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FILM DIENST +++ OSKAR ROEHLER +++ PHILIP SEYMOUR-HOFFMAN +++ NINA HOSS +++BERND SAHLING +++ Kriterien für Qualität im Kino Woran erkennt man heute gute Filme? ZUM ERSTEN MAL ZU SEHEN: Bilder aus dem Privat-Archiv des grandiosen Regisseurs Martin Scorsese EXKLUSIV Von Hitler bis Scientology: Wie das Kino die Verführungskraft der Autorität inszeniert Herausragende Filme über Führer-Figuren € 4,50 www.filmdienst.de 66. Jahrgang 14. Februar 2013 4|2013 Das Magazin für Kino und Filmkultur NEUE SERIE 40 ALLE FILME IM TV VOM 14. BIS 27. FEBRUAR Seiten Extra-Heft Alle neuen Kinofilme im Test DIE EROTIK DER MACHT Die wichtigsten Film-Festivals Entdecken Sie neue Film-Highlights MIT GROSSEM JAHRESPLAN

FILM-DIENST 4/2013

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FILM-DIENST 4/2013 Relaunch Inhalt Ausgewählte Artikel und Kritiken

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Page 1: FILM-DIENST 4/2013

FILMDIenst

+++ Oskar rOehLer +++ PhILIP seyMOur-hOFFMan +++ nIna hOss +++BernD sahLIng +++

Kriterien für Qualität im Kino

Woran erkennt man heute

gute Filme?

Zum ersten mal Zu sehen:

Bilder aus dem Privat-Archiv

des grandiosen Regisseurs

Martin Scorsese

exkLusIv

•  von hitler bis scientology: Wie das kino die verführungskraft der autorität inszeniert

•  herausragende Filme über Führer-Figuren

€ 4,50 www.filmdienst.de66. Jahrgang14. Februar 2013

4|2013

Das Magazin für Kino und Filmkultur

neue serIe

40Alle Filme im TV Vom 14. bis 27. FebruAr

seiten extra-heft

Alle neuen

Kinofilmeim Test

DIe erOtIk Der Macht

Die wichtigsten Film-Festivalsentdecken sie neue Film-highlights MIt grOsseM JahresPLan

Page 2: FILM-DIENST 4/2013

Filmdienst 4 | 20134

Warum Musik für die Bond-Filme immer entscheidend war S. 26

10Die erotik Der MachtVon Hitler bis Scientology – wie wer-den Menschen von der Anziehungs-kraft eines charismatischen Führers verführt? Immer wieder haben Filme dieses Thema aufgegriffen. Jetzt kommt ein neuer, faszinierender wie brisanter Film ins Kino.Von Michael Kohler

+ Filmkritik zu „The Master“ von Rüdiger Suchsland

15Neues Deutsches kiNoWer entdecken will, wie spannend die Film-Szene in Deutschland ist, sollte eines der vielen Film-Festivals besu-chen. Das Beispiel des Festivals Max Ophüls Preis zeigt, wie viele großartige junge Filmemacher es gibt.Von Sascha Koebner> Die wichtigsten Film-Festivals Eine Übersicht über die Termine 2013.

18NeNN‘ es Nie kiNDerfilM!Ob Oscars oder Berlinale – warum werden auf Film-Festivals so wenige Kinderfilme gezeigt?

Wer verführt wen? „The Master“ zeigt auf herausragende

Weise, wie Menschen führen und verführen (S. 12)

Alle Filme im TV vom 16.2. bis 1.3.:

Das Extraheft

Kino

20VoM auge iNs herzStar-Regisseur Martin Scorsese hat für eine wunderbare Ausstellung in Berlin sein privates Archiv geöffnet. Die Ex-ponate zeigen, wie akribisch und lei-denschaftlich Scorsese Film insziniert.Von Jens Hinrichsen

24NiNa hossSie gehört zu den herausragenden deutschen Schauspielerinnen. Eine Hommage an eine wahre Künstlerin.Von Josef Schnelle

26Die BoND-MusikEine neue Doppel-CD zeigt, warum Musik für den Erfolg der Filme ent-scheidend ist. Von Mark Hairapetian

Akteure

Sophie Scholl | Drama 20.2. Bayern 3

Die Royal Tenenbaums | Tragikomödie

28.2. 3sat

Homevideo | Drama 1.3. Einsfestival

Martin Scorsese ist in einer fulmi-nanten Ausstel-lung in Berlin zu entdecken.

