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151 Im Folgenden werde ich das bildliche Denken der systemischen Familientherapie anhand einer Technik, dem Familienbrett, genealogisch skizzieren. Das Familien- brett gehört heute in jeden Werkzeugkoffer systemischer Therapie und Beratung. Gleichwohl die Geschichte der systemischen Therapie – so sie denn erzählt wird – als Geschichte verschiedener Phasen kybernetischen Denkens seit den 1950er Jahren erzählt wird, 1 möchte ich die Verwurzelung der systemischen Therapie in einer an- gewandten Bildkultur des Diagrammatischen, im visuell-theatralen Denken und im Kreativitätsdiskurs des 20. Jahrhunderts beschreiben. Dabei verorte ich das Familienbrett im Feld seiner Vorgänger-Techniken: Sceno-Kasten, Puppenspiel, Psychodrama und Soziogramm. Die Wissensgeschichte des Therapeutischen insgesamt wird bislang von der Wissenschaftsgeschichte als ›unwissenschaftlich‹ angesehen und deswegen vernachlässigt, von den Kulturwissenschaften wird ihr Wissen als Regierungswissen kritisiert. 2 Im Rücken anerkannter Wege wissenschaftlichen Forschens und Diagnos- tizierens in Psychiatrie und Psychologie aber hat sich die systemische Familienthera- pie, heute einfach systemische Therapie, in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens etabliert, ist also nicht allein eine mittlerweile (seit 2008) wissenschaftlich anerkannte Form der Psychotherapie, sondern wird auch in nicht-therapeutischen Bereichen wie der systemischen Sozialarbeit, der systemischen Organisationsbera- tung oder des systemischenCoachings eingesetzt. Als Dienst der Heilung und Pflege – Therapie leitet sich von altgriechisch therapeia ab, was »Dienst, Pflege, Heilung« bedeutet – gelten mit dem Caring verbundene Techniken nicht als der Objektivität Familien stellen: Bildliches Denken in der systemischen Therapie Katja Rothe

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Im Folgenden werde ich das bildliche Denken der systemischen Familientherapie anhand einer Technik, dem Familienbrett, genealogisch skizzieren. Das Familien­brett gehört heute in jeden Werkzeugkoffer systemischer Therapie und Beratung. Gleichwohl die Geschichte der systemischen Therapie – so sie denn erzählt wird – als Geschichte verschiedener Phasen kybernetischen Denkens seit den 1950er Jahren erzählt wird,1 möchte ich die Verwurzelung der systemischen Therapie in einer an­gewandten Bildkultur des Diagrammatischen, im visuell­theatralen Denken und im Kreativitätsdiskurs des 20. Jahrhunderts beschreiben. Dabei verorte ich das Familienbrett im Feld seiner Vorgänger­Techniken: Sceno­Kasten, Puppenspiel, Psycho drama und Soziogramm.

Die Wissensgeschichte des Therapeutischen insgesamt wird bislang von der Wissenschaftsgeschichte als ›unwissenschaftlich‹ angesehen und deswegen vernachlässigt, von den Kulturwissenschaften wird ihr Wissen als Regierungswissen kritisiert.2 Im Rücken anerkannter Wege wissenschaftlichen Forschens und Diagnos­tizierens in Psychiatrie und Psychologie aber hat sich die systemische Familienthera­pie, heute einfach systemische Therapie, in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens etabliert, ist also nicht allein eine mittlerweile (seit 2008) wissenschaftlich anerkannte Form der Psychotherapie, sondern wird auch in nicht­therapeutischen Bereichen wie der systemischen Sozialarbeit, der systemischen Organisationsbera­tung oder des systemischenCoachings eingesetzt. Als Dienst der Heilung und Pflege – Therapie leitet sich von altgriechisch therapeia ab, was »Dienst, Pflege, Heilung« bedeutet – gelten mit dem Caring verbundene Techniken nicht als der Objektivität

Familien stellen: Bildliches Denken in der systemischen TherapieKatja Rothe

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und Rationalität lebenswissenschaftlichen Wissens zugehörig, gestalten aber unseren alltäglichen Umgang miteinander und mit uns selbst. Ich möchte sogar so weit gehen und die These aufstellen, dass die konkreten und handgreiflichen Techniken z. B. der systemischen Aufstellungsarbeit das gegenwärtige Verständnis vom sozialen Selbst, von Familie und Gruppen maßgeblich bestimmen.

Um allerdings die Wissensgeschichte des Therapeutischen erzählen zu können, muss man die ausgetretenen Wege der Wissenschaftsgeschichte verlassen und nach den Praktiken und Dingen fragen, in deren Gebrauch sich das therapeu­tische Wissen immer wieder neu konstituiert und aktualisiert.

Die systemische Familientherapie beispielsweise ist im hohen Maße von bildlich­diagrammatischen und performativen Praktiken geprägt: Sowohl in der Konstruktion des Falls – in der Aufnahme werden mit dem Genogramm Informationen visualisiert – als auch in den therapeutischen Sitzungen mit den symbolisch­ handlungsorientierte Interventionen wie beispielsweise Familienskulp­tur, Familienbrett, Videokonsultation selbst und auch im sogenannten Reframing, der Neubewertung bisher als störend wahrgenommener Verhaltensweisen.3 Sie ist Teil einer angewandten Bildkultur, die innerhalb des Kreativitätsdiskurses der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entsteht und die nicht allein mit den Mitteln der Text­kritik, sondern ebenso mit den Mitteln der Bildkritik untersucht werden muss.

