FMR 18 - Australiens Asylpolitik

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  • 8/20/2019 FMR 18 - Australiens Asylpolitik

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    Fokus Menschenrechte

    Nr. 18 / Juli 2015

    Down under = unter der Würde?Australiens Asylpolitik verletzt Menschen- und Völkerrecht

    Angelyn Seen

    Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit | Fokus Menschenrechte

    Australiens Umgang mit Asylbewerbern stellt einen gänzlichen Bruch der langen und unverbrüchlichen

    Tradition des Landes dar, die bürgerlichen und politischen Rechte zu schützen. 2013 wurden in Australien

    24.300 Anträge auf Asyl gestellt, was etwa 4% der weltweiten Anzahl an Anträgen entsprach. Obwohl die

    Anzahl an Anträgen relativ klein ist, wird die Asylpolitik in Australien unverhältnismäßig stark kritisiert –

    unter anderen von der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Zeid Ra’ad Al-Hussein. Die jordanische

    Prinzessin verurteilt die Politik von ‚Down Under‘ dafür, dass sie „zu einer Verkettung von Menschenrechts- 

    verletzungen führt, darunter willkürliche Festnahmen und mögliche Folter als Folge der Abschiebung in die

    Heimatländer.“

    Der Kernpunkt dieser Kritik richtet sichan das System der Verwahrungshaft fürImmigranten, die die Asylpolitik seit ihrerEinführung im Jahr 1992 charakterisiert.Im Rahmen der australischen Asylpolitikbezieht sich die Verwahrungshaft auf

    die Praxis des Zwangsgewahrsams oderder Inhaftierung von Personen, die poli-tisches Asyl suchen. Personen, darunterAsylbewerber ohne Visum, müssen nach

    ihrer Ankunft in Australien in Haftanstalten leben, bisdie Legitimität ihres Asylantrags festgestellt wordenist. Die Haftanstalten sind in abgelegenen Gebietenauf dem australischen Festland, den Weihnachtsin-seln, Manus Island (Papua-Neuguinea) und Nauru ge-legen. Die Dauer der Haft ist unbestimmt. Außerdembleibt es den inhaftierten Personen verwehrt, die Ein-richtungen ohne Erlaubnis zu verlassen. Mit Stand vonDezember 2014 werden dort etwa 7.784 Erwachseneund 2.111 Kinder in Abschiebehaft gehalten.

    ZusammenfassungSeit 2013 verfolgt die Regierung vonPremier Tony Abbot eine harte Linie ge-genüber Asylsuchenden. Die OperationSovereign Borders  ist ein gemeinsamesProgramm von Militär und Grenzschutz,das Bootsflüchtlinge am Erreichen vonAustralien zu hindern sucht, indemes sie aus eigenen Hoheitsgewässernvertreibt. Einmal angekommen erwar-ten Flüchtlinge inhumane Zwangsverwahrung aufentlegenen Inseln und etwaige Rückführung ohnerechtliche Prüfung in Ländern, in denen Gefahr fürLeib und Leben drohen. Damit verletzt Australiennicht nur die Menschenrechte, sondern auch seinevölkerrechtlichen Verpflichtungen. Die eigene Be-

    völkerung goutiert es, die Nachbarländer weniger.Ein Sitz im VN-Menschenrechtsrat 2018 wird damitunwahrscheinlicher.

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    Abbots harte LinieSeit 2013 verfolgt die amtierende Regierung von Pre-mierminister Tony Abbott eine harte Linie gegenüberAsylsuchenden. Der Grundpfeiler dieser Vorgehens-weise, Operation Sovereign Borders , war eine gemein-sames Programm vom Militär und Grenzschutz. Dies

    galt als ein Versuch, die Anzahl der Bootsflüchtlinge,die Australien erreichen, zu minimieren. Im Rahmendieser Politik wurde jedes Schiff mit Asylsuchenden,das von australischen Zollbeamten abgefangen wur-de, aus den australischen Hoheitsgewässern vertrie-ben. Jeder Asylbewerber, der auf dem australischenFestland ohne ein gültiges Visa zu besitzen ankam,wurde in einer küstennahen Haftanstalt auf

    Manus Island oder Nauru inhaftiert.Nach über hundert Tagen, an de-

    nen keine Asylbewerber mit demBoot nach Australien kamen, wur-de diese Politik schließlich als vol-

    ler Erfolg für die Abbott-Regierunggewertet.

