergartens etwa diegleichen schulischen Chancen wie Kinder

ohne Migrationshintergrund, die nie einenKindergarten besucht haben (Becker & Tre-mel, 2006). Daraus lässt sich schliessen,dass vorschulische Bildungs- und Betreu-ungsangebote sozialen Ungleichheiten zu-mindest teilweise erfolgreich entgegenwir-ken können.

Uneinheitlich sind auch die Effekte auf diesoziale Entwicklung. Während im «EPPE»-Projekt (2004) positive Auswirkungen fest-gestellt werden konnten, fallen sie in deramerikanischen «Early Childhood Longitu-dinal Study» negativ aus (Magnuson, Ruhm& Waldfogel, 2004). In der «NICHD Study ofEarly Child Care» wurde mehrfach festge-stellt, dass eine intensive und lang anhal-tende Fremdbetreuung von Kindern in Kin-derhorten oder -krippen während des ers-ten Lebensjahrs mit einer Zunahme vonProblemverhalten im weiteren Verlauf desLebens einherging. Dieses Problemverhal-ten war zwar nicht klinisch auffällig – undneben den negativen Effekten auf das so-ziale Verhalten konnten auch positive Ein-flüsse auf die kognitiv-linguistische Ent-wicklung festgehalten werden – doch ist eskonsistent mit den Ergebnissen aus Über-blicksarbeiten zur Wirksamkeit von FBBE(Barnett, 1998; Mitchell, Wylie & Carr,2008). Generelle Aussagen auf das Sozial-verhalten sind jedoch nicht möglich.

Eine besonders kontroverse Debatte bildetdie Frage des Alters, ab welchem vorschuli-sche Bildung erfolgen sollte. Dazu liegensehr gemischte Befunde vor, insbesondereaus Frankreich, dem Land mit einem der in-ternational als vorbildlich anerkanntenFBBE-Systeme (Caille, 2001; Florin, 2006).Gleiches gilt für Ergebnisse aus Australien,Neuseeland und aus Kanada (Perry, 1998).Im deutschsprachigen Raum gibt es ledig-lich eine bedeutsame aktuelle Debatte zurFrage der früheren Einschulung. Auch hier-zu sind die Ergebnisse und Stellungnahmengemischt (Bos et al., Stamm, 2005; Wan-nack, Sörensen & Giroud, 2006).

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Grundlagenstudie

Schweizer Wirksamkeitsstudien

In der Schweiz liegen bislang nur wenigeUntersuchungen zur Wirksamkeit vonFBBE-Massnahmen vor. Beispielsweisekonnte Lanfranchi (2002) aufzeigen, dassfamilienergänzend betreute Kinder denÜbergang vom Kindergarten zur Schule we-sentlich erfolgreicher meisterten als Kin-der, die diese Förderung nicht erhaltenhatten. Als ausschlaggebend erwies sichdabei die frühe Integration der Eltern unddamit des gesamten sozialen und kulturel-len Umfeldes. In Lanfranchis Follow-up Stu-die von 2008 zeigten sich jedoch keine län-gerfristig positiven Wirkungen. Erstaunli-cherweise erwies sich nun nicht der Besucheiner familienergänzenden Betreuungsein-richtung als entscheidender Erfolgsindika-tor, sondern die Bildungsaspiration der El-tern. Pierrehumbert (2005) untersuchte inder Romandie den Einfluss der Qualität vonfamilialer und ausserfamilialer Kinderbe-treuung im Alter von zwei Jahren auf diesoziale Entwicklung im Alter von drei Jah-ren. Dabei zeigte sich, dass insbesonderedie Qualität der ausserfamiliären Betreu-ung eine wesentliche Rolle spielte für einepositive Entwicklung der Kinder.

FBBE-Forschung in der Schweiz

In diesem Kapitel wird dargestellt, welcheSchweizer Forschungsinstitute sich gegen-wärtig mit FBBE beschäftigen, welche The-men im Einzelnen erforscht und welcheStudien in diesem Bereich bereits durchge-führt worden sind. Dabei handelt es sichnicht um eine erschöpfende, sondern umeine auf Schwerpunkte fokussierte Zusam-menstellung. Beachtet werden soll dabei,dass aktuell kein universitärer Lehrstuhlexistiert, der sich ausschliesslich der FBBE-Thematik widmet.

Private Vereine

• Das ‚Marie Meierhofer-Institut’ (MMI) inZürich befasst sich seit Jahren schwer-punktmässig mit FBBE. Im Mittelpunktsteht die Praxisforschung (Dr. Simoni). Inverschiedenen, kürzlich abgeschlosse-nen Projekten wurden etwa die Entwick-lung prosozialen Verhaltens in den ers-ten zwei Lebensjahren und die Entwick-lung von Konfliktverhalten im Alter zwi-schen acht und 22 Monaten untersucht.Ein anderes Projekt ging der Frage nach,wie Startbedingungen für Familien aus-sehen. Im aktuellen Pilotprojekt ‚Spiel-gruppenplus’ wurde die Sprachkompetenzvon Kindern mit Migrationshintergrundund aus bildungsfernen Familien vorKindergarteneintritt vom ‚Marie Meier-hofer-Institut’ wissenschaftlich beglei-tet. In einem ab 2009 lancierten Projektsoll die Bildungs- und Resilienzförderungin Schweizer Kindertageseinrichtungenuntersucht werden.

Universitäre Institute

• An der Universität Zürich befasst sichdie Abteilung für Allgemeine und Ent-wicklungspsychologie (Prof. Wilkening)des Psychologischen Instituts experi-mentalpsychologisch mit der kognitivenEntwicklung von Kindern zwischensechs und zwölf Jahren. Am Pädagogi-schen Institut der Universität Zürichwerden Fragen des Übertritts von Kin-dern vom Kindergarten in die Primar-schule unter besonderer Berücksichti-gung der Mutter-Kind-Beziehung unter-sucht (Prof. Stöckli). Ferner wird eineEvaluations-Begleitstudie zum Grund-stufenversuch im Kanton Zürich durch-geführt, welche die Entwicklung derKinder auf Unterrichts- und individuel-ler Ebene erfasst. Am gleichen Institutwurde vor kurzem die Evaluation aus-gewählter Betreuungsmodelle zur

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3 Forschungsstand

Säuglingsbetreuung in Kindertagesstät-ten der Stadt Zürich abgeschlossen(Prof. Fatke). Zusammen mit der PH St.Gallen führt das der Universität Zürichassoziierte Institut für Bildungsevaluati-on die Evaluation der Grund-/Basisstufedurch. Im Mittelpunkt der Forschungdes Instituts für Bildungsevaluation ste-hen jedoch meist Kinder ab dem Kin-dergartenalter oder der Schuleingangs-stufe, nicht jedoch Kinder bis zum vier-ten Lebensjahr (PD Dr. Moser).

• An der Universität Bern wurde eine Stu-die zu Arbeitsgedächtnis- und Aufmerk-samkeitsprozessen im Kindergarten-und frühen Schulalter bearbeitet (Prof.Roebers). An der Abteilung Pädagogi-sche Psychologie des Instituts für Erzie-hungswissenschaft wurde im Rahmendes Nationalen Forschungsprogramms29 das Projekt «Familiäre Erziehung,Fremdbetreuung und generatives Ver-halten» durchgeführt (Prof Herzog).

• Am Departement Erziehungswissen-schaften der Universität Fribourg lau-fen mehrere Folgeprojekte der soebenabgeschlossenen Studie «Frühlesenund Frührechnen als sozialeTatsachen?» Seit Januar 2008 bearbei-ten zudem mehrere Forschungsmitar-beiter im Rahmen von Habilitations-und Dissertationsprojekten unter-schiedliche Fragestellungen im Bereichder Pädagogik der frühen Kindheit.Diese umfassen unter anderem The-men wie die Fremdbetreuung von Kin-dern oder Migration und FBBE. Darüberhinaus widmet sich ein Forschungspro-jekt der Frage nach den Möglichkeitenvon FBBE in von Kriegswirren gezeich-neten Ländern und Entwicklungslän-dern (Prof. Stamm). Es wird in Zusam-menarbeit mit der UNO in den palästi-nensischen Flüchtlingslagern im Liba-non durchgeführt. Ab 2009 sind weite-re nationale Studien geplant. Zudem

befindet sich ein Master-Studiengang«Frühkindliche Bildung und pädagogi-sche Beratung» im Aufbau, welcher abSeptember 2009 erstmals absolviertwerden kann. Am Departement Psy-chologie befasst sich auch das Familien-institut mit verschiedenen psychologi-schen Aspekten des Familienlebens(Prof. Perrez).

• Am Institut für Psychologie der Univer-sität Lausanne wird im Bereich der Ent-wicklung junger Kinder geforscht (PDDr. Pierrehumbert). Die Forschungs-schwerpunkte liegen dabei bei Fragender Kinderbetreuung oder der Bezie-hungen und Bindungen zwischen unter-schiedlichen Generationen.

• An der Universität Genf werden For-schungen zur Rolle der ersten Schulstu-fe im Erwerb von frühen Kompetenzensowie Reflexionen zum Kindergartendurchgeführt (Prof. Perrenoud, Dr. The-venaz-Christen).

Pädagogische Hochschulen

• Im Tessin haben Dozentinnen und Do-zenten an der PH Locarno, an der unteranderem die pädagogischen Fachkräftefür den Vorschulbereich ausgebildetwerden, gemeinsam mit der kantona-len Verwaltung Untersuchungen zurFBBE durchgeführt. Delcò (2007) hatdabei unter anderem zur pädagogi-schen Kontinuität und Diskontinuitätzwischen Vor- und Primarschulbereichgeforscht. Am ‚Laboratorio di Ingeneriadella Formazione e Innovazione’ derUniversität Lugano entstanden im Pro-jekt «minimovingAlps» Arbeiten, wel-che die Psychodidaktik der Fotografiebei Kindern von drei bis sieben Jahrenbehandelte (Prof. Schürch).

• In der Romandie werden in verschiede-nen spezialisierten Studiengängen Aus-bildungen angeboten, die sich auf die

29

Grundlagenstudie

FBBE sowie generell auf den Vorschul-bereich beziehen. Dies gilt für die ‚Fa-culté de Psychologie et de Sciences deL’éducation’ (FAPSE) der UniversitätGenf, für die ‚Ecole d’éducatrices etd’éducateurs du jeune enfant’ (EEJE),die ‚Ecole d’Etudes Sociales et Pédago-giques’ (EESP), das ‚Institut Pédago-gique de Lausanne’ (IPGL) sowie die‚Haute Ecole Pédagogique’ (HEP). Dabeihaben einige Forschungsschwerpunkteentwickelt, in denen FBBE unter ver-schiedenen Gesichtspunkten studiertwird. Dazu gehören Aufsätze zur Ge-schichte der Kindergärten in derSchweiz und deren pädagogische Ori-entierungen sowie die Frage des obliga-torischen Kindergartenbesuchs mit derEinführung von HarmoS und verschie-dene Vorschulmodelle in den OECD-Ländern (Forster, 2007).

• An den Pädagogischen Hochschulen fin-den sich ebenfalls diverse Projekte, dieeinen Zusammenhang mit FBBE aufwei-sen. So widmet die PH St. Gallen derBildung jüngerer Kinder einen eigenenSchwerpunkt. Zudem werden auchFrühförderungsprojekte evaluiert. Fer-ner befasst sich die PH St. Gallen mitQualitätsstandards für familienergän-zende Betreuung (NFP 39; Wicker, Fibbi& Haug, 2003). An der ‚Zürcher Hoch-schule für Angewandte Wissenschaft’(ZHAW) wurde von 2006 bis 2007 daspädagogische Konzept des ‚Kinderhau-ses Pilgerbrunnen’, das aus Kinderheimund Kindertagesstätte besteht, revi-diert mit dem Ziel, das Angebot be-darfsgerecht zu gestalten (unter derLeitung von Prof. Anna Maria Riedi). Ander ‚Hochschule für Heilpädagogik’(HfH) wurde die bereits erwähnte Un-tersuchung zu den Effekten familiener-gänzender Betreuung vor dem Kinder-garten auf die Leistungen in der Schuledurchgeführt (PD Dr. Lanfranchi). DiePH Schaffhausen beschäftigte sich von

2004 bis 2005 mit der Entwicklung undErprobung eines Kompetenzrasters fürdie Erstsprache mit Hinweisen für dieZweitsprache im Rahmen des Schulver-suchs Grundstufe/Basisstufe der EDK-Ost (Projektteam: Dr. Franziska BitterBättig, Dr. Brigit Eriksson, GerhardStamm, Elsbeth Büchel). An der Päd-agogischen Hochschule Rorschach wirdeine Längsschnittstudie zu einer ausba-lancierten Elementarpädagogik geplant(Dr. Hauser). Auf das Studienjahr2010/2011 hin plant die PH Thurgau inKooperation mit der Universität Kon-stanz einen Masterstudiengang «Früh-kindliche Entwicklung und Erziehung».Zeitgleich erfolgt auch der Aufbau einesForschungsschwerpunktes zur Thema-tik der frühen Kindheit. Prof. Maederist Leiter der zuständigen Forschungs-abteilung.

Andere Institutionen

• An verschiedenen Institutionen findenDiskurse zur Thematik der FBBE statt.Zu diesen Institutionen gehören die‚Schweizerische Koordinationsstelle fürBildungsforschung’, die Gewerkschaftder Lehrer in der Romandie (‚Syndicatdes enseignants romands’), die ‚Pro Ju-ventute’, die ‚Sektion pädagogischeForschung, Evaluation und Planung’(SREP) in Bern, die ‚Délégation à la peti-te enfance’ (DPE), welche an das‚Département de la cohésion sociale,de la jeunesse et des sports de la villede Genève’ angebunden ist, das ‚Bu-reau international d’éducation’ (ein In-stitut der UNESCO in Genf), der ‚Servicede la petite enfance’ der Stadt Lausan-ne, die ‚Schweizerische Gesellschaft fürGeistes- und Sozialwissenschaften’sowie alle Fachhochschulen und univer-sitären Fakultäten, die mit den Schulenzusammenarbeiten, welche Kleinkin-derzieher ausbilden.

30

3 Forschungsstand

Volkswirtschaftliche Studien zumNutzen von FBBE

Jedes Kind hat ein Recht auf Bildung. Damitwird Bildung zu einer gesamtgesellschaftli-chen Herausforderung, aus der sich derStaat nicht heraushalten kann. Demzufolgewird eine Frage besonders bedeutsam:Lohnen sich Investitionen in die frühe Kind-heit überhaupt? Aus ethischer Sicht lässtsich eine solche Frage in unserer entwickel-ten Wohlstandsgesellschaft kaum beant-worten. Aus volkswirtschaftlicher Perspek-tive liegen jedoch viele Berechnungen vor.Wenn es gelingt, durch eine verbesserteFBBE den Bildungsstand benachteiligterKinder und der Bevölkerung insgesamt zuerhöhen, so kann dies gemäss einer Studievon Heckman (2006) Auswirkungen auf dasWirtschaftswachstum haben, weil Bil-dungsstand und berufliche BeschäftigungWachstumstreiber sind.

Cunha und Heckman (2007) haben ein Si-mulationsmodell zu den möglichen Effek-ten von FBBE entwickelt. Es fokussiert zwarauf die USA, ist aber eine geeignete Diskus-sionsgrundlage für die Frage nach demvolkswirtschaftlichen Nutzen von FBBE inder Schweiz. Die Autoren konnten zeigen,

dass durch ein gutes vorschulisches Ange-bot der Anteil der benachteiligten Kinder,welche einen Sekundarstufen-II-Abschlusserreichen, von 41.1% auf 65.8% gesteigertwerden kann, die Absolvierung einer höhe-ren Ausbildung von 4.5% auf 12.6%. Umge-kehrt kann mit einer guten FBBE-Politik derAnteil Jugendlicher, die mit dem Gesetz inKonflikt geraten oder unter Bewährung ste-hen, um 5.7% respektive um 6.6%, spätereSozialhilfe von 17.7% auf 9.1% gesenktwerden. Solche Ergebnisse konnten auchfür Deutschland bestätigt werden. Dabeizeigte sich, dass Kinder, die einmal eineKrippe besucht hatten, später mit einer83% höheren Wahrscheinlichkeit ein Gym-nasium besuchen. Da ein Gymnasialab-schluss im Gegensatz zu einem Real- oderHauptschulabschluss die Wahrscheinlich-keit erhöht, ein höheres Lebenseinkommenzu erzielen, können durch den Krippenbe-such volkswirtschaftliche Nutzeneffekteausgelöst werden, welche die Kosten fürden Krippenbesuch deutlich übersteigen.Gemäss Fritschi und Oesch (2008) beträgtdas Verhältnis 1 zu 2.7. In einer Modell-rechnung ermittelten Anger, Plünneckeund Tröger (2007) die Renditen von Investi-tionen in den Ausbau von FBBE-Angeboten.Auch sie ermittelten einen volkswirtschaft-

Stadt Zürich Region Bern Romandie0.0

1.0

2.0

3.0

4.0

1.0 1.0 1.0 1.0 1.0 1.0

3.5 3.5

2.6 2.6 3.0 3.0

Kosten in CHF Nutzen in CHF

Abb. 3.2: Kosten-Nutzen-Verhältnisse in der Stadt Zürich, der Region Bern und der Romandie(Mindestnutzen: Fritschi et al., 2002; Mackenzie Oth, 2002; Müller Kucera & Baur, 2000)

31

Grundlagenstudie

lichen Nutzen in der gleichen Grössenord-nung. Etwas weniger eindeutige Befundeliefert jedoch die Studie von Rauschenbachund Schilling (2007) zu den ökonomischenEffekten eines Krippenausbaus für unterDreijährige in Deutschland.

Auch in der Schweiz wurde der volkswirt-schaftliche Nutzen von Kindertagesstättenuntersucht. Dazu liegen Studien aus Zürich,der Region Bern und verschiedener Kanto-ne der Romandie vor (Fritschi, Strub &Stutz, 2007; Mackenzie Oth, 2002; MüllerKucera & Bauer, 2000). Im Mittelpunkt die-ser Studien stand die Frage, was sich hin-sichtlich des Finanzhaushalts ändernwürde, wenn Kinder die Kindertagesstättennicht mehr besuchen würden, die sie bis-her besucht hatten.

Abbildung 3.2 zeigt, wie die Kosten-Nut-zen-Verhältnisse in den einzelnen Studienausfielen. Abgebildet sind dabei die Min-destnutzen. Das Verhältnis zwischen Inves-tition und Ertrag betrug dabei je nach Be-rechnung 1 zu 3.5 bis 1 zu 4. Damit konnte

die Untersuchung aufzeigen, dass jederFranken, der in eine Kindertagesstätte in-vestiert wird, volkswirtschaftlich gesehenvier Franken an Nutzen abwirft. Dieser Nut-zen entsteht beispielsweise durch eine hö-here Erwerbsbeteiligung der Mütter, durcheinen geringeren Bezug von Sozialleistun-gen aufgrund besserer Ausbildung und po-sitiverer Sozialisations- und Integrationsef-fekte auf die Kinder. Gemäss dieser Studieist die langfristige Rendite der staatlichenInvestitionen in vorschulische Bildungs-und Betreuungsangebote weitaus höher alsbei vergleichbaren Kapitalanlagen. Aucheine in den Kantonen Jura, Fribourg, Neu-châtel, Waadt und Genf durchgeführte Un-tersuchung von Mackenzie Oth (2002) kamzu ähnlichen Ergebnissen. Eine jüngere Stu-die zu Kindertagesstätten in der RegionBern konnte schliesslich für die Gesamtge-sellschaft kurzfristig ein Verhältnis von 1.5bis 2 CHF und langfristig ein Verhältnis von2.6 bis 3.5 CHF ermitteln (Fritschi, Strub &Stutz, 2007).

32

Gemeinden Kanton Bund Öffentliche Hand Eltern Gesamt0

20

40

60

80

100

120

140

12.7 12.7 9.1 9.1 0.2 0.2

22.1 22.1 9.7 9.7

34.5 34.5

7.9 7.9 11.6 11.6 2.4 2.4

21.8 21.8

67.5 67.5

89.3 89.3

11.8 11.8 16.5 16.5 2.6 2.6

30.9 30.9

91.1 91.1

122.0 122.0

Angaben in Mio. CHFKosten Mindestnutzen

gesamtMaximalnutzen gesamt

Abb. 3.3: Kosten-Nutzen-Verhältnisse der Kindertagesstätten in der Region Bern nach Fi-nanzträgern für das Jahr 2006 (Fritschi, Strub & Stutz, 2007).

3 Forschungsstand

In Abbildung 3.3 sind die Kosten-Nutzen-Verhältnisse der Kindertagesstätten in derRegion Bern dargestellt. Dabei wird unter-schieden zwischen einem Minimal- undeinem Maximalnutzen. Dieser wird wieder-um unterteilt nach den verschiedenen Fi-nanzträgern, d.h. nach Gemeinden, Kan-ton, Bund, Fiskus (öffentliche Hand), Elternund Gesamtgesellschaft. Die Kosten-Nut-zen-Vergleiche zeigen, dass für fast jedenFinanzträger eine Rendite ermittelt werdenkonnte, welche die Investition überstieg.Dabei zeichnet sich insbesondere für die El-tern und für die Gesamtgesellschaft einhoher Nutzen ab.

Insgesamt bestätigen diese Studien die Er-kenntnisse aus den bewährten amerikani-schen Modellprojekten, die eine Ertrags-Kosten-Relation von 3 : 1 bis 7 : 1 nachwei-sen konnten. Damit liefern sie den ein-drücklichen Beweis, dass Investitionen infrühe Bildungsförderung und Betreuung er-tragreich sind. Sie dürften damit sinnvollersein als Investitionen in den darauffolgen-den Lebensjahren, welche mit hohem Auf-wand Schulversagen ausgleichen und Bil-dungsversäumnisse kompensieren müssen.Zu beachten ist jedoch, dass Kosten undNutzen zeitlich versetzt eintreten und nichtimmer unmittelbar und in voller Höhe demjeweiligen Investor zu Gute kommen. Fürdie Schweiz braucht es deshalb weitere,gesamtschweizerisch angelegte volkswirt-schaftliche Studien.

Fazit

Die Bestandesaufnahme zeigt: Zwar gibtes verschiedene Evaluationen von Pra-xisprojekten, die Aufschluss über dieWirksamkeit der eingesetzten Massnah-men erlauben. Vereinzelt gilt dies auchfür anwendungs- und grundlagenorien-tierte Forschungsprojekte, doch handeltes sich dabei immer um partielle Bemü-hungen. Für eine umfassende Wissens-grundlage sind sie ungenügend. Dies

verdeutlicht auch die Tatsache, dass eskeinen universitären Lehrstuhl für denFBBE-Bereich gibt, sondern lediglich be-stimmte Institutionen, die sich mit Fra-gen im Bereich FBBE beschäftigen.

FBBE-Angebote können günstige Effekteauf die kognitive und soziale Entwick-lung von Kindern haben. Diese Aussageist jedoch nur dann verbindlich, wenndie Angebotsqualität überdurchschnitt-lich, das Personal, gut ausgebildet, derBetreuungsschlüssel vorteilhaft und dieElternmitwirkung intensiv sind. Unterdiesen Bedingungen sind Investitionenin volkswirtschaftlicher Hinsicht beson-ders ertragreich. Es ist davon auszuge-hen, dass FBBE-Investitionen von einemFranken einen volkswirtschaftlichenNutzen von ungefähr zwei bis vier Fran-ken bewirken. Daraus lässt sich schlies-sen, dass Investitionen in Kindertages-stätten rentabel sind, während der Ver-zicht auf sie der Gesellschaft Kosten ver-ursacht.

33

Grundlagenstudie

4 Die Praxis der FBBE Schweiz: Organisation, Angebo-te und Personal

In der Schweiz werden Kinder je nach Alterund Angebotsform entweder dem Frühbe-reich (0 bis 4 Jahre) oder dem Vorschulbe-reich (4 bis 6 Jahre) zugeteilt. Eine Ausnah-me bildet der Kanton Tessin, wo Kinder An-gebote im Vorschulbereich bereits ab demvollendeten dritten Lebensjahr besuchendürfen. Überblickt man die Gesamtentwick-lung in der Schweiz, so zeigen sich unter-schiedliche Paradigmen zwischen den ein-zelnen Sprachregionen. Während in derdeutschen Schweiz bislang in erster LiniePestalozzi und Fröbel als Leitfiguren galtenund in Folge dessen eine explizite Sozialori-entierung mit freiem Spiel und ganzheitli-cher Förderung in Abgrenzung zur kogniti-ven Förderung im Mittelpunkt stand, domi-nierte in der Romandie in Anlehnung an dasenglische Modell der infant school undunter Inspiration von Claparède und Piagetdie schulvorbereitende, kognitiv orientierteFunktion vorschulischer Förderung. Eineähnliche, allerdings spezifisch an Montessori(Material), Fröbel (Spiel) und den Geschwis-tern Agazzi (didaktische Prinzipien) orien-tierte Ausrichtung verfolgten vorschulischeInstitutionen im Tessin. Diese Entwicklun-gen haben dazu geführt, dass dem Kinder-garten der deutschen Schweiz vorwiegendeine sozialpädagogische, der école enfanti-ne der Romandie und auch der scuoladell'infanzia eine kognitiv-schulvorbereiten-de Funktion zugesprochen wird. Diese Para-digmen spiegeln sich auch in der internatio-nalen Perspektive: So findet sich das kogni-tiv-schulvorbereitende Paradigma in Län-dern wie Frankreich, England oder den Nie-derlanden wieder, während das sozialpäd-agogisch orientierte Paradigma in Öster-reich, Deutschland, Schweden oder Däne-mark grundlegend ist. Heute zeichnet sich inder Schweiz, aber auch international, dieTendenz ab, die beiden Paradigmen – Sozia-

lisationsfunktion einerseits und Bildungs-funktion andererseits – miteinander zukombinieren. Dies kommt exemplarisch imneuen Schuleingangsmodell der Grund-/Ba-sisstufe zum Ausdruck, einem Schulentwick-lungsprojekt, das Kindergarten sowie ersteKlasse («Grundstufe») respektive Kindergar-ten sowie erste und zweite Klasse («Basis-stufe») zu einer einzigen Stufe vereint. Aberauch seitens der familienergänzenden Be-treuungspraxis wird zunehmend ein Para-digmenwechsel gefordert, weg vom Ver-ständnis als Dienstleistung für erwerbstätigeEltern hin zur ganzheitlichen Lern- und Ent-wicklungsförderung des Kleinkindes.

Inwiefern es in der Schweiz gelingt, diesebeiden Paradigmen zusammenzubringen,dürfte eine grosse Herausforderung wer-den. Sie besteht darin, zwischen den unterder Kontrolle der Sozial- und Gesundheits-behörden (und damit der SODK) stehendenBetreuungsangeboten und den Bildungsan-geboten, die den Schulbehörden (und damitder EDK) zugeordnet sind, einen gemeinsa-men Verantwortungsbereich zu schaffen.Diese Forderung bildet das Herzstück desStarting Strong II-Berichts der OECD (2006),die einen zusammenhängenden, Synergienschaffenden Bildungs- und Betreuungsraumfordert. Nicht gerade zuversichtlich stimmtdeshalb die gemeinsame Erklärung von EDKund SODK, in der die Aufgliederung der bei-den Bereiche festgeschrieben wird und dieSODK zukünftig die Zuständigkeiten für denFrühbereich (0 bis 4/5 Jahre) und die EDK(ab dem vollendeten vierten Lebensjahr) dieVerantwortung für die obligatorische Schuleerhält. Es wird sich somit erweisen, ob da-durch die historisch bedingten unterschied-lichen Traditionen weiter zementiert oderneue Synergien geschaffen werden, welchedie Schweiz auch international anschlussfä-hig machen.

34

4 Die Praxis der FBBE Schweiz: Organisation, Angebote und Personal

Strukturelle Organisation

Der FBBE-Bereich bildet das Fundament desobligatorischen Schulbereichs und wird jenach Alter der Kinder sowie den Angebots-formen in Früh- oder Vorschulbereich auf-gegliedert. Vorschulinstitutionen werdenheute zum kantonal geregelten Vorschulbe-reich gezählt (Abbildung 4.1). Je nachSprachregion gelten unterschiedliche Be-zeichnungen: Kindergarten (deutschsprachi-ge Schweiz), école enfantine (französisch-sprachige Schweiz) und scuola dell’infanzia(italienischsprachige Schweiz) und richtensich grundsätzlich an Kinder zwischen vierund sechs Jahren. Im Kanton Tessin stehensie bereits Kindern ab dem vollendeten drit-ten Lebensjahr zur Verfügung. Familiener-gänzende Kinderbetreuung wird für Kinderab Geburt bis und mit Schulalter angeboten.Dazu gehören alle Massnahmen, die von an-deren Personen als den Erziehungsberech-tigten geleistet werden (Wanner et al.,2002). Sie werden nicht zum öffentlichenBildungswesen gezählt, sondern in derRegel in die Verantwortung der Gemeindenoder von Privatpersonen gelegt.

Der Früh- und Vorschulbereich differen-ziert zwischen formell institutionalisierter

und informell familienergänzender Betreu-ung (Abbildung 4.2). Der formelle Bereichumfasst Kindertagesstätten (Krippen, Spiel-gruppen, Horte), Tagesfamilienbetreuungund Einrichtungen für die schulergänzendeBetreuung (Tageskindergarten, Mittags-tisch, Hausaufgabenhilfe). Der informelleBereich konzentriert sich auf die Betreuungdurch Verwandte oder Bekannte und dieprivate Anstellung von Au Pairs (Jugendli-che ab ca. 15 Jahren, die sich bei einerGastfamilie in einem fremden Sprachgebietaufhalten), Nannys (qualifizierte Kinderbe-treuerinnen im Hause der Familie), Haus-halthilfen sowie Kinderhütedienste oderprivate Tagesfamilien. Die einzelnen Insti-tutionen oder Betreuungsformen unter-scheiden sich in erster Linie bezüglich derÖffnungszeiten, der Aufnahmebedingun-gen für die Kinder und der Art der Betreu-ung.

Kindertagesstätten (institutions de la petiteenfance, asili nidi): Der Begriff Kindertages-stätte wird im deutschsprachigen Raum inder Schweiz einerseits als Sammelbegrifffür Kinderkrippe, Kinderhaus, Tagesheim(speziell Kanton Basel-Stadt), Tagesstätte,Hort und ähnliche Institutionen genutztund andererseits immer häufiger in Anleh-

35

Frühbereich0 bis 4 Jahre

Vorschulbereichca. 4 bis 6 Jahre

Schulbereichab 6 Jahre

PrimarschuleVorschulinstitutionenKindergarten (ab 4/5 J.)école enfantine (ab 4/5 J.)scuola dell infanzia (ab 3 J.)

Schulentwicklungsprojekt Grund-/Basisstufe(ab vollendetem 4. Lebensjahr bis 7 oder 8 Jahren)

Familienergänzende Betreuung (ab Geburt bis Schulalter)

Abb. 4.1: FBBE-Bereich Schweiz; aufgegliedert nach Alter der Kinder und Angebotsformen

Grundlagenstudie

nung an Deutschland synonym für Kin-derkrippen verwendet. Generell stehensomit Kindertagesstätten (Kitas) für Institu-tionen des Frühbereichs, die Kinder abSäuglingsalter bis ca. vier Jahren ganztägigoder teilzeitlich betreuen. Sie sind regel-mässig an mindestens fünf Halbtagen inder Woche geöffnet und bieten mehr alsfünf Betreuungsplätze an. Die meistenKitas sind das ganze Jahr geöffnet, wobeidie Öffnungszeiten in der Regel zwischen6:30 und 18:00 Uhr variieren. Im Jahr 2005gab es in der Schweiz 2.8 Kinderkrippen1

1 Berücksichtigt wurden nur Kinderkrippen undKinderhorte, die als Arbeitsstätten registriertsind.

und Kinderhorte pro 1’000 Kinder untersieben Jahren (BfS; vgl. auch Tabelle 4.1aim Anhang). Die regionalen Differenzensind jedoch enorm und werden in einemdeutlichen Stadt-Land-Gefälle sichtbar. Sosind in städtischen Kantonen wie Genf(7.2), Basel-Stadt (5.8), Zürich (5.6) undNeuchâtel (3.8) sind dabei eindeutig mehrAngebote registriert als in eher ländlichenKantonen wie Uri (0), Nidwalden (0.4), Ob-walden (0.9), Schwyz und Appenzell Innerr-hoden (0.9) sowie Graubünden (1.0). ImKanton Tessin sind es lediglich 1.1 Kin-derkrippen und Kinderhorte. Dies hatdamit zu tun, dass Kinder bereits ab dreiJahren die scuola dell’infanzia besuchen

36

Kindertagesstätten (institutions de la petite enfance, asili nidi)ab Säuglingsalter bis ca. 4 Jahre

Spielgruppenab 3 Jahren bis Kindergarteneintritt

Horteca. ab Vorschulalter

Tagesfamilienbetreuungab Säuglingsalter bis Schulalter

Schulergänzende Betreuung(Tageskindergarten/ Tagesschulen, Hausaufgabenhilfe, Mittagstisch)ab Vorschulalter

Formeller Bereich

Informeller Bereich

Verwandte, Bekannte, Nachbarn, Au Pairs, Nannys, Haushalthilfen, Kinderhütedienste, private Tagesfamilienab Säuglingsalter

Abb. 4.2: FBBE-Bereich Schweiz; aufgegliedert nach formellem und informellem Bereich derfamilienergänzenden Betreuung

4 Die Praxis der FBBE Schweiz: Organisation, Angebote und Personal

können und dies somit einer Ausweitungder Angebotsmöglichkeiten gleichkommt.

Spielgruppen: Neben Kindertagesstättenkönnen Kinder ab drei Jahren bis zum Kin-dergarteneintritt wöchentlich ein bis dreiMal für eine bis drei Stunden eine Spiel-gruppe besuchen. Spielgruppen dienen derErweiterung der Begegnungs- und Erfah-rungswelt der Kinder in Bereichen wie Bas-teln, Spielen oder Singen. Sie sind nicht alssubstantielle Entlastung für Eltern, dieeiner Erwerbsarbeit nachgehen, gedacht.Die Kosten werden fast ausschliesslich überElternbeiträge gedeckt. Mancherorts sub-ventionieren Kirchen- oder Schulgemein-den eine Spielgruppe.

Horte: Trotz des Kindergartenbesuchs sindEltern oft auf zusätzliche familienergänzen-de (wie beispielsweise Horte, Kindertages-stätten oder Tagesfamilien) sowie schuler-gänzende Betreuungsangebote (Mittagsti-sche, Hausaufgabenhilfe, Tagesschulen undSchülerclubs) angewiesen. Horte betreuenin erster Linie Vorschul- und Schulkinderganztägig von ca. 7:00 bis 18:00 Uhr aus-serhalb des Unterrichts. Eine Betreuungwährend der Schulferien kann vielfachnicht garantiert werden. In der Schweiz be-steht kein Rechtsanspruch für die Betreu-ung in einem vom Staat finanzierten Hortwie etwa in Frankreich. Ausserdem fehltein Qualitätslabel für Horte. Dies hängtdamit zusammen, dass es in der Schweizkeinen Dachverband oder gesamtschweize-rischen Verband für Horte gibt.

Tagesfamilien: Kinder können ab demSäuglings- bis zum Schulalter auch in Tages-familien betreut werden, die von Personenmit eigenen Kindern geführt werden. Dabeidürfen laut den Empfehlungen des ‚Schwei-zerischen Verbandes für Tagesfamilienor-ganisationen’ (SVT) maximal fünf Kinderaufgenommen werden. Die strukturelleAusgestaltung der Angebote erfolgt flexibel(stundenweise, halb- oder ganztägig) undermöglicht den Eltern, familiäre und beruf-

liche Verpflichtungen gut aufeinander ab-zustimmen. Tagesfamilien können zwar pri-vat arbeiten, sind aber meist einem Tages-elternnetz oder Verein angeschlossen. Ge-samtschweizerisch bieten rund 200 Tages-familienorganisationen und ihre regionalenOrganisationen solche Betreuungsplätzefür Kinder unter zwölf Jahren an, ebensoEinführungskurse für Interessierte. Trotz-dem ist die finanzielle Unterstützung sehrunterschiedlich geregelt. Dies führt zu un-gleichen Elterntarifen und Entschädigun-gen der Tagesmütter/ -väter. Tagesfamiliensind häufig günstigere Betreuungsverhält-nisse als Krippen und auf dem Land häufi-ger anzutreffen als in der Stadt.

Familienergänzende Kinderbetreu-ung

Eine exakte Erhebung des Status quo fami-lienergänzender Betreuung ist auf gesamt-schweizerischer Ebene mit erheblichenSchwierigkeiten verbunden. Dies hängt mitder föderalistischen Struktur der Schweizzusammen sowie mit der Tatsache, dass le-diglich in einigen Kantonen zentrale Stellendie notwendigen Daten erfassen. Mehr-heitlich wird die Verantwortung an die Ge-meinden delegiert. Besonders augenfälligist die prekäre statistische Datenlage fürdie Altersgruppe der Null- bis Vierjährigen.Angaben zu Angebots- und Nachfragesitua-tion der familienergänzenden Betreuungbasieren deshalb oft auf Schätzungen,Hochrechnungen oder kantonalen, städti-schen oder lokalen Studien.

Nutzung des Angebots durch Familien

Im Jahre 2000 waren 62% der Privathaus-halte Familienhaushalte mit Kindern unddavon 36.1% mit einem jüngsten Kind zwi-schen null und sechs Jahren (BfS). Die Be-treuung der Kinder erfolgt oft nicht nurdurch die Eltern alleine, sondern auch nochdurch weitere Personen. Von grundlegen-

37

Grundlagenstudie

dem Interesse ist zunächst, welche famili-energänzende Angebote in der Schweiz le-bende Familien wählen. Gemäss EDK undIDES (EDK, 2007) spielen dabei in ersterLinie Preis, Distanz zum Wohnort, Öff-nungszeiten sowie die Qualität der Einrich-tung eine Rolle. Die Daten von SAKE undBfS in Abbildung 4.3 verdeutlichen, dassPaarhaushalte mit Kindern (jüngstes Kindzwischen null und sechs Jahren) im Jahre2007 informelle Betreuungsformen bevor-zugten. 52.3% liessen ihr Kind am häufigs-ten von Verwandten (z.B. Grosseltern) oderauch Bekannten betreuen. Am zweithäu-figsten, d.h. von 32.5% der Eltern, wurdenKrippen und Horte und am dritthäufigsten(15.9%) Tagesmütter und Pflegefamilien inAnspruch genommen.

Aus Abbildung 4.4 werden folgende Sach-verhalte ersichtlich: Ist das jüngste Kindunter sieben Jahre alt, nehmen ca. dreiViertel der Alleinerziehenden (72%) und ca.die Hälfte (47%) der Paare familienergän-zende Kinderbetreuung in Anspruch. 24.4%der Paarhaushalte und 26.1 % der Alleiner-ziehenden beanspruchen bis zu einem Tagpro Woche familienergänzende Kinderbe-treuung. 22.5% der Paarhaushalte sowie45.9% der Alleinerziehenden nutzen dieAngebote mehr als einen Tag pro Woche.Das sind fast 20% mehr als das Total der Ei-nelternhaushalte mit Kindern unter 15 Jah-ren. Der Bedarf nach familienergänzendenKinderbetreuung ist demnach besondersgross für Alleinerziehende mit dem jüngs-ten Kind unter sieben Jahren.

38

Verw andte (z.B. Grosseltern)

Bekannte, Nachbarn

Andere Personen (z.B. Kindermädchen)

Tagesmutter, Pf legefamilie

Kinderkrippe, Tageskindergarten, -schule

Mittagstisch, Nachschulbetreuung

Anderes

0% 20% 40% 60%

52.3%52.3%

6.6%6.6%

3.7%3.7%

15.9%15.9%

32.5%32.5%

1.4%

1.0%

52.4%52.4%

8.2%8.2%

3.8%3.8%

14.7%14.7%

26.7%26.7%

3.8%3.8%

1.5%

49.1%49.1%

12.0%12.0%

4.4%4.4%

19.3%19.3%

21.7%21.7%

7.8%7.8%

3.6%3.6%

Paarhaushalte mit Kind(ern) Jüngstes Kind 0-6 Jahre

Paarhaushalte mit Kind(ern) Total

Einelternhaushalte Total

Abb. 4.3: Anteil Haushalte mit familienergänzender vorschulischer Kinderbetreuung nach Be-treuungsart (SAKE/BfS, 2007)

4 Die Praxis der FBBE Schweiz: Organisation, Angebote und Personal

Zum Verhältnis von Angebot und Nach-frage

Trotz der unsicheren Datenlage herrschtdarüber Konsens, dass die Nachfrage nachfamilienergänzender Betreuung grösser istals das Angebot. Im Jahre 2004 standenrund 80’000 nachgefragten Betreuungs-plätzen 30’000 bestehende Plätze gegen-über (Stern, Banfi & Tassinari, 2006).

