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Zeitschrift ffir Zellforschung 81,190--220 (1967) Fluoreszenzmikroskopische Studien fiber die Verteilung und Regeneration der Faserglia bei Lumbricus terrestris L. Mit Hinweisen auf die Struktur und Regeneration des neurosekretorischen Systems PETER ZIMMERMANN* ** *** Anatomisches Institut der Universit~t Giellen, Lehrstuhl I (Direktor: Prof. Dr. A. OKSe~E) Eingegangen am 10. April 1967 Summary. A new Orange G-fluorescence method (Z~MMERMAN~,1967) is applied to the nervous system of Lumbricus terrestris L. for demonstration of fibrous neuroglia cells. The seven different types of these cells reveal a high degree of differentiation and a specific pattern of regional distribution. The processes of the fibrous neuroglia cells form basketlike structures on the surface of neurosecretory cells. The glia fibers are composed of fine filaments (approximate- ly 50 A thick). After unilateral cauterizing of the supraesophageal ganglion (brain) or lesions put in the ventral nerve cord the damaged tissue is restored within 15 days after the injury (regeneration phases I--1II). The regeneration of the neurosecretory system shows a distinct morphological pattern. The replacement of the neurosecretory cells anteceds the restitution of the fibrous neuroglia. In the surrounding intact areas of the nervous system an acti- vation of neurosecretory cells occurs. The matrix of the newly formed gliat elements is of ectodermal origin. The development of very obvious complexes formed by neurons and glial satellites was traced by means of fluorescence microscopy. The functional significance of these findings has been discussed. Zusammen/assung. Mit einer neuen Orange G-Fluoreszenzmethode (ZIMM~RMAN:S, 1967) kSnnen im Zentralnervensystem yon Lumbricus terrestris L. sieben verschieden differenzierte Fasergliatypen nachgewiesen werden. Die Verteilung dieser Zellen weist regionale Unterschiede auf. Forts~tze der Faserglia umhiillen korbartig auch die neurosekretorischen Ganglienzellen. Die einzelnen Gliafasern sind aus etwa 50 .~ starken Filamenten aufgebaut. Nach unilateraler L/~sion des Oberschhindganglionsoder Verletzung des Bauchmarks wird das zerstSrte Gewebe his zum 15. Tag nach dem Eingriff in drei Phasen regeneriert. Dabei werden die neuro- sekretorischen Zellen in einer bestimmten Reihenfolge friiher restituiert als die Faserglia. Gleichzeitig ist in den benachbarten intakten Regionen eine Aktivierung der neurosekretori- schen Reservezellen zu erkennem Die neugebildeten Fasergliaelemente gehen aus neurekto- dermalen Matrixzellen hervor. Dabei werden charakteristische Nervenzell-Fasergliakomplexe ausgebildet. Die funktionelle Bedeutung dieser Befunde wird diskutiert. Einleitung Modelluntersuchungen an dem experimentell leicht zug~nghchen Nerven- system yon Invertebraten (l~bersicht bei BULLOCK und HORRIDGE, 1965) gewinnen eine immer grSBere Bedeutung. Ffir die wichtige Frage der trophischen Bezie- hungen der Neuroglia zu den Ganglienzellen bieten die WirbeUosen optimale Ar- beitsbedingungen. Als ein besonders gelungenes Beispiel einer solchen, mit histo- logischen Untersuchungen kombinierten physiologischen Analyse sind die yon * Fran Professor Dr. BEAT)-SCH~RER gewidmet. * * Teil einer medizinischen Doktorarbeit. * * * Mit Unterstiitzung dutch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

Fluoreszenzmikroskopische Studien über die Verteilung und Regeneration der Faserglia beiLumbricus terrestris L

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Page 1: Fluoreszenzmikroskopische Studien über die Verteilung und Regeneration der Faserglia beiLumbricus terrestris L

Zeitschrift ffir Zellforschung 81,190--220 (1967)

Fluoreszenzmikroskopische Studien fiber die Verteilung und Regeneration der Faserglia bei Lumbricus terrestris L.

Mit H inwe i sen au f die S t r u k t u r u n d Regene ra t ion des neurosekre tor i schen Sys tems

PETER ZIMMERMANN* * * ***

Anatomisches Institut der Universit~t Giellen, Lehrstuhl I (Direktor: Prof. Dr. A. OKSe~E)

Eingegangen am 10. April 1967

Summary. A new Orange G-fluorescence method (Z~MMERMAN~, 1967) is applied to the nervous system of Lumbricus terrestris L. for demonstration of fibrous neuroglia cells. The seven different types of these cells reveal a high degree of differentiation and a specific pattern of regional distribution. The processes of the fibrous neuroglia cells form basketlike structures on the surface of neurosecretory cells. The glia fibers are composed of fine filaments (approximate- ly 50 A thick). After unilateral cauterizing of the supraesophageal ganglion (brain) or lesions put in the ventral nerve cord the damaged tissue is restored within 15 days after the injury (regeneration phases I--1II). The regeneration of the neurosecretory system shows a distinct morphological pattern. The replacement of the neurosecretory cells anteceds the restitution of the fibrous neuroglia. In the surrounding intact areas of the nervous system an acti- vation of neurosecretory cells occurs. The matrix of the newly formed gliat elements is of ectodermal origin. The development of very obvious complexes formed by neurons and glial satellites was traced by means of fluorescence microscopy. The functional significance of these findings has been discussed.

Zusammen/assung. Mit einer neuen Orange G-Fluoreszenzmethode (ZIMM~RMAN:S, 1967) kSnnen im Zentralnervensystem yon Lumbricus terrestris L. sieben verschieden differenzierte Fasergliatypen nachgewiesen werden. Die Verteilung dieser Zellen weist regionale Unterschiede auf. Forts~tze der Faserglia umhiillen korbartig auch die neurosekretorischen Ganglienzellen. Die einzelnen Gliafasern sind aus etwa 50 .~ starken Filamenten aufgebaut. Nach unilateraler L/~sion des Oberschhindganglions oder Verletzung des Bauchmarks wird das zerstSrte Gewebe his zum 15. Tag nach dem Eingriff in drei Phasen regeneriert. Dabei werden die neuro- sekretorischen Zellen in einer bestimmten Reihenfolge friiher restituiert als die Faserglia. Gleichzeitig ist in den benachbarten intakten Regionen eine Aktivierung der neurosekretori- schen Reservezellen zu erkennem Die neugebildeten Fasergliaelemente gehen aus neurekto- dermalen Matrixzellen hervor. Dabei werden charakteristische Nervenzell-Fasergliakomplexe ausgebildet. Die funktionelle Bedeutung dieser Befunde wird diskutiert.

Einlei tung

Model luntersuchungen an dem experimentel l leicht zug~nghchen Nerven- system yon Inve r t eb ra t en (l~bersicht bei BULLOCK und HORRIDGE, 1965) gewinnen eine immer grSBere Bedeutung. Ffir die wichtige Frage der trophischen Bezie- hungen der Neuroglia zu den Ganglienzellen bieten die WirbeUosen optimale Ar- bei tsbedingungen. Als ein besonders gelungenes Beispiel einer solchen, mi t histo- logischen Unte r suchungen kombin ie r ten physiologischen Analyse sind die yon

* Fran Professor Dr. BEAT)- SCH~RER gewidmet. * * Teil einer medizinischen Doktorarbeit.

* * * Mit Unterstiitzung dutch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

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Regeneration der Faserglia bei Lumbricus terrestris L. 191

KUFFLER und NICHOLLS (1966) an den Ganglien- und Riesengliazellen yon Hirudo medicinalis durchgeffihrten Studien anzusehen. Diese Befunde lassen sich aber nicht uneingeschr~nkt auf andere Wirbellose fibertragen. Bei vielen Wirbel- losenformen, u.a. auch Lumbriciden, weist das Nervensystem eine 0rganisation auf, die sich in wesentlichen Punkten yon dem fiir Hirudineen charakteristischen Bautyp unterseheidet.

Von den klassisehen, das nerv6se Zentralorgan yon Lumbricus abhandelnden Arbeiten, sei bier nur auf die Beitri~ge yon CAJAL (1904) und HAYEr (1916) hin- gewiesen (Lit. s. bei HAVET). Mit der Goldsublimatmethode konnte HAVET beim Regenwurm einen protoplasmatischen und einen/aserigen Gliatyp naehweisen. In dieser klassischen Periode der Gliaforsehung war das Ph~nomen der Neurosekretion noeh nieht bekannt. Die Frage, ob die Gliazellen der neurosekretorischen und der rein nerv6sen Regionen im Typ und Verhalten grunds~tzliche Unterschiede auf- weisen, ist often (vgl. E. und B. SCHARRER, 1954a, b).

Zur Neurosekretion der Wirbellosen s. die Ubersiehten yon E. und B. SCHARR~R (1954a, b), K~ow~Es (1963), GERSCH (1964) und GABE (1966). Der neurosekreto- rische Apparat der Lumbriciden wurde in den letzten Jahren u, a. eingehend yon HUBL (1953, 1956), HERLANT-MEEwIS (1954, 1955, 1962a, b, 1965, 1966), OT~EMBA (1961), AROS und VIo~ (1962) und E. SC~IXRR~R und B~ow~ (1961 ; Elektronen- mikroskopie) bearbeitet. Neue lichtmikroskopisehe Studien zur Frage der Neuron- Glia-Relation werden an diesem Objekt dadurch begiinstigt, dal~ jetzt 1. fiir den Neurosekretnachweis die spezifisehe, sehr empfindliche Pseudoisocyanin-Sekund~r- fluoreszenz-Reaktion (s. STERBA und HOHV.ISEL, 1964), 2. zur Darstellung der Gliafflamente die Fluoreszenzmethoden yon FLEISCI~IAUER (1960) und ZIMME~- MA~ (1967, im Druck) zur Verfiigung stehen.

