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4)ASKATHARINEUM M IT TEl LV N Ci 5B LA TT für die Eltern, Schüler und Freunde unserer Schule HEFT 30 MARZ 1958 JAHRCiAN Ci 10 IN MEMORIAM JOACHIMI JVNCjI Am 23. September 1957 waren dreihundert Jahre seit dem Tage vergangen, an dem Joachim Jungius nach einem erfolgreichen Gelehrtendasein in die Ewigkeit ab- berufen wurde. Das Katharineum war nicht nur seine Schule, sondern - seine Heimat gewesen. Denn sein Vater Ni k 0 1 aus J un g e Wl'lr hier Lehrer und wohnte, wie es damals üblich war, im Schulgebäude. Die- sen Va ter verlor der am 22. Oktober 1587 geborene Joachim schon im drit- ten Lebensjahr durch ein trauriges Geschick. Nikol."!us Junge oder Jungius wurde, als er eben von einem mit Freunden verbrachten Abend in seine Behausung zurückkehren wollte unmit- telbar vor dp.m Kathari- neum ermordet. Sein Nach- folger im Amt heiratete die Witwe, und so blieb Joachim bis zum Ende Schul- zeit im Katharineum., das damals von auo Gualtpe- rius geleitet wurde, einem hervorragenden Kenner der alten Sprachen und auch des Hebräischen, der zugleich ein scharfsinniger Logiker war. Noch stärker war der bildende Einfluß des Sub- rektors M. Drenk- han, der später Rektor des Gymnasiums zu Stralsund wurde. Im Unterricht dieser Männer erlangte Joachim Jungius erstaunlich umfas- sende Kenntnis des klassi- schen Altertums. Seine auf-· fällige Begabung trieb und befähigte ihn auch zu selb- ständigem Forschen und Denken, so daß er noch als Schüler für die bildnngsbeflissenen Jünglinge Lübecks Vorträge über Philosophie hielt. Im Herbst 1605 verließ er das Katharineum und ging zum Studium nach Rostock, der hansischen Universität, die Ende des 15. Jahrhunderts bei Auseinandersetzungen mit dem Landesherrn vorübergehend in Lübeck Zuflucht gefunden hatte und nach der Rückkehr in die Heimat Ziel vieler hanseatischer Studenten von Lübeck bis Danzig geblieben war. Joachim Jungius fühlte sich anscheinend nicht befriedigt und wanderte bald nach der neugegrün- deten Universität Gießen. Dort promovierte er schon am 22. Dezember 1608 mit -einer philosophischen Dissertation, die seinen Professor Caspar Finckh, Ordinarius für Logik und Metaphysik, zu einem Loblied von 39 Hexametern begeisterte/ Im übrigen hatte- sich Jungius vor allem mit Mathematik, Physik und- Botanik nicht ein ganzes Jahr nach der Promotion berief ihn die Uni- versität Gießen im Alter von 22 Jahren zum ordentlichen Professor für Mathematik und Physik. Drei Jahre später beauftragte ihn der Landesherr, zusammen mit einem anderen Gießen er Professor den berühmten pädagogischen Reformer und Sprachdidaktiker Wolfgang Rat ich i us in Augsburg aufzusuchen und zu begutaChten. Nach Er- füllung dieses Auftrags ging Jungius nicht wieder nach Gießen zurück, wahrschein- lich weil ihm als Sohn einer freien Stadt der Fürsten- dienst nicht behagte, son- dern wandte sich nach Lü- beck. Aber der neue Rektor des Katharineums, Johann- Kirchmann, gebürtiger Lü- becker und ehemaliger Pro- fessor der Poesie an der Universität Rostock, stellte sich gegen Jungius. Da ent- schloß sich der junge Ge- lehrte zu weiteremStudiurn. "Immer klarer trat es vor seine Seele-', wie sein Bio- graph Ave-Lallemant (Abi- turient des Katharineums Ostern 1833) sagt, "das Ge- samtfeld des menschlichen Wissens müsse aller Tradi- tion, allem Herkommen zum Trotz ganz von neuem un- tersucht, beackert und besäl werden, um eine frische, fröhliche Saat zu_ liefern." Eben jüngster Universitäts- professor Deutschlands wur- de Jungius Rostocks ältester Student, und zwar studierte er Arzneikunst, weil diese den Menschen als Ganzes erfaßt. Bald trieb ihn ein schweres Erkältungsfieber nach vorläufiger Wiederher- stellung in Lübeck zur völligen Ausheilung nach Süden, wo er an der damals bedeutendsten medizinischen Fakultät Europas., in Padua, genau zehn Jahre nach seiner Gießener Promotion am 22. Dezember 1618 Doktor der Medizin wurde. Dann ergriff ihn in Deutschland der Strudel des Dreißigjährigen Krieges und wirbelte ihn umher: als Professor der Mathematik in Rostock, Professor der Me- dizin in Helmstedt, praktizierender Arzt in Braunschweig und Wolfenbüttel und wieder Professor der Mathematik in Rostock, bis Wallenstein Mecklenburg besetzte. Im Norden des Vaterlandes gab es nur eine Insel des Frie- dens; das war Hamburg, das sich unmittelbar vor dem drohenden Verhängnis mit einer für uneinnehmbar gel- tenden Befestigung umgürtet haUe und als Zufluchtsort Tausender, die um ihres Glaubens willen aus anderen Teilen Deutschlands, aus England, Frankreich, Portugal

für die Eltern, Schüler und Freunde unserer Schule

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Page 1: für die Eltern, Schüler und Freunde unserer Schule

4)ASKATHARINEUMM IT TEl LV N Ci 5 B LA T Tfür die Eltern, Schüler und Freunde unserer Schule

HEFT 30 MARZ 1958 JAHRCiAN Ci 10

IN MEMORIAM JOACHIMI JVNCjIAm 23. September 1957 waren dreihundert Jahre seit

dem Tage vergangen, an dem Joachim Jungius nacheinem erfolgreichen Gelehrtendasein in die Ewigkeit ab­berufen wurde.

Das Katharineum war nicht nur seine Schule, sondern- seine Heimat gewesen. Denn sein Vater Ni k 0 1ausJ u n g e Wl'lr hier Lehrer und wohnte, wie es damals üblichwar, im Schulgebäude. Die­sen Vater verlor der am22. Oktober 1587 geboreneJoachim schon im drit­ten Lebensjahr durch eintrauriges Geschick. Nikol."!usJunge oder Jungius wurde,als er eben von einemmit Freunden verbrachtenAbend in seine Behausungzurückkehren wollte unmit­telbar vor dp.m Kathari­neum ermordet. Sein Nach­folger im Amt heiratete dieWitwe, und so blieb Joachimbis zum Ende ~inerSchul­zeit im Katharineum., dasdamals von auo Gualtpe­rius geleitet wurde, einemhervorragenden Kenner deralten Sprachen und auch desHebräischen, der zugleichein scharfsinniger Logikerwar. Noch stärker war derbildende Einfluß des Sub­rektors M. Jo~chim Drenk­han, der später Rektor desGymnasiums zu Stralsundwurde. Im Unterricht dieserMänner erlangte JoachimJungius erstaunlich umfas­sende Kenntnis des klassi­schen Altertums. Seine auf-·fällige Begabung trieb undbefähigte ihn auch zu selb­ständigem Forschen undDenken, so daß er noch alsSchüler für die bildnngsbeflissenen Jünglinge LübecksVorträge über Philosophie hielt.

Im Herbst 1605 verließ er das Katharineum und gingzum Studium nach Rostock, der hansischen Universität,die Ende des 15. Jahrhunderts bei Auseinandersetzungenmit dem Landesherrn vorübergehend in Lübeck Zufluchtgefunden hatte und nach der Rückkehr in die Heimat Zielvieler hanseatischer Studenten von Lübeck bis Danziggeblieben war. Joachim Jungius fühlte sich anscheinendnicht befriedigt und wanderte bald nach der neugegrün­deten Universität Gießen. Dort promovierte er schon am22. Dezember 1608 mit -einer philosophischen Dissertation,die seinen Professor Caspar Finckh, Ordinarius für Logikund Metaphysik, zu einem Loblied von 39 Hexameternbegeisterte/ Im übrigen hatte- sich Jungius vor allem mitMathematik, Physik und- Botanik beschäftigt~·Nocl1nicht

ein ganzes Jahr nach der Promotion berief ihn die Uni­versität Gießen im Alter von 22 Jahren zum ordentlichenProfessor für Mathematik und Physik. Drei Jahre späterbeauftragte ihn der Landesherr, zusammen mit einemanderen Gießener Professor den berühmten pädagogischenReformer und Sprachdidaktiker Wolfgang Rat ich i u sin Augsburg aufzusuchen und zu begutaChten. Nach Er­