In der «Bilanz nach fünf Jahren Finanzhilfenfür familienergänzende Kinderbetreuung»schreibt das ‚Bundesamt für Sozialversiche-rungen’ (BSV), dass trotz der finanziellenUnterstützung für die Schaffung neuer Be-treuungsplätze durch das Impulsprogrammdes Bundes nach wie vor eine Angebots-lücke bestehe. In der Tat konnte die Hälfteder Kitas seit der Finanzhilfe nicht alle An-meldungen berücksichtigen, obwohl siemeistens nicht zu 100% ausgelastet sind.Als Begründung geben sie vor allem man-gelnde Betreuungsplätze für Babys an.Ähnlich sieht es in der Stadt Zürich aus, wotrotz grossem Angebotsausbau noch mehrsubventionierte Kita-Plätze benötigt wer-den, um ein bedarfsgerechtes Kinderbe-

treuungsangebot bereitzustellen (vgl. «Kin-derbetreuung in Zürich. Bulletin zum Mass-nahmenplan 2006-2010», 2008). Auch ausden verschiedenen Expertengesprächen inallen drei Sprachregionen geht hervor, dasssich der Angebotsmangel besonders aufsubventionierte Plätze, auf Betreuungs-möglichkeiten für Säuglinge sowie auf An-gebote in unmittelbarer Nähe des Wohn-oder Arbeitsortes der Eltern mit flexiblenÖffnungszeiten bezieht. Diese Situation bil-det sich in den statistischen Daten des Kan-tons Aargau ab, wo im Jahr 2007 in der Re-gion Nordwestschweiz insgesamt 900 freieKita-Plätze zur Verfügung standen, vondenen 630 Plätze nicht subventionierterArt waren und die Eltern somit bei Inan-spruchnahme die vollen Kosten tragenmüssten (Fachstelle ‚Kinder&Familien, Aar-gau’ und dem Verein ‚KISS Nordwest-schweiz’,2007). Zusammenfassend lässtsich daraus schliessen, dass zwar trotz desImpulsprogramms des Bundes nach wie voreine Angebotslücke an Betreuungsplätzenbesteht, die Passung von Angebot undNachfrage jedoch differenzierter betrach-tet werden muss. Dann erst wird deutlich,

39

mehr als 1 Tag pro Woche

bis 1 Tag pro Woche

mehr als 1 Tag pro Woche

bis 1 Tag pro Woche

0% 20% 40% 60%

45.9%45.9%

26.1%26.1%

26.5%26.5%

24.2%24.2%

22.5%22.5%

24.4%24.4%

15.0%15.0%

19.0%19.0%

Einelternhaushalte Paarhaushalte mit Kind(ern)

Total

Jüngstes Kind0-6 Jahre

Total = Haushalte mitKindern unter 15 Jahre

Abb. 4.4: Anteil Haushalte mit familienergänzender vorschulischer Kinderbetreuung 2007nach Betreuungsdauer (SAKE/BfS, 2007)

Grundlagenstudie

dass die Angebotslücke unter Beachtungregionaler Unterschiede hauptsächlich sub-ventionierte Plätze betrifft, währenddessenbei nicht subventionierten Plätzen einÜberschuss besteht.

Von besonderem Interesse sind auch regio-nale und kantonale Besonderheiten. Gros-se Städte verfügen generell über eine grös-sere Nachfrage nach familienergänzenderBetreuung. Dies zeigt sich laut BSV (2008)darin, dass die Anstossfinanzierung im Ver-hältnis zur Bevölkerung der unter 16jähri-gen insbesondere in den Kantonen Zürich,Waadt, Basel-Stadt und Genf überpropor-tional genutzt wurde (vgl. Anhang, Tabelle4.2a). Auch der Bund hat sich in letzter Zeitstark engagiert. So zeigt die Bilanz des Im-pulsprogramms des Bundes nach fünf Jah-ren, dass insgesamt 1’335 Beitragsgesuche(72% von privaten Trägerschaften, 28% vonder öffentlichen Hand; 73% aus derDeutschschweiz und 27% aus der Roman-die und dem Tessin) eingereicht wurdenund dabei mehr als 18’000 Kinderbetreu-ungsplätze unterstützt werden konnten.

Gemäss einer Aufstellung des BSV (2008)betreuen die Kitas zu 57% Kinder zwischenzwei und vier Jahren und zu 32% solcheunter zwei Jahren. Die restlichen Kinder(11%) sind älter als vier Jahre. 61% der Kin-der besuchen die Kita den ganzen Tag, 35%den halben und 4% stundenweise. Ein Drit-tel der Kinder verbringen zwei Tage proWoche und je ca. 20% einen beziehungs-weise drei Tage pro Woche in einer Kinder-tagesstätte.

Da im Kanton Tessin die scuola dell’infanziabereits ab drei Jahren besucht werdenkann, erweist sich die aktuelle Situation vorallem im Frühbereich als Problem. Wäh-rend bisher die FBBE für diese Altersgruppeüberwiegend innerhalb der Familie stattge-funden hat, ist die Nachfrage nach den asilinidi im Zusammenhang mit der verstärktenPräsenz von Frauen auf dem Arbeitsmarktund der zunehmenden Anzahl von Ein-El-

ternteil-Familien in den letzten fünfzehnJahren deutlich angestiegen. Dies gilt je-doch besonders für die urbanen Zentrenund weniger für umliegende Regionen

Rahmenbedingungen

Trägerschaft: Kindertagesstätten werdenmehrheitlich von privaten Organisationen(z.B. Vereinen, Stiftungen) und Privatperso-nen getragen, die zum Teil von der öffentli-chen Hand subventioniert werden. Etwa90% der Kindertagesstätten sind privat-rechtlich organisiert. Eher vereinzelt tretenGemeinden und Firmen als Träger in Er-scheinung. Allgemein existiert eine grosseAnzahl unterschiedlicher Trägerschaftenvon Kitas. Diese Tatsache widerspiegeltsich ferner darin, dass sich im ‚Schweizeri-schen Kindertagesstättenverband’ (KiTaS)etwa 500 Trägerschaften von über 560 Kin-dertagesstätten zusammengeschlossenhaben. In der Romandie investiert der pri-vate Sektor zunehmend in den Bereich derKindertagesstätten. So ermöglicht bei-spielsweise die ‚Association romande descrèches d’entreprises’ den Unternehmen,Betreuungsplätze zu entwickeln und über-nimmt ferner eine Mediations- und Koordi-nationsfunktion. Auch im Tessin und vorallem der Deutschschweiz sind aktuell Dis-kussionen und Projekte in dieser Richtungim Gange, mit dem Ziel, Investitionen in Fa-milienfreundlichkeit von Schweizer Unter-nehmen voranzutreiben (vgl. Kapitel 6).

Rechtsanspruch: Obwohl sich die Schweizmit der Ratifizierung der UN-Kinderrechts-konvention für die Rechte der Kinder unddas Menschenrecht auf Bildung und Förde-rung vor dem Eintritt in die Schule einsetzt,existiert für den Vorschulbereich kein Bil-dungs-, Betreuungs- und Erziehungsauftragseitens der öffentlichen Hand. Deshalb gibtes keinen Rechtsanspruch auf familiener-gänzende Betreuung. Einzig der KantonBasel-Stadt hat einen Verfassungsanspruchfestgelegt und verpflichtet sich, allen nach-

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4 Die Praxis der FBBE Schweiz: Organisation, Angebote und Personal

fragenden Elternteilen einen Kinderbetreu-ungsplatz zur Verfügung zu stellen. Glei-ches gilt für Länder wie Schweden oderFinnland, die allen Eltern per Gesetz einenKinderbetreuungsplatz anbieten. AuchDeutschland wird im Jahr 2013 bundesweiteinen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platzeinführen.

Gesetzliche Grundlagen: Kindertagesstät-ten und Tagesfamilien sind ab einer be-stimmten Betreuungsintensität ge-samtschweizerisch der «EidgenössischenVerordnung über die Aufnahme von Kin-dern zur Pflege und zur Adoption» (PAVO)und teilweise den kantonalen Gesetzen un-terstellt. Die PAVO legt in einem allgemei-nen Rahmen gesetzliche Richtlinien fest.Festgehalten wird beispielsweise, dass jedeKrippe während mehr als fünf Halbtagenpro Woche geöffnet sein und mehr als fünfBetreuungsplätze anbieten muss, um be-willigt zu werden. Die einzelnen Institutio-nen verfügen über eine Aufsichts- und Be-willigungspflicht, für welche in der Regeldie Vormundschaftsbehörden beziehungs-weise vom Kanton bezeichnete Behördenzuständig sind. Für die Aufnahme von Kin-dern bei Tagesfamilien gilt eine Melde-pflicht. Darüber hinaus verfügen die Kanto-ne entweder über eigene Richtlinien fürdas Ausstellen einer Betriebsbewilligungoder orientieren sich an den Richtlinien des‚Schweizerischen Kindertagesstättenver-bandes’ (KiTaS).

Finanzierung: Eltern müssen sich in allenKantonen an den Kosten für einen Kinder-betreuungsplatz beteiligen. Die Tarifgestal-tung ist jedoch unterschiedlich und die ein-zelnen Modelle variieren je nach Wohnort.In den öffentlichen, wie aber auch in denprivaten und subventionierten Institutio-nen werden die Tarife jedoch in Abhängig-keit vom Einkommen der Eltern berechnet.In privaten, nicht subventionierten Kinder-tagesstätten bezahlen die Eltern den vollenTarif. Besonders für Familien mit mittlerem

Einkommen lohnt es sich unter diesen Be-dingungen häufig nicht, ein Kind fremd be-treuen zu lassen, da die Betreuungskostendie Mehreinnahmen durch einen Zweitver-dienst fast vollständig verbrauchen (SECO,2005).

Die relativ hohen Krippenkosten führendazu, dass der Zugang zu den Angebotennicht allen Familien offen steht. Die kanto-nalen Subventionen sollten jedoch eigent-lich dazu dienen, die Elternbeiträge aufeinem für alle erschwinglichen Niveau zuhalten. Die reale Situation ist jedoch eineandere: Familienergänzende Kinderbetreu-ung wird heute auf zwei verschiedenenMärkten angeboten: auf einem offiziellenmit hohen Eintrittshürden und auf eineminoffiziellen. Der offizielle Markt mit star-ken Strukturregulierungen und entspre-chenden Kosten wird finanziell über Sub-ventionen stark unterstützt. Dieses regu-lierte Angebot reicht jedoch nicht aus, undes bestehen lange Warteschlangen nachKrippenplätzen. In dieser Situation liegt einwesentlicher Grund für die mangelnde Pas-sung von Angebot und Nachfrage. Aktuellerstellt das ‚Staatsekretariat für Wirtschaft’(SECO) in Zusammenarbeit mit dem BSVund dem ‚Institut für Politikstudien Inter-face Luzern’ eine Übersicht zur Familien-freundlichkeit der Finanzierung von FBBEsowie (hinderlicher) Reglementierungen inallen Schweizer Kantonen.

Um die staatliche Förderung zu optimieren,befürwortete der Bundesrat am 1. Oktober2007 eine Verordnungsänderung miteinem Wechsel von der Objekt- zur Sub-jektfinanzierung. Neu sollen nicht mehr dieAnbieter für die Bereitstellung eines be-stimmten Angebots vom Staat subventio-niert (Objektsubventionierung), sonderndie Eltern direkt mittels eines Betreuungs-gutscheins (Subjektsubventionierung) un-terstützt werden. Im Rahmen von Pilotpro-jekten (z.B. im Kanton Luzern ab dem 1.

41

Grundlagenstudie

April 2009) sollen Finanzierungswechselund Gutscheinsystem getestet werden.

Qualitätssicherung: Dass die Qualität einesvorschulischen Angebots eine entscheiden-de Rolle für eine positive kognitive und so-ziale Entwicklung des Kindes spielt, ist hin-länglich bekannt. Heute gilt, dass sich guteInstitutionen im Vorschulbereich durch dreiQualitäten auszeichnen: durch die Struk-turqualität (Gruppengrösse, Betreuungs-schlüssel, Qualifikationsniveau des Fach-personals); durch die pädagogische Pro-zessqualität (Interaktion der Kinder mit Be-treuungspersonen, soziale Beziehung zwi-schen den Kindern, räumlich-materialeUmwelt) und durch die Orientierungsquali-tät (Werte, Orientierungen, Haltungen derBetreuungsperson). Weil die PAVO Quali-tätsfragen kaum regelt, orientieren sich70% der Schweizer Institutionen an den imMärz 2008 neu aufgelegten Richtlinien desKiTaS. Diese fokussieren in erster Linie aufdie Strukturqualität, da deren Einhaltungund Umsetzung als Grundlage für Aufnah-me und Verbleib im Verband bedingen. Da-neben existieren jedoch auch Hinweise zurelevanten Kriterien der Prozessqualitätund den Inhalten eines pädagogischenKonzeptes (Aussagen über Art und Weiseder Betreuung, Pflege, Bildung, Integration,Förderung, Chancengerechtigkeit, Erzie-hung und Prävention). Allerdings bleibt esden einzelnen Betrieben überlassen, wiediese beiden Bereiche dokumentiert undumgesetzt werden. Zurzeit existieren keinewissenschaftlichen Studien, welche empi-risch und auf Bundesebene die Prozessqua-lität von FBBE-Angeboten untersuchen.Über die Frage, wie qualitativ hochstehendfamilienergänzende Angebote tatsächlichsind, kann somit nur spekuliert werden.

Dass die Schweiz jedoch in Bezug auf dieStrukturqualität führend ist, zeigt ein Ver-gleich der Standards des Kinderbetreu-ungsnetzwerks der EU (1996) in Tabelle 4.1

mit den Richtlinien von KiTaS (2008). Ob-wohl die Angaben nur mit Vorbehalten di-rekt einander gegenüber zu stellen sindund die effektive Umsetzung der Vorgabenin der Praxis variieren dürfte, verfügt dieSchweiz im internationalen Vergleich überstrengere Strukturqualitätsstandards alsdiejenigen des europäischen Kinderbetreu-ungsnetzwerks. Die EU-Standards beinhal-ten Richtwerte zum Alter der Kinder, demPersonalschlüssel sowie zur altershomoge-nen Gruppengrösse. Die Richtlinien vonKiTaS beziehen sich dagegen in erster Linieauf altersheterogene Gruppen. Sie berück-sichtigen die Zusammensetzung der Grup-pe, das Alter der Kinder und deren spezifi-sche Bedürfnisse mittels eines Betreuungs-faktorensystems. Die einzelnen Betreu-ungsfaktorenpunkte verteilen sich wie fol-gt: Kinder bis 18 Monate Faktor 1.5, Kindermit besonderen Bedürfnissen Faktor grös-ser als 1, Kindergarten-/Grund-/Basisstu-fenkinder Faktor 0.75 und Schulkinder Fak-tor 0.5. Die Richtzahl für eine altersge-mischte Gruppe beträgt zehn bis zwölfPlätze, wofür je nach Faktorengewichtungder Kinder mindestens zwei betreuendePersonen, davon eine ausgebildete Fach-person, zur Verfügung stehen müssen.Somit kommen auf eine Betreuungspersonfünf bis sechs Betreuungsfaktorenpunkte.Einschränkend muss allerdings berücksich-tigt werden, dass die Anzahl der Kinder inden Betreuungseinrichtungen je nach Wo-chentag und Tageszeit schwankt, weshalbdiese Richtlinien in Stosszeiten überschrit-ten werden können.

Des Weiteren wird in den schweizerischenRichtlinien darauf hingewiesen, dass einegewisse Betreuungsstabilität eine minimalePräsenzzeit von zwei Tagen pro Woche er-fordert und unter Berücksichtigung derkindlichen Bedürfnisse eine maximale Prä-senszeit in der Kita von 45 Stunden proWoche nicht überschritten werden soll.

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4 Die Praxis der FBBE Schweiz: Organisation, Angebote und Personal

Tab. 4.1: Standards des Kinderbetreuungsnetzwerks der EU, 1996 (EDK, 2005, S.35)

Alter der Kinder Gruppengrösse PersonalschlüsselStandards des Kinderbe-treuungsnetzwerkes derEU, 1996(EDK, 2005, S. 34)

0 bis 24 Monate keine Angaben 1 Fachkraft: 3 Kinder24 bis 36 Monate 5-8 Kinder 1 Fachkraft: 3-5 Kinder36 bis 48 Monate 8-12 Kinder 1 Fachkraft: 5-8 Kinder48 bis 60 Monate 12-15 Kinder 1 Fachkraft: 6-8 Kinder

Standards und Bildungspläne: Gemäss demStarting Strong-Bericht II der OECD (2006)gelten allgemeine Leitsätze, Standards undBildungspläne als Herzstück familienergän-zender Angebote. Bildungspläne legen denBildungsauftrag vorschulischer Einrichtun-gen verbindlich fest und haben zum Ziel,eine hohe Bildungs- und Betreuungsquali-tät für alle Kinder in allen familienergän-zenden Angeboten des vorschulischen Be-reiches sicherzustellen. Die Schweiz ist je-doch weit entfernt von der Umsetzung derEmpfehlung der OECD. Weder Kindertages-stätten noch Spielgruppen verfügen übersolche Bildungspläne. Demzufolge orientie-ren sich die Institutionen an unterschiedli-chen Zielen.

Um diese problematische Situation etwaszu entschärfen, hat einzig im Tessin derVerband ‚Associazione Ticinesi degli AsiliNido’ (ATAN) die Stelle eines Beraters fürKinderkrippen eingerichtet. Eine Psycholo-gin steht als Unterstützung bei der Erarbei-tung eines (pädagogischen) Ansatzes oderbei kritischen Situationen im Kindertages-stättenalltag auf Anfrage zur Verfügung.

Beschäftigungsbedingungen und Löhne

Die Öffnungszeiten der Betreuungsinstitu-tionen stellen sowohl für das Personal alsauch für die Eltern ein Problem dar und er-schweren die Optimierung des Verhältnis-ses von Angebot und Nachfrage. So deckensich die Bedürfnisse des Personals nach ge-regelten Arbeitszeiten nicht immer mit denWünschen der Eltern, die ein möglichst fle-xibles Betreuungssystem wünschen. Tages-familien sind am ehesten in der Lage, ihreBetreuungszeiten individuell mit den Eltern

auszuhandeln. Erschwerend wirkt sich diehohe Personalfluktuation aus, welche so-wohl eine nachhaltige Teamarbeit als aucheine kontinuierliche Betreuung für das ein-zelne Kind problematisch werden lässt.Diese Fluktuation ist zumindest teilweiseeine Folge der schlechten Entlöhnung unddes geringen Prestiges des Berufes sowiedes hohen Anteils an unausgebildetem Per-sonals.

Ähnlich wie bei der Erfassung der AnzahlKinder in familienergänzender Betreuungexistieren auch keine genauen statistischenAngaben zur Anzahl der Beschäftigten iminstitutionalisierten FBBE-Bereich. Auch derAnteil der Geschlechter ist nicht bekannt.Es ist jedoch – nach Expertenaussagen –davon auszugehen, dass mehr als 90%weiblich sind. KiTaS versucht deshalb, mit-tels der Sensibilisierungskampagne «Kin-derbetreuer – ein prima Männerberuf»verstärkt Männer für diesen Bereich zu mo-tivieren, um ein etwas ausgewogeneresGeschlechterverhältnis zu erreichen. Diesdürfte jedoch nicht zuletzt angesichts deraktuellen Löhne schwierig sein. Denn diesesind nicht nur generell tief und unterschei-den sich je nach Funktion, sondern sind desWeiteren regions- und trägerschaftsabhän-gig. In Tabelle 4.2 sind beispielhaft diedurchschnittlichen Jahreslöhne der StadtZürich von 2005 im Vergleich zu den Lohn-empfehlungen des Kantons Aargau 2003für verschiedene Positionen aufgelistet. Dieempfohlenen und tatsächlichen Löhne indiesem Beispiel unterscheiden sich für eineLeitungsposition um mehr als 10’000 CHF.Lohnvergleiche sind jedoch für dieDeutschschweiz schwierig zu erfassen, daes kaum veröffentlichte Daten gibt und die

43

Grundlagenstudie

verfügbaren Angaben in der Berechnung(Sonderzuschläge, Vorbildung der Beschäf-tigten, Dauer des Angestelltenverhältnissesetc.) variieren. In der Romandie sind dieGehälter leichter zu vergleichen aufgrundvon schon bestehenden Gesamtarbeitsver-trägen in einigen Kantonen und aufgrundder Orientierung der restlichen Kantone anden Empfehlungen des ‚Services chargésde la petite enfance’ (Dienstleistungsstel-len für die frühe Kindheit). Im Tessin sindstatistische Daten abbildbar, da es sich umeinen einzigen Kanton handelt.

Tabelle 4.2 gibt Auskunft über die Situationin der Stadt Zürich. Dabei werden die enor-men Salärunterschiede ersichtlich. Spiel-gruppenleiter/-innen werden mit einemStundensatz von 15.25 CHF entlöhnt, Ta-gesmütter/-väter ebenso nach Stunde und

zu betreuendem Kind. Die Löhne richtensich nach der jeweiligen Tagesfamilienorga-nisation oder individuellen Vereinbarungund schwanken zwischen vier und 12 CHFpro Betreuungsstunde und Kind. Nacheiner Empfehlung des ‚SchweizerischenVerbandes für Tagesfamilienorganisation’(SVT) beträgt der Mindestlohn für ein100%-Pensum (= 2’192 h/Jahr und Kind)48’000 CHF. Der Verband setzt sich für die

Rechte, Vermittlung, das Ansehen und dieQualität der Tagesfamilien ein. Diese sindvor allem im ländlichen Raum besondersgefragt. Es existiert aber immer noch eineunbekannte Anzahl an frei arbeitenden Ta-gesfamilien, die nicht Mitglied einer Tages-familienorganisation sind und somit nir-gends erfasst werden.

Im Tessin gestaltet sich die Situation ähn-lich. In den Kinderkrippen gibt es derzeit193 Vollzeitarbeitsplätze. Die meisten Be-schäftigen arbeiten jedoch in Teilzeit. DieLöhne sind hier aufgrund des Tessins alseinem einzigen Kanton einheitlich. Für eineLeitungsposition liegen sie bei ca. 50’000CHF, für nicht ausgebildetes Personal beica. 33’000 CHF, was deutlich unter dem ge-samtschweizerischen Durchschnitt angesie-delt ist (nicht in den scuole dell'infanzia!).

In der Romandie sind die Lohnschwankun-gen aufgrund der kantonalen Vielfalt je-doch beträchtlich. Gemäss Tabelle 4.3schwanken sie zwischen 59’000 CHF und97’000 CHF pro Jahr für eine Leitungspositi-on.

Diese insgesamt ungünstige Situation ver-weist auf die enorme Bedeutung von Ge-samtarbeitsverträgen (GAV). Solche Verträ-

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Tab. 4.2: Durchschnittliche Jahreslöhne der Stadt Zürich von 2005 für verschiedene Positio-nen

Funktion Jahreslohn in CHF

Krippenleiter/-in 83’174

Gruppenleiter/-in 65’868

Kleinkindererzieher/-in 63’103

Auszubildende/-r 16’896

Praktikant/-in 12’470

Tab. 4.3: Lohnschwankungen für Leitungspositionen in Kindertagesstätten in der Romandie

Kanton Mindestbetrag in CHF Maximalbetrag in CHF

Fribourg 58’515 87’917

Genf 68’762 100’368

Neuenburg 54’600 65’000

Waadt 63’385 97’224

4 Die Praxis der FBBE Schweiz: Organisation, Angebote und Personal

ge haben zum Ziel, gleiche Arbeitsbedin-gungen und Stellenbesetzungen aufgrundder entsprechenden Aus- beziehungsweiseVorbildung durch Rahmenvereinbarungenzwischen Arbeitsgeber- und Arbeitnehmer-verbänden für alle in diesem Bereich Täti-gen zu schaffen, die damit auch der Quali-tät der Einrichtungen und dem Wohl desKindes zu Gute kommen. Aktuell gibt es al-lerdings noch keine gesamtschweizerischgültige Lösung. Obwohl Gesamtarbeitsver-träge vor allem in der Romandie bereits re-lativ verbreitet sind oder zumindest auf-grund der Empfehlungen der ‚Serviceschargés de la petite enfance’ eine beträcht-liche Orientierungsfunktion haben, sind Be-mühungen unter Federführung des‚Schweizerischen Verband des Personalsöffentlicher Dienste’ (vpod) auch in derDeutschschweiz und im Tessin im Gang.Damit ein Gesamtarbeitsvertrag sinnvollist, muss eine vertragliche Abmachung zwi-schen Kita-Personal und Arbeitgeber ge-troffen werden. Bislang ungeklärt ist je-doch, wer den Arbeitgeber vertritt, wennAngestellte in Kindertagesstätten von un-terschiedlichen Arbeitgebern angestelltwerden können (Kirchengemeinde, Unter-nehmen, durch die Einrichtung selbst,wenn Eltern diese selbst gegründet habenetc.).

Kindergarten, école enfantine undscuola dell'infanzia

Vorschulinstitutionen werden heute zumkantonal geregelten Vorschulbereich ge-zählt. Ihr Besuch ist mehrheitlich freiwilligund dauert je nach Kanton ein, zwei oderdrei Jahre. Laut einer Kantonsumfrage derEDK besuchten 86% der Kinder in derSchweiz eine Vorschulinstitution währendzwei Jahren. In nahezu allen Kantonen(ausser im Kanton Wallis) besteht für diejeweiligen Gemeinden das Obligatorium,einen Kindergarten, eine école enfantineoder eine scuola dell’infanzia anzubieten.

Im Kanton Tessin gilt das Angebotsobliga-torium bereits für Kinder ab drei Jahren. ImSchuljahr 2008/09 verfügten zehn Kantoneüber ein einjähriges Besuchsobligatorium:Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserr-hoden, Basel-Landschaft, Glarus, Luzern,Nidwalden, Obwalden, Schaffhausen,Schwyz und Zug und vier Kantone (BS, ZH,TG und SG) über ein zweijähriges Obligato-rium. Es fällt auf, dass es sich dabei insbe-sondere um Kantone aus der Deutsch-schweiz handelt. Die Kantone in der Ro-mandie (ausser Wallis und Fribourg) besit-zen alle ein zweijähriges Angebotsobligato-rium.

In der Schweiz besuchten im Schuljahr2006/07 152’381 Kinder zwischen zwei undsechs Jahren den Kindergarten, die écoleenfantine oder die scuola dell’infanzia (BfS,2008). Gemäss Abbildung 4.5 handelt essich dabei um 3% Zweijährige, 4% Dreijäh-rige, 19% Vierjährige, 44% Fünfjährige und30% Sechsjährige. Die Kantone Tessin, Genfund Waadt verfügen im Vergleich zur übri-gen Schweiz (3.2%) mit 31.4% (TI), 45.3%(GE) und 20.1% (VD) über die höchsten ef-fektiven Kindergartenbesuchszahlen derDreijährigen im Schuljahr 2006/07. Im Kan-ton Tessin wird davon ausgegangen, dassaktuell ca. 60% der Dreijährigen die scuoladell’infanzia besuchen. Gesamtschweize-risch nimmt der Besuch einer Vorschulinsti-tution mit dem Alter der Kinder zwischenzwei und fünf Jahren zu (vgl. dazu im An-hang Tabelle 4.3a).

Gesetzliche Grundlagen und Trägerschaft:Der Kindergarten, die école enfantine unddie scuola dell’infanzia gehören zum politi-schen und administrativen Teil des Bil-dungswesens und sind der jeweiligen kan-tonalen (Schul-)Gesetzgebung unterstellt.Die einzelnen Kantone treten als Träger aufoder verpflichten in der Mehrheit der Fälledie jeweiligen (Schul)-Gemeinden oder Ge-meindeverbände Vorschulinstitutionen an-zubieten.

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Grundlagenstudie

Zweijährige

Dreijährige

Vierjährige

Fünfjährige

Sechsjährige

0% 20% 40% 60%

3%3%

4%4%

19%19%

44%44%

30%30%

Abb. 4.5: Besuch des Kindergartens, der école enfantine und der scuola dell'infanzia 2006/07nach Alter (BfS/SAKE, 2008)

Lehrpläne: Aktuell verwenden in derdeutschsprachigen Schweiz zehn Kantone(AG, BS, FR, LU, NW, OW, SZ, UR, VS, ZG)den Lehrplan des Kantons Bern. Die ver-bleibenden Deutschschweizer Kantone ver-fügen je über eigene Lehrpläne. Der KantonZürich hat im Schuljahr 2007/08 einenneuen Lehrplan für die Kindergartenstufezur freiwilligen Erprobung freigegeben. ImSchuljahr 2008/09 ist die überarbeiteteFassung in Kraft gesetzt worden. Für Ro-mandie und Tessin soll der sich aktuell inBearbeitung befindende ‚Plan d’études ro-mand’ (PER) die alten Richtlinien ersetzenund zu einem gemeinsamen Lehrplan fürdie Vorschul-, Primarschul- und Sekundar-stufe I der beiden Regionen werden.

Finanzierung: Im Jahre 2005 betrugen dieAusgaben für den Vorschulbereich in derSchweiz 3.6% der Gesamtausgaben der öf-fentlichen Hand für Unterricht. Aufgeteiltnach Verwaltungsebene erfolgten 39.5%der Kosten für die Vorschulstufe zu Lastender Kantone und 60.5% zu Lasten der Ge-meinden. Gesamtschweizerisch schwankendie öffentlichen Ausgaben beträchtlich. Siebetrugen 2003 zwischen 4’540 CHF (AI)und 13’235 CHF (BS) pro Vorschulkind. Der

Besuch des Kindergartens, der école enfan-tine und der scuola dell'infanzia ist unent-geltlich und allen offen zugänglich. Einzigim Kanton Tessin bezahlen die Eltern einenminimalen Verpflegungs- und Materialkos-tenbeitrag, da die scuola dell’infanzia alsGanztageskindergarten organisiert und inder Regel von 8:30 bis 15:30 Uhr geöffnetist.

Qualität und Qualitätsicherung: Die Quali-tätssicherung und -entwicklung ist in vielenKantonen eine aktuelles Thema. Verschie-dene Kantone verfügen über ein eigenesKonzept. Die Qualität in Kindergärten wirddurch die Lehrpläne und die Ausbildung fürKindergartenlehrpersonen auf tertiärerEbene definiert. Laut den kantonalen Bil-dungsgesetzen (separate Kindergartenge-setze oder Volksschulgesetze) werden oftlokale und kantonale Schul(aufsichts)be-hörden als zuständige Instanzen der Quali-tätssicherung genannt.

Aktuelle Reformen

Dass der Vorschulbereich insgesamt zueinem wichtigen Fundament des schweize-rischen Bildungswesens geworden ist und

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4 Die Praxis der FBBE Schweiz: Organisation, Angebote und Personal

es deshalb zukünftig schwer sein dürfte,die beiden Bereiche weiterhin voneinanderzu trennen, zeigt sich an den aktuell laufen-den Reformen. Sie beziehen sich auf dasKindergartenobligatorium, die Einführungvon Blockzeiten und Tagesstrukturen, aufdie Neugestaltung von Lehrplänen sowieauf das Schulentwicklungsprojekt derGrund-/Basisstufe.

Kindergartenobligatorium: In verschiede-nen Kantonen zeichnet sich ein Trend ab,den Kindergarten für alle Kinder als obliga-torisch zu erklären und offiziell als Teil deskantonalen Schulsystems zu deklarieren.Dadurch sollen möglichst früh alle KinderZugang zu gleichen Bildungs-, Betreuungs-und Erziehungsangeboten bekommen.

Einführung von Blockzeiten und Tagess-trukturen: Blockzeiten bedeuten, dass alleKinder an fünf Vormittagen pro Woche we-nigstens zu dreieinhalb Stunden (oder wäh-rend vier Lektionen) unter der Obhut desKindergartens stehen. Blockzeiten wurdenerst in wenigen Kantonen flächendeckendeingeführt, derzeit in Basel Stadt, Luzern,Nidwalden, Obwalden, Schaffhausen, Solo-thurn, Schwyz, Tessin und Zürich. Tagess-trukturen mit ganztägigen Betreuungsan-geboten (inklusive Mittagsverpflegung) anmehreren Tagen pro Woche sind aktuellnoch wenig verbreitet. Lediglich in denKantonen Appenzell Ausserrhoden bieten50% bis 75% der Kindergärten und im Tes-sin über drei Viertel der scuole dell’infanziaganztätige Betreuungsstrukturen an. DerKanton Tessin verfügt im Vergleich zu denanderen Kantonen über einen bedeutsa-men Anteil (85%) an Tageskindergärten(vgl. Tabelle 4.4a im Anhang).

Neugestaltung von Lehrplänen und Neure-gelung des Schuleingangsbereiches: Injüngster Zeit lässt sich eine Annäherungder Lehr- und Lernformen von Kindergar-ten, der école enfantine, der scuola dell' in-fanzia und den ersten Schuljahren beob-achten. Dieses Ziel wird im Modell der

Grund-/Basisstufe verwirklicht (vgl. Kapitel7). Die ‚Interkantonale Vereinbarung überdie Harmonisierung der obligatorischenSchule’, bekannt geworden als ‚HarmoS-Konkordat’, soll nicht nur den Schul-, son-dern auch den Vorschulbereich neu regeln.HarmoS sieht nämlich vor, dass alle Kinderab dem vollendeten vierten Lebensjahr ob-ligatorisch den Kindergarten, école enfanti-ne und scuola dell'infanzia oder eine so ge-nannte Eingangstufe (Grund- oder Basisstu-fe) besuchen. Die Primarschule würde neuKindergarten respektive Eingangsstufe um-fassen und acht Jahre, die Sekundarstufe Idrei Jahre und die gesamte obligatorischeSchulzeit somit elf Jahre dauern. Aktuell istder obligatorische Kindergartenbesuch po-litisch umstritten. In den Kapiteln 7 und 8wird näher auf diese Problematik einge-gangen.

Ausgewählte Praxisprojekte

In der gesamten Schweiz wird eine Vielzahlan Praxisprojekten im FBBE-Bereich durch-geführt. Die in diese Grundlagenstudie auf-genommen Praxisprojekte beziehen sichauf praxiswirksame Vorstösse und beste-hen in der Erprobung einer Massnahme be-ziehungsweise eines Massnahmenpaketes.Gemäss ihrer Reichweite lässt sich eine in-terkantonale, eine kantonale und einekommunale Ebene unterscheiden. Nachfol-gend werden die als gegenwärtig beson-ders bedeutsam zu erachtenden Praxispro-jekte präsentiert. Eine Liste mit weiterenPraxisprojekten findet sich im Anhang (Ta-belle 4.5a).

Interkantonale Ebene

• «4bis8 – Erziehung und Bildung in Kin-dergarten und Unterstufe» (EDK-Ostund Partnerkantone): Obgleich diesesSchulentwicklungsprojekt nicht aussch-liesslich auf den Vorschulbereich be-schränkt ist, zielt es auch auf die Struk-

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Grundlagenstudie

tur des Kindergartens, indem der Kin-dergarten und die ersten beiden Schul-jahre didaktisch und organisatorisch zu-sammengeführt werden sollen. DieWirksamkeit wird im Bereich der indivi-duellen und systematischen Unterstüt-zung und Förderung von Kindern in al-tersheterogenen Klassen gesehen. DasProjekt startete 2003, die Evaluations-phase sollte mit 2009 abgeschlossensein und der Schlussbericht wird mit2010 erwartet.

Kantonale Ebene

• «Spielgruppeplus» (Kanton Zürich): Die-ses Projekt zielt auf die Erarbeitungeines Frühförderkonzepts für Spielgrup-pen ab. Es sollte Wirksamkeit im Be-reich der Förderung von Kleinkindernaus Familien mit Migrations- und/oderbildungsfernem Hintergrund beim Spra-cherwerb entfalten. Dazu werden Spiel-gruppenleiter/-innen durch Fachperso-nen vorbereitet und ggf. durchgehendberaten und zweimal wöchentlich be-sucht. Vier Gemeinden im Kanton Zü-rich sind am Projekt beteiligt.

• «Mit ausreichenden Deutschkenntnis-sen in den Kindergarten» (KantonBasel-Stadt): Dieses Projekt mit Pionier-charakter zielt darauf ab, dass Kindermit ungenügenden Sprachkompeten-zen in Deutsch an zwei Halbtagen proWoche beziehungsweise für mindes-tens 150 Stunden eine Sprachspielgrup-pe vor Eintritt in den regulären Kinder-garten besuchen. Damit soll das ProjektWirksamkeit im Bereich des Ausgleichsder Chancen von Kindern bei Eintritt inden Kindergarten und anschliessend indie Schule erreichen, deren Erstsprachenicht Deutsch ist beziehungsweise dieaus sozial benachteiligten oder bil-dungsfernen Familien stammen. DasProjekt befindet sich derzeit in derPhase der Klärung politischer und

rechtlicher Voraussetzungen. Die Ver-nehmlassung wurde Ende Oktober2008 abgeschlossen.

• «Bewegter Kindergarten» (KantonSchaffhausen): Dieses Projekt aus demSportamt des Kantons Schaffhausenzielt auf die Etablierung von Möglich-keiten, im Kindergarten Bewegungsim-pulse auszuleben. Kinder sollen zudemdie Grundgedanken einer ausgewoge-nen Ernährung kennenlernen. Damitsoll das Projekt präventive Wirkung vorÜbergewicht im Kindergartenalter ent-falten.

• «Standarddeutsch Kindergarten» (Kan-ton Basel-Stadt): Dieses Projekt zielt aufdie Förderung der Kompetenz von Kin-dern im Kindergartenalter in Standard-deutsch, um damit Wirkung im Bereichder Verbesserung des späteren Schuler-folgs zu erzielen. Die Erprobung erfolg-te vom 1. Januar 2007 bis 31. Dezem-ber 2008 in 31 Kindergärten.

• «Projekt Neue Mittagsbetreuung»(Stadt Zürich): Das Projekt zielt auf dieEtablierung eines ausreichenden Be-treuungsangebots vom Säuglingsalterbis zum Abschluss der obligatorischenVolksschule. Damit möchte das Projektwirksam werden im Bereich der Etablie-rung qualitativ hochstehender Betreu-ung. Das Angebot ist sozialpädagogischgeführt. Vier Projektschulen sind betei-ligt, das Projekt startete am im Januar2006.

Kommunale Ebene

• «Primano» (Stadt Bern, unterstützt vonmehreren Stiftungen): Dieses Projektzielt auf die Förderung von Kindern imVorschulalter, um ihnen altersgerechteLernerfahrungen unter anderem insprachlicher, motorischer, kognitiverund sozialer Hinsicht zu ermöglichen.Hinzu kommt, dass auch Eltern in ihren

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4 Die Praxis der FBBE Schweiz: Organisation, Angebote und Personal

erzieherischen Fähigkeiten gestärktwerden. Des Weiteren zielt es auf dieVerbesserung der Rahmenbedingungenfür eine fördernde Ausgestaltung derLebenswelt sozial benachteiligter Kin-der von null bis fünf. «Primano» möch-te auf diese Weise eine Wirksamkeit imBereich der Durchsetzung bessererChancen (sozial) benachteiligter Kindererreichen. Zum Projekt gehört auch dasHausbesuchsprogramm«schritt:weise».

• «Betreuungsgutscheine für Kinder imVorschulalter» (Stadtrat Luzern): DasProjekt zielt darauf ab, Eltern von Kin-dern im Alter ab vier Monaten bis zumEintritt in den Kindergarten Betreu-ungsgutscheine zukommen zu lassen,die in allen anerkannten Kindertages-stätten und bei Tageseltern der Stadtund der angrenzenden Gemeinden ein-gelöst werden können. Damit möchtedas Projekt in der Zugänglichkeit vonFBBE-Angeboten wirksam werden. DieHöhe des Gutscheinbetrags ist vom Er-werbseinkommen der Eltern abhängig.Der Projektstart ist auf Frühling 2009geplant.