Aus der kombinierten Anwendung dieser Verfahren sind vor allem genauere Angaben fiber den Ablauf des Regenerationsprozesses und die Matrix der Wirbel- losenglia zu erwarten. Im klassischen Schrifttum udrd sowohl eine ektodermale als auch eine mesodermale Genese der Wirbellosenglia erwogen. Aufgrund ihrer Beobachtungen mit konventionellen liehtmil~roskopischen Methoden nimmt H E ~ T - M E v . W I S (1962b) eine ektoclermale Herkunft der Gliaregenerate an.

Material und Methodik Material

Ffir histologische Untersuchungen standen 88 am Zentralnervensystem operierte (Elek- trokauter Erbe, Tiibingen) Regenwfirmer (Lumbricus terrestris L.) aus zwei Versuchsserien zur Veffiigung. 40 weitere Kontrolltiere wurden mit den gleichen lichtmikroskopischen Methoden bearbeitet.

Gruppe I. I)orsale Querinzision zwischen dem zweiten und dritten Kop~:segment mit anschlieBender Koagulation der freigelegten rechten I-Iemisph~re des Oberschlundganglions. Bei diesem operativen Zugang mul] das groi~e Dorsalgef~l~ geschont werden.

Gruppe II. Ventrale L~ngsinzision zwischen dem 10. bis 12. Segment kaudal yore Clitellum und Elektrokoagulation eines Bauchmarkabschnittes zwischen zwei Segmentnerven. ttier sind das ventrointestinale und das subneurale Gef~I3 zu beachten.

Die Inzisionswunde braucht nicht welter versorgt zu werden. In sauberen Glasgei~flen - - einzeln auf tKglich gewechseltem feuchten Verbandsmull untergebracht - - fiberstanden die Regenwfirmer die Operation ohne nennenswerte Ausf~lle.

Am 3., 6., 9., 12. und 15. Tag nach der Operation warden die Tiere im Fixierungsgemisch yon Bouin konserviert.

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192 P. Z~ERMAN~ :

Histologische Methodik

Lichtmikroskopische Untersuchungen Naeh sorgf~ltiger Preparation wurde das Zentralnervensystem mit drei verschiedenen Me-

thoden bearbeitet: 1. Zur r/iumlichen Darstellung der neurosekretorischen Zellen im Totalpr~parat mit Paral-

dehydfuchsin (OKSCHE, MAUT~ER und FARNER, 1964). 2. Zur feineren Untersuchung des neurosekretorischen Apparates mit der Pseudoisocyanin-

Fluoreszenzmethode (STERBA und HO~EISEL, 1964). 3. Zum Studium der Faserglia mi$ dem Orange G-Fluoreszenzverfahren (Z~M~RMA~,

1967). Fiir Schnittpr~parate wurden die zu untersuchenden Gebiete in Paraplast eingebettet und

in 5 ix dieke liickenlose Serien zerlegt. Der mikroskopischen Beobaehtung und auch der Mikro- photographie diente das mit einer Queeksilberh5chstdrucklampe ausgestattete Photomikro- skop Orthomat-Ortholux (Leitz). Fiir fluoreszenzmikroskopisehe Untersuchungen wurden die folgenden Filterkombinationen verwendet:

1. Neurosekretorische Zellen. Erregeffilter BG 12 Blau 5 mm und 3 mm; Sperrfilter K 530. 2. Faserglia. Erregerfilter BG 12 Blau 5 mm; Sperrfiltcr K 530.

Elektronenmikroskopische Untersuchung Material. Unterschlundganglion und Bauchmark eines unbehandelten, frisch gefangenen

Lumbricus terrestris. Fixierung. 5 % iges Glutaraldehyd, angesetzt mit Zusatz von Phosphat-Puffer nach S51~EN-

SE~ (pH 7,4); Auswaschen in Phosphat-Saceharose-Puffer. Nachbehandlung. 1%ige OsOa-LSsung in Phosphat-Saccharose-Puffer. Einbettung. Epon-Araldit (MOLLI~NHAUER). Di~nnschnitte. LKB-Ultramikrotom. Kontrastierung. Bleimonoxyd-Verfahren (KARNOVSKY). Au/nahmen. Elmiskop I (Siemens) bei einer Strahlspannung von 60 kV.

Befunde

I n den neurosekre tor i schen Area len des Nervensys tems yon Lumbricus terrestris i s t die Regenera t ion der Faserg l ia deut l ich m i t der Res t i tu t ion der neurosekre- tor ischen E lemente koordinier t . Aus diesem Grund sei eine kurze, auf neuen Ver- fahren beruhende Beschre ibung des neurosekre tor ischen Sys tems und seiner Re- generat ionskapazi t /~t den Ausf i ihrungen fiber die Glia vorausgeschickt . Neurosekre- tor ische Zellen k o m m e n beim Regenwurm sowohl im 0ber - und Unterschlund- gangl ion als auch im B a u c h m a r k vor.

A. Neurosekretorischer A pparat

I . No rma lzus t a nd

Riiumliches Bild Das aufgehellte Paraldehydfuchsin-Totalpr~parat erlaubt einen pr/~ziseren Vergleich der

operierten und der intakten neurosekretorischen Areale als die mit konventionellen Methoden angefertigten Serienschnitte.

a) Ober- und Unterschlund~anglion. Das dre id imensionale Bi ld der in den beiden grol~en Gangl ien lokal is ier ten neurosekre tor ischen Elemente wird hinre ichend durch Abb. 1 belegt.

b) Bauchmark. Ein nach To ta lp r / ipa ra t en gezeichnetes Schema soil die segmen- ta le Anordnung der neurosekre tor ischen Zellen des Bauchmarks veranschaul ichen (Abb. 2: I V). Jedes Segment en t sende t beidersei ts je einen paar igen und einen

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Regeneration der Faserglia bei Lumbricus terrestris L. 195

Abb. 3 a u. b. Aufgehellte Totalpriiparate. Dorsalansichten. Bouin. Paraldehydfaehsin. a Nor- males Oberschlundganglion. Vergr. 80fach. b Lgsionspr~arat mit Regenerat. 12. Tag nach Elektrokoagulation. Vergr. 80faeh. 1 ~qeurosekretorische Zelle, die w~hrend der Regeneration zuerst auftrit?~. 2 Neurosekretorische Elemente der intakten Ganglienh'alfte (kompensatorisehe

~beraktivit~t). 3 Regenerierte Hi~lfte des Ganglions

2. Feinere Zellstruktur In der Empfindlichkeit des Neurosekretnachweises ist auch beim Regenwurm

die Pseudoisocyanin-Fluoreszenzmethode yon STERBA (1964) allen anderen Ver- fahren iiberlegen. Im fibrigen kann die yon OTREMBA (1961) durchgefiihrte Klassi- fizierung der neurosekretorisehen Zelten (Abb. 4a) fibernommen werden (vgl. ZIM~ERMA~, 1967).

Fluoreszenzmikroskopisch lassen sich drei Phasen des Regenerationsprozesses abgrenzen. (Ausfiihrliche Schilderung dieser Phasen s. S. 204.) Am 15. Tag naeh dem Eingriff sind sowohl die ursprfingliche GrSSe als auch die ~uSere Form des Obersehlundganglions wiederhergestellt; die Zahl seiner sekretorisch aktiven Elemente hat aber noch nicht die Ausgangslage erreicht. Diese Angaben gelten grunds~tzlich auch fiir das Bauchmark, wenn auch dort der l~sionsbedingte Sub- stanzverlust geringer ist als im Oberschlundganglion. Auf eine genauere Beschrei- bung dieser Regenerationsvorg/~nge kann verzichtet werden (vgl. H~LANT-

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196 P. ZIMMERMANN :

Abb. 4a u. b. Fluoreszenz der neurosekretorischen Zellen im Oberschlundganglion. Bouin. Pseudoisocyanin (STERBA). a Intaktes Ganglion. Vergr. 300fach. Typeneinteilung (I I / / ) nach OTREMBA (1961). ~ Fibrillenstrumpf des Neurilemms. D Neurosekretdepot im Neuropil. b 1. Regenerationsphase (4 Tage nach der L~sion). Vergr. 300fach. * I I Aktive neurosekretori-

sche Zelle vom Typ II. VI Typ VI: Aktivierte neurosekretorische Reservezellen. �9 D Entspeichertes Neurosekretdepot

MEEWIS, 1962b); im folgenden sei nur auf zwei interessante Beobachtungen hin- gewiesen.

a) Oberschlundganglion. Abb.4b zeigt ein ffir die erstePhaseeharakteristisches Bild des Oberschlundganglions. In der nicht koagulierten Hemisphere dieses Gang- lions erkennt man kleine, vereinzelt neurosekretorisch aktive Reservezellen. In den Zellen dieser GrSI~e sind bei Kontrolltieren (Abb. 4a) keine mit Pseudoisocyanin f~rbbaren Granula nachweisbar.

b) Bauchmarlc. Nur in der zweiten Regenerationsphase (6.--9. Tag nach der L~sion) beobachtet man im ersten und zweiten Segment des Bauchmarks, am Abgang des paarigen Segmentnerven, eigentiimlich sezernierende Zellen (Abb. 5). Ihr Cytoplasma ist prall mit grobkSrnigen Granula geffillt, die sp~ter nur noch in

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Regeneration der Faserglia bei Lumbricus terrestri8 L. 197

Abb. 5a~-c. Fl,uoreszenzbild eines neuen neurosekretorischen Zelltyps (V) in der zweiten Re- generationsphase (8. Tag nach der Ldsion) im 1. und 2. Segment des Bauchmarks. Bouin. Pseudoisocyanin. a Vergr. 350fach; b, e 500fach. I Neurosekretorisehe Zelle vom Typ I . I' Schr~ig angesehnittener Fibrillenstrumpf des Neurilemms. * Abgang des ersten paarigen

Segmentnerven

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198 P. ZIMMERMAI~N:

O.05mm

Abb. 6. Schematische Darstellung der Fasergliatypen (I IV) bei Lumbricus terrestris

Form eines Randsaumes anzutreffen sind (Zeichen der Entspeicherung ?). Mit Paraldehydfuchsin, Chromalaunh/~matoxylin-Phloxin oder auch Alcianblau lie$ sich dieses Material nieht darstellen.