Filmdienst 4 | 2013

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Filmdienst 4 | 2013 5

38 Ende der Schonzeit [14.2.]39 Mandala [31.1.]40 Puppe [21.2.]41 Der Iran Job [21.2.]42 Les Misérables [21.2.]44 Westerland [21.2.]45 Der Hypnotiseur [21.2.]45 Quellen des Lebens [14.2.]

46 Celeste & Jesse: Beziehungsstatus:

Es ist kompliziert! [14.2.]47 Warm Bodies [21.2.]47 Verliebte Feinde [SchWeiz 21.2.]47 Stirb langsam – Ein guter Tag

zum Sterben [14.2.]47 Kokowääh 2 [7.2.]47 Romantik Komedi 2 [14.2.]47 Ghost Movie [21.2.]

S.42les MiseraBles[Start 21.2.]

haben Sie Lob, Kritik und Anregungen? Kontaktieren Sie uns über [email protected] oder besuchen Sie uns auf facebook (www.facebook.com)filmdienst

ruBrikeNEditorial 3Inhalt 4Magazin 6E-Mail aus Hollywood 27Im Kino mit ... 50Vorschau 51+ TV-Beilage

februar ist film-Monat: Mit der „Berlinale“ und den „oscars“ feiert die Branche gleich zwei große ereignisse. im „normalen“ kino ist die zahl der Neustarts derweil überschaubar. Doch darunter sind einige filme, die absolut sehenswert sind.

S.44 WesterlaND[Start 21.2.]

s. 45 the Master [21.2.]Der neue Film von Paul Thomas Anderson

EmpfEhlungder Filmkommission

+ alle startterMiNe

Neue Filme

28Was ist eiN guter filM?Eine einfache Frage, die im Zentrum einer vierteiligen Serie steht. Denn die Kriterien für Qualität im Kino haben sich Stück für Stück verändert.Von Rainer Gansera

31Die BesteN filMe„Sie küssen und sie schlugen sich“ – François Truffaut Meisterwerk be-gründete den Ruhm des neuen franzö-sischen Films. Doch warum war dieser Film so wegweisend. Die neue FD-Se-rie erläutert die „Magischen Momente“ der Film-Geschichte.Von Rainer Gansera

32WeissBleNDe iM gehirNAlzheimer ist immer präsenter im ge-sellschaftlichen Bewusstsein – aber auch im Kino. Denn immer mehr Filme beschäftigen sich auf sehr unterschied-liche wie beeindruckende Weise mit dieser Alterskrankheit.Von Kathrin Häger

34„glücklicher MeNsch“Ein Gespräch mit einem der besten deutschen Regisseure Oskar Roehler über die 68er, seine Familie und das Verfilmen der eigenen Geschichte.Von Ralf Schenk

Film-Kunst

Bei den „Oscars“ zählt

oft das Marketing-Geld mehr als die Qualität eines Films.

S.45Der hypNotiseur[Start 21.2.]

+ Unsere Tipps für Heimkino: Neue DVDs/Blu-rays (S. 48)

Franz Everschor, unser „Hollywood-

Mann“, über Richard Linklaters „Bernie“:

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Vom Auge ins Herz

martin scorsese ist seit 40 Jahren einer der herausragenden regisseure Hollywoods. Jetzt hat er für eine grandiose und weltweit einmalige Ausstellung in Berlin sein privates Archiv geöffnet. FILMDIENST

zeigt exklusiv besondere Exponate, die einen tiefen Blick in Scorseses künstlerische Kraft bieten.Von Jens Hinrichsen

