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European Council for Steiner Waldorf Education EUROPEAN POR T F O L I O CERTIFICATE EPC-HANDBUCH ECSWE

European Council for Steiner Waldorf Education · machen und dabei die individuelle Dimensi-on lebenslangen Lernens zu stärken und dazu beizutragen, Schulversagen zu reduzieren,

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Page 1: European Council for Steiner Waldorf Education · machen und dabei die individuelle Dimensi-on lebenslangen Lernens zu stärken und dazu beizutragen, Schulversagen zu reduzieren,

E u ro p e a n C o u n c i l

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Vorwort

Einleitung

Die Europäische Portfolio Zertifikat (EPC) -Mappe

1.1 Schulabgangszeugnisse und Zertifikate anderer Einrichtungen

1.2 Das EPC-Portfolio des Schülers enthält Dokumente zu Lernergebnissen,

die Portfolio-Dokumente, Auszeichnungen und Zertifikate umfassen

1.3 Überblick über die pädagogischen Prinzipien der Schule

1.4 Checkliste zum Gebrauch der EPC-Mappe

Portfolio als Unterrichts- und Assessmentmethode

2.1 Grundlagen des Portfolio

2.2 Standards für Portfolioarbeit als Unterrichts- und Assessmentmethode

2.3 Checkliste für die Arbeit mit Portfolio

European Portfolio Certificates

3.1 Zielsetzung der European Portfolio Certificates

3.2 Standards des European Portfolio Certificate

3.3 Checkliste zur Erstellung und Ausgabe von European Portfolio Certificates

Das European Portfolio Certificate zum Kompetenz-Assessment

4.1 Grundlagen der Kompetenzanalyse – das Kompetenz-Konzept

4.2 Standards für Kompetenz-Portfolios

4.3 Standards für Kompetenz-Zertifikate auf Grundlage von Portfolios

4.4 Wie Kompetenzen auf Grundlage von Portfolio untersucht und beurteilt werden

Rechtliche Aspekte

5.1 Copyright

5.2 EPC-Trademark und Lizenz

Anhang

6.1 Portfolio – Was ist das?

6.2 Kompetenz durch Lernen

6.3 Beispiele für Schüleraktivitäten, für die ein EPC-Zertifikat ausgestellt werden könnte

6.4 Beispiele für EPC-Mappen geeignete Dokumente informellen Lernens

6.5 Das Prinzip der Triangulation

6.6 Einige Beispiele für Qualitätskriterien für Portfolio Dokumente,

Präsentationen und mündliche Prüfungen

6.7 EPC-Toolbox

Inhalt

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iDie Comenius EPC-Partnerschaft freut sich, Ihnen mit dieser Broschüre die EPC-Mappe und das EPC-Benutzer-Handbuch vorzu-stellen. Damit sind die ersten zwei von drei

Hauptzielen des EPC-Projektes erreicht. Das

EPC-Projekt ist in den letzten drei Jahren ge-

wachsen und besteht jetzt aus über fünfzig

Waldorfschulen in dreizehn europäischen

Ländern, die sich mit der EPC-idee beschäfti-

gen. Das EPC-Pojekt wurde im Oktober 2007

in Potsdam eingeführt. Ungefähr ein Jahr spä-

ter, im August 2008, begann die mulilaterale

Comenius EPC-Partnerschaft als Kerngruppe,

bestehend aus zwölf Wal-

dorfschulen in acht euro-

päischen Ländern und den

beteiligten sechs nationa-

len Waldorfschul-Verbän-

den und ihrer Dachorga-

nisation, dem European

Council for Steiner Waldorf

Education (ECSWE ). Diese

Kerngruppe wird ihre Co-

menius-Arbeit im Juli 2010

beenden. Bis dahin wird

auch das dritte und letzte

Ziel des Projektes erreicht

sein, nämlich die Verbrei-

tung, Einführung und die Erprobung der EPC-

Mappe und des EPC-Benutzer-Handbuchs.

Auf der Grundlage von Portfolio-Assessment

wird eine idee vertreten, die neue Ansätze in

Erziehung und Pädagogik aufzeigt. Die Co-

menius-EPC-Partnerschaft ist zuversichtlich,

dass weitere Schulen und institutionen auch

anderer pädagogischer Ausrichtung das EPC-

Konzept aufgreifen werden.

Es war Hauptanliegen des EPC-Projektes und

insbesondere der Comenius-EPC-Partner-

schaft, ein pädagogisches instrumentarium

zu entwickeln, mit dem formales, nicht-for-

males und informelles Lernen besser gewür-

digt, sowie das formative Assessement, d.h.

eine Form der Bewertung (Assessment), die

sich als interaktiver Prozess des Lernens und

Unterrichtens versteht, gefördert werden

kann. Formatives Assessment heißt, die Leis-

tungen eines Schülers als Feedback zu nutzen

und so Unterricht und Lernformen entspre-

chend anzupassen. Die interaktive, dialog-

freudige Portfolio Arbeitsform und das auf ihr

beruhende EPC stellt ein solches instrumen-

tarium zur Verfügung. Wie im Antrag für das

Comenius Projekt formuliert: „Portfolio kann

spezifische Leistungen so-

wie einen umfassenderen

Bereich von Lernergebnis-

sen des Schülers besser

dokumentieren und damit

zur Lernfreude anspor-

nen sowie den Ansatz der

Schule aufzeigen, in der

gelernt wurde. So liefert

Portfolio zuverlässige in-

formationen über sowohl

Lernniveau als auch indi-

viduelle Qualifikation der

Schüler (...) Arbeiten mit

Portfolio birgt ein großes

Potential, Schlüsselqualifikationen sichtbar zu

machen und dabei die individuelle Dimensi-

on lebenslangen Lernens zu stärken und dazu

beizutragen, Schulversagen zu reduzieren, da

klassisches Prüfen rein kognitiver Fähigkei-

ten schwächere Schüler demotiviert, jedoch

‚best-practice’ Portfolio-Methoden individu-

elle Stärken hervorheben und Selbstreflexion

und Unternehmungsgeist stimulieren.“

Das EPC-Projekt ist Teil eines über siebenjäh-

rigen Prozesses, der an Waldorfschulen statt-

gefunden hat. Ziel ist, den Gewinn von Pro-

jektarbeit, Theaterspielen, Praktika, Konzerten

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Es war Hauptan-liegen des EPC-Projektes und

insbesondere der Comenius-EPC-

Partnerschaft, ein pädagogisches in-strumentarium zu

entwickeln

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und mehrsprachigen Aktivitäten und vielen

anderen nicht-formalen Lernzusammenhän-

gen, die in der Oberstufe der Waldorfschulen

gepflegt werden, in ein Schulabgangszeugnis

einfließen zu lassen, das dem Träger Zugang

zu Hochschule, Berufsausbildung oder einem

Arbeitsplatz ermöglicht.

Das EPC-Projekt steuert darauf hin, durch das

„Einführen von Portfolio-basiertem Assess-

ment darauf hinzuwirken, dass die Zahl der

Schulabbrecher verringert wird, da es Schü-

ler ermutigt, ihre individuellen Fähigkeiten

zu entdecken – statt sie durch summatives

Assessment und Hervorheben der Defizite

zu demotivieren. Es hilft Lehrern alte Unter-

richtsgewohnheiten aufzubrechen, indem sie

einzelnen Schülern, deren interessen und Ler-

nergebnissen mehr Beachtung schenken. Das

kann zur Belebung des Unterricht beitragen.

Das hilft wiederum den beteiligten Einrich-

tungen, lernende Einrichtungen zu werden,

die zunehmend selbst ihre Strukturen den

individuellen Lernprozessen anpassen“ (zitiert

aus dem Antrag für das Comenius Projekt

vom Februar 2007).

Die Comenius-EPC-Partnerschaft hat das Euro-

pean Portfolio Certificate, die EPC-Mappe und

das EPC-Benutzer-Handbuch entwickelt und

ist dabei, sie einzuführen und zu erproben für

Schüler, die am Ende der Sekundarstufe die

Waldorfschule verlassen. Andere Schulen (nicht

nur Waldorfschulen) sind eingeladen, auch mit

EPC zu arbeiten. Die Partnerschaft hat Kriterien

und Standards für Portfolio als Unterrichts- und

Assessmentmethode, für das Entwerfen und

Vergeben des European Portfolio Certificate, zur

Vergabe der EPC-Mappe und schließlich für den

Gebrauch des EPC-Kompetenz-Portfolios erar-

beitet. Diese Standards werden im vorliegenden

EPC-Benutzer-Handbuch detailliert aufgeführt.

Das EPC-Benutzer-Handbuch wurde für Leh-

rer geschrieben, die mit EPC aktiv arbeiten.

Es ist nicht als allgemeine Beschreibung für

Außenstehende gedacht.

Das EPC-Projekt und Comenius EPC-Partner-

ship wurden von vielen Personen und insti-

tutionen unterstützt: in der Projekt- und Ein-

führungsphase insbesondere vom European

Council for Steiner and Waldorf Education

(ECSWE) und der Waldorfschule Potsdam.

insbesondere erhielt die Comenius-EPC-Part-

nerschaft finanzielle Unterstützung für inter-

nationale Reisekosten durch das ‚EU-Come-

nius-Programm für lebenslanges Lernen’ und

für Verbreitungsaktivitäten durch die natio-

nalen Steiner-Waldorf-Verbände. Die Arbeit

des Koordinators wurde durch die deutsche

Software AG Stiftung, den Bund der Freien

Waldorfschulen Deutschland und die Wal-

dorfschule Potsdam ko-finanziert.

Als Koordinator des EPC-Projektes und der

Comenius-EPC-Partnerschaft und Hauptau-

tor des EPC-Benutzer-Handbuchs möchte ich

allen danken, die EPC unterstützt haben und

meine Zuversicht ausdrücken, dass unsere Ar-

beit zur Erreichung der oben genannten Ziele

beitragen wird.

Thilo Koch April 2010

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wWie können Lehrer Ihre Arbeitsweisen ver-bessern, so dass junge Menschen sich enga-gieren und dass ihre Motivation, ihr Denk-vermögen und ihre Kreativität angeregt werden? Wie können Schulen dazu beitra-gen, dass junge Menschen ihren Lerneifer beibehalten und ihr Lernen dabei selber in die Hand nehmen? Vor einem Jahrhundert sprach die schwedi-sche Pädagogin Ellen Key ihre Sorge darü-ber aus, dass Kinder „vom sechsten bis zum achtzehnten Jahre ihr Leben auf Schulbänken damit zugebracht haben, Stunde für Stunde, Monat für Monat, Semester für Semester Kenntnisse zuerst in Teelöffel-, dann in Des-sertlöffel- und schließlich in Esslöffelportio-nen einzunehmen, Mixturen, die der Lehrer oft aus Darstellungen aus vierter oder fünf-ter Hand zusammengebraut hat“1. Hat die Tendenz des Einlöffelns von Wissen seitdem abgenommen? Wenn nicht, wie können Leh-rer in ihren Bemühungen unterstützt werden, erquicklichere Formen des Unterrichtens zu finden?

Key stellte sich eine weitreichende pädagogi-sche Erneuerung zu Beginn des 20. Jahrhun-derts vor.2 Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wächst nun wieder die Einsicht, dass Bildungs-formen sich ändern können und müssen um das Erblühen von Gesellschaftsformen zu un-terstützen, in denen sich die edleren Seelen-fähigkeiten des Menschen ausdrücken. in vielen Teilen der Welt entfacht sich ein er-mutigendes Bild, dass man von der Diagnose zur deutlichen Realisierung schreiten will, um den dringenden Bedürfnissen heutiger Kinder und Jugendlichen gerecht zu werden. Die initi-ative des Europäischen Portfolio Zertifikats ist Teil dieses Bildes und dieser Entschlossenheit. Angeregt durch hehres Streben nach einem

menschengerechten Fortschritt in Bildung und Erziehung, gründet es in langer Erfahrung en-gagierter Lehrer und Pädagogen, die deutlich die Notwendigkeit sehen, im Klassenzimmer jeglicher Schulart neuartige praktische Tätig-keiten zu entfalten. indem sich die initiato-ren dieses EPC-Benutzer-Handbuches stark für den Portfolioansatz einsetzen, möchten sie alle Pädagogen ermutigen, das natürliche Bedürfnis von Kindern und Jugendlichen zu fördern, sich selbst als kompetente individua-litäten kennen zu lernen, mit den Fähigkeiten, klar denken und kreativ handeln zu können, und sich damit in die Welt, in der sie leben, sinnvoll einzusetzen.

Schüler von Schulen, die am Europäischen Portfolio Zertifikat Projekt teilnehmen, wer-den somit ermutigt, beim Verfolgen von Lernzielen eigene interessen zu entwickeln, indem der Schüler ein vom Lehrer vorgege-benes Thema anpackt oder eines aus Eigen-initiative ausgewähltes bearbeitet. Der Lehrer ist bestrebt die Schüler durch einen Dialog bei ihrem Lernprozess zu unterstützen, bei dem schon gebildetes und sich neu bildendes Wis-sen wechselwirkend befruchtet.