    Abbots harte Linie gegenüber Asylbe-werbern ist seit Dezember 2014 in der

    Änderung des Migrations- undSchifffahrtsgesetzes (Der Abbauvon Asylanträgen), engl. Migrati-

    on and Maritime Legislation Amendment (Resolvingthe Asylum Legacy Caseload) Act 2014 , festgeschrie-ben. Der Codex gewährt dem Einwanderungsministerdie beispiellose Befugnis, in australischen Hoheits-gewässern aufgebrachte Schiffe und Personen inGewahrsam zu nehmen. Darüber hinaus führte dasGesetz vorübergehende Schutzvisa (Temporary Pro-tection Visa ) ein und entfernte Verweise auf den Pakt1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flücht-lingskonvention von 1951) .

    Das Gesetz erweitert die maritimen Durchsetzungs-befugnisse des Einwanderungsministers erheblich:Zum einen wurde er somit dazu ermächtigt, Schiffesowie Personen auf unbestimmte Zeit festzuhalten.

    Des Weiteren lässt sich seine vergrößerte Entschei-dungsgewalt auch daran manifestieren, dass der Ortder Haft sowie die Umsiedlung allein im Ermessen desMinisters liegen. Dieser Ort kann beispielsweise auch

    ein Schiff sein. Darüber hinaus muss es aber auchkein Land sein, mit dem Australien eine formelle Ver-einbarung hat. Dieses Land muss auch nicht zu denUnterzeichnern der Flüchtlingskonvention von 1951gehören. Beunruhigend ist, dass jede Anordnung un-ter dieser Befugnis auch dann Gültigkeit besitzt, wenndiese Anweisung Australiens internationalen Ver-pflichtungen widerspricht.

     Verstöße gegen das VölkerrechtDie potenzielle Verletzung von Australiens völker-rechtlichen Verpflichtungen dient wohl als überzeu-gendes Argument für eine Änderung dieses Gesetzes.Australien ist nach dem Pakt über die Rechtsstellungder Flüchtlinge von 1951 sowie dem InternationalenPakt über bürgerliche und politische Rechte (Interna-tional Convenant on Civil and Political Rights, ICCPR )dazu verpflichtet, die Grundrechte und die Freiheitvon Flüchtlingen zu respektieren.

    Diese Verpflichtungen ergeben sich aus der Anerken-nung des Grundrechts von Personen, Asyl als Schutzvor Verfolgung zu suchen, welches in Artikel 14 derAllgemeinen Erklärung der Menschenrechte  von 1948verankert ist.

    Immigration Detention Centre Children  AllEinwanderungsverwahrungshaft (Australisches Festland) 420 2.757

    Nauru Offshore Verwahrungshaftzentrum 135 895

    Manus Island Offshore Verwahrungshaftzentrum - 1.035

     Verwahrung in Gemeinden 1.556 3.097Alle Arten der Verwahrung 2.111 7.784Anzahl der Personen in australischen Verwahrungshaftzentren, Dezember 2014.

    Quelle: Australian Customs and Border Protection Service, Asylum Seeker Resource Centre

    Das Christmas-Island-Verwahrungshaftzentrum gleich ei-nem Hochsicherheitstrakt.

    Foto: Russavia CC BY 2.0.

    Premier Tony AbbottFoto: US State Dep. CC

    BY 2.0.