Aus- und Weiterbildungen

Der Starting Strong Bericht I (2001) betontdie europäische Tendenz zu einer mindes-tens dreijährigen Ausbildung auf Tertiärni-veau. International diskutiert man jedochdarüber, dass Ausbildungen im FBBE-Be-reich auf unterschiedlichen Ebenen zurVerfügung stehen müssen. So wird vorge-schlagen, dass das Leitungspersonal eineAusbildung auf Tertiärniveau besitzen solle,währenddessen Erzieher/-innen ohne Lei-tungsfunktion auch über eine Ausbildungauf einem niedrigeren Niveau verfügenkönnen. Im internationalen Vergleich exis-tiert bisher in allen Ländern ausser inDeutschland und in Österreich eine Ausbil-

dung im FBBE-Bereich auf Hochschul-niveau.

Familienergänzende FBBE

In der Schweiz ist die Professionalisierungs-frage noch kaum in Gang gekommen. Wirverfügen hierzulande über eine Grundbil-dung (Fachfrau/-mann Betreuung), die zwi-schen Praxis (Lehrbetriebe) und Theorie(Berufsfachschule oder Höhere Fachschule)angesiedelt ist. Zusätzlich zur betrieblichenGrundbildung bestehen in der Deutsch-schweiz Ausbildungsmöglichkeiten auf Ter-tiärniveau (Studium zum/zur Sozialpädago-gen/-in an einer Höheren Fachschule; Ab-schluss als Lehrperson auf Vorschul- bezie-hungsweise Primarstufe). Problematisch istallerdings, dass Absolvierende solcher Stu-diengänge seltener eine Anstellung in einervorschulischen Institution suchen, da fürsie damit Lohn- sowie Prestigeeinbussenverbunden wären, weshalb sie letztlich denWeg in soziale Einrichtungen oder Schulensuchen.

Das duale System ist auch für andere Lehr-berufe das Ausbildungsmodell der Berufs-bildung in der Schweiz. Dieses System hateinige Vorteile, aber auch Nachteile. Zuden Vorteilen gehört beispielsweise die so-lide Basisausbildung mit kombinierter Pra-xiserfahrung. Nachteile ergeben sich je-doch dadurch, dass an das Fachpersonalimmer höhere Anforderungen gestellt wer-den, die ohne eine intensivere theoretischeAusbildung und entsprechendes Fachwis-sen nicht zu bewältigen sind. Verbände, Or-ganisationen und Fachpersonen im FBBE-Bereich sind sich deshalb einig, dass die ak-tuelle Ausbildungssituation und -qualitätunter dem Stichwort «Professionalisierungdes Berufsfeldes» (Eggenberger, 2008)überdacht und eine Ausbildung auf Tertiär-niveau diskutiert werden soll, um damitnicht nur Qualität, sondern auch die Repu-tation der FBBE-Arbeit insgesamt steigernzu können.

49

Grundlagenstudie

In der Romandie zeigt sich die Situationtraditionsgemäss etwas anders. So warendie Ausbildungen im Bereich der Null- undDreijährigen bisher ausschliesslich auf Ter-tiärniveau angesiedelt. Diese Situation wirdsich mit der Möglichkeit ändern, sich zumsozialpädagogischen Assistenten respektivezur sozialpädagogischen Assistentin ausbil-den zu lassen (Pendant zur deutschsprachi-gen Grundausbildung Fachfrau/FachmannBetreuung). In der Romandie verlangen dieKantone, dass mindestens zwei Drittel desPersonals über eine sozio-edukative Ausbil-dung auf Tertiärniveau verfügen. Weilsolch gut ausgebildetes Personal fehlt, wirddiese Vorgabe praktisch jedoch kaum um-gesetzt. Die Quote dürfte deshalb nichtmehr als 50% betragen.

Im Tessin ist eine Tertiärausbildung für diescuole dell’infanzia obligatorisch und auchfür Leitungspersonen der asili nidi gesetz-lich festgelegt. Dieses Leitungspersonal ar-beitet vielfach mit Unterstützung freiwilligtätiger Mütter oder Hilfskräfte, die fürihren Einsatz ein geringes Entgelt bekom-men. Aufgrund dieser nicht als befriedi-gend erachteten Situation verfolgt der Tes-siner ‚Verband der Kinderkrippen’ (ATAN)daher unter anderem das Ziel, den Zugangzur und die Ausbildung auf Tertiärniveauvon (Leitungs-) Personal in Krippen zu un-terstützen und zu fördern. Im Oktober2008 startete daher das «Certificat in Ad-vanced Study» (CAS; «Il nido dell’infanzia:coordinamento pedagogico e organizzati-vo») für Leitungspersonal der asili nidi. AufSekundarstufe wurde, um den Zugang zueiner FBBE-Ausbildung zu erleichtern, dieAusbildung des «Operatore socio assisten-ziale con specializzazione in educatoredella prima infanzia» im Jahr 2005 einge-führt (Pendant zur deutschsprachigenGrundausbildung Fachfrau/-mann Betreu-ung).

Überall in der Schweiz werden Auszubil-dende, Praktikanten sowie freiwillig tätige

Mütter zur Entschärfung der ungünstigenPersonalsituation oder zur Kostenminde-rung herangezogen Weil dieses Personalschlecht entlöhnt wird, bleibt den Einrich-tungen ein positiver Nettogewinn. Dies giltauch unter Berücksichtigung der Investitio-nen, welche Lehrbetriebe in ihr noch nichtausgebildetes Personal tätigen müssen(Balmer & Schweri, 2006). Es versteht sichallerdings von selbst, dass diese unvorteil-hafte Situation – verbunden mit der übli-cherweise hohen Fluktuationsrate – dieQualität von FBBE-Angeboten und die Wir-kung auf die Kinder negativ beeinflussenkann. Internationale Studien belegen dieseindrücklich (Tietze, Roßbach & Grenner,2005).

Die Aus- und Weiterbildung im FBBE-Be-reich ist bis auf die vorangehend berichte-ten Unterschiede in allen drei Landesteilenähnlich. Deshalb wird in den Tabellen 4.4und 4.5 das System der Deutschschweizmit Präzisierungen von wesentlichen Un-terschieden zur lateinischen Schweiz dar-gestellt. Tabelle 4.4 listet die eidgenössischanerkannten Ausbildungen auf, während inTabelle 4.5 die nicht-zertifizierten Ausbil-dungen dargestellt werden. Sie unterschei-den sich darin, dass erstere ein staatlichanerkanntes Abschlusszeugnis je nach Aus-bildungsstufe anbieten und mehrheitlichkostenfrei sind. Nicht-zertifizierte Ausbil-dungen werden von privaten Trägern ange-boten, die teilweise erhebliche Ausbil-dungskosten verlangen. Im privaten Sektorexistiert kein staatlich anerkannter Ab-schluss.

Gemäss Tabelle 4.4 gibt es drei wesentlicheAbstufungen (Sekundarstufe II, TertiärstufeA und B), welche das Ausbildungsniveaukennzeichnen. Auf jedem Ausbildungsni-veau gibt es ein oder zwei duale Ausbildun-gen. Auf der Sekundarstufe II wird der Aus-bildungsgang Fachfrau/-mann Betreuung(respektive deren Pendants in der Roman-die und im Tessin) angeboten. Wer im Be-

50

4 Die Praxis der FBBE Schweiz: Organisation, Angebote und Personal

sitze eines «Eidgenössischen Fähigkeits-zeugnisses» ist, kann auf der Tertiärstufe Bdie Ausbildung als Kindererzieher/-in HFoder Sozialpädagoge/-in HF absolvieren.Auf der Tertiärstufe A kann ein Ausbil-dungsabschluss zur Lehrperson Vorschul-stufe/Primarstufe oder die Ausbildungzum/-r Sozialpädagoge/-in FH auf derGrundlage der (Berufs-)Maturität erreichtwerden.

Tabelle 4.5 zeigt die Möglichkeiten vonnicht eidgenössisch zertifizierten Ausbil-dungsgängen, wiederum am Beispiel derDeutschschweiz. Es besteht die Möglichkeiteiner Weiterbildung zum Krippenleiter/zur

Krippenleiterin auf der Grundlage einschlä-giger Vorbildung und Erfahrung sowie dieAusbildung zum Spielgruppenleiter/zurSpielgruppenleiterin ohne besondere Vor-bildung. Verschiedene Institute und Orga-nisationen bieten zudem Kurse für Tagesel-tern und Babysitter an. Auch hier sindkeine besonderen Vorbedingungen not-wendig.

Der erste Ausbildungszyklus Fachfrau/-mann Betreuung wird im Sommer 2009 ab-geschlossen sein, aber schon jetzt zeigensich im Vergleich zur vorhergehenden Aus-bildung (Kleinkinderzieher/-in) deutlichestrukturelle Veränderungen, die teilweise

51

Tabelle 4.4: Eidgenössisch anerkannte Ausbildungen im FBBE-Bereich

Ausbildungsniveau Zertifikat Details

Sekundarstufe II(Betriebliche Grundbil-dung)

Fachfrau/FachmannBetreuung(Romandie: Sozialpädago-gische/-r Assistent/-in)(Tessin: Operatore socioassistenziale con spe-cializzazione in educatoredella prima infanzia)

• duale, dreijährige Ausbildung• Möglichkeit der zweijährigen verkürzten Lehre für

Auszubildende mit Vorerfahrung

Tertiärstufe B(Höhere Fachschulen)

Kindererzieherin/ Kinder-erzieher HF

• dreijährige Vollzeitausbildung auf der Basis einesEidgenössischen Fähigkeitszeugnisses oder einesgleichwertiger Abschlusses

• wird nach der Romandie und dem Tessin ab Som-mer 2009 auch in der Deutschschweiz an HöherenFachschulen (Luzern, Zürich, Bern) angeboten

Sozialpädagoge/-in HF • dreijähriges Vollzeitstudium auf der Basis einesEidgenössischen Fähigkeitszeugnis oder einergleichwertigen Ausbildung

• die Ausbildung befähigt zur sozialpädagogischenArbeit mit Menschen jeden Lebensalters

Tertiärstufe A(Fachhochschulen, Päd-agogischen Hochschu-len, Universitäten)

Lehrpersonen auf Vor-schulstufe/Primarstufe

• ca. dreijähriges Studium mit Bachelorabschlussauf der Basis einer Berufsmaturität/Maturitätoder eines gleichwertigen Abschlusses

• je nach Vorbildung werden Teile des Studiums er-lassen.

Sozialpädagoge/-in FH • ca. dreijähriges Studium mit Bachelorabschlussauf der Basis des Eidgenössischen Fähigkeitszeug-nisses mit Berufsmaturität/ Maturität sowie einJahr Praktikum im sozialen Bereich

• das Studium befähigt für Leitungspositionen in so-zialen Institutionen.

HF: Höhere Fachschule; FH: Fachhochschule

Grundlagenstudie

52

Tab.4.5: Nicht eidgenössisch zertifizierte Aus- und Weiterbildungen im FBBE-Bereich in derSchweiz

Bezeichnung Zertifikat Details

Krippenleiter/-in Zertifikat der FFK oderdes MMI(Weiterbildung ist vomVerband Kindertagesstät-ten Schweiz KiTaS aner-kannt)

• Regionale Kurse werden über KiTaS organisiert.Kurse können an der FFK oder am MMI absolviertwerden.

• Vorbedingungen: anerkannte pädagogischeGrundausbildung (z.B. Kleinkinderzieher/-in,Fachangestellte/-r Betreuung, Sozialpädagoge/-in,Hortleiter/-in etc.) und mehrjährige Berufspraxisund fachliche Fortbildung.

• Dauer: 57 Kurstage, auf zwei Jahre verteilt

Spielgruppenleiter/-in;Waldspielgruppen-lei-ter/-in

Teilnahmebestätigung(80-100 Kursstunden)Zertifikat (mind. 160 Kurs-stunden) (gemäss denAusbildungskriterien desSSLV)

• Angebot durch verschiedene private Ausbildungs-institutionen (IG Spielgruppen Schweiz GmbH, Al-fred Adler Institut AAI (Bern und Zürich), Fachschu-le für familienergänzende Kindererziehung FFK(Zürich), Fachstelle für SpielgruppenleiterInnen FSL(Kt. Bern), Akademie für anthroposophische Päd-agogik AfaP (Dornach), Institut HERA (Bern/Basel),SpielgruppenLEAD (Winterthur)).

• Vorbedingungen: Mindestalter 20 Jahre, jüngernach Absprache mit der Ausbildungsleitung (gemä-ss SSLV)

• Dauer: Grundkurs mit Teilnahmebestätigung: 80 -100 Stunden, Grundkurs bis Zertifikatsabschluss:mind. 160 Stunden; mind. 10 Praxisbesuche.

Tagesmutter/-vater/-el-tern

Zertifikate des VerbandesTagesfamilien Schweiz

• Kurse bei regionalen Stellen der Fachverbände• Vorbedingungen für den Einführungskurs sind

keine bekannt, die Tagesmutter/ die Tagesfamiliesollte Erziehungserfahrung und kommunikative Fä-higkeiten besitzen.

• Dauer: Einführungskurs für Tagesfamilien: zwi-schen 10 bis 25 Kursstunden (je nach Region);Dauer weiterer Kurse ist je nach Thema unter-schiedlich.

• Kurse werden meist für Tageseltern und für inter-essierte Eltern angeboten.

Babysitter SRK (SchweizerischesRotes Kreuz)-Ausweis

• Regionale Rot-Kreuz-Stellen.• Voraussetzung: Mindestalter 13 Jahre• Keine weiteren Vorbedingungen

• Dauer: mind. zehn Stunden; Ausbildende sindKursleiterinnen und -leiter des SRK

FFK: Fachschule für familienergänzende Kindererziehung; IGS: Interessengemeinschaft SpielgruppenSchweiz; KiTaS: Verband Kindertagesstätten Schweiz; MMI: Marie Meierhofer-Institut; SSLV: Schweizeri-scher Spielgruppenleiter/-innen-Verband; SRK: Schweizerisches Rotes Kreuz

4 Die Praxis der FBBE Schweiz: Organisation, Angebote und Personal

kritisch reflektiert werden. Gleiches gilt fürden neu einzuführenden AusbildungsgangKindererzieher/-in HF (Eggenberger, 2008).

Kindergarten sowie Grund-/Basisstufe

Die Aus- und Weiterbildungen der Lehrper-sonen für Kindergarten und Primarstufesind seit den 1990er Jahren in der gesam-ten Schweiz auf tertiärer Ebene bei denPädagogischen Hochschulen angesiedelt.Voraussetzung hierfür ist die eidgenössi-sche Maturität oder ein vergleichbarer Ab-schluss. Im Zusammenhang mit der Debat-te um HarmoS steht die Umstrukturierungdes Kindergartens und der zwei ersten Pri-marschuljahre aufgrund des Schuleingangs-modells der Grund-/Basisstufe zur Diskussi-on. Deshalb werden wahrscheinlich, jenach Ausgang der kommenden Abstim-mungen (vgl. Fussnote 2 S. 86) Verände-rungen in der Ausbildung erfolgen. Faktischsind sie jedoch bereits im Gang. Beispiels-weise bietet die PH der FachhochschuleNordwestschweiz FHNW als einzige Päd-agogische Hochschule einen Bachelor-Stu-diengang «Eingangsstufe» an, die angehen-de Lehrpersonen dazu befähigt, mit vier bisachtjährigen Kindern zu arbeiten. Die PHGraubünden, PH Schaffhausen und PHThurgau sowie die PH Zürich arbeiten mitAusbildungsmodellen für die Vorschulstufe(Kinder bis sechs Jahren). Die PH Bern, dieHaut Ecole Pédagogique BEJUNE, die PHFreiburg, die PH Genf die PH Zentral-schweiz, die PH Rorschach, die Alta ScuolaPedagogica im Tessin, die Haut écoles péd-agogiques im Kanton Waadt und im Wallisbieten Ausbildungen für Vorschul- und Pri-marstufe (Kinder von null bis zehn Jahren),allerdings keine Ausbildungen speziell fürdie neu geplante Grund-/Basisstufe an (al-tersgemischte Gruppen von Kinder zwi-schen vier und acht Jahren). Im Tessin undin der Romandie werden Lehrpersonen fürdie Vorschulstufe auch ausnahmslos anPädagogischen Hochschulen ausgebildet.

Als einzige Ausnahme ist die Ausbildung imKanton Genf an der Universität Genf ange-siedelt. Auch im Kanton Tessin müssen alleBeschäftigten der Vorschulstufe eine Matu-rität besitzen und eine dreijährige Ausbil-dung an der ‚Alta Scuola Pedagogica’ absol-vieren. In der Deutschschweiz wird dies seitcirca zwei Jahren ebenfalls so gehandhabt.Teilweise jedoch gilt auch eine äquivalenteLeistung zur Maturität (z.B. Diplom einerFach- beziehungsweise Diplommittelschu-le) als Zulassungskriterium zu einer PH.

Im Vergleich zu den Beschäftigungsbedin-gungen und Löhnen des familienergänzen-den Betreuungssystems sind Arbeitszeiten,Lohnbedingungen sowie das gewünschteAusbildungsprofil für die Grund-/Basisstu-fenlehrpersonen insofern einheitlicher, alssie von den Kantonen reglementiert sindund sich daher nur nach kantonalen Be-stimmungen unterscheiden. Gleiches giltfür Unterschiede zwischen den Sprachre-gionen, vor allem für die grossen Qualitäts-schwankungen zwischen scuola dell'infan-zia und asili nidi.

Fazit

Im familienergänzenden Bereich zeigensich verschiedene Schwachstellen: Ers-tens sind es die unterschiedlichen Ver-antwortungsbereiche von SODK undEDK, welche die Schaffung eines ein-heitlichen Bildungs- und Betreuungsrau-mes erschweren. Zweitens erweist sichdie statistische Datenlage als prekär,existieren doch keine gesamtschweizeri-schen Daten zu Organisation und Inhal-ten des FEEB-Bereichs. Schwachstellenfinden sich drittens in der fehlenden flä-chendeckenden Koordination sowie imZugang zu und in der Zahlbarkeit vonBetreuungsangeboten, die oft von denSubventionen und dem Engagement dereinzelnen Gemeinden oder Kantone ab-hängen. Daraus resultiert eine fehlendePassung von Angebot und Nachfrage.

53

Grundlagenstudie

Denn die Angebotslücke betrifft haupt-sächlich subventionierte Plätze, wäh-renddessen bei nicht subventioniertenPlätzen ein Überschuss besteht. Vier-tens zeichnet sich im Bereich des Perso-nals eine besonders defizitäre Situationab: Sowohl Löhne sowie Beschäfti-gungsbedingungen unterscheiden sichderart stark nach Kanton sowie Träger-schaft, dass kaum gesamtschweizeri-sche Aussagen gemacht werden kön-nen. Auch die Ausbildung des FBBE-Per-sonals insgesamt ist – trotz vielfältigerEntwicklungen – als unangemessen zubezeichnen. Dazu kommt, dass FBBE-Berufe trotz hoher Beliebtheit bei Aus-zubildenden über wenig gesellschaftli-ches Prestige verfügen. Als Stärke er-weist sich im internationalen Vergleichjedoch die Strukturqualität, d.h. die neuaufgelegten Richtlinien des KiTaS.

54

5 FBBE für alle? Benachteiligte junge Kinder in der Schweiz

5 FBBE für alle? Benachteiligte junge Kinder in derSchweiz

Dass Bildungsgerechtigkeit nicht so aus-sieht, wie sie aktuell in der Schweiz prakti-ziert wird, ist bereits einleitend mit Blick aufdie PISA-Studie vermerkt worden. Sie hatgezeigt, dass die soziale Herkunft weitge-hend den Bildungserfolg bestimmt. Wennsomit die eigene Herkunft keine privilegier-te ist, dann ist Chancenbenachteiligungweitgehend vorbestimmt. Hier beginnt je-doch ein Teufelskreis: Wer sozial benachtei-ligt ist, findet keinen Zugang zur Bildung.Wer keinen Zugang zur Bildung hat, dembleibt der soziale Aufstieg erschwert. Diesist nicht nur eine krasse Benachteiligung fürjedes sozial benachteiligte Kind, sondernauch für unsere Gesellschaft, weil wir aufdiese Weise den nachfolgenden Generatio-nen Zukunftschancen verbauen.

In der Schweiz gibt es viele benachteiligteKindergruppen. Dazu gehören Kinder ausunterprivilegierten, bildungsfernen Schich-ten, Kinder mit Migrationshintergrund aberauch von physischen Behinderungen odervon Kinderarmut betroffene Kinder. Selbstüberdurchschnittlich begabte Kinder kön-nen benachteiligt sein, wenn sie ihr Potenzi-al nicht so zum Ausdruck bringen können,wie es für ihre optimale Entwicklung not-wendig wäre. Schlechte oder gute Start-chancen bestehen ab der Geburt und be-stimmen in der Folge den Gestaltungsspiel-raum. Es bedarf somit einer nachhaltigenUnterstützung von aussen, um jedem jun-gen Kind ein sicheres Fundament für seinenLebens- und Bildungsweg zu geben.

Bildungs- und Kinderarmut

Ein Staat, der viel in FBBE investiert, leistetauch einen Beitrag dazu, dass die nachfol-genden Generationen möglichst gut ausge-bildet werden, um die aus dem Arbeits-markt ausscheidenden Personen adäquat

ersetzen zu können. Dass die Bildungspo-tenziale in der Schweiz nicht alle adäquatgenutzt werden, haben bislang alle PISA-Testergebnisse gezeigt. Demnach gibt es inden Kantonen so genannte Risikogruppen,welche laut OECD (2007) höchstens dieKompetenzstufe I erreichen. Da ihre schuli-schen Leistungen für eine Lehrstelle odereine weiterführende Schule nicht ausrei-chen, werden sie als bildungsarm und aufdem Arbeitsmarkt als mehr oder wenigerchancenlos bezeichnet. Sie betragen je nachKanton zwischen 8% und 18%.

Neben der Bildungsarmut ist auch die Kin-derarmut von höchster Bedeutung für dieEntwicklungschancen von jungen Kindern.Darauf machen die ‚Caritas’ oder die ‚Kin-derlobby Schweiz’ immer wieder aufmerk-sam. Fakten dazu hat auch die ‚Eidgenössi-schen Kommission für Kinder- und Jugend-fragen’ (EKKJ) in ihrem Bericht «Jung undarm: das Tabu brechen!» 2007 auf den Tischgelegt. International vergleichbare Datenliegen für das Jahr 2000 vor (OECD, 2007).Zu diesem Zeitpunkt betrug sie in derSchweiz 6.8%, definiert als Anteil der Kinderin Haushalten mit einem Äquivalenzeinkom-men von weniger als 50% des Medianein-kommens. Heute, d.h. im Jahr 2008, sind inder Schweiz fast ein Drittel aller Sozialhilfe-empfänger (21%) Kinder unter 18 Jahren.Gemäss Tabelle 5.1 befindet sich dieSchweiz damit auf Platz sechs der hier be-trachteten 16 Länder. Damit ist die Kinder-armut zwar nur gut halb so gross wie derOECD-Durchschnitt, jedoch doppelt so hochwie in Finnland mit 3.4% oder fast dreimalso hoch wie in Dänemark mit 2.4%. Damitwird deutlich, dass die Ergebnisse der UNI-CEF-Studie von 2008 – die der Schweiz einekleine Kinderarmutsrate bescheinigt hat,vor diesem Hintergrund relativiert werdenmüssen.

55

Grundlagenstudie

Tab. 5.1: Kinderarmut in der Schweiz im ausgewählten internationalen Vergleich im Jahr2000 (OECD, 2007)

Staat Anteil in %

Dänemark 2.4

Finnland 3.4

Norwegen 3.6

Schweden 3.6

Belgien 4.1

Schweiz 6.8

Tschechien 7.2

Niederlande 9.0

Deutschland 12.8

Österreich 13.3

Kanada 13.6

Italien 15.7

USA 21.6

Mexiko 24.8

OECD 12.0

Kinderarmut war in der Schweiz bislangeher ein Tabuthema. Gerade weil ihr Kin-der später als Erwachsene selten entkom-men, muss das erste Ziel darin liegen, denAnteil einkommensschwacher Kinder zu re-duzieren. Auf die enorme Bedeutung frü-her Bildungsförderung für von Armut be-troffene Kinder verweisen viele neuere Un-tersuchungen. Auch die EKKJ (2007) be-tont, dass nachteilige Auswirkungen vonKinderarmut nicht monokausal auf ökono-mische Knappheit zurückzuführen sind,sondern das Resultat eines komplexen Zu-sammenspiels verschiedener personaler,sozialer und institutioneller Bedingungendarstellen. Ein gutes FBBE-Angebot ermög-licht Kindern Erlebnisbereiche und Hand-lungen unabhängig von finanziellen Res-sourcen und kann auf diese Weise Defiziteim familiären Bereich zumindest teilweisekompensieren. Dass eine kompensatori-sche Förderung erfolgreich sein kann, bele-gen die amerikanischen Head Start Pro-gramme eindrücklich.

Kinder mit Migrationshintergrund

Mehr als die Hälfte der Neugeborenen inder Schweiz hat mindestens einen ausländi-schen Elternteil (BfS/SAKE, 2005). Allerdingsgelten diese Kinder nicht automatisch alleals benachteiligt, weil ihre familiären Aus-gangsbedingungen sehr unterschiedlichsind. Neben Erziehungsberechtigten mithochqualifizierender Ausbildung gibt esnicht qualifizierte Eltern ohne postobligato-rische Ausbildung. Während erstere als«Motor des Schweizer Wirtschaftswachs-tums» bezeichnet werden (Kummels, 2007),gelten letztere als Personen, die überpro-portional stärker von Arbeitslosigkeit be-droht sind als Menschen ohne Migrations-hintergrund. Es versteht sich deshalb vonselbst, dass ein ‚Migrationshintergrund’nicht automatisch mit sozialer Benachteili-gung gleich gesetzt werden kann. Dies be-tont auch Lanfranchi (2002;2007) mit Ver-weis auf bildungsnahe Einwandererfamilienmit gutem sozioökonomischen Status. InFolge dessen existiert weder eine klare Defi-nition, wann ein Kind aufgrund seines Mi-grationsstatus benachteiligt ist, noch verfü-

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5 FBBE für alle? Benachteiligte junge Kinder in der Schweiz

gen wir über allgemeingültige, statistischverlässliche Daten zur Teilnahme von be-nachteiligten Kindern an speziellen Frühför-derprogrammen.

Warum jedoch sind Kinder mit Migrations-hintergrund trotzdem tendenziell eher be-nachteiligt als Schweizer Kinder? Zum Einenverdeutlicht Abbildung 5.1, dass solche Kin-der häufiger aus bildungsfernen Familienmit niedrigem sozioökonomischem Statusstammen. Beispielsweise verfügen lediglich15.3% der Schweizer respektive 7.5% dernord- und westeuropäische Familien überkeine postobligatorische Ausbildung, wäh-rend dies für 54.5% der migrierten Familienaus Balkanländern und für 47.7% aus südeu-ropäischen Ländern zutrifft. Diese Gruppenbilden gemäss SAKE (2008) einen wachsen-den Anteil der genannten working poors,d.h. der trotz Erwerbstätigkeit nicht vorArmut abgesicherten Familien.

Aber nicht nur die geringe Berufsqualifizie-rung bringt offensichtliche ökonomische

Nachteile. Auch der fremde kulturelle Hin-tergrund und die Unkenntnis der deut-schen Sprache beeinflussen das Sozial- undIntegrationsverhalten der Familien. Häufigtreten Defizite auf sprachlicher Ebeneschon in der Herkunftssprache und dannauch in der deutschen Sprache in den Vor-dergrund. Aber auch Erziehungsverhaltenund Wertvorstellungen können mit derneuen Umwelt nur wenig kompatibel sein(Efionayi-Mäder et al., 2008), weil Kinderanderer Kulturen häufig anders sozialisiertwerden. Im Gegensatz zu freiwillig immi-grierten hat dies vor allem für unfreiwilligimmigrierte Familien nachteilige Folgen.Während erstere weit stärker bereit sind,kulturelle Differenzen in Bezug auf Spra-che, Integration oder Kommunikation alsHerausforderung zu überwinden, nutzenunfreiwillig immigrierte Familien diese eherzum Schutz ihrer ursprünglichen Identitätund entwickeln häufig eine zur Mehrheits-gesellschaft konträre Subgruppenidentität.

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Andere Staatsangehörigkeit

EU-Beitrittskandidaten

Westliche Balkanländer

Neue EU-Mitgliedstaaten

Südeuropa

Nord- und Westeuropa

Schw eiz

0% 20% 40% 60% 80% 100%

42.9%42.9%

16.7%16.7%

6.3%6.3%

51.1%51.1%

12.0%12.0%

57.7%57.7%

28.6%28.6%

28.9%28.9%

33.6%33.6%

39.4%39.4%

42.0%42.0%

40.3%40.3%

34.8%34.8%

56.1%56.1%

28.2%28.2%

49.7%49.7%

54.4%54.4%

6.9%6.9%

47.7%47.7%

7.6%7.6%

15.3%15.3%

Tertiärstufe Sekundarstufe II ohne postobligatorische Ausbildung

Abb. 5.1: Erwerbstätigkeit der ständigen Wohnbevölkerung nach Bildungsstand und Staats-angehörigkeit im 2. Quartal 2005 (BfS/SAKE, 2005)

Grundlagenstudie

Die Wirkung von FBBE auf Kinder mitMigrationshintergrund

Dass junge Kinder aus sozial benachteiligtenMilieus und solche mit Migrationshinter-grund die deutlichsten Gewinne aus früh-pädagogischer Förderung erzielen, ist eineinternational anerkannte und vom StartingStrong II-Bericht unterstrichene Tatsache(OECD, 2007). Angesichts der unterschiedli-chen Bildungsressourcen der Familien stel-len FBBE-Angebote eine vielversprechendeMöglichkeit dar, soziale Ungleichheiten zuverringern und allen Kindern einen gleich-berechtigten Zugang zur Bildung zu gewähr-leisten. Ebenso deutlich hat die internatio-nale Forschung jedoch aufgezeigt, dass dieGewinne dann kurzfristig bleiben und nichtnachhaltig werden, wenn Angebotsqualitätund Professionalität des Fachpersonals le-diglich durchschnittlich sind, Eltern nur amRande integriert werden und Förderung undUnterstützung nicht nachhaltig ist, d.h. nichtauch in der weiteren Schulzeit erfolgt. DieseErgebnisse bestätigt die Studie «Schulerfolgvon Migrationskindern» von Lanfranchi(2002). Er zeigt auf, dass familienergänzendbetreute Kinder den Übergang vom Kinder-garten zu Schule wesentlich erfolgreichermeisterten als Kinder, die diese Förderungnicht genossen hatten. Als ausschlaggebenderwies sich dabei die frühe Integration derEltern und des gesamten sozialen und kultu-rellen Umfeldes. In seiner Follow-up Studievon 2008 zeigten sich jedoch keine länger-fristig positiven Wirkungen. Erstaunlicher-weise erwies sich nun nicht der Besucheiner familienergänzenden Betreuungsein-richtung als entscheidender Erfolgsindika-tor, sondern die Bildungsaspiration der El-tern. Damit unterstreicht dieses Ergebnisdie enorme Bedeutung der Kernfamilie, dieauch von anderen Studien – insbesondereder NICHD-Studie – herausgestrichen wor-den ist.

Welches Fazit lässt sich aus solchen Er-kenntnissen ziehen? Zum Einen, dass FBBE-

Programme speziell für Kinder mit ethnisch-kulturellem Hintergrund nur dann länger-fristig erfolgreich sein können, wenn sie um-fassend angelegt, qualitativ hochstehendsind und über gut ausgebildetes Personalverfügen. Zum Anderen gilt, dass sie bei derBildung und Aufklärung der Eltern ansetzen,ihre Erziehungsrolle stärken und den mögli-cherweise wesentlichsten Aspekt der Inte-gration, die Sprachförderung, angemessenberücksichtigen müssen. In diesem Sinnesind solche Programme bestens geeignet,über das junge Kind eine Brücke zur Migrati-onsfamilie und zu ihrem neuen sozialenUmfeld zu schlagen.

Förder- und Integrationsmassnahmen

Da die Deutschschweiz eine heterogene Be-völkerungsstruktur aufweist und der Auslän-deranteil bei ca. 20% liegt, werden verstärktIntegrationsmassnahmen und -programmeeingesetzt, die sich vor allem auf Spracher-werb und Sprachförderung ausrichten. Auchfür die Romandie haben diese Befunde inbesonderem Masse Gültigkeit, da der Kan-ton Genf einen Ausländeranteil von 39% invorschulischen Einrichtungen hat und damitüber Einrichtungen (BfS, 2008) verfügt, diesehr heterogen sind. Im Tessin haben inte-grative Massnahmen schon lange Tradition.Im Gegensatz zu den anderen beidenSprachregionen verfügt es über ein gutesSystem an Unterstützungsmassnahmen fürbedürftige Familien. Das «Tessiner Modell»zeichnet sich durch eine Integrationszulagefür Kinder unter 15 Jahren und eine Klein-kindzulage für Kinder unter drei Jahren aus.Dadurch konnte die Familienarmut unddamit die Benachteiligung der Kinder deut-lich verringert werden (EKFF, 2000). DasModell bildet sich jedoch auch im pädagogi-schen Alltag ab, denn in den scuole dell’in-fanzia bildet die Integration von Kinder mitMigrationshintergrund einen selbstver-ständlichen Teil des FBBE-Alltags. Nicht ingleichem Ausmass ist dies jedoch in den asili

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5 FBBE für alle? Benachteiligte junge Kinder in der Schweiz

nidi der Fall, da gerade Kinder ausländischerHerkunft in den ersten Jahren zu Hause vonden Eltern selbst oder Verwandten betreutwerden.

Solche frühkindlichen Förder- und Integrati-onsmassnahmen, die einen positiven Inte-grationseffekt auf die ganze Familie habenkönnen, entsprechen den ‚Empfehlungendes Europarates zur Förderung der Integra-tion von Kindern mit Migrationshintergrund’(2008), an deren Entwicklung sich dieSchweiz aktiv beteilig hat. Sie enthalten Vor-schläge für eine spezielle Förderung imFrüh- und Vorschulbereich unter besonde-ren Berücksichtigung der Eltern. Auf derGrundlage dieser Empfehlung formuliertedie ‚Kommission Bildung und Migration’(KBM) der EDK einen unterstützenden Be-richt. Moret und Fibbi (2008) verweisendarin auf gute Schweizer Programme, diesich an diesen Kriterien orientieren. In Ta-belle 5.1 sind einige Projekte exemplarischaufgeführt. Dabei handelt es sich um solcheunterschiedlicher Grössenordnung. Gemein-sam ist ihnen jedoch, dass sie die ganze Fa-milie und damit das enge familiäre Umfelddes Kindes sprachlich fördern und sozial in-tegrieren möchten.

Die Vielfalt dieser Praxisprojekte ist beein-druckend. Trotzdem darf sie nicht darüberhinwegtäuschen, dass es sich dabei um Ein-zelaktivitäten handelt, die bei weitem nichtflächendeckend in allen Regionen derSchweiz vorhanden sind. Dazu kommt, dassviele Projekte weit vom Alltag und der Le-bensrealität von Familien mit Migrations-hintergrund entfernt sind. Damit sind ver-schiedene Probleme verbunden:

• Sprachliche und kulturelle Informations-barrieren werden vielfach nicht über-wunden, weshalb Frühförderangebotevon Migrantenfamilien wesentlich selte-ner als von einheimischen Eltern genutztwerden. Dazu kommt, dass qualitativhochstehende institutionelle Betreuungaus Kostengründen zu Gunsten infor-

meller Betreuung (Verwandte, Grossel-tern) oft gar nicht erst in Betracht gezo-gen wird. Vielfach sind es zudem kultu-relle Gewohnheiten, die einer Fremdbe-treuung abträglich sind.

• Für nicht-deutschsprachige Kinder in derDeutschschweiz ergibt sich eine spezifi-sche Benachteiligung durch die Tatsa-che, dass die Umgangs- und damit dieIntegrationssprache in fast allen vor-schulischen Einrichtungen zwar schwei-zerdeutsch ist, die Kinder jedoch beimSchuleintritt hochdeutsch sprechenmüssen. Schweizerdeutsch wird für siehier somit einer möglichen zusätzlichenBehinderung beim Schuleintritt. Hoch-deutsch im Kindergarten ist inzwischenzu einem Politikum geworden.

• Das pädagogische FBBE-Personal istnicht immer ausreichend auf die Anfor-derungen vorbereitet, mit interkulturellzusammengesetzten Kindergruppen zuarbeiten. Zwar werden in den Ausbil-dungsinhalten für Fachkräfte auf terti-ärer Stufe interkulturelle Kompetenzenvermittelt, im Ausbildungsbereich je-doch nur in der Grundausbildung. In pri-vaten Ausbildungsinstituten findet sichdie Förderung multikultureller Lehr-Kompetenzen in den Curricula über-haupt nicht. Es ist deshalb davon auszu-gehen, dass das Personal nur ungenü-gend auf interkulturelle Situationen undeine adäquate Förderung von Kindernmit Migrationshintergrund vorbereitetist.

Kinder mit heilpädagogischer Frü-herziehung (HFE)

Die heilpädagogische Früherziehung (HFE)ist eine wichtige Instanz für die professio-nelle frühkindliche Förderung von Kindernmit besonderen Bedürfnissen. Sie bestehtaus Beratungs- und Fördermassnahmender heilpädagogischen Dienste für Kinder

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Grundlagenstudie

60

Tab. 5.2: Praxisprojekte im Bereich FBBE speziell für Kinder mit Migrationshintergrund

Femmes-TischeInformelle Diskussionsrunden mit (Gross-)Müttern und (Gross)- Vätern,geleitet von ehrenamtlichen Moderator/-innen zu Erziehungs- und Inte-grationsthemen.

HSK (Heimat-und-Kultur)-An-gebote

Programme und einzelne Lehrpersonen, die speziell die heimatliche Spra-che und Kultur der Familien mit Migrationshintergrund fördern. Es beste-hen verschiedene Träger solcher Angebote.

«Ich lerne Deutsch fürs Kind»Deutschkurse für Mütter mit Migrationshintergrund, welche im Rahmender Kindergarteneinrichtung organisiert werden. Dadurch kann zusätzlichdie Verbindung zwischen der Institution und der Familie gestärkt werden.

Insieme

Das Tessiner Projekt, das sich auch an Kindergartenkinder im Alter vondrei bis fünf Jahren richtet, umfasst gesellschaftlich-kulturelle Veranstal-tungen, bei denen Lehrpersonen, Eltern und Kinder an gemeinsamen Akti-vitäten teilnehmen und unterstützt somit in erster Linie den Informations-und Kommunikationsaspekt.

Kon-Lab-Sprachförderpro-gramm

Es handelt sich hier um ein speziell entwickeltes Sprachfrühförderpro-gramm für Kinder mit Migrationshintergrund, das in allen Frühförderein-richtungen eingesetzt werden kann, wenn das Erziehungspersonal in derVerwendung des Materials geschult ist.

Les sacs d’histoires«Geschichtensack»

Das Genfer Projekt beinhaltet die Weitergabe von ‚Geschichtensäcken’ inKindergärten und Primarschulen. Jeder Sack enthält ein zweisprachigesBuch, eine Audio CD, ein Spiel sowie weitere Materialien in verschiedenenSprachen, die mit der jeweiligen Geschichte zusammenhängen. Die Famili-en sollen so zur Auseinandersetzung mit der Geschichte und darüber mitder Sprache und Kultur angeregt werden. Dies stärkt die Bindung zwi-schen Eltern und Kindern, sowie zwischen Familie und Institution.

Permanences èducativesmobiles (Mobile Erziehungssprechstun-den)

Informelle Erziehungssprechstunden und «Elterncafés» nicht ausschliess-lich für Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund. Lanciert wurde dasProjekt für Eltern von null bis siebenjährigen Kindern vom Verein Famili-enbegleitung des Kantons Freiburg und findet ca. einmal monatlich anwechselnden öffentlichen Orten statt.