Auf den ersten Blick erscheint die systemische Familientherapie – betrachtet man sie allein unter dem Blickwinkel ihrer theoretischen Anleihen u. a. bei Konstruktivismus und Systemtheorien – als ein Konzept, das sogar ganz be­sonders auf Kommunikationsprozesse und letzthin auf Sprache abzielt. Denn eine der systemischen Grundfragen lautet: »Wie wird in sozialen Systemen das ›herge­stellt‹, was wir gemeinsam mit anderen als Wirklichkeit erleben?«, womit Schlippe und Schweitzer die »sprachliche Verhaltenskoordination«, das »Reich der Sprache« meinen.4 Unter dieser Perspektive wird man allerdings die Spezifik des visuellen Denkens in der systemischen Therapie nicht erfassen können. Denn die systemische Familientherapie basiert auf einer Verräumlichung von Beziehungen, der Betonung einer sich selbst beobachtenden Beobachterposition und der Aufführung von Ver­haltensweisen. Ein wesentlicher Grund für diese Visualität und Theatralität der systemischen Familientherapie liegt darin begründet, dass sie ihre Methoden oft in der Arbeit mit Kindern und Babys oder anderen Personen, die sich selbst als sprachlos erleben, entwickelt hat. Das Bild, die Rolle und das Darstellungsspiel gehören zu den Schlüsselkonzepten der systemischen Familientherapie. Im Fol­genden wird deshalb das Familienbrett der Ausgangspunkt sein, um das bildliche Denken der systemischen Familientherapie zu untersuchen.

Kurt Ludewigs Familienbrett: Familien aufstellenDas Familienbrett wurde von Kurt Ludewig, einem Pionier der sys­

temischen Therapie im deutschsprachigen Raum,5 1978 entwickelt.6 Es bildet die Beziehungen in der Familie nicht mit Hilfe der Darstellung von menschlichen Stell­vertretern wie die Familienskulptur ab, sondern will diese mittels wenig strukturier­ter Holzfiguren auf einem 50 × 50cm großen Brett sichtbar machen [Abb. 1].

Ludewig greift in seinen theoretischen Texten auf Konzepte der Autopoiesis von Humberto Maturana und die Systemtheorie Niklas Luhmanns zurück. Nach Ludewig sind Systeme kognitive Konstrukte, die sich nicht auf ob­jektive Sachverhalte beziehen, sondern von Mitgliedern »einer Sequenz kommuni­kativer Interaktionen«7 gebildet werden. Das therapiebedürftige System beschreibt Ludewig als Problemsysteme. »Problemsysteme sind eigenständige Sozialsysteme im Umkreis von Problemen.«8 Das Problem »schafft […] ein Sozialsystem, nicht das

1 Anhang. Familienbrett-Darstellungen (maßgetreue Abbildung). Familie A Großvater (lonco); 2. Mutter; 3.Vater; 4. Tochter; 5. Sohn; 6. Machi.

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Sozialsystem (etwa Ehe, Familie, Gruppe) ›hat‹ ein Problem«.9 Zum Problem wird etwas dadurch, dass über es kommuniziert und es innerhalb dieser Interaktion als »unerwünscht und veränderbar gewertet wird«:10

» Die Besonderheit dieser Systeme liegt also in der emotionalen ›Verstörung‹. Die Beteiligten handeln ›defensiv‹ oder ›aggressiv‹, wollen einander veranlassen, die als unberechtigt und kränkend empfundene Äußerung zurückzunehmen. Das engt den Spielraum ihrer Kommunikation immer mehr ein. Da sie schmerzt, wird zwar meist ihr Ende herbeigesehnt, aber dem steht die problem­eigene Logik im Wege: Beide Partner erwarten, daß der andere einlenkt; sie gehen implizit von der Annahme aus, es sei möglich, den Anderen zu ›instruieren‹. Leiden wird hier im Sinne Matu­ranas als eine Emotion aufgefaßt, die Handlungsbereiche festlegt und andere ausschließt.« 11

Problemsysteme sind auf Grund der Erwartungshaltung (»instruk­tive Interaktion«)12 äußerst stabil. Ziel der Therapie nach Ludewig ist die Flexibili­sierung und Lockerung des Problemsystems, so dass die einzelnen Mitglieder des Systems ihre »Mitgliedschaft aufzukündigen«13 können.

Das Familienbrett ist für ihn in dieser Aufkündigungsarbeit eines der zentralen Elemente. Es erlaubt die »›spielerische‹ Distanzierung und eignet sich daher besonders gut für die Therapie ›ohne Worte‹«.14 Ludewig schreibt:

» Das Familienbrett ist ein Kommunikationsmittel ­ gewissermaßen eine Sprache – und dient der Metakommunikation (über Bezie­hungen). […] Familienkonstellationen können von den Beteiligten […] analog zum Schach auf einem Brett variiert [werden].« 15

Das Brett bietet die Möglichkeit, »Abbildung von verschiedenen Relationsmustern zwischen den Figuren« darzustellen: »Entfernung zwischen den Figuren, Blickrichtung, Platzierung auf dem Brett, Größe und Form der Figuren, Reihenfolge der Aufstellung auf das Brett und die resultierende Gestalt der An­ordnung«.16 In diese Aufstellung kann dann mittels »Verstörungen« interveniert werden.

» Die Anordnung auf dem Brett ist zwar ein Bild der bisherigen Kohärenz der Familie, sie bildet aber zugleich mithin eine neue Realität in der Familie, welche einmal Faktum geworden zwangs­läufig auf die Beteiligten zurückwirkt und somit diese Kohärenz zu einer Veränderung anstößt (vgl. Dell, 1982). Hierbei sehen wir therapeutisch relevante Aspekte des Bretts, zumal sich die Inter­vention ›Brettdarstellung‹ als eine signifikante Verstörung der Fa­milienorganisation erweisen kann. Wobei wir unter Verstörung

jeden neuen Zustand einer Familie verstehen, dessen Bewältigung eine organisatorische Veränderung voraussetzt.«17