Dieses Benutzer-Handbuch enthält einen weitgespannten Überblick über Portfolioar-beit im Dienste von lebenslangem Lernen. Das EPC-Handbuch ist praxisbezogen und anspruchsvoll. Es führt in die Portfolioarbeit als Unterrichts- und Assessmentmethode ein, insbesondere in solche Portfolio, an denen Schüler Kompetenzen entdecken können, die ihnen etwas über ihre ureigenen Möglichkei-ten offenbaren. Jede Art von Portfolioarbeit ist zur Vorbereitung der Schüler auf ein er-folgreiches lebenslanges Lernen wertvoll. Die Arbeit mit dem European Portfolio Certificate kann dazu beitragen, das interesse am Lernen auch im Rahmen des Lehrplans immer wieder

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neu zu wecken, indem ein stärker individua-lisierter Lernansatz ermöglicht, das interesse des Schülers engagiert einzubeziehen.

Das Erstellen eines Portfolios geht Hand in Hand mit Selbstreflexion und Evaluation. ist das Portfolio einmal fertig erarbeitet, kann es in einem Portfoliozertifikat zusammengefasst werden, welches wichtige Aspekte der Ent-wicklung des Schülers handlich dokumentiert. Das Zertifikat, zusammen mit der eigentlichen Port-folioarbeit, zeigt die Fä-higkeit des Lernenden zu-rückzublicken, die Arbeit zu reflektieren und das ei-gene Lernen zu bewerten. Darüber hinaus schafft die Präsentation von Portfo-lioarbeiten soziale Aner-kennung innerhalb und außerhalb der Schulge-meinschaft und hilft dabei, persönliche Fähigkeiten und Selbstbewusstsein auszubilden. Viele Schüler werden die Europäische Portfolio Zer-tifikatmappe bei ihrem weiteren Ausbildungs-gang in anderen Einrichtungen oder Arbeits-bereichen dazu nutzen, ihre Lernergebnisse zusammen zu stellen und zu präsentieren. Für gesammelte Portfolios oder Portfoliozeugnis-se bietet der mittlere, zentrale Teil der Mappe Raum. Der linke innenflügel der Mappe ist für offizielle Zeugnisse vorgesehen, der rechte steht für eine Übersicht der Prinzipien der bis-herigen Ausbildung zur Verfügung. Die EPC-Mappe kann potentiellen Arbeitgebern oder Bildungsstätten vorgelegt werden, die daran interessiert sind, mehr zu erfahren über die je-weiligen Kompetenzen, die der Schüler bisher sichtbar gemacht hat.

Selbstverständlich müssen bei der Vergabe der Europäischen Portfolio Zertifikatmappe be-stimmte Standards erfüllt sein; das Benutzer-Handbuch legt diese ausdrücklich fest. insbe-sondere ist es ein zentrales Anliegen, dass der Portfolioansatz so genutzt wird, dass die Fä-higkeiten des Schülers zur Eigeninitiative und zum selbstständigen Handeln gefördert wer-den. Die Beschreibungen in diesem Handbuch wurden aus ‚best practice’ an Schulen und aus

herausragender pädago-gischer Forschung gewon-nen. Sie sind mit viel Sorg-falt fürs Detail geschrieben und sollen Schulen dabei unterstützen, ein klares Ver-ständnis der Hintergründe der Portfolioarbeit zu ge-winnen und praktisch den Weg zu beschreiten, der diese Arbeit zu einer inspi-rierenden Erfahrung im Le-ben der Schüler macht.

Portfolioarbeit ist eine praktische Methode um Motivation, Denkfähigkeiten und kreati-ve Kräfte von jungen Menschen freizusetzen. in den Händen von ernsthaften Pädagogen kann dies ein Zündfunke für das Leben des Schülers werden und ein nicht zu löschendes Feuer in der Seele des Schülers entfachen – ein Feuer, das den Schüler von innen stärkt und dazu befähigt, sich als positiv wirkende individualität in einer immer komplexer wer-denden Welt einzusetzen. inmitten des welt-weiten Strebens um pädagogische innovation freuen wie uns, diesen Beitrag mit ihnen tei-len zu können.

Detlef Hardorp und Clarence Harveyfür das Comenius EPC-Partnership

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Portfolioarbeit ist eine praktische

Methode um Moti-vation, Denkfähig-keiten und kreative Kräfte von jungen Menschen freizu-

setzen.

1 vgl. Ellen Key: Das Jahr-hundert des Kindes. Wein-heim/Basel. 1900/1992 S. 144, zitiert in http://www.rosejourn.com/index.php/rose/article/viewFile/3/33.

2 Nach dem Pädagogik-professor Jost Schieren in der ersten Ausgabe des online-Journal RoSE vom Januar 2010 http://www.rosejourn.com/index.php/rose/article/viewFile/3/33.

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EPC

Ma

PPE DIE EuroPäIsChE PortfolIo ZE rtIfIkat (EPC) -MaPPE

3 „European Portfolio Certificate“ ist ein einge-tragenes Markenzeichen. Organisationen, die die Mappe benutzen wollen, müssen eine Lizenz der EPC-group erwerben.

4 Formales Lernen: Ler-nen, das in einem organi-sierten und strukturierten Kontext (in einer Einrich-tung der allgemeinen oder beruflichen Bildung oder am Arbeitsplatz) stattfindet, explizit als Lernen bezeich-net wird und (in Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung) strukturiert ist. Formales Lernen ist aus Sicht des Lernenden zielgerichtet und führt im

D ie European Portfolio Certificate (EPC3)- Mappe dokumentiert formales, nicht-

formales und informelles Lernen4 bezüglich Kenntnissen, Fähigkeiten, Einstellungen und Kompetenzen5. Als Sammlung von Zertifika-ten und anderen Dokumenten, die Zeugnis über die Leistungen des Schülers ablegen, kann die Mappe selbst als ein Portfolio ange-sehen werden – als ein Zeugnis- oder Zertifi-kat Portfolio. Wenn sich ein in dieser Mappe gezeigtes Zertifikat auf eine Portfolioarbeit als Unterrichts- und Assessmentmethode be-zieht, wird es Portfolio-Zertifikat genannt. Die EPC-Mappe ist also ein Zeugnis- oder Zertifi-kat Portfolio und enthält Portfolio-Zertifikate.

Die EPC-Mappe wird als Zeugnis-Portfolio für Schulabgänger ausgestellt, die mindestens ein bewertetes Portfolio oder ein Portfolio-Zer-tifikat fertig gestellt und die einen Abschluss auf dem EQF6 Level 2 oder höher erworben haben. Verlässt ein Schüler die Schule ohne Abschluss, so kann er dennoch eine Mappe er-halten, wenn sie den EPC-Standards entspricht und der Schüler mindestens 15 Jahre alt ist.

in diesem Fall wird empfohlen, dass die aus-stellende Schule eine Ausbildungsempfehlung auf der Grundlage eines Kompetenz-Profils ausstellt.

Die EPC-Mappe besteht aus drei Teilen und umfasst: Teil I: Schulabgangszeugnisse der Schule oder anderer Einrichtungen (z.B. Diplome, Textzeugnisse usw., die im linken innenflügel der Mappe eingesteckt werden).

Teil II: Dokumente von Lernergebnissen, einschließlich Portfolio-Dokumente und Port-folio-Zeugnisse und andere Zertifikate, nach Wahl des Schülers (diese werden in der Mitte gesammelt).

Teil III: Ein Überblick der pädagogischen Prinzipien der Schule (einzustecken im rech-ten innenflügel der Mappe).

Die folgenden drei Abschnitte stellen diese drei Teile kurz vor. Abschnitt 1.4 beschreibt, wie man mit der EPC-Mappe arbeitet.

in allen europäischen Ländern werden Schü-lern, die die Schule verlassen, Abschlussdoku-mente ausgehändigt, die ihre Leistungen do-kumentieren. Diese werden im Allgemeinen Diplom, Schulabgangszeugnis o.ä. genannt. Sie haben gemeinsam, dass die Leistungen des Schülers durch Noten oder andere indi-katoren bewertet werden, entsprechend dem jeweiligen nationalen/regionalen Benotungs- und Beurteilungssystem, und dass diese Do-kumente ihre Bedeutung erhalten durch die Schule selbst oder einer autorisierten Orga-nisation wie eines anerkannten awarding bodies. Die Grundidee ist, eine objektive Be-

urteilung der Leistungen des Schülers durch eine externe Bewertung und anerkannte Zer-tifizierung zu gewährleisten. Dokumente die-ser Art enthalten daher üblicherweise keine Selbstevaluation des Schülers. Den Wert be-stimmt ausschließlich die externe Beurteilung durch Dritte.

Schulabgangszeugnisse spielen eine ent-scheidende Rolle bei der Bewerbung um eine berufliche oder akademische Ausbildung. Obwohl weiterbildende institutionen und hö-here Bildungsstätten zunehmend mehr infor-mationen ersuchen, die einen tieferen Einblick

1.1 Teil I - Schulabgangszeugnisse und Zertifikate anderer Einrichtungen

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Um das Zeugnis-Portfolio des Schülers im mittleren Teil der PC-Mappe besser zu ver-stehen, werden dem Leser zusätzliche infor-mationen über den pädagogischen Kontext bereitgestellt, in welchem der inhalt der Zeugnis-Mappe zustande kam. Dazu ist ein Faltblatt im rechten innenflügel der EPC-Mappe eingesteckt, das einen Überblick über

die pädagogischen Grundlagen der ausstel-lenden Schule gibt. Darüber hinaus kann die Schule Unterlagen zu ihrem speziellen Profil oder dem Profil ihrer nationalen Organisation hinzufügen.

ist die Schule eine Waldorfschule, enthält das Faltblatt die folgende Erklärung:

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DIE EuroPäIsChE PortfolIo ZE rtIfIkat (EPC) -MaPPE

Allgemeinen zur Validie-rung und Zertifizierung.

Nicht-formales Lernen: Bezeichnet Lernen, das in planvolle Tätigkeiten einge-bettet ist, die nicht explizit als Lernen bezeichnet wer-den (in Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernför-derung). Nicht-formales Lernen ist aus Sicht des Lernenden beabsichtigt.Anmerkungen:• Die Ergebnisse des nicht-formalen Lernens können validiert und zertifiziert werden.• Nicht-formales Lernen wird auch als halb struktu-riertes Lernen bezeichnet.

Informelles Lernen: Lernen, das im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familien-kreis oder in der Freizeit stattfindet. Es ist in Bezug auf Lernziele, Lernzeit oder Lernförderung nicht organisiert oder struktu-riert. informelles Lernen ist in den meisten Fällen aus Sicht des Lernenden nicht ausdrücklich beabsichtigt.Anmerkung:• Die Ergebnisse des informellen Lernens führen zwar normalerweise nicht zur Zertifizierung, können jedoch im Rahmen der An-erkennung zuvor erworbe-ner Kenntnisse aus anderen Lernprogrammen validiert und zertifiziert werden.• Informelles Lernen wird auch als Erfahrungslernen bezeichnet.

in die Lernergebnisse des Bewerbers geben, wie es die Dokumente im mittleren Teil der EPC-Mappe tun, wird noch immer erwartet,

dass offizielle Qualifikationen vorgelegt wer-den. Diese sind im linken innenflügel der EPC-Mappe zu finden.

Der mittlere Teil der EPC-Mappe gehört dem Schüler. Aus einer unter Umständen sehr großen Vielfalt von Dokumenten, die Lern-ergebnisse belegen, wählt der Schüler die Unterlagen für seine EPC-Mappe aus, die er zu dem spezifischen Anlass für geeignet und angemessen hält. Der mittlere Teil kann daher formale, nicht-formale und informelle Lern-ergebnisse enthalten (siehe Anhang 6.3 mit Beispielen für die Dokumentation von Lern-ergebnissen). Damit wird der Tatsache Rech-nung getragen, dass informelles Lernen einen beträchtlichen Teil des Lernspektrums des Schülers ausmachen kann. Schließlich enthal-ten diejenigen Dokumente, die auf Portfolio-arbeit basieren, zusätzlich eine Selbstreflexion und - bewertung des Schülers, wodurch ver-schiedenen Kompetenzen, insbesondere aber die Lernen-zu-Lernen-Kompetenz, die für alle Entwicklung unverzichtbar ist, aufgezeigt werden.Ein Portfolio-Dokument besteht aus vielen verschiedenen Teilen, die sich in Größe, Um-

fang und Detail unterscheiden können, ab-hängig vom Portfolio-Projekt und davon, ob es sich um das Portfolio selbst oder um das dazugehörige Portfolio-Zertifikat handelt. Die Grundelemente sind: formale Aspekte, eine Projektbeschreibung, das Assessment des Schülers (Rückblick, Reflexion und Bewertung) und wo nötig, ein Assessment des Tutors, Pro-jektleiters oder einer anderen Fachperson; sol-che Kommentare oder Assessments können die des Schülers auf einfache Weise ergänzen (weitere Details siehe Anhang 6.1). Portfolio-basiertes Assessment weist auf Kompetenzen hin, motiviert zum Lernen durch das Aufzei-gen individueller Stärken und regt zu Selbstre-flexion und Unternehmensgeist7 an, wodurch die individuelle Dimension des lebenslangen Lernens gestärkt wird.