Primano

Das Pilotprojekt «primano» der Stadt Bern läuft zunächst bis 2012 undrichtet sich an Kinder bis fünf Jahren und deren Eltern. Die niederschwelli-ge individuelle Frühförderung findet bei den Eltern zu Hause, in Kinderta-gesstätten, Spielgruppen und im Quartier statt.

Schritt:weise(angelehnt an das Hausbesuch-sprogramm Opstapje)

Dieses Projekt arbeitet mit häuslichen Spiel- und Lernprogrammen fürKleinkinder, angeleitet durch Frauen mit ähnlichem sozialem Hintergrundwie die benachteiligten Familien (nicht ausschliesslich Familien mit Migra-tionshintergrund). Koordiniert wird das Projekt vom Berner Verein ‚a:pri-mano’ und vom Gesundheitsdienst der Stadt Bern.

SpiKi «Von der Spielgruppe in denKindergarten»

Das in St. Gallen initiierte Projekt richtet sich an drei- bis vierjährige Kin-der mit Migrationshintergrund, die in Spielgruppen besonders gefördertwerden. Das Projekt legt einen Schwerpunkt auf die Information und denEinbezug der Eltern und bietet sogar Sprachkurse für die Eltern an, wäh-rend die Kinder spielen. Derzeit läuft das Projekt auch in zwei ZüricherQuartieren und wird bis 2010 dort umgesetzt und evaluiert.

«Mit ausreichenden Deutsch-kenntnissen in den Kindergar-ten»

Das Projekt in Basel-Stadt versucht, das Problem von mangelnden Sprach-kenntnissen grundlegend anzugehen. Alle Kinder werden ein Jahr vor Ein-tritt in den Kindergarten getestet und bei mangelnden Deutschkenntnis-sen an zwei Halbtagen ein Jahr lang zum Besuch eine privaten Tageshei-mes oder einer Spielgruppe verpflichtet.

5 FBBE für alle? Benachteiligte junge Kinder in der Schweiz

mit Behinderungen, Entwicklungsverzöge-rungen, -einschränkungen oder -gefähr-dungen. Obwohl sie sich in den letzten Jah-ren in der Schweiz stark entwickelt hat,fehlen bis jetzt einheitliche Konzepte undlandesweite Erhebungen. Dies zeigt sichbeispielsweise darin, dass jeder Kantonseine zentralen Stellen und Integrations-beziehungsweise Fördermassnahmen inunterschiedlicher Weise organisiert. Einzigdie ‚Schweizerische Zentralstelle für Heil-pädagogik’ (SZH) arbeitet derzeit an eineraktuellen, Statistik zur heilpädagogischenFrüherziehung. Verlässliche Zahlen sind bisjetzt jedoch noch nicht zugänglich. EinigeAussagen können auf der Grundlage vonbisherigen Studien jedoch dennoch getrof-fen werden. Diese beschreiben die Umset-zung der HFE in der Schweiz:

Derzeit sind circa 150 heilpädagogischeFrüherziehungsstellen in der Schweiz zuverzeichnen. Im Vorschulbereich existie-ren Sondervorschulen, Sonderschulkinder-gärten, heilpädagogische Tagesschulen,Sprachheilkindergärten und Sonderkinder-gärten. Es werden dort in der Regel dop-pelt so viele Jungen wie Mädchen betreut.Dies ist erstaunlich, da in keinem anderenFörderbereich Jungen derart stark überre-präsentiert sind. (Erne, 2005). Das durch-schnittliche Alter bei der Anmeldung be-trägt 3½ Jahre. Die Zuweisung erfolgt zu55% mehrheitlich durch Kinderärzte, Kin-derkliniken sowie durch Kinder- und Ju-gendpsychiatrische Dienste, in 20% durchdie Eltern, in 15% durch Kindergärtnerin-nen und schliesslich in 8% der Fälle durchpsychologische Abklärungsstellen einsch-liesslich der schulpsychologischen Dienste.Nach Abschluss der HFE besuchen fast 40%der Kinder den Regelkindergarten, 25% dieKleinklasse und ca. 40% eine Sonderschule(Erne, 2005). Mit 40% Sonderschülern istder Anteil der integrierten Kinder in Regel-klassen im Vorschulbereich schweizweitnoch relativ gering.

Sonderpädagogik-Konkordat

Mit dem neuen Sonderpädagogik-Konkor-dat der EDK ‚Interkantonale Vereinbarungüber die Zusammenarbeit im Bereich derSonderpädagogik vom 25. Oktober 2007’,das frühestens 2011 in Kraft treten soll,werden die Kantone verpflichtet, die heil-pädagogische Früherziehung ins sonder-pädagogische Konzept aufzunehmen undunentgeltlich anzubieten. Sie gehört dannzum Bildungsauftrag der Volksschulen undsteht nicht mehr wie bis anhin unter demPatronat der Invalidenversicherung. DasGrundangebot der Kantone enthält Bera-tung, Unterstützung, heilpädagogische Frü-herziehung, Logopädie, Psychomotorik undsonderpädagogische Massnahmen inRegel- oder Sonderschulen. Hinzu kommenBetreuungen in Tagesstrukturen und son-derpädagogischen Einrichtungen sowie dienotwendigen Transporte zur Schule oderTherapiestelle. Vorschulkinder, deren Ent-wicklung eingeschränkt oder gefährdet istoder die dem Regelunterricht ohne spezifi-sche Unterstützung nicht werden folgenkönnen, haben Anspruch auf sonderpäd-agogische Massnahmen. Diese so früh wiemöglich zu beginnen und schon im Vor-schulalter eine Integration heilpädagogischbedürftiger Kinder vorzunehmen, erleich-tert den Übergang zur Schule und machtdie Kinder schon vor der Schule anschluss-fähig, eine Regelklasse mit möglichst gerin-ger zusätzlicher Unterstützung besuchen zukönnen. Dieser frühe Integrationsgrundsatzist explizit im Modell der Grund-/Basisstufesowie für alle Kantone im Behinderten-gleichstellungsgesetz verankert. Gemässeiner Arbeitsgruppe des ‚Berufsverbandesder Früherzieherinnen und Früherzieherder deutschen, rätoromanischen und italie-nischen Schweiz’ (BVF) wird das Konzeptder Integration vor allem in der Grund-/Ba-sisstufe jedoch nur ungenügend umgesetzt(Kofmel & Nussbaumer, 2004).

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Grundlagenstudie

Stärker als andere Kantone verfolgt derKanton Tessin nach Möglichkeit das Prinzipder Integration und versucht, behinderteKinder in den scuole dell’infanzia zu inte-grieren. Für Kinder zwischen Geburt unddrei Jahren findet die Erziehung und Be-treuung jedoch meist in den Familien selbststatt, unterstützt von punktuellen staatli-chen oder privaten Förderangeboten. Vorallem für die stärker beeinträchtigten Kin-der steht im Tessin ein gut ausgebautesNetz an Unterstützungs- und Fördermass-nahmen zur Verfügung. Auch in der Ro-mandie muss die Etablierung heilpädagogi-scher Massnahmen im Frühbereich im Ver-gleich zum Tessin noch entwickelt werden.Jedoch auch hier werden Kinder mit HFE-Bedarf erst ab den institutions de la petiteenfance zusätzlich zur Regelbetreuungdurch Spezialisten gefördert.

Stiftungen, Vereinigungen und Organi-sationen

Vereinigungen und Organisationen habenin allen Landesteilen mehrheitlich Bera-tungsfunktion und vermitteln den Betroffe-nen Familien- und Entlastungsdienste. Sol-che Dienste bieten unter anderem ‚Pro In-firmis’, die ‚Kinderspitex’, das ‚Rote Kreuz’und die ‚Sozialpädagogische Familienbe-gleitung’ an. Des Weiteren unterstützenStiftungen wie ‚Insieme 21’ (Vereinigungfür Kinder mit Down-Syndrom) oder die‚RGZ-Stiftung’ (Stiftung für Menschen miteiner cerebralen Bewegungsstörung) be-troffene Familien und Einrichtungen fürHFE Durch diese vielfältigen Unterstüt-zungsmöglichkeiten können bei entspre-chendem Engagement aller Beteiligten ad-äquate Einzellösungen der Förderung ge-funden werden. In jedem Fall ist jedocheine Sonderförderung beziehungsweise In-tegration ohne besonderes Engagementdes Erziehungspersonals oder der Elternimmer noch nicht der pädagogische ‚Nor-malfall’.

Junge Kinder mit besonderem Po-tenzial

Wenn FBBE für alle jungen Kinder geltensoll, dann sind damit nicht nur solche mitEntwicklungs- und Lernschwierigkeiten ge-meint, sondern auch Kinder mit überdurch-schnittlichen Begabungen. Zwar gibt esviele private Frühförderangebote, die El-tern nutzen können. Sie reichen von Astro-nomie- oder Biologieschnupperangebotenüber Englisch- oder Chinesischkurse bis garzu schulvorbereitenden Unterstützungsan-geboten in Lesen oder Mathematik. DieserTrend steht hier jedoch nicht zur Diskussi-on. Vielmehr geht es um die Frage, ob insti-tutionalisierte, offizielle FBBE-Angebote aufsolche Kinder zugeschnitten werden. Dennes versteht sich von selbst, dass nicht nurbenachteiligte Kinder oder solche mit Mi-grationshintergrund von früher Bildungs-förderung profitieren sollen, sondern auchKinder mit besonderem Potenzial. DieseFrage ist auch deshalb bedeutsam, weil dieBegabungsförderung nahezu in allen Kan-tonen ab Schuleintritt ein seit Jahren eta-bliertes Thema darstellt. Weil nun das neueSchuleingangsmodell der Grund-/Basisstu-fe Kinder bereits ab vier Jahren aufnimmtund das viel diskutierte Schuleintrittsaltermöglicherweise vorverlegt wird, gilt es, Be-gabungsförderung auch für junge Kinder inden Blick zu nehmen.

Gesetzliche Regelungen

Grundlagen zur Begabungsförderung sindwenig reguliert. Auf eidgenössischer Ebenegibt es keine Regelung. Sie erfolgt durchdie Kantone, welche in vielen Fällen übergesetzliche Grundlagen ab Schuleintrittverfügen. Implizit gelten diese Regelungenjedoch auch für junge Kinder ab Eintritt indie Grund-/Basisstufe. Im Zuge des in denletzten Jahren im gesamten deutschspra-chigen Raum stark angestiegenen Ange-bots an öffentlich finanzierten begabungs-

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5 FBBE für alle? Benachteiligte junge Kinder in der Schweiz

fördernden Massnahmen hat die Rege-lungsdichte deutlich zugenommen. Aktuellerwähnen fast alle Deutschschweizer Kan-tone in ihren gesetzlichen Grundlagen dieFörderung von Begabungen und Talenten.Auch im Tessin und in der Romandie verfü-gen die wenigsten Kantone über gesetzli-che Grundlagen, welche speziell die Förde-rung von Begabungen betreffen. In denSchul- und Bildungsgesetzen sowie in wei-teren Reglementen sind primär Massnah-men für Kinder mit schulischen Schwierig-keiten und/oder körperlichen und geistigenBeeinträchtigungen aufgeführt (Grossenba-cher, 2007). Im Tessin beispielsweise ha-ben die zuständigen Behörden entschie-den, keine spezifischen Strukturen und Ein-richtungen für besonders begabte Kinderzu schaffen. Im Wesentlichen ist dies wohldadurch begründet, dass es sich um relativseltene Fälle handelt, die im Einzelnennäher betrachtet werden müssen. Abgese-hen davon zeigt die Erfahrung wegen derzeitlich oft sehr ungleichmässigen Kindes-entwicklung, dass Kinder, die als besondersbegabt eingestuft wurden, sich um daszehnte Lebensjahr herum häufig wiederdem durchschnittlichen Entwicklungsstandannähern. In Sonderfällen wird nach einge-hender Untersuchung die Genehmigung er-teilt, eine oder zwei Klassen zu übersprin-gen. Der einzige Kanton der Romandie,welcher seit Juni 2006 eine Verfügung be-treffend hochbegabter Kinder kennt, ist derJura. Diese Verfügung enthält Modalitätenzu den «sessions d’enrichissement» fürKinder mit einem Entwicklungsvorsprung.Festgelegt werden darin die Thematik derBegabungsförderung, die Abklärungen unddie Angebote. Die Verfügung stützt sich aufdas Schulgesetz, in dem schon die frühzeiti-ge Einschulung und das Überspringen vonKlassen geregelt sind. Neben einer frühzei-tigen Einschulung werden weitere Mass-nahmen aufgeführt. Dazu gehören derpunktuelle Einsatz einer pädagogischen Be-ratungslehrperson, die Unterrichtsdifferen-

zierung sowie der Besuch bestimmter Fä-cher in einer höheren Klasse.

Fördermassnahmen

Traditionell werden verschiedene Mass-nahmen unterschieden. Diese werden dif-ferenziert nach Akzeleration (z.B. frühzeiti-ge Einschulung) und nach Anreicherung(z.B. zusätzliche individuelle oder gruppen-bezogene Förderung). Die Kantone folgendabei fast durchgehend dem Grundsatz,Begabungsförderung in den Regelunter-richt zu integrieren und Heterogenität alszentrale Leitidee eines an die je individuel-len Lernvoraussetzungen angepassten Un-terrichts zu verstehen. Auch im Hinblick aufeine Förderung von jungen Kindern gilt bis-lang mehrheitlich und erfolgreich das Prin-zip der Integration. Darauf verweisen dieEvaluationsbefunde der Grund-/Basisstufe(Moser, Bayer & Berweger, 2008; Vogt etal., 2008; vgl. auch Grossenbacher, 2008).

Akzelerative Massnahmen scheinen jedochkaum verwirklicht zu werden. Zum Einenverweist Grossenbacher (2008) mit Bezugauf die Evaluation des EDK-Ost 4bis8-Pro-jektes darauf, dass von einer kürzerenDurchlaufzeit oder von einem Klassenüber-springen kaum Gebrauch gemacht wird,wohl jedoch von einer verlängerten Durch-laufzeit. Offensichtlich orientieren sichauch Lehrpersonen der Grund-/Basisstufenach wie vor eher an sozialen Merkmalenals am Lern- und Leistungsstand sowie amEntwicklungspotenzial der Kinder. Diesspiegelt sich auch in der traditionellenMöglichkeit zur früheren Einschulung, diein der Schweiz in den meisten Kantonenmöglich ist und zu der entsprechende Re-gelungen vorliegen (LU, NW, OW, SZ, UR,ZG, AG, BE, BL, BS, SO, AI, AR, GL, GR, SG,SH, TG, ZH, FL, sowie in den deutschspra-chigen Teilen von FR und VS). Trotzdemwerden lediglich zwischen 4% und 7% derKinder früher eingeschult, im Gegensatz zuca. 15% bis 20% der Kinder, welche einer

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Grundlagenstudie

Einschulungsklasse zugewiesen werden(Stamm, 2005).

Bei einem vorzeitigen Eintritt in den Kin-dergarten sind die Kantone allerdings zu-rückhaltender. In mehreren Kantonen ist ernicht geregelt oder dann untersagt. Gere-gelt ist er in den Kantonen LU, NW, OW, SZ,UR, BE, SO, AI, AR, GR, TG, ZH, FL und inden deutschsprachigen Teilen von FR undVS (Grossenbacher, 2007). Dort, wo ein frü-herer Eintritt in den Kindergarten möglichist, erfolgt er meist auf Antrag der Erzie-hungsberechtigten. Darüber hinaus wirdmehrheitlich ein positives Gutachten einerFachstelle verlangt.

Organisationen und Förderangebote

Offiziell gehören zwar Kinder im Vor-schulalter noch kaum zur Zielgruppe vonVereinen und Verbänden. Der geplante frü-here Schuleintritt und das Grund-/ Basis-stufenmodell dürften jedoch dazu führen,dass sich der ‚Elternverein für hochbegabteKinder’ (EHK), die ‚Association Suisse PourLes Enfants Précoces’ oder die ‚Associazio-ne genitori die giovani ad alto potenzialecognitivo in Ticino’ zukünftig verstärkt mitsolchen Fragen befassen müssen. Gleichesgilt für das ‚Netzwerk für Begabungsförde-rung’, einer Dienstleistung der ‚Schweizeri-schen Koordinationsstelle für Bildungsfor-schung’ in Aarau. Das Netzwerk wird von20 Kantonen der Deutschschweiz getragenund von den EDK-Regionalkonferenzen fi-nanziert. Des Weiteren verfolgt die privateStiftung für hochbegabte Kinder zusammenmit dem ‚Verein BegabungsförderungSchweiz-SwissTalent’ das Ziel, überdurch-schnittlich begabte Kinder zwischen vierund zwölf Jahren intellektuell und emotio-nal zu fördern. Sie will junge Menschen,deren Persönlichkeit, Kreativität und Fähig-keiten ausserordentliche Leistungen erwar-ten lassen, während ihres Aufwachsens un-terstützen.

Spezifisch auf junge Kinder ausgerichtet istdie Privatschule ‚Talenta’, die in ihre «Ta-lenta Take-off» seit 2007 auch kognitiv be-gabte vier- bis fünfjährige Kinder auf-nimmt. Fokussiert werden dabei Kinder mitaufkeimender Freude an naturwissen-schaftlichen Phänomenen und Zusammen-hängen, mit Freude am kreativen und hart-näckigen Tüfteln und Erforschen und/odermit einer ungewöhnlich engen und tief-gründigen Beziehung zu allem Sprachli-chen. Weitere private Schulen und ähnlicheFörderkonzepte befinden sich derzeit inmehreren Kantonen im Aufbau. Danebenfindet man für Kinder im Vorschulbereichauch Tagesschulen mit individueller Bega-bungsförderung. Ferner kooperieren einigeSchulen wie etwa die Schule Winterthurbei der Förderung überdurchschnittlich be-gabter Kinder mit den Kindergärten ihrerGemeinden.

In der Westschweiz und im Tessin verliefdie Entwicklung in den letzten Jahren an-ders als in der Deutschschweiz. Es gabkeine überkantonalen Instanzen wie das‚Netzwerk Begabungsförderung’ oder re-gionale EDK-Konferenzen, welche die The-matik aufgegriffen und bearbeitet hätten.Die Kantone der Romandie und der Tessinversuchen in der Schule derzeit meist,möglichst alle Kinder zu integrieren unddabei die Binnendifferenzierung voranzu-bringen. Im Hinblick auf die Förderungüberdurchschnittlich begabter Kinder imVorschulalter gibt es im Vergleich dazu al-lerdings wenig konkrete Konzepte.

Fazit

In der Schweiz gibt es viele benachteilig-te Kindergruppen, die nicht die gleichenEntwicklungschancen haben wie ohneBenachteiligungen aufwachsende Kin-der. Ein umfassendes FBBE-Angebot mitPersonal, das auf die besonderen Her-ausforderungen der Arbeit mit solchenGruppen vorbereitet ist, kann solche

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5 FBBE für alle? Benachteiligte junge Kinder in der Schweiz

Benachteiligungen egalisieren. Im Be-reich der Heilpädagogischen Früherzie-hung (HFE) sind die Finanzierungs- undFördermassnahmen von jungen Kindernmit besonderen Bedürfnissen derzeit imUmbruch. Dies gilt auch für das schlechtzugängliche Datenmaterial. Obwohl eingutes Angebot an Beratungsangebotenfür betroffene Familien vorhanden ist,fehlt ein gesamtschweizerisch einheitli-ches Vorgehen bei früh auftretendemheilpädagogischem Bedarf. Gleiches giltfür das andere Ende der Skala: Bislangexistieren keine Grundlagen für eine in-dividuelle vorschulische Förderung vonKindern mit besonderem Potenzial.

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Grundlagenstudie

6 Die Rolle der Eltern und die innerfamiliale Situation

Wissenschaftliche Ergebnisse zurSäuglings- und Kleinkindentwicklung

Mütter – und Väter – mit Kleinkindern, dieberufstätig sind und das Kind auch nochfremd betreuen lassen: die Wogen gehenhoch, und die Meinungen sind in derSchweiz mehr als nur gespalten. Währenddie Linke dieses neue Bild forciert, flächen-deckende Krippenplätze und Vorschulange-bote fordert, postuliert die Rechte die Stär-kung der Familie als Erziehungshoheit undeine Mutter, die zum Kind gehört und des-halb zu Hause bleibt. Sie befürchtet, dassmütterliche Berufstätigkeit und Fremdplat-zierung der Kinder die Erziehungsfunktionder Familie untergraben und das Kind Scha-den nehmen kann.

Diese Polaritäten sind nichts Neues. Auchin der internationalen Debatte gibt es überJahrzehnte hinweg derart widersprüchlichePositionen. Leider sind sie deutlich sozial-politisch motiviert: Kontrahenten der fami-lienergänzenden Betreuung argumentie-ren mit Entwicklungsrisiken, Protagonistenmit Entwicklungsvorteilen für die Kinder.Schliesslich gibt es auch gewisse Versuche,nachzuweisen, dass sich ausserfamilial be-treute Kinder auch nicht anders entwickelnals ausschliesslich familienintern betreuteKinder. Dies jedoch ist ein ebenfalls überra-schendes Fazit, da die familienergänzendeBetreuung im Vergleich zur Familienbe-treuung selbst bei hervorragender Betreu-ungsqualität zum Teil sehr kontrastierendsein kann. Tatsache ist, dass das junge Kindin seinen ersten drei Lebensjahren wegenseiner körperlichen und seelischen Verletz-lichkeit ganz besonders auf eine schützen-de und stabile Umgebung angewiesen ist.An die ihm am verlässlichsten zur Verfü-gung stehenden Personen bindet es sich.Die Stabilität seiner Beziehungen fördertdie soziale und kognitive Entwicklung.

Was weiss die Forschung insgesamt zurThematik? Durch die grossangelegte ameri-kanische NICHD-Studie, an der mehr als1’300 Kinder beteiligt sind, konnten einigeder dauerhaft diskutierten Probleme aufge-klärt werden (Duncan, 2003). Dies gilt inähnlichem Sinn für viele andere Studien(zusammenfassend: Roßbach, 2005). DieseStudien weisen nach, dass sich Kleinkinderdurch zeitlich beschränkte familienergän-zende Betreuungsverhältnisse nicht per seemotional und kognitiv nachteiliger entwi-ckeln, als wenn sie allein von der Mutteroder vom Vater betreut würden. Auch zei-gen solche Kinder nicht zwangsläufig eineschlechtere Bindung an ihre Mutter als in-nerfamilial betreute Kinder (Ahnert, Rickert& Lamb, 2000; Dornes, 2008). Es kommt je-doch bei der Wirkung von ausserfamilialerBetreuung auf junge Kinder darauf an, inwelchem Alter und welcher Intensität diesgeschieht, wie die Betreuungsqualität ist,wie die Eltern mit dieser Situation umge-hen und welche Beziehung zu der Betreu-ungsinstitution aufgebaut werden kann.

Diese Studien machen deutlich: Um Ent-wicklungsverläufe von Kindern mit undohne familienergänzende Betreuungserfah-rung richtig beurteilen zu können, darf mannicht so tun, als ob Kinder nur in ausser-häuslicher Betreuung statt zu Hause auf-wachsen. Vor allem Ahnert (2006) weistauf die enorme Bedeutung des geteiltenBetreuungsfeldes hin, bei dem die Familienach wie vor eine zentrale Rolle spielt. Ins-gesamt konnten diese Studien Annahmenüber prinzipiell defizitären Betreuungser-fahrungen familienergänzend betreuterKinder zurückweisen. Sie machten deutlich,dass Betreuungserfahrungen über die Pro-zessqualitäten der betreuenden Institution,über Haltungen und Einstellungen des Per-sonals bestimmt werden müssen und nichtbei quantitativen Zeitmassen stehen blei-

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6 Die Rolle der Eltern und die innerfamiliale Situation

ben dürfen. Bekannt ist jedoch auch, dassein langer Aufenthalt in einer öffentlichenKindereinrichtung über viele Stunden mitnachlassender kindlicher Aufmerksamkeitund verminderter mütterlicher Sensitivitätverbunden sein kann. Verschiedentlich pro-blematisiert die Forschung deshalb hohezeitliche Anteile von Krippenbetreuung imersten Lebensjahr. Es ist jedoch vor allemdie Qualität der Mutter-Kind-Beziehung indieser Zeitspanne, welche die spätere Fä-higkeit des Kindes, sich an andere Perso-nen sicher zu binden, prägt. Familienergän-zende Betreuung hat darauf wenig Einfluss.Aber: Schlechte Betreuungsqualität beein-trächtigt die Mutter-Kind-Bindung.

Benachteiligte und privilegierter auf-wachsende Kinder

Profitieren alle jungen Kinder gleichermas-sen von familienergänzender Betreuung?Insgesamt belegt die Forschung folgendeSachverhalte: Kinder aus sozialschwachenund bildungsfernen Familien profitierenvon familienergänzender Betreuung beson-ders, selbst wenn die Qualität nicht dieBeste ist. Kinder aus privilegierteren Famili-en scheinen jedoch eher einen Nachteil da-durch zu haben, wenn sie sich zu lange inmittelmässiger familienexterner Betreuungaufhalten und deshalb keinen Nutzen ausihrer guten Familienbetreuung ziehen kön-nen. Die Forschung spricht hier von ‚Ent-wicklungspuffern’: Bei suboptimaler famili-ärer Betreuungsqualität scheint die famili-energänzende Betreuung die negativenEinflüsse auf die kindliche Entwicklung ab-zuschwächen und sich positiv auf die Ent-wicklung auszuwirken. Ist hingegen die Fa-milienbetreuung optimal, dann besteht dieGefahr, dass die kindliche Entwicklungnicht so verläuft wie sie verlaufen wäre,wenn keine öffentliche Betreuung in An-spruch genommen worden wäre. Zuneh-mend mehr Studien belegen deshalb, dassKinder in ihrer kognitiven und sprachlichen

Entwicklung der ersten 1.5 Jahre von einerausschliesslichen Familienbetreuung mitinformeller Tagesbetreuung profitieren,wenn man ihre Entwicklung mit derjenigenvon Kindern in institutioneller Betreuungguter Qualität vergleicht (Duncan, 2003).Um allen Kindern eine optimale Entwick-lung garantieren zu können, muss öffentli-che Betreuung deshalb in höchster Qualitätangeboten werden. Es müssen sowohlstrukturelle (Betreuungsschlüssel, Grup-pencharakteristiken) als auch inhaltlicheAspekte (pädagogische Orientierungen) derFBBE-Angebote diskutiert und sowohl Min-dest- als auch Maximalanforderungen be-stimmt werden.

Grundlagen angemessener Betreuungs-formen

Wichtig ist festzuhalten, welche Grundla-gen für die Bereitstellung entwicklungsan-gemessener Betreuungsformen berücksich-tigt werden müssen. Wir stützen uns dabeiausschliesslich auf wissenschaftliche Studi-en, welche Bildungs- und Entwicklungspro-zesse ‚vom Kinde aus’ untersuchen. Ent-sprechend treten ‚vom Erwachsenen aus’formulierte Leitvorstellungen, wie ein Kindin welchem Alter sein und was es tun soll-te, weitgehend in den Hintergrund.

Heute gehören Interaktionsmodelle – diebeschreiben, wie das Kind aktiv auf die Um-welt einwirkt und seinerseits aktiv von die-ser beeinflusst wird – zu den favorisiertenEntwicklungsmodellen. Auf dieser Basisgehen wir davon aus, dass das Kind auf be-stimmte Weise lernt, seine Fähigkeiten ein-zubringen, indem es dazu angehalten, er-mutigt (oder auch gedrängt!) wird, be-stimmte Potenziale stärker zu entwickelnals andere, auf bestimmte Dinge besser zuachten und bestimmte Gefühle eher zuzu-lassen als andere. Die Wissenschaft sprichtdabei von Kind-Umwelt-Passung. Schondurch die genetische Ausstattung und dasTemperament ist jedes Kind unterschied-

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Grundlagenstudie

lich veranlagt. Dies ist der Hauptgrund,weshalb die Professionalität der Betreu-ungsperson eine derart zentrale Rollespielt. Gerade die NICHD-Studie – für dieSchweiz jedoch auch die Follow-up-Studievon Lanfranchi (2008) verweisen auf dieSchlüsselrolle der Eltern: In der NICHD-Stu-die ist die mütterliche Sensitivität die rele-vante Variable im Hinblick auf den späte-ren Schulerfolg, in der Lanfranchi-Studie istes die elterliche Bildungsaspiration. Im Er-gebnis bedeutet dies, dass eine qualitativhochstehende und den Bedürfnissen desKindes optimal entsprechende Betreuungdie Eltern nur positiv ergänzen, aber nie er-setzen kann.

Engagement und Mitbestimmungvon Eltern in der ausserfamilialenFBBE

Der ‚Schweizerische Bund für Elternbil-dung’ (SBE) ist Träger der ‚Fachstelle El-ternmitwirkung’. Sie fungiert als ein Organder Elternbeteiligung, das den Eltern schonvor Schuleintritt des Kindes zur Verfügungsteht. Die Fachstelle ist Partnerin des ‚Netz-werkes Bildung und Gesundheit’ und wirdunterstützt vom ‚Bundesamt für Gesund-heit’ (BAG) sowie der ‚Konferenz der kanto-nalen Erziehungsdirektoren’ (EDK). Sie bie-tet Informationen zu den Themen Erzie-hung, Elternbildung, Gesundheit, Präventi-on und Wissenschaft, ein Angebot an Netz-werkpartnern, Einsicht in Projekte von El-terngremien, Hinweise auf Veranstaltun-gen, Links und Publikationen im In- undAusland sowie aktuelle Entwicklungen ausden Kantonen. Trotz dieses Angebotes be-stehen organisierte Mitwirkungsmöglich-keiten in der Deutschschweiz in der Regelerst ab Schuleintritt. Dies zeigt sich aucham Beispiel der ‚Schweizerischen Vereini-gung der Elternorganisationen’ (SVEO), derDachorganisation von Elternvereinigungenin der deutschsprachigen Schweiz. Ihr Bera-tungs- und Informationsangebot ist nicht

speziell auf FBBE zugeschnitten, sondernumfasst allgemein Kinder- und Jugendein-richtungen.

Ähnlich sieht die Situation in der italie-nischsprachigen Schweiz aus: Eltern habensowohl in den asili nidi als auch in der scuo-la dell’ infanzia kein Entscheidungsrecht. El-ternabende beschränken sich hauptsäch-lich auf Informationen und das Engage-ment der Eltern auf Einzelaktivitäten. Esgibt im Tessin derzeit keine Elternorganisa-tionen, die sich speziell in FBBE-Einrichtun-gen engagieren würden. In der Romandiekönnen die Eltern den ,comités des institu-tions de la petite enfance’ (IPE) beitretenund auf diese Weise ein Mitspracherechterlangen. Bereits im Kindergarten gibt esdiese Möglichkeit über die Elternvereini-gung ‚Association des parents d’élèves’(APE), die in der gesamten Romandie ver-treten ist.

In der deutschen Schweiz ist die Elternmit-wirkung nach Angaben der ‚Fachstelle El-ternmitwirkung’ in vorschulischen Einrich-tungen nicht gesetzlich verankert. Im schuli-schen Bereich formuliert Zürich als einzigerKanton eine gesetzliche Pflicht zur Eltern-mitwirkung, einige weitere Kantone gebenEmpfehlungen dazu ab. Zwar gibt es famili-energänzende Einrichtungen, die Elternar-beit leisten. Dies geschieht jedoch oft imRahmen individueller Engagements. Ein ex-emplarisches Beispiel dafür sind die Krippendes Vereins ‚ABB Kinderkrippen’, die inihrem Konzept eine enge Zusammenarbeitmit den Eltern betonen. Eine Vereinsmit-gliedschaft der Eltern ist hier sogar Vorraus-setzung, um einen Krippenplatz in einer derzehn Krippen zu erhalten. Ähnliche Zieleverfolgt das Projekt des Vereins Arbeitge-berkrippen («bildungskrippen.ch.»).

Insgesamt haben Eltern somit nur begrenztMöglichkeiten, die Qualität und Arbeit inden Betreuungseinrichtungen zu beeinflus-sen. Da die meisten Einrichtungen objektfi-nanziert werden, d.h. da die Subventions-

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6 Die Rolle der Eltern und die innerfamiliale Situation

beiträge direkt an die Betreuungsinstituti-on fliessen, verfügen Eltern auch in finanzi-eller Hinsicht über wenig Mitbestimmung,beispielsweise durch die freie Wahl einerbestimmten Frühfördereinrichtung. Kön-nen sie es sich leisten, eine private Betreu-ungseinrichtung in Anspruch zu nehmen,kann die Mitbestimmung je nach pädagogi-schem Konzept der Einrichtung deutlicherverankert und daher stärker möglich sein.Anders gestaltet sich die Situation, wennEltern eigenaktiv werden: Im Kanton Zürichgenügt laut Volksschulgesetz eine Nachfra-ge von mindestens zehn Familien, damiteine Gemeinde aktiv werden muss und ge-zwungen ist, eine Tagesbetreuungsstrukturzur Verfügung zu stellen. Die ‚Familien-plattform des Schweizerischen Arbeitge-berverbandes’, ‚pro juventute’ sowie ‚ProFamilia Schweiz’ unterstützen Eltern beider Gründung einer Kindertagesstätte. Sogeht die Initiative ‚KiKi-Schweiz’ beispiels-weise auf das Engagement zweier Familien-väter zurück, die sich das Ziel gesetzthaben, bis 2013 100 Kinderkrippen in derDeutschschweiz zu eröffnen (www.kiki-schweiz.ch).

Eltern(-weiter)bildungsangebote

Elternbildung ist von zentraler Bedeutung,um die eigenen Kinder ab Geburt kompe-tent in ihrer Entwicklung unterstützen zukönnen, Probleme zu erkennen und even-tuell notwendige Präventionsmassnahmeneinzuleiten. Dass diese Aussage nicht nurfür unterprivilegierte Familien und solchemit Migrationshintergrund gelten muss,zeigt sich am enormen Interesse, das El-ternbildungsangeboten auch von bildungs-nahen Eltern entgegengebracht wird.

Eltern(-weiter)bildung wird vor allem überden SBE organisiert. Die über 1'000 Weiter-bildungsträger in der Schweiz sind meistprivat organisiert und zu kantonalen Ar-beitsgemeinschaften zusammengeschlos-sen. Es gibt aber auch kantonal unvernetz-

te Angebote, viele davon ehrenamtlicherArt. Kleinere Dachorganisationen, die teil-weise Mitglied des SBE sind, organisierenWeiterbildungsangebote. Diese werdenvon Elternbildnern oder Fachpersonen mitpädagogischem und/oder psychologischemHintergrund geleitet. Lehrgänge, die mitdem Zertifikat «Elternbildner/-in SBE» ab-schliessen, dauern berufsbegleitend in derRegel ca. drei Jahre. Anbieter sind bei-spielsweise der ‚Verein Elternbildung Kan-ton Bern’ (VEB), die ‚EB Zürich’ (KantonaleBerufsschule für Weiterbildung) oder die‚Conferenza Cantonale dei Genitori’ im Tes-sin ab Herbst 2009. Ein anerkanntes Ab-schlusszertifikat stellt auch der «Aus-bilder/-in mit eidgenössischem Fachaus-weis» dar. Des Weiteren existiert der Ab-schluss eines Zusatzmoduls «Eltern-bildung» in Erwachsenenbildner/-innen-Lehrgängen mit einem Zertifikat des‚Schweizerischen Verbandes für Weiterbil-dung’ (SVEB).

Standardisierte, nach einem bestimmtenpädagogischen Programm organisierte El-ternbildungsangebote, die sich im Beson-deren an Eltern von Kleinkindern richtenund von verschiedenen Weiterbildungsan-bietern (SBE, Verein Gordon-Training,PEKiP e.V., Naturspielhaus Eltern & Kind,Elternbildung Kanton Zürich, ElternbildungBaselland, Institut für Familienforschungund -beratung der Universität Fribourgetc.) oder professionellen Kurs- oder Grup-penleiter/-innen beziehungsweise Mentor/-innen in der Schweiz angeboten werden,sind beispielsweise:

• ‚Gordon-Training’ – ein Programm, dashauptsächlich auf Konfliktlösungen zwi-schen Eltern und Kind ausgerichtet ist;

• ‚PEKiP (Prager-Eltern-Kind-Programm)’– ein Bewegungs- und Kontakttrainingin Gruppen von sechs bis acht Eltern imersten Lebensjahr des Kindes;

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Grundlagenstudie

• ‚Safe® (Sichere Ausbildung für Eltern)’ –ein Produkt des Deutschen Kinder-schutzbundes, konzipiert als Trainings-programm zur Förderung einer siche-ren Bindung zwischen Eltern und Kindmit Beginn schon in der Schwanger-schaft. Mittlerweile gibt es auch SAFE®-Mentor/-innen in der Schweiz und inÖsterreich;

• ‚Starke Eltern – Starke Kinder®’ – einKonzept zur Stärkung der Erziehungs-kompetenz von Eltern oder Grossel-tern;

• ‚STEP – Gemeinsam stark’ – ein Pilot-projekt zur Stärkung der Erziehungs-partnerschaft zwischen Elternhaus undKindergarten zum Wohl des Kindes;

• ‚Triple P (Positive Parenting Program)’ –stärkt die Eltern und baut auf den vor-handenen Erziehungsstärken auf. TripleP wurde in der Schweiz in Kooperationmit dem SBE eingeführt. Das Institut fürFamilienforschung und -beratung derUniversität Fribourg ist Lizenzträger.

Das wohl gesamtschweizerisch am dichtes-ten verbreitete Angebot im Bereich der El-ternbildung- und Unterstützung bietet der‚Arbeitgeberverband der Mütter- und Vä-terberatung der Schweiz und des Fürsten-tums Liechtenstein’ (AGMV) und der‚Schweizerische Berufsverband der Mütter-beraterinnen’ (SVM) mit einem europaweiteinzigartigen Programm an. Der SVM lan-cierte 1993 ein einheitliches Logo mit demAGMV, das sich als MVB (SchweizerischeMütter- und Väterberatung) jedoch nichtüberall durchgesetzt hat. Wenn im Folgen-den von MVB die Rede ist, ist immer dasProgramm der Mütter- und Väterberatunggemeint. Nur in Finnland existieren nochähnlich umfassende Angebote wie jene derMVB. Diese stehen ausnahmslos allen El-tern zur Verfügung. Das niederschwellige,für die Eltern kostenlose Angebot wird von90% der Familien in der Schweiz in An-

spruch genommen. Es ist für Kinder ab derGeburt bis zu einem Alter von fünf Jahrenkonzipiert. Die Beratungsfachleute stehenvor Ort mit Hausbesuchen bei allen Fragender Eltern rund um das Thema Gesundheitund Erziehung zur Verfügung. Mütter- undVäterberater/-innen haben in der Deutsch-schweiz eine Grundausbildung in Kinder-krankenpflege oder eine gleichwertige Aus-bildung sowie ein «NachdiplomstudiumMütter- und Väterberatung» (HF) am ‚Wei-terbildungszentrum für Gesundheitsberufe’(WE’G) in Aarau absolviert. In der Roman-die und im Tessin ist die Ausbildung jeweilsunterschiedlich organisiert und im Um-bruch begriffen. Geplant ist, nach Aussagendes MVB, die Romandie stärker in dasdeutschschweizer System zu integrieren,um so eine gesamtschweizerische Vernet-zung der Mütter- und Väterberatung zu er-reichen. Problematisch ist jedoch, dassMütter- und Väterberater/-innen zwar eineallseits geschätzte und nachgefragteDienstleistung erbringen, trotzdem beteili-gen sich die zuständigen Gemeinden je-doch nicht an den Weiterbildungskosten.Zudem ist die Entlöhnung für diese qualifi-zierte Arbeit gering. Vor allem sind deshalbfinanzielle und personelle Ressourcen, inerster Linie jedoch eine qualifizierte Ausbil-dung aller Berater/-innen notwendig, umdieses bedeutende und gut angenommeneAngebot stärker zu unterstützen.