B. Faserglia

I. Normales Zellbild (Befunde mit der Orange G-Fluoreszenzmethode) ])as fiir Gliastudien am Nervensystem des Regenwurms entwiekelte Orange G-Verfahren

(t~chnische Einzelheiten s. ZIMMERMANN, 1967) entwirft ein besonders vollst~ndiges und pr~zi- ses Bild der Faserglia.

1. Bauchmark

Das Bauehmark yon Lumbricus terrestris besteht aus drei schalenfSrmigen Zonen. Das im Inneren gelegene Neuropil wird konzentrisch von einer Ganglien- zellschicht umschlossen. Ein Neurilemmsehlauch, an dem man eine mit Lichtgrfin homogen f/irbbare innere und/iuBere Lamelle sowie einen maschenartigen, mittel- st/indigen Fibrillenstrumpf unterscheiden kann, grenzt das Nervengewebe gegen die CoelomhShle ab. Gli6se Elemente finder man sowohl im zentralen Neuropil als

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Abb. 7 a u. b..Faserglia im Bauchmark. Bouin. Orange G.Fluoreszenzmethode. a Vergr. 640fach. IV Gliatyp IV. ~ ttauptfortsatz im Neuropfl. x Horizontal gerichtete Forts~tze an der Gan-

glienzellschicht--Neuropilgrenze. 1 Ganglienzellschicht. b Vergr. 560fach. Ia Typ Ia. _AT Zellkern

auch zwisehen den Nervenzellen. Besonders ausgepr~gte Fasergliaformationen breiten sieh im Grenzgebiet zwischen dem 57europil und der Nervenzellschicht aus Das folgende Schema (Abb. 6) soll dieses Bauprinzip n~her erltiutern. Auf der Basis der fluoreszenzmikroskopischen Befunde kann man die Glia des Bauchmarks in einen tanycytentihnlichen und einen multipolaren, an die verschiedenen Spiel- arten der Astroglia erinnernden Zelltyp einteilen.

a) Tanycytenghnliche Gliatypen. Diese Zellarten zeichnen sich durch ihre enge Beziehung zum Neurilemm aus. Ihr typisches Formmerkmal ist der schmale Cyto- plasmaleib, der den stark granulierten, ovalen Kern umschlieBt. Die beiden langen, zarten, faserigen Zellausltiufer nehmen eine bipolare Lage zum Zellkern ein. Der eine Fortsatz durchsetzt in Richtung auf die Neuropilgrenze die Ganglienzellschicht und begleitet dabei mitunter das Axon einer Nervenzelle, wtihrend der andere an der Bildung einer terminalen, dem Neurilemm anliegenden Gliagrenzschicht be- teiligt ist. Aul3erdem werden deutliche Geftil3beziehungen hergestellt (Typ Ia) (Abb. 7).

An der dorsomedialen Begrenzung des Bauchmarks, im Bereich der drei l~iesenaxone, finder man einen ~hnlichen Gliatyp. Die Faserzeiehnung dieser

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2 0 0 P . ZIMMERMANN :

Abb. 8. Fluoreszenzmikroskopische Darstellung yon Gliazellen im Bauchmark. Bouin. Orange G-Fluoreszenzmethode. a Vergr. 640fach. I I l Typ 1II. ~ FaserkSrbe in der Ganglienzell- schicht. 2 Neuropih b Vergr. 350fach. Ib Typ Ib. II Typ II, umhfillt die dorsomedianen

Riesenaxone

Zellen ist aber viel kr/~ftiger als bei den zuerst beschriebenen Elemen~en; mehrere kfirzere Forts/~tze streben hier divergierend zum Neurilemm, wogegen der lange Hauptfortsatz neuropflwiirts gerichtet ist. Diese Variante (Ib; Abb. 8b) verffigt bereits fiber ein differenziertes Faserbild.

Ein sehr ~hnlicher Zelltyp (Ic) ist auch an der Grenze zwischen dem Neuropil und dem Ganglienzellmantel zu beobachten, nur ist der 1Angere Fortsatz hier neurilemmw/irts orientiert, um dort zusammen mit den entsprechenden Ausl/iufern des Typs Ia die gli6se Grenzformation zu bilden. Die kurzen Ausl~ufer dieser Zellen dringen fingerartig in das Neuropil vor (Abb. 9b).

Die Gruppen Ib und Ic unterscheiden sich fluoreszenzmikroskopisch nicht wesentlich yon den tiefer gelegenen astrocytAren Gliaformen. Aufgrund ihrer engen

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Abb. 9 a u.b. Weitere Typen der Faserglia im Bauchmark. Bouin. Orange G-Fluoreszenz. methode, a Vergr. 450lath. Ia Typ Ia. IV Typ IV. 1 Ganglienzellschicht. 2 Neuropil. b Vergr. 560fach. Ic Typ Ic. I I Typ I Imi t Faserkorb. * Aufleuchtende Ganglienzelle. x Mit Lichtgriin

f~rbbare Ganglienzelle. 3 Neuropil (s. 9 a)

Beziehung zum Neuri lemm sollen sie dennoch von den letzteren getrennt auf- gefiihrt werden.

b) Multipolare Faserglia. Die Zellen dieser Gruppe zeichnen sich durch ihren For tsa tzre ichtum und ihre ausgepr/igten Beziehungen zu den Nervenzellen und Gef/~l~en aus. Ein K o n t a k t mi t dem Neuri lemm ist dagegen/iuBerst selten.

Die im Nervensys tem von Lumbricus terrestris am h/iufigsten auf t re tende Fasergliaart ist der zarte, reich vergstelte Typ I I (Abb. 9b, 8a) der Ganglienzell-

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schicht. Der kleine, rundliche, granulierte Nucleus dieser Gliaelemente ist meist in der N~he der Nervenzelle zu finden. Die zahlreichen Gliafilamente sind stark gewellt. Die faserffihrenden Fortss verzweigen sich baumartig und bflden ein dichtes, die Ganglienzellen umschlieBendes Maschenwerk. Diese ver~stelten und gewundenen Ausl~ufer stellen eine ausgedehnte Kontaktfl~che mit der Nervenzelle her. Den beschriebenen Typ I I findet man auch im Neuropil und in den Kommis- suren. Mit seinen korkzieherartigen Forts~tzen schlieBt er sich dort den Neuriten an. Typ I I bildet auch die Umhiillung der drei Riesenaxone (Abb. 8), wobei die Gliaforts~tze wie ein Scherenfasergitter gefiigt sind.

Zwei weitere Fasergliaformen sind besonders h~ufig an der Grenze zwischen dem Neuropil und der Ganglienzellschicht anzutreffen. Diese Zellen zeigen fluores- zenzmikroskopisch eine gleich starke Fibrillenzeichnung wie die Typen Ib und Ic; sie haben aber einen grSBeren, chromatins Zellkern und einen deutlichen Nucleolus.

Typ I I I (Abb. 8 a) zeichnet sich dadurch aus, dal~ seine beiden Hauptforts~tze, die yon den Kernpolen ausgehen, stark geschl~ngelt in der Grenzzone zwischen dem Neuropil und den Nervenzellen verlaufen. Die kiirzeren Ausl~ufer dieser Zellen dringen in das Neuropil und in die Ganglienzellschicht ein.

I m Vergleich zu Typ I I I hat Typ IV (Abb. 9a, 7a) eine entgegengesetzte Anordnung seiner Ausl/iufer. Die Tangentialfasern des letzteren sind - - im Gegen- satz zu dem sehr langen Hauptfortsatz, der senkrecht in das Neuropfl vorstSl3t - - kurz (vgl. dazu das spiegelbildliche Vcrhalten von Typ Ic).

Das gemeinsame Formmerkmal der Typen I - - I V ist das Vorhandensein yon 1--2 besonders kr~ftigen, fibrfllenreichen Forts~tzen, die wesentlich starker aus- gebildet sind als das iibrige Astwerk.

2. Unterschlundganglion In der Verteilung und Anordnung der Fasergha unterscheidet sich das Unter-

schlundganglion nicht vom Bauchmark. Die vier oben beschriebenen Zelltypen kommen auch hier in ihrer charakteristischen Lokalisation vor. Sowohl in der Ver- teflung der Ganglienzellen als auch in der Anordnung der Faserglia ist bei Lum- bricus terrestris eine deutliche bilaterale Symmetrie zu erkennen. Ein besonderes Merkmal dieser Symmetrie sind die auf beiden Seiten des Nervensystems spiegel- bildlich angelegten Nervenzell-Glia-Komplexe. Die klare Unterteilung des Unter- schlundganglions in einen Ganglienzellmantel und ein zentrales Neuropil verwischt sich in Richtung auf die circumoesophageale Kommissur. Hier schlieSt der Neuri- lemmschlauch nur noch Neuritenkabel und die sie begleitenden Gliafasern ein. Bemerkenswert sind dabei die engen Gef~$beziehungen, die von dem multipolaren Gliatyp I I hergestellt wcrden.

3. Oberschlundganglion Auch in diesem grol3en Ganglion finden sich tanycyten~hnliche und multipolare

Formen der Faserglia.

Es ist nicht mSglich, einen dieser Zelltypen ausschliel31ich der kappenartigen Nervenzellansammlung oder auch dem tiefer gelegenen Neuropfl zuzuordnen.

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Abb. 10a u. b. Faserglia im Oberschlundganglion yon Lumbricus terreztris. Bouin. Orange G- •luoreszenzver]ahren (ZIMMERM~N, 1967). a Vergr. 450fach. C Charakteristische Gef~B- schlinge, i' Gliafortsgtze (insbesondere vom Typ I V) mit GefgBbeziehungen. 1 Ganglienzell- schicht. 2 I~europil. b Vergr. 350faeh. Fasergliatypenbezeiehnung wie in Abb. 6. 2 Faserkorb.