Das Familienbrett nach Ludewig stellt also nicht nur die Familien­beziehung nonverbal, nicht­schriftlich und umfassend (auch Abwesende betreffend) dar, es ist gleichzeitig auch ein Interventionsinstrument, dass das Problemsystem verändern kann. Man kann dieses Vorgehen als eine Form des bildhaften Model­lierens verstehen, das im Voranschreiten der experimentellen Erforschung der Auf­stellung den Prozess einer Wissenskonstitution überhaupt erst ermöglicht. Ich schlage hier einen performativen Begriff des Modells vor, das in seiner Dynamik seinem Verwendungskontext verpflichtet ist.18 Das ›Modell‹ Familienbrett ist somit nicht allein ›modulus‹ im Sinne einer maßstabsgetreuen ›Abbildung‹ von Beziehun­gen. Vielmehr wird hier a) ein bestimmtes Wissen von Strukturen und Beziehungen des Systems Familie im Modellieren erzeugt und b) gleichzeitig versucht, über die Modelle ein Handlungs­ und Interventionswissen über das unbekannte, überkom­plexe System Familie zu erlangen. Diese Form des Modells ist mit Gottfried Boehm als heuristisches Modell mit »offene[m] Referenzbezug«19 zu bezeichnen, ein Modell, das von einer »enge[n] Wechselwirkung zwischen Wissen und Machen«20 gekenn­zeichnet ist. Die Erforschung des Systems Familie wird von Ludewig also mit einem ikonischen Wissen verbunden. Und diese Form der bildlichen Erforschung des Feldes der Familie hat eine lange Tradition. Ludewig bezieht sich selbst auf Gerdhild von Staabs’ Sceno­Kasten als eine Inspirationsquelle.21

Der Sceno-Kasten22Anfang 1938 entwickelte Gerdhild von Staabs, eine Berliner Kinder­

psychologin, den Sceno­Kasten, einen Spielkoffer, in denen Kinder biegsame Puppen fanden, mit denen sie Szenen aus ihrem Familienleben nachstellen sollten, inner­halb ihrer therapeutischen Praxis mit verhaltensauffälligen Kindern [Abb. 2].23

Von Staabs wollte durch die figürliche Nachstellung, dieses Reen­actment, die sprachliche Ebene und damit die Hauptaussagequelle Eltern umgehen und den Kindern eine eigene bildliche Darstellungsweise ermöglichen. Die Pup­penfiguren konnten in Relation zueinander angeordnet werden und stellten die Familienmitglieder dar, ja, konnten sogar über bestimmte Körperhaltungen (Biegsamkeit) Emotionen ausdrücken. Von Staabs stellte den Kindern die Puppen zur Verfügung, um einen eigenen Ausdruck ihrer Ängste und Probleme zu entwi­ckeln. Dabei spielte allerdings die Deutung der Therapeutin eine entscheidende Rolle als Interpretin, also als Produzentin von Sinn. Bis in die 1990er Jahre wurde der Sceno­Kasten beispielsweise in Sorgerechtsverfahren eingesetzt, in denen ge­klärt werden sollte, bei welchem Elternteil die Kinder besser aufgehoben sind. Die Hauptaufgabe des Sceno­Kastens lag in der Diagnostik und dann auch in der Therapie.

Von Staabs beruft sich in der Entwicklung des Sceno­Kastens auf

Anna Freuds und Melanie Kleins Spieltherapien, vor allem auch auf Margarete Loewen­felds Weltspiel­Test.24 Loewenfeld war eine Londoner Ärztin und am Institut for

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Child Psychology tätig. Sie hat in ganz Europa die Entwicklung von therapeutischen Sandspiel­Verfahren inspiriert.25

Von Staabs sieht in der Arbeit mit Puppenfi guren in einer »Minia­turwelt« eine »stärkere Distanzierung vom eigenen Erleben« und damit direkteren Zugang zum »unmittelbar Unbewußte[n]« unter Ausklammerung der Bewusstheit.26 Affektive Auseinandersetzungen, die inszeniert werden, bilden das angeblich un­verfälschte Ausgangsmaterial für den »Test«, so nennt von Staabs ihre Untersuchung mittels Sceno­Kasten. Der »Test« sei, so von Staabs, ein »experimentelles Werk­zeug«, »um für praktische Zwecke auf kurzem Wege zu einem Urteil zu gelan­gen«.27 Tatsächlich wird der Sceno­Kasten­Test zu den projektiven Tests (auch Persönlichkeits­Entfaltungsverfahren oder Deutungstests genannt) gezählt, die interpretationsfähiges Material im Therapieprozess herstellen und dann in Hinblick auf die verborgene Persönlichkeit der Probanden deuten. Hierzu gehören z. B. auch der Rorschachtest und der Wartegg­Zeichen­Test. Der Sceno­Kasten­Test aber ist ein performatives Verfahren im Setting des Puppenspiels. Innerhalb des Puppen­spiels, an erster Stelle im Kasperletheater wiederum kann man gerade zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Wende hin zum Therapeutischen erkennen.

Puppenspiel als Erkenntnistheater28Im Übergang zum 19. Jahrhundert wird aus dem Kasperle, das noch

im 18. Jahrhundert als eine Instanz der Kritik des gemeinen Volkes auf den Jahr­märkten sein Unwesen trieb, eine Gestalt des medizinischen Diskurses. Das Kas­perle wird Gegenstand psychiatrischer Beobachtung und ärztlicher Diagnose. Der

2 Gerdhild von Staabs Szeno-Kasten.

Suppenkasper ist das erfolgreichste Kapitel des weltweit bekannten Struwwelpeters, den der Psychiater Heinrich Hoffmann 1844 für die Unterhaltung und die ›Charakter­bildung‹ seines Sohnes schrieb. Hoffmann, der als leitender Arzt in der Frankfurter Anstalt für Irre und Epileptische im Feld der Jugendpsychiatrie tätig war, benutzte die Kasperle­Figur, um der Öffentlichkeit die bis dato weithin unbekannte Krankheit der Anorexia Nervosa bekannt zu machen. Gleichzeitig sollte der Text das jugendliche Publikum erziehend unterhalten und anhand recht drastischer Bilder zu einem normalen Essverhalten anhalten. Der Suppenkasper als die Figuration des Anor­malen wird Gegenstand wissenschaftlicher Darstellung und erziehendes Exempel, der beobachtende ärztliche Blick und die ›Therapie‹ greifen hier ineinander über. Das Kasperletheater der Essensverweigerung ist zugleich Ort des Interesses der Psy­chiatrie wie Feld ärztlicher Interventionen. Das Kasperle wird dabei zur Figuration des Anormalen im Normalen. Das neue psychiatrische Wissen umkreist das Kas­perle nicht mehr als Einzelnen, der außerhalb der Norm steht und sich gegen die Disziplin stellt, sondern als einen bestimmten Typ von Anormalität, als eine Form der zu beobachtenden Abweichung, die die Kindheit befällt und der von Seiten der Experten (Pädagogen, Theologen, Ärzte und Eltern) entgegenzuwirken ist. Durch die Verbreitung in Kinderbüchern mäanderte die Figuration der psychiatrischen Intervention der Normalisierungsmacht in den Alltag der Heranwachsenden und erlangte eine enorme internationale Popularität.