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    Australien als Unterzeichner der Flüchtlingskonventi-on von 1951 muss den Grundsatz der Nichtzurückwei-sung beachten. Demzufolge dürfen Flüchtlinge nichtin ein Land zurückgeschickt werden, in dem sie einerernsthaften Gefahr für ihre Freiheit oder sogar für ihrLeben ausgesetzt sind. Unter dem neuen Gesetz be-

    steht jedoch das Risiko, dass genau das passiert. DerMinister kann dies sogar unabhängig von

     jeder Rechtsprüfung tun. Hinsichtlich derWahl des Aufenthaltsortes ist die Regierungnicht verpflichtet, die Regeln der natürli-chen Gerechtigkeit (zu dem bspw. das Rechtauf Anhörung gehört) zu befolgen. Ministe-rielle Einmischung in diesen Prozess ist nichtzwingend, intransparent und im höchstenMaße von dem persönlichen Ermessen des

    Ministers abhängig. Im Wesentlichen resul-tieren diese Maßnahmen schlussendlich inder Rückverlegung von Personen zu dem Ort,wo ihr Leben gefährdet sein könnte – eineunmittelbare Infragestellung des Grundsat-zes der Nichtzurückweisung.

    Obwohl die Regierung das Gegenteil behauptet, bie-ten diese Maßnahmen nach Ermessen nur wenigSchutz gegen die Missachtung des Grundsatzes derNichtzurückweisung. Es ist zwar davon auszugehen,

    dass der Minister einen Ort wählt, an dem die Exis-tenz der Asylbewerber nicht bedroht ist. Dennoch gibtes weiterhin wenige Verfahrensgarantien, die einen

     Verstoß gegen diesen Grundsatz seitens des Ministersausschließen können. Solche Aktionen sind nicht ohneBeispiel.

    Mitte 2014 wurden beispielsweise 41 sri-lankische

    Asylbewerber zu den Behörden nach Sri Lanka zurück-geschickt, nachdem australische Schiffe das sri-lan-kische Schiff vor den Cocos Islands (australisches

    Staatsgebiet) abgefangen hatten. Dieser Präzedenzfallstellt nur eine Momentaufnahme der unzureichen-den Schutzmechanismen dar, die eine Verletzung desGrundsatzes der Nichtzurückweisung verhindern sol-len. Es ist eine derartige Widersprüchlichkeit, die zudem dringenden Bedarf nach einer Überprüfung der

    australischen Asylbewerberpolitik noch hinzukommt.

     Verwahrungshaft unverhältnismäßigDarüber hinaus steht die Politik der Verwahrungshaftim Widerspruch zu Australiens Verpflichtung, gemäßdem Artikel 9 (1) des ICCPR davon abzusehen, Per-sonen willkürlich zu verhaften. Nach internationalemRecht kann eine Haft für eine begrenzte Zeit legiti-

    miert sein, um medizinische Tests sowie Sicherheits-und Identitätsüberprüfungen zu realisieren. Die Längeder Haft muss jedoch verhältnismäßig und gemessenan den Umständen notwendig sein, die auf einer Ein-zelfallprüfung basieren.

    Dennoch hält sich das derzeitige System der Verwah-rungshaft nicht an diesen zeitlichen Rahmen. Im De-zember 2014 betrug die durchschnittliche Dauer derInhaftierung 438 Tage (siehe Schaubild oben). Immermehr Menschen sind aufgrund der Einwanderung undgemeinschaftlichen Einwanderung für mehr als zweiJahre inhaftiert (siehe Grafik nächste Seite).

    Dadurch, dass keine Mindest- bzw. Höchstdauer fürdie Bearbeitung von Asylanträgen festgelegt ist, bleibtdie Dauer der Haft unbestimmt. Einzelpersonen wer-den nach einer oberflächlichen Überprüfung inhaf-tiert, mit nur minimaler Bewertung der Notwendig-keit sowie der Verhältnismäßigkeit der Haft und nureinem begrenzten Zugang zu einem Rechtsbeistand.

    Zwischen Kindern und Erwachsenen wird nicht unter-schieden, obwohl die jüngsten politischen Bemühun-gen dazu geführt haben, dass Kinder in Haftanstalten

    Durchschnittliche Aufenthaltsdauer in Verwahrungszentren in Tagen.Quelle: Australian Customs & Border Protection Service, Asylum Seeker Resource Centre

    Asylbewerber werden per Boot zum Christmas-Island-Ver-wahrungshaftzentrum verbracht.