Filmdienst 4 | 201320

Akteure Scorsese

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Die im Museum ausgestellten Ballett-schuhe stammen aus dem Privatbesitz von Martin Scorsese, es sind Requisiten aus dem berühmtesten Film des bri-tischen Regie-Gespanns Michael Po-well und Emeric Pressburger: Ihr Film-klassiker „Die roten Schuhe“ (1948) erzählt von einer Primaballerina, die nicht mit dem Tanzen aufhören kann. Hin- und hergerissen zwischen der Liebe zur Bühne und einem Mann, stürzt sie letztlich in den Tod. Auch Scorsese ist ein Besessener, nicht nur von seiner eigenen Kunst. Seine Freundschaft zum lange bewunderten britischen Regisseur Michael Powell (1905-1990) begann 1975 – nach des-sen Karriereknick, als der (erst spät rehabilitierte) Serienmörder-Film „Pee-ping Tom“ (1960) bei Kritik und Publi-kum in Ungnade gefallen war. Kein Regisseur hat Scorsese mehr beein-flusst als Powell. Es heißt, dass der ältere Kollege beim Dreh von „Wie ein wilder Stier“ (1980) als künstlerischer Berater fungierte. Bei diesem Film sollen die raffiniert choreografierte Sparringszenen von Powells Opern- und Ballettfilm „Hoffmanns Erzäh-lungen“ (1951) inspiriert worden sein. Auch dass Scorsese sein Boxerdrama in Schwarz-Weiß drehte, geht wohl auf Powell zurück. Wobei: Powell fand, dass Scorsese es mit dem Einsatz der roten Farbe – eine Reverenz an die Farbdramaturgie des Briten – mitunter übertrieb. Während Powell Scorsese wertvolle Ratschläge gab, kämpfte dieser für eine Renaissance der Powell-Filme. Außerdem lernte Powell über Scorsese die 35 Jahre jüngere Thelma Schoonmaker kennen – und heiratete sie – Thelma Schoonmaker ist noch heute Scorseses Stammcutterin.Zwar sind die roten Schuhe in der Vitri-ne sind etwas verblasst. Für Martin Scorsese, den Sammler, ist das wohl

weniger tragisch als das Ausbleichen von Filmmaterialien. Schon Ende der 1970er-Jahre stieß er auf das Problem mangelnder Haltbarkeit von Filmko-pien und appellierte an den Eastman-Kodak-Konzern, farbechtes Filmmateri-al zu entwickeln. Um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und Geld zu sammeln, gründete Scorsese 1990 gemeinsam mit Steven Spielberg, Francis Ford Coppola, Stanley Kubrick und ande-ren Kollegen die „Film Foundati-on“. Mehr als 500 Filme sind im Auftrag der Organisation seither restauriert worden, darunter auch „Die roten Schuhe“ und

„The Life and Death of Colonel Blimp“ (1943) – ebenfalls insze-niert von Powell/Pressburger –, der 2011 in New York wiederaufgeführt wurde.

Atemberaubend, wie Cate Blanchett die Hollywood-Legende Katharine Hepburn im Scorsese-Film „Aviator“ (2004) darstellt: Blanchett hat die Schauspielkollegin eingehend studiert, hütet sich aber vor einer übertriebenen Imitation. Cate Blanchett verkörpert die Frau, nicht die Ikone. Um das zu zeigen, ist das senfgelbe Kleid – Blan-chett trägt es in einer öffentlichen Szene – gewiss nicht das treffendste Beispiel. Dennoch ist das von Sandy Powell entworfene Kostüm, in dem Katharine Hepburn wie die laszive Schwester von Miss Liberty wirkt, für den Film wie für dessen weibliche

Robert De Niro in „Wie ein wilder Stier“.

Der junge Martin Scoreses 1977 mit seinem Kamerateam bei

den Dreharbeiten zu „New York,

New York“.

ScorSeSeS Liebe zu den

„roten Schuhen“

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„Die roten Schuhe“

stammen aus einem Film

von Scorseses Freund Micha-

el Powell.