füllung dieses Auftrags gingJungius nicht wieder nachGießen zurück, wahrschein­lich weil ihm als Sohn einerfreien Stadt der Fürsten­dienst nicht behagte, son­dern wandte sich nach Lü­beck. Aber der neue Rektordes Katharineums, Johann­Kirchmann, gebürtiger Lü­becker und ehemaliger Pro­fessor der Poesie an derUniversität Rostock, stelltesich gegen Jungius. Da ent­schloß sich der junge Ge­lehrte zu weiteremStudiurn."Immer klarer trat es vorseine Seele-', wie sein Bio­graph Ave-Lallemant (Abi­turient des KatharineumsOstern 1833) sagt, "das Ge­samtfeld des menschlichenWissens müsse aller Tradi­tion, allem Herkommen zumTrotz ganz von neuem un­tersucht, beackert und besälwerden, um eine frische,fröhliche Saat zu_ liefern."Eben jüngster Universitäts­professor Deutschlands wur­de Jungius Rostocks ältesterStudent, und zwar studierteer Arzneikunst, weil dieseden Menschen als Ganzeserfaßt. Bald trieb ihn einschweres Erkältungsfiebernach vorläufiger Wiederher­

stellung in Lübeck zur völligen Ausheilung nach Süden,wo er an der damals bedeutendsten medizinischen FakultätEuropas., in Padua, genau zehn Jahre nach seiner GießenerPromotion am 22. Dezember 1618 Doktor der Medizin wurde.

Dann ergriff ihn in Deutschland der Strudel desDreißigjährigen Krieges und wirbelte ihn umher: alsProfessor der Mathematik in Rostock, Professor der Me­dizin in Helmstedt, praktizierender Arzt in Braunschweigund Wolfenbüttel und wieder Professor der Mathematikin Rostock, bis Wallenstein Mecklenburg besetzte. ImNorden des Vaterlandes gab es nur eine Insel des Frie­dens; das war Hamburg, das sich unmittelbar vor demdrohenden Verhängnis mit einer für uneinnehmbar gel­tenden Befestigung umgürtet haUe und als ZufluchtsortTausender, die um ihres Glaubens willen aus anderenTeilen Deutschlands, aus England, Frankreich, Portugal

Page 2: für die Eltern, Schüler und Freunde unserer Schule

und den Niederlanden vertrieben waren, sich anschickte,eine Weltstadt zu werden. Dort gab es...eine dem Katha­rineum vergleiChbare, auch von 8ugenhagen gegründeteGelehrtenscl1ule, das um zw~i Jahre ältere Johanneum,und außerdem das Akademische Gymnasium, eine Hoch­schule, die zwar keine universitas litterarum, wohl abereine phllosophische Fakultät von großer Reichweite undBedeutung war. Unter dem Einfluß des RatssyndikusGar m e r s, der seit der gemeinsamen Sd1ulzeit auf demKatharineum mit Joac:him'Jungius aufs engste befreundetwar, beschloß der Rat der Hansestadt Hamburg am10. November 1628, Jungius die Leitung und die Reformbeider Anstalten anzuvertrauen. Sein bester Mitarbeiterwurde hier sein Freund Ta s s i u s , ebenfalls alterMitschüler aus dem Katharineum. Das Johanneum hatJungius bis 1640 geleitetj Rektor des Akademischen Gym­nasiums blieb er bis zu seinem Tode am 23. September 1657.

So stellt sich, flüchtig skizziert, der äußere Gang seinesLebens dar. Er läßt nur ahnen, welch reicher und tieferInhalt dies Leben erfüllte. Selbst wenn wir uns bewußtmachen, daß Joadlim Jungius zugleich Philologe, Mathe­matiker, Physiker, Botaniker, Mediziner, Philosoph undPädagoge war, so erregt dies zunächst nur fast ungläu­biges Staunen in uns. Die ganze Bedeutung dieser Tat­sache erfassen wir doch erst im Urteil von Männern,welche seine Leistung von der gewaltigen Höhe ihreseigenen Geistes bewerten konnten. Der große Lei b n i z ,der die Schüler unseres Jungius eifrig mahnte, den lite­rarischen Nachlaß ihres Lehrers zu sichten und zu ver­öffentlichen, bezeichnete ihn ..als einen der größten

Mathematiker und Philosophen seiner Zeit und über­haupt einen .der bedeutendsten Köpfe, die Deutschlandjemals hervorgebracht hat." Man höre: ..seinel: Zeit" ­das war die Zeit. von Baco von Verulam (1561-1626),Galilei (1564-1642) und Descartes (1596-1650). Und deralte Go e t h e hielt ihn für so bedeutend, daß sich inseiner Hinterlassenschaft die Vorarbeiten zu einer Schriftüber ..Leben und Verdienste des Doctor Joachim Jungius,Rectors zu Hamburg" finden. Ein französischer Botaniker,De Candolle. hatte in der Vorrede zu einem pflanzen­kundlichen Werk Jungius und Goethe als in ihren wissen­schaftlidlen Absidlten nahe verwandt hingestellt. AlsGoethe davon erfuhr, v:ersdlaffte er sich im Juli 1828schnellstens Jungius' Werke. "Den alten Joadlim Jungius- studier' idl sehr ernsthaft, um zu erfahren, was ichmit diesem grauen Vorgänger gemein habe." Sehr baldschon legt er in Briefen seine Eindrücke nieder. ..Esdeucht mir höchst merkwürdig, welch eine Klarheit derNaturansichten sich darin hervortut, - wie der Mannsich nach allen Seiten hin ausbreitet." Am Ende desJahres 1828 schreibt Goethe an den Musikprofessor Zelterin Berlin, daß Jungius trotz seiner großen Zeitgenossen"sich aber in seinem Studien- und Lehrgang durchausoriginell zu erhalten wußte". In demselben Brief offen­bart Goethe seinen Wunsch, daß er "dem wackeren Mannegern ein gründliches Andenken stiften möchte". Mirscheint auch, daß er dem Gelehrten Joachim Jungius,diesem vielseitigen, lebensoffenen Forscher, das schönsteund tiefste Nachwort verehrt hat, als er von ihm sagte:- "dieser von Haus aus g run d g r ü n d 1ich e Mann!"

Dr. Ludewigs

01agArnim BethDetlev BeyennannHenneke GülzowDieter op de HiptPeter-Jfugen KaiserKlaus KaubePeter KoberHerbert MalichUlrich MarotzJürgen NaseHeinz NeitzelAndreas RichterJürgen SommerJens-Boie SuckKlaus Widlmann·

OlbgHans-JUrgen BorrmannKlaus BrennekeAxel BrunsJens CarstensenClaus ClaussenKlaus FrommerAxel GerlachOlav GiereFelix GroßmannDiethelm HaasAmo HilfTorsten Sdleunemann

. Heino WiechellKlaus-Rildiger WildeGerd WulfKarl-Johann Wagner

01 csElke EtzienKerstin HerholzHenning Hingst-GusmannBernd HoldorffLucie IgelKäte JacobsHella KeeseKlaus LöbkensGisela LuschertFolken MartfnsFritz Erich MeviusDieter Nehlsen

2

Dipl.-Wirtschaftsing.JuristTheologe

Masdlinenbauing.JuristDipl.-VolkswirtDipl.-VolkswirtPostinspektorAltphilologe'BauingenieurDipl.-VolkswirtBauingenieurAltphilologe

MedizinPhilologeP.Janist u. Musikwissensch.JuristVolkswirtschaftSeeoffizierJuristZoologie u. GeologieDipl.-lng.PhilologePhilologeMedizinPhysikJuristOffizierMedizin

LehrerinGraphikerinOffizierMedizinApothekerin

KrankengymnastinZahnarztLehrerinMedizinIngenieurIngenieur

Hannelore Plaetrick SprachlehrerinPaul-Eggert StapelfeldtHenning Trabandt LehrerHeidrun Wudtke Apothekerin

OldlLeobgytha BrUckmann GewerbelehrerinHans-Jürgen Burgllardt IngenieurElke Dittmer PhilologeDetlef Fölsdl LandwirtIngeborg Heitmann JuristTimmo Höpner LandwirtHelge Frieseke IngenieurLeonore Jahn MedizinHannelore Kämpfert LehrerinHolm Mahnke JuristMarie-Luise Naderhoff MedizinGernot SChmidt Verwaltungsbeamter

OlemHorst Balzer PhilologePeter FleischerHelmut FreitagEberhard GaeseGerhard Gross GeologeChristian Harders PhysikJochen Hartmann MedizinAndreas Hövelmann ArchitektUlrich Kleinfeld . WirtschaftsprUferUlridl Kloss OffizierKurt Linz TonmeisterSteffen Meyer SdliffbauPeter-Christian Mundt BeamterHans-Joachim OlschewskiJochen Reichardt TiefbauingenieurHartmut Reimer OffizierUagobert Remuss VerkehrsingenieurHorst SdläferJ ohannes SChröder GeologeHelmut Steuernagel FlugkapitänKlaus Stomberg Dipl.-KaufmannHans-Hennann Volkstorf Maschinenbauingenieur

Von der mündlichen Prüfung. die am 5., 6., 7., 8. und10. März stattfand, wurden folgende Schüler befreit:

o 1 a g Beyermann. Kober, Neitzelo 1 b g BrennE'ke. Gerlach. Giere, WildeOIe s Gjsela Luscherl MeviusOIe m Balzer, Meyer, Schröder.