    Foto: DAIC, CC BY 2.0

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    auf dem Festland unterge-kommen sind. AustraliensPolitik der obligatorischenHaft diskriminiert je nachArt der Ankunft. Asylbe-werber, die mit dem Schiff

    kommen, stellen das pri-märe Angriffsziel für die-se Maßnahmen dar. DieseFaktoren unterstreichendie Willkürlichkeit der aus-tralischen Einwanderungs-inhaftierungspolitik.

    Anlass zur Sorge geben außerdem die begrenztenMöglichkeiten, die Asylbewerbern zur Verfügung ste-hen, um die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung hinter-

    fragen zu können.

    Nach dem neuen Gesetz werden die Entscheidungender neu eingerichteten Einwanderungsbewertungbe-hörde (IMMIGRATION ASSESSMENT AUTHORITY , IAA) nur auf derGrundlage vorliegender Dokumente vorgenommen. Esgibt keine erneute Anhörung. Berufungen im Flücht-lingsüberprüfungsprozess (Refugee Review Tribunal ),der nach bisher erbrachten Pluspunkten Maß nimmt,sind begrenzt. Australische Gerichte dürfen Personennicht aus der Haft entlassen, selbst wenn die Verhaf-tung willkürlich war.

    Im Januar 2015 hat der Oberste Gerichtshof von Aus-tralien entschieden, dass die australische Regierungrechtmäßig gehandelt hat, als sie 157 sri-lankischtamilische Asylsuchende abgefangen und für 29 Tageauf einem australischen Zollschiff inhaftiert hat, bevorsie in das Inhaftierungslager nach Nauru transportiert

    wurden. Der deutliche Widerspruch zwischen demInternationalen Pakt über bürgerliche und politischeRechte und der Kritik am aktuellen Einwanderungs-prozess stellt einen weiteren Impuls für die Überprü-

    fung dieser Verordnung dar.

    Haft: grausam, inhuman, rechtswidrigAuch die Zustände in den Lagern haben die Frage be-züglich Australiens Einhaltung seiner internationalen

     Verpflichtungen aufgeworfen. Der UN-Ausschuss ge-gen Folter hat erklärt, dass die Inhaftierung auf ManusIsland und auf Nauru auf „grausame, unmenschlicheund rechtswidrige“ Strafen hinausläuft. Medizini-

    schen Experten zufolge besteht ein Zusammenhangzwischen dem verlängerten, zeitlich unbegrenzten

    Charakter der Haft und einer erhöhten Ratevon Angstzuständen, Abbau geistiger Fähig-keiten, Depressionen und Gefühlen von „Sinn-losigkeit“. Die Haftanstalten sind überfüllt,schmutzig und es fehlen angemessene sanitä-re Einrichtungen. Ein Beispiel hierfür: Die UN2013 Taskforce zu Manus Island hat beobach-tet, dass das Fehlen von Moskitonetzen zum

    Schutz vor Mücken und anderen Schädlingenin einigen Bereichen sowie fehlende Klima-anlagen die Asylsuchenden dazu veranlassthaben, ihr Bettzeug auf den Boden zu ver-lagern, um der starken Hitze zu entkommen.Zu diesen schlechten Bedingungen kommenauch noch die strengen Besuchszeiten, dieden Kontakt zu einer Rechtsvertretung sowie

    Familien- und Migrationsbevollmächtigten verhindern– Besuche, die einerseits für die psychische Verfas-sung der Inhaftierten und andererseits auch für den

    Beschluss der Asylanträge essentiell wären.

    Anzahl von Menschen länger als zwei Jahre in Verwahrung.Quelle: Australian Customs & Border Protection Service, Asylum Seeker Resource Centre

    Die Verwahrungshaftzentren liegen fernab des australischen Festlandes.Karte: FNF

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    In der Tat sind sowohl der fehlende Zugang zu entspre-chender Rechtsberatung sowie die mangelnde Vorbe-reitung Gründe, warum so viele Asylanträge scheitern.Es gibt vereinzelte Berichte darüber, dass Migrations-bevollmächtigte nur die Möglichkeit hatten, lediglicheine Stunde vor der unabhängigen Antragsprüfung

    des Klienten mit diesem zu sprechen.