Andere Bezeichnungen wie unter 7 a

Typ I a der Fase rg l i a (Abb. 10) t r i t t fin Vergleich zum B a u c h m a r k gehi~uft an der oesophagusnahen Flgche des Oberschlundgangl ions auf. Leg t m a n einen Hori - zon ta l schn i t t durch die Mitre des Ganglions, so s ieht m a n an der h in te ren Zi rkum- ferenz keine 57ervenzellen; die ges t reckte ependyma le Faserg l ia b re i t e t sich do r t in d ich ten Fo rma t ionen , zuweilen sogar pal isadenfSrmig, zwischen der Basa lmem- b ran und dem Neuropi l aus. Typ Ic, der sich durch seine s ta rkere Fibr i l lenzeich-

14 Z. Zellforsch., Bd. 81

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204 P. ZIMMERMA/~N :

nung und eine Beziehung zum Neurilemm auszeichnet, ist dagegen im Oberschlund- ganglion wesentlich seltener als im Bauchmark.

An den Gliazellen vom Typ I V (vgl. S. 202), die ebenfalls einen stark domi- nierenden, wenn auch entgegengesetzt gerichteten Hauptfortsatz aufweisen, ver- miBt man im Oberschlundganglion - - im Gegensatz zum Bauchmark - - die typi- sche Lokalisation an der Neuropil-Nervenzellgrenze. Diese Gliazellen kommen hier haupts~chlich in der Nervenzellschicht vor: Ihre kurzen Ausl~ufer sind gegen das Neurflemm ausgerichtet, w~hrend der lange Hauptfortsatz sich den Neuriten anlagert oder zu den Gef~Ben des Neuropils zieht (Abb. 10a). Ihr Perikaryon kann aber auch im Neuropil liegen (Abb. 10b) ; die kurzen gespreizten Forts~tze solcher Zellen dringen bis in die Ganglienzellschicht vor. Auch hier ist die Beziehung des Hauptfortsatzes zu den Neuriten oder den Blutgef~Ben sehr eng. Der zuerst im Bauchmark beschriebene Typ Ic, den seine diametral orientierten Tangential- fasern besonders charakterisieren, kann im Oberschlundganglion auch in der Neuropilformation liegen (Abb. 10 b) ; seine korkenzieherartigen Ausl~ufer begleiten dort die Neuriten.

Den Haupttei l der Faserglia bildet auch im Oberschlundganglion der Typ II. Der ovale Zellkern dieser Elemente ist fluoreszenzmikroskopisch yon zarten, ge- schl~ngelten Gliafasern umgeben, die in die Forts/~tze ausstrahlen. Die letzteren kommen fiberall in der Ganglienzellschicht und auch im Neuropil vor (Abb. 10b) Die mit Orange G gef~rbten Gliafilamente heben sich yon dem mit Alcianblau elektiv gefs Perikaryon neurosekretorischer Zellen und dem mit Lichtgrfin tingierten Cytoplasma nichtsezernierender Nervenzellen bereits im gew6hnlichen lichtmikroskopischen Bild deutlich ab. GrundsKtzlich kann man sagen, dab im Bauchmark und im Unterschlundganglion nicht so typische Faserastrocyten zu beobachten sind wie im Oberschlundganglion. Den ersten sternf6rmigen, wirklich astroeytdren Gliazellen begegnet man in der circumoesophagealen Kommissur. Ihr Ver~stelungstyp entspricht den Langstrahlern, d.h. von ihrem relativ kleinen Perikaryon gehen filamentreiche Ausli~ufer in alle Richtungen ab. Diese stellen Beziehungen zu Ganglienzellen, besonders aber zu den Blutgef~Ben her; an den letzteren werden EndfiiBchen ausgebildet. Die Forts~tze sind im Gegensatz zu den Typen I I und I I I kaum geschl~ngelt (Abb. 11 a, b). Die Astroglia des Oberschlund- ganglions yon Lumbricus terrestris ist gut differenziert, aber nicht sehr h~ufig.

I I . Regenerierende Faserglia (Befunde mit der Orange G-Fluoreszenzmethode) Das neue Orange G-Fluoreszenzverfahren, das sich dutch eine lichtstarke, unter der UV-

Anregung nicht abblassende Sekund~rfluoreszenz der Gliafibrillen auszeiehnet, erlaubt in der regenerierenden Glia eine besonders pr~zise Darstellung der feinen Faserstrukturen.

1. Oberschlundganglion Nach der Elektrokoagulation der rechten Hemisphere des Oberschlund-

ganglions treten an der Faserglia Regenerationsvorg~nge auf, die einen dreipha- sigen Ablauf erkennen lassen.

a) 1. Phase. 1.--5.Tag nach der Ldsion. I m Oberschlundganglion gehen die Regenerationsvorg~nge yon den stumpfartigen Resten der koagulierten H~lfte und auch yon der durchtrennten circumoesophagealen Kommissur aus. Die im folgen-

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Regeneration der Faserglia bei Lumbricus terrestris L. 205

Abb. 11. Astrocyten~hnliche Faserglia im Oberschlundganglion. Bouin. Orange G-Fluoreszenz. methode, a Vergr. 400fach. A Langstrahlerzelle mit Gef~Bkontakten in der Verbindungskom- missur. C Typische Gef~flschleife. b Vergr. 400fach. A Langstrahlerzelle im Neuropil der

Verbindungskommissur

den beschriebenen Ver/~nderungen sind gleichzeitig in diesen beiden Regenerations- zonen zu beobachten.

Am Wundrand ist das mit Lichtgrfin f/s Material der/iuBeren und inneren Neurilemmlamelle verdichtet, das ganze Neurilemm nach innen umgeschlagen. Die Kontraktion seines elastischen zentralen Fibrillenstrumpfes hat eine Einengung der Wundfl/iche zur Folge.

In den der L/isionsstelle eng benachbarten Arealen findet man mit dem Fluores- zenzmikroskop Gliazellen, vor allem Faserglia yore Typ Ic, die sich parallel zum Wundrand ausgerichtet haben. Vor dieser Gliabarriere erkennt man im koagulier- ten Gebiet feinfaserige, netzf6rmig angeordnete Gliaausli~ufer, die wahrscheinlich dem h/~ufigsten multipolaren Fasergliatyp I I zuzuordnen sind. Auf diese beiden Zonen folgt wieder ein Randsaum, der aus einer nahezu faserfreien, wabig-schau- migen Masse besteht. Gegen die Coelomh6hle ffillt ein Koagulum das Wundbett der zerst6rten Region aus.

14"

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206 P. ZIMMERMANN:

Die Neubildung des Neurilemms er6ffnet die Reorganisation der zerstSrten Hemisphere. Vom Rand des intakten Neurilemms, das den Ganglion- und Kom- missurenstumpf bedeckt, dringen zungenartige, gleichm~$ig mit Lichtgrfin ge- fi~rbte Ansl~ufer in das L~sionsgebiet vor. Eine hauehdfinne Lage dieses Materials ist sogar auf dem VerschluBkoagulum zu entdecken.

Am 4. oder 5. Tag nach der Lgsion wandelt sich die strukturelle Zusammenset- zung der Regenerationszonen. Im Anschlul3 an den Gliawall, der parallel zu den Wundr~ndern des Oberschlundganglions und der cireumoesophagealen Kommissur ausgerichtet ist, erkennt man inmitten der oben beschriebenen faseffreien Masse eingewanderte Coelomocyten. Diese zeichnen sieh dureh einen kleinen, granulierten Kern und ein blasiges, mit Lichtgrfin tingiertes Perikaryon aus. In der NKhe des wiederentstandenen Neurflemms gehen sie in Zellen mit einem li~ngsovalen, granu- lierten Kern fiber, die in polarer Anordnung grobe, naeh F~rbung mit Orange G fluoreszierende Faserelemente enthalten. Auch jenseits des vom neugebildeten Neurilemm noch unvollstgndig umsehlossenen Regenerates sind Umdifferenzie- rungsstadien der Coelomocyten zu beobachten. Ihre Umwandlung geht mit einer Abrundung des ursprfinglieh quaderfSrmigen Zelleibs und dem Ansehwellen des Zellkerns einher. Die Kernvergr6$erung bleibt aber ohne Einflu$ auf den Charak- ter der Chromatinzeichnung.

Je dichter diese Zellen am Nervengewebe liegen, um so l~nger und schmaler wird ihr Umri$. Die Gestalt des Zellkerns paint sieh entspreehend dem Fomwande l des Perikaryons an. Nun erseheinen im Cytoplasma dieser abgeflaehten Formen mit Orange G f~rbbare, fluoreszierende Filamente. Die feineren Fibrillen werden zu zwei Bfindeln zusammengefaSt, die yon den entgegengesetzten Polen des Zell- kerns ausgehen. Die beiden fibrfllenhaltigen Zellausl~ufer sind kaum gewellt. Der breite Cytoplasmasaum der ehemaligen Coelomzelle hat sieh bis auf einen sehmalen Rand zuriickgebildet. Die oben besehriebenen grobfaserigen Elemente mesoder- malen Ursprungs sind jetzt aus~ifferenziert und liegen in diehter Sehieht auf dem neugebildeten Neurilemmaterial. Weder diese SpindelzeUen noch ihre Vorl~ufer, die Coelomocyten, dringen in das unverletzte Nervengewebe ein.

Im angrenzenden, von der L~sion nieht direkt betroffenen Nervengewebe ist der Ablauf der Zellreaktionen anders als an den eingewanderten Elementen, die im Bereich der Restitutionszone liegen. In der N~he des nach innen gebogenen Neurilemms sieht man multiple Kapillarsprossungen. Diese waehsen yon dem zirkul~ren, die Verbindungskommissur des Obersehlundganglions umschlieBenden Blutgef~B aus. In solehen, der koagulierten Stelle eng benachbarten Arealen finden sich sowohl abgetrennte, zugrunde gehende Neuriten als aueh retrograd geseh~digte Nervenzellperikaryen.