Der mittlere Teil der EPC-Mappe soll die Kom-petenzen und die Persönlichkeit des Schülers in dem Maße widerspiegeln, wie dies der Schüler es zeigen möchte.

1.2 Teil II - Das EPC-Portfolio des Schülers enthält Dokumente zu Lernergeb-nissen, die Portfolio-Dokumente, Auszeichnungen und Zertifikate umfassen.

1.3 Teil III Überblick über die pädagogischen Prinzipien der Schule

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Die drei o.g. Definitionen stammen aus der CEDEFOP Veröffentlichung „Validie-rung nicht-formalen und informellen Lernens in Europa. Momentaufnahme 2007“, p 45f, zu beziehen bei www.cedefop.europa.eu/EN/Files/4073_de.pdf.

5 Als ‚Fertigkeiten’ (skills) werden kognitive (logi-sches, intuitives und krea-tives Denken umfassende) oder praktische (handwerk-liches Geschick und den Gebrauch von Methoden, Materialien, Werkzeugen und instrumenten umfas-sende) Fähigkeiten bezeich-net. ‘Kompetenz’ heißt die nachgewiesene Fähigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten und persönliches, soziales und/oder methodisches Können anzuwenden. Kompetenz ist auf der Grundlage von Verantwort-lichkeit und Autonomie zu beschreiben (vgl. Annex zu “Recommendation of the European Parliament and of the Council of 23 April 2008 on the establishment of the European Quali-fications Framework for lifelong learning”,http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2008:111:0001:0007:EN:PDF).

6 „EQF“ bedeutet „Eu-ropean Qualification Framework“ (auf Deutsch „Europäischer Qualifikati-onsrahmen“ oder EQR). Der EQF/EQR wurde vom Eu-ropäischen Parlament und

Die Pädagogik will den jungen Menschen eine auf Erfahrungen beruhende Vorbe-reitung auf eine aktive Teilnahme an der Gesellschaft bieten. Sie will zu fortlaufen-dem Lernen, Selbsterfahrung und der Erforschung der Welt anregen.

Der pädagogische Ansatz ist ganzheitlich, künstlerisch und fantasievoll, fächerver-bindend und fächerübergreifend8.

Ein wichtiger Akzent liegt auf der Aneignung vielseitiger, relevanter Fähigkeiten, der Entwicklung vielfältiger Kompetenzen und einer sinnvollen, positiven Einstel-lung zum Lernen.

Die Waldorfschule fördert integration und Gleichberechtigung in Hinsicht auf Ge-schlecht, Nationalität, Religionszugehörigkeit oder Glauben, ethnische Zugehö-rigkeit sowie soziale Herkunft. Schulen und Kindergärten kümmern sich um die individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten des Einzelnen und bieten im Rahmen ihrer Möglichkeiten zusätzliche Lernangebote für Kinder und Jugendliche mit be-sonderen Bedürfnissen.

Die grundlegenden Bausteine in der Erziehung junger Menschen sind die Entwick-lung des rationalen, logischen Denkens, die Entwicklung der Fähigkeiten des so-zialen und emotionalen Lernens und die Bereitstellung von Möglichkeiten, sich praktisch in der Welt zu engagieren. Dazu gehört auch, die Jugendlichen zu er-muntern, Lebens- und Sinn-Fragen zu stellen und mit ihnen zu leben.

Lehrplan und pädagogischer Ansatz zielen auf ein ausgewogenes Verhältnis zwi-schen Weite der inhalte und detailgenauem analytischen Denkansatz im ganzen Spektrum der Fächer und Lehrplaninhalte.

Künstlerische Ansätze des Lehrens und Lernens und die Förderung von interesse und einer Fragehaltung werden als kraftvolle Entwicklungsfaktoren im Leben und in der Erziehung junger Menschen betrachtet.

Fremdsprachen werden ab der ersten Klasse unterrichtet. Die Entwicklung und der Gebrauch der verschiedenen Technologien unserer Ge-

sellschaft werden in Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fächer, einschließlich der Natur- und Sozialwissenschaften, behandelt. Der gekonnte Umgang mit in-formations- und Computertechnologie wird als wichtige Fähigkeit angesehen und soll von der Pubertät an gezielt eingeführt und entwickelt werden.

Die Natur und die Wissenschaften werden von beobachtenden und theoretischen Perspektiven aus angegangen.

Für Schüler der Oberstufe sind Veränderungen im Lernstil, im Lernangebot und in der Lernweise Schlüsselelemente des Lernprozesses und der pädagogischen Er-fahrung. Diese Elemente werden durch angeleitetes Lernen in den Kernfächern, durch selbständige Projekte und Portfolioarbeit sowie Praktika im Berufsleben und in sozialen Einrichtungen angeregt und unterstützt. Durch diesen Lern- und Ent-wicklungsprozess beginnt der junge Mensch seine Selbsteinschätzung, eine reflek-tierte Urteilsfähigkeit, persönliche Verantwortungsbereitschaft und ein selbstbe-stimmtes moralisches Verhalten zu entwickeln.

(Für die vollständigen „Ziele und Grundsätze“ siehe die Website des European Coun-cil for Steiner Waldorf Education www.ecswe.org)

Erklärung von Zielen und Grundsätzen der Steiner Waldorf Bildungseinrichtungen in Europa vom Mai 2009 (Auszug)

EPC-MaPPE

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Rat am 23. April 2008 übernom-men. Der EQR ermutigt Länder, ihre Qualifikationssysteme oder -rahmen bis 2010 auf den EQR zu beziehen und zu gewährleisten, dass sich alle neuen Qualifikationen, die ab 2012 erteilt werden, auf das geeignete EQR-Niveau beziehen.

Das Kernstück des EQR sind acht Bezugsrahmen, die beschreiben, was ein Lernender weiß, versteht und in der Lage ist zu tun - die „Lernergeb-nisse“. Die Niveaus der nationalen Qualifikationen werden auf einem der zentralen Referenzniveaus, vom Grundniveau (Niveau 1) bis zum fortgeschrittenem Niveau (Niveau 8), aufbauen. Der Vergleich zwischen nationalen Qualifikationen wird dadurch wesentlich einfacher. Dies soll verhindern helfen, dass Lernen-de den gleichen Lerninhalt wieder-holt lernen müssen, wenn sie in ein anderes Land umziehen.

Der EQR gilt für alle Arten von allgemeiner und beruflicher Bildun-gen und Qualifikationen, von der schulischen über die akademische bis zur beruflichen Bildung. Das System verlagert den Akzent von der traditionellen Vorgehensweise, die Rahmenbedingungen wie Lerndauer oder Art der Einrichtung in den Mit-telpunkt stellt. Zudem ermutigt es zu lebenslangem Lernen, indem es die Validierung von nicht formalem und informellen Lernen fördert. (Text zitiert von http://ec.europa.eu/education/lifelong-learning-policy/doc44_de.htm)

Einige Beispiele: Der Mittlerer Schulab-schluss und englische GCSEs sind auf EQF Niveau 3; Abitur, Matura, A-levels und Baccalaureate sind auf EQF Ni-veau 4; B.A. ist auf EQF Niveau 6 und eine Promotion ist auf EQF Niveau 8.

7 „Unternehmungsgeist hat eine aktive und eine passive Komponente: er umfasst einerseits die Neigung, Ver-änderungen selbst herbei-zuführen, und andererseits die Fähigkeit, Neuerungen, die von außen kommen, zu begrüßen, zu unterstützen und sich ihnen anzupas-sen. Unternehmungsgeist umfasst die Übernahme von Verantwortung für die eigenen Taten, positive und negative, das Entwickeln strategischer Visionen, das Setzen und Erreichen von Zielen, und die Motivation, erfolgreich zu sein.“ (Aus „Key Competences for Life-long Learning. A European Reference Framework”, November 2004)

8 ‚Fächerverbindender und -übergreifender Unterricht’ geschieht, wo Lehren und Lernen zu einem bestimm- ten Thema außerhalb der eigentlichen Fachstunden, in anderen Unterrichten oder Epochen, wieder auf-tauchen oder fortgeführt werden. Zum Beispiel kann das Thema ‚Heimatkunde’ in Musik, Malen und Eng-lisch am selben Tag oder an anderen Schultagen wieder aufgegriffen werden. Elkind (1999) erwähnt dieses Konzept des ‚fächerver-bindenden und -über-greifenden Unterrichts’ in einer Diskussion über die post-moderne Qualität der Waldorfpädagogik.

Weltweit gibt es ca. 1000 Waldorfschulen, 680 davon in Europa (2010). Mehr informationen können auf den Websites der nationalen Vereini-gungen gefunden werden:

BELGIË | www.steinerscholen.be

ČESKÁ REPUBLIKA | www.iwaldorf.cz

DANMARK | www.rudolfsteinerskoler.dk

DEUTSCHLAND | www.waldorfschule.de

ESPAÑA | www.colegioswaldorf.org

FINLAND | www.steinerkoulu.fi

FRANCE | www.steiner-waldorf.org

ITALIA | www.educazionewaldorf.it

LUXEMBOURG | www.waldorf.lu

MAGYARORSZÁG | www.waldorf.hu

NEDERLAND | www.vrijescholen.nl

NORGE | www.steinerskolen.no

ÖSTERREICH | www.waldorf.at

POLSKA | www.ozs-waldorf.neostrada.pl

ROMÂNIA | www.waldorf.ro

ROSSIJA | www.waldorfass.ru

SCHWEIZ | www.steinerschule.ch

SLOVENIJA | www.waldorf.si

SLOVENSKO | www.iwaldorf.sk

SVERIGE | www.waldorf.se

UKRAÏNA | www.waldorf.in.ua

UNITED KINGDOM | www.steinerwaldorf.org.uk

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12

1.4 Checkliste zum Gebrauch der EPC-Mappe

ChECklIstE

Die Einführung und der Gebrauch der EPC-Mappe ist grundsätzlich einfach. Trotzdem empfehlen wir den ver-antwortlichen Lehrern und Tutoren die folgenden Schrit-te sorgfältig einzuhalten:

1. Lesen Sie das EPC-Benutzer-Handbuch sorgfältig und gründlich.2. Sorgen Sie dafür, dass die Schüler berechtigt sind, die EPC-Mappe

zu benutzen: Haben sie mit Portfolio gearbeitet? Wenn nicht, dür-fen Sie die EPC-Mappe nicht aushändigen, bevor nicht wenigstens eine Portfolioarbeit gemacht wurde, entsprechend den Portfolio-Standards in Abschnitt 2.2.

3. Wenn die Schüler mit Portfolio gearbeitet haben, stellen Sie sicher, dass die Qualität der Portfolios ausreicht, um von der Schule zer-tifiziert zu werden; Hierzu müssen die Standards in Abschnitt 2.2 des Benutzer-Handbuchs eingehalten werden. Trifft dies zu, kann fortgefahren werden. ist das nicht der Fall, überprüfen Sie, ob es möglich ist, die Portfolios - den Standards entsprechend - nachzu-arbeiten. Ein European Portfolio Certificate darf nur dann ausge-stellt werden, wenn die Portfolio-Arbeit den Standards genügt.

4. Die Portfolio Certificates müssen von Schülern und Tutoren ge-schrieben werden. Schüler, Tutor und ein Schulvertreter müssen überprüfen, ob die EPC-Standards für Portfolio-Certifikates einge-halten wurden (siehe Abschnitt 3.2 des Benutzer-Handbuchs). Erst dann darf das Portfolio Certificate unterschrieben und gestempelt werden. Andernfalls muss das Zertifikat entsprechend modifiziert werden.

5. Formatieren Sie ihren Schulabschlussbericht, Diplom, Zertifikat usw. (siehe 1.1) so, dass er in die EPC-Mappentasche im linken innenflügel passt.