    Leben in Gemeinden als Alternative?Die Notwendigkeit der Verwahrungshaft wurde ange-sichts von Gemeinden als Alternative infragegestellt.Schätzungen von 2013 ergaben, dass 20% der Kos-ten, die für den Bau eines einzelnenOffshore -Lagers benötigt werden,ausreichen, um die Verfahren der

    Asylbewerber innerhalb Australi-ens durchzuführen. Vergleichba-re Rechtsordnungen, darunter inKanada und bis vor kurzem auchNeuseeland, verwenden zunehmendÜberwachung durch eine Gemein-de, in der Asylsuchende währendihres Asylverfahrens leben. Sie un-terliegen einer Meldepflicht odereiner Ausgangssperre, aber ihnenwird Zugang zu Sozialhilfe, dem Gesundheitswesenund in manchen Fällen auch Arbeitsrechte gewährt.Ein ähnliches Gemeinschaftsprogramm wurde im Jahr2010 unter der australischen Labour-Regierung ein-geführt, speziell an Familien und Kinder gerichtet.Diese Alternativen von Gemeinden wurden positivdafür hervorgehoben, dass sie eine geringere Bedro-hung für die mentale und emotionale Gesundheit derAsylbewerber darstellen. Darüber hinaus fördert dieses

     Vorgehen eine bessere Integration in die australischeGesellschaft. Die Wiedereinführung dieses Programms

    könnte Australien wohl in Einklang mit vergleichbarenRechtssystemen und des Völkerrechts bringen.

    Ärger mit den NachbarnAustraliens Politik der Verwahrungshaft wurde sowohlzu einer finanziellen als auch einer diplomatischen Be-lastung. Indonesien ist Australiens zwölftgrößter Han-delspartner, und beide Länder teilen seit den späten1990er Jahren eine Geschichte der Zusammenarbeit

    bei Themen wie Menschenhandel und Terrorismus. Diegrößte Schwierigkeit liegt für Australien im Umgangmit Indonesien wegen dessen begrenzter Kapazität,

    Asylbewerber von Reisen nach Australien abzuhalten,diese zu inhaftieren und diese Fälle zu bearbeiten.Während starke diplomatische Vorteile als Anreiz fürZusammenarbeit dienen, hat Indonesien keine förm-lichen Verpflichtungen einzuhalten, Flüchtlinge um-zusiedeln, da es die Flüchtlingskonvention von 1951 

    nicht unterzeichnet hat. Aus indonesischer Sicht ha-ben innenpolitischen Spannungen, verbunden mit denPräsidentschaftswahlen im Jahr 2014 dazu geführt,dass Indonesien sensibel auf empfundene Bedrohun-gen seiner Souveränität reagiert. Enthüllungen, dassaustralische Schiffe in indonesisches Hoheitsgewässerals Teil der Operation Sovereign Border  eingedrungen

    sind, belasteten somit die diploma-tischen Beziehungen. Die einseitigeund zunehmend wachsende un-

    nachgiebige Haltung der australi-schen Regierung bedroht wieder-um die Zusammenarbeit der beidenLänder. Dies stellt die Auffassungin Frage, dass die Problematik derAsylsuchenden eine gemeinsameLast der beiden Länder ist.

    Die Entscheidung der australischenRegierung, die Umsiedlung von

    Flüchtlingen zu verweigern, die die UNHCR in Indo-

    nesien nach Juli 2014 registriert hatte, wird daherwahrscheinlich die leidige Angelegenheit der Asyl-politik zwischen den beiden Ländern verkomplizieren.Australiens kompromisslose Haltung gegenüber Asyl-suchenden hat dessen Fähigkeit, strittige Punkte zwi-schen den beiden Ländern zu verhandeln (z.B. den Ge-brauch der Todesstrafe in Indonesien) verringert undbleibt eine ständige Angelegenheit in den bilateralenBeziehungen. Die Bedeutung des Handels, der kultu-rellen sowie diplomatischen Beziehungen stellt sicher,dass es im Interesse beider Seiten ist, weiterhin zu-sammenzuarbeiten. Diese Form der Zusammenarbeitwird jedoch größtenteils davon bestimmt werden, wieaufeinander folgende Regierungen innenpolitischeAnforderungen mit denen der regionalen Nachbarnauszutarieren vermögen.