Page 3: für die Eltern, Schüler und Freunde unserer Schule

Wanderung und EinkehrErlebnisse auf einer Grlecb.enlandreise

Wir kamen von Olympia, mein Kamerad und ich.waren auf der Straße nadl. Tripolis ein Stück mit demBus gefahren und bei dem kleinen Dorf Karkalou aus­gestiegen und nun schon mehrere Stunden in glühenderHitze durch einsames Arkadien gewanderl Der Weg war·schmal, manchmal nur ein Pfad. Das Gepäck druckte. Eswar heiß, so heiß, daß selbst die Zikaden verstummten.Unter Ziel: das Kloster Prodromos. Ich hatte von diesemKloster gelesen, aber es war ungewiß, ob wir es findenwürden, denn in meiner Karte war es nicht eingezeichnet,und die Besdlreibung hatte ich nur noch undeutlich imim Kopf. Wir wanderten das Lusiostal hinab, dessenWände immer steiler wurden und immer enger zusammen­traten. Nur unten waren diese Wände von mannshoherMacchia bewachsen, weiter oben' aber völlig kahl. DerLusios war hier fast ausgetrodmet. Ein Schäfer, der seineHerde in einem stehengebliebenen Wasserloch tränkteund den wir nach dem Kloster fragten, wußte auch keinenRat. So wanderten wir denn das Tal weiter hinab. GegenMittag kamen wir in das Berg,nest Dimitsana, das hiermitten in arkadischer Einsamkeit liegt. Als wir in dasDorf kamen, wurden wir von den Bewohnern wie Fabel­wesen angestaunt. So ein Anblick war selten. Im Cafe­neion, wo die Männer des' Dorfes den größten Teil desTages zubringen, bildete sich sofort ein Kreis um uns.Fragen nach .dem Woher und Wohin, ob wir verheiratetseien, ob unsere Eltern noch lebten usw. mußten beant­wortet werden. Ein alter Grieche, der über zehn Jahrein Amerika verbracht hatte (wir trafen auf der Pelo­ponnes später noch viele 'Männer, die ausgewandert undJahre danach dann wieder in ihre Heimat zurückgekehrtwaren), erklärte uns den Weg :zum Kloster. Er war Sprecherund Dolmetsch, denn unsere Unterhaltung führten wir aufEnglisch. Als die ärgste Hitze vorüber war, wandertenwir weiter. Wieder umfing uns die arkadische Einsam­keit. Rechts von unserem Pfad lag die Lusiosschlucht, anderen Wänden das Kloster Prodromos liegen sollte. Linkserhoben. sich die kahlen Berge noch über 500 m hoch. EinEsel, mit Gesträuch so hoch beladen, daß nur sein kleinerKopf mit den zierlichen Ohren zu sehen wa~, und derfast einem wandernden Gestrüpphaufen glich, schwankteuns auf dem schmalen Pfad entgegen. Er und sein Treiberwaren die einzigen Lebewesen, die uns an diesem Nach­mittag begegneten. Gegen Abend kamen wir au.f dieFahrstraße, die hier in fast 1000 m Höhe von Dimitsananach Karytaina läuft. Hier hatten wir noch ein nettesErlebnis. Plötzlich hielt nämlich ein Bus. Man forderteuns auf einzusteigen. Kaum hatten die Insassen ver­nommen, daß wir Deutsche seien, da erscholl aus derersten Reihe der Ruf: "Deutsch - extra prima!" Als wirbezahlen wollten, empfand es der Fahrer fast als Be­leidigung. Griechische Gastfreundschaft ist ein überwäl­tigender Zug dieses Volkes. Sie wird noch wie selbst­verständlich gewährt - voller Freude und Herzlichkeit.Und es gehörte ebenfalls zu dieser Gastfreundschaft, daßnachher ein Grieche mit uns ausstieg, um uns den schwie­rigen Weg zum Kloster zu weisen. Fast eine Stunde langstand er oben am Straßenrand, als wir auf kaum erkenn­baren engen Pfaden in die Schlucht hinabstiegen, um unsdurch Rufen und Winken zu dirigieren. Wir hätten unssonst wohl auch hoffnun&slos verlaufen. Es begann schondunkel zu werden, als wir endlidl den Klosterbezirk er­reichten. Eine hölzerne Gartenpforte, dann ein paar Öl­bäume, und jetzt sahen wir auch das Kloster: Eng an

den Fels geschmiegt, z. T. in eine lange, schmale, waage­rechte Felsspalte hineingebaut, galerieartig, Vogelnestemvergleichbar, lag es vor unseren Augen. Hölzerne Balkenstützten dieses Genist gegen den Abgrund ab. Davorhohe, schlanke Zypressen, die treppenartig aus derSdllucbt emporstiegen und den eigenartigen Reiz diesesAnblicks' noch vertieften. Als erster begegnete uns einalter Mönch in langer, schwarzer Kutte und wallendemVollbart. Er führte uns eine enge Steintreppe hinauf indas Zimmer des Abtes. Ein anderer Mönch brachte denüblichen Willkommensgruß: einen Uso (Sdmaps), einenLukoumi (ein sehr süßes, konfektartiges Gebäck) und eitlGlas Wasser. Außerdem stellte er eine Petroleumlampeauf den Tisch, denn inzwischen war es völlig dunkel ge­worden. Der große Raum war nur spärlich möbliert miteinem Sofa, das mit schönen, handgewebten Decken be­legt war, einigen Stühlen, einem Tisch. davor, einemzweiten Tisch an der Wand und einer einfachen Kommode.Durch eine weitgeöffnete Fenstertür, die auf einen sd1ma­len Balkon hinausging, strömte die Abendluft herein.Dann kam der Abt, um uns willkommen zu heißen. Nachkurzer Unterhaltung führte man uns in unser Zimmer.Wir stiegen eine Holztreppe nach oben, dann ging es eineschmale Holzterrasse entlang. Eine Petroleumlampe ander Wand beleuchtete schwach den R8um, der uns nunaufnahm und der außer den Betten, die auch mit hand­gewebten Decken belegt waren, zwei Stühle und einenTisch enthielt. Der Mönch deckte uns den Tisch. DasMahl war einfach: selbstgebackenes Brot, Ziegenkäse,Tomaten und Oliven. Es schmeckte aber herzhaft undgut. Später saßen wir mit einem Mönch auf einer Bankvor dem Kloster unter dem zauberhaft klaren Nacht­himme1. Im Westen stand deutlich erkennbar der Komet.Tief unter uns rauschte der Lusios. Wir unterhielten unsüber das Kloster, den Krieg und über die Kraft desGebetes, das die Menschheit tragen hilft. Unser Brudersah darin den Sinn seines mönchischen Daseins. Amnächsten Morgen weckte uns der Gesang der Mönche. dieihre Frühandacht abhielten. Sie fand in einer kIf' inenKapelle statt, die ganz im Felsen lag, fast ohne Licht vonder Außenwelt. Die Wände waren mit Fresken im byzan­tinischen &til gesdlmückt. Feingearbeitetes Chorgestühlumsäumte die Seiten, Weihrauch erfüllte d-ie Luft. EinRaum, der etwas Zwingendes ausstrahlte und von demman spürte, daß er zu innerer Einkehr führen muß. DieMönche luden uns ein, nom länger zu bleiben, und soverbrachten wir nom eine zweite Nacht in diesem Kloster,das schon tausend Jahre alt ist und doch als Bau nieein organisches Ganzes geworden ist Nur nodl neunMönche leben heute darin. Täglich halten sie ihre zweiverhältnismäßig kurzen Andachten, und ihr Hauptan­liegen heißt nicht Gottesgelehrsamkeit, sondern Gott­schau.

Diese Zeit im Kloster Prodromos gehört mit zu denstärksten Eindrücken meiner Griechenlandreise. DieseKlöster - Inseln verleugneter Zeit, wie Erhard Kästnersie nennt, in denen das Leben nur den Sinn zu habensclleint, daß man ihm soviel an Gewicht nimmt, daß eswesenlos wird - sind ein wesenUicher Teil Griecllen­lands; ein Teil, der sich so wenig mit dem klassischenGeiechenland, das ja ganz im Gegensatz hierzu nadlaußen gekehrt ist vergleichen läßt, und der dennoch nichtminder stark ist.

