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Institut fur Numerische Mathematik und Optimierung
Finite Elemente IWintersemester 2012/13
Erste von zwei Vorlesungen im Modul
”Finite-Element Methoden fur Mathematiker“
Horerkreis: 5./7./9. Mm, 1. MWM
Oliver ErnstInstitut fur Numerische Mathematik und Optimierung
Finite Elemente I 1
Vorbemerkungen
Vorgesehener Inhalt:
1. Einleitung
2. Variationstheorie
3. Die FE-Methode anhand der Poisson-Gleichung
4. Kontruktion von FE-Raumen
5. Konvergenztheorie
6. Gleichungsloser
TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 2
1 Einleitung
Bevor wir in die Details von Variationstheorie und Konstruktion von finite-Element-Raumen einsteigen wollen wir uns einen Eindruck verschaffen,wozu die FEM in der Praxis eingesetzt werden kann.
1 Einleitung TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 3
1.1 Die Poisson-Gleichung
Viele physikalische Großen erfullen eine elliptische Differentialgleichungzweiter Ordnung der Form
−∇·(k∇u) = f, u : Ω→ R (1.1)
wobei k : Ω → R eine positive Koeffizientenfunktion, f : Ω → R einensog. Quellterm darstellt und das Definitionsgebiet Ω ⊂ Rd, d = 2, 3, als be-schrankt, offen und zusammenhangend angenommen wird. Der Koeffizientk kann skalar oder auch ein positiv-definiter Tensor (d× d Matrix) sein undbeschreibt meist Materialeigenschaften.
Die typische Problemstellung besteht darin, u zu gegebenen f und k zubestimmen. (Hinzu kommen noch Randbedingungen auf ∂Ω.)
1.1 Die Poisson-Gleichung TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 4
Folgende Tabelle stellt einige physikalische Großen zusammen, welcheder Gleichung (1.1) genugen:
Anwendung u k f
Elektrostatik elektr. Potential Permittivitat Ladungsdichte
Magnetostatik magn. Potential Permeablilitat Ladungsdichte
Warmetransport Temperatur Leitfahigkeit Warmequelle
Grundwasserstromung Spiegelhohe hydraul. Leitf. GW-Neubildung
elastische Membran Auslenkung M.-spannung Last
ideales Fluid Geschw.-Potential Dichte Zu/Abfluss
Gravitation Grav.-Potential 1/Grav.-Konst. Massendichte
Bemerkung 1.1 Oft ist u nur eine Hilfsgroße und der Flussvektor ∇u die wirklichinteressierende Große. Letzterer wird oft durch (numerische) Differentiation der (nu-merisch berechneten) Losung u gewonnen, ein instabiler Vorgang. Sog. gemischteFE-Formlierungen gestatten die direkte numerische Berechnung des Flusses.
1.1 Die Poisson-Gleichung TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 5
Ist k konstant in (1.1), so kann dies in f zusammengefasst werden und esergibt sich die Poisson-Gleichung
−∆u(x) = f(x), x ∈ Ω. (1.2a)
Den Gebietsrand Γ := ∂Ω zerlegen wir in ΓD und ΓN , Γ = ΓD ∪ ΓN ,ΓD ∩ ΓN = ∅ und stellen die Randbedingungen
u(x) = g(x) ∀x ∈ ΓD, kurz: u|ΓD= g, (1.2b)
∂u
∂n(x) = h(x) ∀x ∈ ΓN , kurz: ∂nu|ΓN
= h (1.2c)
mit zwei gegebenen, auf ΓD bzw. ΓN definierten Funktionen g und h. DasRandwertproblem (1.2) besitzt – unter geeigneten Voraussetzungen an dasGebiet Ω und die Daten f, g, h – eine eindeutig bestimmte klassische (d.h.in Ω zweimal stetig differenzierbare) Losung.
1.1 Die Poisson-Gleichung TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 6
Wir betrachten als Beispiel das elektrische Feld im Außenraum zweier Elek-troden in einem Gehause. Die Anordnung sei uniform in einer Richtung: dieElektroden mogen recheckigen Querschnitt besitzen, das Gehause sei einKreiszylinder.
Auf den Elektroden Γ1 und Γ2 legen wir jeweils den konstanten Potential-wert φ = 1 bzw. φ = −1 fest, am Gehause Γ0 den Wert φ = 0. Ansonstensei die Anordnung ladungsfrei.
Es ergibt sich die elliptische Randwertaufgabe
∆φ = 0, in Ω,
φ = 0, auf Γ0,
φ = 1, auf Γ1,
φ = −1, auf Γ2.