In der Romandie gibt es spezielle (Aus-)Bil-dungsangebote für Eltern: ‚La fédérationsuisse pour la formation des parents’(FSFP) bietet Ausbildungen und Reflexions-gruppen an und lancierte zudem zusam-men mit dem SBE die Kampagne «L’Educa-tion donne la force» («Stark durch Erzie-hung») auch in der Romandie. Die «Ecoledes parents» (Standorte in den KantonenGE, FR, VD, NE, JU, VS) ist eine öffentliche,soziale Einrichtung, die interessierte Elternschult und begleitet. Das ‚Institut de forma-tion des parents’ (IFP) in Lausanne hat sich

70

6 Die Rolle der Eltern und die innerfamiliale Situation

zum Ziel gesetzt, die elterlichen Erzie-hungskompetenzen zu entwickeln. Dach-verband von Organisationen in der Roman-die ist meist auch der SBE. Im Tessin bietetspeziell der Verein ‚Associazione Famigliediurne’ Weiterbildungsangebote für Elternan und verschiedene Ableger der Elternbil-dung des SBE gibt es auch im Tessin.

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Die Schweiz besitzt im Vergleich zu ihrenNachbarländern eine der höchsten Frauen-erwerbsquoten mit 59% im Jahre 2005(BfS, 2007). Frankreich und Deutschlandliegen mit zwischen 45% und 50% zurück.Noch deutlicher gilt dies für Italien (35%).Nur Dänemark, Island, Kasachstan und Nor-wegen haben mit über 60% eine höhereQuote. Ein differenzierter Blick in die Sta-tistik zeigt jedoch, dass Frauen vor allemTeilzeittätigkeiten nachgehen. Gemäss Ab-bildung 6.1 gehen durchschnittlich nuretwa 30% einer Vollerwerbstätigkeit nach(Stadelmann-Steffen, 2007). Die höchsteErwerbsquote generell verzeichnet der

Kanton Appenzell Innerrhoden mit 81%,die höchste Vollzeiterwerbsquote der Kan-ton Obwalden (42%), die niedrigste derKanton Jura (22%). Der mittlere Beschäfti-gungsgrad der Teilzeit (weniger als 30h proWoche) arbeitenden Frauen ist im KantonGenf mit 51% am höchsten, im Kanton So-lothurn mit 38% am tiefsten.

Interessanterweise würden nicht berufstä-tige Frauen jedoch gerne arbeiten. Aus Ab-bildung 6.2 wird ersichtlich, dass 13% derFrauen in der Deutschschweiz bis zu achtStunden und 31% bis zu 16 Stunden arbei-ten möchten. In der Romandie und im Tes-sin möchten generell mehr Frauen arbeitenund auch in grösserem Ausmass: 44% biszu 24 Stunden und 20% Vollzeit (40 Std;BfS, 2008).

Mit der hohen Teilzeitbeschäftigungsquoteverbunden ist die Problematik, dass imTieflohnsektor am meisten Teilzeitstellenangesiedelt sind. In Folge dessen sind esmeist Ausländerinnen, die verstärkt Teilzeitarbeiten. Dies hat vor allem ökonomischeGründe. Allerdings handelt es sich bei

71

JU UR VS NE FR AG BS LU TI BE SO SH VD ZH SZ GR BL AR

SG GE

ZG TG AI

NW GL

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CH (M

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0 %

20 %

40 %

60 %

80 %

100 %

Erw erbsquote Vollzeiterw erbsquote Mittlerer Beschäfti-gungsgrad der Teilzeit erw erbstätigen FrauenAngaben in Prozent

Abb. 6.1: Frauenerwerbstätigkeit in den Schweizer Kantonen im Überblick (Stadelmann-Stef-fen, 2007, S. 592)

Grundlagenstudie

einem grossen Teil der Ausländerinnenauch um gut ausgebildete bis hoch qualifi-zierte Fachleute, die nicht in Niedriglohn-bereichen arbeiten. Gerade diese Frauenwürden oft gerne vermehrt berufstätigsein, wenn die Rahmendbedingungen derKinderbetreuung entsprechend gestaltetwären. Dies gilt jedoch auch für Schweize-rinnen. Dazu kommt, dass angesichts deszunehmenden Fachkräftemangels und derTatsache, dass das Qualifikationsniveau derjungen Frauen dasjenige der Männer über-holt, die qualifizierte weibliche Arbeitskraftzukünftig eine immer wichtigere Bedeu-tung bekommen wird. Diese Tatsache wirdeine fundierte Familienpolitik unumgäng-lich machen.

Beruf und Kinderbetreuung

Wollen Eltern nach der Geburt eines Kindesbeide berufstätig sein oder besteht auf-grund der Familiensituation die Notwen-digkeit dazu, sind sie auf eine Fremdbe-treuung angewiesen. Aus Abbildung 4.3 (s.

Seite 38) ist bereits deutlich geworden,dass ein Grossteil der Betreuung von Gross-eltern, Familienangehörigen oder nahenVerwandten geleistet wird, viele Eltern je-doch trotzdem auf ein institutionalisiertesAngebot angewiesen sind.

Die Vollbetreuung eines null- bis vierjähri-gen Kindes kann in der Schweiz bis zu 3’000CHF/Monat kosten. Die Preise variierenhier aber stark nach Kanton, Trägerschaftund finanziellen Möglichkeiten der Eltern.In Basel-Stadt beispielsweise beträgt dieVollzeitbetreuung ohne staatliche Subven-tionierung der Eltern 2'200 CHF/Monat,während der Mindestbetrag bei staatlicherSubventionierung 300 CHF/Monat aus-macht. Gerade für Familien mit mittleremEinkommen lohnt es sich unter diesen Be-dingungen häufig nicht, ein Kind fremd be-treuen zu lassen, da die Betreuungskostendie Mehreinnahmen durch eine zweite Be-rufstätigkeit fast vollständig aufzehren(SECO, 2005; Bütler, 2006). Gerade im mitt-leren Einkommenssegment bleiben daher

72

Bis zu 8 Stunden

Bis zu 16 Stunden

Bis zu 24 Stunden

Bis zu 32 Stunden

Bis zu 40 Stunden

> 40 Stunden0%

20%

40%

60%

13.0% 13.0%

31.0% 31.0% 37.0% 37.0%

9.5% 9.5% 6.0% 6.0% 4.9% 4.9% 4.9% 4.9%

18.0% 18.0%

44.0% 44.0%

17.0% 17.0% 13.0% 13.0%

4.0% 4.0%

Deutschschweiz (N = 49'000)

Romandie und Tessin (N = 27'000)

Abb. 6.2: Gewünschtes Arbeitsvolumen nicht erwerbstätiger Mütter (Banfi, Iten, & Medici,2007)

6 Die Rolle der Eltern und die innerfamiliale Situation

die Frauen oft aus finanziellen Gründen zuHause und kümmern sich um den Nach-wuchs. Tabelle 6.1 verdeutlicht die Gründe,warum ausserfamiliale Betreuung mögli-cherweise nicht in Anspruch genommenwird. Am häufigsten, d.h. zu 39%, nennenFrauen die zu hohen Kosten. Am zweithäu-figsten sind es mangelnde Betreuungsplät-ze (29.5%), gefolgt von der zeitlichen Limi-tierung (10.1%) und der mangelnden Quali-tät (8.4). Solche Gründe können ausschlag-gebend dafür sein, weshalb sich Familienimmer noch häufiger für das traditionelleals für ein egalitäres Rollenmodell entschei-den, (Bürgisser & Baumgarten, 2006).

Wo bleiben insgesamt die Väter? Die bishe-rigen Ausführungen haben deutlich ge-macht, dass eine stärkere Einbindung derVäter offenbar noch nicht greift. Der Anteilder teilzeitarbeitenden Männer betrug 200512% (BfS, 2008). Zu Recht sprach der Dach-verband der Schweizer Männer- und Väter-organisationen ‚männer.ch’ am Schweizeri-schen Vätertag 2007 von einem «väterpoli-tischen Entwicklungsland Schweiz». Männerkönnen keinen staatlich unterstützten Vä-terurlaub nehmen, weniger Teilzeit arbei-ten und erhalten nach einer Scheidung sel-tener das Sorgerecht für ihre Kinder. In Er-zieherberufen sind sie unterrepräsentiert.Dank der Arbeit von Väterorganisationenwie ‚maenner.ch’ gewinnt die Väterbeteili-gung im öffentlichen Diskurs an Relevanz.Zunehmend wird in Unternehmen übereinen Vaterschaftsurlaub nach europäi-schem Vorbild diskutiert, und in den Ge-werkschaften werden entsprechende For-

derungen in Gesamtarbeitsverträgen ver-ankert. ‚männer.ch’ setzt sich auch für denvermehrten Einsatz von männlichen Erzie-hern im Kindergarten ein sowie für das Sor-gerecht für engagierte Väter nach einerehelichen Trennung.

Solche Entwicklungen werden von der deraktuellen pädagogischen und psychologi-schen Forschung unterstützt: Sie weistnach, dass auch der Vater zur primären Be-treuungsperson werden kann und damitkeine negativen Entwicklungsfolgen für dasKind verbunden sind. Väter könnten somitzukünftig einen verstärkten Beitrag zurNeutralisierung der in den letzten Jahrenzunehmend problematisch gewordenenBetreuungssituationen leisten. Aufgrundsinkender Geburtenzahlen und gewachse-ner Achtung vor der kindlichen Individuali-tät haben sich die Erwartungen an einenpflegeleichten und perfekten Entwicklungs-verlauf des Kindes enorm gesteigert undeinen neuen Muttermythos entstehen las-sen, der die mütterliche Betreuung nichtnur fast ins Absurde hochstilisiert, sondernder Mutter auch die (fast) alleinige Beweis-last für eine gelungene Kindesentwicklungzuspricht. Damit hat die politische Rechtein der Schweiz die Monotropie (aufgezogenvon nur einer Person) zum kaum hinter-fragten Garant einer gesunden kindlichenEntwicklung empor stilisiert. Weshalb je-doch ist bislang fast undiskutiert geblieben,dass diese Ausschliesslichkeit der mütterli-chen Betreuung in der internationalen For-schung eher mit entwicklungspathologi-schen Merkmalen in Zusammenhang ge-

73

Tab. 6.1: Gründe, die von den Müttern für die ungenügende Kinderbetreuung angegebenwurden (BfS/SAKE, 2005)

Angegebener Grund Anteil in %

Zu hohe Betreuungskosten 39.0

Mangel an Betreuungsmöglichkeiten 29.5

Zeitliche Limitationen der Kinderbetreuung 10.1

Mangelnde Qualität der ausserfamilialen Kinderbetreuung 8.4

Andere Gründe 13.0

Grundlagenstudie

bracht wird? Weshalb ist nie die Rede vonden problematischen Auswirkungen müt-terlicher Überbehütung oder früher, intel-lektueller Überforderung? Sie können denaktiven Selbstentfaltungskompetenzen desKindes deutlich entgegen stehen und sichin klinischen Symptomen wie späterer Leis-tungsängstlichkeit, Leistungsmotivations-problemen, Schwierigkeiten in der Bindungan Gleichaltrige oder gar in Depressionenäussern. Auch nicht zur Kenntnis genom-men worden ist, dass mit Blick auf die glo-bal unterschiedlichen Kulturen und unterEinbezug der historischen Perspektive dieausschliessliche Betreuung durch die Mut-ter nur eine Variante in den weltweit prakti-zierten multiplen Betreuungsarrangementsdarstellt.

Familienpolitik und Arbeitsmarkt

Wie alle europäischen Länder verfügt auchdie Schweiz über eine Mutterschaftsversi-cherung. Diese regelt die Anspruchsberech-tigung von arbeitstätigen Frauen, die einKind zur Welt bringen. Anspruchsberech-tigt sind Frauen, wenn sie während derSchwangerschaft im Sinne des AHVG obli-gatorisch versichert, während dieser Zeitmindestens fünf Monaten erwerbstätigund zum Zeitpunkt der Geburt Arbeitneh-merin, selbstständig erwerbend oder imBetrieb des Mannes beschäftigt waren. DerAnspruch besteht ab Geburt 16 Wochenlang und endet mit der (eventuell vorzeiti-gen) Wiederaufnahme der Erwerbstätig-keit. Anschliessend behält die Frau dreiMonate lang einen Kündigungsschutz. Iminternationalen Vergleich gewährt dieSchweiz damit einen geringen Mutter-schutz. In den skandinavischen Ländernbeispielsweise kann der Mutterschutz auchvom Vater in Anspruch genommen werdenund dauert in der Regel zwölf Monate.Während dieser Zeit kann die Familie wei-terhin einen Teil des vorherigen Lohns desjeweiligen Partners beziehen.

Sozialpolitik

Nach der Geburt hat die Familie Anspruchauf eine staatliche Kinderzulage, die biszum 16. Lebensjahr des Kindes ausgerich-tet wird. Zum Anspruch auf Familienzula-gen berechtigen die eigenen Kinder, Stief-und Pflegekinder sowie Geschwister undEnkelkinder, wenn der Gesuchsteller inüberwiegendem Masse deren Unterhalt si-chert. Die Kinderzulagen betragen ab1.1.2009 mindestens 200 CHF und sinddamit einheitlicher geregelt als vorher, ob-wohl einige Kantone höhere Zulagen ge-währen (BSV, 2008). Die kantonale Spanneumfasste bis Dezember 2008 160 bis 370CHF. Weitere Familienzulagen wie vergüns-tigte Billetpreise oder ähnliches zählen zuden Familienzulagen. Staatliche Hilfen wieSozialhilfe, Krankenkassenprämienverbilli-gung, Hinterlassenenrenten oder Invaliden-und Arbeitslosenversicherungen bildenweitere Sozialmassnahmen, die speziell be-dürftigen Familien zu Gute kommen.

Steuerpolitik und Bedarfsleistungen

Steuerpolitisch bestehen starke kantonaleSchwankungen (BfS, 2008 – Familien in derSchweiz). Steuerpolitische Abzüge betra-gen im Tessin bis zu 11'000 CHF und imKanton Neuchâtel nur ca. 3'000 CHF proKind. Verheiratete Paare werden nach wievor gegenüber Konkubinatspaaren steuer-lich benachteiligt, da die Einkommen bei-der Partner addiert und als Gesamtbetragbesteuert werden. Für Kinder können jenach Kanton jedoch geringe Pauschalabzü-ge geltend gemacht werden sowie allfälliganfallende Kosten für die Fremdbetreuungdes Kindes.

Über spezielle Bedarfsleistungen für be-nachteiligte Familien mit ungenügendemEinkommen verfügen derzeit elf Kantone(ZH, LU, GL, ZU, FR, SH, SG, GR, TI, NE undVD). Der Maximalbetrag ist hier auf 2'000CHF/Monat festgesetzt. Abbildung 6.3 zeigt

74

6 Die Rolle der Eltern und die innerfamiliale Situation

die Anteile staatlicher Unterstützungsmass-nahmen für Paare mit zwei Kindern auf. DieFamilienzulagen bilden den grössten Teilmit 72%. Mit knapp 10% kann eine Prämi-enverbilligung bei einer Krankenkasse an-gerechnet werden. 7% kommen gegebe-nenfalls aus der Arbeitslosenversicherung,der Rest teilt sich auf andere Ergänzungs-leistungen und Versicherungen auf.

Die Rolle der Schweizer Unternehmen

Es sind nicht nur viele junge Schweizer Fa-milien, die sich eine bessere Vereinbarkeitvon Beruf und Familie wünschen. Auch dieUnternehmen profitieren von Massnah-men zur Familienfreundlichkeit. So errech-nete 2005 die Prognos AG in einer Modell-rechnung auf der Grundlage von 20Schweizer Unternehmensdaten eine 8%igeRendite eines mittleren Schweizer Unter-nehmens auf Investitionen in familien-freundliche Massnahmen wie beispielswei-se flexible Arbeitszeiten, Jobsharing undbetrieblich organisierte Kinderbetreuungs-massnahmen. Demzufolge erzielt ein mitt-leres Unternehmen, trotz seinen Investitio-nen in Frauen, die einen Mutterschutz inAnspruch nehmen und trotz oder geradewegen seinen familienfreundlichen Mass-nahmen einen finanziellen Gewinn undeinen zusätzlichen Marktvorteil.

Was jedoch verbirgt sich hinter dem Aus-druck «familienfreundliche Massnahmen»?Auf der Basis des international vergleichen-den OECD-Berichts «Babies and Bosses»(2007) hat die SECO (2004) die Stärkungvon familienfreundlichen Massnahmen inSchweizer Unternehmen durch die Erhö-hung einer Vollzeit-Erwerbsbeteiligung derFrauen durch staatliche unterstützte famili-energänzende Betreuungsstrukturen emp-fohlen. Diese Empfehlungen und Forderun-gen sind im «KMU-Handbuch Beruf und Fa-milie» zusammengefasst. Es definiert fami-lienfreundliche Massnahmen über fünfSchwerpunkte:

• flexible Arbeitszeiten wie Teilzeitarbeitund Job-Sharing sowie Jahresarbeitszei-ten, die es ermöglichen sollen, die Ar-beitszeit flexibel über das gesamte Jahraufzuteilen;

• auf flexible Arbeitszeiten eingestellte Ar-beitsorganisation mit entsprechend för-derlichem Betriebsklima;

• familienbezogene Urlaubszeiten, d.h.Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub;

• flexible Arbeitsorte und Weiterbildungs-möglichkeiten für Mütter und Väter;

• Unterstützung des Unternehmens beider Kinderbetreuung.

75

Grundlagenstudie

Das «KMU-Handbuch Beruf und Familie»gibt auch Anregungen, wie sogar in kleine-ren und mittleren Unternehmen Angebotezur Familienfreundlichkeit umgesetzt wer-den können, ohne dabei dem Unterneh-men wirtschaftlich zu schaden, sondern esvielmehr noch attraktiver werden zu las-sen. Familienfreundlichkeit hat jedoch inder derzeitigen Unternehmenspraxis vieleGesichter.

Viele Schweizer Unternehmen haben dieseZusammenhänge verstanden. Dies äussertsich unter anderem darin, dass die ‚Famili-enplattform Schweiz’ (Informationen undHilfe zur Vereinbarkeit von Familie undBeruf vom ‚Schweizerische Arbeitgeberver-band’, von ‚Pro Familia’ und ‚Pro Juven-tute’) jeden Monat ein Unternehmen be-ziehungsweise eine Organisation für Bemü-hungen um Familienfreundlichkeit aus-zeichnet. Im September 2008 war es dieBraun Medical AG, die für ihr finanzielleUnterstützung von Kinderhorten und Ta-gesmüttern, die Reduktion des Arbeitspen-sums von Müttern sowie für die Erleichte-rung von Betreuungsleistungen für krankeFamilienangehörigen als Unternehmen desMonats geehrt wurde. Gleichzeitig konntedie Medical AG ihren Gewinn steigern.

Der ,Verein Arbeitgeberkrippen’ hat 2007das Projekt «Bildungskrippen» zusammenmit den Geschäftsleiterinnen der thktGmbH lanciert. Sie haben sich zum Ziel ge-setzt, zusammen mit zehn Einrichtungenein Schweizer Modell für die Bildungsarbeitin Kinderkrippen zu entwickeln auf derGrundlage der Modelle des Forschungsin-stitutes ‚infans’ in Berlin. Nach erfolgrei-chem Projektabschluss soll das Konzepteiner breiteren Praxis zur Verfügung ste-hen. Die ‚Fachstelle UND’ und die ‚Famili-enmanagement GmbH’ setzen sich alsübergeordnete Instanzen für die Vereinbar-keit von Beruf und Familie in der Schweizein. Der ‚Familienservice’ mit dem ‚VereinArbeiterkrippen’ kümmert sich explizit um

die Schaffung von Kinderbetreuungsplät-zen durch die Unternehmen selbst. DerVerein bietet aktuell mehr als 200 Betreu-ungsplätze in der ganzen Schweiz an. DesWeiteren unterstützt der ‚Childcare ServiceSchweiz’ mit Vereinen in Zürich, Bern,Basel und Genf Unternehmen schweizweitin der Gründung von Krippen. Der Vereinvernetzt derzeit 124 Mitgliedsfirmen.

Trotz diesen stärker werdenden Bemühun-gen von Verbänden, Organisationen undUnternehmen selbst besteht noch erhebli-cher Handlungsbedarf. Häufig bieten dieUnternehmen beispielsweise keine eigenenKinderbetreuungsplätze an, sondern helfenausschliesslich bei der Suche oder stellennicht ausreichend reservierte Betreuungs-plätze in Kooperationskrippen zur Verfü-gung. In der SGG-Revue Nr. 5 (2006) plä-diert der ‚Schweizerische Arbeitgeberver-band’ im Interesse der Unternehmen füreine Vereinbarkeit von Familie und Beruf.Er legitimiert dies mit der familienpoliti-schen Konkurrenzfähigkeit der Schweiz iminternationalen Vergleich. Unternehmenwürden von individuellen Massnahmen inFamilienfreundlichkeit profitieren und dieSchweiz damit als Ganzes. Der Verband be-tont dabei jedoch die Freiwilligkeit einermütterlichen Berufstätigkeit. Der Ent-scheid, wie Beruf und Familie organisiertwerden sollen, müsse bei jedem Paarselbst liegen. Dementsprechend sprichtsich der Arbeitgeberverband gegen bun-desweite Regelungen aus, jedoch für dasEinzelengagement der Unternehmen. Auchdie Stiftung ‚Wirtschaft und Familie’ be-tont, dass Schweizer Unternehmen noch zuwenig in Familienfreundlichkeit investie-ren. Es gehe nicht darum, sich auf einen all-gemeinen Pflichtenkatalog zur Familien-freundlichkeit zu einigen, der von den Un-ternehmen einzuhalten sei, sondern um lo-kale Lösungen, die individuell für jedes Un-ternehmen und jede Region in eigener Ver-antwortung gefunden und umgesetzt wer-

76

6 Die Rolle der Eltern und die innerfamiliale Situation

den müssen. Deshalb verfolgt die Stiftungdas Ziel einer Public Private Partnership. Siesieht vor, die Eigenverantwortung des je-weiligen Unternehmens zu stärken, die ih-rerseits jedoch auf der Basis einer gemein-samen Grundübereinkunft aller SchweizerUnternehmen wirkungsvoll leistbar sei. EinHauptanliegen der Stiftung ist es daher,den Arbeitgebern deutlich zu machen, dassneben direkten ökonomischen Profiten derfamilienfreundlichen Unternehmensorgani-sation Arbeitnehmende, welche über eineausgewogene Work-Life-Balance verfügen,motivierter und damit auch leistungsberei-ter dem Unternehmen zur Verfügung ste-hen.

Fazit

Die Forschung weist nach, dass sichKleinkinder durch zeitlich beschränkteausserfamiliale Betreuungsverhältnissenicht per se emotional und kognitivnachteiliger entwickeln, als wenn sie al-lein von der Mutter oder vom Vater be-treut würden. Umstritten ist nur einehohe Intensität an Krippenbetreuung imersten Lebensjahr. Die Eltern spielen je-doch immer eine Schlüsselrolle: Auswissenschaftlicher Sicht kann selbsteine qualitativ hochstehende ausserfa-miliale Betreuung die Kernfamilie nichtersetzen. Elterbeteiligung in institutio-neller Betreuung hat in der Schweiznoch kaum Tradition. Im Gegensatzdazu existieren zahlreiche Möglichkei-ten der Elternberatung, -begleitung und-weiterbildung.

Im internationalen Vergleich ist die Ver-einbarkeit von Beruf und Familie fürVäter wie für Mütter hierzulandeschwer. Entsprechende monetäre undinfrastrukturelle Unterstützungsmass-nahmen sind nicht in allen Kantonenausreichend ausgebaut, und die Kostenfür eine nicht subventionierte, institu-tionelle Betreuung sind hoch. Verschie-

dene Schweizer Unternehmen weisenmit ihrem Engagement nach, dass derökonomische Nutzen in Investitionenzur Familienfreundlichkeit wie beispiels-weise der Bereitstellung kostengünsti-ger ausserfamilialer Betreuungsangebo-te überwiegt.

77

Grundlagenstudie

7 Die Grund-/Basisstufe und ihre FBBE-Verknüpfungen

Grundlagen und Ziele des Projekts

In neun Kantonen der Deutschschweiz (AG,BE, GL, FR, NW, LU, TG, SG und ZH) und imFürstentum Liechtenstein werden zwischen2003 und 2009 Schulversuche zur Grund-/Basisstufe durchgeführt. Das Projekt trägtdas Kürzel «Projekt EDK-Ost 4bis8». Grund-lage für die Lancierung dieser Schulversu-che im Jahr 2002 bildete die Tatsache, dassder bis anhin praktizierte Schuleintritt denunterschiedlichen Lern- und Entwicklungs-ständen der Kinder nicht mehr entspricht.Im Mittelpunkt des Projekts steht die Er-probung zweier Schuleingangsmodelle fürvier- bis achtjährige Kinder in 160 Schulver-suchsklassen: der Grundstufe und der Ba-sisstufe. Alle deutsch- und gemischtspra-chigen Kantone sowie das FürstentumLiechtenstein arbeiten mit, unabhängigdavon, ob sie selbst Schulversuche durch-führen oder nicht. Es handelt sich um einepädagogische und organisatorische Neu-konzeption der Schuleingangsstufe. Diedreijährige Grundstufe umfasst zwei Kin-dergartenjahre und die erste Klasse der Pri-marschule, in der vierjährigen Basisstufewerden zwei Kindergartenjahre und diebeiden ersten Klassen der Primarschule zu-sammengefasst und gemeinsam unterrich-tet. Die Motive für die Konzeption dieserneuen Schuleingangsstufe waren vielfältig:Beispielsweise wurde erkannt, dass Kinderheute früher beginnen, ihre Kompetenzenzu entwickeln und in ihren Lernfähigkeitenlange unterschätzt worden sind sowie einAnteil von gut 20% der Kinder die Lernzieleder ersten Klasse bereits bei Schuleintritterreicht hat (Stamm, 2005). Auch die neu-robiologische und entwicklungspsychologi-sche Forschung verweist auf das grosseEntwicklungspotenzial junger Kinder (Fried,2008; Becker-Stoll, 2008; Viernickel & Si-moni, 2008), aber ebenso auf deren enor-

me Entwicklungsunterschiede (Largo,1999). Entsprechend konnte auch ein-drücklich nachgewiesen werden, dass sichLernausgangslagen von jungen Kindern beiEintritt in den Kindergarten (Stamm,2004a) sowie am Anfang ihrer Schulzeit(Moser, Stamm & Hollenweger, 2005)deutlich unterscheiden. Schliesslich ist hin-länglich bekannt, dass ein beträchtlicherTeil bei Schuleintritt zurückgestellt oderEinschulungsklassen zugeteilt wird (Schwei-zerische Koordinationsstelle für Bildungs-forschung, 2006; Lanfranchi, 2007).

Die Modellelemente präsentieren sich imfliessenden Übergang vom Spiel zum Ler-nen, in der Altersdurchmischung der Lern-gruppen, im individualisierten, integrativenUnterricht mit fähigkeits-, interessen- undentwicklungsorientiertem Beginn des Er-werbs der Kulturtechniken sowie in denunterschiedlichen Durchlaufzeiten. Einmultiprofessionell arbeitendes Team (Kin-dergarten- und Lehrperson, zeitweise heil-pädagogische Fachperson) setzt diese Mo-dellelemente um. Ein wesentliches Ziel derGrund-/Basisstufe liegt darin, den unter-schiedlichen Startchancen aller Kinder ge-recht werden und so zum Ausgleich sozia-ler Ungleichheiten beitragen.

Das Projekt wird derzeit wissenschaftlichausgewertet. Die formative Evaluation er-folgt dabei durch das Institut für Lehr- undLernforschung der Pädagogischen Hoch-schule des Kantons St. Gallen, die summati-ve Evaluation durch das der Universität Zü-rich assoziierte Institut für Bildungsevalua-tion. Während die formative Evaluation alsLängsschnittbefragung bei Eltern und Lehr-personen angelegt ist, untersucht die sum-mative Evaluation die Lernfortschritte derKinder. Dabei werden die Grundstufe unddie Basisstufe mit dem herkömmlichenModell von zwei Jahren Kindergarten undder Primarschule verglichen. Das Projekt

78

7 Die Grund-/Basisstufe und ihre FBBE-Verknüpfungen

wird 2010 mit einem Schlussbericht abge-schlossen. Die Ergebnisse dieser Evaluationsind aus drei Gründen von grossem Interes-se für die FBBE-Thematik:

• Erstens, weil es sich um ein schweiz-weit einmaliges Projekt handelt, dasauch die internationale Diskussion umdie Bildung in der frühen Kindheit tan-giert. Deshalb geht es darum zu erfah-ren, wie im Projekt die Aspekte der Er-ziehung und Betreuung um den Aspektder Bildung erweitert werden und wiedas Lernkonzept insgesamt aussieht.

• Zweitens interessiert, wie und ob Diffe-renzen ausgeglichen werden können,damit alle Kinder die gleichen Starchan-cen für ihre Schullaufbahn bekommen.Die entscheidende Frage ist: Sind diepädagogischen Bemühungen zu Guns-ten der benachteiligten Kinder somitgenügend und gezielt genug? Des Wei-teren stellt sich die Frage, wie erst vier-jährige Kinder – die eigentlich noch«Vorschulkinder» sind, integriert, be-schult und sozialisiert werden können.

• Auf dieser Basis ist drittens von Bedeu-tung, welche Konsequenzen aus Punkteins und zwei für die Schnittstelle beimEintritt in die Grund-/Basisstufe formu-liert werden können. Damit soll dieAufmerksamkeit darauf gelenkt wer-den, dass ihr nicht nur eine Anschluss-stufe (nachfolgende Primarschule)folgt, sondern, dass sie selbst eine An-schlussstufe an die Phase der frühenKindheit bildet. Möglicherweise sinddamit spezifische, bis anhin kaum dis-kutierte Erkenntnisse verbunden.

Ergebnisse der Evaluation

Formative Evaluation: Die formative Eva-luation versucht unter anderem zu klären,wie die Einführung des neuen Schulein-gangsmodells verläuft. Vogt et al. (2008)zeigen auf, dass es weitgehend gelang, die

beiden Kulturen des Kindergartens und derPrimarschule miteinander zu verschmel-zen. Dies gilt sowohl für das Lehrpersonalals auch für die Eltern. Weder nahm – wievielfach befürchtet – eine ‚Verschulung’noch eine ‚Verkindergartung’ überhand.Die Lehrpersonen setzten häufig Unter-richtsformen ein, die eine individuelle För-derung der Kinder ermöglichen. Im Gegen-satz zum Kindergarten wurde in derGrund-/Basisstufe das Lernen deutlich stär-ker betont. Da es in erster Linie als selbst-gesteuerter Prozess des Aufbaus von Wis-sen verstanden wird, verkörpert es vieleAnliegen frühkindlicher Bildung, die be-kanntlich auf die Aneignungen der Umweltdurch das Kind ausgerichtet ist und inner-halb anregungsreicher Umgebungen statt-finden soll. Die Kinder schienen sich in al-tersgemischten Gruppen weitgehend wohlzu fühlen. Allerdings waren bei den vierjäh-rigen (und teilweise auch fünfjährigen) Kin-dern beim Eintritt in die Eingangsstufe Pha-sen der Verunsicherung festzustellen. AuchEltern berichteten, dass ihr Kind von älte-ren Kindern eher unter Druck gesetztwürde. Diese Problematik war bei Kinder-garten-Kindern zwar seltener, nahm jedochmit dem Eintritt in die erste Klasse zu.

Summative Evaluation: Gemäss der sum-mativen Evaluation, die über den Lernfort-schritt der Kinder von Beginn derGrund-/Basisstufe über drei Jahre hinweginformiert (Moser, Bayer & Berweger,2008), verlief die grosse Herausforderungdes individualisierten Unterrichts mit derenormen Lern- und Leistungsheterogenitäterfolgreich. Getestet wurden rund 1’000Kinder aus der Grund-/Basisstufe (Ver-suchsklassen) und des Kindergartens (Kon-trollklassen). In den ersten beiden Jahrenerreichten die Kinder der Grund-/Basisstu-fe einen grösseren Lernfortschritt im Lesenund in der Mathematik als die Kindergar-tenkinder. Allerdings wurde dieser Rück-stand von den Kindergartenkindern bis zum

79

Grundlagenstudie

Ende der ersten Klasse weitgehend aufge-arbeitet. Der Lernfortschritt war beiGrund-/Basisstufen-Kindern auch in derMathematik grösser. Dieser Vorsprung ver-grösserte sich sogar bis zum Ende der ers-ten Primarklasse beziehungsweise demdritten Jahr der Eingangsstufe. Im Gegen-satz dazu wurden in der Entwicklung desWortschatzes und in den sozial-emotiona-len Fähigkeiten beinahe keine Unterschie-de identifiziert. Dies gilt im Wesentlichenauch für die Selbsteinschätzung des Wohl-befindens, die Akzeptanz durch Mitschüle-rinnen und Mitschüler und auch etwas we-niger ausgeprägt für das Selbstkonzept. ImSchreiben, das erst am Ende des zweitenJahres getestet wurde, starteten die Kinderder Grund-/Basisstufe mit besseren Vor-aussetzungen. Trotz grösseren Lernfort-schritts konnten die Kindergartenkinderdiesen Vorsprung jedoch nicht aufholen.Insgesamt weisen diese Teilergebnisse dar-auf hin, dass die Lehrpersonen der Grund-/Basisstufe die Möglichkeit genutzt haben,den Kinder bereits in den ersten beidenJahren die Kulturtechniken Lesen, Schrei-ben und Mathematik zu unterrichten. Siehaben dadurch einen grösseren Lernfort-schritt bei Kindern bewirkt, der aber vonden Kindergartenkindern während des ers-ten Primarschuljahrs teilweise ausgegli-chen wurde.

In Bezug auf die Integration erwiesen sichdie Versuchsklassen als besonders erfolg-reich, kamen sie doch – im Gegensatz zuden Kontrollklassen, in denen nach wie vorein beachtlicher Teil in Einführungs- undKleinklassen überwiesen wurde – fast ohneÜberweisungen aus. Demzufolge gelangdie Integration von Kindern mit Lern- undEntwicklungsproblemen relativ gut. Mögli-cherweise hat das lernstandsorientierteDenken dazu beigetragen, sich vom Jahr-gangsprinzip und von Klassenstandards zuentfernen. Altersdurchmischung scheintzunehmend zum pädagogischen Programm

zu werden. Es ist aber noch stark auf dassoziale und kaum auf das kognitive Lernenausgerichtet.

Bilanz

Das neue Schuleingangsmodell verfolgt alseines seiner Ziele die individuelle Förde-rung der Kinder. Die Zwischenergebnissebestätigen, dass Kinder mit guten Vorläu-ferfertigkeiten bisher sehr gut gefördertworden sind. Aber auch Kinder mit wenigervorteilhaften Lerndispositionen konntendeutliche Lernfortschritte erzielen, ohnedass sie allerdings zu den anderen Kindernaufrücken konnten. Soziale Ungleichheitenkonnten bislang somit noch nicht wirksamkompensiert werden. Trotzdem zeigt derVergleich zwischen dem herkömmlichenKindergarten und der Grund-/Basisstufe,dass der Lernfortschritt der Kinder imneuen Modell sowohl im Lesen als auch imSchreiben zwar nur gering, aber statistischdoch signifikant grösser war. Dieser Unter-schied ist praktisch und bildungspolitischinsbesondere deshalb relevant, weil erplausibel auf den expliziten Bildungsan-spruch der Grund-/Basisstufe zurückge-führt werden kann.

Auch wenn die Zwischenergebnisse nochkeine abschliessenden Antworten auf dieFrage nach der Wirkung der Grund-/Basis-stufe im Vergleich zum herkömmlichenSchulmodell zulassen und der Schlussbe-richt abgewartet werden muss, lassen sichdie Ergebnisse im internationalen Vergleichspiegeln: Insbesondere ein Vergleich mitder «EPPE»-Studie in Grossbritannien er-weist sich als interessant. Die aktuellsteNachfolgeuntersuchung ergab dabei, dassKinder mit Vorschulerfahrung bis ins Altervon elf Jahren bessere Leistungen in Eng-lisch und Mathematik aufwiesen (Sam-mons et al., 2008). Allerdings sind sowohldas frühe häusliche Lernumfeld wie auchdie Qualität der jeweiligen Institutionmassgeblich für Unterschiede in den jewei-

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7 Die Grund-/Basisstufe und ihre FBBE-Verknüpfungen

ligen Leistungen mitverantwortlich. MitBlick auf die hier diskutierten Ergebnisse istinsbesondere der Befund interessant, dassauch in der «EPPE»-Studie diejenigen Kin-der die grössten Fortschritte machten, dieüber den förderlichsten familiären Hinter-grund verfügten. Dieses Ergebnis steht al-lerdings im Widerspruch zu amerikanischenÜberblicksanalysen (Barnett, 1995, 1998).Sie zeigen auf, dass ökonomisch besondersbenachteiligten Kinder den grössten Lern-zuwachs in Vorschulprogrammen erzielenkonnten. Allerdings spielte die Prozess- undStrukturqualität der Angebote eine ent-scheidende Rolle (vgl. dazu auch Grossen-bacher, 2008).

Bedenkt man, dass das Schuleingangsmo-dell nicht in erster Linie darauf ausgerichtetist, die generelle Qualität vorschulischerAngebote zu steigern, so lassen sich die aufden ersten Blick eher bescheidenen, aberpositiven Resultate als Auszeichnung fürdas Projekt interpretieren. Sie sind mitgrosser Wahrscheinlichkeit darauf zurück-zuführen, dass die Lehrpersonen derGrund-/Basisstufe stärker als die Lehrper-sonen des Kindergartens eine Kombinationvon Betreuung und Bildung realisierthaben. Zudem sind die Ergebnisse unterBerücksichtigung der Tatsachen besondersrelevant, dass es sich (a) um einen Schul-versuch handelt, der in den bestehendenRäumlichkeiten mit relativ grossen Lern-gruppen durchgeführt wird, (b) die Lehr-personen nicht in besonderen Ausbildungs-gängen, sondern on the job ausgebildetwurden und (c) es vorgängig weder ein aufdie Schulversuche ausgerichtetes, eigenespädagogisches Konzept noch entsprechen-de Lehrmittel gab.

Die FBBE-Verknüpfungen derGrund-/Basisstufe

Die Evaluation zeigt somit: Das «ProjektEDK-Ost 4bis8» ist nicht nur eine interna-tional Aufsehen erregende (UNICEF, 2008),

sondern auch für den Lern- und Entwick-lungsstand der Kinder relevante Strukturre-form. Wie sieht jedoch die Bilanz mit Blickauf die FBBE-Thematik aus?

• Das Lernkonzept hat sich bewährt. DerErziehungs- und Betreuungsgedankekonnte relativ gut um den Aspekt derBildung erweitert werden. Die Hetero-genität individueller Lern- und Entwick-lungsstände zog bei den Kindern keineLerneinbussen nach sich. Aufgrund derErgebnisse, wonach sehr junge Kinderteilweise Verunsicherungen zeigten, istdas Lernkonzept jedoch zukünftig expli-zit auch auf vierjährige Kinder zu fokus-sieren. Möglicherweise müsste auchdie Altersdurchmischung als pädagogi-sches Instrument dahingehend nochbesser genutzt werden, damit ältereKindern ihre Erfahrungen besser an jün-gere Kinder weitergeben können. Gera-de weil der Bildungsaspekt auch weiter-hin eingeschränkt bleiben muss – erin-nert sei an unsere Devise im ersten Ka-pitel, wonach frühkindliche Bildungnicht eine Vorverlegung der klassischenSchulbildung bedeuten darf – müssenneue didaktische Konzepte entwickeltwerden, die auf das Lernen junger Kin-der ausgerichtet und dem ganzheitli-chen Bildungsgedanken verpflichtetsind.

• Etwas kritischer gestaltet sich die Bilanzhinsichtlich der Frage der Startchancen-gleichheit. Dieses Ziel hat die Grund-/Basisstufe bisher nicht erreicht. Zumin-dest ist sie in diesem Sinne dem her-kömmlichen Kindergarten noch keines-wegs überlegen. Dieses Ergebnis kannjedoch auch so interpretiert werden,dass entsprechende Bemühungen frü-her, d.h. vor dem vierten Alterjahr, ein-setzen müssen, damit die Grund-/Basis-stufe erfolgreicher werden kann. Insge-samt sind vermehrte Anstrengungen indieser Richtung sowohl im frühpädago-

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Grundlagenstudie

gischen als auch im vorschulischen Be-reich notwendig. Sie müssen auf dieEntwicklung eines kompensatorischenFörderkonzepts inklusive einschlägigerWeiterbildungen für Lehrpersonen aus-gerichtet werden. Grundlage bildetdabei das Verständnis, dass Kinder ausbenachteiligten Familien kaum intrinsi-sches Interesse an intellektuellen Inhal-ten entwickeln können, weil sie zuHause nur in seltenen Fällen entspre-chende Anregungen erhalten. Herz-stück wird somit die Fähigkeit der Lehr-person werden, solche Kinder in stimu-lierender Feinfühligkeit provokativ anLernmöglichkeiten heranzuführen undnicht weiterhin abzuwarten, bis sich einKind für intellektuelle Inhalte interes-siert (Stamm, 2004b).