Ein anderes Bild zeigen aber die v o n d e r Li~sion am weitesten entfernten Partien der Ganglienschicht. Am Ubergang der circumoesophagealen Kommissur in die intakte Hemisphere des Oberschlundganglions sind viele kleine Zellen zwisehen den ausdifferenzierten Neuronen zu beobachten. Ein runder, struktur- armer Zellkern, ein deutlicher Nucleolus und ein tropfenfSrmiger Zelleib kennzeieh- nen diese nervenzellKhnliehen Elemente. Der schmale Cytoplasmasaum ihres Perikaryons l~Bt sich mit Lichtgrfin anf~rben. Am Ursprungskegel des Nerven- fortsatzes und an dem entgegengesetzten Zellpol finder man bier k6rniges, mit Orange G tingierbares Material. Obwohl diese Zellen in Verb~nden auftreten, sind

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Regeneration der Faserglia bei Lumbricus terrestris L. 207

Abb. 12 a u. b. Fluoreszierende Strukturen in der ~)bergangszone yon der koagulierten zur intak- ten H/ilfte des Oberschlundganglions. 2. H~lfte der Regeneration (6. Tag). Bouin. Orange G- Fluoreszenzmethode. a Vergr. 350fach. i' Zellhaufen in der Zwischenkommissur. C Gesprol~te Kapillaren. b Vergr. 350fach. l a Tanycyten~hnliche Glia, Typ Ia. Umbiegende Faserforts~tze an der L~sionsstelle. * Ia LosgelSste Gliazelle vom Typ Ia. ~ Gliafasergrenzwall an der Grenze

zum Li~sionsgebiet

sie deu t l ich durch Zwischenr~ume vone inander ge t rennt . Diese Anordnung is t be- sonders zu beachten , da in der zwei ten Phase der Regenera t ion nahezu ~hnliche Ze l l ansammlungen erscheinen (s. S. 208). I n den le tz te ren s ind aber die Einzel- zellen so d ich t gelager t , dal3 f luoreszenzmikroskopisch keine Zwischenr~ume er- m i t t e l t werden kSnnen. I n den Zwischenr~umen der e r s tgenann ten Zel lhaufen t r i f f t m a n en tweder Gliafor ts~tze oder auch Iqeuri ten t iefergelegener Gangl ienzel len an. I nne rha lb der Zel lverb~nde des ers ten Typs is t keine mi to t i sche A k t i v i t ~ t zu beobachten . Aus diesem Grunde l iegt die A n n a h m e nahe, dab sie aus bodenst~n- digen, durch erhShte funkt ionel le Anforderungen ak t iv i e r t en Zellen bes tehen (Abb. 4b) .

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208 P. Z~MER~A~N:

b) 2. Phase. 6.--11. Tag nach der Ldsion. Nachdem in der ersten Regenerations- phase die ~uGere und innere Lamelle des Neurilemms wieder aufgebaut worden sind, entsteht in der zweiten Phase nunmehr auch der zentrale Fibrillenstrumpf. Von auGen lagern sich fibrillenhaltige Zellen an das mit Lichtgrfin gef~rbte homo- gene Material. Diese ~hneln den im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Faser- zellen, die aus Coelomocyten hervorgehen. Unterschiede bestehen nur in der F~rb- barkeit der beiden Zelltypen. Die Fibrillen der an der Neurilemmregeneration beteiligten Elemente nehmen nicht Orange G sondern Paraldehydfuchsin oder Chromalaunh~matoxylin an. Sie fluoreszieren nicht und verhalten sich fs wie der fertige Fibrillenstrumpf. Obwohl der Regenerationsvorgang am Neurilemm intensiv abl~uft, ist diese Umhfillung noch an vielen Stellen unvollstKndig.

I m Regenerat des Oberschlundganglions dominieren zu diesem Zeitpunkt noch die fluoreszierenden Spindelzellen mesodermalen Ursprungs. Zwischen den letzteren sind plStzlich an den Regenerationsspitzen, die sowohl von der circum- oesophagealen Kommissur als auch yon der intakten Hemisphere des Ganglions ausgehen, Zellhaufen zu beobachten (Abb. 12a), die sich durch gro6e, struktur- arme Kerne mit deutlichem Nucleolus auszeichnen. Ein den Zellkern umschlie- Gender Cytoplasmasaum ist licht- und fluoreszenzmikroskopisch nicht zu ermitteln. Ohne Zwischenraum, Kern an Kern, liegen die Einzelzellen dieser ellipsoiden Inseln im Regenerat. Sie sind mit den yon HERLANT-MEEwIS (1962) und HOMANN (1936) beobaehteten ,,replacement cells" identisch.

Solche Zellhaufen erseheinen aueh auGerhalb des vom Neurilemm umschlosse- nen Areals. Sie haben aber stets Kontak t mit den beiden regenerierenden Nerven- stfimpfen. Von diesen Regenerationszonen geht auch die Neuformation der beiden durehtrennten Kommlssuren (Verbindungskommissur und cireumoesophageale Kommissur) aus. An diesem Vorgang sind sowohl die sich teilenden und differen- zierenden Elemente der ellipsoiden Zellinseln als auch die auswachsenden Neuriten beteiligt; viele Axone lassen sich aus dem intakten Ganglion fiber die sieh bfldende Kommissur in das Regenerat verfolgen. AuGerdem ~ndern die tanycyten~hnlichen Fasergliaelemente vom Typ Ia, die in der intakten Ganglienh~lfte ein dichtes Lager an der dem Oesophagus zugekehrten Fl~che bilden, die charakteristische Ausriehtung ihrer Forts~tze. Diese Ausliiufer ziehen nicht mehr senkrecht zum Neurilemm, sondern in einem gebogenen Verlauf zum Regenerationskegel Abb. 12b). MSglicherweise vertieren einzelne Gliazellen vSllig den Kontak t mit dem Neurilemm; denn zwischen den ausgewachsenen Neuriten leuehten im Fluores- zenzmikroskop zarte gewellte Fibrillen auf, die an die Faserelemente des Typ Ia erinnern. Die Zellen unterscheiden sich yon den mesodermalen Spindelzellen durch ihre feinen, geschl~ngelten, fibrillenhaltigen Forts~tze. Man mug sie wohl zur ausdifferenzierten Faserglia der intakten Ganglienh~lfte rechnen, da die noch zu beschreibende Regeneration der gliSsen Elemente, die von Zellen der ellipsoiden Inselformationen ausgeht, gerade erst beginnt.

c) 3. Phase. 12.--15. Tag nach der Ldsion. In den beiden vorangegangenen Regenerationsphasen wurde das zerstSrte Neurilemm der koagulierten Hemisphere des Oberschlundganglions schrittweise wiederhergestellt. Die l~berg~nge zwischen dem intakten und dem neugebildeten Neurilemm sind in der dritten Regenera- tionsphase nur noch an den Stellen mit fiberschfissig abgelagertem homogenen Neurilemmaterial zu erkennen. In den so markierten Arealen erscheinen auch die

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Regeneration der Faserglia bei Lumbricus terrestris L. 209

ersten fiir das Nervensystem der Lumbriciden charakteristisch angelegten Blut- gef/~Be. Letztere durchbreehen mit cinem zu- und abffihrenden Schcnkel das Neuri- lemm. Der Scheitel dieser von E. SCHARRER (1948) beschriebenen Gef~Bschleifen liegt im Neuropil oder an der Ganglienzellschichtgrenze.

Erst die Revascularisation der regenerierenden Ganglienhi~lfte erm6glicht die weitere Differenzierung der Nervenzellen und der gliSsen Elemente. Bis zu diesem Stadium besteht der prospektive Ganglienzellsaum des Oberschlundganglions nur aus einer mit Orange G f/irbbaren Zellansammlung, in der die Einzelzellen dicht, Kern an Kern, ohne fluoreszenzmikroskopisch siehtbare Zwischenr/iume liegen. Die liehtmikroskopisch scheinbar nackten Nuclei dieser Zellen umgebcn sich aber bald mit einem sehmalen, orangefarbenen Plasmaleib. Das Perikaryon wird all- m~hlich breiter; gleichzeitig wandeln sich die beiden Enden der anf~nglich ovalen Zellen spitz um. Diese Zellzipfel f/irben sich weiter mit Orange G, w/ihrend das fibrige Cytoplasma Lichtgrfin annimmt. Eine Differenzierung in Nerven- oder Gliazellen ist an der soeben beschriebenen Zellart lieht- und fluoreszenzmikrosko- pisch nicht zu erkennen.

Nach diesem Stadium wird in einer Reihe yon F~llen der eine Cytoplasmazipfel abgerundet, w/ihrend der andere sich axonartig verl/~ngert. Damit beginnt die Umwandlung der noeh undifferenzierten Vorstufe in einen Ncuroblasten. Gleich- zeitig ist eine VergrSBcrung des Zellkerns und Gr6Benabnahme des Nucleolus zu beobachten. Nicht alle Ganglienzellen entstehen gleichzeitig. Der Differenzierungs- prozeB kaml besonders gut an den mit Paraldehydfuchsin gef/~rbten Totalpr/ipa- raten (vgl. S. 194) gezeigt werden. Nach diesen Befunden beginnt die Regeneration des neurosekretorischen Apparates mit einer groBen Ganglienzelle am hinteren Umfang der neugebildeten Hemisph/~re des Oberschlundganglions (Abb. 3b). Auflerdem beobachtet man vom 12. Tag an einzelne groBe, nicht sezernierende Ganglienzellen mit griinem Cytoplasma. Sie liegen als vollsts entwickelte nervSse Elemente zwischen den noch mit Orange G fi~rbbaren, undifferenzierten Zellen der zuk/inftigen Ganglienzellschicht.

Typische Fasergliazellen sind in der Nachbarschaft dieser bereits ausgereiften Nervenzellen noeh nicht zu erkennen; die neuronalen Elemente werden demnach aus den Zellinseln sehneller differenziert als die fibrillenhaltigen Gliaformen.