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Hauptfigur unverzichtbar. „Wir sind uns zu ähnlich“, sagt

Katharine Hepburn, als sie sich von Howard Hughes (Leonardo DiCaprio) trennt. Sie unter-schlägt (oder ahnt nicht), dass dem technikbegeisterten Milli-

ardär die von ihr selbst spielend gemeisterten Wechsel zwischen privater und öffentlicher Person zunehmend schwerer fallen. Hughes entwickelt sich zu einem für Scorsese typischen Einzel-

kämpfer (die oft von Robert De Niro gespielt werden). Zwar erzählt der Regisseur vorwiegend Männer- geschichten, aber die Frauen werden kaum an den Rand gedrängt, sind vielschichtig wie Katharine Hepburn in „Aviator“ oder Ginger McKenna in

„Casino“ (1995). Katharine Hepburns amazonenhaft-elegantes Kleid ist gelb. Der Grünstich mag der Farbe das Schrille nehmen, in der 52. Film-minute von „Aviator“ wird das Senf-gelb trotzdem zur Sinnes-Attacke.

Gleich am Anfang der Ausstellung stößt man auf eine Reihe von sehr persönlichen Familienschätze: ger-ahmte Malerei-Reproduktionen und Fotos. Darauf sieht man z.B. George Washington und Mona Lisa. Und Charles und Catherine Scorsese, die Eltern, und „Marty“, das Baby. Auf einem Tisch, der aus Scorseses New Yorker Elternhaus stammt, steht ein Monitor. Darauf zu sehen ist Scorseses Dokumentarfilm „Italianamerican“ (1974). Charles und Catherine rekapitu-lieren darin die Familiengeschichte der Scorseses, die nach Sizilien zurück-führt. Herrlich die kleinen Kabbeleien des Ehepaars, bei denen Catherine – in vielen späteren Nebenrollen ist sie bei Scorsese als typische italienische Mam-ma zu sehen – meistens die Oberhand behält. Und die Hälfte des Nachspanns ist für Catherines Fleischbällchen-Re-zept reserviert. Wie sollte ein Film über italienische Immigranten auch ohne kulinarische Traditionen auskommen? Trotz dieses Familiensinns zeigt Martin Scorsese in seinen Filmen erstaunli-cherweise kaum glückliche, „heile“

Der knappen ersten Stunde des Films entzieht Scorsese die Farbe Gelb, um die Wirkung eines historischenFilm-farbsystems nachzuahmen.

Bis Mitte der 1930er-Jahre – bevor die Technicolor-Company Hollywood mit der berühmten Drei-Streifen-Kamera revolutionierte – waren Aufzeichnung und Wiedergabe der drei Grundfarben unmöglich. In den frühen Szenen von „Aviator“ orientierte sich Scorsese am alten Multicolor-System, das von Ho-ward Hughes favorisiert wurde und das nur die cyanblauen und roten Anteile zeigte. Ist es ein Zufall, dass in den von einem Technikfetischisten wie Hughes produzierten (Farb-)Filmen kein Grün der Natur vorkommt? Die seltsamsten Farbeindrücke im ersten Drittel von „Aviator“ bieten sich gerade in der Natur, wenn Hughes und Katharine Hepburn Golf spielen: eisblauer Rasen, rotbraunes Laub, an Hepburns leuch-tend-rotem Lippenstift saugt sich der Blick fest als einzig lebendigem Farb-fleck. Lange bevor sich seine zwangs-neurotische Hauptfigur ins Exil eines Filmvorführraums zurückzieht, lässt Scorsese Howard Hughes durch ein bizarr koloriertes Universum segeln. Amerika, der fremde Planet.

Familienbild: Scorsese mit seinem Eltern Charles und Catherine Scorsese (in „Italianamerican“, 1980).