6. Stellen Sie sicher, dass die korrekten Merkblätter im rechten innen-flügel eingesteckt sind.

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7. informieren Sie ihre Schüler hinsichtlich des mittleren Teils der Mappe:

a. Ermutigen Sie da, wo es sinnvoll ist, zum Gebrauch der Portfolio-Zertifikate (im All-gemeinen wird die Mappe durch viele voll-ständige Portfolios zu mühsam zu lesen).

b. Helfen Sie den Schülern Dokumente infor-mellen Lernens zu erkennen, die vielleicht geeignet sind.

c. Helfen Sie den Schülern besondere Akti-vitäten nicht-formalen Lernens innerhalb der Schule, die zertifiziert werden könn-ten, zu finden. Sie müssen nicht unbedingt Portfolio-bezogen sein (siehe Anhang 6.3 für eine Liste eventueller Tätigkeiten). Hel-fen Sie mit den Zertifikaten wie oben be-schrieben.

d. Beraten Sie die Schüler oder helfen Sie bei der künstlerischen Gestaltung der inneren Mappe zum Sammeln der Zertifikate oder Portfolios (eine künstlerisch gestaltete in-nenmappe könnte einen guten Eindruck hinterlassen, wenn sie in einem Bewer-bungsgespräch präsentiert wird.)

e. Beraten Sie oder helfen Sie beim Entwi-ckeln eines Kompetenzassessments für Schüler, die dies wünschen. Beachten Sie die fünf Schritte der Abschnitte 4.2 und 4.4 und geben Sie entsprechend Rat bei dem Kompetenzassessment. Helfen sie dem Schüler zuerst festzulegen, in wel-che Richtung sein Kompetenzassessment

gehen soll und dann die entsprechenden Tätigkeiten, auf denen das Assessment beruhen soll, auszuwählen.

8. Stellen Sie sicher, dass die Schule genü-gend EPC-Mappen für alle Schulabgänger bestellt hat (und eventuell auch genügend innenmappen). Die Comenius Partner-schaft, die die EPC-Mappe entwickelt hat, möchte betonen, dass allen Schülern, die die Bedingungen dafür erfüllen, ab EQF-Niveau 2 und höher (siehe Abschnitt 1) eine EPC-Mappe ausgegeben werden soll-te.

9. Um den Wert und die Wichtigkeit des EPC als Schulabgangs bzw. Schulabschluss-dokument zu unterstreichen, sollte es im Rahmen einer feierlichen Handlung über-geben werden.

10. Planen sie Portfolio Tätigkeiten gut im Vo-raus für das nächste Schuljahr, um die Teil-nahme von Lehrern, Schülern und Eltern sicher zu stellen.

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Port

folI

o PortfolIo als untErrIChts- u nD assEssMEntMEthoDE

9 Paulson et al „What makes a portfolio a portfo-lio?” in Educational Leader-ship 48/1991, Ausgabe 5, S. 60 - 63

S chulen sollten in der Portfolio-Arbeit so

frei wie möglich sein, was natürlich zu

sehr unterschiedlichen Portfolioergebnissen

führen wird. Trotz der zu erwartenden gro-

ßen Vielfalt, die gleichzeitig ein Merkmal der

Portfolioarbeit ist, sollten die Portfoliodoku-

mente in der EPC-Mappe dennoch dieselben

Grundzüge zeigen. Dies wird durch Überein-

stimmung mit den grundlegenden Standards

gewährleistet (siehe 2.2).

Wie schon in Kapitel 1 erwähnt, kann die EPC-

Mappe als eine Sammlung von Zeugnissen

oder anderen Dokumenten angesehen wer-

den, die die vom Schüler zusammengestell-

ten Lernergebnisse präsentiert. Es stellt sich

die Frage, warum mindestens eine Portfolio-

Arbeit Bedingung für den Gebrauch der EPC-

Mappe sein soll. Die folgenden Abschnitte

versuchen, die Beweggründe hierfür darzule-

gen, indem sie die grundlegenden Merkmale

von Portfolio beschreiben. Zu diesem Zweck

sollen die fünf häufigsten Fragen zu Portfolio

beantwortet werden.

1. Wofür steht Portfolio?Ursprünglich war ein Portfolio eine Akten-

mappe, die wertvolle Papiere wie Aktien und

Wertpapiere enthielt. in der Pädagogik ist

die Bedeutung des Begriffs ’Portfolio’ vielfäl-

tig: es kann sich auf ein wichtiges Dokument

oder eine Dokumentenmappe beziehen oder

auf eine Unterrichts- und Assessmentmetho-

de oder sogar auf ein Prinzip. im Bildungsbe-

reich wird die Bandbreite des Portfoliobegriffs

oft nicht leicht erfasst, besonders von denje-

nigen, die noch nicht mit Portfolio gearbeitet

haben. Portfolio ist beides, Prozess und Pro-

dukt, Weg und Ziel, Tool und Toolbox, Me-

thode und Prinzip (vgl. die Beispiele der ver-

schiedenen Portfolio-Typen im Anhang 6.1)

im Allgemeinen kann Portfolio-Arbeit defi-

niert werden als:

„... eine sinnvolle Sammlung von Schülerar-beiten, die die Bemühungen des Schülers, seine Fortschritte und Leistungen auf einem oder mehreren Gebieten dokumentiert. Die Sammlung muss die Beteiligung des Schülers bei der Auswahl von Inhalten, den Auswahl-kriterien, den Kriterien zur Bewertung des Erfolges und eine Selbstreflexion des Schü-lers zeigen.“9

Auswahl, Dokumentation, Assessment und

Selbstassessment, Evaluation und Selbstbe-

teiligung sind grundlegende Elemente des

Portfolios. So zeigt Portfolio-Arbeit, dass der

Schüler Materialien, die seine Lernergebnisse

belegen, gesammelt hat, von denen er einige

auswählt, um sie zu präsentieren. Die Schü-

ler-Portfolios und ihre Präsentation sollten

darüber hinaus aufzeigen, dass der Schüler

seine Arbeit einem erfolgreiche Assessment

durch Rückblick, Reflexion und Evaluation

des Prozesses sowie des Ergebnisses unterzo-

gen hat. Schlüsse aus dem Assessment führen

die Schüler schlussendlich zu Bewertungen,

die auch Entscheidungen und Vorsätze über

nächste Schritte und wie sich künftige Tätig-

keiten verbessern lassen können, beinhalten.

2.1 Grundlagen des Portfolio

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PortfolIo als untErrIChts- u nD assEssMEntMEthoDE

Zusammenfassend kann gesagt werden:

Ein Portfolio zeigt, dass ein Schüler an all den

folgenden Tätigkeiten aktiv teilgenommen

hat (die 5 grundlegenden Elemente des Port-folio):

SammelnAuswählenRückblicken, Reflektieren und EvaluierenPräsentierenVorsätze fassen

Für eine detailliertere Beschreibung und eini-

ge Beispiele siehe 2.3 (Checkliste zur Arbeit

mit Portfolio) und Anhang 6.1.

2. Wie funktioniert Portfolio-Arbeit, was muss ich tun?Zu dieser Frage sei insbesondere auf Abschnitt

2.3 (Checkliste der Portfolioarbeit) verwiesen.

Die Beschreibung, wie man Portfolioarbeit

macht, wird natürlich aus Schülerperspektive

etwas anders aussehen als aus Lehrerpers-

pektive. Beide Perspektiven unterscheiden

sich wiederum vom üblichen, selbst organi-

sierten Schülerforschungsprojekt (mit dem

wahrscheinlich alle Lehrer und Schüler ver-

traut sind) dadurch, dass nach dem Erreichen

der Jahrgangsstufe 9 oder 10 der Schüler mit

der Portfolioarbeit die Chance erhält, inhalt

und Methode auszuwählen und dass er ge-

halten ist, auch seinen Lernprozess selbst zu

bewerten und zu dokumentieren. Dies setzt

natürlich voraus, dass dem Schüler angemes-

sene Methoden zur Selbsteinschätzung und

-bewertung altersgerecht vermittelt und mit

dem Lehrer erübt wurden.

Sind die Rahmenbedingungen für die Schüler-

arbeit einmal gesetzt, muss der Lehrer dafür

sorgen, dass der größte Teil der Portfolioar-

beit während der Schulstunden durchgeführt

werden kann, sodass der Lehrer die Möglich-

keit hat, die Arbeit des Schülers entsprechend

seiner individuellen Fähigkeiten und seines

Lerntyps anzuleiten und zu betreuen.

3. Wie wirkt sich Portfolioarbeit auf den Un-terricht aus, warum ist sie eine Unterrichts-methode?Portfolio verändert den Unterricht hinsichtlich

inhalt und Unterrichtsmethode. Normalerwei-

se begrenzt der Lehrer die Unterrichtsthemen

entsprechend einem vorgeschriebenen Lehr-

plan und seinem persönlichen Unterrichtsstil.

Themen, an denen der Schüler besonders

interessiert ist und die er im Unterricht er-

forscht und behandelt haben möchte, sind

im Allgemeinen nicht gefragt und finden nur

in einem sehr begrenzten Maße Eingang in

den normalen Unterrichtsablauf. Der Schüler

wird hauptsächlich als Empfänger des Unter-

richtsangebotes gesehen. Auch Gruppenar-

beit z.B. ändert nicht wirklich die Grundstruk-

tur dieses Unterrichtsansatzes.

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10 „Assessment fürs Lernen heißt jedes Assessment, das so ausgelegt und praktiziert wird, dass die erste Priorität darin liegt, das Lernen von Schülern voran zu bringen. Sie unterscheidet sich also von einem Assessment, das dem Ziel der Nachvollzieh-barkeit, Rangordnung oder Zertifizierung von Kompe-tenzen dient. Ein Assess-mentvorgang kann das Lernen unterstützen, wenn er informationen hervor-bringt, die den Lehrern und ihren Schülern als Feedback dienen können, um sich selbst und sich gegenseitig zu bewerten und die Lern- und Unterrichtstätigkeiten, die sie anwenden, entspre-chend anzupassen. Ein sol-ches Assessment wird zum „formativen Assessment“, wenn die Wahrnehmungen des Lernens tatsächlich dazu genutzt werden, den Unterricht den Lernbedürf-nissen anzupassen.“ Das (übersetzte) Zitat stammt aus Paul Black, Christinie Harrison, Clare Lee, Bethan Marschall und Dylam William: Working inside the Black Box: Asessment for Learning in the Classroom, Phi Delta Kappan, vol. 86, 2004, auf Englisch online bei www.ccsso.org/projects/SCASS/Projects/Formati-ve_Assessment_for_Stu-dents_and_Teachers/Meetings/Oct06/webpages/documents/resources/Rea-ding-Black-Working%20in-side%20the%20Black%20Box-2004.pdf

Wenn mit Portfolio gearbeitet wird, gibt der

Lehrer nur einen Rahmen für die Themen vor,

die Schüler wählen ihr individuelles Thema

selbst. So behandeln die Schüler nicht nur

Material, das der Lehrer ihnen präsentiert,

sondern müssen selbst recherchieren und for-

schen – mit Hilfe des Lehrers und der anderen

Schüler, und das weitgehend während der

Unterrichtszeit, also nicht nur begrenzt auf

Hausarbeit. Umfang und Vielfalt der Fragen

und Themen, die durch Portfolioarbeit in den

Unterricht einziehen, übertreffen bei Weitem

den des gewöhnlichen Unterrichts, was be-

deutet, dass der Lehrer sich auch mit The-

men auseinandersetzen muss, die er selbst

noch nicht beherrscht. Der Lehrer wird zum

Lernenden, der Schüler, zu einem gewissen

Grad, zum Lehrenden.

Damit wird auch deutlich, dass sich Portfo-

lioarbeit auf Forschungs-, Unterrichts- und

Lernmethoden des Schülers und des Lehrers

auswirken. Mit Portfolio wird der Lehrer ten-

denziell seine Unterrichtsform und Stil verla-

gern vom Lehrer-Vortrag hin zur Schüler-An-

leitung und vom Monolog zum Dialog, was

wiederum neue Ansätze für ein produktives

Feedback (bzw. „Feedforward“) ermöglicht.

4. Wie wirkt sich Portfolioarbeit auf das Leis-tungsassessment aus, warum ist sie eine As-sessmentmethode?Außer der Wirkung, die Portfolio direkt auf

das Unterrichten hat, trägt Portfolioarbeit

auch zu einer Erweiterung der Assessments-

methoden von Lehrern und Schülern bei. Der

Schüler, der sich mit Portfolioarbeit beschäf-

tigt, wird seinen eigenen Lernprozess besser

verstehen lernen, wenn er ihn selbst beurteilt

und evaluiert. Der Lehrer gewinnt einen grö-

ßeren Einblick in den Lernprozess eines jeden

Schülers und kann dadurch seine Leistungen

besser wahrnehmen und bewerten.

Unterricht, der auf Dialog ausgerichtet ist,

verbessert auch die Feedback-Kultur, durch

die der Schüler in seiner Teilnahme bestärkt

wird und durch die verstärkt Aufmerksamkeit

gelegt wird darauf, wie ein Schüler lernt und

weniger, was gelehrt wird. Dadurch wird eine

für formatives Assessment und Assessment

fürs Lernen10 fruchtbare Lernumgebung ge-

schaffen. Schüler und Lehrer profitieren von

der Portfolio-Arbeit, weil Lernen und Unter-

richten im Dialog die Bemühungen, Verbesse-

rungen und Leistungen und nicht die Defizite

hervorhebt.