Cay-D. Lienau (Abiturient 1956)

Als Bergmann in der Südafrikanisdlen Union(Aus einem Tagebuch von Rainer v. Busekist, Abiturient 1953)

5. 8. 1957

.... Wir wohnen in Johannesburg zu zweit in einemtäglich vom boy gereinigten Zimmer mit elektrostatischerHeizung, die wir abends als angenehm empfinden, ob­gleich tagsüber 25-30° im Schatten herrSchen. UnserSchacht liegt in einer Parklandschaft, die aber sehr bald

in die trockene, baumlose Hochebene von Transvaal über­geht, in der ich heute schon zwei Steppenbrände sah. Beidem jetzt sehr kurzen Gras ist das nicht gefährlich,zumal" das neue Gras vom Frühling schon herausge­schoben wird. Die ersten Webervögel kommen wieder,und in den Wiesen stelzen die Flamingos., Reiher und ....Unbekannte. .

3

Page 4: für die Eltern, Schüler und Freunde unserer Schule

Die vollkommen fiache Landscba.ft. enttäUBdlt, 'aber .das· heUe Licht auf den bramien WieSen. und kahlenBäumen 'schalft eine eigenartig lebensfro!>e, freundlicheStimmung. Die Luft hier in 2000 m Ü. M. Ist herrlich!Die Afrikaner, die ihr Land leidenschaftlich lieben.schwärmen mir von den Schönheiten. Natals, Kaplandsusvi. vor, so daß ich schon wieder ganz unruhig undreise-wanderlustig bin!

6. 8. 57

Heute fingen wir bei Schacht 8 in der sogen. Schulean, die einer näheren Erläuterung wert ist:

Von der Belegsdlaft unter Tage sind nur 500 Weiße,die lediglich Aufsichtsdlenst usw. leisten. Die 5000 nativesmüssen täglldl dw:d1 ..newcomers" ergänzt werden, diesich für 4-18 (höchstens) Monate verpllichten und durchentspredlende Agenwren in den Kraals angeworben wer­den. Diese Kerls, soweit sie nicht schon hier waren (biszu sechsmal), haben von nichts eine Ahnung! Sie tragenalle möglichen Gegenstände in ihren Ohrläppdlen. ejnerz. B. eine Rolle Sdtießdraht, nidlt einmal verständlichkönnen sie sich machen. Durdl Bilder und durcll ein­faches Draufiosreden der instructors (auch farbig) werdensie zunächst rplt dem ..FanAgolö" und den primitivsten .Handgriffen, Muttern andrehen usw., vertraut gemacht."FanägoI6" ist eine Art Esperanto aus im wesentlichenZulu, Kosa, Afrikaans, Englisch und besitzt so gut wiekeine Grammatik; auch wechselt die Aussprache munterje nach Herkunft des Sprechers, Flüche und andere Wortewerden nach Bedarf eingeflod1ten.

Wenn die natives einigennaßen schwatzen können ­oft auch schon vorher - wird durch kleine praktisch­technische Tests Ihre Intelligenz festgestellt und der. ganzeHaufe in less intelligent, more intelligent-mechanical undbass-boys (= boos-boys) eingeteilt. Damit Sprachkennt­nis bzw. Qualität der mündlichen Erklärung w<>gfällt,zeigt man ihnen in einem Film. was zu mad1en ist: z. B.ist ein Würfel mit roter Oberfläche in 27 kleine Würfelunterteilt, die nun wieder zusammenzusetzen sind. undzwar so, daß die ~samte·Oberfläche wieder rot ist; anden Schnittflächen sind die kleinen Würfel weiß! Ihrwerdet lachen: das schafft k ein e r in der bemessenenZeit, in der jedes an Klötze gewöhnte Kleinkind das beiuns zweimal madlen würde. Dann folgt Einordnen vonMuttern und Sd'lrBubbolzen aus einem Durcheinander inentsprechende Kästen usw. Es ist erstaunlich, Vi i e sdlwerihnen das fällt. Die Dümmlichen werden dann später zumSchaufeln, Schieben usw. eingesetzt, die more intelligentswerden weitergetestet: es müssen z. B. ca. 7 Mann eineTonne über eine 2.5 m hohe Palisade befördern.. ohne siezu werfen. Sie stellen sich dabei märchenhaft därnlidl an!Macht aber nichts, denn hier sollen sich nur die heraus­schälen, die nFührereigenscbaften" haben und ihre Ideenzur Purdlfühnmg bringen. Das werden dann eHe bass­boys oder Obmänner. Nach diesem Test beginnt dieAusbildung: Das vollständige Modell einer Mine in natür­licher Größe der EInzelanlagen ist über Tage eingerichtet,wo die boys je nach Einstufung orthodoxes Schaufelnlernen (das lernen sie alle) in Reih und Glied und nachKommandos: number one, number two usw. usw., wasjeweils ein Arbeitstakt ist, oder Bohren, Spleißen (ein­fache Art), Lok-Fahren, Ketten anschlagen usw. Mit Bil­dern oder Filmen wird ihnen zuerst gezeigt, wie dasgeht, dann müssen sie es üben. - Der Unfallverhütungwird besondere Aufmerksanikeit gewidmet, und es wirdbeim Training peinllchst darauf geachtet, daß keiner z. B.eine Maschine fährt, ohne sie vorher gen a u kontrolliertzu haben. Die boys tragen allerdings keine Verantwor­tung, dafür sind die .mlne"" da, einfache, gelernteBergleute aus aller Herren Länder, die selber nichtarbeiten, sondern nur beaufsidltigen und anweisen..All dies spielt sich vorerst In). hellen Sonnenschein ab.Für uns ist zunächst überhaupt nichts zu tun, wir tI:eibenuns nur henun (für 18,- pro Tag!), sehen uns alles anund klönen. mit den netten· w~ißen shift-bosses undoftlcial-Iearneri (= Kollegen),. unsere englischen Sprach-kenntnisse erweiternd. - . .

13. 8. 57Heute besuchten wir die Grube WInkelhaag, eine voll­

kommen peue, noch 1m Aufbau begriffene Anlaae, in die,

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.einschließlich der Aufbereitung, 8 Millionen investiertwerden, ·die jedoch schon nadI 2-4 Jahren amortisiertsind (I), wie man sagte. Ab dann fiießt also der Profit,von dem 65% der Staat einstreicht.

Ober den Goldgehalt des Erzes konnte ich folgendes inErfahrung bringen: Die durchschnltUlche Förderung undAufbereitung von 1 Tonne Erz kostet 6 dwts = 6 pennyweights Gold; alles, was darüber im Erz enthalten ist,ist Reingewinn! Wieviel nun 6 dwts ist, konnte idl nomnicht genau ausmachen, da die Meinungen darüber aus­einandergehen und keine Unterlagen darüber zu findenwaren. Man rechnet hier mit engl. ounces. troy-ouncesusw. - Alle. die s~ch gegen das Dezimalsystem stemmen,gehören an den Galgen!!!

18. 8. 57

Das Ereignis des Tages war Bohnneister Piorrek, einKönigsbe-rger. der seit 27 Jahren in der Union ist miteiner Afrikanerin verheiratet. aber dennoch tadellosesDeutsm sprechend. Entscheidend war, daß er Humanistist und noch den Anfang der Odyssee auswendig kann,sowie: ..Feminini generis sind die Wörter all auf ...."DPmentspreenend imponierend war dann auch seineallgemeine Ubersicht über dieses Land und die Leuteund Lage rundherum. Er war der Ansicht. daß eineGleichberechtigung der Kaffern unmöglich sei. Allmäh­lich komme ich auch zu dieser überzeugung. Er tischteuns einjg:e Histörchen auf. die wir ähnlich schon vonanderer Seite gehört hatten. Etwa: EJn native studiertein F.ngland Medizin. ·kam als Dr. med. in seinen Kraalzu Besudl. wo sein chief krank war. woraufhin er na.chaltem Brauch einen JüngHnlit opferte, um d ==i rau s dieMedizin zu gewinnen! - Hier ~ibt es die Todesstrafe,sonst würde es nom mehr Verbrpchen geben. In Jo­hannesburg lauern die Kaffern am Bus ihren Artgenossenauf wenn diese am Lohntag von dort zu ihren suburbswollen, und nehmen ihnen die J .ohntüten ab. wobei eSauf etwas mehr oder weniger Blut nlcht ankommt. Abund zu beko'TllYlt audl ml:ll ein Weißer einen an denSdlädel, vorwiegend in Johannesburg.