Bald aber verdichtet sich in den beiden Plasmazipfeln der haufenartig gelager- ten primitiven Vorstufen ein feingranuliertes Material, das mit Orange G tingier- bar ist. Aus diesen granulareichen Zellteflen gehen zwei Forts/itze hervor, die in diametral entgegengesetzter Richtung weiter auswachsen. Innerhalb dieser Cyto- plasmaausl~ufer erkennt man im Fluoreszenzmikroskop feine Filamente; diese vereinigen sich zu einem intensiv mit Orange G f~rbbaren Faserstrang, der kon- tinuierlich die ganze Zelle von einem Ende bis zum anderen durehzieht. Dieses Fibrillenkabel schmiegt sich exzentrisch dem Zellkern an. Die beiden Zellforts/itze sind gleieh lang und nur leicht gewellt. Die soeben beschriebene Zelle stellt die Primitivform aller Fasergliatypen im Nervensystem von Lumbricus terrestris dar.

Auf die Proliferation der primitiven Gliaforts/~tze folgt eine allm~hliche Auf- loekerung der bisher dichten ellipsoiden Zellinseln. Diese AuflSsung des Zellver- bandes fiihrt zu einer Umorientierung seiner Einzelelemente. Ein geringer Anteil der letzteren bleibt an der Innenlamelle des Neurilemms liegen. Die Mehrzahl sehw/~rmt aber zwischen den zuns noch sp/~rlich vorhandenen Neuronen der

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210 P. Z:M~ERMA~N"

Ganglienzellschicht aus. Ein Teil dieser Zellen gruppiert sich hier um die Neurone und bfldet die ersten primitiven FaserkSrbe, w/~hrend die iibrigen ihre beiden Forts/~tze senkrecht zum Neurilemm ausrichten. Die Orientierung ihrer Ausl/~ufer erinnert schon stark an das Fortsatzbfld des tanyeyten/~hnhehen Ghatyps Ia. Im Grenzgebiet zwischen dem neugebildeten Neuropfl und der Ganglienzellsehicht beobachtet man viele sich kreuzende Forts/~tze der primitiven Gliazellen. Die aus der Ganglienzellschicht hervordringenden Faserelemente behal$en eine dem Gliatyp Ia entspreehende Ausrichtung der L/~ngsachse bei, w/~hrend die fin Neuropil fluoreszierenden Faserausl/~ufer Neuriten begleiten, die parallel zum Neurilemm verlaufen. In dieser fibrill/~ren Durchdringungszone treten zwischen 12. und 14. Tag nach der L/~sion einzelne Fasergliazellen auf, die sieh durch mehr als zwei Forts/~tze auszeichnen.

Die filamentreichen Ausl/~ufer dieser Zwisehenstufe sind in bezug auf den Zell- kern nieht wahllos ausgerichtet; die charakteristischen Strukturmerkmale der beiden Gliatypen Ic und I V kann man schon hier erkennen. In solchen Vorstufen der multipolaren Faserghazellen durchqueren die Fibl~llenbfindel das Perikaryon und ziehen wie in der tanyeyten/~hnhehen, primitiven Gliaform von einem Fortsatz zu dem gegeniiberliegenden. De r Zellkern wird so dicht von einem Faserkn/~uel umsponnen, dal~ er nieht mehr im Fluoreszenzmikroskop aufleuchtet. Die drei soeben beschriebenen regenerierten Fasergliaarten des Oberschlundganghons er- innern zwar in der Ausrichtung ihrer Hauptforts/~tze an das Verzweigungsbild der entsprechenden Gliatypen im intakten Ganglion, es fehlen ihnen jedoch noch die Seiten/s und die charakteristischen Windungen der Ausl/~ufer. Parallel zur Entwicklung der beiden letztgenannten Merkmale der multipolaren Gliavorstufe verkleinern sieh Zellkern und Nucleolus. Diese Restitutionsvorgs ffihren erst nach dem 14. Tag zu fibrillenhaltigen Gliazellen, die v511ig den Faserghatypen Ic und I V gleichen.

Neben den Di~ferenzierungsvorg/~ngen an der Neuropilgrenze wandeln sich auch in der Ganghenzellschicht die primitiven tanyeyten/~hnlichen Fasergliazellen in die entsprechenden Gliatypen urn. Die beiden diametral entgegengesetzten Hauptforts/~tze verzweigen sich; der strukturarme Zellkern wird chromatinreieh, der Nueleolus undeutlich. In diesem Entwicklungsstadium ist die Differenzierung ffir einen Teil der gliSsen Elemente abgesehlossen. Diese Zellen entspreehen dann dem Fasergliatyp I a.

Die andere Zellgruppe aber, welehe die primitiven FaserkSrbe bfldet, ent- wickelt sich welter. Zu den beiden verzweigten Hauptforts/~tzen gesellen sieh noch weitere gleichartige Faserausl~ufer, so dab ein multipolarer Zelltyp resultiert. Im Cytoplasma dieser Zellen sehl/~ngeln sich die Fibrillenbfindel korkzieherartig. Die beiden soeben besehriebenen Regenerationsschritte vervollst/s das Struk- turbild der noch nicht ganz ausgereiften multipolaren Elemente so, dab man diese Zellen nunmehr dem Fasergliatyp I I zuordnen kann. Die im intakten Oberschlund- ganglion an und ffir sieh sehr seltenen Langstralder konnten im Regenerat rile naehgewiesen werden.

W/~hrend des L/~ngenwachstums der Faserghaforts/~tze beobachtet man die ersten kleinen, intensiv mit Paraldehydfuchsin f/~rbbaren Neurosekretzellen (Typ I, vgl. S. 195) in der Ubergangszone yon der regenerierten Hemisph/~re zur circum- oesophagealen Kommissur. Ein Tell des von ihnen produzierten Sekretes l/~Bt sieh

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Regeneration der Faserglia bei Lumbricu8 terrestris L. 211

mit der Pseudoisocyanin-Fluoreszenzmethode im Neuropil nachweisen. Das Depot ist noch wenig gefiillt. Die nicht koagulierte Ganglienhglfte zeiehnet sich dutch eine gesteigerte neurosekretorisehe Aktivitgt der Zellen yore Typ I aus, die wohl das ausgedehnte, sehr intensiv fluoreszierende Neurosekretdepot dieser Seite bilden. In der Ganglienzellschicht finder man neben den aktivierten Reservezellen (s. S. 196) Zellnester, die sieh stark mit Orange G anfgrben und im Lichtmikroskop - - ghnlich wie im Lgsionsgebiet - - nur groge, s trukturarme Nuclei erkennen lassen.

5P

Abb. 13. Schema der Regenerationsvorggnge an der Faserglia und den Nervenzellen im Bauch- mark yon Lumbricus terrestris. 1 Coelomocyten. 2 Spindelzellen, die sich aus Coelomoeyten entwiekeln. 3 Zellhaufen. 4 bipolare Zwischenstufe. 5 Glioblasten. 6 Typ Ia, entsteht als erster aus den Glioblasten. 7 I~euroblasten. 8 Regenerierte Nervenzellen. 9 Reservezellen. 10 Typ Ia,

schiebt sich in das Lgsionsgebiet vor

Nach vollstgndiger Regeneration dieser Areale ist zwar die Ganglienzellzahl vermehrt, fluoreszenzmikroksopisch ist aber keine Zunahme der zugeordneten Fasergliazellen festzusteUen. Man kann daher annehmen, da~ die beschriebenen Zellhaufen sieh aussehlieglieh zu Nervenzellen differenzieren.

2. Bauchmark

Die wghrend der l~egeneration einer Hemisphgre des Oberschlundganglions yon Lumbricus terrestris beobachteten Vergnderungen wiederholen sich bei der Wiederherstellung der Kontinui tgt des durchtrennten Bauchmarks. Man kann da- her auf eine erneute Beschreibung der einzelnen Regenerationsvorg~nge verzich- ten. Ein Uberblick lggt sich bier mit Hflfe eines Schemas (Abb. 13), einer fluores- zenzmikroksopischen Aufnahme des Regenerates (Abb. 14) und einer stiehwort- artigen Schilderung der Regenerationsphasen erzielen.

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212 P. ZI~f~IER~AN~ :

Abb. 14. L~isionszone des Bauchmarks in der 3. Regenerationsphase (13. Tag). Bouin. Orange G-Fluoreszenzmethode. Vergr. 350fach. 1" Spindelzellen auflerhalb des Nervensystems. Ia Regenerierte Faserglia vom Typ Ia. IV Regenerierte Faserglia yore Typ IV. 3 Zellhaufen

a) 1. Phase. 1.--5. Tag nach der L~isio~. ~) Verkleinerung der Wundfl~che durch Neurilemm- kontraktion. Bildung einer homogenen Masse, die f~rberisch der ~ul3eren und der inneren Lamelle des Neurilemms entspricht.

fl) Entwicklung der Coelomocyten zu grobfaserigen Spindelzellen mit zwei diametral ent- gegengesetzten Forts~tzen.

?) Diffuse Proliferation yon Blutgef~13en an der Grenze zwischen dem intakten Nerven- system und der Koagutationszone.

6) Neuritendegeneration und retrograde Sch~digung der Nervenzellen in den beiden Bauch- markstiimpfen.

~) Verst~rkung der neurosekretorischen Tiitigkeit durch aktivierte Reservezellen in der intakten Nachbarschaft der LKsionszone.

b) 2. Phase. 6.--11. Tag nach der Lgsion. ~) Reparation des Fibrillenstrumpfes dutch nicht fluoreszierende Spindelzellen.

fl) Auftreten yon Zellhaufen in der N~he der Regenerationsspitzen diesseits und jenseits des Neurilemms, (Diese Zellansammlungen sind sp~ter innerhalb der G~nglienzellschicht noch bis zu 5 Segmenten yon der L~isionsstelle entfernt nachweisbar).