Schließlich hat das Assessment auf Portfolio-

Basis ein großes Potential, Schlüsselqualifika-

tionen sichtbar werden zu lassen, wodurch

individuelle Aspekte lebenslangen Lernen

bestärkt und die Gefahr des Schulversagens

vermindert werden, da schwächere Schüler

von Prüfungen, die klassischerweise nur ko-

gnitive Fähigkeiten abfragen, eher entmutigt

werden. Best-practice Portfoliomethoden

dagegen tendieren dazu, die Lernenden zu

motivieren, weil sie individuelle Stärken er-

kennen lassen und Selbstreflexion und Unter-

nehmungsgeist11 anregen.

PortfolIo

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11 Zum Gebrauch von Portfolio zur Verbesserung des Lernens und Beurteilens von Schülern im Sportun-terricht siehe: Mary Fort-man Kirk, Using Portfolio to Enhance Student Learning & Assessment, JOPERD—The Journal of Physical Edu-cation, Recreation Dance, Vol. 68, 1997.

Portfolio ist eine Assessmentsmethode in dreierlei Hinsicht:

Während der Schüler im Unterricht an seinem Portfolio arbeitet, kann

der Lehrer die Lernprozesse und -ergebnisse des Schülers unmittelbarer

und gründlicher wahrnehmen und bewerten (Lehrerperspektive),

in der Arbeit an einer Portfolioforschungsaufgabe lernt der Schüler,

sein eigenes Lernverhalten und seine Lernergebnisse zu bewerten

(Schülerperspektive)

Das fertige Portfoliodokument schließlich schafft die Grundlage für

ein Assessment durch eine dritte Person (Außenperspektive).

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PortfolIo

2.2 Standards für Portfolioarbeit als Unterrichts- und Assessmentmethode

Um einen Mindeststandard in der Portfo-

lioarbeit bzgl. der Unterrichts- und Assess-

mentkriterien sicher zu stellen, muss die

Portfolio-Arbeit des Schülers, für die ein EPC-

Portfolio-Zertifikat ausgestellt wird, die fol-

genden Minimal-Kriterien erfüllen:

Das Portfolio muss

1. die folgende fünf Haupttätigkeiten des

Schülers umfassen:

Sammeln

Auswählen

Rückblicken, Reflektieren und Evaluieren

Präsentieren

Vorsätze fassen

2. die Auswahlkriterien (was ist als wesent-

lich anzusehen) und die Güte-Kriterien

deutlich nennen (inhaltliche Qualität,

Ausführung und Form, siehe Anhang 6.6

„Qualitätskriterien für Portfoliodokumen-

te, Portfoliopräsentationen und mündliche

Prüfungen’“)

3. eine vom Schüler unterzeichnete Erklärung

der Autorenschaft enthalten.

insbesondere müssen die folgenden charakte-

ristischen Merkmale deutlich erkennbar sein:

4. Die Portfolio-Aufgabea. dient dem Hauptziel, die initiative von

Schülern und Lehrern anzuregen

b. gibt den Rahmen für die Wahl der Aufga-

ben in allen Lernbereichen – formales, nicht-

formales und informelles Lernen – vor

c. soll dem Schüler das Gefühl geben, dass es

sich um „sein“ Projekt handelt.

5. Hinsichtlich des Portfolio-Prozessesd. pflegen Lehrer und Schüler während des

ganzen Projektes ein Bewusstsein für den

Arbeitsprozess

e. besteht ein ständiger Dialog über Sinn und

Zweck, Planung, Methoden und was tat-

sächlich geschieht

f. muss der Lehrer während des Evaluations-

Prozesses mündliches und schriftliches

Feedback geben.

5. Wann funktioniert Portfolio nicht?Portfolio muss behutsam eingeführt und

angewendet werden. Portfolio kann weder

schlechten Unterricht gut machen noch ma-

ximale Unterrichtsergebnisse garantieren.

Zweifellos gibt es viele Fallen im Umgang mit

Portfolio, hier drei grundsätzliche:

a. Der Begriff Portfolio wird missbräuchlich ver-

wendet, wenn die oben genannten Prinzipi-

en missachtet werden, sei es aus Ungeduld,

Unwissenheit oder einfach durch Unver-

ständnis. in letzterem Fall benutzen Lehrer

z.B. den (‚modischen’) Ausdruck Portfolio

für gewöhnliches, lehrerzentriertes Arbei-

ten, wobei sie die eigentliche idee nur nicht

verstanden haben. („Plattitüde Portfolio“).

b. Wenn Portfolio zu Prüfungszwecken ge-

nutzt wird, kann dies zu einem Übermaß

an Standardisierung führen, was dem As-

pekt der Vielfalt, die im Wahlprinzip be-

gründet liegt, widerspricht („Standardisier-

tes Portfolio“)

c. Portfolio wird Schüler völlig überfordern,

wenn alle Lehrer für alle Zwecke und im-

merzu mit Portfolio arbeiten wollen („Over-

kill Portfolio“)

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6. in ihrem Selbstassessment werden die

Schüler dazu ermutigt, die Qualität der Er-

fahrungen zu erforschen, die sie während

des Prozesses gemacht haben. Dazu muss

der Schüler

g. rückblicken aufi. Ziele und Zielsetzungen

ii. Planung

iii. Methoden und

iV. Realisierungen

h. und reflektiereni. was erwartet/unerwartet war

ii. welche Änderungen, gemessen am ur-

sprünglichen Vorhaben, vorgenommen

wurden und warum

iii. welche Fragen während des Prozesses

auftauchten.

7. In der Evaluation und im Vorsätze-fasseni. wird der Schüler formulieren, was er indivi-

duell und/oder in der Gruppe gelernt hat

j. wird der Schüler zum Ausdruck bringen,

was beim nächsten Mal verbessert werden

könnte

k. kann das Portfolio durch eine Ergebnis-

evaluation des Lehrers, oder einer anderen

Fachperson, ergänzt werden.

8. Die Schüler müssen, nachdem sie durch

die Schule über alle Formen des Plagiats

informiert wurden, eine Erklärung unter-

schreiben, in der sie die Autorenschaft

für ihr Portfolio bescheinigen. Liegt ein

schwerwiegendes Plagiat vor, sind alle von

diesem Fall betreffenden Portfolios und

dazugehörigen Zertifikate ungültig.

Entspricht die Portfolioarbeit des Schülers den

oben genannten Kriterien, darf ein European

Portfolio Certificate vergeben werden. Die

Standards und Kriterien für das Zertifikat sind

in Abschnitt 3.2 dieses Benutzer-Handbuchs

zu finden.

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ChECklIstE

20

Der Lehrer oder Tutor entscheidet darüber, ob die Portfolio-Arbeit eines Schülers im Sinne des European Portfolio Certificate für eine Portfolio-Zertifizierung qualifiziert ist oder nicht. Anhand der un-ten aufgeführten Fragen kann dies vom Lehrer oder Tutor über-prüft werden. ist eine Frage positiv beantwortet, kann zur nächs-ten Frage übergegangen werden. ist dies nicht der Fall, so muss der Grund hierfür festgestellt werden: ist etwas nicht vollständig, kann das Fehlende nachgereicht werden?Diese Checkliste hält sich streng an die EPC-Standards, die im vor-herigen Abschnitt 2.2 aufgeführt sind. Ein Portfolio, das anhand dieser Checkliste mit Erfolg geprüft wurde, entspricht dem Stan-dard und kommt für eine Zertifizierung in Frage.

CHECKLISTE (Bemerkungen und Beispiele sind kursiv gedruckt):1. Finden sich die fünf Schülertätigkeiten, die für ein Portfolio er-forderlich sind, in der Schülerarbeit wieder?

a. Gibt es ausreichende Belege für das Sammeln von Forschungsmaterialien/Fakten und Zahlen/Artikel Illustrationen/Photos/Zeichnungen Layoutbeispielen Notizen/Mitteilungen/Briefen Planungsmaterialien/Programmen/Kalendereinträgen Entwürfen von Inhaltsverzeichnis, Einführung, Hauptteils, Zusammenfassung Leitfragen Kommentaren und Feedback von Lehrern/Tutoren/Mitschü-

lern/anderen

b. Gibt es genügend Hinweise, dass der Schüler die Portfolioin-halte nach sinnvollen Kriterien ausgewählt hat, die benennen, was für den Schüler hinsichtlich seiner Portfolioaufgabe von Bedeutung ist (vgl. Anhang 6.6)? Hat der Schüler eine Wahl hinsichtlich Arbeits- und Lernmethoden getroffen?

c. Hat der Schüler auf seine Arbeit zurückgeblickt, reflektiert und diese evaluiert?

Rückblicken darauf, was geplant war/was getan und was ge-lassen wurde / was erreicht wurde?

Reflektieren der Umstände, der Rahmen- bedingungen, die durch den Lehrer, die Klasse, den Schüler selbst, die Eltern oder jemand anderen gegeben waren / der Motivation, des Durch-

2.3 Checkliste für die Arbeit mit Portfolio

haltevermögens, der Geduld/der Fähigkeit angemessen zu kommunizieren / um Hilfe oder Kritik zu bitten und diese zu akzep-tieren / des Zeitmanagements/wichtiger Fertigkeiten und Kenntnisse/der Frage, „Warum habe ich diese Arbeit so und nicht anders gemacht?“

Evaluation der reflektierten Arbeit: wie gut habe ich es gemacht / worauf hätte ich mehr achten sollen / was könnte das nächste Mal besser gemacht werden/was würde ich gerne verbessern und/oder das nächste Mal erreichen?

d. Hat der Schüler sein Portfolio anderen vorgestellt, hatte er die Möglichkeit zur Präsentation? Wurde die Präsentation an-gemessen nachbereitet?

e. Enthält das Portfolio eine Einschätzung mit Blick auf die Zukunft (Vorsätze fas-sen)? ist sie klar im Portfolio festgehalten? (Bemerkung: dies kann Teil der Evaluati-on/Selbst-Evaluation sein)

2. Sind die Kriterien für die Auswahl und Güte der Leistung deutlich aufgeführt und wur-den die Schüler in den Prozess der Kriterien-findung miteinbezogen (vgl. Anhang 6.6) ?

3. Enthält das Portfolio eine vom Schüler un-terschriebene Erklärung zur Autorenschaft und wurden die Schüler angewiesen, wie man Plagiate vermeidet?

4. ist die Portfolio-Aufgabenstellung so ge-staltet, dass

a. das Hauptziel, die Initiative des Schülers an-zuregen, erreicht wurde? (Dies hängt stark von den durch den Lehrer vorgegebenen Rahmenbedingungen und anderen Voraus-setzungen ab. Es kann gelegentlich gesche-hen, dass die Initiativkraft eines Schülers nicht angeregt wird, obwohl die Rahmen-bedingungen dem Schüler potenziell diese Möglichkeit bieten – und umgekehrt.)

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b. die vorgegebenen Rahmenbedingungen eine Wahl der Aufgaben aus allen Lern-bereichen erlauben, d.h. aus formalem, nicht-formalem und informellem Lernen? (Bemerkung: Die Rahmenbedingungen dürfen keine speziellen Lernumgebungen ausschließen – gesundheitsschädigende und gefährdende selbstverständlich aus-genommen.)

c. dem Schüler ein Gefühl vermittelt wird, Projekteigner zu sein?

5. Gibt es indikatoren, dass die gesamte Portfolioarbeit durch einen fortlaufenden Dialog über Ziele und Zielvorgaben, Pla-nungen, Methoden und der tatsächlichen Realisierung begleitet wurde? (Bemerkung: Feedback ist ein herausragender Indikator für Dialog: ohne häufiges Feedback ist ein fruchtbarer Dialog kaum möglich. Wäh-rend des Evaluationsprozesses gibt der Lehrer mündliches und schriftliches Feed-back, vgl. Standards, Abschnitt 2.2.5.)

6. Zeigt die Schülerarbeit, dass der Schüler ermutigt wurde, seine Arbeit selbst zu beurteilen und Erfahrungsqualitäten wäh-rend des Projektablaufes wahrzunehmen? Wurden inhalte und Methoden, der Ar-beitsprozess und das Ergebnis – das Port-folio – vom Schüler angemessen nachbe-reitet und reflektiert (vgl. auch 1c, weiter oben)? insbesondere sollte der Schüler:

a. rückgeblickt haben auf Ziele und Zielvorgaben: was wa-

ren meine unmittelbaren Ziele / was hat mich interessiert / was wollte ich lernen und erfahren / welche Fertigkeiten und welche Kenntnis-se wollte ich mir aneignen / wo wollte ich frühere Fehler, schlechte Angewohnheiten usw. verbessern bzw. korrigieren / wollte ich mir selbst etwas beweisen?