Am Donnerstag fuhren wir zur Schachtanlage Winkel­haag und k~men hier zum ersten Male unter Tage. Die3 Sdlächte dort haben nur ein~n Durchmesspr von 3 m.Man ~p.lle gjch vor. daß auf dieser engen Sm~chtsohle

14 Kaffern (l!) sch~ufeln bzw. J2 hohrf'n! Spätp.r stehtdazu noch in der Mitte der Förderktibel mit 1,20 m imDurchmesser. Malt eudl das mal aus!!

Als wir am Samsta~ dem 17. 8.. d~s Worhenenrle inPretoria verbr~ngen wollten und zunächst auf der Straßee;np. St11nde auf einpn "lift" wartetpn nah"l un!!; einec-hter Fanner mit. der ganz offensichtlich Svmnathienfür die Deutschpn zeigtp.. Das war eine Type! Al~ wiran einem AutolInfalt vOT'beikamen.. wo zwei von Kafferngesteuerte KohIenlorries entsetzlit+t zu~ammen.~e­

.. shmashed" W3TP.n. frp.ute er siro unbänrlig. daß wiederein paar VO'1. dp.m Gesindel ..kaputt" seien. Er meinte,wa~ sie an Arheit le:sten daJi fresspn sie einem zehnfach~n Nerven und "HeT7." auf! Dann erkunrligte er sidl nachDeutsdlhmd: vor allem Jnterf'ssierte ihn: ..tell me. arethey stfll fi~tttin~ ovp.r there?". Wir konnten ihm diefrohe Friedensbotsmaft bringen! - Als wir auf die un­heimlid1en F.ntfemungen in dtesem Lande hinwiesen,meinte er: "Yeees. thJs is a large country, yes, it iso ofcourse it's not that huge as Gennany is ..." Sehr er­freut. wenn aum erstaunt. war er. zu hören. daß Deutsm­land mehrere Male in der Union unterzubringen sei!Diesen "lift" fanden wir annalenwerl

Hpute .besidttigten wir die South African Explosiveand Chemistry Co. Ltd. in Modderbee; sehr interessant!Das sehr festliche Mittagessen wurde eingeleitet miteinem umfangreichf'n ..help yourself" an der Bar. wo immir mit Vat 69 (Scotch Whisky) half und daraus dasbeste Englisch meines Lebens entfaltete I

Ah Mittwoch sJn-d wir dann nfcht mp.hr auf ,.FoastGeduld". sondern auf "Grootvlei" in Ausbildung. Waitand see!

Rainer v. Buseklst (Abiturient 1953)

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f3rief aus den USfJ

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Herr Dr. Stoppel, der für ein Jahr ,11$ Au5lo1usdllehrer nach Amtrlka p.g ..mgen b/, schickte uns den nadlStehenden &rlcht. Die Redaktion

Es ist -wahrhaftig an der Zeit, einen Gruß und erstenBericht von meinem Amerikaaufenthalt zu senden. Imbin hier an eine kirchliche (anglikanische) Privatschulein Connecticut gekommen, etwa 100 Meilen nördlich vonNew York. Was den Unterricht anbetrifft, so werde ichwohl kaum je wieder unter ähnlichen Umständen ar­beiten. Die Schule bietet Deutsch als dreijährigen Kursusan, und ich unterrichte vier Gruppen zu je 7, 8, und 10Schülern in insgesamt 19 Wochenstunden. Das Alter derSchüler liegt zwischen 15. und 18 Jahren (die drei ältesten-Jahrgänge). Die allgemeine Unterrichtszeit dauert von8.00-11.15 und 13.15-14.50 Uhr. Die fünfte Stunde istdem Chor, Club-Versammlungen und anderen "extra­curricular activities" vorbehalten.

Außer den ca. 19 Unterrichtsstunden hat jeder Lehrernoch vier sogenannte Konferenzstunden, in denen er sichin seinem Klassenzimmer aufhalten und Schülern, dieirgend etwas nicht begriffen haben, für Privataudienzenzur Verfügung stehen muß. - Die meiste Zeit korrigiertman oder bereitet sich vor. - Und schließlich hat jedernoch eine sportliche Betreuungsaufgabe am Nachmittag.Ich bin - wer hätte das je gedacht - Fußballschieds­richter!

Von Montag bis Freitag sind jeden Nachmittag zweiStunden Sport. Jeder interessierte und einigermaßenbegabte Lehrer muß sich am Sportprogramm beteiligen.Wer das nicht will, übernimmt andere Aufgaben: Singen,Orchester, Aufsicht bei den Hausarbeiten usw. Jeder

. Schüler kann dreimal im Jahr eine Sportart wählen, dieer für diese ganze Zeit ausüben möchte. Im Herbst hat erdie Wahl zwischen Football (= amerikanischem Rugby)und Fußball; im späten November beginnt das Winter­programm mit entweder Eishockey (künstliche Eisbahn),Basketball (zwei Turnhallen) und Ringen. Im März wähltman zwischen Rudern (neun w und erb are Vierer undAchter!), Baseball und Tennis (15 Tennisplätze!). Leicht­athletik, Geräteturnen und Schwimmen gibt es über­raschenderweise überhaupt nicht und soll es auch an denöffentlichen Schulen der USA nicht geben (erst imCollege). Man weint, wenn· man die großen, schönen, abervöllig kahlen Turnhallen sieht. Nicht einmal Bänke sindvorhanden, um Prellball spielen zu können! - In jederSportart ist ein Kollege, der sich besonders auf sie spe­zialisiert hat, der Trainer der Schulmannschaft (sie heißt"Varsity"), die gegen die Mannschaften anderer SChulenantritt. Im Augenblick. sind wir also -mitten in der Foot­ball- und Fußballsaison. Von den 280 Jungen der Schulebeteiligen sich etwa 200 am Football, 80 am fußball("soccer"). Von unseren 80 bilden etwa 25 die Schul­mannschaft (die für sich trainiert), die übrigen sind in dreiKlubs aufgeteilt, die dreimal in der Woche gegeneinanderspielen. Da beginnt dann meine Tätigkeit. Gott sei Dankschiedsrichtert man hier allgemein zu zweien, so daß esein gemütlicher "Job" bleibt. An jedem Sonnabend findet

unter Anteilnahme· der ganzen Schule ein Spiel gegeneine auswärtige Schule statt. Im Mittelpunkt steht natür­lich Football, ein übrigens für den Zuschauer recht auf­r~gendes Spiel, so wenig ich selber es auch spielen möchte.Trotz Kopf-, SdlUlter-, Bauch- und Knieschutz gab es imletzten Kampf ein gebrochenes Nasenbein, am Wochen­ende davor drei Beinverletzungen -'. Bruch. Knieschaden,Zerrung. Aus dem Grunde scheint unser fußball auchlangsam beliebter zu werden.

An dieser Schule gibt es so gut wie keine disziplina­rischen Probleme. Das darf ich natürlich nicht weiter ver­allgemeinern, ich könnte höchstens sagen: an den ameri­kanischen PrivatsdlUlen gibt es wahrscheinlich keineDisziplinschwierigkeiten. Aber das mag auch schon zuweitgehend sein. Der Hauptgrund dafür ist wohl der, daOdie ,guten und .bekannten Privatschulen einen starken Zu­lauf haben, so daß überall Aufnahmeexamen eingeführtsind und nach' verschiedenen Gesichtspunkten ausge­wählt wird (Söhne ehemaliger Schüler; regionale, religiöseGesichtspunkte). Die Funktion der Privatschule hier ist jaeine ganz andere als bei uns. Hier wird sie von denenbesucht, denen die allgemeine öffentliche ·High Schoolnicht genügt, sei es aus wissenschaftlichen oder sozialenGründen. Man könnte die amerikanische Privatschule ambesten mit den englischen Public Schools vergleichen oder- mit .unseren Gymnasien, jedenfalls in ihrer Funktionals "Vorbereitungsschule" (Preparatory School) für Collee:eund Universität.

Kent School hat mit den englischen Public Schoolsnoch das weitere gemeinsam, daß sie bewußt 'nach demVorbild der letzteren aufgebaut worden ist. Das heißt imbesonderen, der ganze Tagesablauf außerhalb von Unter­richt und Sport wird nicht von Lehrern oder Erziehern,sondern von den ältesten Schülern beaufsichtigt. Dieälteste Klasse, etwa unsere Unterprima~ hat durchgehendbestimmte Aufsichten über die Arbeiten der übrigenSchüler in den Stuben, Schulräumen, Küchen- und Eß­räumen und Parks. Alle Reinigungsarbeiten werden hiernämlich von den Schülern selbst durchgeführt ("Revier­reinigen" von 6.50 bis 7.45 Uhr). Die Schulversammlungenwerden ausschließlich von den "sixth formers" geleitet­und klappen! Ich habe noch keine deutschen Lehrerschneller Ruhe herstellen sehen als die "Präfekten" dieserSchule. Das scheint mir aber weniger an der besonderenKunst dieser Schüler zu liegen noch an der besonderenPersönlichkeit bestimmter Schüler unter ihnen, als viel­mehr an der allgemein größeren Selbstdisziplin deramerikanischen Schüler überhaupt. Das konnte ich auchin anderen Schulen beobachten: man ist zur rechten Zeitvon selbst ruhig! - Die älteste Klasse hat auch schonganz bestimmte Vorrechte, die sie deutlich von den übrigenabhebt: RaucherlaubniS ab 21 Uhr, längeres Aufbleiben,Vorsitz an den Tisc:henjm Eßsaal usw.

