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FRAGEN ZUM FILM Fragenkatalog zur Überprüfung des eigenen Arbeitsprozesses März 2011 Stv. Prof. Britta Wandaogo

FRAGEN ZUM FILM

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FRAGEN ZUM FILM

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Page 1: FRAGEN ZUM FILM

FRAGEN ZUM FILM Fragenkatalog zur Überprüfung des eigenen Arbeitsprozesses

März 2011 Stv. Prof. Britta Wandaogo

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Eine unsortierte, erweiterbare Liste:

Fragestellungen an den eigenen Arbeitsprozess. Überprüfung des filmischen

Vorhabens. Nicht alle Fragen treffen zu!

Überprüft euch mit diesen Fragen in eurem Arbeitsprozess. Nicht um sich zu

verunsichern, sondern den bisher unsichtbaren Kern eures Films ins Zentrum zu

rücken. Spätestens im Schnitt fällt man auf “sich selbst” zurück in seinem filmischen

Vorhaben.

Dieser Fragenkatalog soll euch auch dazu dienen, noch mal eure ursprünglichen

Absichten und Ideen abzuklopfen. Wie und ob ihr euch selbst im Weg gestanden habt,

dem Film eine eigene Position zu gegeben.

01) Wann ist ein Film ein Film? Wann ist mein Film ein Film?

Welche Idee liegt dem Film zugrunde? Warum machst du den Film? Gib deinem Film einen Arbeitstitel. (AT)

Ein AT dient dazu, den Film als ein Wesen mit einer eigenen

Haltung zu begreifen.

Welche Entscheidungen liegen dem Film zugrunde? (Offene Struktur!

Wiederkehrende Elemente! Dreh in einem Zimmer! )

Aus welcher Perspektive wird der Film erzählt? Mit welchen Vorstellungen bin ich an das Thema herangegangen? Was war mein Ausgangspunkt? Wo liegt meine Motivation? Was ist an meinem Thema gesellschaftlich relevant?

- Das können kleine Dinge sein.

- Kleines steht für Vieles. Privates steht für Großes.

- Der Film bekommt ‚später’ seine Eigenständigkeit und Position.

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02) Was erzähle ich wie? Wie hat sich in meiner Haltung zum Thema im Laufe der Entstehung des Films verändert? Wie erfasse ich Komplexität? Wie zeige ich Widersprüche auf?

Welche Widersprüche gibt es?

03) Thema

Sag deinem Publikum nicht was es fühlen soll. Sortiere dein eigens Denken und deine eigenen Zweifel nicht zu schnell ein. Ein Film braucht einen Konflikt(e). Wenn nicht, sei dir dessen bewusst. Eine interessante Person, macht noch keinen spannenden Film. Filme über Menschen, die irgendetwas Besonderes haben (und mit der Kamera hinterher und ab und zu mal auf REC drücken) reicht nicht. Einen Film zu machen bedeutet eine neue Welt zu betreten, auch wenn es eine allbekannte (oder altbekannte) Welt ist.

04) Dreh

Welcher Blickrichtung folgt der Film?

Situative Beobachtung : beobachtend drehen.

Lasse den Bildern ihren Raum.

Erzähle mit den Bildern nicht was ich ohnehin zu hören bekomme.

Macht der Film auch sichtbar was man nicht sieht?

Erzähle über Bildwelten:

Stimmungen, Sprache, Körperhaltung, Mimik und Gestik.

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Authentizität: Authentisch, bedeutet auch lebendig und glaubwürdig

hinter der Kamera zu sein. Man selbst sein! Lasse deine eigenen Unsicherheiten

zu. Denke nicht zu schnell an ein Endprodukt. Beobachte, lenke das Geschehen

und lasse Unvorhersehbarkeiten zu.