Planung: was waren meine ursprünglichen Pläne (was, wann, wo und wie) und wie entwickelten sie sich / gab es Änderun-gen, wodurch wurden sie verursacht?

die Methoden, die während der Portfolioarbeit angewandt wurden: d.h. Methoden bzgl. Lernen, Forschen, Dokumen-tieren, Verschriftlichen und Formulieren, Zusammenfassen, Il-lustrieren, Layouten, Kommunizieren, Präsentieren, Feedback gegenüber Lehrern und Mitschülern geben.

b. reflektieren bzgl. (vgl. auch 1.c) was erwartet/unerwartet war: was habe ich von meiner Ar-

beit erwartet, was wollte ich erreichen oder nicht erreichen? / was sollte geschehen oder nicht geschehen? / was haben Lehrer, Mitschüler, Freunde, Lehrer erwartet von meiner Ar-beit? Was kam unerwartet: zusätzliche Herausforderungen? / Probleme und problematische Umstände? / Realisierungen oder Pannen? / Hilfe von unerwarteter Seite?

warum die im Rückblick festgestellten Änderungen gemacht wurden

der Fragen, die sich während des Prozesses ergaben: d.h. Wa-rum mache ich das? / Warum muss ich mich an mein Vorha-ben halten? Was sollte ich bei meinem Vorhaben aus- oder einschließen bzgl. Inhalt, Methode, Zeitmanagement? Könn-te meine Arbeit sonst noch jemandem nützen? / Welchen Rat kann ich meinen Mitschülern weitergeben?

7. Evaluation und Einschätzung: hat der Schüler

a. f ormuliert, was er selbst und/oder in der Gruppe gelernt hat: d.h. Rückblick und Reflexion resümiert bzgl. Inhalt und Methode?

b. Verbesserungsvorschläge für die Zukunft gemacht und Vor-sätze gefasst?

Wie schon in den Standards (vgl. 2.2) angemerkt, kann das Port-folio des Schülers durch die Ergebnisevaluation des Lehrers oder eine andere Fachperson ergänzt werden.

8. Das Portfolio des Schülers muss eine Erklärung zur Autoren-

schaft enthalten, die vom Schüler unterzeichnet ist. Er muss

vorher von der Schule über alle Formen des Plagiats und des-

sen rechtliche Folgen aufgeklärt worden sein. im Falle vorsätz-

lichen Plagiats sind das Portfolio und das Zertifikat ungültig.

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CEr

tIfI

Ca

tEs EuroPEan PortfolIo CErtIfIC atEs

Ein European Portfolio Certificate zertifiziert, dass

eine vorliegende Portfolioarbeit den EPC-Stan-

dards entspricht und gibt einen Überblick über

den inhalt des Portfolio und sein Assessment.

Das EPC-Zertifikat wird von der Schule ausge-

stellt und zertifiziert formale und nicht-forma-

le Portfolio-Arbeit des Schülers.

Ein European Portfolio Certificate muss die folgenden Standards erfüllen:

Die EPC-Mappe wurde entwickelt, um die spe-zifischen Leistungen eines Schülers im Bereich vielseitiger Lernergebnisse zu dokumentieren (formale, nicht-formale und informelle). Es wird entweder ein bestimmtes Arbeitsstück selbst gezeigt – wenn es von seinen Maßen her in die Mappe passt – oder es wird in einem Zertifikat beschrieben und qualitativ bewertet. Wenn die Arbeit ein Portfolio ist (und nur in diesem Fall), wird das Zertifikat Portfolio-Zertifikat ge-nannt. Andere Leistungen und Lernergebnisse, die nicht auf einem Portfolio basieren, können selbstverständlich auch durch die Schule zerti-fiziert werden und Teil der Portfoliomappe sein (siehe Anhang 6.4). Um ein breitgefächertes Spektrum an Lernergebnissen präsentieren zu können, macht es daher Sinn, die Zertifikate selbst – statt der originalen Arbeitsstücke – in der Mappe zu sammeln.

Um ein lebendiges und angemessenes Bild des Arbeitsstücks oder des Portfolios zu ge-ben, muss das Zertifikat folgende Merkmale aufweisen: 1. Eine Beschreibung der pädagogischen

Aufgabenstellung (Portfolio ist dabei ein Teil dieser Aufgabe). Diese Beschreibung liefert die Schule (der Lehrer)

2. Eine Beschreibung des bestimmten Projek-tes, das der Schüler durch Portfolio doku-mentiert. Diese Beschreibung liefert der Schüler so weit ihm das möglich ist, er kann dabei durch den Lehrer unterstützt werden.

3. Das Selbstassessment des Schülers (Rück-blick und Reflexion)

4. Die Evaluation des Projektes5. Klar definierte formale Aspekte.

Diese Merkmale sind im folgenden Abschnitt (3.2) detailliert beschrieben.

STANDARDS ERLäUTERUNGENDie Texte des European Portfolio Certificates müssen den hier beschriebenen Standards entsprechen

1. Die schulischen Rahmenbedingungen der pädagogischen Aufgabenstel-lung werden von der Schule, dem Lehrer oder Tutor beschrieben.

Die Beschreibung muss angeben, ob das Projekt verpflichtend oder freiwillig war den spezifischen Schwerpunkt des Projektes hinsichtlich inhalt, Metho-

de und pädagogischem Ziel benennen und Hinweise auf entsprechende Kenntnisse, Fertigkeiten, Einstellungen und Kompetenzen, die infolge des Projektes angeeignet werden können, enthalten

Die Schulen liefern eine Beschreibung in-sofern die Rahmenbedingungen durch die Schule definiert sind. Die Beschreibung durch die Schule kann einerseits entfallen, wenn der Schüler selbst die Rahmenbe-dingungen vorgibt, andererseits auch sehr detailliert sein und die pädagogische Ziele enthalten.

3.1 Zielsetzung der European Portfolio Certificates

3.2 Standards des European Portfolio Certificate

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EuroPEan PortfolIo CErtIfIC atEs

STANDARDS ERLäUTERUNGEN

2. Der Schüler macht eine Projektbeschreibung (so weit ihm das möglich ist), die die folgenden Punkte enthält:

Name und Thema des Projektes Wo, wann und wie lange es stattgefunden hat Zielvorgaben des Schülers unter besonderer Berücksichtigung der Grün-

de für die Wahl des Themas Ambitionen und Erwartungen des Schülers hinsichtlich der Kenntnisse,

der Fertigkeiten, Einstellungen und Kompetenzen, die er erwerben will

3. Das Selbstassessment des Schülers umfasst Rückblick: was habe ich geplant, was hat tatsächlich stattgefunden? Reflexion: Analyse der ursprünglichen Erwartungen, der Pläne und Hand-

lungen, vorzugsweise unter Berücksichtigung verschiedener Standpunkte

4. Der Schüler schreibt seine Evaluation selbst, so weit ihm das möglich ist. Besonders Schüler, die die Schule nach Klasse 12 verlassen, werden dazu ermutigt. Dabei müssen sie frühere Feedbacks anderer Evaluatoren mit einbeziehen (durch Lehrer, Projektleiter usw.), denen sie aber nicht zu-stimmen müssen. in jedem Fall kann die Fremdbewertung entweder ein-fach nur Zustimmung ausdrücken oder auch Kommentare hinzufügen, eine eigenständige Bewertungen sein oder eine Mischung aus alledem. Der Fremdevaluator (Lehrer, Tutor oder fachkompetente Person) muss sicherstellen, dass es sich in dem Zertifikat um eine vollständige Bewer-tung handelt.

Die Evaluation enthält: eine Beschreibung dessen, was evaluiert werden soll. die Beurteilungskriterien eine Beschreibung der beobachteten Fähigkeiten eine Beschreibung der Kompetenzen, sofern der Schüler damit

einverstanden und am Prozess beteiligt ist eine kritische Einschätzung des Schülers mit Schlussfolgerungen auf

zukünftige Tätigkeiten und Vorsätze

5. Formale Aspekte: vollständiger Name, Geburtsdatum und -ort, Klassenstufe des Schülers Name der Schule Schuljahr und Datum Unterschrift des Schülers unter der Beurteilung Unterschrift der anderen bewertenden Person

(Fremdevaluator, Lehrer oder Tutor) unter der Beurteilung Schulstempel und Unterschrift eines Schulvertreters, der nur unterzeich-

net, wenn alle oben genannten Standards eingehalten wurden

Auch bei detaillierter Beschreibung der Rah-menbedingungen wie in 1) hat jeder Schüler seine individuelle Lernbiographie, die von den Ambitionen, Erwartungen, Standpunk-ten, interessen, Desinteressen usw. geprägt ist. Die Projektbeschreibung sollte hervorhe-ben, was in der individuellen Lernbiographie tatsächlich geschah.

Hier liegt der Schwerpunkt auf Rückblick auf den Lernprozess selbst, der zur Reflexion der Tätigkeiten des Schülers führt.

Die Evaluation sollte die Qualität der Schü-lertätigkeiten und -leistungen wiedergeben und so zuverlässig, vergleichbar und trans-parent wie möglich sein. Der Evaluations-prozess schließt mündliches und schriftliches Feedback mit ein; dies soll zu einem lebendi-gen und vielfältigen Bild führen, wie es mit dem Triangulationsprinzip erreicht werden kann (vgl. 6.5).

Der Lehrer oder Tutor stellt sicher, dass das Zertifikat die Standards vollständig erfüllt und unterschreibt die Evaluation. Das Zerti-fikat wird darüber hinaus auch von einem offiziellen Schulvertreter unterzeichnet, der die formale Richtigkeit des Dokuments be-stätigt.

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ChECklIstE

Für das EPC-Konzept ist es unerlässlich, dass die Schüler aktiv am

Lernen und Bewerten teilnehmen und Verantwortung für die Do-

kumentation ihrer Lernergebnisse übernehmen. Diese Fähigkeiten

müssen gelernt und erübt werden. Der Lehrer, der Portfolio als

Unterrichts- und Assessmentmethode einsetzt, wird die Schüler

beim Erwerb dieser Fähigkeiten anleiten und unterstützen, da-

mit sie die Aufgaben, die im Benutzer-Handbuch skizziert sind,

erfolgreich durchführen können. Je nach Alter, Reife und Erfah-

rung, wird der Schüler fähig sein, selbst oder mit Hilfe eines Tutors

oder Lehrers die Ziele, Methoden und Ergebnisse des Projektes zu

beschreiben und eine treffende Auswertung (Rückblick, Reflexion

und Evaluation) zu verfassen. Zusätzliche Aussagekraft kann die

Auswertung durch die Triangulation bekommen (vgl. 6.8).

Die für das Ausstellen von EP-Certificates verantwortlichen Lehrer

und Tutoren mögen wie folgt verfahren:

1. Beraten Sie die Schüler, sich während der

Portfolio-Arbeit darin zu üben, ihre Ar-

beitsfortschritte schriftlich festzuhalten

und sich auf die im Portfoliozertifikat ver-

langten Aspekte zu konzentrieren.

2. Üben Sie mit den Schülern die Fertigkeit,

das Wesentliche des Portfolios zusammen-

zufassen (vgl. 3.2: Standards 2 bis 4).

3. Die Form des Zertifikats sollte beiden An-

sprüchen genügen: einerseits kann die

Schule ein einheitliches Format für die Zer-

tifizierung von den verschiedenen Portfo-

lios und Tätigkeiten festlegen (vgl. Anhang

6.3); andererseits sollte die Schule aber den

Schülern auch ausreichend Möglichkeiten

und Raum geben bei der Gestaltung des

Zertifikats ihre künstlerischen und gestal-

terischen Fähigkeiten einzubringen.

4. Das Dokument sollte nicht mehr als vier

Seiten umfassen, je nach Anzahl der Wor-

te, Design, Größe, Schullogos usw. Da es

sich um ein offizielles Dokument handelt,

kann die Schule über die wesentlichen

Form-Parameter entscheiden.

5. Eine gute Zeitplanung muss Schüler, Kolle-

gen, Eltern und Schulabschlussfeierlichkei-

ten berücksichtigen.

6. Wenn alles überprüft worden ist, kann das

Dokument hergestellt, gedruckt und vom

Schüler und Lehrer oder Tutor unterzeich-

net werden.

7. Der Schulvertreter sollte die formalen As-

pekte ein zweites Mal kontrollieren, das

Dokument gegenzeichnen und stempeln.

3.3 Checkliste zur Erstellung und Ausgabe von European Portfolio Certificates:

24

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26

koM

PEtE

nZ Das EuroPEan PortfolIo CErt IfICatE ZuM

koMPEtEnZ-assEssMEnt

12 Wie festgestellt im An-nex zur „Recommendation of the European Parliament and of the Council of 23 April 2008 on the estab-lishment of the European qualifications Framework for lifelong learning“(http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2008:111:0001:0007:EN:PDF).