Soweit für heute! Ich schließe diesen natürlich frag­mentarischen Bericht mit herzlieben Grüßen

Ihr Hans Stoppel

.Sdliffbrudl auf dem Atlantik

"Erstens kommt es anders ... !"

Diese Redensart voll tiefer Lebensweisheit könnteman auch für meine etwas ungewöhnliche Reise über dengroßen Teich anwenden.

Ich wiegte mich also in dem Glauben, es käme alles so,wie man es sich denke, -als ich im Zimmer des Direktorssaß und die Erlaubnis erhielt, die Jungfernreise des18000-t-Frachters "Cuxhaven" nach den USA mitzu­machen. Aus verständlicher Freude ging meine Phantasiemit mir schon auf die Reise, ich sah mich von der kalten,bewegten Nordsee bereits in die ewig sonnenbeschie-

nenen .Passatbreiten versetzt, denn der Frachter solltenach Port Arthur, einem Hafen in Texas an der Golfküste,fahren, von hier dann mit 12 000 t Getreide beladendie Heimreise antreten, um mich sicher nach höchstens4 Wochen wieder auf dem Boden Europas abzusetzen, da­mit ich meinen Verpflichtungen als .Schüler des Kathari-neums nachkommen könnte. .

Soweit gut, doch wie schon gesagt, es kam ganz anders!Ich lernte zwar auf der Ost-West-Überquerung des großenMeeres zunächst einmal Nutzen und Nachteil der Seefahrtfür den Menschen kennen, auch blieb meine nautische

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Ausbildung durchaus nicht reine Theorie: ich lernte z. B.schnell, daß der Seemann, wenn er etwas über Bord zugeben hat, dies stets in Lee und nie in Luv tut. auchwußte ich bald, wie man mit einem Sextanten die "Sonneschießt". Ich wiederholte Erdkunde auf die angenehmsteArt: Wir passierten die Kreideküste des Kanals, dieVulkankegel der Azoren, die flachen, palmenbestandenenInseln der Bahamas und Floridas dollarschweren Strand.Auch daß Texas der bedeutendste Ölstaat des be­deutendsten Öllandes und der Staat der meisten reichenAmerikaner ist und daß Texas im besonderen und dieUSA im allgemeinen das Land der Superlative sind,wurde mir eindringlich klar.

Auf der Rückfahrt kam aber dann jener denkwürdigeTag, auf den das erwähnte Zitat aus dem Volksmund sogut paßt. Ein Kurbelwellenbruch, der am Sonntag, dem3. Februar um 17.22 Uhr Ortszeit, das ganze Schiff mitBesatzung sdton allein durch seinen ungeheueren Lärmbetäubte, bramte mim in den nach Schiller tragischenKonflikt von Pflicht und Neigung, Pflicht gegenüber derSchule, die meiner harrte, Neigung· mehr ·im wörtlichenSinne zu verstehen, da Wind und See -das manöverier­unfähige Schiff recht ungnädig hin und her warfen undviele Gegenstände einschließlich der Menschen sich starkneigten und sich dann ganz ihrer Neigung, der Schwer­kraft zu folgen, hingaben, was rp.eistens damit endete, daßsie "zerstört 'am Boden lagen". Die Führung des Schiffesgab sich ruhig, obwohl man leicht merken konnte, daß

Besorgnis und Sorge für Sdliff und Besatzung sie schwerbedrückten. So trieben wir länger als eine Woche hilflosvor Wind und See, manchmal arg bedrängt von Poseidon,der uns mit Stürmen ~ an zwei Tagen von Orkanstärkemit Böen von Windstärke 12! - zermürben wollte; dochunser Schiff hielt stand. Aus dieser mißlichen Lage be­freiten uns ein anderer Frachter und ein Bergungs­schlepper, die uns nach sehr gefahrvollen Manövern aufden "Haken nahmen", wie der Seemann zum Abschleppensagt. Langsam und müde erreichten wir den NothafenHorta auf Fajal, einer Insel der Azorengruppe. Währendeiner verdienten Rast lernte ich. dieses herrliche Eilandkennen, doch bald ging es weiter. Ich war jetzt Gast desFrachters, der uns geschleppt hatte, und je näher wirEuropa kamen, um so größer wurden meine Sorgen: dasVorabitur war doch. schon geschrieben, oder etwa nochnicht?!

Europa hatte mich wieder, als ich in Antwerpen an Landging, aus vier Wochen waren acht geworden, und ich warschon recht braun von der Sonne auf See. Der Eilzugtrug mich heim nach Lübeck, meine Lieben waren glück­lich, ich war es weniger, denn sicher würden morgen dieFerien für mich zu Ende sein-. Doch wieder einmal kames anders als ich dachte, denn wir hatten die nächstenbeiden Tage schulfrei: es war mündliches Abitur!

Steffen Meyer, Oie m

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UNESCO - ein Weg zur Völkerverständigung

Als Vertreter der Schülermitverantwortung Schleswig­Holsteins hatte ich Gelegenheit, an einer Tagung derUNESCO in Gauting bei München teilzunehmen. Nebendeutschen Schülern und Studenten waren auch zahl­reiche Ausländer vertreten. Frankreich. Holland, Italien,Sdlweden, Dänemark und österreich hatten Teilnehmerzu dieser Tagung entsandt.

Als ich ein bißchen verspätet im UNESCO-Institutin Gauting eintraf, bot sich. mir im Konferenzsaal einüberraschendes Bild. Etwa dreißig Personen saßen m.itKopfhörern um einen großen Tisch herum und höftender Begriißungsansprache des Leiters der Mass Com­munication der UNESCO-Zentrale in Paris. MonsieurDr. Zuckermann. zu. Hinter einer Glasscheibe in einemabgeteilten Raum sah ich. drei junge Damen eifrig 1'nMikrophone sprechen. Wie sich ein wenig später heraus­stellte, waren diese Damen Dolmetsch.erinnen, die diejeweils gesprochene Sprache simultan ins Deutsche,Englische oder Französische übersetzten. Auf dem Kon­ferenztisch. herrschte ein unentwirrbares· Durcheinandervon Leitungen und SChaltkästen. Nach Belieben konnteman eine deI:' drei erwähnten Sprachen einstellen, umden Ausführungen des Sprechers folgen zu können.Technik im Dienst der Völkerverständigung!

An diesem ersten Tag wurde drei Arbeitsgruppen ge­bildet, die sich. mit dem Studium fremder Länder, mitder theoretischen Vorbereitung einer Bildausstellung derUNESCO und dem übersetzen englischer Texte in diedeutsche Sprache befaßten', Höhepunkt des Tages war einReferat eines Mitglieds der UNESCO Paris über Zieleund Aufgaben der UNESCO, die leider meist nur unzu­reichend bekannt sind.

UNESCO bedeutet United Nations educational, scientificand cultural Organisation. Aus diesem Namen ergibt sichbereits das Aufgabenprogramm. Die Förderung der Er­ziehung. Wissenschaft und Kultur hat als letztes Ziel dieErhaltung des Weltfriedens und die Achtung der Men­schenrechte, die in der Charta der Vereinten NationenIl'iedergelegt sind.

Das Hauptgewicht ihrer Arbeit legt die UNESCO aufdas Erziehungsprogramm. Etwa 50% der heutigen Mensch-

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heit sind nach offiziellen Angaben noch Analphabeten.Diesen Menschen die notwendigsten Wissensgrundlagenzu verschaffen, damit nicht Analphabetentum, Krankheitund Armut die menschliche Wohlfahrt und den Friedengefährden. ist vornehmstes Ziel der UNESCO. Alle Men­schen sollen sdiließlich teilhaben an der sozialen undwirtschaftlichen Entwicklung ihres Landes. Durch stän­dige Verbesserung der Unterrichtsmethoden wird dieErreichung dieses Zieles angestrebt.