    Umsiedlung von FlüchtlingenAustraliens Herangehensweise an die Umsiedlung vonFlüchtlingen beruht größtenteils auf Umsiedlungsab-

    kommen mit den verschiedenen regionalen Partnern.Nach der Vereinbarung zwischen der australischenund kambodschanischen Regierung im September

    Aus Protest die Lippen zugenäht: Asylbe-werber auf Naura Island.

    Foto: hazaraasylumseekers.wordpress.com

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    2014 wurden Asylsuchende, die in den küstenna-hen Haftanstalten inhaftiert waren, nicht mehr nachAustralien umgesiedelt. Vielmehr wurden diejenigen,die als echte Flüchtlinge betrachtet wurden, nachKambodscha zurückgebracht. Eine ähnliche Verein-barung der Rudd-Regierung wurde im Jahr 2013 mit

    Papua-Neuguinea getroffen: Australien unterstütztePapua-Neuguinea mit einer zusätzlichen Hilfszahlungvon 420 Millionen australischen Dollar. Im Gegen-zug dafür erklärt sich der Inselstaat dazu bereit, dieWiederansiedlung von Asylsuchenden auf ihrem Landzu unterstützen. Beide Abkommen gewährleistetenwirkungsvoll, dass Asylsuchenden, die ab September2014 mit dem Boot anreisten, die Ansiedlung in Aust-ralien verweigert wurde.

    Kritiker dieser Vorgehensweise stellen die Fähigkeit

    von Papua-Neuguinea und Kambodscha infrage, dieFlüchtlinge in ihre lokale Bevölkerung einzugliedern.Obwohl beide Unterzeichner der Flüchtlingskonventi-on von 1951 sind, gewährleistet dieser Faktor nichtzwangsläufig Schutz. Zum Beispiel schob die kam-bodschanische Regierung 20 uigurische Flüchtlingenach China ab, von denen viele ab dem Zeitpunkt ih-rer Rückkehr erneuten Verfolgungen ausgesetzt wa-ren. Beide Länder haben erhebliche Armutsraten undsind von staatlicher Korruption beeinträchtigt. Im

    Jahr 2014 hatte Papua-Neuguinea den 144. Rang aufdem Corruption Perceptions Index  (Korruptionswahr-nehmungsindex) inne, während Kambodscha auf dem160. Platz von insgesamt 177 Ländern rangierte.

    Angesichts der unzureichenden sozialen und rechtli-chen Infrastruktur, die nicht einmal dazu ausreicht,um ihre eigenen Bürger zu unterstützen, kann die Ein-führung von Flüchtlingen durch Umsiedlungsvorteile

    – weitgehend von der australischen Regierung finan-ziert – die Spannungen zwischen der lokalen Bevöl-kerung und der Flüchtlingsgemeinschaft verschärfen.Dies würde also eine friedliche Integration ausschlie-ßen. Tatsächlich spie-geln die andauernden

    Unruhen auf ManusIsland, zuletzt mit demAufstand im Januar2015, den Widerstandder Gefangenen gegeneine Neuansiedlungin Papua-Neuguineaoder Kambodscha wi-der. Dies verdeutlichenebenso die Unruhen

    auf Manus Island imFebruar 2013, die zumTod eines Asylsuchen-den sowie 77 verletz-ten Insassen geführthaben.

    Mit der ersten Gruppevon Flüchtlingen der Manus Island Haftanstalt, dieEnde 2014 umgesiedelt wurde, wird ihre erfolgreicheIntegration in die papua-neuguinesische Gesellschaft

    weitgehend die Realisierbarkeit der Umsiedlungspoli-tik der Abbott-Regierung bestimmen.