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Regeneration der Faserglia bei Luwbricus terrestris L. 213

Abb. 15a u. b. Dichte Faserglia/ormationen (1) am Perikaryon einer neurosekretorischen Zelle (2) des Unterschlundganglions. a Ubersichtsbild. Vergr. 23200fach. NG Neurosekretgranula; ER endoplasmatisches Reticulum; M Mitochondrien; F gebiindelte Gliafilamente in L~ngs- (A), Quer- (B) und Schr~gschnitt (C). t Desmosomen. * Ablagerungen einer elektronendichten kSrnigen Substanz (vermutlich Glykogen, z.T. herausgelSst x). E Einschlul~k6rper unbekann-

ten Charakters. b L~ngsgetroffene Glia/aser. Vergr. 45600fach

c) 3. Phase. 12.--15. Tag nach der Ldsion. c~) Das neugebildete Neurilemm umschlieBt voll- st~ndig das Regenerat.

fl) Im Nervensystem liegen die charakteristischen Schlingen der Blutgef~13e wieder vor. y) Aus den Zellhaufen der Regenerationsspitzen differenzieren sich zuerst sowohl die ein-

fachen als auch die sekretorischen Ganglienzellen und erst spdter die verschiedenen Typen der Faserglia.

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214 P . ZIMMERMANN :

Abb. 16a u. b. Glia/ilamente in strukturarmen (1) und dichten (2) Ausl~ufern der Faserglia- zellen des Unterschlundganglions (a--b). Andere Bezeichungen wie in Abb. 15. Vergr. 20800-

fach. Ausschnittvergr6i3erungen der eingerahmten Bezirke s. Abb. 17 a, b

I I I . E lek t ronenmikroskop i sche F e i n s t r u k t u r der Gliafasern und -fflamente

Die feinsten Baue lemente der mi t der Orange G-Methode f luoreszierenden Glia- fasern haben be im Regenwurm eine eharakter i s t i sche Ul t r a s t ruk tu r .

D a die e lek t ronenmikroskopische Auswer tung des Versuchsmater ia ls , yon der man neue pr~zise Einze lhe i ten fiber dell Regenera t ionsvorgang e rwar ten kann, noch im Gang ist, sollen hier nur einige Beispiele aus dem i n t a k t e n Unterschlund- gangl ion (Abb. 15--17) gezeigt werden 1.

1 Die Angaben gelten grunds~tzlich auch fiir die Faserglia des Bauchmarks.

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Regeneration der Faserglia bei Lumbricus terrestris L. 215

Abb. 17a u. b. Glia]ilamente im Quer- (a) und L~ngsschnitt (b). Unterschlundganglion. Aus- schnittvergrSflerungen (a 88000fach; b 67000fach) der in Abb. 16 eingerahmten

Bezirke. ~' Desmosomen

I m elektronenmikroskopischen Bild (Abb. 15, 16) erkennt man zahlreiche, in verschiedenen Schnittebenen getroffene Forts~tze der Faserglia, die mehr oder weniger s tark von kabelartig gebfindelten Gliafilamenten durchsetzt werden. Diese tonofilament~hnlichen F~den, die einen Durchmesser yon etwa 50 A haben, laufen mitunter an Desmosomen (Abb. 15, 16, 17 b) aus. Diese Beobachtungen ent- sprechen weitgehend dem elektronenmikroskopischen Befund, den FAWC]~TT (1966) bei Aphrodite (Annelida) beschrieben hat.

Abb. 15 zeigt, dab filamentreiche Gliaforts~tze sich unmittelbar dem Peri- karyon neurosekretorischer Zellen anschmiegen kSnnen. Diese dicht gepackten, aber in verschiede~en Richtungen verlaufenden Zellforts~tze dfirften einen Teil des fluoreszenzmikroskopischen als Faserkorb erscheinenden Fasersystems darstellen.

Die kontrastreichen, z.T. miteinander verbackenen Granula, die sowohl in den struktur- diehteren als aueh in den sehr strukturarmen Fasergliaforts~tzen zu beobachten sind, diir~ten den massiven in der Lumbricidenglia histochemisch gesieherten Glykogenablagerungen (O~SCHE, 1967) entsprechen. Ein Tefl dieses Materials (s. die hellen Hohlrgume) wird often- bar bei der hier angewandten technischen Prozedur herausgelSst.

In welchem AusmaB beim Regenwurm auch noch filament~reie, ,,protoplas- matische" Neurogliazellen (s. Einleitung, vgl. O K s c ~ , 1967) vorkommen, muB noch systematisch mit dem Elektronenmikroskop untersucht werden.

Diskussion In der vorliegenden Studie wurden die Beziehungen zwischen den neuronalen

und gli6sen Elementen im intakten und regenerierenden Nervensystem yon Lum- bricus terrestris L. untersucht und dabei sowohl gew6hnliche als auch neurosekre- torische Ganglienzellen beriicksichtigt. Die klassischen Ergebnisse CAJALS (1904)

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fiber die Gl iaa rch i t ek ton ik der Lumbr ic iden und die Arbe i ten yon HERLANT- MEEWIS (1962b), H~BL (1953, 1956) und OTREMBA (1961) fiber den neurosekre- tor ischen A p p a r a t des Regenwurms d ien ten als Grundlagen. Diese Studie befaBt sich nur m i t den cytologischen Aspek ten der Regenera t ion des Nervensys tems . Das seit den exper imente l len Unte rsuchungen von J . W. HARMS (1948) wiederhol t d i sku t ie r te P rob lem einer i ibergeordneten, vom 0bersch lundgangl ion ausgehenden neuroendokr inen Steuerung der Regenerat ionsprozesse (vgl. auch HUBL, 1956; HERLaNT-MEEwIs, 1962b) wurde hier n ieht bearbei te t .

Ffir die wei tere Diskussion ist von Belang, dal~ im Bauchmark, Unterschlund- ganglion und Oberschlundganglion ein gleichart iges anatomisehes Baupr inz ip ver- wirk l ich t ist. Die zentra le Neurop i l fo rmat ion wird allseitig von einer Randzone umsehlossen, in der die Per ika ryen der Ganglienzellen und die meis ten Gliazellen liegen. Inne rha lb dieses al lgemeinen Baup lans fgll t aber ein unterschiedl icher Ver te i lungsmodus von Gliazellen und nerv6sen E lementen auf.

Die regionalen Unterschiede im neuroseketorischen Apparat sind besonders gut in Par- aldehydfuehsin-Totalprgparaten zu erkennen. Im Oberschtundganglion nehmen die mit Paraldehydfuchsin elektiv f~rbbaren Zellen einen kuppenartigen Bezirk ein. Die neurosekreto- rischen Elemente konzentrieren sieh au6erdem um die Abggnge der circumoesophagealen Kommissuren des Unterschlundganglions. Der markoskopisch sichtbaren segmentalen Glie- derung des Bauchmarkes folgt aueh die Verteilung der neurosekretorischen Zellen, die in der ventrolateralen Randzone des Bauchmarks, am Abgang des paarigen Segmentnerven starke Anhgufungen bilden.

Jedes dieser anatomisch definierten Segmente scheint auch funktionell eine Einheit dar- zustellen; bei einer einfaehen Durchtrennung des Bauchmarkes werden gewisse Ausfglle relativ gut kompensiert. So werden z.B. vor und hinter der Lgsionszone gesetzte Schmerzreize sowohl mit einer lokalen Kontraktion des Hautmuskelsehlauches als auch mit gut koordinierten Fluchtbewegungen beantwortet. Die durch Verletzung ausgelSsten zellulgren Reaktionen (Bil- dung yon Zellhaufen und Reservezellaktivierung) haben im Bauchmark ebenfalls einen seg- mentalen Charakter. Trotzdem diirfte ein funktionelles Zusammenwirken der einzelnen seg- mentalen neurosekretorischen Zentren des B~uchmarks untereinander und auch mit den bei- den gro~en Ganglien wahrscheinlich sein.

Die wghrend des Regenerationsprozesses s ich tbar gesteigerte neurosekretorische Aktivitgt beschrgnk t sich n icht nur auf das koagul ier te Gebiet . Zwei Beobachtun- gen lassen sich ffir diese I n t e r p r e t a t i o n anffihren:

1. Nach der Zers t6rung der rechten Hglf te des Oberschlundganglions vermehren sich die neurosekre tor ischen Elemente sowohl in der i n t a k t e n l inken Hglf te dieses Gangl ions als auch in der rechten Par t i e des Unterschlundgangl ions . Au~erdem fgrb t sich der im i n t a k t e n Nervensys t em feingranul ier te neurosekretor ische Zell- t y p I I nun genau so in tens iv mi t Pseudoisocyanin wie der T y p I (vgl. Abb. 4b).

2. Die beschr iebenen ak t iv ie r t en Reservezel len im Gebiet der ven t ro la te ra len H a u p t g r u p p e des Bauchmarks (VI, Abb. 2) sind n icht nur an der Lgsionsstelle, sondern auch in en t fe rn te ren Segmenten zu erkennen.

Ahnl iche Beobach tungen kann man bei Lumbricus terrestris ffir die Beziehun- gen zwischen den Ganglienzel len und den Faserg l iae lementen anffihren. Die Faser- glia des Regenwurms zeigt f luoreszenzmikroskopisch eine ers taunl ich feine Diffe- renzierung. Ih re tanycytenghnlichen und astrocytiiren F o r m e n sind - - sogar in bezug auf den Gefgl~apparat - - so spezialisiert , da~ ein unmi t t e lba r e r Vergleich m i t ana logen Ze l l typen bei Ver t eb ra t en m6glich ist. I m Sinne einer t rophischen E inhe i t von Glia- und Nervenzel len k6nnten bei Lumbricus die folgenden Befunde gedeu te t werden:

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Regeneration der Faserglia bei Lumbricus terrestris L. 217

1. Die reich ver~s te l ten For t s s des Fasergliatyps II, der die Faserk6rbe um die Gangl ienze l lper ikaryen aufbau t , s tel len eine ausgedehnte Kon tak t f l~che zwi- schen den gliSsen und den neuronalen S t ruk tu re l emen ten her.