K ompetenzen spielen zunehmend eine

Rolle beim Bewerten, Dokumentie-

ren und Evaluieren von Leistungen durch

lebenslanges Lernen. Die EPC-Mappe kann

daher auch Dokumente enthalten, die nicht

nur Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellun-

gen präsentieren, sondern auch Kompeten-

zen des Schülers. Diese Dokumente können

Kompetenz-Portfolio-Zertifikate oder eigent-

liche Kompetenz-Portfolios sein. Schulen,

die die EPC-Mappe benutzen, sollten ihre

Schüler dazu ermutigen, ihr eigenes Kompe-

tenz-Assessment mit der Portfolio-Methode

durchzuführen. in der EPC-Mappe enthaltene

Kompetenz-Portfolios/-Zertifikate müssen die

Kriterien und Standards aus Abschnitt 4.2 er-

füllen („Standards für Kompetenz Portfolio“

und „Standards für Portfolio-basierte Kom-

petenzzertifikate“). Die Eigenverantwortlich-

keit und Autonomie der Persönlichkeit des

Schülers muss dabei unbedingt respektiert

werden12.

EPC folgt der Definition von Kompetenz durch

J. Hutter und J. Erpenbeck/L.v. Rosenstiel:

„Kompetenz beschreibt die Fähigkeiten oder

Dispositionen des Menschen, die ihn in die

Lage versetzen, ein Handlungsziel in gege-

benen Situationen aufgrund von Erfahrung,

Können und Kenntnissen selbstorganisiert

zu erreichen. Sie ist nicht direkt überprüfbar,

sondern nur aus der Realisierung der Dispo-

sitionen zu erschließen – insbesondere bei

der kreativen Bewältigung neuer, nicht rou-

tinemäßiger Anforderungen. Das interesse an

Kompetenz ist daher eher subjektzentriert.13

Um Verwirrung und wiederholt auftretende

Missverständnisse zu vermeiden, soll her-

vorgehoben werden, dass Kompetenz nicht

als Synonym für Erfahrung, Fertigkeiten und

Kenntnisse verstanden wird, sondern dass

eine Person dann als kompetent angesehen

werden kann, wenn sie die Fähigkeit oder

Disposition besitzt, in unerwarteten Situatio-

nen Fertigkeiten, Kenntnisse oder Einstellun-

gen angemessen einzusetzen – es ist diese Fä-

higkeit oder Disposition, die auf Kompetenz

hinweist.

Kompetenzen können also nur indirekt wahr-

genommen werden, sie können nicht direkt

geprüft oder gemessen werden, sie können

auch nicht wie Fähigkeiten oder Kenntnisse

antrainiert werden. Vielmehr ist es eine be-

stimmte, individuelle Handlung, die auf ge-

wisse Fertigkeiten, Kenntnisse oder Einstel-

lungen des Handelnden schließen lässt und

so auf bestimmte Kompetenzen hinweist. Es

ist Sache des Beobachters, diese indikatoren

richtig zu interpretieren, indem die jeweilige

Handlung analysiert wird und daraus entspre-

chende Rückschlusse auf früher angeeignete

Kompetenzen gezogen werden, durch wel-

che erst möglich wurde, dass diese bestimm-

te Handlung auf diese Weise vollzogen wer-

den konnte.

Für die Beurteilung von Kompetenzen emp-

fehlen wir, die fünf in Abschnitt 4.2.4 und 4.4

beschriebenen Schritte einzuhalten.

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27

Das EuroPEan PortfolIo CErt IfICatE ZuM koMPEtEnZ-assEssMEnt

13 vgl. Erpenbeck, J./Rosenstiel, L.v. (2003): Handbuch Kompetenz-messung – Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogi-schen und psychologischen Praxis. Stuttgart. Hutter, J. (2004): Kompe-tenzfeststellung – Ein Weg zur erfolgreichen Vermitt-lung in Ausbildung und Arbeit. Darmstadt“: (vgl. Hutter 2004, S. 10).und (vgl. Erpenbeck/Rosenstiel 2003, S. Xi).

14 Das Kompetenz-Assess-ment beruht hauptsächlich auf dem Konzept von Michael Brater. Vgl. das Kapitel „Das Kompetenz-portfolio“ in: Michael Brater et al, „Abschlussbericht des Forschungsprojektes zur Entwicklung neuer Bewer-tungs- und Prüfungsformen auf der Grundlage von Kompetenz-Portfolios“

Für eine Kompetenzanalyse empfiehlt die Comenius-EPC-Partnerschaft die Portfolio-Methode. Diese Methode stellt ein nützliches instrument und ein hilfreiches Verfahren zur Verfügung, das auf Sammeln, Auswählen, Rückblick-Reflexion-Evaluation, Präsentation und dem Fassen von Vorsätzen beruht (vgl. 6.1). Eine Portfolio-Dokumentation, die die-ses Verfahren und die darin enthaltene Kom-petenzanalyse beschreibt (wie in 4.2.4 und 4.4 erläutert), wird Kompetenz-Portfolio ge-nannt.

Was ist ein Kompetenz-Portfolio?Portfolio eignet sich für ein Kompetenz-As-sessment, weil der Portfolioansatz eine gute Methode darstellt

um zu zeigen welche formalen, nicht-formalen und informellen Tätigkeiten be-stimmte Kompetenzen ausbilden können

um die Kompetenzentwicklung eines Schülers über einen bestimmten Zeitraum hinweg zu verfolgen

um den Lehrer zu unterstützen, einen di-alogischen Unterrichtsstil zu entwickeln, was wesentlich dazu beiträgt, dass der Schüler seine eigene Lernstrategie entwi-ckeln kann.

Die Dokumentation eines Kompetenz-Assess-ments führt so zu einem Kompetenz-Portfolio. Ein Kompetenz-Portfolio kann auch mehrere verschiedene Handlungen auf Kompeten-zen hin analysieren, wobei sich verschiedene Kompetenzen und Kompetenzgruppen er-geben können. Durch eine Kombination von Kompetenzanalysen kann schließlich ein mo-dulares Kompetenzprofil des Schülers ausge-arbeitet werden.

Auch das Europäische-Kompetenz-Portfolio kann in einem Zertifikat zusammengefasst werden, dem European-Competence-Portfolio-Certificate. Es dokumentiert die Kernaussagen des Kompentenz-Portfolios, wie es vom Schü-ler erstellt und darüber hinaus von einer weite-ren Person (z.B. vom Tutor) bewertet wurde.

Die Kompetenzanalyse14, die im EPC angewen-det wird, basiert auf folgenden Prinzipien: 1. Zweck, Methode und Kontext der Analy-

se müssen von der Person, deren Kompe-tenzen bewertet werden sollen (Schüler), aktiv gewählt und bestimmt werden. in welchem Umfang die Kompetenzen unter-sucht werden sowie Tiefe und Detail der Ausgangsfakten, werden allein vom Schü-ler festgelegt, d.h. er bestimmt Prozess und Ergebnis der Kompetenzanalyse zur Gänze selbst.

2. Die Rolle des Lehrers ist es, den Schüler dabei zu beraten und zu unterstützen. Der Schüler muss sich frei entscheiden kön-nen, ob er eine Kompetenzanalyse ma-chen will oder nicht. Der Lehrer ist dafür verantwortlich, die Schüler mit genügend informationen zu versorgen, damit sie persönlich eine selbstständige Entschei-dung treffen können.

3. Die Bedingungen für die Kompetenzanaly-se und ihre Bewertung müssen von Schü-ler und Lehrer vor Beginn des Prozesses gemeinsam vereinbart werden.

Europäisches Kompetenz-Portfolio und Europäisches Kompetenz-Portfolio-Zertifikat

4.1 Grundlagen der Kompetenzanalyse – das Kompetenz-Konzept

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4. Kompetenzen können nur auf der Grund-lage relevanter Handlungen in ungewöhn-lichen, unerwarteten oder neuen Situati-onen abgeleitet werden. Standardisierte Bedingungen, wie sie für Messungen un-erlässlich und zur Beurteilung von Wissen oder Fertigkeiten nützlich sind, schließen eine Kompetenzanalyse aus.

5. Kompetenzen können nicht direkt wahr-genommen werden, sie können nur in-direkt erfasst werden; im Gegensatz zu Fertigkeiten und Kenntnissen können Kompetenzen auch nicht gelehrt oder ge-lernt werden.

6. Es steht den Schülern frei, in ihre EPC-Mappe Kompetenz-Portfolio-Zertifikate oder Kompetenz-Portfolios aufzunehmen oder nicht.

Portfolio-Arbeit kann dem Schüler zeigen, wie er lernt. Kompetenzanalyse kann ihm zeigen, wie er sich entwickelt.

Das oben vorgestellte Konzept und sein Be-zug zum Lernen wird im Anhang 6.2 weiter erläutert.

Die EPC-Standards für Portfolio-Arbeit gelten auch für das Europäische Kompetenz-Portfolio. Zusätzlich gelten die folgenden Standards: 1. Kompetenz-Assessment erfolgt freiwillig

und individuell.2. Die Schülertätigkeiten, auf die sich die

Analyse stützt, wählt der Schüler aus je-dem beliebigen Portfolio selbst aus. Die Wahl sollte repräsentativ für die Leistun-gen des Schülers sein, er muss seine Wahl begründen.

3. Es steht dem Schüler frei, eigene, indivi-duelle Kompetenzen-Gruppen und -Krite-rien zu entwickeln und zu benutzen. Der Schüler sollte erläutern, wie er die von ihm ausgewählten Kompetenzen versteht und gegebenenfalls seine Wahl begründen. Er kann auch auf bestehende Kompetenz-Modelle zurückgreifen und z.B. die „Eu-ropean Key Compentences for Life Long Learning“ (vgl. Fußnote 17, weiter unten) zu Hilfe nehmen. (vgl. 4.4)

4. Die Kompetenzbeurteilung des Schülers erfolgt in fünf Schritten (vgl. 4.4):

1. Schritt: Auswahl: Der Schüler wählt diejenigen Taten, Handlungen oder Tä-tigkeiten aus seinem Portfolio, die er für eine Kompetenzanalyse für geeignet und ergiebig hält.

2. Schritt: Beschreibung: Um ein lebendi-ges Bild zu erhalten, beschreibt der Schü-ler die Tat, Handlung, Tätigkeit sorgfältig und detailliert.

3. Schritt: Beurteilung: Der Schüler ana-lysiert die beschriebene Tätigkeit vom 1. Schritt, indem er alle die Schritte und Handlungen auflistet, die zur Ausübung der speziellen ausgesuchten und zuvor im 2. Schritt beschriebenen Tätigkeit Voraus-setzung waren. Letztere nun werden nach Hinweise auf früher angeeignete angeeig-neter Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstel-lungen hin analysiert.

4. Schritt: Schlussfolgerung: Der Schüler entscheidet, welche Kompetenzen aus den Tätigkeiten, die in Schritt 3 aufgelistet und analysiert wurden, ableitbar sind.

4.2 Standards für Kompetenz-Portfolios

koM- PEtEnZ

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29

5. Schritt: Evaluation: indem der Schüler ent-weder individuell definierte oder standardi-sierte Kompetenzraster anwendet, beurteilt er, in welchem Maß er welche Kompetenz entwickelt hat. Er begründet schließlich sei-ne Schlussfolgerungen und Urteile.

5. Die Evaluation des Tutors (oder einer drit-ten Person) darf sich nur auf die Schüler-beurteilung beziehen, es dürfen hierfür nur Kriterien angelegt werden, über die man sich vorab geeinigt hat und die im Portfolio klar formuliert sind.

6. Das Europäische Kompetenz-Portfolio wird vom Schüler geschrieben und zusam-mengestellt, dieser entscheidet auch, ob das Feedback einer dritten Person hinzu-gefügt wird.

Die Kompetenz-Zertifikate müssen den o.g. Standards für Kompetenz-Portfolios (vgl. 4.2) und den Standards für Portfolio-Zertifikate in Abschnitt 3.2 genügen. Sie müssen vom Schüler und Tutor unterschrieben, von einem Schulvertreter gegengezeichnet und mit dem Schulstempel versehen werden. Der Tutor unterschreibt das Zertifikat nur, wenn er sich überzeugt hat, dass die Beurteilung des Schü-lers ein reales Bild der Schülerkompetenzen wiedergibt. Nur mit Unterschrift und Schul-stempel entspricht das Kompetenzzertifikat den EPC-Standards.

4.3 Standards für Kompetenz-Zerti-fikate auf Grundlage von Portfolio

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Eine Kompetenzanalyse/ein Kompetenzassess-ment durch den Schüler folgt den fünf Schrit-ten, die in 4.2, dem EPC-Standard für Kompe-tenzportfolio, kurz ausgeführt sind.

Die Hauptaufgabe des Lehrers oder Tutors liegt darin, den Schülern zu helfen, ihre Kom-petenzen auf Grundlage ihres Portfolios zu analysieren und zu bewerten. Diese Hilfe wird so individuell sein wie die Schüler selbst. Die folgenden fünf Schritte sollen einige allgemei-ne Ratschläge zum individuellen Gebrauch an die Hand geben. Praktische Beispiele sind kur-siv gedruckt.

1. Schritt: Auswahl: Das EPC-Konzept empfiehlt die Kompetenzanalyse und das Kompetenzassessment auf Grundlage der Portfolioarbeit durchzuführen. Der Schüler wählt zunächst ein passendes Portfolio, das aufschlussreiche Beschreibungen seiner Tätig-keiten innerhalb eines bestimmten Kontextes enthält.