In den Naturwissenschaften soll ein Erfahrungsaus­tausch der einzelnen Länder untereinander erreichtwerden, um die Lebensbedingungen für die gesamteMenschheit zu verbessern. Die Sozialwissenschaften hel­fen, das gegenseitige Verständnis der yölker zu fördern.Um nationale Vorurteile zu beseitigen, verfaßte 1950eine Gruppe von Fachleuten eine Deklaration, in der dieBerechtigung von raSsischen Unterschieden und rassischerüberlegenheit als pseudo-wissenschaftlich verurteilt w.i.rd.

Das Kulturprogramm der UNESCO hat die Aufgabe,den kulturellen Austausch zwischen den Völkern zusteigern und günstige Bedingungen für die Zusammen­arbeit unter Künstlern, Musikern, Philosophen undSchriftstellerQ. aller Völker zu schaffen. Das kulturelleErbe der Welt soll möglichst vielen Menschen bekannt­gemacht werden. Eigenständige Kulturen unterstützt dieUNESCO. Sie will nicht. eine Nivellierung der versch.ie­denen Kulturen herbeiführen, sondern Achtung undVerständnis vor einer fremden Kultur. So endlich entstehteine .internationale Verständigung. die in einer dermenschlich.en Würde entspredlenden Form die Fort­dauer von Frieden und Freiheit in der Welt gewähr­leisten kann.

Indem die ausländischen Gäste über die Arbeit ihrerUNESCO-Klubs berichteten und idl so einen Einblick indie praktische Arbeit der UNESCO bekam, schloß dieTagung" die nicht zuletzt dank der lebhaften franzö­sischen Freunde in einer sehr fröhlichen und harmo­nischen Form verlaufen war.

Horst Hasskarl, U I c s

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"Funk, Fernsehen, Presse ~ und der junge Staatsbürger"Berimt über eine Tagung in Sankelmark

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Von dem "Politisd1.en Arbeitskreis an Schulen" (PAS)wurden Döhring (02 b g) und ich, zusammen mit 60 an­deren Jugendlichen aus Schleswig-Holstein in die Grenz­akademie Sankelmark/Flenspurg ,zu einer Tagung einge­laden, die unter dem oben angeführten Thema stand. ­Dem PAS war es unter Leitung von OberregierungsratDr. Hessenauer gelungen, einige Fachleute für die3eTagung zu gewinnen. Für den Funk erschienen Dr. Hilpert,Intendant des NDR, und Wolfgang Jäger, Leiter desJugendfunks; das Fernsehen vertraten Intendant Dr.Pleister und Rüdiger Proske, der Leiter der "Nordschau".Die Presse wurde repräsentiert von Dr. Joachim Besser,Chefreporter der "Welt", und Hans W. Meidinger, stellv.Chefredakteur der gleichen Zeitung.

Jeder dieser Fachleute führte uns mit einem kurzenReferat in sein Gebiet ein; hieran schloß sich die Dis­kussion an, die sich über den .Vormittag und den ge­samten Nachmittag erstreckte; der breite Raum, der somitder Diskussion gestattet wurde, diente zur Vertiefung undzur Klärung der angeschnittenen Probl.eme.

Am ersten Tage, der der Presse vorbehalten war, be­richtete Chefreporter Dr. Besser über die Entstehung einerZeitung und über die Arbeit des Redaktionsstabes: Anjedem Morgen stehe die Redaktion vor der Aufgabe, dievielen weißen Seiten ihrer Zeitung zu füllen. Der Alp­traum eines jeden Zeitungsmannes. sei es daher, daß sichan irgendeinem Tage einmal nichts ereignete in der Welt,die völlige Geschichtslosigkeit. - Dieser Zustand treteaber nie ein, vielmehr das genaue Gegenteil. Die Fülle derMeldungen werde im Laufe eines Tages so beängstigendgroß, daß die Hauptarbeit der einzelnen Redaktionendarin bestehe, eine Auswahl der aktuellsten und wich­tigsten Nachrichten zu treffen.

Die geistige Richtung einer Zeitung, so führte Dr.Besser aus, werde von dem Verleger bestimmt, bei der"Welt" sei es Axel Springer. Die umstrittene und viel­gekaufte "Bild-Zeitung", die bekanntlich auch im VerlagSpringer erscheint, sei keineswegs ein Repräsentant dergeistigen Richtung ihres Verlegers, sondern sie dienelediglich zur Finanzierung der "Welt". Jeder ~,Bild-Leser"

sei also ein Finanzier der "Welt".Am nächsten Tage referierte Dr. Hilpert, der Intendant

des NDR, über das Thema "Muß das Programm so sein?"Es sei eine undankbare Aufgabe für 3 Millionen Haus­

haltungen, denn so viele Familien erreiche der NDR mitseinen Sendungen, ein Programm zu gestalten, das jedenHörer voll befriedige. Jede Sendung sei nur für einenganz bestimmten Hörerkreis gedacht; jeder Hörer habedaher die Aufgabe, sich aus dem Programm die Sen­dungen auszuwählen, die er zu hören wünsche. - Nurder Hörer habe ein Remt, Kritik am Programm zuüben, der sich wenige, genau zusammengestellte Sen­dungen anhöre. - In der anschließenden Diskussionkamen besonders die Ereignisse der jüngsten Vergangen­heit zur Sprache: "Die Fortsetzung der außenpolitischenBundestagsdebatte im Rundfunk." Dr. Hilpert betrachtetediese Verlegung der Debatte in den Rundfunk als einenmißlungenen Versuch, was die Parteien auch wohl ein­gesehen hätten. Der Rundfunk müsse aber diese Einfluß­nahme der Parteien auf das Programm gestatten.

Der letzte Tag war dem jüngsten Unterhaltungs- undPublikationsmittel, dem Fernsehen, vorbehalten. Wie beifast aUen modernen Einrichtungen, so führte IntendantDr. Pleister aus, lerne auch das deutsche Fernsehen vonAmerika. - Aber im Gegensatz zu dem amerikanischenFernsehen, das nach seiner Meinung zuviel Effekt­hascherei, zuviel konstruierte Bilder enthalte, bemühe sichdas deutsche Fernsehen., möglichst lebensecht und natur­getreu zu sein. - Den oft auftauchenden Vorwurf, daßder Fernsehbesitzer zum "Sklaven" seines Gerätes würde,könne er dadurch entkräften, daß aum hier vom Besitzereine gewisse, selbständige Auswahl des Programms er­wartet werden müsse, Da der überwiegende Teil derFernseher nur Volksschulbildung besitze. sehe er dieHauptaufgabe des Fernsehens in der Erziehung und Unter­richtung. - Er wage sogar die Behauptung, daß "Politik"durch Fernsehübertragungen zu Gemeingut werden könne.- Leider sei aber in der letzten Zeit die übertragung vonBundestagsdebatten, die beim Publikum sehr beliebtwaren, vom Bundestag untersagt worden, da die Abge­ordneten sich wohl zu beobachtet fühlten.

Aus räumlichen Gründen konnte ich nur ganz kurzeAusschnitte von dem umfangreichen Programm bringen,das uns an drei Tagen in Referaten und Diskussionen ver­mittelt Wl,U'de. Wohl jeder Teilnehmer an dieser Tagungwar so uberrascht wie idl, mit welcher Offenheit undüberzeugenden Art diese Vertreter der öffentlichenPublikationsmittel mit uns vor dem Plenum und auch 'inpersönlichen Gesprächen diskutierten.

Hartmut Lode, U 1 dm

;:Jn unsere .(;.hemaligenIn dem Archiv des Katharineums werden die Listen

unserer Abiturienjahrgänge aufbewahrt, und bei demStudium dieser schier endlosen Kette von Generationenmit den vielen Namen steigen für die alten Katbarineerso manche Erinnerungen auf. Leider enthalten die Listenaber nur bis zum Jahre'1907 nähere Angaben über dieEinzelschicksale, besonders über die weiteren Berufswegeunserer ehemaligen Schüler. Die Sdlule hat nun denWunsch, diese Lücken auszufüllen., um die Möglichkeitzu haben, das Band zwischen den Ehemaligen untereinr­ander und auch mit ihrer alten Schule wieder fester zuknüpfen. Wir wenden uns daher an alle unsere ehe­maligen Schüler (nicht nur Abiturienten!) mit der herz­lichen Bitte: Gebt uns Nachricht, teilt uns Einzelheitenaus Eure-m persönlidlen Leben mit, vor allem über Eurenberuflidlen Weg. Wir sind auch dankbar für Naduichtenüber Schulkameraden., die unsere Zeitung nicht bekom­men. - Darüber hinaus besteht die' Absicht, diesen Nach­richten in der Schulzeitung künftig einen bestimmtenPlatz einzuräumen. Wir hoffen, damit der Gemeinschaftzu dienen, die sich Katharineum nennt, und bitten noch­mals um tatkräftige Unterstützung unserer Bemühungen.