• Bei der Weiterentwicklung der Grund-/Basisstufe muss das Augenmerk auf dieGestaltung der Schnittstellen gerichtetwerden. Als Schnittstelle galt jedochbislang lediglich der Übertritt in diezweite oder dritte Klasse der Primar-schule. Ebenso wichtig, vielleicht sogarbedeutsamer, ist jedoch die Schnittstel-le beim Eintritt in die Grund-/Basisstu-fe. Sie sollte sich somit verstärkt auf dieLerndispositionen vier- und fünfjährigerKinder einstellen. Dies bedingt jedochsowohl einen Paradigmenwechsel vonBetreuung zu Bildung in der frühpäd-agogischen Arbeit als auch eine Zusam-menarbeit zwischen dem FBBE-Fach-personal und den Lehrpersonen derGrund-/Basisstufe. Weiterbildungensollten dabei stufenübergreifend ange-boten werden. Schliesslich darf das zuentwickelnde pädagogische Konzeptnicht mehr zwischen vorschulischer Be-treuung und schulischer Bildung unter-scheiden. Vielmehr muss es auf einerübergeordneten Perspektive basieren,in der Erziehung, Betreuung und Bil-dung von der Geburt bis zum Abschluss

der Schulzeit reicht. Hierin liegt auchdie Legitimation für unsere Sorge, dassdie aktuelle Aufteilung der Verantwort-lichkeiten zwischen SODK (vorschuli-scher Bereich) und EDK (schulischer Be-reich) keine Synergien schaffen, son-dern Abgrenzungen zementieren könn-te.

Fazit

Die Grund-/Basisstufe ist eine Reformder Eingangsstufe, die eindeutige Erfol-ge vorweisen kann. Es ist den für dieGrund-/Basistufe Verantwortlichen inkurzer Zeit gelungen, ein neues Lern-konzept zu entwickeln, das sich aneinem ganzheitlichen Bildungsbegrifforientiert und alle Kinder, insbesonderediejenigen mit fortgeschrittenen Basis-kompetenzen, gut fördert. Beachtlich istdabei, dass die genannten Erfolge er-zielt wurden, obwohl die Möglichkeitender Lehrkräfte, sich auf die neuen An-forderungen vorzubereiten, beschränktwaren und weder ein pädagogischesKonzept noch spezifische Lehrmateriali-en zur Verfügung standen. Als ‚Achilles-ferse’ erweist sich jedoch die Tatsache,dass die Lernfortschritte offenbar mitder sozialen Herkunft verbunden sindund Anfangsrückstände bisher nichtbesser kompensiert werden konnten alsim herkömmlichen Kindergarten. DieseErkenntnis verweist auf zwei notwendi-ge Konsequenzen: erstens auf die Erar-beitung eines kompensatorischen Lern-konzepts in Verbindung mit spezifischerLehrpersonenweiterbildung und zwei-tens auf chancenausgleichende Bemü-hungen, die vor dem Eintritt in dieGrund-/Basisstufe einsetzen müssen.Damit wird die Schnittstelle beim Ein-tritt in die Grund-/Basisstufe zu einerwichtigen Variable.

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8 Der politische, gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Diskurs

8 Der politische, gesellschaftliche und volkswirtschaft-liche Diskurs

Heutzutage ist das Interesse an FBBE uni-versal und transnational. Auch in derSchweiz ist das Thema in den letzten Jah-ren verstärkt ins öffentliche Bewusstseingerückt. Bereits der 2004 erschienene «Fa-milienbericht des Eidgenössischen Depart-ments des Innern» hat deutlich gemacht,dass die Schweiz in dieser Hinsicht über De-fizite verfügt. In der Folge verstärkte sichder Ruf nach einem Ausbau familienergän-zender Kinderbetreuungseinrichtungen. Inden letzten fünf Jahren sind allein durchdie Finanzhilfen für familienergänzendeKinderbetreuung (Anstossfinanzierung desBundes) mehr als 18'000 Stellen geschaffenworden. Die Vorstösse im Parlament ver-weisen jedoch auch auf andere Bereiche,welche zunehmend in den politischenFokus zu geraten scheinen. Sie werdennachfolgend diskutiert.

Der (bildungs-)politische Diskurs

Politische Vorstösse

Politische Vorstösse wurden in den Jahren2007 und 2008 vor allem in den Bereichender Angebotsschaffung, -finanzierung und -organisation lanciert. Mit der Qualität vonFBBE beschäftigen sich das für 2009 ge-plante Pilotprojekt «Betreuungsgutschei-ne» sowie die Motion «Qualität und guteAnstellungsbedingungen in der Tagesbe-treuung». Verschiedene Motionen, Inter-pellationen und Postulate waren in denletzten beiden Jahren auf die vielfältige Un-terstützung der Eltern zur (ausserfamilia-len) Betreuung ihrer Kinder ausgerichtet.Die politischen Aktionen beschränkten sichsomit weitestgehend auf die in vorliegen-dem Bericht ausgeführten Kapitel Ange-botsformen (Kapitel 4) sowie die Rolle derEltern (Kapitel 6). Diese recht einseitige

Ausrichtung macht deutlich, dass es in derSchweiz an grundsätzlichen und umfassen-den Regelungen einer FBBE-Politik man-gelt. Nachfolgend werden die zentralen po-litischen Vorstösse präsentiert.

Krippen und Tagesschulen bezahlbar ma-chen: Im März 2007 reichte die Sozialde-mokratische Fraktion ein Postulat betref-fend eines Modells zum bedarfsgerechtenAusbau an familien- und schulergänzendenBetreuungsangeboten ein. Als Massnahmewurden Betreuungsgutscheine für alle Kin-der berufstätiger Eltern vorgeschlagen.Diese sollten vom Bund, Kanton sowie beigrösseren Unternehmen vom Arbeitgeberfinanziert werden. Die Motion wurde vomBundesrat im Juni 2007 abgelehnt, mit demHinweis auf mangelnde Erfahrungen mitBetreuungsgutscheinsystemen. Diese soll-ten zunächst in Pilotprojekten getestetwerden.

Pilotprojekt Betreuungsgutscheine: Jacque-line Fehr (SP) hat im Juni 2007 beim Natio-nalrat eine Anfrage eingereicht, ob dieserbereit wäre, das Hamburger Modell der Be-treuungsgutscheine (Max-Traeger Stiftung,2007) auch in der Schweiz zu testen. Fehrkonstatierte einen Nachholbedarf im Be-reich der familien- und schulergänzendenBetreuungsangebote in der Schweiz. Ge-mäss ihren Angaben fehlten bis dahinzehntausende Krippen-, Tagesfamilien- undTagesschulplätze. Daher stellte sie dieFrage, wie das Angebot erweitert und diedafür erforderlichen Investitionen finan-ziert werden können. Das Hamburger Mo-dell der Betreuungsgutschriften sollte ge-prüft und hinsichtlich der Kriterien Nach-fragewirkung, soziale Gerechtigkeit undQualität der Betreuung bewertet werden.Durch ein neues Finanzierungssystem woll-te Fehr direkt die Mittelschicht entlasten,

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Grundlagenstudie

für die sich eine Berufstätigkeit häufig auf-grund zu hoher Betreuungskosten nichtlohnt. Am 1. Oktober 2007 befürworteteder Bundesrat deshalb eine Verordnungs-änderung im Hinblick auf die Finanzierungder familienergänzenden Kinderbetreuung.Im Rahmen von Pilotprojekten (z.B. im Kan-ton Luzern ab 1.April 2009) werden ein Fi-nanzierungswechsel und das von Fehr vor-geschlagene Gutscheinsystem getestet.

Schaffung von ausserfamiliären Einrichtun-gen zur Kinderbetreuung. Anreiz durchSteuerabzüge: Im Oktober 2007 hatte Na-tionalrätin Thérèse Meyer-Kaelin (CVP)eine parlamentarische Initiative zur Befrei-ung der Steuerpflicht für Privatpersonenoder Unternehmen eingereicht, die Investi-tionen für die Schaffung von ausserfamili-ären Einrichtungen zur Betreuung von Kin-dern im Vorschulalter tätigen. Die Initiativewurde im März 2008 abgelehnt.

Familienbasierte Prävention im Frühbe-reich: Die im März 2008 von Chantal Galla-dé (SP) eingereichte Motion forderte einenSonderkredit von sieben Millionen Frankenzur Unterstützung von Familien mit beson-deren sozialen und/oder gesundheitlichenRisiken. Auch im Hinblick auf (Bildungs-)Armut in der Schweiz (s. Kapitel 6) ist dieseMotion mit dem Ziel der Stärkung der Ver-antwortung und Erziehungskompetenz derEltern im Frühbereich interessant. Durchfamilienunterstützende Massnahmen soll-ten heranwachsende Kinder in ihren gesell-schaftlichen Kompetenzen beziehungswei-se ihrer Leistungsfähigkeit umfassend ge-fördert werden. Der Bundesrat lehnte imMai 2008 diese Motion mit dem Verweisauf bereits getroffene Massnahmen ab:Das ‚Bundesamt für Migration’ (BFM) leistemit dem Schwerpunktprogramm 2008-2011 zur Förderung der Integration vonAusländerinnen und Ausländern bereitseinen Beitrag zur Thematik. Die Elternbil-dung werde durch einen finanziellen Be-trag des Bundesamtes für Gesundheit

(BAG) für das Projekt «primano» zur beson-deren Förderung des Hausbesuchspro-grammes «schritt:weise» für sozial benach-teiligte Kinder im Vorschulbereich unter-stützt sowie eine Förderung sozioökono-misch benachteiligter Familien im Rahmendes Nationalen Programms «Ernährungund Bewegung» erreicht. Weitere Mass-nahmen für sozial benachteiligte Kinder imVorschulalter prüft der Bundesrat im Rah-men der Motion «Strategien zur Armutsbe-kämpfung». Zudem sei das Engagement indiesem Bereich genügend durch Kantone,Gemeinden und private Organisationen ab-gedeckt.

Vorstoss zu einer Teilrevision der Pflegekin-derverordnung PAVO: Im Januar 2008 hatder Bundesrat das ‚Eidgenössische Justiz-und Polizeidepartement’ (EJPD) beauftragt,eine Revision der Pflegekinderverordnung(PAVO) zu prüfen. Er reagierte damit aufdas Vernehmlassungsergebnis zum Exper-tenbericht vom August 2006. 18 Kantonhatten sich damals für eine Revision derPflegekinderordnung mit der Begründungausgesprochen, dass die Praxis in den ein-zelnen Kantonen vereinheitlicht und mitkonkreten Leitlinien des Bundes eine bes-sere Qualität bei der Pflege, Erziehung undAusbildung der Kinder gewährleistet wer-den soll.

Qualität und gute Anstellungsbedingungenin der Tagesbetreuung: Diese ebenfalls imMärz 2008 von Christine Goll (SP) einge-reichte Motion forderte im Rahmen dervon den Kantonen gewünschten Revisionder PAVO, die Regelung der Qualität sowieder Anstellungs- und Ausbildungsbedingun-gen in der familienergänzenden Kinderbe-treuung. Diese Motion wurde vom Bundes-rat zunächst abgelehnt, wird aber im Zu-sammenhang mit der geplanten Teilrevisi-on der PAVO im Moment erneut verhan-delt.

Steuerabzug für Kinderbetreuung: Im März2008 wurde auch über eine Interpellation

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8 Der politische, gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Diskurs

von Isabelle Moret (FDP) diskutiert. Sie for-derte die Prüfung eines angemessenenSteuerabzugs für fremdbetreute Kinderund warf gleichzeitig die Frage nachSchwarzarbeit im familienergänzenden Be-treuungssektor auf. Der Bundesrat beant-wortete diese Interpellation im Mai 2008mit dem Hinweis, dass die statistischenDaten ungenügend seien, um die gestelltenFragen eindeutig beantworten zu können.Er verwies darauf, dass Steuerabzüge nurSinn machen würden, wenn qualitativ guteStrukturen der ausserfamilialen Kinderbe-treuung zu erschwinglichen Preisen zurVerfügung stünden.

Einführung eines ‚Kindertarifes und Sofort-massnahmen zur Entlastung von Familienmit Kindern: Diese Motion wurde im Okto-ber 2008 von Lucrezia Meier-Schatz (CVP)eingereicht. Sie hatte zum Ziel, die steuerli-che Entlastung von kinderreichen Familienzu erhöhen. Je mehr Kinder, desto höhersollte die steuerliche Entlastung ausfallen.Der Bundesrat beauftragte im November2008 das Finanzdepartement, einen erhöh-ten Kinderabzug und die Einführung einesAbzuges für die Fremdbetreuung von Kin-dern in eine Vernehmlassungsvorlage zursteuerlichen Entlastung von Familien mitKindern aufzunehmen. Diese Vernehmlas-sung wird um die Forderungen der Motionnach einem Kindertarif erweitert werden.In diesem Zusammenhang wird die Motionerneut geprüft.

Eine weitere parlamentarische Initiative zudem Thema des Kindertarifs wurde von UrsSchwaller (CVP) im Oktober 2008 einge-reicht. Diese wurde zunächst ebenfalls ab-gelehnt, wird aber auch in Form einer Ver-nehmlassung des Finanzdepartments er-neut geprüft werden.

Partieller Elternschaftsurlaub. Änderungdes Erwerbsersatzgesetzes: Die CVP-Natio-nalräte Barbara Schmid-Federer und PirminBischof fordern in einem Postulat im Sep-tember 2008, verschiedene Modelle des El-

ternschaftsurlaubes zu prüfen, bei denendie Eltern den bisherigen Mutterschaftsur-laub unter sich aufteilen können. Die CVPbegründete diesen Auftrag damit, dass diebestehende Regelung die vorherrschendetraditionelle Rollenaufteilung von Mutterund Vater zementiere. Wichtig sei jedochebenfalls, dem Vater die Möglichkeit zugeben, seine Bindung zum neugeborenenKind aufzubauen. Bisherige Vorstösse zudieser Thematik wurden mit der Begrün-dung auf zu hohe Kosten und das gesetzlichfestgeschriebene Arbeitsverbot der Müttervon acht Wochen abgelehnt. Aktuell stehtein Modell zur Diskussion: 14 Wochen Mut-terschaftsurlaub plus Vaterurlaub von max.vier Wochen und 12monatiger Befreiungvom Wehrdienst. Es war im November2008 vom Bundesrat zur Annahme bean-tragt, dann aber die Diskussion im Dezem-ber im Nationalrat verschoben worden.

In die gleiche Richtung zielte ein Postulatvon Norbert Hochreutener (CVP) vom Juni2008, der die Frage nach der wirtschafts-und familienpolitischen Bedeutung aktiverVaterschaft stellte. Der Bundesrat bean-tragte im August 2008 die Ablehnung desPostulates. Im Dezember 2008 wurde dasPostulat vom Nationalrat abgelehnt.

Auch Roger Nordmann (SP) fragte nach be-stehenden Untersuchungen zu den Auswir-kungen des Vaterschaftsurlaubes als Instru-ment einer zeitgemässen Familienpolitik inder Schweiz. Der Bundesrat beantragte imAugust 2008 die Ablehnung des Postulates.Von den beiden Räten wurde das Postulatnoch nicht behandelt.

Kompetenz der Eltern im Frühbereich undin kritisch entwicklungsbedingten Übergän-gen: Chantal Galladé (SP) forderte in einemPostulat im Juni 2008 den Bundesrat auf,bis 2010 unter anderem der Frage nachzu-gehen, wie Eltern optimal über soziale undgesundheitliche Risiken ihrer Kinder infor-miert und aufgeklärt werden können undwie die Fähigkeit und der Willen, sich selbst

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Grundlagenstudie

auf diesem Gebiet weiterzubilden gestärktwerden könne. Die Anfrage wurde bis zumErscheinen unserer Grundlagenstudie nochnicht behandelt. Der Bundesrat beantragteim September 2008 die Ablehnung des Pos-tulates.

Rückzug des Gesetzesentwurfs über dieKinderbetreuung (projet de loi sur l’accueildes enfants, LAE): In Neuchâtel hat im Au-gust 2008 das Initiativkomitee ,Un enfant,une place’ und die ,Association des com-munes neuchâteloises’ (ACN) den Rückzugdes Gesetzesentwurfs über die Kinderbe-treuung verlangt, welches durch das‚Département de la santé et des affairessociales’ (DSAS) des Kantons Waadt vorge-legt worden war. Der Grund seiner Forde-rung war die in der Gesetzesvorlage vorge-sehene Einführung des freien Marktes imKrippenwesen. Das Komitee befürchteteeine Konkurrenzsituation unter den FBBE-Einrichtungen, die sich negativ auf die Qua-lität der FBBE auswirken würde. Zusätzlichwürde durch die Einführung von Betreu-ungsgutscheinen durch die Arbeitgebereine Ungleichheit geschaffen: nicht ausser-häuslich berufstätige Eltern würden da-durch benachteiligt.

HarmoS und die Haltung der Parteien

Unerwartet hat der «Bundesbeschluss überdie Neuordnung der Verfassungsbestim-mungen zur Bildung» (2006), welche Bundund Kantone zur Festlegung einheitlicherEckwerte zum Ziel der hohen Qualität undDurchlässigkeit des Bildungsraums Schweizverpflichtet und zum HarmoS Konkordatgeführt hat, der FBBE-Thematik besonderebildungs- und gesellschaftspolitische Bri-sanz verliehen. Umstritten ist nämlich dieBestimmung, wonach zwei Kindergarten-jahre in den Kantonen, die dem HarmoS-Konkordat beitreten, obligatorisch werden2

2 Das HarmoS-Konkordat tritt in Kraft, wenn esvon zehn Kantonen ratifiziert worden ist. Danngilt das Konkordat für diejenigen Kantone, wel-

und der Eintritt in den Kindergarten oderdie ‚Eingangsstufe’ damit gesamtschweize-risch auf das vollendete vierte Altersjahrfestgelegt werden soll. Im Verlaufe des Jah-res 2008 hat sich gezeigt, wie sehr dieseFrage die Gemüter erhitzt, wie hoch dieWogen gehen und wie unterschiedlich dieMeinungen sind. Dies kommt besondersprägnant in den Haltungen der Parteienzum Ausdruck.

Mit der Offensive für HarmoS «Bildung fürdie Zukunft» unterstützte die CVP im Jahr2008 die Harmonisierung der obligatori-schen Schule in der Schweiz in allen Punk-ten. Sie betonte zudem den sozialen undwirtschaftlichen Aspekt der familienergän-zenden Betreuung. Das liberale Komiteeder FDP sprach sich im August 2008 mit derInitiative «Ja zu einer besseren Schulbil-dung» ebenso sehr für eine rasche Umset-zung der zwei obligatorischen Kindergar-tenjahre des HarmoS-Konkordates aus. Inder familienergänzenden Kinderbetreuungplädierte sie für private Finanzierungskon-zepte. Die CSP betonte vor allem die indivi-duelle Förderung jedes Kindes und ist indiesem Sinne für die Einführung von Tages-strukturen, in denen eine ganzheitliche Be-treuung des Kindes gewährleistet werdenkann. Während auch die CSP HarmoS un-terstützte, zeigte sich die EVP gespaltenund sprach sich tendenziell jedoch füreinen obligatorischen Kindergartenbesuch(eventuell mit Austrittsmöglichkeit im ers-ten Jahr für einzelne Kinder) und für dieVorschulerziehung fremdsprachiger Kinderin geeigneter Form aus. Die EVP unterstütz-te die Wahlfreiheit der Eltern (ausserfami-liale oder innerfamiliale Betreuung), wel-che durch ein einheitliches Kindergeld proKind anstelle von Steuerabzügen und Zula-

che es ratifiziert haben. Ab In-Kraft-Treten läufteine sechsjährige Übergangsfrist. Innerhalb die-ser Frist haben die Kantone die Anpassungengemäss HarmoS vorzunehmen. Später beitre-tende Kantone haben sich an die gleiche Fristzu halten.

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8 Der politische, gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Diskurs

gen geregelt werden sollte. Sie kritisierteinsbesondere auch das rasche Reformtem-po. Die Grünen appellierten an dezentraleGestaltungs- und Entwicklungsfreiheitendes Staates und eine gemeinsame Verant-wortung von Bund, Kantonen und Gemein-den. Sie favorisierten die Basisstufe miteinem Eintrittsalter zwischen vier und fünfJahren, warnten aber gleichzeitig vor ei-nem zu hohen Leistungsdruck und enga-gierten sich auch im Bereich der ästheti-schen Bildung für Kinder. Die SP unterstütz-te die Bildungsreform insgesamt (Integrati-on des Kindergartens in die Primarschule,Unterricht in Blockzeiten, bedarfsgerechtesAngebot an Tagesstrukturen, zwei Fremd-sprachen in der Primarschule und verbind-liche Festlegung der Bildungsziele am Endedes zweiten, sechsten und neunten Schul-jahres). Als einzige Partei stellte sich dieSVP gegen HarmoS und plädierte damitgegen eine Verstaatlichung der Erziehungdurch die anvisierten ‚Bildungsprogram-me’. Sie hielt daran fest, dass die erstenJahre der Familie gehören sollen und tratfür die Stärkung der föderalistischen Struk-tur im Schweizer Bildungssystem ein. Dieübrigen Parteien wie beispielsweise diePartei der Arbeit der Schweiz (PdA) oderdie Grünliberale Partei (GLP) bezogen keineexpliziten Positionen.

FBBE und ihre Finanzierung auf demPrüfstand

Wenn wir nachfolgend noch die Finanzie-rung ansprechen, dann sind wir uns be-wusst, dass wir von einer Welt in eine ande-re wechseln: In den vorangehenden Kapi-teln war unsere Studie von vielfältigen Fach-fragen rund um den FBBE-Bereich und seinpädagogisches und psychologisches Innen-leben getragen. Nun wechseln wir die Seiteund nehmen eine andere Perspektive ein.Es geht um die Frage, wer die FBBE wie fi-nanzieren soll. Mit Sicherheit wird sie ein Di-lemma sichtbar werden lassen: Die öffentli-

che Hand wird fehlende Möglichkeiten re-klamieren, um das familien-, bildungs- undarbeitsmarktpolitisch Wünschbare mit demfinanziell Machbaren in Einklang zu bringen.Wir gehen zwar davon aus, dass heute inder Schweiz eine Mehrheit dafür plädiert,die FBBE quantitativ und qualitativ auszu-bauen. Genauso erwarten wir aber auch,dass die von uns eingeforderten Debattenmit dem Hinweis auf die leeren Kassen be-endet werden. Deshalb gilt es erst recht, dieFinanzfrage in ihren verschiedenen Facettenzu beleuchten. Wir tun dies anhand von vierzentralen, politischen Dimensionen. Sie bil-den das Fundament für alle Fragen nachden Finanzierungsstrategien, den Kostenbe-rechnungen für familienexterne Betreuung,der Ausbildung des Personals oder der Bera-tung der Eltern.

1. Bildung ist eine gesamtgesellschaftlicheHerausforderung. Die Kultur des Auf-wachsens unserer Kinder und Jugendli-chen braucht von Anfang an eine be-wusste Förderung, die teilweise auch inöffentlicher Verantwortung liegt. Bil-dungspolitisch müssen deshalb diedamit verbundenen Anforderungenkonsequent verfolgt und mit volkswirt-schaftlichen Überlegungen verbundenwerden. Nicht zuletzt dank PISA tritt dieFrage in den Vordergrund, ob dieSchweiz nicht in grundsätzlicher Weiseauf Bildung angewiesen ist und in sie in-vestieren muss.

2. Sozialpolitisch geht es darum, das Postu-lat der Startchancengleichheit für alleKinder verbindlich umzusetzen. Die För-derung der Kinder aus unterprivilegier-ten, bildungsfernen Schichten muss des-halb vor dem Eintritt in den obligatori-schen Bildungsraum stattfinden. Das istkeine neue Erkenntnis, aber eine, derbislang viel zu wenig Aufmerksamkeitgeschenkt worden ist.

3. Institutionalisierte FBBE zieht die volks-wirtschaftliche Frage nach sich: Lohnen

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Grundlagenstudie

sich Investitionen in das Aufwachsenvon Kindern? Aus ethischer Sicht lässtsich eine solche Frage in unserer entwi-ckelten Wohlstandsgesellschaft kaumlegitimieren. Volkswirtschaftlich hinge-gen liegen viele Berechnungen vor. Siealle belegen, dass sich Investitionen inden Vorschulbereich aufgrund ihrerhohen Bildungsrendite lohnen und dasseine Ertrags-Kosten-Relation von zwi-schen 3 : 1 und 7 : 1 erwartet werdenkann.

4. Stellt man die Qualität des Förder- undBetreuungsangebots in den Mittelpunkt,dann stellt sich die Finanzierungsfragenochmals aus einer anderen Perspekti-ve. Aus bildungswissenschaftlicher Sichtsetzen Qualitätsdiskussionen die Mess-latte deutlich höher. Es müssten somitKriterien für die Ressourceneinschät-zung definiert werden.

Es ist eine Binsenweisheit, dass FBBE zumNulltarif nicht zu haben sein wird. Deshalbwird es Kontroversen darüber geben müs-sen, welche Leistung wieviel kosten darfund welche Minimalstandards gelten sollen.Denn das Thema Finanzierung entzieht sichschneller und einfacher Antworten. Finanz-politisch stellt sich deshalb die Frage nachden bestmöglichen Konzepten bei der ge-genwärtig politisch-administrativen Realitätder angespannten Haushaltslage. Im Mittel-punkt werden somit zwei lapidare Fragenstehen: Kann man mit den vorhandenenMitteln mehr erreichen und wenn ja wie?Kann man mit weniger Mitteln allenfalls dasGleiche erreichen? Beide Fragen fokussierenauf eine effektivere Mittelverwendung beiknappen Ressourcen und damit auf dieSteuerung. Im Mittelpunkt werden nicht nurFragen nach der klugen Verwendung derMittel, nach der Effektivität der Finanzie-rungskonzepte, nach ihrem besten Einsatzstehen, sondern ebenso nach der Vertei-lungsgerechtigkeit zwischen den Akteurenund schliesslich auch nach der notwendigen

Transparenz, um unter suboptimalen Rah-menbedingungen einen akzeptablen Um-gang sicherzustellen. Basis der gesamten Fi-nanzierungsdebatte sollte jedoch die in die-ser Studie empirisch breit legitimierte Aus-sage sein, dass sich FBBE volkswirtschaftlichgesehen immer auszahlt. Investitionen inFBBE sind rentabel, während der Verzichtauf sie der Gesellschaft Kosten verursacht.

Vor diesem Hintergrund handelt es sich beiallen nachfolgend dargestellten – und vonunseren befragten Expertinnen und Exper-ten vorgeschlagenen Finanzierungskonzep-ten um Versuche, in einer schwierigen Lageakzeptable Antworten zu suchen.

• Harmonisierung der familienergänzen-den FBBE für Kinder unter vier Jahren:Die Kantone verfügen zurzeit im Bereichder familienergänzenden Betreuung vonKindern zwischen null und vier Jahrenüber keine verbindlichen Vorgaben. ImSinne der ‚Kommission für Wissenschaft,Bildung und Kultur’ (WBK) der ‚Sozialdi-rektorenkonferenz’ (SODK) sollte einKonkordat im Bereich der familiener-gänzenden Kinderbetreuung geschaffenwerden, das eine interkantonale, aufkantonale Eigeninitiative setzende Ver-einbarung zur Regelung der Betreuungim Vorschulalter bezweckt (Medienmit-teilung der Parlamentsdienste vom 25.August 2008).

• Möglichkeiten und Grenzen eines Wech-sels von der Objekt- zur Subjektfinanzie-rung: Vielfach wird die Ansicht vertre-ten, dass ein Wechsel von der staatli-chen Finanzierung der FBBE-Einrichtun-gen (Objektfinanzierung) zu einer direk-ten Unterstützung der Eltern (Sub-jektfinanzierung) sowohl mit Vor- alsauch mit Nachteilen verbunden ist. DieSubjektfinanzierung von familienergän-zender Kinderbetreuung ermöglicht denErziehungsberechtigten, diejenige Be-treuungsleistung zu wählen, die am ehe-sten ihren Bedürfnissen entspricht.

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8 Der politische, gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Diskurs

Somit würden auch nur diejenigen An-gebote finanziell unterstützt, die tat-sächlich eine hohe Nachfrage aufwei-sen. Ausserdem könnte – so die Exper-tenmeinungen – der Wettbewerb unterden verschiedenen Anbietern und derAusbau des Betreuungsangebotes durchden Finanzierungswechsel verstärkt unddamit eine Regulierung der Qualität unddes Preises der Angebote erreicht wer-den.

Betreuungsgutscheine gelten als einmögliches Modell der Subjektfinanzie-rung. Dabei wären jedoch auch Evaluati-onsergebnisse von bereits in der Praxiserprobten Modellen zu berücksichtigen.Erste Erfahrungen in Hamburg (Kita-Card), Mannheim und England habenauch kritische Erkenntnisse zu Tage ge-fördert: (1) Das Finanzierungskonzeptbegünstigte grosse Träger, während sichdie kleinen und finanzschwachen Trägerals die eigentlichen Verlierer entpupp-ten. (2) Wirtschaftliche Zwänge konkur-rierten mit fachlichen Anforderungen.Dies zeigte sich beispielsweise darin,dass Träger aus wirtschaftlichen Grün-den gezwungen waren, Betreuungsver-hältnisse mit geringerem Umfang zukündigen, um solche grösseren Umfangseinzugehen. Dies jedoch stand häufig imWiderspruch zum Entwicklungsbedarfdes einzelnen Kindes und dem Bedarfseiner Familie. (3) Spezifische Zielgrup-pen blieben unberücksichtigt (vgl. auchBalthasar & Binder, 2005).

• Weiterführung der Anstossfinanzierungab 2011: Das Impulsprogramm des Bun-des ist befristet bis 2011. Im Dezember2008 sprach sich der Bundesrat für einebefristete Weiterführung der Finanzie-rung aus (Annahme der Motion «Famili-energänzende Kinderbetreuung. An-schubfinanzierung» der WBK vom Au-gust 2008).

Medialer Diskurs

Überblickt man die medialen Aktivitäten imVerlaufe des Jahres 2008 – Medienberich-te, öffentlich zugängliche (Podiums-)Dis-kussionen sowie Foren und Leserbriefe –dann zeigt sich ein wenig konkretes unddifferenziertes, jedoch selektiv diskutiertesBild. Die teils von den Medien beträchtlichgeschürte Diskussion konzentrierte sich vorallem auf Schlagworte wie ‚frühere Ein-schulung’ und ‚Verstaatlichung der Erzie-hung’. Damit wurden Ängste über eine ver-schulte und dem familiären Umfeld ent-fremdete Kindheit geradezu provoziert. Dieteilweise hitzigen Debatten verliefen ent-weder ohne Rückgriff auf wissenschaftlicheErkenntnisse – oder nur in instrumentali-sierender Art und Weise. Breit diskutiertwurden hingegen Forderungen zum quanti-tativen Ausbau von Kinderkrippen. Verein-zelt wurden dabei arbeitsmarktpolitischeund ökonomische Aspekte hervorgehoben,selten hingegen das Kind und seine Förde-rung in den Mittelpunkt gerückt. Andersverliefen jedoch die im Jahr 2008 durchge-führten Fachveranstaltungen: Die im Juni2008 vom ‚Forum Familienfragen’ der ‚Eid-genössischen Koordinationskommission fürFamilienfragen’ (EKFF) durchgeführte Ta-gung unter dem Titel «Familien – Erziehung– Bildung» fokussierte hauptsächlich aufdie positive Kommunikation aller Erzie-hungsakteure in verschiedenen pädagogi-schen Bereichen, so auch im frühkindlichenBereich. In der Romandie tagte im Novem-ber 2008 das ‚Colloque petite enfance’ inLausanne mit Schwerpunkten zur gesell-schaftlichen Entwicklung, Verantwortlich-keiten und erzieherischen Praktiken sowieNeuerungen im frühkindlichen Bereich.Weitere vereinzelte öffentliche Veranstal-tungen wie die Tagung der Schweizeri-schen Akademie für Geistes- und Sozialwis-senschaften «Familienergänzende Betreu-ung, Erziehung und Bildung von Kindern –ein Generationenprojekt in privater und

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Grundlagenstudie

staatlicher Verantwortung» im November2008 in Bern sowie die Podiumsdiskussio-nen der Jacobs Foundation «Früh investie-ren spät reparieren? Eine Debatte zur früh-kindlichen Bildung in der Schweiz» eben-falls im November 2008 trugen des Weite-ren dazu bei, die FBBE-Thematik aus einemganzheitlicheren, d.h. pädagogisch, psycho-logisch, politisch, ökonomisch und sozial-wissenschaftlichen, und damit ideologie-freieren Blickwinkel zu diskutieren, als diesbis anhin der Fall gewesen ist.

Fazit

In der jüngsten Vergangenheit habensich verschiedene Parteien mittels ge-setzlicher Vorstösse im FBBE-Bereich imParlament geäussert. Auffallend sinddabei zwei Aspekte: Erstens liegt derFokus fast ausschliesslich auf dem quan-titativen Ausbau der familienergänzen-den Angebote, der gesetzlichen Rege-lungen der Entlastung von Familien undder Schaffung sozialer Rahmenbedin-gungen. Zweitens steht in familienpoli-tischer Perspektive vor allem der stär-kere Einbezug der Väter zur Diskussionsowie die Stärkung und Unterstützungder allgemeinen elterlichen Kompeten-zen. Allerdings sind die wenigsten die-ser Vorstösse bis jetzt umgesetzt. Undauch Fragen zur frühkindlichen Bildungwurden bisher nicht expliziert disku-tiert.

Als deutlich enger erweist sich die par-teipolitische Diskussion in Bezug auf dasHarmoS-Konkordat. Bisher hat sich dieDebatte auf den Begriff der ‚Einschu-lung ab dem vollendeten vierten Le-bensjahr’ konzentriert. Möglicherweisedeshalb ist sie wenig differenziert ver-laufen. Ähnliches gilt für den medialenDiskurs. Die inhaltlichen Diskussionenhaben sich bisher sich auf grundlegendeMassnahmen wie die Finanzierung undVerantwortlichkeiten beschränkt. Fra-

gen der Qualität, Ausbildung und Um-setzung von FBBE sind wenig angespro-chen und in Folge dessen nie erschöp-fend diskutiert worden.

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9 Handlungsempfehlungen

9 Handlungsempfehlungen

In den letzten acht Kapiteln ist der Statusquo der Schweizer FBBE-Thematik im inter-nationalen Vergleich dargestellt worden. Indiesem Kapitel erfolgt eine Einschätzungder einzelnen Bereiche. Darauf aufbauendwerden insgesamt zehn Handlungsempfeh-lungen formuliert. Sie bilden die Leitlinienfür den Aufbau ein umfassenden, interna-tional konkurrenzfähigen FBBE-Systems.Basis bilden dabei sowohl die teilweise viel-versprechenden Grundlagen im Sinne guterfachlicher Kenntnisse, Angebote und Res-sourcen als auch der Umstand, dass aktuellbei vielen Bildungspolitikern, Fachleutenund der Gesellschaft eine grosse Offenheitfür Veränderungen im Bereich der frühenKindheit festgestellt werden kann.

Tabelle 9.1 liefert ein Stärken-Schwächen-Profil auf der Basis der vorangehenden dis-kutierten Schwerpunkte: Situation und Ent-wicklungsniveau der Schweiz im internatio-

nalen Vergleich; nationaler und internatio-naler Forschungsstand; Praxis der FBBE-Schweiz im Hinblick auf die Frage derSteuerung, der Qualifikation des Personalsund der Sicherung der pädagogischen Qua-lität; FBBE für Kinder mit besonderem För-derbedarf (d.h. solche aus benachteiligtenMilieus, mit heilpädagogischem Förderbe-darf sowie mit herausragendem Potenzial);Rolle der Eltern und ihre Mitwirkung sowiedas Niveau des politischen, gesellschaftli-chen und volkswirtschaftlichen Diskurses.Bewertet werden diese Schwerpunkte an-hand von fünf Kategorien: 1=muss grundle-gend entwickelt werden; 2=rudimentäreAnsätze sind vorhanden; 3=verschiedene,jedoch ungebündelte Ansätze sind vorhan-den; 4=vielfältige Entwicklungen sind imGang; 5=auf hohem Niveau entwickelt. Aufdieser Basis werden anschliessend zehnHandlungsempfehlungen formuliert.

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Tab. 9.1: Stärken-Schwächen-Profil der FBBE-Schweiz

BereichEntwicklungsstand*

1 2 3 4 5Schweiz und ihre internationale An-schlussfähigkeit •FBBE-Forschung •Steuerung und Strategie •Praxis: Qualifikation des Personals •Praxis: Sicherung der pädagogischenQualität •Praxis: Angebote •Benachteiligte Kinder und solche mitbesonderen Bedürfnissen •Eltern, ihre Rolle und ihre Mitwirkung •Grund-/Basisstufe und ihre FBBE-Ver-knüpfungen •Politischer, gesellschaftlicher und volks-wirtschaftlicher Diskurs •* 1=muss grundlegend entwickelt werden; 2=rudimentäre Ansätze sind vorhanden; 3=verschiedene, jedochungebündelte Ansätze sind vorhanden; 4=vielfältige Entwicklungen sind im Gang; 5=auf hohem Niveau ent-wickelt.

Grundlagenstudie

Die Tabelle verdeutlicht, dass drei Bereicheausgesprochen hohen Entwicklungsbedarfaufweisen: die internationale Anschlussfä-higkeit der FBBE-Schweiz, die frühkindlicheFörderung benachteiligter Kinder und sol-cher mit besonderen Bedürfnissen sowiedie Sicherung der pädagogischen Qualitätfamilienergänzender Betreuungsangebote.In diesen Bereichen bedarf es rascher undumfassender Anstrengungen. VielfältigeEntwicklungen sind hingegen bei den Praxi-sangeboten im Gang. Hier muss es zukünf-tig vor allem darum gehen, diese Vielfalteinem systematischen, zielgerichtet ange-legten Ganzen zuzuführen. Gleiches giltauch für das neue Schuleingangsmodell derGrund-/Basisstufe und seine FBBE-Ver-knüpfungen. Weitere drei Bereiche bedür-fen verstärkter Aufmerksamkeit, weil siedie Basis bilden, damit überhaupt ein ein-heitliches FBBE-System Schweiz aufgebautwerden kann. Dazu gehören Steuerung unddie Ausarbeitung einer Strategie, die Fragenach der Qualifikation des Personals sowieder politische, gesellschaftliche und volks-wirtschaftliche Diskurs. Ansatzweise gute,jedoch bis anhin ungebündelte Ansätzesind in den Bereichen der FBBE-Forschungsowie der Frage, welche Rolle den Elternim FBBE-Prozess zukommen soll, vorhan-den.

(1) Ein Fokus auf den Bildungsge-danken

Sollen junge Kinder eher durch entwick-lungsangemessene Betreuung oder durchfrühkindliche Bildungsprozesse gefördertwerden? Aktuell besteht in der Schweizeine einschneidende Kluft zwischen diesenbeiden Konzepten. Dies hat in erster Liniedamit zu tun, dass der Begriff ‚frühkindli-che Bildung’ häufig falsch verstanden undmit früherer Einschulung oder Vorverle-gung schulischer Inhalte in den bis anhinbildungsfreien Vorschulraum gleichgesetztwird.