Seinen Triumphzug als pädagogische Paradefi gur bürgerlicher Er­ziehung tritt das Kasperle Anfang des 20. Jahrhunderts an, als Max Jacob, Anhänger der Wandervogelbewegung, es zur Figur seines reformpädagogisch inspirierten und volkstümlichen Puppentheaters machte. Der so genannte Hohnsteiner Kasper be­kommt durch Jacob sowohl das Aussehen als auch den erzieherischen Schliff, den er bis heute – beispielsweise in der Augsburger Puppenkiste – hat. Dieses neue, freund­lichere Kasperle ist zumeist (wie schon der Suppenkasper) selbst ein Kind, ist nicht mehr derb und grob, sondern lustig und witzig, manchmal auch naiv, aber immer ein durchweg positiver, sympathischer Held. Wie der Suppenkasper bewohnt das Hohensteiner Kasperle den Alltag der Kinder und treibt nicht mehr auf den Jahr­märkten sein Unwesen. Der Kasper der Moderne steht ganz offensichtlich im Dienste der Erziehung des zu bessernden Individuums: Es gibt inzwischen den Polizei­ oder Verkehrskasper (Hans Krause aus Hamburg), den Feuerwehr­, Zahnputz­, Geld­spar­ und Umweltkasper.

Das Hohensteiner Kasperle ist dabei nicht mehr Figuration des Anormalen, von der sich abzugrenzen ist, sondern hat im performativen Spiel der Normalisierung selbst Platz genommen. Ganz im reformpädagogischen Sinne leitet es durch seine Abenteuer zur Selbsttätigkeit an, ist eine Figur der Selbst­Einübung durch Beobachtung und nicht der autoritären Unterweisung oder Abschreckung. Die Performativität von Handeln und Erleben steht im Vordergrund einer expe­rimentellen, systemischen Erschließung der Welt.

Eingedenk dieser Kasperle­Geschichte ist der Sceno­Kasten in einem pädagogisch­medizinischen Feld der Kinderpsychiatrie und vor allem der Kinder­erziehung platziert, das sich seit dem 19. Jahrhundert der Puppenspiele bedient.

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Das darstellende Spiel mit Figuren gelangt Mitte des 20. Jahrhunderts über den Sceno­Kasten in das Arrangement des Familienbretts.

Im Hintergrund dieses Siegeszuges des Spielens und Darstellens steht eine andere Erfolgsgeschichte: Kreativität wird mit Beginn des 20. Jahrhun­derts als ein Zeichen einer gesunden Psyche betrachtet, während eben die Einbil­dungskraft jahrhundertelang als gefährlich und dem Wahnsinn naherstehend galt.29 Diese Aufwertung der Kraft zur Imagination drückt sich in der entstehenden Auf­fassung aus, dass eine Spieltherapie durch das Aufdecken kreativer Selbstanteile Heilpotential entfalten könnte.30 Das Spiel wird also als direkter Weg zum Unbe­wussten verstanden, der sowohl diagnostisch als auch therapeutisch genutzt werden könne.31 Ein zentraler Protagonist dieser These, auf den sich die Spieltherapie u. a. auch Gerdhild von Staabs’ bezieht, ist Jakob Levy Moreno.32

Morenos Psychodrama Moreno33 gilt als Erfi nder des Psychodramas. Er gibt an, die Me­

thode zwischen 1917 und 1921 im Wiener Augarten anhand der Beobachtung von spielenden Kindern entwickelt zu haben, in deren Spiel er schließlich eingriff und es arrangierte.34 Er forderte die Kinder auf, ihre Lebensumstände nachzuspielen, dann forderte er auch Eltern auf, teilzunehmen.

» Es war ein Kindergarten in kosmischen Dimensionen, eine krea­tive Revolution unter Kindern. […] Ich wollte den Kindern die Fähigkeit zum Kampf gegen Stereotypen, gegen Roboter und für Spontaneität und Kreativität geben.«35

Moreno griff hierbei auf die Tradition des Stegreiftheaters zurück, einer Form des Improvisationstheaters, das aus der Commedia dell’arte kommend gerade auch in Wien, im Alt­Wiener Volkstheater des 19. Jahrhunderts, von großer Bedeutung war, aber vom bürgerlichen Theater missachtet wurde. Das Stegreif­theater weist auf das Improvisationstheater des 20. Jahrhunderts voraus (z. B. Boals: Theater der Unterdrückten). Wesentliches Merkmal ist, dass das Stegreiftheater dem Schauspieler bzw. der Schauspielerin die Möglichkeit einräumt, die Rolle improvi­sierend zu gestalten, der Text tritt hinter die Performance zurück. Vom bürgerlichen Theater des 18. Jahrhunderts abgewertet (Johann Christoph Gottscheds Theater­reform) wurde das improvisierende Laienspiel gerade von den Jugendreformbewe­gungen des frühen 20. Jahrhunderts wiederentdeckt. Eine besondere Rolle nahm im Kontext der Reformpädagogik dabei wie gezeigt das Kaspertheater ein.