Die Redaktion

SCHULCHRONIKVon Weihnadlten bis Ostern

Kampf um die Existenz beendetDie Alten gehen - die. Neuen kommen

Aufatmend stellt wohl mancher von uns fest, daßnun wieder ein Jahr vergangen ist. Die Unterprimanersind die "patres" geworden, und die Sextaner vom letztenJahr zählen sich bereits zur alten Garde und können dem

Nadlwuchs weise Ratschläge erteilen. Vielleicht atmeneinige auch befreit auf: Die Härten und Gefahren desSchuldaseins sind überwunden, besonders der kräfte­zehrende Endspurt, - und ein neues Leben kann be­ginnen!

So ist jetzt die Zeit gekommen, wo der Chronist seineFeder ergreifen und sich mit einem Kopfsprung in denBerg der Ereignisse' seit Weihnachten stürzen muß.

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Einen kleinen Rekord gab es in diesem Jahr beimAbitur, denn fOn! Oberpriinen hatten Wir noch nie gehabt.Anfang Januar mußten sie sich durdl die schriftlidle undim März dann durch die mündliche Prüfung durdlbeißen.Leidet fiel der Redaktionssd1.luß vor den Tag der Ent­lassungsfeier, so daß hierüber an dieser Stelle nichtsberichtet werden kann.

Ende Februar kamen für drei Tage, klop:tenden Herzensund aufgeregt, die neuen Prüflinge in unser altes Ge­mäuer, um zu zeigen, ob sie würdig sind, eine große,jahrhundertealte Tradition fortzufUhren~

Während sie ihre kleinen Köpfe zermarterten, rolltenin den beiden Turnhallen die gut organisierten Bundes­Jugendspiele im Geräteturnen ab'- Jeder gab sidl diegrößte Mühe., eine hohe Punkt+ahl zu erreichen, und weres nidlt tat, - der soll sich seiner Trägheit schämen.

Auf einem anderen Gebiet des Spotts wurde eineNeuerung von allen seiten. begrüßt: Ein Terpsichorekult,oder präziser gesagt: ein Tanztee unserer Schule., deretwa alle sed:>s Wochen an einem Ilonntagnaclunittagstattfindet. Außerdem hat die SMV eine Aktion "Paten­onkel" gestartet. Schüler der Oberstufe sind zu Patender einzelnen Unterstufenklassen ernannt, um sich umsie zu kUmmern und ihnen mit Rat und Tat zur Seitezu stehen.

In einem Vortrag für die Oberstufe führte uns derHerr Direktor in das alte Ostia, den MittelmeerhafenRoms. An Hand von eindrucksvollen Lichtbildern konntenwir einen Blick. in das Privatleben der Römer in derKaiserzeit tun. - Eine Woche darauf hatten wir Gelegen­heit:, Herrn Professor Moschetti bei uns begrüßen zudürfen, der unS ein Bild des frühchristlichen Ravennavermittelte. Diese Stadt, so führte er aus, stehe einzig dain ihrer Bedeutung als Verbindungsglied des byzan­tinisch-römischen mit dem germaniscl1en Bauelement.Herrliche Farbbilder zeigten die großartige Ausgestal­tung der Kirchen durch prachtvolle., in vielen hundertFarben leuchtende Mosaiken.

über die Tatsache, daß seit Weihnachten nur zweiMorgenfeiem stattfanden (eine über den Kosmos, dieandere über die Welt der Atome) wurde viel geredet,

und mancher meinte sogar, die Morgenfeiern seien nunlangsam, aber sicl1er eingeschlafen. Das ist aber ein Trug­schluß. Es tauchte die berechtigte Frage auf, ob dieseVeranstaltungen am Montagmorgen noen geeignet selen,als Fe i ern eine Woche einzuleiten. Viele Vorschlägeund Pläne für eine neue Form wurden vorgebrachtAllerdings ist das Problem noch nicht endgültig gelöslFest steht, daß die Morgen"feiern" in ihrer bisherigenForm als literarisdle oder musikaliscl1e Darbietungennicht mehr am Wochenanfang v'eranstaltet werden sollen,sondern an einem anderen Tag. Der Montag kann dannfür eine Andacht freiwerden. Wenn die KatharinenkircheEigentum der Landeskirche wird, können wir unsereMorgenfeiern "gleich nebenan" in einem schönen Rahmenbegehen. Aber noch ist nichts fest beschlossen, diese Fragehängt also noch in der Schwebe.

Ober die Diskussionsabende ist leider nidlts zu be­richten. WesenUich reger dagegen waren wieder einmaldie Org~nisatoren auf dem Gebiet des Sports. Nebeneinem Fußball- und einem Basketballturnier veranstal­teten einige Klassen kleine Hallenhandballturniere.

"Vorsidlt! Einsturzgefahr!" sagten eines Tages im Fe­bruar die Herren vom Bauamt, als sie feststellen mußten,daß der FIUgel unseres Gebäudes, in dem der Chemie­raum liegt, die Last seiner 600 Jahre nicht mehr tragenund jederzeit einstürzen kÖI)J1e. Obwohl uns manchmal inder Chemiestunde ein wenig Mörtel auf den Kopf ge­fallen war. hatten wir doch nicht geglaubt, die Deckekönnte über uns zusammenbrechen. So mußten alleanliegenden Räwne gesperrt werden und ebenso derZugan,g zwn Turnhof. Das hat nun zur Folge, daß einreger Pendelverkehr außen herum über 'die Straßen vomHauptgebäude zur "Filiale" eingesetzt hat. Schade, jetztfehlen uns wieder einige Räume, und mehrere Klassenmußten ausquartiert werden.

Ein langes Quartal ist abgeschlossen, eine Fülle vonEreignissen liegt hinter uns. Doch der Lauf der Dingeim Leben unserer Schule geht weiter, die Alten gehen- die Neuen kommen,

Wolt-Dieter HauschIld, U II b g

LEIBESUBVNCiEN ISdtulvergleidtskampf im Geräteturnen

Am Dienstag, dem 11. März 1958, fand in der Turnhalledes Katharinewns ein Schulvergleichskampf im Geräte­turnen statt, als Ausscbetdung für die Landesmeistersdlaftder Gymnasien für Jungen Schleswig-Holsteins (am14. März 1958 in Kiel). Außer den drei LObed<er SchulenJohanneum, OzD und Katharineum nahmen die Gymnasienaus Ratzeburg, Ahrensburg und Oldenburg i. Holst. teilmit insgesamt 75 Wettkämpfern. Dabei belegte das Katha­rineum in der Unterstufe hinter der OzD (280,0 Pkt.) unddem Johanneum (279,8 Pkt.) mit nur '11. Pkt. Abstand vondem Sieger den dritten Platz (Mannschaft: Fick 4 c I,Wolter 4 c I, H. J. Schmldt U 3 b g, .Nentwlg U 3 b g, Löble03 d I), In der Mittelstufe hinter dem Johannewn (293,1Pkt.) den zweiten Platz mit 281,6 Pkt. (Mannschaft:Nentwig 02 bg, Möller U 2 a g, Heyder U 2 a g, St. Schmidt·U 2 a g, Gieth U 2 d I) und in der Oberstufe errangen wtr.vor Oldenburg (424,3 Pkl) und der 0.0 (420,8 PIel) einenklaren und schönen Sieg mit 433,4 Pkt. (Mannschaft: FickU I m, Jarke 02 b g, Hooß U I b g, Gross 0 I m, Kisten­macher 02 b g). Insgesamt war das Katharineum miteinem ersten, einem z'weiten und einem dritten Platz dieerfolgreichste Schule. Wenn auch der Endkampf in Kielbei RedaktIonsschluß noch aussteht und die Aussichtenauf einen Erfolg nicht groß zu sein scheinen, so dürfen wirschon jetzt mit dem Abschneiden unserer Jungen mehr alszufrieden sein. .

Die Besten

Am Abschluß dieses Schuljahres kommt der vorigeOstern zum ersten Male vergebene sog. "Bestenpreis"wiederum zur Verteilung. In den Bundesjugendwett­kämpfen der Leidltathletik und des Geräteturnens zu­sammengerechnet erreichten die höchsten Punktwertungen:

Oberstufe:Ha rtm u t Rei mer, 01 em 160,5 Punkte

Mittelstufe:Wo I fga ng AI ber ti, 02 d 1 143,0 Punkte

Unterstufe:H en n e r Wo 1te r, 4 c 128,5 Punkte

Mädchen:Hannelore Ciesielski, Ulcs 155,0 Punkte

Hagelberg

Herausgeber und verantwortlich ror den Inhalt:Studienrat R. Hag el b er g. Studienrat D r. Lud. w I g"

Druck: Mu. Sdlmldt-R6mblld, LQ.blKk.