Unter frühkindlicher Bildung wird jedochetwas Anderes verstanden. Sie umfasst dieganzheitliche, bewusste Anregung derkindlichen Aneignungstätigkeit durch Er-wachsene im Umfeld des Kindes. Dazu ge-hören der altersangemessene Erwerb, mitSprache umzugehen, Texte vorgelesen zubekommen und Wörter zu verstehen sowiemathematische und naturwissenschaftlichePhänomene zu erfassen. Künstlerische Be-gabungen zu entdecken, den Körper zu er-fahren und Haltungen und motorische Fä-higkeiten einzuüben, gehören ebenso dazuwie die Bedeutung, Gesundheit kennenzu-lernen oder die Aneignung metakognitiverKompetenzen, (verstanden als Fähigkeiten,wie man Probleme löst, wie man sichetwas merkt, wo man etwas suchen kannoder wie man lernt). Alle diese Basiskom-petenzen bilden die Grundlagen für diespätere Aneignung von Wissen in der Schu-le sowie für die Befähigung, einen enga-gierten, sozialverträglichen und selbstver-antworteten Lebensweg einzuschlagen.

Für den Aufbau eines zukunftsfähigen undinternational anschlussfähigen FBBE-Sys-tems braucht die Schweiz einen Perspekti-venwechsel von Betreuung zu Bildung. Wirkönnen uns dabei auf gehaltvolle Erzie-hungs- und Bildungskonzepte mit histori-schen Wurzeln (Fröbel, Montessori, Pesta-lozzi etc.) berufen, die ein solides Funda-ment für das FBBE-System bilden.

Deshalb wird empfohlen, auf dieserGrundlage einen umfassenden Diskurszu lancieren, der auf den teilweise ela-borierten Praxen, Systemen und Kon-zepten der Romandie und des Tessinsaufbaut. Erfolgreiche Länder wieSchweden, Italien oder Neuseelandzeigen modellhaft vor, dass ein solcherPerspektivenwechsel erfolgreich ver-laufen kann und Betreuung mit demPrimat von Bildung zusammenzubrin-gen ist. Denn: Betreuung ist weiterhin

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9 Handlungsempfehlungen

nötiger denn je, um Lernen und sozialeAnpassung zu untermauern. Dem imFBBE-Bereich tätigen Fachpersonalwird dabei eine Schlüsselrolle zukom-men. Vorschulische Angebote mit ver-stärkter Bildungsorientierung könnennur dann erfolgreich implementiertund mit der intendierten Wirksamkeitausgestattet werden, wenn sich dieseOrientierung auch in den subjektivenÜberzeugungsmustern der pädagogi-schen Fachkräfte niederschlägt.

(2) Die Sicherung der internationa-len Anschlussfähigkeit

Unser Schweizer FBBE-System entsprichtnicht den Empfehlungen der OECD. Zwarverfügen wir im Bereich struktureller Quali-tätsbestimmungen des DachverbandesKiTaS (zusätzlich zu den Richtlinien derPAVO) über im internationalen Vergleichstrenge Bestimmungen, doch fallen wir invielen anderen Bereichen gegenüber denführenden Ländern deutlich ab.

Um die internationale Anschlussfähig-keit sicherzustellen, wird deshalb emp-fohlen, in drei Bereichen aktiv zu wer-den: im Aufbau eines zusammenhän-genden Bildungs- und Betreuungsrau-mes, der Erstellung eines gesamt-schweizerischen, international ver-gleichbaren statistischen Datensys-tems inklusive einer regelmässigen undsystematisch betriebenen Datensamm-lung im Sinne eines Bildungsmonito-rings sowie der Qualifizierung desFBBE-Personals.

(3) Der Aufbau einer Forschungsin-frastruktur

Einzelne, teils elaborierte wissenschaftlicheAuseinandersetzungen zeugen von einemenormen Interesse an der FBBE-Thematik.Im Ganzen gesehen ist sie jedoch kaum er-forscht, weshalb unser wissenschaftlichesund anwendungsbezogenes Wissen in in-ternationaler Sicht vergleichsweise be-scheiden ist. Obwohl an verschiedenen In-stitutionen bereits Forschungen zu Teil-Fra-gestellungen durchgeführt worden sindund werden, gibt es einen grossen Bedarfan praxisnaher Forschung und auf den in-ternationalen Austausch ausgerichteterGrundlagenforschung.

Empfohlen wird deshalb, dass derBund Forschungsprogramme zu rele-vanten Kernzielen der FBBE-Politiknachhaltig unterstützt und gleichzeitigdie Entwicklung von Strategien zurWeitergabe von Forschungsergebnis-sen («Wissenstransfer») an interessier-te Kreise damit verbindet. Grundlagen-wie auch anwendungsorientierte For-schung sollte den Fokus auf die inter-disziplinäre Ausgestaltung des Bil-dungs-, Betreuungs- und Erziehungs-raumes der frühen Kindheit legen.

(4) Ein zusammenhängender Bil-dungs- und Betreuungsraum

Im Vergleich zum Ausland verfügt dieSchweiz über ein durchgehend getrenntesAngebotssystem im FBBE-Bereich. Es ist inFrüh- (null bis vier Jahre) und Vorschulbe-reich (vier bis sechs Jahre) aufgegliedert.Diese Situation ist in der gemeinsamen Er-klärung von SODK und EDK im März 2008bestätigt worden. Die OECD schlägt jedocheinen einheitlichen Bildungs- und Betreu-ungsraum von Geburt bis acht Jahre vor.

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Grundlagenstudie

Aus wissenschaftlicher Sicht ist ihre Be-gründung nachvollziehbar: Weil Kontinuitätund Koordination das alles Entscheidendein der kindlichen Entwicklung sind, müssenzwischen aufeinander aufbauenden Lern-und Entwicklungsprozessen und Übergän-gen Synergien geschaffen werden. Deshalbist es kaum wünschenswert, vorschulischeBetreuung isoliert zu betrachten.

Gerade die Evaluationsergebnisse desneuen Schuleingangsmodells der Grund-/Basisstufe: haben gezeigt, dass sie einesihrer wichtigsten Ziele – Startchancen-gleichheit für alle Kinder zu schaffen – nochnicht erreicht hat. Der Grund liegt darin,dass Kinder aus benachteiligten Familienihren Rückstand in Lese- und Mathematik-kompetenzen in den ersten beiden Jahrennicht aufholen konnten. Demzufolge mussdie gezielte Förderung solcher Kinder be-reits vor dem Eintritt in die Grund-/Basis-stufe einsetzen, also vor dem vierten Le-bensjahr. Startchancengleichheit dürfte je-doch nur verwirklicht werden können,wenn Grund-/Basisstufe mit Kindertages-stätten und Vorschulinstitutionen koope-rieren. Deshalb braucht es einen zusam-menhängenden Bildungs- und Betreuungs-raum.

Es wird deshalb empfohlen, den Auf-bau von FBBE unter der Federführungvon Sozialem und Bildung, von SODKund EDK, als Aufgabe mit gemeinsa-mem Zuständigkeitsbereich zu entwi-ckeln – so wie dies in vielen europäi-schen Ländern der Fall ist. Die Schweizbraucht eine Perspektive, welche dieBildungsstufen übergreift. Schubladen-denken – hier der vorschulische, dortder schulische Bereich, geht an derAufgabe langfristiger Bildungsförde-rung vorbei.

(5) Die Ausweitung der Rolle desBundes und die Entwicklungeiner langfristigen Strategie

Damit ein zusammenhängender Bildungs-und Betreuungsraum entstehen kann, be-darf es des Einbezugs aller Akteure. Nebenden freien Trägern meint dies auch Bund,Kantone und Gemeinden. Der Bund sollteeine stärkere Rolle übernehmen, weil derquantitative und qualitative Ausbau im na-tionalen Interesse liegt. Mit der Auswei-tung seiner Rolle sollte gleichzeitig die De-zentralisierung gestärkt werden. Eine ihrerpositiven Folgen ist die Integration derFBBE-Dienste auf lokaler Ebene und diedamit verbundene stärkere Aufgeschlos-senheit für die vor Ort bestehenden Be-dürfnisse. Dezentralisierung geht aber auchmit Nachteilen einher, weil Umfang undQualität der FBBE höchst ungleich über dieKantone und Regionen verteilt sind, so dassFamilien allein schon aufgrund ihres Wohn-ortes nicht die gleiche Unterstützung unddie gleichen sozialen Chancen für ihr Kinderwarten dürfen.

Solche Herausforderungen dürften nur lös-bar sein durch eine Balance von zentralenVorgaben (Standardsetzungen) und dezen-traler Vielfalt. Dabei muss alles daran ge-setzt werden, dass durch die Übertragungvon Befugnissen und Verantwortlichkeitenan den Bund die zwischen den Regionenbestehenden Unterschiede nicht noch ver-grössert werden.

Empfohlen wird deshalb eine Regelungzwischen Bund und Kantonen, die auf-zeigt, (a) wie und welche Befugnisseauf Kantone und Gemeinden übertra-gen werden und (b) welche Zielsetzun-gen, Gesetzgebungen, Regulierungenund Mindestvorgaben (Personal- undProgrammstandards) auf Bundesebenegeregelt werden sollen. Eine nationale

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Qualitätsinitiative FBBE sollte diesequantitative und qualitative FBBE-Ent-wicklung überwachen.

Zu den Aufgaben des Bundes gehört auchdie Entwicklung einer langfristigen Strate-gie «FBBE Schweiz». Sie muss eine Vision,was unser Land erreichen will mit einemProgramm für den Weg dorthin kombinie-ren. Es darf nicht – wie in vielen Bildungs-reformen der vergangenen Jahre sichtbar –zu einem Reformaktionismus von vielenEinzelprojekten kommen, der die pädagogi-sche Praxis kaum befördert, Pädagogenund Leitungen jedoch überfordert.

Empfohlen wird deshalb, eine solcheStrategie mit gemeinsamen Zielen undeinem Leitbild auszuarbeiten und dieseauch auf die internationale Anschluss-fähigkeit auszurichten. Werden zudemdie in dieser Studie berichteten wis-senschaftlichen Ergebnisse berücksich-tigt, dann sollte ein besonderes Augen-merk auf die Verbesserung der gesetz-lichen Rahmenbedingungen für berufs-tätige Eltern im ersten Lebensjahr ihresKindes gelegt werden. Im Sinne einersicheren ersten Bindung des Kindesund der Vermeidung späterer Verhal-tensstörungen empfiehlt sich eine Ver-längerung des Mutterschaftsurlaubesund eine Umwandlung zu einem El-ternschaftsurlaub. Er verhindert, dassdie Mutter diese Aufgabe allein über-nehmen muss und dass junge Kindersehr früh schon viel Zeit in einer orga-nisierten, familienexternen Kollek-tivstruktur verbringen müssen.

(6) Die Aufwertung des Personalsund die Sicherung seiner Viel-falt

Im internationalen Vergleich muss die der-zeitige Ausbildung des FBBE-Personals alsunangemessen bezeichnet werden. Allge-mein überwiegt dabei die Ansicht, dass dasAusbildungsniveau zu niedrig sei. HöhereAnsprüche und komplexere Tätigkeitenhaben in letzter Zeit dazu geführt, die Pro-fessionalität viel höher zu gewichten unddabei einzufordern, das Personal müsseüber einen höheren Abschluss und übereine generell auf diese Stufe fokussierteAusbildung verfügen. Neben Deutschlandund Österreich ist die Schweiz das einzigeLand Westeuropas, das in der Kinderbe-treuung keine höheren Ausbildungen vor-sieht. In der Diskussion zu berücksichtigenist allerdings, dass Ausbildungsniveau undBildungs- respektive Betreuungsqualitätzwei unterschiedliche Dinge sind. Ein höhe-res Ausbildungsniveau garantiert nochkeine bessere Bildungs- und Betreuungs-qualität. Es wäre somit falsch, die – zwarabsolut notwendige – Diskussion auf dieFrage des Niveaus zu verengen. Die Profes-sionalisierungsdebatte muss breiter ange-legt sein.

In diesem Sinn wird empfohlen, die zu-künftige Diskussion nicht ausschliess-lich auf die formale Anhebung der Aus-bildung des Vorschulpersonals zu fo-kussieren. Grundsätzlicher und we-sentlicher ist eine Diskussion über diegeforderten Inhalte und deren Charak-ter, welche eine qualitativ hochstehen-de Bildungs- und Betreuungsqualität si-chern sollen. Daraus muss sichtbarwerden, weshalb eine Anhebungwünschbar wäre. Erst auf dieser Basiskann geklärt werden, welche der FBBE-Ausbildungen (inklusive eines Ausbaus

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Grundlagenstudie

verfügbarer Lehrstellen in Zusammen-arbeit mit Lehrbetriebsverbünden) aufder bestehenden Dualität (Praxis undTheorie) aufbauen und welche höhereQualifizierungen erfordern sollen (Posi-tionen in Ämtern und Behörden, Lei-tungspositionen). Gleiches gilt für qua-lifizierte Leitungen mit vertieftenKenntnissen in frühkindlicher Pädago-gik.

Nicht nur die Ausbildungsqualität lässt zuwünschen übrig, sondern auch die Ausbil-dungsinhalte sowie die Fortbildung.

Es wird deshalb empfohlen, die Curri-cula stärker auf die grossen Herausfor-derungen auszurichten, welche sich ge-nerell aus der anspruchsvollen FBBE-Arbeit ergeben. Dazu gehören die Aus-richtung auf (a) die Arbeit mit interkul-turellen und heterogenen Gruppen; (b)die Bereitstellung aktuellen qualifizier-ten Fachwissens; (c) eine angemesseneEinübung und Vorbereitung auf diePraxis sowie (d) auf eine qualifizierteKommunikation mit allen am FBBE-Prozess beteiligten Akteuren. Für dieFortbildung des Personals, die häufigunter akutem Finanzierungsmangel lei-det, müssen Wege gefunden werden,wie die kontinuierliche Qualifizierunggesichert werden kann. FBBE-Qualitätkann nur garantiert werden, wenn dasPersonal Zeit hat, seine pädagogischePraxis zu reflektieren und zu verbes-sern. Deshalb sollte sich der Bund fi-nanziell engagieren.

Die Analyse der Personalsituation ergibtauch im Hinblick auf die enormen Verdien-stunterschiede, die Geschlechterfrage(mehr als 90% des Personals ist weiblich)und den kulturellen Hintergrund des Perso-nals (90% des Personals gehört der Mehr-

heitsgesellschaft an, d.h. unserer traditio-nellen, die gesellschaftlichen Normen defi-nierenden Kultur) ein gemischtes Bild.Männer sowie Personal mit Migrationshin-tergrund stellen somit eine ungenutztePersonalressource dar. Obwohl Wissen undKönnen einer Erzieherin wichtiger als ihrGeschlecht sind, sind deutliche Anstren-gungen zu unternehmen, damit mehr Män-ner den Beruf ergreifen. Die wachsendeAnzahl von Migrantenkindern in ausserfa-miliärer Betreuung erfordert zudem, dassPersonal mit Migrationshintergrund ange-messen vertreten ist, nicht nur als Überset-zer, sondern ebenso als Leiterin, als Sozial-pädagogen, als Erziehende etc.

Damit solche erheblichen Ungleichge-wichte überwunden werden können,wird empfohlen, (a) eine bundesweiteKampagne zum Ausbau der Vielfalt desPersonals inklusive der ausgewogene-ren Berücksichtigung der Geschlechterund zur gezielten Rekrutierung vonPersonal aus Minderheitsgesellschaf-ten und unterschiedlicher Kulturen zulancieren und (b) Löhne sowie Beschäf-tigungsbedingungen Bundesvorgabenzu unterstellen.

(7) Die Sicherung der pädagogi-schen Qualität

Fragt man nach der Qualität im FBBE-Sys-tem Schweiz, dann zeigt sich eine auffallen-de Inkonsistenz: Der strukturellen Qualität,d.h. den strengen Qualitätsrichtliniendurch den Dachverband KiTaS (zusätzlichzu den Richtlinien der PAVO) als einer iminternationalen Vergleich bemerkenswer-ten Stärke unseres Systems, steht fast einetotale Deregulierung des Bildungs- und Er-ziehungsauftrags auf der anderen Seite ge-genüber. Die Schweiz ist damit eines derwenigen Länder in der westlichen Welt, in

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denen das Vertrauen in die individuelleFachkraft so unbegrenzt ist, dass man ihr,je nach Standpunkt, zumutet beziehungs-weise anvertraut, die letzte Entscheidungfür die Qualität der Bildung und Erziehungunserer Kinder autonom zu treffen und zuverantworten. Diese fehlende pädagogi-sche Prozessqualität stellt eine der zentra-len Schwächen dar. Weder gibt es Richtlini-en, noch Standards oder verbindlichen Eva-luationen. Währenddessen Qualitätssiche-rung und die Diskussion der Mindeststan-dards im obligatorischen und nachobligato-rischen Bildungsbereich state of the art ge-worden sind, werden sie im vorschulischenBereich bisher nicht einmal erwähnt.

Es ist deshalb an der Zeit, auch in derSchweiz eine Debatte zu lancieren, die denBlick auch auf die Effektivität von Bildungs-und Betreuungseinrichtungen richtet. Fach-liche Beliebigkeit muss durch neue Steue-rungsmechanismen unterbunden werden.Dazu sind in den letzten Jahren in vielenLändern Standards und so genannte Bil-dungspläne entwickelt worden. Sie legenverbindlich den Bildungsauftrag vorschuli-scher Einrichtungen fest und haben zumZiel, eine hohe Bildungs- und Betreuungs-qualität für alle Kinder in allen familiener-gänzenden Angeboten des vorschulischenBereichs sicherzustellen.

Es wird deshalb empfohlen, die Frageder pädagogischen Qualität anzuge-hen. In einem ersten Schritt sollten Mi-nimalstandards ausgearbeitet werden,welche garantieren, dass die Angebots-qualität der Institution bestimmtenAnforderungen genügt und in einemzweiten Schritt Bildungspläne, welchedem Vorschulpersonal als Orientie-rungspunkte für die Praxis dienen undihren Bildungs- und Betreuungsauftragdurch Grundsätze, Vereinbarungenund Empfehlungen regeln. Wichtige Er-folgskriterien sind dabei, dass solche

Vorgaben verbindlichen, allerdings mithinreichend Spielraum ausgestattetenCharakter haben müssen. Schliesslichmuss nach den Auswirkungen bei denKindern gefragt werden. Internationalsind Bildungsstandards in Diskussion,die Auskunft geben, was Kinder amEnde der Vorschulzeit erreicht habensollen. Sie erleichtern die Evaluationder pädagogischen Qualität und si-chern, dass junge Kinder überall diegleichen Chancen haben, gut gefördert,betreut und erzogen zu werden und esEltern leichter fällt, die Qualität desFörder- und Betreuungsangebots bes-ser einschätzen zu können.

Wenn vorerst noch keine Bildungsplä-ne oder Bildungsstandards entwickeltwerden sollen, so wird zumindest emp-fohlen, kurzfristig ein nationales Güte-siegel zu lancieren, das (a) von einerSchweizer Fachstelle vergeben wird,(b) träger- und konzeptübergreifendangelegt ist, (c) sowohl Rahmenbedin-gungen, Strukturmerkmale und Merk-male der pädagogischen Prozesse bein-haltet und (d) ein Gesamtprofil als Gü-tekriterium liefert.

(8) Ein Gesamtsystem für famili-energänzende Angebote

Gesamtschweizerisch darf sich das FBBE-Angebot sehen lassen. Es besteht teilweiseein dichtes und strukturell vielfältiges An-gebot mit zufriedenstellenden materiellenRessourcen, engagierten Einzelaktivitätenund vielen Praxisprojekten. Allerdings be-stehen grosse kantonale und sprachregio-nale Unterschiede, und den Angebotenfehlt eine (sichtbare) Vernetzung undStrukturierung. Darüber hinaus erweisensie sich als nur minimal an den individuel-

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Grundlagenstudie

len Bedarf von Familien angepasst. Beson-ders markant ist die jüngste Tatsache, dassnach Jahren des grossen Angebotsdefizitsaktuell kaum mehr von einem Mangel ge-sprochen werden kann, sondern eher voneiner fehlenden Passung von Angebot undNachfrage. Denn die Angebotslücke betriffthauptsächlich subventionierte Plätze, wäh-renddessen bei nicht subventioniertenPlätzen ein Überschuss besteht.

Neben dieser fehlenden flächendeckendenKoordination, die durch die privat-rechtli-che Organisation der PAVO und die teilwei-se kantonalen Gesetze erschwert wird, er-weisen sich vor allem Zugang zu und Zahl-barkeit von Betreuungsangeboten als gros-se Hindernisse, weil sie oft von den Sub-ventionen und dem Engagement der ein-zelnen Gemeinden oder Kantone abhän-gen.

Insgesamt wird empfohlen, die beste-henden Angebote im familienergän-zenden FBBE-Bereich koordinierend zubündeln und am tatsächlichen Bedarfder Familien auszurichten. Wie in derHandlungsempfehlung Nr. 5 erwähnt,sollen solche Bemühungen in einelangfristige, systematische Strategieeingebettet werden. Für die Zukunftder FBBE Schweiz ist es entscheidend,dass damit eine gezielte Weiterent-wicklung eingeleitet werden kann unddass Aktionsprogramme nicht lediglichdie bestehende Vielfalt bereichern.Denn damit würden sie die ungleichenZugangsmöglichkeiten weiter verstär-ken und kaum den Bedürfnissen vonKindern und Familien nachkommen.

(9) Die Förderung von benachtei-ligten Kindern und solchen mitbesonderen Bedürfnissen

Dass in der Schweiz schlechte oder guteStartchancen aufgrund der sozialen Her-kunft bereits vor dem Eintritt in den Bil-dungsraum bestehen, ist empirisch gut be-legt. Diese Startchancen bestimmen in derFolge den Gestaltungsspielraum, die per-sönlichen Risiken und die individuellen, ge-sellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten vonKindern. Aus diesen Gründen bedarf eseiner vielseitigen und nachhaltigen Unter-stützung von aussen, die nicht erst beiSchuleintritt einsetzt, sondern bereits inden allerersten Lebensjahren. Darauf ver-weisen auch die Evaluationsergebnisse derGrund-/Basisstufe. Alle verfügbaren wis-senschaftlichen Studien verweisen auf denErfolg früher FBBE-Programme für benach-teiligte Kinder. Bei hoher Angebotsqualitätund Professionalisierung des Personalssowie bei intensivem Elterneinbezug zeigensie langfristige Gewinne, nicht zuletzt, weilspätere ökonomische und soziale Kostenvermieden werden können.

Frühkindliche Bildungsangebote sind be-sonders wesentlich für Kinder ethnischerMinderheiten, weil sie Sprachdefizite in derHerkunfts- wie auch in der ersten Fremd-sprache ausgleichen sowie die Integrationder gesamten Familie fördern können.Häufig kommt das Kind und damit seine Fa-milie in FBBE-Einrichtungen zum erstenMal mit den Kulturen des Gastlandes inKontakt. Die frühe Kindheit ist deshalbauch ein Ort, wo Respekt und Verständnisfür verschiedene Kulturen eingeübt und woSprachen gelernt werden können. DieZweisprachigkeit dieser Familien als Chan-ce zu begreifen ist ein wichtiger Ansatz inder integrativen Frühförderung. Solche Kin-der müssen deshalb ein Vorzugsrecht aufFBBE-Angebote bekommen. Gleiches giltjedoch auch für Kinder, denen es an einer

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9 Handlungsempfehlungen

sicheren familiären Umgebung mangeltoder die besonderen Förderbedarf haben.Frei zugängliche FBBE bietet die Möglich-keit, Probleme im Zusammenhang mit demLernen und der Erziehung wirkungsvoll zuerkennen und Mängel in der Umgebungauszugleichen. Schliesslich hat unsereGrundlagenstudie auch auf das Tabuthemades hohen Armutsrisikos junger Kinder hin-gewiesen. Ausgewogene FBBE-Angebotekönnen einen wichtigen Beitrag zur Über-windung der Kinderarmut leisten. Insge-samt sind solche Angebote jedoch für alleKinder mit andersartigen Lernbedürfnissen,Lebenshintergründen oder auch -ein-schränkungen von besonderer Bedeutung,unabhängig davon, ob sie auf eine physi-sche geistige oder sensorische Behinde-rung beziehungsweise auf eine sozioökono-mische Benachteilung, aber auch auf eineakzelerative Entwicklungsstruktur zurück-zuführen sind.

In der Schweiz existieren zwar zahlreichePraxisprojekte zur Förderung von benach-teiligten Kindern und Eltern. Sie sind je-doch unregelmässig im Angebot, unterfi-nanziert, häufig wenig integrativ und nie-derschwellig. Dazu kommt, wie in Hand-lungsempfehlung Nr. 6 bereits ausgeführt,dass das pädagogische Personal in FBBE-Einrichtungen nur ungenügend auf die be-sonderen Herausforderungen vorbereitetist, welche die Arbeit mit multikulturellenKindergruppen und Kindern aus unterprivi-legierten Milieus mit sich bringt.

Auf dieser Basis wird empfohlen, derFBBE von Kindern aus benachteiligten,unterprivilegierten Familien besonde-res Augenmerk zu schenken und sie inder Gesamtstrategie des Bundes priori-tär zu behandeln. Es sind spezifischeund flächendeckende Massnahmen indie Wege zu leiten, welche (a) schonsehr früh einsetzen, sowohl den Inte-grationsgedanken als festen Bestand-

teil einer nachhaltigen FBBE berück-sichtigen und ihn auch auf die Einbin-dung der ganzen Familie anwenden;(b) der frühen sprachlichen Förderungdieser Kinder zusammen mit ihren El-tern, sowohl in der Herkunfts- als auchin der deutschen Sprache, grosse Be-deutung beimessen, aber auch schul-vorbereitende Förderung im Sinne desErwerbs von Lerndispositionen betrei-ben; (c) von einem dichten Netz nie-derschwelliger Angebote begleitetwerden. Dazu gehören informelleNetzwerke wie Nachbarschaftshilfe,Vereine und Quartierstreffen. In die-sem Sinne wäre eine gute FBBE für be-nachteiligte Kinder eine FIBBE: einefrühkindliche Integration, Bildung, Be-treuung und Erziehung.

Das erste Ziel einer Strategie zur besonde-ren Förderung benachteiligter junger Kin-der muss darin liegen, ihnen den Zugang zuBildungsmöglichkeiten zu erleichtern. Da-mit kann FBBE einen Beitrag zu grössererBildungsgerechtigkeit in der Schweiz leis-ten.

(10) Die Stärkung der Eltern

Die starke Konzentration auf die famili-energänzenden Betreuungsangebote hatdie Bedeutung, welche Eltern für die Ent-wicklung ihres Kindes spielen, in den Hin-tergrund gedrängt. Die Forschung verweistjedoch auf ihre Schlüsselrolle. Dies gilt inbesonderem Ausmass für das Vorschulal-ter. Die Merkmale der Familie und die Qua-lität des häuslichen Anregungsmilieus sindvon grosser Bedeutung für die kindlicheEntwicklung. Eine qualitativ hochstehendeund den Bedürfnissen des Kindes optimalentsprechende familienergänzende Betreu-ung kann die Eltern nur positiv ergänzen,nie jedoch ersetzen.

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Grundlagenstudie

Aus diesen Gründen wird empfohlen,die familieninternen Ressourcen ver-mehrt zu stärken. Neben dem bereitsangesprochenen Elternurlaub solltenBund, Kantone und Gemeinden ver-stärkt in FBBE-Informationskampagnen(Was braucht ein junges Kind, woraufsollten Eltern achten, was ist eine guteund förderliche Erziehung? etc.) undWeiterbildungsangebote auch für fa-milienintern Erziehende investieren.Ihnen (Mütter, Väter, Grosseltern,nahe Verwandte, Tagesfamilien etc.)müssen Weiterbildungsmöglichkeitenzur Seite gestellt werden, damit fami-lienintern geleistete Erziehungsarbeitdie kindliche Entwicklung optimal un-terstützen und fördern kann. Sie sindmit den bereits bestehenden, gut funk-tionierenden Angeboten der Elternar-beit wie z.B. die Mütter- und Väterbe-ratung, zu vernetzen. Auf diese Weisekönnte auch die Förderung generatio-nenübergreifender Erziehungsmodelleeine stärkere Relevanz bekommen.

Die Stärkung der Elternrolle muss auch aufeinen zweiten Schwerpunkt ausgerichtetwerden: Elterbeteiligung und Mitsprache inder familienergänzenden Betreuung. InFBBE-Einrichtungen für Kinder unter vierJahren ist sie noch kaum entwickelt. Indivi-duelle Betreuungsleistungen (Öffnungs-und Ferienzeiten) fehlen, qualitativ hoheFBBE-Angebote sind häufig sehr teuer, offi-

zielle Anmeldeverfahren nicht selten kom-pliziert und mit Wartelisten versehen, sodass sie sich für Eltern als Hürde erweisen.Dies gilt besonders auch für bildungsferneEltern, wenn ein hoher schriftlicher Admi-nistrationsaufwand damit verbunden ist.Des Weiteren sind Väter wenig in FBBE ein-gebunden, und es besteht ein grosserNachholbedarf bei der Beteiligung von Ar-beitgebern.

Wir empfehlen deshalb, die Elternmit-arbeit und -verantwortung in FBBE-Ein-richtungen auszuweiten und Elternstärker in den Bildungs- und Betreu-ungsprozess ihres Kindes mit einzube-ziehen. Auf diese Weise kann gewähr-leistet werden, dass Eltern, angepasstan die individuelle Familiensituation,für ihr Kind die beste FBBE-Lösung fin-den und kompetent in die Mitarbeitund Mitverantwortung einbezogenwerden. Das alles tragende Fundamenteiner solchen erweiterten Verantwor-tungsübernahme ist ein einfacheresAnmeldeverfahren und eine proaktive,organisatorisch und institutionell ver-ankerte Kommunikation der famili-energänzenden Einrichtung gegenüberden Eltern. Durch den Wechsel von derObjekt- zur Subjektfinanzierung könnteferner ein in dieser Hinsicht wichtigesPostulat verwirklicht werden: dieWahlfreiheit der Eltern.

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Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Abbildungen

Abb. 3.2: Kosten-Nutzen-Verhältnisse in der Stadt Zürich, der Region Bern und der Roman-die (Mindestnutzen: Fritschi et al., 2002; Mackenzie Oth, 2002; Müller Kucera &Baur, 2000)........................................................................................................31

Abb. 3.3: Kosten-Nutzen-Verhältnisse der Kindertagesstätten in der Region Bern nach Fi-nanzträgern für das Jahr 2006 (Fritschi, Strub & Stutz, 2007).............................32

Abb. 4.1: FBBE-Bereich Schweiz; aufgegliedert nach Alter der Kinder und Angebotsformen..........................................................................................................................35

Abb. 4.2: FBBE-Bereich Schweiz; aufgegliedert nach formellem und informellem Bereichder familienergänzenden Betreuung..................................................................36

Abb. 4.3: Anteil Haushalte mit familienergänzender vorschulischer Kinderbetreuung nachBetreuungsart (SAKE/BfS, 2007)........................................................................38

Abb. 4.4: Anteil Haushalte mit familienergänzender vorschulischer Kinderbetreuung 2007nach Betreuungsdauer (SAKE/BfS, 2007)...........................................................39

Abb. 4.5: Besuch des Kindergartens, der école enfantine und der scuola dell'infanzia2006/07 nach Alter (BfS/SAKE, 2008).................................................................46

Abb. 5.1: Erwerbstätigkeit der ständigen Wohnbevölkerung nach Bildungsstand undStaatsangehörigkeit im 2. Quartal 2005 (BfS/SAKE, 2005)..................................57

Abb. 6.1: Frauenerwerbstätigkeit in den Schweizer Kantonen im Überblick (Stadelmann-Steffen, 2007, S. 592).........................................................................................71

Abb. 6.2: Gewünschtes Arbeitsvolumen nicht erwerbstätiger Mütter (Banfi, Iten, & Medici,2007).................................................................................................................72

Abb. 6.3: Anteil der verschiedenen staatlichen Unterstützungsmassnahmen für Paare mitzwei Kindern (Credit Suisse, Economic Research, 2005, S. 14)............................75

Tabellen

Tab. 2.1: Staatliche Ausgaben für ausserfamiliale Kinderbetreuung und Teilnahme im in-ternationalen Vergleich 2003 (OECD, 2005).......................................................22

Tab. 4.1: Standards des Kinderbetreuungsnetzwerks der EU, 1996 (EDK, 2005, S.35).......43

Tab. 4.2: Durchschnittliche Jahreslöhne der Stadt Zürich von 2005 für verschiedene Posi-tionen................................................................................................................44

Tab.4.5: Nicht eidgenössisch zertifizierte Aus- und Weiterbildungen im FBBE-Bereich inder Schweiz.......................................................................................................52

Tab. 5.1: Kinderarmut in der Schweiz im ausgewählten internationalen Vergleich im Jahr2000 (OECD, 2007).............................................................................................56

Tab. 5.2: Praxisprojekte im Bereich FBBE speziell für Kinder mit Migrationshintergrund. .60

107

Grundlagenstudie

Tab. 6.1: Gründe, die von den Müttern für die ungenügende Kinderbetreuung angegebenwurden (BfS/SAKE, 2005) ..................................................................................73

Tab. 9.1: Stärken-Schwächen-Profil der FBBE-Schweiz......................................................91

Tab. 4.1a:Anzahl Kinderkrippen und Kinderhorte nach Kantonen und pro 1000 Kinderunter sieben Jahren (BfS, 2008)........................................................................122

Tab. 4.2a:Mit der Anstossfinanzierung des Bundes geschaffene Betreuungsplätze (BSV,Stand 22. September 2008)..............................................................................123

Tab. 4.3a:Besuch des Kindergartens, der école enfantine und der scuola dell'infanzia nachAlter 2006/07 (BfS, 2008).................................................................................124

Tab. 4.4a:Betreuungsstrukturen in Kindergärten, Schuljahr 2007/08 (EDK, 2007)............125

Tab. 4.5a:Praxisprojekte (Auswahl).................................................................................126

108

Glossar und Abkürzungsverzeichnis

Glossar und Abkürzungsverzeichnis

Glossar

Begriffe Erläuterungen

Chancengleichheit FBBE-Programme haben mehrheitlich zum Ziel, für alle Kinder gleicheStartchancen bei Schulbeginn zu schaffen. Chancengleichheit gilt im Bil-dungswesen als gegeben, wenn allen ungeachtet ihrer Herkunft, Religi-on, politischen Einstellung oder sozialem Status die gleiche Chance zuLeistungsentfaltung und -bestätigung eingeräumt wird.

Familienergänzende Betreuung Als familienergänzend werden alle Betreuungssituationen bezeichnet, indenen die grundlegende FBBE eines Kindes von anderen Personen alsden Erziehungsberechtigten geleistet wird (EKFF, 2002).

Familienergänzende Betreu-ungsformen

Formelle familienergänzende Betreuung lässt sich in die drei Kategorien:Kindertagesstätten (Krippen, Spielgruppen, Hort), Tagesfamilienbetreu-ung und Einrichtungen für die schulergänzende Betreuung (Tageskinder-garten, Mittagstisch, Hausaufgabenhilfe) gliedern.

Informelle familienergänzende Betreuung bezieht sich auf Betreuungs-formen durch Verwandte, Bekannte, Au pair, Nannys, Haushaltshilfen,Nachbarn oder Kinderhütedienste.

FBBE FBBE= Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung

Aus pädagogischer Sicht besteht FBBE in der Synthese aus Bildung, Be-treuung und Erziehung, deren Anteile jeweils altersadäquat aufeinanderbezogen sind.

Frühbereich Der Frühbereich umfasst die Altersspanne zwischen 0 und 4 Jahren.

Frühkindliche Betreuung Frühkindliche Betreuung meint die altersadäquate, spielorientierte Pfle-ge und Versorgung des Kindes sowie das Stillen der elementaren physi-schen und psychischen Bedürfnisse.

Frühkindliche Bildung Frühkindliche Bildung meint die bewusste Anregung der kindlichen An-eignungstätigkeit durch Erwachsene im Umfeld des Kindes. Sie ent-spricht dem angeborenen Drang des Kleinkindes, sich Wissen anzueig-nen und sich ein Bild der Welt zu machen.

Frühkindliche Erziehung Frühkindliche Erziehung besteht im absichtsvollen Umgang mit demKind durch zumeist erwachsene Bezugspersonen. Das Ziel, Fähigkeiten,Fertigkeiten, Einstellungen und Kompetenzen des Kindes möglichst dau-erhaft zu fördern, dient dem übergeordneten Interesse, durch Erziehungdie Entfaltung der Persönlichkeit des Kindes zu ermöglichen.

Heilpädagogische Früherziehung(HFE)

Die Heilpädagogische Früherziehung besteht aus Beratungs- und Förder-massnahmen der heilpädagogischen Dienste für Kinder mit Behinderun-gen, Entwicklungsverzögerungen, -einschränkungen oder -gefährdung.Sie ist eine therapeutische Massnahme und kommt ab der Geburt bismaximal zwei Jahre nach Schuleintritt zum Tragen.“ (EDK, 2007)

innerfamiliale Sozialisation Die innerfamiliale Sozialisation bezeichnet den Prozess der Entstehungund Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit in Abhängigkeit vonund in Auseinandersetzung mit den sozialen und dinglich-materiellen Le-bensbedingungen innerhalb der Familie (Mutter, Vater, Geschwister,Verwandte).

Ausserfamiliale Sozialisation Die ausserfamiliale Sozialisation bezeichnet den Prozess der Entstehungund Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit in Abhängigkeit vonund in Auseinandersetzung mit den sozialen und dinglich-materiellen Le-bensbedingungen ausserhalb des Familienkreises (Betreuungspersonen,

109

Grundlagenstudie

Peers, Bekannte).

Kleinkindalter 1 bis 4 Jahre

Säuglingsalter 0 bis 1 Jahre

Schulalter ab vollendetem 6 Lebensjahr

Vorschulalter 4 bis 6 Jahre

Vorschulbereich Der Vorschulbereich umfasst die Altersspanne zwischen 4 bis 6 Jahren.

Vorschulinstitutionen Unter Vorschulinstitutionen werden in der Schweiz der Kindergarten(Deutschschweiz), die école enfantine (Romandie) und scuola dell’infan-zia (Tessin) verstanden.

Objektfinanzierung Subventionen der öffentlichen Hand (Bund, Kanton, Gemeinde) für fami-lienergänzende Kinderbetreuung, welche an die Anbietenden direkt ent-richtet werden.

Subjektfinanzierung Subventionen der öffentlichen Hand (Bund, Kanton, Gemeinde) für fami-lienergänzende Kinderbetreuung, welche direkt an die Eltern entrichtetwerden (z.B. mittels Betreuungsgutscheinen).

Wo wir im Bericht auf eine Kennzeichnung verzichten, beziehen wir uns immer auf die ge-samte Schweiz, d.h. auf alle drei Sprachregionen.

110

Glossar und Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

AHFG Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung

ATAN Associazione Ticinesi degli Asili Nidi

BAG Bundesamt für Gesundheit

BfS Bundesamt für Statistik

BSV Bundesamt für Sozialversicherungen

CHF Schweizer Franken

CSP Christlich soziale Partei

CVP Christlich demokratische Volkspartei

DPE Délégation à la petite enfance

DSAS Département de la santé et des affaires sociales

EDK Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren

EEJE Ecole d’éducatrices et d’éducateurs du jeune enfant

EESP Ecole d’Etudes Sociales et Pédagogiques

EHK Elternverein für hochbegabte Kinder

EKFF Eidgenössische Kommission für Familienfragen

EVP Evangelische Volkspartei der Schweiz

FAPSE Faculté De Psychologie et de Sciences de L’éducation

FBBE Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung

FEB Familienergänzenden Betreuung (FEB)

FDP Freisinnige demokratische Partei

FIBBE Frühkindliche Integration, Bildung, Betreuung und Erziehung

FSFP La fédération suisse pour la formation des parents

HarmoS Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der

obligatorischen Schule

HEP Haute Ecole Pédagogique

HFE Heilpädagogische Früherziehung

IFP Institut de formation des parents

IPGL Institut Pédagogique de Lausanne

IRDP Institut für pädagogische Forschung und Dokumentation

Kita Kindertagesstätten

KiTaS Schweizerischer Kindertagesstättenverband

111

Grundlagenstudie

MMI Marie Meierhofer-Institut

MVB Mütter- und Väterberatung

OECD Organisation for Economic Co-Operation and Development

PAVO Eidgenössischen Verordnung über die Aufnahme von Kindern zur

Pflege und zur Adoption

PER Plan d’études romand

SAKE Schweizerische Arbeitskräfteerhebung

SBE Schweizerische Bund für Elternbildung

SECO Staatssekretariat für Wirtschaft

SHZ Schweizerisches Zentrum für Heilpädagogik

SODK Sozialdirektorenkonferenz

SP Sozialdemokratische Partei der Schweiz

SREP Sektion pädagogische Forschung, Evaluation und Planung

SVEB Schweizerische Verbande für Weiterbildung

SVEO Schweizerische Vereinigung der Elternorganisationen

SVP Schweizerische Volkspartei

SVT Schweizerischer Verband für Tagesfamilienorganisationen

UNICEF United Nations Internation Children’s Emergency Fund

VOPD Schweizerischen Verband des Personals öffentlicher Dienste

WBK Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kunst

ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch

112

Anhang

Anhang

Forschung an Universitäten

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Grubenmann, B. Säuglingsbetreuung in Kindertagesstätten – Empfehlungen für Neukonzep-tionen. Pädagogisches Institut der Universität Zürich. Juni 2005-April 2006.