Das Kleid, das Cate Blanchett in

„Aviator“ in der Rolle der Katharine

Hepburn trägt, macht sie zum farb-inten-

siven Blickfang

Ein Aquarell der Kostümdesignerin Sandy Powell, die für Scorsese die Protagonisten in „Gangs of New York“ einkleidete.

fAmiLie und mAmAS rezepte4

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Das Hemd, das Rita Ryack für die be-rühmte Prügelszene in Martin Scorseses „Kap der Angst“ (1991) ent-worfen hat, wäre auch ohne leuchten-des Kunstblut eine Attraktion jeder Film-Ausstellung. Doch so wirkt es noch stärker – wie der Film. Ex-Häftling Max Cady (Robert De Niro) terrorisiert den Anwalt Sam Bowden (Nick Nolte) und dessen Familie. Sein Outfit in der Überfall-Szene tendiert zu unschul-digem Weiß, aber das Hemd ist mit islamisch anmutenden Ornamenten „tätowiert“. Die weiße Aussparung auf Brusthöhe ist das ideale Feld für Blut und Wunden. Es scheint, als hätte Cady den Angriff damit regelrecht provo-ziert. Er triumphiert über die Schläger und trägt das zerschlitzte, blutbesudel-te Hemd mit Stolz. Wie überall bei Scorsese ist Blut auch hier mit den christlichen Wurzeln ver-bunden. „Ich bin wie Gott, und Gott ist wie ich“, ruft der teuflische Cady am Ende der Szene – die Verballhornung eines Verses von Angelus Silesius. „Ich bin so groß wie Gott, und Gott ist so klein wie ich. Er kann nicht über mir, ich nicht unter ihm stehen!“

Familien. In „Alice lebt hier nicht mehr“ (1974) schickte er eine alleinerziehende Mutter auf die Reise; drei Filme bis hin zu „Goodfellas“ (1990) widmete er sich schließlich der Mafia. „Familie“, das sind für Scorsese auch die Bowdens in „Kap der Angst“: Vater, Mutter, Kind kriechen im schlammigen Finale des Thrillers wie Lemuren aufei-nander zu. Glück gehabt. Aber Famili-englück sieht anders aus.

mArtin ScorSeSe 10. JAnuAr 2013–12. mAi 2013

die Ausstellung zum Werk martin Scorseses ist im Filmhaus (Deutsche Kinemathek/Museum für Film und Fernsehen) am Potsda-mer Platz (Potsdamer Straße 2) in 10785 Berlin bis zum 12. Mai zu sehen. Öffnungszeiten: 10-18 Uhr (Di-So; Do: 10-20 Uhr). Eintritt:7 Euro regulär, 4,50 Euro ermäßigt. FILMDIENST ist Medienpartner der Berliner Ausstellung.

Weitere Informationen zur Ausstellung und zur Deutschen Kinemathek (und dem Film-Archiv) im Internet unter www.deutsche-kinemathek.de

„icH bin wie gott und gott

ist wie icH.“Max Cady in „Kap der Angst“

„Kap der Angst“: Martin Scorseses Stamm-Schauspieler Robert De Niro als „biblische Plage“, die eine Familie heimsucht.

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Die Liebe der MitläuferWährend der NS-Zeit sucht

v ein Jude schutz bei Bauern und wird als menschlicher Zuchtbulle missbraucht.

Ein Drama, das sich ganz auf seine Figuren konzentriert.

Ausführliche Kritiken zu jedem Film Online unter www.filmdienst.de

EndE dEr SchonzEit [14.2.]

queren, um in der Schweiz Zuflucht zu finden. Zu dieser Zeit heißt er noch Albert, ist Sohn eines jüdischen Juwe-liers. Als er sich vor zwei Soldaten versteckt, trifft er mitten im Wald auf einen wildernden Einheimischen. Der grobschlächtige Bauer durchschaut seine Notsitua-tion und bietet ihm einen Unterschlupf an, unter der Bedingung, dass er ihm auf dem abgelegenen Hof zur Hand geht und seine Frau