05) Schnitt | Dramaturgie

Welche Antworten hat mein Rohmaterial? Sieh dir dein Rohmaterial mit einem „neuen, unbekannten“ Blick an. Welche Themen, neue und alte siehst du? Was wird in den einzelnen Szenen gesagt? Was sind die KeySätze des Rohmaterials/der einzelnen Szenen? Welche Emotion tragen die einzelnen Szenen?

06) Umsetzung

Rohmaterial ist wie Kraut und Rüben durcheinander. Das ist normal!

Örtlich, zeitlich, personell und mit all dem was passiert.

Mit Blick auf eine logische Abfolge der Begebenheiten und Informationen

ist man anfangs hoffnungslos verloren. Auch das ist normal!

Baue dir in deinem Kopf ein „plakatives“ Storyboard. - Einfache Gliederung, klarer Aufbau, klares Thema, klares Ziel. Schreibe mögliche Szenen mit KeySätzen auf: - Wofür steht diese Szene/Situation? - Was ist der wichtigste Satz /Aussage innerhalb einer Szene? - Wie ist die Emotion der Szene? Unruhig, aufgeladen, bedeutungslos?

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Was erfährt der Zuschauer wann? Wie wird er durch den Film geleitet? Kann sich der Zuschauer orientieren? Wie bediene ich die Erwartungen des Zuschauers? Muss ich sie bedienen? Ein Film braucht auch sein Geheimnis!

Karteikarten ZEITLICH chronologisch

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07) Grobe Gliederung

1. Einstieg

(erster Satz, erste Sätze? Was erfährt der Zuschauer in der ersten Szene?

Zuschauer muss nicht alles erfahren! Aber was wird ihm erzählt? )

2. Hauptteil

Block 2.1 - Block 2.2 - Block 2.3 - Block 2.4 - etc.

(KeySätze, Szenen, Aufbau, Karteikarten. Was ist eine neue Information der

jeweiligen Szene?)

3. Schluss/Ende

(Was könnte eine Schlussszene sein? Was wird in dieser thematisiert?)

08) Schritte zum Rohschnitt

Sieh dir deinen „gebauten Film“ an wie ein „unbekannter Dritter“.

Jemand der nichts über das Thema /dein Vorhaben im Films weiß.

Stell dir vor, wie dieser „unbekannte Dritte“ durch den Film geleitet wird.

Was erfährt er wo in den einzelnen Situationen/Szenen?

Jede Szene steht für einen bestimmten Inhalt, der sich aufeinander

aufbaut. Szenen sind verankert. Alles was gesagt wird, hat (später im Film)

eine bestimmte Bedeutung. Das heißt nicht, dass man ständig Gründe liefern

muss oder Erklärungen. Wichtig ist nur, dass du dir dessen bewusst bist.

Alles was gesagt wird, alles was der Zuschauer sieht, leitet ihn durch

den Film. Auch die Emotionen des Films. Dies kann sehr intuitiv, fast

unsichtbar geschehen.

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Karteikarten können eine Hilfe sein den Film erdachten Film zunächst an der Wand zu

bauen. ( auf Styroporplatten z.b.). Je nach Filmprojekt sind die Karten farblich markiert.

Gebt jeder Szene einen markanten Namen (Wort oder Wortpaar). Schlechte Mütter,

Seifendisaster, Konkurrenzdenken ....!

Hauptsache ihr wisst für was die Szene steht. Ihr könnt auch wichtige Szenen mit X –

XX – XXX markieren. SatzKeysätze, Zitate o.ä darunter notieren. Das ganze dient zur

Hilfestellung und sollte möglichst kurz und einprägsam sein und auf einen Blick

erkennbar. Ansonsten gibt es noch die Rückseite für Details. Karteikarten dienen dazu

den ROTEN FADEN DES Films erkennbar zu gestalten. Zu sehen wo, was zum Thema

gesagt wird – wie sich ein Konflikt entfaltet. Auch Ruhepole sind erkennbar, bzw.

können eine Karte haben. (Es gibt keine Schluss- oder Anfangskarten!) Alle Karten sind

variabel, ähnlich eines Memory Spiels und müssen ihre Position finden. So ein Aufbau

kann sich im Laufe der Entstehung eines Films 1000 Mal verändern. Das ist Sinn und

Zweck der Karteikartenwand – Bezüge zwischen den einzelnen Szenen zu entwickeln.