1923 gründete Moreno ein Stegreiftheater in Wien. Im Zusammen­hang mit der Internationalen Ausstellung für neue Theatertechnik im Herbst 1924 plante er sogar die Eröffnung eines eigenen Stegreiftheaters, dessen Bühnen­ und Raumarchitektur seinen Vorstellungen entsprechen sollte.36 Bereits 1921 experimen­tierte Moreno im Wiener Komödienhaus mit einer happeningartigen, dadaistischen Performance mit der Wiener Öffentlichkeit im Sinne eines Stegreiftheater, schei­terte hier aber. Charakteristisch für seine Form des Theaters war die Abschaffung

der passiven Zuschauenden.37 Moreno befand sich mit der Zurückweisung der Guckkastenbühne und der Dramentextausrichtung sowie der Forderung nach dem aktiven Zuschauenden auf der Höhe des Theaterdiskurses der modernen Avantgarde Anfang des 20. Jahrhunderts.

Moreno, der selbst Arzt war, stellte seine Arbeit aber auch dezidiert in einen medizinisch, therapeutischen Kontext. Besonders Kreativität und Schöpfer­kraft galten ihm ganz im Sinne der zeitgenössischen Kulturkritik als Heilmittel der durch die Industrialisierung und Technisierung entfremdeten Gesellschaft.38 Moreno schreibt: »Die schöpferische Spontanität ruft Katharsis als Läuterung und Reinigung des Einzelnen und der Gruppe hervor […]«39 Das Psychodrama defi nierte er als »die­jenige Methode […], welche die Wahrheit der Seele durch Handeln ergründet«.40 Es wird ein Erkenntnisgewinn über die Beobachtung von Positionierungen und Interak­tionen im Theaterraum erwartet, also von der Verräumlichung und Prozessualität von Beziehungen.41

Die Operationalisierung von Kreativität und Spontanität als zent­rale Elemente einer psychischen Gesundheit innerhalb eines therapeutischen Settings erfolgt über ein Konzept der Verräumlichung und Visualisierung von Interaktion. Dieses Konzept hatte Moreno Anfang der 1930er Jahre in den USA während seiner Arbeit als Leiter eines Wieder­Erziehungsinstituts für junge Mädchen in Hudson im Staat New York ausgearbeitet. Unter Bezug auf die »Bildpraktiken der Chemie in einer Form von fröhlichem Parasitentum«42 entwickelte er das Soziogramm. Das Soziogramm war für ihn eine Technik der psychologischen Geografi e,43 die er 1934 in dem sozialutopischen Buch Who Shall Survive? A New Approach to the Problem of Human Interrelations vorstellte. Es ist eine diagrammatische Abstraktion von Beziehungsmustern [Abb. 3].

Auch in der systemischen Familienaufstellung greift man 50 Jahre später auf ein ähnliches Visualisierungs­ und Verräumlichungsmodell von Bezie­hungen zurück: das Genogramm, dass erstmals 1985 von Monica McGoldrick und Randy Gerson in Genograms. Assessment and Intervention für die Therapie vorge­schlagen wurde.44 Das Genogramm lehnt sich an Morenos ›soziales Atom‹ an. Mit diesem Begriff fasste Moreno die kleinste Einheit in einem Beziehungsgefüge.45

3 Morenos Psychological Geography.

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Was mit Moreno begann, die Kombination von dramatischer und diagrammatischer Technologie, von Psychodrama und Soziogramm, das wird auch in der Folge die systemischen Therapien bestimmen. Kurt Ludewig verbindet Morenos Soziogramm mit seiner in der Tradition des Sceno­Kastens stehenden Technik des Familienbretts.46 Eine große Mehrheit der gegenwärtigen Aufstellungsarbeit be­zieht auch Genogramme ein47 – es deutet sich hier eine besondere Beziehung des Diagrammatischen mit dem Dramatischen an, die offenbar für die systemische Familientherapie von zentraler Bedeutung ist.

Diagrammatik dramatologischen WissensDie systemische Familientherapie kombiniert diagrammatische und

dramatische Forschung, Diagrammatik und Dramatologie. Wie ich anhand der Technik des Familienbretts gezeigt habe, werden Diagramm und theatrales Spiel miteinander verbunden.

Man kann das systemische Setting in Anlehnung an Hans­Jörg Rheinberger als Experimentalsystem48 beschreiben, das Wissen in der Aufführung von Handlungen, von inszenierten Interaktionen herstellt. Ich schlage vor, hier von einer Dramatologie des Wissens zu sprechen: Mit dem Begriff der Dramatologie, den Wolfgang Lipp zur Beschreibung von Ervin Goffmans soziologischer Theorie eingeführt hat,49 wird der aktivierende, interaktive Aspekt des Theaterspielens be­tont.50 Statt auf die logisch geknüpfte Reihe von Ereignissen in der Zeit fokussiert Goffman auf die Beobachtung der in Situationen gleichzeitig handelnden, räum­lich verteilten Interaktionsteilnehmer. Statt der zeitlichen Ordnung der Ereignisse treten hier die räumliche Relation von Akteuren und der Prozess der Interaktion in den Vordergrund. Das Selbst wird dabei sowohl als handelndes aufgeführt und ist gleichzeitig auf die Interaktion mit den anderen Handelnden bezogen.51 Eine Drama­tologie des Systemischen bezeichnet eine relationale Wissensgenerierung über Fami­lien auf der Grundlage der (gegenseitigen) Beobachtung von situativen Handlungen der Akteure. Die solchermaßen als dramatologisch charakterisierte Wissensgenerie­rung wird dabei von Diagrammen operationalisiert: Nach Peirce können Diagram­me – im Unterschied zu Bildern und Metaphern – Beziehungen und Verhältnisse repräsentieren.52 Diagramm und Forschungsprojekt erzeugen dabei in Wechselwir­kung miteinander Wissen dialogisch. Diagramme veranschaulichen also nicht nur, sondern konstituieren im Prozess der Gestaltung von Relationen und Strukturen gleichzeitig das Wissen vom Gegenstandsbereich. Matthias Bauer und Christoph Ernst sprechen deshalb von der Diagrammatik als einem »Entwurfs­ und Erkennt­nisverfahren«53, welches über das konkrete Diagramm hinaus auch andere Techniken »des schlussfolgernden Denkens«54 beschreiben kann. In diesem erweiterten Sinne könnte man auch die Familienskulpturen, Familienbretter und Rollenspiele als dia­grammatisch beschreiben und allgemein von einer Diagrammatik der systemischen Techniken sprechen.