     Verwahrungshaft auf dem FestlandFür diejenigen, die einen Anspruch auf dauerhafteSiedlung in Australien haben, ist die Situation nur un-wesentlich besser. Flüchtlinge in Haftzentren auf demFestland erhalten vorübergehende Schutzvisa (Tempo-

    rary Protection Visa, TPV ). Sie können nur für

    maximal drei Jahre in Australien leben, bevorsie ihr Visum erneuern müssen. Während Asyl-bewerber mit Schutzvisa Zugang zu staatlichenLeistungen, sozialer Sicherheit, und Arbeitser-laubnis haben, haben sie kein Recht auf Fami-lienzusammenführung oder das Recht, wiederin Australien einzureisen, wenn sie ins Auslandreisen. Das neue Fünf-Jahres-Sicherer-HafenUnternehmensvisum (Safe Haven EnterpriseVisa, SHEVS ), erlaubt Flüchtlingen, sich für eindauerhaftes Visum zu bewerben, nachdem sie

    in Australien gearbeitet haben. Dies stellt einenentscheidenden Schritt vorwärts dar. Jedochsind die SHEV s begrenzt auf Asylsuchende, die

    Proteste auf Naura Island am 27. Februar 2015.Foto: Refugee Action Coalition Sydney.

    Proteste gegen Abbotts Politikin Melbourne am 27.7.2013.

    Foto: John Englart (Takver) CC BY 2.0

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    zwischen August 2012 und Dezember 2013 angekom-men sind, und Einzelheiten zu deren Umsetzung sindweiterhin unklar. Die mangelhafte Unterstützung derUmsetzung sowie die anhaltende Trennung von Fa-milien führen jedoch nicht gerade zu einer Integra-tionsbereitschaft der Asylsuchenden. Diese Beschrän-

    kungen wurden von Menschenrechtsaktivisten als einungeeignetes Mittel kritisiert, das Zukunftsängstevon Asylsuchenden nicht mindert und darüber hinauskeine wirkliche Alternative zu einer Umsiedelung dar-stellt.

    Abschreckung durch Bestrafung?Der Bericht eines UNHCR-Konvois zur Haftanstalt aufManus Island Haftanstalt legt dar:

    …[Es ist] tief beunruhigend, zu beobachten, dassdie derzeitige Ausführung sowie die harten phy-sischen Bedingungen in den [Haftanstalten]nicht den internationalen Standards entspre-chen und ... eine willkürliche und obligatorischeInhaftierung nach dem Völkerrecht ... und keinesicheren und menschenwürdigen Bedingungender Behandlung in der Haft gewährleisten.

    Angesichts der Verletzungen des Völkerrechts, der Verurteilung durch internationale und nationale Inte-ressensgruppen und den regionalen Spannungen, diedurch diese Politik katalysiert werden, erscheint Aus-traliens anhaltendes Streben nach der Verwahrungs-haft nicht eingängig. Dies gilt insbesondere dann,wenn man bedenkt, dass Australien nur eine margina-le Zahl der Asylanträge erhält – bis Mitte 2014 warenes 4.600. Eine Zahl, die winzig erscheint in Anbetrachtder Zahl der Asylanträge in Deutschland. Deutschlandist der größte Empfänger von Asylanträgen, mit ge-

    schätzten 65.700 im gleichen Zeitraum. Gemessen aufeiner Bruttoinlandsprodukt-pro-Kopf-Basis, rangiertAustralien lediglich auf Platz 11.

    Politische Faktoren bleiben nach wie vor eine starkeBegründung für die Beibehaltung der Verwahrungs-haft. Eine harte Vorgehensweise wird als eine pro-portionale Reaktion auf kriminelle Handlungen wiebeispielsweise Menschenhandel angesehen, und derGebrauch der zwangsläufigen Inhaftierung wird alseine effektive Abschreckung betrachtet.