Herzog, W., Böni, E., Guldimann, J. & Schröder, I. (1994). Familiäre Erziehung, Fremdbetreu-ung und generatives Verhalten (Schlussbericht Band 1 und 2). Bern: Universität Bern,Abteilung Pädagogische Psychologie.

Herzog, W. & Schüpbach, M. Educare – Qualität und Wirksamkeit der familialen und ausser-familialen Betreuung und Bildung von Primarschulkindern. Studie an der AbteilungPädagogische Psychologie der Universität Bern, in Zusammenarbeit mit der Pädagogi-schen Hochschule FHNW. März 2006-August 2008 (verlängert bis Dezember 2009).

Kappeler, S. (2008). Die Entwicklung des prosozialen Verhaltens in den ersten zwei Lebens-jahren. Dissertation, Universität Basel.

Lanners, R. La coordination des services pour les familles. Heilpädagogisches Institut der Uni-versität Fribourg. Januar 2002 bis Dezember 2007.

Licht, B. (2008). Die Entwicklung des Konfliktverhaltens im Alter zwischen 8 und 22 Monaten.Dissertation, Universität Bern.

Moser, U. Evaluation der Schulversuche «Grund-/Basisstufe». Institut für Bildungsevaluationder Universität Zürich. Januar 2004 bis November 2010.

Moser et al. (2008). NFP 56 - Entwicklung der Sprachkompetenzen in der Erst- und Zweitspra-che von Migrantenkindern. Institut für Bildungsevaluation: Zürich.

Moser, U., Bayer, N. & Berweger, S. (2008). Summative Evaluation Grundstufe und Basisstu-fe. Zwischenbericht zuhanden der EDK-Ost. Zürich: Universität Zürich, Institution fürBildungsevaluation.

Moser, U., Stamm, M. & Hollenweger, J. (Hrsg.). (2005). Für die Schule bereit? Lesen, Wort-schatz, Mathematik und soziale Kompetenzen beim Schuleintritt. Aarau: Sauerländer.

Pfyffer, A. Sprachförderungsprogramm für fremdsprachige Vorschulkinder. Lehrstuhl für Ent-wicklungs- und Persönlichkeitspsychologie der Universität Basel. Seit Herbst 2006.

113

Grundlagenstudie

Pierrehumbert, B. (2003). Le premier lien: théorie de l'attachement. Paris: O. Jacob.Pierrehumbert, B. (2005). Préscolarisation et développement émotionnel et affectif du jeune

enfant. In cahier du service de la recherche en éducation: Scolariser la petite en-fance ? Actes du deuxième colloque: Constructivisme et éducation (S. 268-278). Ge-nève: SRED.

Pierrehumbert, B., Ramstein, T., Karmaniola, A. & Halfon, O. (1996). Childcare in the pre-school years: Attachment, behaviour problems and cognitive development. EuropeanJournal of Psychology of Education, 2, 201-214.

Pierrehumbert, B., Ramstein, T., Karmaniola, A., Miljkovitch, R. & Halfon, O. (2002). Qualityof child care in the preschool years: a comparison of the influence of home care andday care characteristics on child outcome. International Journal of Behavioral Deve-lopment, 26(5), 385-396.

Roebers, C. Entwicklung von Arbeitsgedächtnis- und Aufmerksamkeitsprozessen im Kinder-garten- und frühen Schulalter. Abteilung Entwicklungspsychologie der UniversitätBern.

Stamm, M. (2004). Bildungsraum Vorschule. Theoretische Überlegungen und Perspektiveneiner empirischen Studie zum frühen kognitiven Kompetenzerwerb. Zeitschrift für Päd-agogik, 6, 865-881.

Stamm, M. (2005). Forschungsstand. In U. Moser, M. Stamm & J. Hollenweger (Hrsg.), Fürdie Schule bereit? Lesen, Wortschatz, Mathematik und soziale Kompetenzen beimSchuleintritt (S. 27-36). Aarau: Sauerländer.

Stamm. M. (2007). Basisstufe - eine Antwort auf Heterogenität? Ein Blick auf die nationaleund internationale Szene. In C. Bollier & M. Sigrist (Hrsg.), Auf dem Weg zu einer inte-grativen Basisstufe (S. 27-46). Luzern: Schweizerische Zentralstelle für Heilpädagogik.

Stamm, M. & Viehhauser, M. (in Druck). Frühkindliche Bildung und soziale Ungleichheit. Ana-lysen und Perspektiven zum chancenausgleichenden Charakter frühkindlicher Bil-dungsprogramme. Erscheint in: Zeitschrift für Sozialisation und Soziologie der Erzie-hung.

Stöckli, G. (1987). Zur Bedeutung des Schuleintritts in der Mutter-Kind-Beziehung. Zeitschriftfür Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 19(2), 170-181.

Stöckli, G. (1989). Vom Kind zum Schüler. Zur Veränderung der Eltern-Kind-Beziehung amBeispiel «Schuleintritt». Bad Heilbrunn: Klinkhardt.

Stöckli, G. (1991). De Chindsgi isch verbi. Forschungsberichte. Pädagogisches Institut der Uni-versität Zürich, Fachbereich Pädagogische Psychologie.

Stöckli, G. (1992). Der Schulanfang – Aufbruch und Entwicklungschance. Schweizer Schule,79, 4, 3-8.

Stöckli, G. Evaluation der kindlichen Entwicklung in der Schule. Begleitstudie zum Grundstu-fenversuch im Kanton Zürich. Pädagogisches Institut der Universität Zürich. Mai 2005bis Januar 2009.

Wannack, E. (2001). Erhebung von Merkmalen der Berufsfelder Kindergarten und untereKlassen der Primarstufe im deutschsprachigen Teil des Kantons Bern (ProjektberichtGKL). Bern: Institut für Pädagogik und Schulpädagogik, Forschungsstelle für Schulpäd-agogik und Fachdidaktik.

114

Anhang

Forschung an Fachhochschulen

Fabian, C. Begleitung, Bedarfserhebung und Evaluation des Pilotprojektes «Kantonales Netz-werk Früherkennung und Frühintervention». Institut Kinder- und Jugendhilfe der Fach-hochschule Nordwestschweiz FHNW. Keine Angaben zur Projektdauer.

Lanfranchi, A. Effekte familienergänzender Betreuung im Vorkindergartenalter auf die Schul-leistungen. Hochschule für Heilpädagogik HfH, Zürich. Juni 2006 bis Juni 2008.

Minder, W., Zumstein, B. & Zwahl, E. BAG-Projekt Früherkennung – Frühintervention in Schu-len – Teilprojekt Deutschschweiz. Teilschule Soziale Arbeit an der Fachhochschule Lu-zern. 2005 bis 2008.

Riedi, A.M. Pädagogisches Konzept «Kinderhaus Pilgerbrunnen». Institut Soziale Arbeit derZürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft ZHAW. November 2006 bis Juli2007.

Steiner, O. & Schnurr, S. Evaluation der landesweiten Kampagne «Stark durch Erziehung»des Schweizerischen Bundes für Elternbildung (SBE). Institut Kinder- und Jugendhilfeder Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Keine Angaben zur Projektdauer.

Wigger, A. quality4children: Entwicklung von Qualitätsstandards für die ausserfamiliale Be-treuung. 2004 bis 2006.

Forschung an Pädagogischen Hochschulen

Bitter Bättig, F. Entwicklung und Erprobung eines Kompetenzrasters für die Erstsprache mitHinweisen für die Zweitsprache im Rahmen des Schulversuchs Grundstufe/Basisstufeder EDK-Ost. Pädagogische Hochschule Schaffhausen. März 2004 – Oktober 2005.

Brunner, H. Pädagogische Diagnostik in der Basisstufe. Pädagogische Hochschule Bern.

Eriksson-Hotz, B. et al. Erziehung und Bildung in Kindergarten und Unterstufe im Rahmen derEDK-Ost. Pädagogische Hochschule Zürich. Januar 2004 bis Dezember 2006

Gaus, E., Mätzler, R. & Diezi, P. Entwicklung im Dreidimensionalen funktionalen Gestaltender 4-8jährigen Kinder. Pädagogische Hochschule Zürich. Oktober 2004 bis März 2006.

Hollenweger, J. PISA-Vertiefungsstudie «Soziale Integration und Leistungsförderung». Päd-agogische Hochschule Zürich. Januar 2002 bis Dezember 2003.

Hottinger, U. Metakognitions- und heterogenitätsorientierter Unterricht in Eingangsstufen-klassen. Pädagogische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW.

Hottinger, U. (2006). Positionspapier zum Thema «Didaktisches Rahmenkonzept für den Un-terricht in altersheterogenen Klassen 4- bis 8-Jähriger» (Basisstufe, Grundstufe). Päd-agogische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW.

Hottinger, U. Rahmenkonzept «Didaktik für heterogene Gruppen 4- bis 8-Jähriger». Pädago-gische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW.

Schnurr, S. & Schüpbach, M. EPST - Evaluation des Projekts «Schulen mit Tagesstrukturen aufder Stufe Kindergarten und Primarschule des Erziehungsdepartements Basel-Stadt».Pädagogische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. 2007 bis2011.

115

Grundlagenstudie

Schüpbach, M. (2006). Konzipierung der Organisation der Volksschule - mit dem Fokus aufGrund-/Basisstufe sowie deren Weiterführung (Anschlussstufe) – und der Tagesstruk-turen. Pädagogische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW.

Schüpbach, M. Evaluation der Einführung der Blockzeiten in der Stadt Solothurn. Pädagogi-sche Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. März 2005 bis Septem-ber 2007.

Schüpbach, M. Tagesschulen gewinnbringend umgesetzt. Pädagogische Hochschule derFachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Keine Angaben zur Projektdauer.

Schüpbach, M. Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der Tagesschule Unterleberberg.Pädagogische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. April 2006 bisDezember 2008.

Schwerzmann Humbel, P. Didaktik für den Unterricht mit vier- bis acht-jährigen Kindern(DIVA). Pädagogische Hochschule Zug.

Studer, H. (2006). Hochdeutsch im Kindergarten. Konzept zur systematischen Förderung desHochdeutschen in den Kindergärten des Kantons Graubünden. Pädagogische Hoch-schule Graubünden.

Literatur aus dem Forschungsschwerpunkt „Bildung jüngerer Kinder“ an derPädagogischen Hochschule St. Gallen

Guldimann, T. & Hauser, B. (Hrsg.). (2005). Bildung 4- bis 8-jähriger Kinder. Münster: Wax-mann.

Hauser, B. (2005): Das Spiel als Lernmodus: Unter Druck von Verschulung – im Lichte derneueren Forschung. In: Guldimann, T. & Hauser B. (Hg.) (2005): Bildung 4- bis 8-jähri-ger Kinder. Münster: Waxmann, 143 – 167.

Rogalla, M. (2005). Förderung frühreifer und potentiell begabter Kinder (247-267). In T. Gul-dimann & B. Hauser, Bildung 4- bis 8-jähriger Kinder. Münster: Waxmann.

Vogt, F. (im Druck) Inwieweit entwickeln Kindergarten- und Grundschul-Lehrpersonen in derPraxis der Basisstufe eine gemeinsame Berufskultur? In Carle, U. & Wenzel, D. (Hrsg.)Berufliche Anforderungen im Elementarbereich und in der Schuleingangsphase.Schneider-Verlag

Forschung im Auftrag kantonaler Behörden an kantonalen oder privaten Insti-tutionen

Arber, D. Lustenberger, S. & Aebi, D. (2004). Umfrage Familienexterne Betreuung 2004. De-partement des Innern.

Bertschi-Kaufmann, A., Gyger, M., Käser, U., Schneider, H. & Weiss, J. (2006). Sprachförde-rung von Migrationskindern im Kindergarten. Literaturstudie erstellt im Auftrag desDepartements Bildung, Kultur und Sport des Kantons Aargau.

Binder, H.-M., Tuggener, D. & Trachsler, E. (2000). Qualität in multikulturellen Schulen(QUIMS). Zwischenbericht nach der ersten Erhebungsphase März bis September 2000.Luzern: Interface.

116

Anhang

Binder, H.-M., Tuggener, D., Trachsler, E. & Schaller, R. ( 2002). Qualität in multikulturellenSchulen (QUIMS). Externe Evaluation. Bericht über die zweite Erhebungsphase August2001 bis Januar 2002 und zusammenfassende Beurteilung. Luzern: Interface.

Böni, E. & Salm, E. (2005). Multikulturalität in Kindergarten, Primarschule und SekundarstufeI des Kantons Bern. Schulstatistische Auswertungen. BiEv-Bericht 3. Bern: Bildungspla-nung und Evaluation der Erziehungsdirektion des Kantons Bern.

Böni, E. & Salm, E. (2008). Multikulturalität in Kindergarten, Primarschule und SekundarstufeI des Kantons Bern. Schulstatistische Auswertungen mit Daten des Schuljahres 2006.BiEv-Bericht 4. Bern: Bildungsplanung und Evaluation der Erziehungsdirektion des Kan-tons Bern.

Bosshart, S., Hauser, B. & Birri, T. (2006). Zwischenbericht Projekt Basisstufe zuhanden desErziehungsrates des Kantons St. Gallen. Kompetenzzentrum Forschung & Entwicklungder Pädagogischen Hochschulen St. Gallen (PHS) und Rorschach (PHR).

Bucher, N. & Perrez, M. (2000). Bericht über die Situation der Familien im Kanton Basel-Stadt. Eine Untersuchung in den Quartieren Breite, St. Alban und St. Johann. Basel: Jus-tizdepartement Basel Stadt.

Bürgi, C. & Littmann-Wernli, S. (2006). Betreuungsindex Kanton Zürich 2005. Bericht zur Ak-tualisierung. Statistisches Amt des Kanton Zürich und Gleichstellungskommission desKantons Zürich.

Bürgi, C. & Littmann-Wernli, S. (2007). Betreuungsindex Kanton Zürich. Bericht zur Aktualisie-rung 2006. Statistisches Amt des Kantons Zürich und Kommission für die Gleichstel-lung von Frau und Mann im Kanton Zürich.

Bürkler, S. (2004). Projekt Grund-/Basisstufe. Erster Zwischenbericht. Departement Bildung,Kultur und Sport, Abteilung Volksschule und Heime.

Diez Grieser, M. T. & Simoni, H. (2008). Projekt Spielgruppe plus (Zusammenfassung der wis-senschaftlichen Begleitung der Sprachförderung von Kindern mit Migrationshinter-grund und/oder aus bildungsfernen Familien). Zürich: Marie Meierhofer Institut für dasKind.

EDK-Ost (2005). Zusammenfassung der Ersterhebung aus den Kantonen AG, SG, ZH,TG, GL,NW. Lernstand der Schülerinnen und Schüler. Befragungen beteiligter Personen. Ent-wicklungsprojekt edk-ost-4bis8. Erziehung und Bildung in Kindergarten und Unterstufeim Rahmen der EDK-Ost. Erziehungsdirektoren-Konferenz EDK-Ost der OstschweizerKantone und des Fürstentums Liechtenstein.

EDK-Ost (2006). Zusammenfassung der Ersterhebung aus den Kantonen BE, FR, LU und ZH.Befragungen beteiligter Personen. Lernstand der Schülerinnen und Schüler. Entwick-lungsprojekt edk-ost-4bis8. Erziehung und Bildung in Kindergarten und Unterstufe imRahmen der EDK-Ost. Erziehungsdirektoren-Konferenz EDK-Ost der Ostschweizer Kan-tone und des Fürstentums Liechtenstein.

Forschungsgemeinschaft PISA Deutschschweiz/FL (Hrsg.). (2005). PISA 2003: Analysen fürDeutschschweizer Kantone und das Fürstentum Liechtenstein. Detaillierte Ergebnisseund methodisches Vorgehen. Zürich: Kantonale Drucksachen- und Materialzentrale.

117

Grundlagenstudie

Fritschi, T., Strub, S. & Stutz, H. (2007). Volkswirtschaftlicher Nutzen von Kindertageseinrich-tungen in der Region Bern. Schlussbericht. Bern: Büro für arbeits- und sozialpolitischeStudien (BASS).

Gugerli-Dolder, B., Hüttenmoser, M. & Lindemann-Matthies, P. (Hrsg.). (2004). Was Kinderbeweglich macht. Wahrnehmungs- und Bewegungsförderung im Kindergarten. Zürich:Pestalozzianum.

Iten R. et al. (2005). Familienergänzende Kinderbetreuung im Kanton Zug. Aktuelle und zu-künftige Nachfragepotentiale. Revidierte Version des Schlussberichtes. Sozialamt desKantons Zug.

Iten, R. et al. (2005). Familienergänzende Kinderbetreuung in der Schweiz: Aktuelle und zu-künftige Nachfragepotenziale. Zürich: INFRAS.

Kassis, W. & Thommen, M. (2005). Familiäres Wohlbefinden zwischen Zeit, Raum und Frei-willigkeit. Empirischer Forschungsbericht im Auftrag des Impulsprogramms „Familieund Beruf“ und unter Federführung der Fachstelle für Familienfragen des KantonsBasel Landschaft.

Licht, B., Simoni, H. & Perrig-Chiello, P. (2008). Conflict between peers in infancy and toddlerage: what do they fight about? Early Years, 28(3), 235-249.

Luginbühl, D. & Moritzi, R. (2006). Qualität in multikulturellen Schulen im Kanton St. Gallen(QUIMSG). Schlussbericht. Pädagogische Hochschule Thurgau und Fachstelle für Mi-gration und kulturelle Vielfalt, ED/AVS St. Gallen.

Marie Meierhofer-Institut (Hrsg.). (1998). Startbedingungen für Familien. Zürich: Verlag ProJuventute.

Menegale, S., Stern, S., Iten, R., Tassinari, S. & Schrottmann, R. (2004). Betreuungsindex Kan-ton Zürich. Ergebnisse der Pilotphase. Schlussbericht. Zürich und Turgi: INFRAS / Tassi-nari Beratungen.

Menegale, S., Stern, S., Iten, R., Tassinari, S. & Schrottmann, R. (2005). Betreuungsindex Kan-ton Zürich 2004. Bericht zur jährlichen Aktualisierung. Zürich und Turgi: INFRAS / Tassi-nari Beratungen.

Menegale, S., Stern, S. & Vogel, T. (2006). Betreuungsindex Kanton Zug 2005. Schlussbericht.Sozialamt des Kantons Zug.

Meyer, G., Spack, A. & Schenk, S. (2002). Vorschulkinder in der Schweiz. Zürich: Marie-Meier-hofer-Institut für das Kind.

Moret, J. & Fibbi, R. (2008). Kinder mit Migrationshintergrund im Frühbereich und in der obli-gatorischen Schule: Wie können die Eltern partizipieren? Schweizerisches Forum fürMigrations- und Bevölkerungsstudien (SFM), Kommission Bildung und Migration(KBM) der EDK: Neuenburg.

Müller Kucera, K. & Bauer, T. (2001). Volkswirtschaftlicher Nutzen von Kindertagesstätten.Welchen Nutzen lösen die privaten und städtischen Kindertagesstätten in der Stadt Zü-rich aus? Zürich: BASS.

Peter, S. & Epple R. (2000). GLÜCKLICHe Eltern - BETREUTe Kinder. Kanton Basel Land.

118

Anhang

Prognos AG. (2005). Betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse familienfreundlicher Un-ternehmenspolitik. Eine Studie bei ausgewählten Schweizer Unternehmen. Prognos:Basel.

Ramseier, E. et al. (2002). Bern, St. Gallen, Zürich: Für das Leben gerüstet? Die Grundkompe-tenzen der Jugendlichen – Kantonaler Bericht der Erhebung PISA 2000. Neuchâtel:Bundesamt für Statistik (BGS und Schweizerische Konferenz der kantonalen Erzie-hungsdirektoren (EDK).

Roth-Koch, R. & Projektgruppe Familienergänzende Kinderbetreuung im Kanton Zug (2003).Familienergänzende Kinderbetreuung im Kanton Zug. Grundlagen – Leitlinien – Vor-schläge. Direktion des Innern des Kantons Zug.

Schori, C., Hellmann, J., Hess, R., Nufer, H. & Simoni, H. (2003). Auswirkungen des neuen Fi-nanzierungsmodells auf die Qualität an den Kindertagesstätten in der Stadt Zürich(Kurzfassung des Schlussberichts und Empfehlungen zur Qualitätssicherung). Zürich:Marie Meierhofer Institut für das Kind.

Selimi, N. & Avogaro, B. (2007). Zwischenbericht Projekt Spielgruppe plus. BildungsdirektionKanton Zürich.

Sieber, P. (2002). Evaluation der Situation der Einschulungs- und Kleinklassen im Kanton Aar-gau. Schlussbericht. Forschungsbereich Schulqualität und Schulentwicklung, Universi-tät Zürich.

Simoni, H. Stärkender Lerndialog zur Bildungs- und Resilienzförderung – ein Projekt zur För-derung und Professionalisierung frühkindlicher Bildung in Schweizer Krippeneinrichtun-gen. Marie Meierhofer-Institut MMI, Zürich. Geplant ab 2009.

Simoni, H., Licht, B., Herren, J. & Kappeler, S. (2004). Die Studie zum Erwerb sozialer Kompe-tenz am Marie Meierhofer- Institut. [In undKinder, Heft 74, S. 15–68].

Staatssekretariat für Wirtschaft SECO. (2005). Wie viel bleibt einem Haushalt von einem zu-sätzlichen Erwerbseinkommen übrig? SECO: Bern.

Stamm, M. Frühlesen und Frührechnen als soziale Tatsachen. Institut für Bildungs- und For-schungsfragen, Aarau. 1995 bis 2008.

Stamm, M. (2002). Evaluation «Pilotversuch Grundstufe». Zwischenbericht zuhanden der Bil-dungsdirektion des Kantons Zürich. Aarau: Institut für Bildungs- und Forschungsfragen.

Stamm, M. (2004). Lernen und Leisten in der Vorschule: Eine empirische Studie zur Bildungs-förderung im Vorschulalter. Aarau: Institut für Bildungs- und Forschungsfragen.

Stamm, M., Grossenbacher, S., Röllin, M. & Stöckli, G. (2003). Evaluation «PilotversuchGrundstufe». Schlussbericht zuhanden der Bildungsdirektion des Kantons Zürich.Aarau: Institut für Bildungs- und Forschungsfragen.

Stamm. M., Moser, U. & Hollenweger, J. Für die Schule bereit? Lesen, Wortschatz, Mathema-tik und soziale Kompetenzen beim Schuleintritt. Lernstandsmessungen in den erstenKlassen des Kantons Zürich. Institut für Bildungs- und Forschungsfragen, Aarau. 2003bis 2005.

Stern, S., Banfi, S. & Tassinari, S. (2006). Krippen und Tagesfamilien in der Schweiz. Aktuelleund zukünftige Nachfragepotenziale. Bern, Stuttgart, Wien: Haupt

119

Grundlagenstudie

Watzek, D., Bucher, N., Hänggi, Y., Schoebi, D. & Perrez, M. (2005). Bericht über die Situationder Familien im Kanton Basel-Stadt. Eine Vergleichstudie der Jahre 1999 und 2004 invier ausgewählten Quartieren (Band 2). Basel: Justizdepartement Basel Stadt.

Wannack, E., Sörensen Criblez, B. & Gilliéron Giroud, P.G. (2006). Frühere Einschulung in derSchweiz. Ausgangslage und Konsequenzen. Bern: Schweizerische Konferenz der kan-tonalen Erziehungsdirektoren (EDK).

Wiget, E. (2004). Projekt Basisstufe Kanton Thurgau. Zwischenbericht z.H. des Regierungsra-tes des Kantons Thurgau. Amt für Volksschule und Kindergarten.

Forschung in der Romandie und im Tessin

BIE. (2004). Scolariser la petite enfance? Perspectives, revue trimestrielle d’éducation com-parée n°132, UNESCO, Vol. XXXIV, n°4. Genève.

Chatelain, S. (2000). Règles, éducation et obéissance: Quelles réalités dans les IPE? Lausanne:Cahiers de l’EESP n°28.

CIIP. (2007). L’école dès 4 ans. Bulletin de la CIIP n°20.

Delcò, M. L. (2007). Continuità e discontinuità tra scuola dell’infanzia e scuola elementare (ri-cerca-azione messa in atto dal 2004). Alta scuola pedagogica Locarno. Download am04.12.2008 von www.aspti.ch/a-ricerca/progetti/continuitapedagogica.html

Forster, S. (2007). Commencer ses classes à 2 ou 3 ans? Les dossiers de L’Éducateur: Écoleenfantine, enjeux n°11.

Gilliéron Giroud, P. (2004). Observation de l’organisation du travail au préscolaire. Lausanne:URSP 04.1.

Gilliéron Giroud, P. (2007). L’école enfantine en Suisse romande et au Tessin: État de situa-tion et questions actuelles. Lausanne: URSP 130.

Meyer, G., Spack, A. & Schenk, S. (2003). Politique de l’éducation préscolaire et de l’accueilsocio-éducatif de la petite enfance en Suisse. Lausanne: Cahiers de l’EESP n°33.

Perrenoud, P. (2000). Le rôle de l’école première dans la construction des compétences. Fa-culté de psychologie et des sciences de l’éducation de l’université de Genève. Down-load am 13.02.2008 von

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Perrenoud, P. (2003). Pour éduquer de jeunes enfants, le bon sens ne suffit pas! Faculté depsychologie et des sciences de l’éducation de l’université de Genève. Download am13.02.2008 vonwww.unige.ch/fapse/SSE/teachers/perrenoud/phpmain/php2003/200317.html

Schürch, D. (2007). Psicodidattica della fotografia nel bambino dai 3 ai 7 anni. L’altro sguar-do sull’ambiente di vita. Roma, Milano: FrancoAngeli.

SRED. (2005). Scolariser la petite enfance? Actes du deuxième colloque «Constructivisme etéducation». SRED Cahier (2 volumes). Genève: Etat de Genève.

120

Anhang

Thevenaz-Christen, T. (2005). Les prémices de la forme scolaire: études d’activités langa-gières orales à l’école enfantine genevoise. Thèse n°355 en sciences de l’éducation,Université de Genève, Genève.

Wannack, E., Sörensen Criblez, B. & Gilliéron Giroud, P. (2006). Un début plus précoce de lascolarité en Suisse : État de situation et conséquences. Berne: CDIP.

121

Grundlagenstudie

Zu Kapitel 4: Die Praxis der FBBE Schweiz: Organisation, Angebote und Per-sonal

Tab. 4.1a: Anzahl Kinderkrippen und Kinderhorte nach Kantonen3 und pro 1000 Kinder untersieben Jahren (BfS, 2008)

Anzahl Betriebe pro 1000 Kinder 1)

1985 1991 1995 1998 2001 2005

Schweiz 1.0 1.05 1.3 1.758 2.2 2.8

Genferseeregion 1.1 1.05 1.6 2.8978 3.1 3.7

Kanton Waadt 1.4 1.14 1.5 1.826 2.0 2.2

Kanton Wallis 0.1 0.23 0.7 0.77 0.9 1.8

Kanton Genf 1.4 1.59 2.6 6.2 6.4 7.2

Espace Mittelland 0.7 0.82 1.1 1.2139 1.6 2.2

Kanton Bern 0.6 0.8 0.9 1.22 1.6 2.3

Kanton Freiburg 0.2 0.39 0.9 0.829 1.0 1.4

Kanton Solothurn 0.4 0.5 0.7 0.68 1.2 1.7

Kanton Neuenburg 2.6 2.1 3.1 2.436 3.6 3.8

Kanton Jura 0.8 0.73 0.9 1.4329 1.7 2.7

Nordwestschweiz 1.0 1.04 0.9 1.2149 1.6 2.2

Kanton Basel-Stadt 3.4 3.5 1.8 3.97 4.5 5.8

Kanton Basel-Land-schaft 0.5 0.54 0.9 0.8566 1.1 1.5

Kanton Aargau 0.6 0.6 0.6 0.62847 1.0 1.5

Zürich 2.5 2.75 2.8 3.665 4.6 5.6

Ostschweiz 0.4 0.39 0.6 0.717 0.8 1.2

Kanton Glarus 1.0 0.94 0.9 0.9927 1.2 1.3

Kanton Schaffhausen 1.0 1.097 1.3 1.518 1.7 2.4

Kanton Appenzell AR 0.2 0.218 0.2 0.437 0.8 1.8

Kanton Appenzell IR 0 0 0.6 0 0 0.9

Kanton St. Gallen 0.3 0.324 0.6 0.855 0.9 1.1

Kanton Graubünden 0.2 0.2806 0.4 0.428 0.6 1.0

Kanton Thurgau 0.5 0.36 0.4 0.524 0.6 1.3

Zentralschweiz 0.4 0.3759 0.5 0.664 0.8 1.0

Kanton Luzern 0.4 0.399 0.5 0.81 0.9 1.2

Kanton Uri 0.7 0.6786 0.3 0.3519 0.4 0

Kanton Schwyz 0.4 0.295 0.4 0.4567 0.7 0.9

Kanton Obwalden 0 0 0.7 0.3748 0.4 0.9

Kanton Nidwalden 0 0 0 0.3255 0.8 0.4

Kanton Zug 0.8 0.588 1.1 0.771 0.7 1.4

Tessin 0.3 0.2927 1.0 0.844 1.1 1.1

Quelle: Betriebszählung (BZ) und Statistik des jährlichen Bevölkerungsstandes (ESPOP)

1) Teilweise revidierte Daten, November 2008

3 Statistische Angaben auf gesamtschweizerischer Ebene sind bis anhin nur zu einem Teil des Kinderbetreuungsangebots verfügbar. ImFolgenden sind die Ergebnisse der Betriebszählung (BZ) wiedergeben. Sie erfasst nur Kinderkrippen und -horte, die als Arbeitsstättenregistriert sind. Andere Betreuungsformen wie Tageseltern, Selbsthilfeorganisationen von Eltern, Mittagstisch und Nachschulbetreu-ung sowie betriebsinterne Kinderbetreuungsangebote können mit dieser Statistik nicht erhoben werden. Die BZ enthält nur Angabenüber die Zahl der Einrichtungen und die Zahl der Beschäftigten in diesen Institutionen, nicht aber Informationen zur Zahl der angebo-tenen Betreuungsplätze (BfS).

122

Anhang

Tab. 4.2a: Mit der Anstossfinanzierung des Bundes geschaffene Betreuungsplätze (BSV,Stand 22. September 2008)

KantonNeue Plätze

KindertagesstättenNeue Plätze

Schulergänzende BetreuungBevölkerung 0-16 Jahre

Anzahl in % Anzahl in % absolut in %

AG 544 5.2 537 5.9 106’794 7.8

AI 0 0 10 0.1 3’322 0.2

AR 20 0.2 81 0.9 10’037 0.7

BE 925 8.8 549 6.0 162’915 12.0

BL 179 1.7 183 2.0 45’400 3.3

BS 338 3.2 737 8.0 25’717 1.9

FR 262 2.5 217 2.4 54’545 4.0

GE 1’470 14.0 0 0 81’708 6.0

GL 28 0.3 95 1.0 7’044 0.5

GR 86 0.8 135 1.5 32’785 2.4

JU 99 0.9 39 0.4 13’811 1.0

LU 294 2.8 324 3.5 69’033 5.1

NE 198 1.9 225 2.5 32’110 2.4

NW 30 0.3 11 0.1 7’403 0.5

OW 10 0.1 0 0 6’875 0.5

SG 309 2.9 414 4.5 89’556 6.6

SH 115 1.1 122 1.3 12’235 0.9

SO 134 1.3 135 1.5 43’886 3.2

SZ 84 0.8 59 0.6 27’323 2.0

TG 179 1.7 336 3.7 45’930 3.4

TI 473 4.5 239 2.6 52’729 3.9

UR 0 0 0 0 6’605 0.5

VD 1’548 14.8 1’127 12.3 130’649 9.6

VS 334 3.2 441 4.8 53’860 4.0

ZG 223 2.1 212 2.3 20’453 1.5

ZH 2’596 24.8 2’928 32.0 218’449 16.0

TOTAL 10’478 100 9’154 100 1’361’174 100

123

Grundlagenstudie

Tab. 4.3a: Besuch des Kindergartens, der école enfantine und der scuola dell'infanzia nachAlter 2006/07 (BfS, 2008)

Besuch des Kindergartens, der école enfantine und der scuola dell'infanzia nach Alter, 2006/07

Kanton Total Alter

2 3 4 5 6 7 8

Total 153’204 4’106 6’470 28’206 67’858 45’741 808 15

Zürich 24’421 1 83 3’870 11’739 8’585 142 1

Bern 15’515 . 19 1’624 7’166 6’586 118 2

Luzern 4’824 . . 179 2’979 1’614 52 .

Uri 462 . . 16 178 255 13 .

Schwyz 2’281 . 3 192 805 1’206 75 .

Obwalden 438 . . . 149 278 11 .

Nidwalden 601 . . 86 288 221 3 3

Glarus 763 . . 127 350 277 9 .

Zug 1’990 . 2 158 986 835 9 .

Freiburg 3’577 . . 80 1’170 2’285 42 .

Solothurn 4’629 . . 739 2’277 1’601 11 1

Basel-Stadt 2’916 5 41 568 1’369 928 5 .

Basel-Landschaft 5’092 . 2 793 2’496 1’788 13 .

Schaffhausen 1’356 . 14 187 640 507 8 .

Appenzell A.Rh. 1’059 . 3 126 515 410 5 .

Appenzell I.Rh. 377 . . 39 172 162 4 .

St. Gallen 9’787 . . 2’123 4’605 2’971 88 .

Graubünden 3’695 . 13 89 1’724 1’849 20 .

Aargau 11’592 2 13 1’717 5’592 4’189 73 6

Thurgau 4’921 . . 634 2’274 1’948 65 .

Tessin 8’033 . 2’029 2’925 2’828 251 . .

Waadt 17’297 470 1’303 4’429 7’324 3’751 18 2

Wallis 6’067 . . 1’657 3’089 1’309 12 .

Neuenburg 3’383 1 15 1’001 1’734 629 3 .

Genf 16’535 3’627 2’930 4’580 4’616 779 3 .

Jura 1’593 . . 267 793 527 6 .

124

Anhang

Tab. 4.4a: Betreuungsstrukturen in Kindergärten, Schuljahr 2007/08 (EDK, 2007)

KantonKindergarten

Blockzeiten [%] Mittagstisch [%] Tageskindergarten

AG 26-50 1-25keine Volksschule, 12 Sprachheilkindergärten und

weitere 14 für behinderte Kinder

AI 26-50 1-25 0

AR 51-75 51-75 10

BE 76-99 1-25 …

BL 76-99 1-25 1

BS 100 0 an 5 Primarschulstandorten

FR 1-25 1-25 0

GE 1-25 … 1

GL 1-25 1-25 2

GR 1-25 1-25 ca. 1%

JU 1-25 0 0

LU 100 1-25 …

NE 0 … …

NW 100 … 2 Gemeinden

OW 100 1-25 2 privat

SG 1 … …

SH 100 0 0

SO 100 … nur in Sonderschulen

SZ 100 … 2 (heilpädagogische Tagesstätten)

TG 1 1-25 2

TI 100 76-99 85%

UR 1-25 1-25 0

VD 1-25 1-25 0

VS 1-25 1-25 4

ZG 76-99 1-25 1

ZH 100 1-25 1-25%

In der Kantonsumfrage der Schweizerischen Konferenz der Erziehungsdirektoren (EDK) wurden nicht genaueProzentwerte erhoben. Die Kantone wurden vielmehr nach Grössenordnungen gefragt (0%, 1-25%, 26-%-50%, 51%-75%, 76%-99%, 100% aller Kindergärten)

Umfassende Blockzeiten

Kindergarten: Alle Kindern stehen an fünf Vormittagen pro Woche wenigstens zu dreieinhalb Stunden (oderwährend vier Lektionen) unter der Obhut des Kindergartens.1mit Blockzeiten, welche nicht obigen Definitionen entsprechen

Mittagstisch = betreute Mittagsverpflegung

125

Grundlagenstudie

Tab. 4.5a: Praxisprojekte (Auswahl)

Praxisprojekte der Schwerpunkte: Beispiele

Kontext HarmoS • Bund (EDK) und regionale Konferenzen: «Interkantonale Vereinbarung über dieHarmonisierung der obligatorischen Schule (HarmoS-Konkordat)»

• Kanton Aargau: «Bildungskleeblatt»• Kanton Luzern: «Schulen mit Zukunft»

Migration und sozialeBenachteiligung

• Kanton Zürich: «Spielgruppenplus»• Basel-Stadt: «Mit ausreichenden Deutschkenntnissen in den Kindergarten»• Basel-Stadt: «‚Ich lerne Deutsch fürs Kind’ In Kindergarten oder ins Schulhaus

integrierte Deutschkurse für Mütter»• Stadt Bern: «Primano»• Stadt Bern: «schritt:weise – Das Opstapje Programm für die Schweiz»“• Stadt Lausanne: «Cours de français pour les parents migrants»• Schweizerisches Institut für Kinder- und Jugendmedien (SIKJM): „Schenk mir

eine Geschichte – Familiy Literacy»

Standardsprachkompe-tenz

• Basel-Stadt: «Standarddeutsch Kindergarten» • Kanton Graubünden: «Hochdeutsch im Kindergarten» [Konzept]• Stadt Liestal: «Deutsch als Zweitsprache/Standardsprache»

Gesundheitsförderung • Bundesamt für Sport: „schule.bewegt»• Kanton Luzern: «rundum fit»• Kanton Schaffhausen: „Bewegter Kindergarten»• Kanton Waadt: «Programme cantonal de promotion de la santé et de préven-

tion primaire enfants (0-6 ans) – parents» [Programm]• Kanton Waadt: «Ça marche! Bouger plus, manger mieux» • Kanton Bern: «Purzelbaum Bern – Ein Projekt für mehr Bewegung im Kindergar-

ten»• Stadt Bern: «Znüni-Box» – ein Projekt für leckere Zwischenmahlzeiten im Kin-

dergarten“• Stadt Zürich: «Purzelbaum. Ein Projekt für mehr Bewegung und gesunde Ernäh-

rung im Kindergarten»• Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA):

«’Eins, zwei, drei!’ Das Präventionsprojekt der SFA»• Prevent a bite (unterstützt durch den Berner Tierschutz): «Prevent a bite. Schul-

projekt zur Unfallverhütung Kind und Hund»

Organisationsentwick-lung

• Kanton Luzern: «Schulen mit Zukunft»• Stadt Zürich: «Projekt Neue Mittagsbetreuung»• Stadt Luzern: «Betreuungsgutscheine für Kinder im Vorschulalter»

Pädagogische Konzept-entwicklung

• Kanton Luzern: «Schulen mit Zukunft»• Stadt St. Gallen: «Spiki – Von der Spielgruppe in den Kindergarten»• Gemeinde St. Margarethen: «Projekt Frühförderung»

Frühkindliche Bildung • Kanton Tessin: «minimovingAlps»• Kanton Thurgau: «MNT-Förderung» [MNT = Mathematik-Naturwissenschaft-

Technik]• Kanton Genf: «A la page»• Kanton Waadt (verschiedene „Institutions de la petite enfance“): «Projet d’Ou-

verture à la Participation des Aînés aux Institutions de l’Enfance (POPAIE)»• Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT und Pädagogische Hoch-

schule Rorschach: «Computermaus»• Gemeinde Schmitten (FR): «Peace-Kids»• Association pour la prévention de l’illettrisme au préscolaire (PIP): «Prévention

de l’illettrisme au préscolaire (PIP)»

126

Anhang

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