Auf jeden Fall muss den Bildpraktiken der systemischen Familien­therapie eine gewisse Operationalität zugestanden werden: Sie stellen nicht einfach etwas (die Familie) dar, sondern »eröffnen damit Räume, um das Dargestellte auch

zu handhaben, zu beobachten, zu explorieren«55, ein Dargestelltes, was ansonsten unsichtbar wäre. »Die operative Bildlichkeit erweist sich dann nicht nur als ein An­schauungsmedium, sondern auch als ein Werkzeug und ein ›Reflexionsinstrument‹.«56 Und mehr noch: Über den »instrumentellen oder reflexiven Umgang […] mit dem Repräsentierten« hinaus, »geht [es] um Konstitutionsleistungen«.57

Die Familie, die in der Diagrammatik der systemischen Therapie erscheint, ist nicht einfach Abbildung einer Herkunftsfamilie, sondern generiert ein neues Wissen vom System Familie, ja, eine neue Familie als Ergebnis einer spiele­rischen Gestaltung von Diagrammen.58

Halbautomatische Selbst-Bildung – Schluss-bemerkungDiese Diagrammatik der Erforschung von Familie hat Folgen. Man

kann beispielsweise am Familienbrett eine Visualisierung, Materialisierung und Technologisierung der Subjektivierungsvorstellungen beobachten. Dieses systemi­sche Verfahren beziehen sich nicht auf ein Subjekt als ›Herr im Hause‹ (Freud), sondern auf Prozesse: Das Forschungsobjekt der systemischen Familientherapie entsteht erst im Prozess der räumlich­theatralen Aufführung von Szenen des Fami­lienlebens. Dabei konzentriert man sich nicht auf die Binnenstruktur des psychi­schen Apparats (Psychoanalyse), sondern auf den performativen Prozess und die kreativen Techniken der Ich­Bild­ung.59 Subjektivierung ist nicht mehr allein ein Prozess des Subjektes, sondern Resultat einer unauflöslichen Wechselwirkung von Praktiken und deren Subjekten.60 Grundlage dieser Selbst­Bildungen ist dabei eine Oberflächenforschung, denn man versucht nicht, ein Bewusstsein oder Unterbe­wusstsein des Subjektes auszumachen, sondern an Haltungen, Gesten, Ausdrücken, Bewegungen bestimmte Systemzustände z. B. der Familie zu messen und (in einem Diagramm) zu operationalisieren. Dabei flankiert den Prozess der Ich­Aufführungen vor allem seit den 1980er Jahren die Beobachtung der Beobachtung, also eine Pro­zeduralisierung der Position des Therapierenden, die zu einer aktiven Partizipation der Patienten am Prozess der Therapie führt.61 Der Therapeut erscheint in der sys­temischen Therapie nicht mehr als Experte, sondern als Arrangeur und Partner. Er bzw. sie arbeitet nicht mit einem theoretischen Interpretationsrahmen, sondern verwendet Konzepte und Verfahren, die auf den Rezipienten, also die Patienten und Patientinnen zielen. Der Therapierende entwirft fast wie ein Kurator geschick­te Versuchsanordnungen, um anhand diagrammatischer Anordnungen z. B. auf dem Familienbrett effektvoll Reflexionsvorgänge in Gang zu setzen. Den Patienten und Patientinnen kommt schließlich die Aufgabe zu, die Szenen für sich zu interpretieren und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, was wiederum als Vorgang der Heilung oder eben Selbst­Bildung verstanden wird.

Die systemische Familientherapie steht – und damit möchte ich schließen – für eine Form der ökologischen Wissensproduktion über Subjekte und soziale Gruppen, die von einer angewandten Bildkultur des Diagrammatischen geregelt wird. Diese Diagrammatik der Selbst­Bildung im Format des Familien­ Stellens muss als eine materiale Praxis beschrieben werden, die von medialen

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EndnotenTechnologien, ästhetischen Präferenzen, handwerklichen Fertigkeiten und impliziten Erfahrungswissen konstituiert wird. Felix Guattari möchte deshalb nicht mehr Subjekte betrachten, sondern »Subjektivierungs­Komponenten […], von denen jede mehr oder weniger auf eigene Rechnung arbeitet«.62 Er spricht von einer »mentalen Ökologie«, die über Individualpsychologie hinausgeht und »sich in Systemen […] organisiert, deren Grenzen nicht mehr mit den Individuen übereinstimmen, die daran teilhaben«.63 Statt die systemische Familientherapie als Teil des Dispositivs von Therapeutisierung und unter der Herrschaft des Imperativs des Kreativen allein abzuwerten, gilt es, sie als ökologische Praxis ernst zu nehmen, die unter den Vor­zeichen einer »Ökosophie, zugleich praktisch und spekulativ, ethisch­politisch und ästhetisch« neu zu bewerten ist.64 Denn Praktiken wie die systemische Familien­therapie führen vor, dass Selbst­Bildung nicht allein ein Feld von Gesellschaftskritik und Lebenswissenschaften, sondern vor allem auch ein Feld der Ästhetik ist.

1 Arist von Schlippe, Jochen Schweitzer (Hg.), Lehrbuch der systemischen Therapie und

Beratung, Göttingen 2007; Arist von Schlippe, Jochen Schweitzer (Hg.), Lehrbuch der

systemischen Therapie und Beratung I. Das Grundlagenwissen, Göttingen 2012.

2 Beispielsweise bei Eva Illouz oder Niklas Rose. Eva Illouz, Saving the Modern Soul.

Therapy, Emotions, and the Culture of Self­Help, Berkeley 2008; Niklas Rose, Inventing

Our Selves. Psychology, Power and Personhood, Cambridge 1998.

3 Zum Behandlungsschema der systemischen Familientherapie Schlippe, Schweitzer, Das

Grundlagenwissen (Anm. 1), S. 225–346. Arist und Schlippe unterscheiden: 1. Die Auf­

nahme (u. a. Genogramminterview, Familiengespräch); 2. Therapie (hier Skulpturarbeit,

Videokonsultation, Live­Supervision, reflektierendes Team usw.), 3. Entlassung.