1.1 Die Poisson-Gleichung TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 7
Surface: u Contour: u Arrow: grad(u)
-6
-4
-2
0
2
4
6
-6 -4 -2 0 2 4 6-1
-0.8
-0.6
-0.4
-0.2
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
Max: 1.00
Min: -1.00
-0.95
-0.85
-0.75
-0.65
-0.55
-0.45
-0.35
-0.25
-0.15
-0.05
0.05
0.15
0.25
0.35
0.45
0.55
0.65
0.75
0.85
0.95
Max: 0.950
Min: -0.950
FEM-Approximation des Potentials im Außenraum der Kondensatoren.
1.1 Die Poisson-Gleichung TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 8
1.2 Die Helmholtz-Gleichung
Monochromatische Wellen mit Kreisfrequenz ω > 0 besitzen die Darstel-lung
w(x , t) = u(x )eiωt, x ∈ R, t > 0.
Einsetzen in die lineare Wellengleichung wtt− c2∆w = 0 mit Ausbreitungs-geschwindigkeit c > 0 liefert fur den raumlichen Anteil u die Helmholtz-Gleichung (auch reduzierte Wellengleichung oder Schwingungsgleichung)
∆u+ k2u = 0, k =ω
c> 0
mit Wellenzahl k.
Man kann mit der Helmholtz-Gleichung z.B. die Akustik eines Konzertsaalsmodellieren.
1.2 Die Helmholtz-Gleichung TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 9
Hierzu sei der Querschnitt des Konzertsaals gegeben durch ein Polygon.Auf den Randern stellen wir die sogenannte schallharte Randbedingung
∂u
∂n= 0.
Als Quellterm der Gleichung nehmen wir die exponentiall abklingendeFunktion
f(x, y) = e−10((x−1/2)2+(y−1/2)2).
Mit der Wellenzahl k =√
0.8 erhalten wir die Randwertaufgabe
∆u+ 0.8u = e−10((x−1/2)2+(y−1/2)2), in Ω,
∂u
∂n= 0, auf ∂Ω.
1.2 Die Helmholtz-Gleichung TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 10
-1
-0.5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
-0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 5.5 6 6.5
Konzertsaal-Beispiel, Triangulierung
Surface: u Contour: u
-1.5
-1
-0.5
0
0.5
1
1.5
2
2.5
3
3.5
4
4.5
-1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4 4.5 5 5.5
-0.2
-0.1
0
0.1
0.2
0.3
Max: 0.305
Min: -0.250
-0.236
-0.208
-0.181
-0.153
-0.125
-0.097
-0.07
-0.042
-0.014
0.014
0.042
0.069
0.097
0.125
0.153
0.18
0.208
0.236
0.264
0.292
Max: 0.292
Min: -0.236
Konzertsaal-Beispiel, Losung
1.2 Die Helmholtz-Gleichung TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 11
1.3 Minimalflachen
Die durch eine Funktion u : Ω → R, Ω ⊂ R2 ein beschranktes Gebiet,definierte Flache
z = u(x, y) : (x, y) ∈ Ω
ist gegeben durch
A(u) =
∫Ω
√1 + |∇u|2 dx .
Schreibt man noch die Randwerte der Funktion u vor, so kann man zeigen,dass die Flache A(u) minimal wird, wenn u folgende Randwertaufgabelost:
−∇·
(1√
1 + |∇u|2∇u
)= 0, in Ω,
u = g, langs ∂Ω,
wobei g die vorgeschriebenen Randwerte darstellt.
1.3 Minimalflachen TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 12
Wir betrachten konkret das Gebiet Ω := (x, y) ∈ R2 : x2 + y2 < 1 undschreiben auf dessen Rand fur u die Funktionswerte u(x, y) = x2 vor.
Surface: u Height: u Contour: u Max: 1.00
Min: 00
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
0.6
0.7
0.8
0.9
1Max: 0.975
Min: 0.02500.025
0.075
0.125
0.175
0.225
0.275
0.325
0.375
0.425
0.475
0.525
0.575
0.625
0.675
0.725
0.775
0.825
0.875
0.925
0.975
Minimalflache
1.3 Minimalflachen TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 13
1.4 Die Navier-Stokes-Gleichungen
Die Stromung eines inkompressiblen homogenen Newtonschen Fluids inzwei Raumdimensionen wird beschrieben durch ein Vektorfeld
u = u(x , t) =
[u(x , t)
v(x , t)
], u : Ω ⊂ R2 → R2
sowie eine skalare Funktion
p = p(x , t), p : Ω→ R,
die den Geschwindigkeitsvektor bzw. den Druck am Ortspunkt x ∈ Ω zurZeit t angeben.