Karteikarten - dramaturgischer Aufbau Plakative Beispiele:

Beispiel 1: Wenn Person X am Anfang des Films von seiner Großmutter erzählt,

knüpft der Film später an diesem Gesagten an. Dies kann ein, zwei Szenen später

geschehen. Aber die Regie hat entschieden: die Grußmutter wird eine Rolle

spielen. Welche auch immer.

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Beispiel 2: Du sagst im Film es geht dir miserabel. Wir werden irgend-

wann erfahren oder erahnen warum, sonst brauchst du es nicht zu sagen.

Ist miserabel dein Thema, schau dir an wo und wann und wie dieses Thema

vorkommt.

Beispiel 3: Wir sehen im Film es geht Person X wunderbar.

Schrittweise bekommt der Zuschauer im Film eine Ahnung warum.

Das Thema ANGST (der roten Faden), baut sich um die Stimmung der

Hauptperson X. Von wunderbar, verdrängen bis ängstlich. Auf welcher

Karte trägt Person X - welche Stimmung?

Dies ist alles plakativ gedacht.

Die innere und äußere Erzählhaltung, verhält sich wie ein Mikro- und Makrokosmos

zueinander, mit eigenen Bedeutungen und eigenen Geheimnissen.

Ein Film muss nicht ein Ganzes erzählen. Ein Film muss keine Antworten haben, nicht

problematisieren, aber er muss für eine bestimmte Haltung stehen.

Die Umsetzung eines Inhalts mit einer eigenen, auch eigenwilligen Handschrift.

Ein Film sollte Fragen aufwerfen, Position beziehen ( auch zwischen den Zeilen).

Wobei wir wieder beim Ursprung angelangt sind und der Frage:

Wofür steht der Film?

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09) Dokumentarisch arbeiten Ein Dokumentarfilm steht in einer besonderer Weise zum Rohen, Unfertigen - einer

offenen und nicht endgültigen Struktur. Es gibt unendlich viele Wege und Formen der

Umsetzung. Wichtig ist, dass ein Film aus seiner Eigenständigkeit heraus erzählt wird

und seine Eigenarten schätzt und lebt.

Dokumentarisch Arbeiten kommt nicht von Dogmatik und ist im Grunde sehr regelfrei

und experimentierfreudig. Doch filmische Gesetze, wie sie auch bei fiktionalen Filmen

und Geschichten bestehen, treffen auch im Dokumentarischen zu. Letztendlich geht es

darum, mit einem Film ein Publikum zu erreichen, auch wenn es ein spezielles Publikum

ist. Der Unterschied dokumentarischer Arbeit ist, dass sich Inhalte verändern können.

Die letztendliche Form und Dramaturgie entsteht am Schneidetisch. Dies ist zu

verstehen, im Sinne eines „nachgestellten“ Drehbuchs, das noch mal grundsätzlich

jeglichen Inhalt und die Formfindung in Frage stellt. Somit die Regie zwingt, der

Ursprungsidee noch mal genau ins Auge zu blicken. Denn hoffentlich sind in der

Zeitspanne von Recherche, Dreh und Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema

erweiterte Ansichten und neue Ideen entstanden. „Gelebte Realitäten“ sind oft mehr

als „Erdachte Welten.“ Das Unwissen, erahnen zu können wie der fertige Film einmal

aussehen wird, gerade hier liegt die Spannung dokumentarischer Arbeit.

Unseren „Wirklichkeiten“ mit all ihren Widersprüchen und Unvorhersehbarkeiten offen zu

begegnen. Zufälle, Momente, Gefühle und Konflikte zuzulassen. Gerade hier liegt die

Kraft und das Potenzial dokumentarischer Arbeit.