4 Schlippe, Schweitzer, Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung (Anm. 1),

S. 94.

5 Ludewig verfasste eines der ersten Standardwerke. Kurt Ludewig, Systemische Therapie,

Stuttgart 1992.

6 Kurt Ludewig, Karin Pflieger, Ulrich Wilken, Gabriele Jakobskötter, Entwicklung eines

Verfahrens zur Darstellung von Familienbeziehungen: Das Familienbrett, in: Familien­

dynamik 8/3, 1983, S. 235–251.

7 Ludewig, Systemische Therapie (Anm. 5), S. 79.

8 Ebd., S. 83.

9 Ebd., S. 82.

10 Ebd., S. 83.

11 Ebd., S. 84.

12 Ebd.

13 Ebd., S. 85.

14 Ebd., S. 103.

15 Ebd., S. 103.

16 Ludewig/ Pflieger/Wilken/Jakobskötter, Das Familienbrett (Anm. 6), S. 236.

17 Ebd., S. 237f.

18 Ingeborg Reichle, Steffen Siegel, Achim Spelten, Die Wirklichkeit visueller Modelle, in:

Diess. (Hg.), Visuelle Modelle, München 2008, S. 9–13, hier S. 10.

19 Gottfried Boehm, Ikonisches Wissen. Das Bild als Modell, in: Ders., Wie Bilder Sinn

erzeugen. Die Macht des Zeigens, Berlin 2007, S. 114–140, hier S. 116.

20 Ebd., S. 118.

21 Ebd., S. 236.

22 Diese Forschungen habe ich außerdem veröffentlicht in Katja Rothe, Soul­Staging. Der

Scenokasten und die systemische Therapie, in: Celine Kaiser (Hg), SzenoTest. Pre­, Re­ &

Enactment als Kulturtechniken zwischen Trauma, Theater und Therapie, Bielefeld 2014,

S. 28 – 43.

23 Gerdhild von Staabs, Der Scenotest. Beitrag zur Erfassung unbewußter Problematik und

charakterologischer Struktur in Diagnostik und Therapie, Stuttgart 1951.

24 Staabs, Der Scenotest (Anm. 23), S. 14. In Lowenfelds Sandspiel formen Kinder in Sand­

kästen aus Zinkblech, gefüllt mit Sand und Wasser, verschiedene Szenerien. Lowenfeld

entwickelte am Institut for Child Psychology auch andere Tests wie den Mosaik­Test, einen

Test mit mehrfarbigen Würfeln, der heute in Intelligenztests eingesetzt wird. Margaret

Lowenfeld, Play in Childhood [1935], London/New York 1991. Dazu auch Alexander

von Gontard, Theorie und Praxis der Sandspieltherapie. Ein Handbuch aus kinderpsy­

chiatrischer und analytischer Sicht, Stuttgart 2006.

25 Einfluss hatte Sie in der Schweiz auf Dora Kalff, in Schweden auf Gösta Harding, in

Österreich auf Charlotte Bühler, in Frankreich auf de Beaumont und Arthus.

26 Staabs, Der Scenotest (Anm. 23), S. 15.

27 Ebd. Sie stützt sich hier auf Fritz Giese und William Stern.

28 Diese Forschungen wurden bereits veröffentlicht: Katja Rothe, Die Schule des Entzugs.

Walter Benjamins Radio­Kasper, in: Sinnhaft. Strategien des Entzugs 22, 2009, S. 74–89;

URL: http://rothespraxis.de/wp­content/uploads/2014/02/RotheRadioKasperl2009.pdf.

Page 8: Familien stellen: Bildliches Denken in der systemischen ...rothespraxis.de/wp-content/uploads/2019/04/06_DT_Rothe.pdf · der Rorschachtest und der WarteggZeichenTest. Der ScenoKastenTest

165164 Familien stellen: Bildliches Denken in der systemischen TherapieKatja Rothe

Endnoten/AbbildungsnachweisEndnoten 29 Andreas Reckwitz, Creative Subject and Modernity. Towards an Archeology of the Cul­

tural Construction of Creativity, in: Konstanzer Kulturwissenschaftliches Kollo quium,

Diskussionsbeiträge N. F. 2, 12, 2007, unter: https://exzellenzcluster.uni­ konstanz .de/

f i leadmin/al l /downloads /veransta ltungen/Kol loquium_Reckwitz_071219.pdf

[1. 12. 2014].

30 Die Spieltherapie wurde in den 1920er Jahren maßgeblich von der österreichischen Psycho­

analytikerin Hermine Hug­Hellmuth, Leiterin der Erziehungsberatungsstelle in Wien,

in der Praxis etabliert. In den 1930er Jahren nahmen Anna Freud und Melanie Klein

den Ansatz auf und entwickelten ihn weiter. Die Spieltherapie basiert auf der Vorstel­

lung, dass die Förderung der Kreativität das Ich stärkt und zur Heilung führen kann.

31 Ausführlich: Herbert Goetze, Handbuch der personenzentrierten Spieltherapie, Göttin­

gen 2002.

32 Staabs, Der Scenotest (Anm. 23), S. 14.

33 Ausführlich zu Moreno siehe: Brigitte Marschall, ›Ich bin der Mythe‹. Von der Stegreif­

bühne zum Psychodrama Jakob Levy Morenos, Wien/Köln/Graz 1988; Jakob Levy

Moreno, Auszüge aus der Autobiographie, hg. von Jonathan D. Moreno, Köln 1995.

34 Brigitte Marschall, Jakob Levy Morenos Theaterkonzept. Die Zeit­Räume des Lebens als

Szenenraum der Begegnung, in: Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie 4/2, 2005,

S. 229–243.

35 Moreno, Autobiographie (Anm. 33) , S. 44.

36 Jakob Levy Moreno, Das Stegreiftheater, Potsdam 1924. Außerdem Marschall, Morenos

Theaterkonzept (Anm. 34), S. 238–241.