1.4 Die Navier-Stokes-Gleichungen TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 14
Die Großen u und p sind eindeutig gegeben als Losung des Systemspartieller Differentialgleichungen
∂tu + (u · ∇)u − ν∆u +∇p = f ,
∇·u = 0 ,
(ν bezeichnet die kinematische Viskositat des Fluids) zusammen mit ge-eigneten Anfangsbedingungen
u0 = u(x , 0), p0 = p(x , 0), x ∈ Ω,
sowie Randbedingungen langs ∂Ω.
1.4 Die Navier-Stokes-Gleichungen TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 15
Als Besipiel betrachten wir das sog. DFG-Benchmarkproblem der Stromungin einem Kanal um einen Kreiszylinder:
Am linken Rand wird ein parabolisches Einstromprofil[u
v
]=
[1.2y(0.41− y)/0.412
0
]vorgeschrieben, am rechten Rand Neumann-Randbedingungen und anden ubrigen Randern u = 0 . Ferner ist ν = 0.001.
1.4 Die Navier-Stokes-Gleichungen TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 16
-0.6
-0.4
-0.2
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
-0.2 0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2 2.2 2.4
Gitter aus 3608 Dreiecken (16 836 Freiheitsgrade)
1.4 Die Navier-Stokes-Gleichungen TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 17
Time=6.98 Surface: Velocity field [m/s] Arrow: Velocity field
-0.6
-0.4
-0.2
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1 1.2 1.4 1.6 1.8 2 2.2
Max: 2.174
Min: 00
0.2
0.4
0.6
0.8
1
1.2
1.4
1.6
1.8
2
Stromungsgeschwindigkeitsfeld bei t = 7s.
1.4 Die Navier-Stokes-Gleichungen TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 18
1.5 Die Maxwell-Gleichungen
Makroskopische elektromagnetische Phanomene werden beschriebendurch die Maxwell-Gleichungen
∇×E + B = 0 , (1.3a)
∇×H − D = J , (1.3b)
∇·D = ρ, (1.3c)
∇·B = 0, . (1.3d)
Hierbei bezeichnen E die elektrische Feldstarke, D die Verschiebungs-stromdichte, H die magnetische Feldstarke, B die magnetische Fluß-dichte, J die Leitungsstromdichte sowie ρ die elektrische Ladungsdichte.Gleichung (1.3a) ist das Faradaysche Induktionsgesetz, (1.3b) die Maxwell-AmpEre Gleichung, (1.3c) das Gaußsche Gesetz und (1.3d) besagt dassdas magnetische Feld stets rotationsfrei ist.
1.5 Die Maxwell-Gleichungen TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 19
In linearen und isotropen Materialien gelten die konstitutiven Gleichungen
B = µH , D = εE , J = σE + J i, (1.4)
mit der elektrischen Permittivitat ε, magnetischen Permeabilitat µ und elek-trischer Leitfahigkeit σ als skalare Proportionalitatsfaktoren.
Wir betrachten ein Beispiel aus der geoelektrischen Erkundung, bei demdurch die Messung elektrischer Felder an der Erdoberflache Ruckschlusseauf die ortliche Verteilung der Leitfahigkeit σ im Untergrund und damit aufdessen Zusammensetzung gezogen werden.
1.5 Die Maxwell-Gleichungen TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 20
• In geophysikalischen Anwendungen kann der Verschiebungsstrom D
vernachlassigt werden. Ferner kann µ = µ0 als konstant angenommenwerden.
• Um nur mit einem Feld rechnen zu mussen eliminiert man z.B. aus(1.3a) und (1.3b) das magnetische Feld H .
• Das verbleibende Feld wird auf einem Teilgebiet Ω ⊂ R3 berechnet.
• An dessen Rand ∂Ω sind geeignete Randbedingungen zu stellen; eineeinfache RB in diesem Fall ist n×E = 0 , n die außere Einheitsnormalelangs ∂Ω.
• Zur Zeit t = t0 wird eine Anfangsbedingung E(x , 0) = E0(x ), x ∈ Ω,benotigt.
1.5 Die Maxwell-Gleichungen TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13
Finite Elemente I 21
Man erhalt so die Anfangs-Randwertaufgabe:
µ0σE +∇×∇×E = −µ0J i in Ω, (1.5a)
n ×E = 0 langs ∂Ω, (1.5b)
E(x , 0) = E0(x ). (1.5c)
1.5 Die Maxwell-Gleichungen TU Bergakademie Freiberg, WS 2012/13