„befruchtet“ – denn Nach-wuchs stellt sich wegen der Impotenz des Bauern be-reits seit zehn Jahren nicht

ein, weswegen das Gehöft mangels eines Stammhal-ters verloren zu gehen droht. Längst muss er sich am Stammtisch spöttische Bemerkungen gefallen las-sen, vor allem von einem aufdringlichen Nazi-Freund, der sich in seine Frau ver-guckt hat und immer häu-figer unangemeldet in ih-rem Haus auftaucht. Die ist wenig begeistert von dem lieblos pragmatischen Arrangement, sich von einem zum Zuchtbullen degradierten Juden schwängern zu lassen. Ob-wohl sie nicht frei von anti-

zählen beginnt: von seinen Rettern im Schwarzwald, die ihn doch noch kurz vor Kriegsende an die örtlichen Behörden denunziert haben. Ein konventioneller Prolog, der aber, sobald die Vergan-genheit des Mannes aufge-rollt wird. So entsteht ein überaus konzentriertes Kammerspiel, das mit bra-vouröser Schauspielkunst, allen voran die wunderbare Brigitte Hobmeier (vgl. Por-trät in FILMDIENST 23/2012), in Atem hält. Der Auschwitz-Überlebende und spätere Israeli versucht 1942, den Rhein zu über-

Ein Blick auf ver-dorrte Hügel in leerer Landschaft. Ein Bus

taucht am Horizont auf. Drin sitzt ein junger Deutscher, der nicht recht zu dem Rest der Reisenden, allesamt Bewohner eines Kibbuz, passen mag. Die Situation ist ihm sichtlich unange-nehm. Schließlich ist es sein

„Erzeuger“, den er zwischen Kühen und Misthaufen zum ersten Mal trifft. Die Körper-sprache seines Gegenübers ist nicht weniger abweisend. Es dauert eine Weile, bis der wortkarge Mann in einer langen Rückblende zu er-

Ende der Schonzeit | Deutschland 2012

Produktion: Eikon Südwest/Laila Films/SWR Produzenten: Philipp Homberg, Christian Drewing Regie: Franziska Schlotterer Buch: Franziska Schlotterer, Gwendolyn Bellmann Kamera: Bernd Fischer

Musik: Ari Benjamin Meyers Schnitt: Karl Riedl

Darsteller: Brigitte Hobmeier (Emma), Hans-Jo-chen Wagner (Fritz), Christian Friedel (Albert), Thomas Loibl (Walter), Rami Heuberger (Avi), Max Mauff (Bruno), Michaela Eshet (Ruth), Ayala Mei-

dan (Tami), Mike Maas (Ernst), Wolfgang Packhäu-ser (Hans), Stela M. Katix Prislin

Länge: 104 Min. | FSK: ab 12; f Verleih: farbfilm Kinostart 14.2.2013 FD-Kritik 41 540

Handwerk InHalt darsteller

Neue Filme im Kino

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semitischen Vorurteilen ist, willigt sie schließlich ein. Konfrontiert mit einem überraschend zärtlichen Liebhaber, der ihre sexuel-len Bedürfnisse nicht ver-kümmern lässt, genießt sie bald die Treffen. Irgend-wann kommen sogar Ge-fühle mit ins Spiel. Eine fatale Verliebtheit, die nicht auf Gegenseitigkeit beruht und in ihrer emanzipato-rischen Stoßrichtung an Madame Bovary erinnert. Getaucht in matte Grün- und Gelbtöne, entspinnt sich innerhalb des isolierten Dreiecks ein von Angst, Aggression, Eifersucht und Sehnsucht nach einem an-deren Leben bestimmtes Machtspiel, dem das schwächste Glied am Ende zum Opfer fällt. Regisseurin Franziska Schlotterer (geb. 1972), hat bisher Erfahrungen im Do-kumentarfilm und beim Drehbuch gesammelt. In ihrem Spielfilmdebüt stellt sie ihr inszenatorisches Können unter Beweis. Ein Melodram, das die Veror-tung in der deutschen Ge-schichte nicht scheut und Fragen nach der weit ver-breiteten Mitwisserschaft um die Judenverfolgung im nächsten Umfeld stellt. Im Gegensatz zu Jan Hřebejks Tragikomödie „Wir müssen zusammenhalten“ (fd 35 320), deren Haupt-