37 »Ich aber wünsche nicht das Theater des guten Gedächtnisses, der kreisförmigen Behag­

lichkeit, des Selbstvergessens. An Stelle der alten Dreiteilung tritt unsere Einheit: Es

gibt keine Dichter, Schauspieler, Zuschauer mehr. Jeder ist Dichter, Schauspieler und

Zuschauer in einer Person. Fort mit den Augen der Gaffer und den Ohren der Horcher.

Unser Theater ist die Vereinigung aller Widersprüche, des Rausches, der Unwiederhol­

barkeit.« Jakob Levy Moreno, Der Königsroman, Potsdam 1923, S. 151.

38 Dazu Jakob Levy Moreno, Canon of Creativity, in: Sociometry. A Journal of Inter­ Personal

Relations and Experimental Design, XVIII/4, 1956, S. 359f; ders., System of Spontaneity­

Creativity­Conserve, in: ebd., S. 382–392; ders., The Creativity Theory of Personality:

Spontaneity, Creativity, and Human Potentialities, in: Ira A. Greenberg, Psychodrama.

Theory and Therapy, New York 1974, S. 73 – 84; ders., Theory of Spontaneity­Creativity,

in: Sociometry XVIII/4, 1956, S. 361–374.

39 Jakob Levy Moreno, Gruppenpsychotherapie und Psychodrama. Einleitung in die Theorie

und Praxis, Stuttgart 1959, S. 79.

40 Ebd., S. 77.

41 Moreno, Das Stegreiftheater (Anm. 36), S. 34.

42 Sebastian Gießmann, Ganz klein, ganz groß. Jacob Levy Moreno und die Geschicke des

Netzwerkdiagramms, in: Ingo Koester, Kai Schubert (Hg.), Medien in Raum und Zeit.

Maßverhältnisse des Medialen, Bielefeld 2009, S. 267–292, hier S. 271.

43 Ebd., S. 273.

44 Dazu auch Jürgen Beushausen, Genogramm­ und Netzwerkanalyse. Die Visualisierung

familiärer und sozialer Strukturen, Göttingen 2012.

45 Jakob Levy Moreno, Die Grundlagen der Soziometrie. Wege zur Neuordnung der Gesell­

schaft, Opladen 1974, S. 369f.

46 Ludewig/Pflieger7Wilken/Jakobskötter, Das Familienbrett (Anm. 6), S. 236

47 Auch Schlippe und Schwitzer sprechen von »Landkarten«. Schlippe/Schweitzer, Grund­

lagenwissen (Anm. 1), S. 175.

48 Hans­Jörg Rheinberger, Objekt und Repräsentation, in: Bettina Heintz, Jörg Huber (Hg.),

Mit dem Auge denken. Strategien der Sichtbarmachung in wissenschaftlichen und vir­

tuellen Welten, Zürich, Wien 2001, S. 55 – 61, hier S. 57.

49 Wolfgang Lipp , Kultur, dramatologisch, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie

9/1+2, 1984, S. 8–25.

50 Hitzler weist darauf hin, dass man bei Goffmans Dramatologie nicht von einer Philoso­

phie oder Anthropologie sprechen kann, sondern von einer Forschungsstrategie, die

Hitzler »methodologischer Behaviorismus« nennt. Ronald Hitzler, Goffmans Perspek­

tive. Notizen zum dramatologischen Ansatz, in: Sozialwissenschaftliche Informationen

20/4, 1991, S. 276–281, hier S. 277.

51 »Welche Charaktere unter welchen Bedingungen in welchen Kulissen wie miteinander

umgehen, wie die Interagierenden ihre Rollen meistern, welche Drehbücher sie benutzen

und welches Publikum sie ansprechen.« Ronald Hitzler, Der Goffmensch. Überlegun­

gen zu einer dramatologischen Anthropologie, in: Soziale Welt, 43/4, 1992, S. 449–461,

S. 458.

52 Matthias Bauer, Christoph Ernst, Diagrammatik. Einführung in ein kultur­ und medien­

wissenschaftliches Forschungsfeld, Bielefeld 2010, S. 9.

53 Ebd, S. 17.

54 Ebd., S. 64.

55 Sybille Krämer, Operative Bildlichkeit. Von der ›Grammatologie‹ zu einer ›Diagrammato­

logie‹? Reflexionen über erkennendes ›Sehen‹, 2009, unter: http://userpage.fu­berlin.

de/~sybkram/media/downloads/Operative_Bildlichkeit.pdf [24. 8. 2014].

56 Ebd.

57 Ebd.

58 Dazu Robert Schmidt, Soziologie der Praktiken. Konzeptionelle Studien und empirische

Analysen, Frankfurt a. M. 2012, S. 70f.

59 Thomas Alkemeyer, Gunilla Budde, Dagmar Freist (Hg.), Selbst­Bildungen. Soziale und

kulturelle Praktiken der Subjektivierung, Bielefeld 2013.

60 Thomas Alkemeyer, Gunilla Budde, Dagmar Freist, Einleitung, in: Alkemeyer/Budde/

Freist, Selbst­Bildungen (Anm. 59), S. 9–30, hier S. 21.

61 Paradigmatisch für diese Entwicklung ist die Einführung des »reflecting Teams« durch

den norwegischen Psychiater und Psychotherapeuten Tom Andersen. Tom Andersen,

Das reflektierende Team. Dialoge und Dialoge über Dialoge, Dortmund 1990.

62 Felix Guattari, Die drei Ökologien, Wien 2012, S. 23.

63 Ebd., S. 50.

64 Ebd., S. 68.

Abbildungsnachweis 1 Kurt Ludewig, Schritte in die Vergangenheit. Mit dem Familienbrett ins Land der Mapuche,

in: Familiendynamik 14, 1989, S. 163–177, Anhang 1.

2 Gerdhild von Staabs, Der Scenotest. Beitrag zur Erfassung unbewußter Problematik und

charakterologischer Struktur in Diagnostik und Therapie, Stuttgart 1951, S. 149.

3 Jacob Levy Moreno, Who Shall Survive? Foundations of Sociometry, Group Psycho­

therapy and Sociodrama [1934], Beacon, NY 1953, S. 428.