2. Die Ver t r e t e r des t anycy tcn~hn l i chen Ze l l typs (Gliatypen Ia--c) bi lden an der inneren Neur i lemmlamel le einc terminale Gliagrenzschicht. Aufgrund der r~um- l ichen Beziehungen is t durchaus zu erwi~gen, ob die ges t reck ten t a nyc y t e n~hn - l ichen Fasergl iazel len n ich t cinen zellul~ren Vcrb indungsweg zwischen der Coelom- flfissigkeit und den Nervenzel len bi lden.

3. Die Haup t fo r t s~ t ze der Fasergliatypen I I I und I V berf ihren oft die W ~ n d e der Blutge/5fle, die im Ncuropi l oder an der Grenze zur Gangl ienzel lschieht liegen. •hnliche K o n t a k t e der Ausl~ufer dieser gli6sen E lemcnte bcobach te t m a n an den Pe r ika ryen und Axonen von Nervenzel len.

Die soeben d i sku t i e r t en Fasergliatypen I I I , IV und Ic sind im Bauchmark und im Unterschlundganglion nur an der Grenze zwischen dem Neuropi l und der Gangl ienzel lschicht anzutreffen. I m Oberschlundganglion f indet m a n die P e r i k a r y e n dieser Fase rg l i a typen im Inne rn des Neuropi ls bzw. der Ganglienzel lschicht . Die Fasergl iazel len vom T y p des Langstrahlers zeigen ebenfal ls regionale Unterschiede; sie k o m m e n nur im Neuropi l des Oberschlundgangl ions vor und haben do r t enge Beziehungen zu den Blutgefs Die anderen Fascrg l iae lcmentc (Typ Ia, II) yon Lumbricus terrestris lassen sowohl in den neurosekre tor i schen Area len als auch in den rein nervSsen Gebie ten ein morphologisch und topograph i sch gleichar t iges Verha l t en erkennen.

Fiir den Nachweis der regionalen Unterschiede der Fasergliaverteilung sind die sehr launi- schen klassisehen Impr~gnationsverfahren nicht ausreichend. Die Fluoreszenzmethode von FLv.IseH~AUER (S. Methodik, S. 192) liefert bei Lumbricus terrestris zwar ein konstant gutes Zellbild der Fasergliazellen, die Sekund~rfluoreszenz der Filamente blai~t jedoch im UV-Licht zu schnell ab. Aui~erdem werden feinere Filamente der Regenwurmglia, die vor allem w~hrend der Regeneration erscheinen, nicht erfal]t. Mit der neu entwickelten Orange G-Fluoreszenz- methode (ZIMMERMA~N, 1967) erzielt man hier sowohl eine anhaltend liehtstarke Sekund~r- fluoreszenz zarter fibrfllenhaltiger Gliaforts~tze, als auch tin pr~zises allgemeines Zellbild.

Die/einsten Bauelemente der fluoreszierenden Strukturen wurden elektronenmikroskopisch nachgewiesen (s. S. 214). Aufgrund des Ultrastrukturbildes ist zu vermuten, dab der fluoreszie- rende Farbstoff an den tonofilament~hnliehen Strukturen des Cytoplasmas (Gliafilamenten) polymerisiert. Untersuchungen mit anderen Farbstoffen, die zur Kl~rung dieses Ph~nomens beitragen kSnnten, sind in Vorbereitung. Mit der fluoreszenzmikroskopischen Methodik war es mSglieh, das erste Anftreten der liehtmikroskopisch siehtbaren Gliafasern zu ermitteln. Diese Information wird die elektronenmikroskopisehe Fahndung nach den Elementarprozessen, die in der Zelle die Bildung yon Glia/asern bewirken, erleiehtern.

Die mi t der neuentwicke l ten Orange G-Fluoreszenzmethode erziel tcn Ergeb- nisse e r lauben auch noch pr~zisere Aussagen fiber den neu rek tode rma len Ursprung der Faserglia von Lumbricus terrestris. Diese Herkun~t der Glia wurdc bei Eisenia ]oetida berei ts von HERLA~T-M~EwIS (1962) ve rmute t . Ffir die neurektodermale Genese der Fascrgl iazel len df i r f ten die folgenden, mi t dcr neuen Methode gewonne- nen Befunde sprechen:

1. I m Regene ra t beobach te t m a n die Spindelzellen, die aus den mesodermalen Coelomocyten ents tehen, frfiher als die Matrixzellen der m i t Orange G s t a rk f~rb- baren Zellhaufen. Die Spindelzel lcn zeichnen sich durch einen chromat inre ichen , kle inen Nucleus und dicke, k a u m gcwell tc F ibr i l lenbf indel in den be iden po la ren For t s~ tzen aus.

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2. Nach dem Auftreten der Zellhaufen verschwinden diese mesodermalen Faserzellen allm~hlieh aus der Regenerationszone. In der Folge ist das L~sions- gebiet in der zweiten Phase der Regeneration (6.--9. Tag nach der Koagulation) besonders arm an faserhaltigen Zellelementen.

3. Die ersten Glioblasten treten erst dann auf, wenn das neugebfldete Neurilemm das Regenerat nahezu lfiekenlos umsehlossen hat. In dieser Phase bilden die mesodermalen Spindelzellen eine dichte Zellage an der ~ui~eren Neurilemmlamelle. Die Glioblasten unterscheiden sich yon den letzteren dutch ihren gro•en, struktur- armen Zellkern, einen deutlichen Nucleolus und feine, gewellte Fortsatzfibrillen.

4. Die Zellhau/en neuraler Herkun]t, die w~hrend der Regeneration auch im unverletzten Nervensystem auftreten, sind frei yon Spindelzellelementen. Diese setzen sich aus den yon HERLANT-MEEwIs (1962b) zitierten ,,replacement-cells" zusammen, die mitotisch aktiv sind und sich noch zu Glioblasten oder Neuro- blasten differenzieren k6nnen. Zellen dieser Pr~gung sind nur w~hrend der Re- generationsvorg~nge im Regenerationskegel und in der Ganglienzellschicht zu erkennen; sie bleiben auf die der L~sionsstelle benaehbarten ffinf Segmente be- sehr~nkt.

Eine andere Reaktionsform der zellul~ren Elemente des Nervensystems auf den Verletzungsreiz stellen beim Regenwurm die Reservezellen dar. Hierbei handelt es sich um ausdifferenzierte, nieht mehr teilungsf~hige Nervenzellen, die dureh Ver- gr6l~erung des Zellkerns und Cytoplasmavermehrung nur noch weiter heranreifen. In der Regel enthalten sie keine mit den Standardverfahren f~rbbare Neurosekret- substanz. Diese Nervenzellen werden erst im Verlauf des Regenerationsvorgangs zur neurosekretorisehen Aktivit~tt stimuliert. (Pseudoisocyanin-F~rbung und Fluoreszenz des Randsaums).

Zum SehluB der Diskussion soll noch eine Beobaehtung in der dritten Regene- rationsphase des Oberschlundganglions hervorgehoben werden. In dieser Phase erscheiaen die einzeln liegenden, ausdifferenzierten Neurone der prospektiven Ganglienzellschieht (s. S. 209). Diese nerv6sen Elemente sind allseitig von Matrix- zellen umgeben, welche wahrseheinlich nicht die spezifischen Funktionen der aus- gereiften Gliazellen besitzen; sie k6nnen sich n~mlich noch in Neuroblasten oder Glioblasten differenzieren.

Die in der Einleitung erw~hnten Untersuchungen von KUFFLER und NICHOLLS (1966) haben ergeben, da{3 bei Hirudo medicinalis die Gliazellen ffir Neurone nicht lebensnotwendig sind; die Versorgung der letzteren erfolgt wohl ausschlie~lieh fiber die etwa 200 A breiten Interzellularspalten des Nervensystems. Solange im regenerierenden Obersehlundganglion des Regenwurms neben differenzierten Ganglienzellen lediglich unrei/e, noeh Zellballen bfldende Vorstufen der Gliazellen anzutreffen sind, ist eine trophische Funktion der Neuroglia unwahrscheinlieh. Dieser Status spricht ffir die grundsi~tzliehe Richtigkeit der Ansichten von KVFF- LER und NICHOLLS (1966), allerdings mii~ten die Experimente dieses Arbeitskreises auch an Regeneraten der Regenwurmganglien wiederholt werden.

Die voll ausgerei]ten, sehr glykogenreichen Fasergliazellen dfirften aber nicht nur meehanische Aufgaben erfiillen. Das elektronenmikroskopische Bfld ihrer Ausl~ufer zeigt, dab aueh die sti~rksten Gliafflamentkabel nieht den ganzen vom Plasmalemm umhiillten Fortsatzquerschnitt besetzen. Weiterhin werden bei der

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Regenera t ion charakterist ische Nervenzel l -Glia-Komplexe mi t einer i iberraschen- den topischen Gesetzm~l~gkeit wieder hergestellt. Dieser Prozel~ wt~re un t e r den Aspekten einer re inen St i i tz Iunkt ion der Glia n icht verstt~ndlich. ~hnl iehe tJber- legungen gelten auch ftir die FasergliakSrbe, die gerade an den neurosekretorischen Zellen besonders dieht sind. An solehen Forma t ionen muB die Hypothese, dab die t anycy tenahn l i chen und astroeytt~ren Gliaformen mit tels einer Iunkt ions- abht~ngigen Subst ra tspeieherung u n d -vertei lung regulierend in den Metabolismus der Nervenzel len eingreifen, weiter verfolgt werden.

Es darf n icht i ibersehen werden, da[~ fiir die Regenerat ion der l~egenwurm- ganglien die Restitution des Gefiiflapparates eine grol~e Rolle spielt. Hierzu wfirde das S tud ium der Regenerat ionsvorgs an einem der gefii~freien nervSsen Zen- t ralorgane der Wirbellosen (vgl. BULLOCK u n d HORRIDO]~, 1965) eine biologisch interessante Vergleichsm6glichkeit bieten.

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