Ein Bauern-Ehepaar gewährt einem Juden Unterschlupf vor den Nazis. Es verfolgt aber damit eigene Interessen: Der junge Mann soll auf dem Hof helfen und dafür sorgen, dass die wegen der Impotenz ihres Mannes kinderlose Bäuerin endlich ein Baby bekommt. In die Rahmenhandlung eingebettet, die die Konfrontation dieses Kin-des mit dem leiblichen Vater schildert, beeindruckt der Film – dank starker Protagonisten –als konzentriertes Kammerspiel, das differenziert und schnörkellos von Mitwisserschaft und Verstrickung deutscher „Nor-malbürger“ in die antisemitische Ideologie erzählt. – Sehenswert ab 14.

DaS URteiL DeR FiLMKoMiSSion

Josef Lederle

strang sich ebenfalls um ein kinderloses Ehepaar drehte, dem ein in ihrer Wohnung verstecker Jude bei der Zeugung aushalf, verzichtet Schlotterer gänzlich auf kurze Momente des hei-teren Vergessens. Sie er-zählt klar und ökonomisch, ohne atmosphärische Inseln und mit einem strengen Fokus auf die Figuren. Das aus Ermangelung an Alternativen in einer längst gescheiterten Beziehung verbleibende Bauernpaar weiß sehr realistisch die Lebensgefahr einzuschät-zen, in der sich ihr unfreiwil-liger Mitbewohner befindet. Als er nach der Befreiung aus dem Konzentrationsla-ger ausgemergelt zurück-kehrt, um sein Kind zu se-hen, ist der Schrecken und die Schuld tief in ihre Ge-sichter eingeschrieben, was sie nicht daran hindert, er-neut ihre eigenen Interessen durchsetzen zu wollen. Ein großartig gespieltes, berührendes Finale, das Seltenheitswert hat, deutet es die ganze Skala ambiva-lenter Verstrickungen einer Generation an, die von der Möglichkeit der Hilfelei-stung überwiegend nichts wissen wollte und die Ge-genbeispiele wie Oskar Schindler oder Lilly Wust („Aimée & Jaguar“) lange verschwieg.

Ein Besenstrich – und das betörend schöne Mandala im Sand ist zerstört. Was eben noch in ganzer Pracht erblühte, ein gewaltiger Kreis ornamentaler Formen, Farben und Figuren, wird emotionslos zusammenge-kehrt und in die Emscher gekippt. Für Menschen aus dem Westen erscheint das wie purer Irrwitz: im Mo-ment der höchsten Vollen-dung zugleich wieder ver-nichtet zu werden. Für seine buddhistischen Schöpfer aber ist es das innere Ziel ihres konzentrierten Tuns: eine Übung im Loslassen, ein winziger Moment auf dem Weg zur Erleuchtung. Der Dokumentarfilm von Christoph Hübner gibt nicht vor, diese (tantrisch-buddhi-stische) Spiritualität erklä-

ren zu können; aber er kon-frontiert – klug, sensibel und filmisch ähnlich fokus-siert – mit einer rituell-reli-giösen „Performance“, in der Handwerk und Hingabe in stiller Gelassenheit inei-nander fließen. Der Ort, die zum Kunsttempel veredelte Jahrhunderthalle in Bochum, illuminiert auf seine Weise Größe und Vergänglichkeit; der Anlass, die Ruhrtrienna-le 2011, bleibt hingegen äußerlich. Der meditative Film ist eine Herausforderung, die im Spiegel der exotischen

„Mandala“-Kunst mit einer Spiritualität konfrontiert, die fremd und einladend zu-gleich erscheint. Ein be-zwingend strenges und zugleich freies Ritual.

Vom LoslassenDokumentarfilm über eine meditative Performance buddhistischer Mönche

Mandala [31.1.]

Deutschlanx 2012/ FD-Kritik 41 541

Regie: Christoph Hübner

Länge: 69 Min. | FSK: o.a.

Verleih: Real Fiction (O.m.d.U.)

Handwerk InHalt Alexandra Wach