    Die Antworten des Premierministers Abbott auf Kritik–„Was ist schrecklicher als die Vorstellung von Kin-dern, die im Meer ertrinken, weil ihre Eltern auf diefalschen Versprechungen von Menschenhändlern her-eingefallen sind?“ – spiegeln die Debatte über Asylbe-werber in Australien wider. Diese endet üblicherweisein einem Nullsummenwettbewerb zwischen Grenzsi-cherheit und menschlichen Bedürfnissen.

    Die Verwahrungshaftzentren wurden auch schon „Austra-liens Gulags“ genannt, hier Manus Island Regional Proces-sing Facility.

    Foto: DAIC, CC BY 2.0

    Zahl von Asylbewerbern in Australien verglichen mit den fünf führenden Ländern in Asylanträgen.Quelle: Asylum Seeker Resource Centre, UNHCR Monthly Asylum Trends

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    setzung des Gesetzes auf See unter dem Deckmantelder Grenzsicherheit. Dies ist eine besorgniserregendeEntwicklung, die die ernsthafte Frage aufwirft, obAustralien ein Gleichgewicht zwischen dem legitimenGrenzschutz und seiner traditionellen Achtung undWahrung der Menschenrechte findet.

    Offensichtlich wurde das politische Ziel „Stoppen derBoote“ ohne Rücksicht auf Australiens internationa-le Verpflichtungen und auf Kosten der vielen verfas-sungsmäßigen Schutzvorrichtungen sowie der indivi-duellen Freiheiten, die als Grundlage eines liberalen,demokratischen Staates angesehen werden, verfolgt.Ob Australiens Aufstellung für die Wahl für einen Sitzim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen 2018einen Anstoß für Veränderung sein wird, bleibt abzu-warten.

    Populistische Maßnahmen populärDa die Zahl von Asylbewerbern, die mit dem Boot nachAustralien ankommen, ansteigt, wird die allgemeineStimmung gegenüber Asylsuchenden in einigen Teilender Wählerschaft immer feindseliger. Die Angst ge-genüber der wahrgenommenen Bedrohung, dass ein

    Flüchtlingszustrom sich auf die australischen Lebens-standards sowie die öffentliche Dienstleistung aus-wirken könnte, bleibt eine verbreitete Argumentation,zum Teil auch aufgrund der geographischen IsolationAustraliens und der relativ kleinen Bevölkerung.

    Im Gegenzug wird die Regierung unter Druck gesetzt,Maßnahmen in einer reaktionären Weise zu bilden, umeinen Anschein der Kontrolle zu behalten. Laut einerUmfrage des LOWY  INSTITUTS 2014 befürworten 71% derAustralier weitestgehend, dass Boote mit Asylbewer-bern zurückgeschickt werden sollen. 59% sprechensich für einen Ausbau der Offshore -Prozesse aus. Es

    scheint also, dass eine Politik der harten Hand durchTony Abbott innerhalb der Wählerschaft noch immerpolitisch gewollt ist.

    Die Zukunft der VerwahrungshaftObschon die Zahl der Schlepperboote, die die austra-lische Küste erreichten, im Dezember 2014 auf viergefallen ist, sieht es so aus, als ob Verwahrungshaftein Eckpfeiler von Australiens Asylpolitik und der all-gemeinen Immigrationspolitik bleibt.

    Die Änderung des Migrations- und Schifffahrtsgeset-zes   zementiert eine ausübende Gewalt bei Durch-

    Angelyn Seen war Stipendiatin des australischen ThinkTanks MANNKAL ECONOMIC EDUCATION FOUNDATION und absol-vierte einen Studienaufenthalt im Liberalen Institutder Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

    Stimme zu

    42%Stimme

    nicht zu

    55%

    Weiß

    nicht

    3%

    Mittlerweile befürworten 42% der Australier, dass australi-sche Marineschiffe ohne Erlaubnis in indonesische Hoheits-gewässer eindringen als Teil der Bemühungen Australiens,

    Asylbewerber zurückzubringen.Quelle: Umfrage LOWY  INSTITUTE, 2015. Grafik: FNF

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