Beispiel: Ein Schüler (nennen wir ihn Paul) hat

eine Reihe von Portfolios in Klasse 11 und 12

gemacht, sagen wir ein Portfolio zu einem

Sozial-Praktikum in einem Krankenhaus, ein

Jahresarbeitsportfolio „Studie über die Öko-

logie eines Dorfteiches“, ein Überblicksport-

folio in Mathematik zur Differential- und

Integralrechnung. Paul wählt das Sozial-

Praktikumsportfolio für seine Kompetenzana-

lyse, da seine Berufs- bzw. Studienwünsche in

Richtung sozialer oder medizinischer Bereich

gehen. Sein Schwerpunkt liegt eher auf den

‚soft skills’ als auf ‚hard skills’, Kenntnissen

oder Einstellungen.

Dann wählt der Schüler sorgfältig eine relevante Tat, Handlung oder Tätigkeit aus seinem Portfo-lio aus. Die Kompetenzen-Gruppe, die sich aus der nachfolgenden Analyse herausstellen wird, ist in hohem Maße von dieser Auswahl abhän-gig. Ein Schüler, der noch keine Erfahrung mit Kompetenzanalysen hat, ist an dieser Stelle be-sonders auf die Hilfestellung durch den Lehrer angewiesen, der ihn auf die große Bandbreite von Kompetenzen und Kompetenzmodellen aufmerksam macht: Kompetenzen die mit ‚soft’ und ‚hard skills’ zu tun haben, Kenntnisse auf ei-nem bestimmten Gebiet, soziale, methodische sowie personale Kompetenzen.

Beispiel: Paul wählt aus seinen Tagebuchauf-

zeichnungen seines Praktikumportfolios, ei-

nen Bericht, in dem er beschreibt, wie er ei-

nen alten Krankenhauspatienten im Rollstuhl

in den überfüllten Speisesaal fährt. Die spezi-

elle Handlung, für die sich Paul entscheidet,

ist, wie er der Person beim Essen hilft.

2. Schritt: Beschreibung. Der Schüler be-schreibt die Handlung sorgfältig und detail-liert, um ein möglichst lebendiges Bild davon zu erzeugen.

Beispiel: Auf Grundlage seines Portfolio be-

schreibt Paul nun die Umstände bis zu dem

Punkt, wo er den Patienten mit einem Löffel

fütterte. Diese Beschreibung kann z.B. bein-

halten, wie er nach dem Patienten gesucht

hat, der sein Krankenzimmer verlassen hatte;

wie er ihn, nachdem er ihn gefunden hatte,

durch überfüllte Gänge gefahren hat und wie

er schließlich einen passenden Sitzplatz zum

Essen im Speisesaal gefunden hat. Die eher

unbefriedigenden Versuche des Patienten,

selbst zu essen und das etwas schwierige

4.4 Wie Kompetenzen auf Grundlage von Portfolio untersucht und beurteilt werden

koM- PEtEnZ

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15 vgl. Executive Sum-mary: The Definition and Selection of Key Com-petencies, OECD 2005, available online at http://www.oecd.org/datao-ecd/47/61/35070367.pdf, Seite. 5

Füttern der ziemlich ungeduldigen, halb-tau-

ben und nur ungern einwilligenden Person

mit dem Löffel, würde von Paul detailliert

beschrieben.

3. Schritt: Analyse. Der Schüler analysiert die beschriebene Handlung, indem er alle wesent-liche Schritte und Tätigkeiten, die der Hand-lung vorausgingen und Vorbedingung für die Handlung selbst waren, auflistet. Diese werden dann auf Anhaltspunkte, Hinweise und Belege für früher angeeignete Kenntnisse, Fertigkei-ten und Einstellungen hin untersucht.

Beispiel: Orientierung im Labyrinth des Kran-

kenhauses; Wissen, wo man nach einem

verlorenen Patienten schaut; Wissen, wen

man nach der Richtung fragt; Verstehen und

Ausführen von Anweisungen; höfliches und

geduldiges Reagieren, auch in angespann-

ten und stressigen Situationen; Umgang

mit einem Rollstuhl; persönliches Interesse

zeigen und Misstrauen überwinden helfen;

praktischer Gebrauch eines Löffels zum Füt-

tern einer anderen Person (ohne die Suppe

zu verschütten); Abwischen des Mundes und

Säubern des Tisches bei gleichzeitiger Auf-

merksamkeit für die alte Person...

4. Schritt: Schlussfolgerung. Der Schüler folgert, welche Kompetenzen er aus dieser bestimmten, ausgewählten, beschriebenen und analysierten Handlung ableiten kann. Hier gibt es zwei Vorgehensweisen:

1. Der Schüler kann jedes Kompetenzmo-dell, das im Allgemeinen in seinem Land oder der EU angewandt wird, benutzen, z.B. die ‚Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Ler-nen’. Der Lehrer oder Tutor hilft dabei, die Kompetenzen/Kompetenzen-Gruppe zu iden-tifizieren und auszuwählen, die für die Zwe-cke des Schülers am geeignetsten sind.

2. Der Schüler kann die Kompetenzen auch selbst bestimmen, indem er einerseits den bestimmten Zweck der Kompetenzanalyse benennt und andererseits die damit verbun-denen Kompetenzmerkmale identifiziert. Hat der Schüler ein persönliches Kompetenzmo-dell entwickelt, empfiehlt es sich dieses mit einem üblichen Modell zu vergleichen und so den individuellen Zugang zu betonen. Entscheidet sich der Schüler für seinen indi-viduellen Zugang, kann der Lehrer oder Tutor dabei helfen, den Zweck und die damit ver-bundenen Kompetenzen durch Leitfragen zu spezifizieren. Beispiele für Leitfragen sind in der EPC-Tool-Box zu finden.

Zuletzt vergleicht der Schüler die Beschreibung der Handlung mit den Kompetenzmerkmalen und folgert, welche Kompetenzen er erwor-ben haben muss, um die aus dem Portfolio gewählte Handlung ausführen zu können.

Beispiele für die Vorgehensweisenach Schritt 4, Punkt 1, weiter oben: a. Die Definition und Auswahl von Schlüssel-kompetenzen (DeSeCo) war eine europawei-te Studie, die versuchte, Schlüsselkompeten-zen des Lernens zu definieren. Es wurden drei Kernkompetenzen festgestellt: 1) Werkzeug interaktiv nutzen, 2) interagieren in heteroge-nen Gruppen, 3) autonomes Handeln15.b. Die EU 8 Schlüsselkompetenzen für Le-benslanges Lernen; c. in Deutschland bezieht man sich gewöhn-lich auf

Fach-Kompetenz (mit Rollstühlen umgehen)

Methoden-Kompetenz (befähigt sein ein

angemessenes Verfahren, Transportmittel

usw. zu finden)

Sozialkompetenz (sich in überfüllten Orten

zurechtfinden)

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Personen-Kompetenz (in der Lage sein,

sich auf einen Patienten einzulassen, auf-

merksam zu sein, unter wechselnden Be-

dingungen angemessen zu reagieren) Handlungskompetenz – eine Kombination

der oben genannten vier Kompetenzen: die Fähigkeit das Richtige zur richtigen

Zeit, am richtigen Ort zu tun (das unge-

wohnte Füttern mit dem Löffel).

Beispiel für die Vorgehensweise nach Schritt 4, Punkt. 2, weiter oben: Bestimmter Zweck – Pauls Kompetenzen in

Bezug auf Arbeit im Sozialen und im Bereich

medizinischer Versorgung.

Damit verbundene Kompetenzen können sich beziehen auf: Die Fähigkeit, auch unter Druck aufmerk-

sam zu bleiben Die Fähigkeit, den Umständen entspre-

chend, angemessen zu antworten oder nicht zu antworten (weise zu schweigen)

Die Fähigkeit, ein Geheimnis zu bewahren Die Fähigkeit, Kranke oder Trauernde zu

trösten Die Fähigkeit, Begegnung zwischen kon-

kurrierenden oder unfreundlichen Perso-nen oder Parteien zu organisieren

Die Fähigkeit, voreilige Schlussfolgerungen zu vermeiden

Die Fähigkeit, empathisch und authentisch in der Arbeit mit Patienten zu sein

Um passende Formulierungen für Kompeten-zen und Kompetenzbeschreibungen zu finden kann folgendermaßen vorgegangen werden:

Gehen Sie die Beschreibungen des Schü-lers durch und suchen Sie nach Hinweisen auf Kompetenzen; benutzen Sie schlüssi-ge Begriffe

Sammeln und Auswählen: Setzen Sie die gefundenen Kompetenzen in Beziehung zueinander; ordnen Sie verschiedene Kompetenzen Kompetenzbereichen zu

Beschreiben Sie jede einzelne Kompetenz und den dazugehörigen Kompetenzbe-reich (Deskriptoren)

Suchen Sie charakteristische indikatoren für jede Kompetenz

Erstellen Sie für jede Kompetenz ein Wer-tigkeitsschema (Raster): z.B. Basiskom-petenz, gute Kompetenz, herausragende Kompetenz, und erläutern Sie jede Wertig-keitsstufe. Liegt eine Kompetenz eindeutig nicht vor, sollte dies vermerkt werden.

Beachte: Diese fünf Stufen entsprechen den Stufen der Kompetenzanalyse. Die Kompe-tenzbereiche werden durch das gleiche Ver-fahren festgestellt.

5. Schritt: Evaluation: Der Schüler be-urteilt, in welchem Maß die Kompetenzen entwickelt wurden, dabei wendet er sein in-dividuelles oder ein standardisiertes Kompe-tenz-Modell an und erläutert seine Folgerun-gen und Bewertungen.

Die Dokumentation dieser Kompetenzbeur-teilung durch den Schüler ist ein Kompetenz-Portfolio, für das der Schüler ein Zertifikat erhalten kann – das Kompetenz-Portfolio-

Zertifikat.

koM- PEtEnZ

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16 Die EPC-Group ist dabei, sich aus dem Comenius EPC-Partnership heraus zu konstituieren. Die EPC-Group fungiert als Verwaltungsorgan des EPC-Partnership, welche aus allen für den Gebrauch des EPC lizenzierten Schulen besteht. Weitere informati-onen über [email protected]

Der European Council for Steiner Waldorf

Education (ECSWE) besitzt das Copyright für

das Design der European Portfolio Certificate

Mappe. Jedes andere abweichende EPC-Map-

pen-Design muss von der EPC-Group geneh-

migt werden, die den Gebrauch des European

Portfolio Certificate lizenziert.

Das Copyright für den Text dieses EPC-Benut-

zer-Handbuches liegt bei der EPC-Group16.

Die EPC-Group begrüßt den Gebrauch der

EPC-Mappe und entsprechend des Benutzer-

Handbuchs und freut sich über schriftliche

Anträge auf Nachdruck des Benutzer-Hand-

buches.

Die EPC-Group lässt das „European Portfolio

Certificate“ als Handelszeichen eintragen. Je-

der, der eine EPC-Mappe ausgeben möchte,

muss eine Lizenz beantragen. Eine Lizenz der

EPC-Group wird ausgegeben, wenn

eine schriftliche Vereinbarung vorliegt, die

besagt, dass der Lizenznehmer gemäß des

EPC-Benutzer-Handbuchs arbeitet und ins-

besondere die darin beschriebenen Stan-

dards einhält. Der Lizenznehmer verpflich-

tet sich außerdem, ein entsprechendes

internes Qualitätskontrollsystem einzurich-

ten, dessen Ergebnisse der EPC-Group re-

gelmäßig mitgeteilt werden.

eine geringe jährliche Lizenzgebühr ent-

richtet wird (zur Deckung der administrati-

ven Kosten der EPC-Group)

Wenn hinreichende indizien für eine grobe

Verletzung der Standards vorliegen, hat die

EPC-Group das Recht, die Lizenz auszuetzen

oder zu entziehen. Ohne gültige Lizenz kann

keine EPC-Mappe ausgegeben werden.

Die EPC-Group freut sich über Feedback zur

Nutzung des EPC und über Verbesserungsvor-

schläge für dieses Benutzer-Handbuch. Die

EPC-Group hält sich das Recht auf Änderun-

gen am Benutzer-Handbuch vor. Alle Nutzer

des Benutzer-Handbuches werden über Än-

derungen informiert.

Die Originalsprache des Benutzer-Handbuchs

ist Englisch und muss in die jeweiligen Spra-

chen übersetzt und an alle Lehrer und Tutoren,

die mit Portfolioarbeit zu tun haben, verteilt

werden, bevor die EPC-Mappen ausgegeben

werden. im Zweifelsfall ist die englische Aus-

gabe des Benutzer-Handbuchs maßgebend.

rEChtlIChE asPEktE

5.1 Copyright 5.2 EPC-Trademark und Lizenz

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34

an

ha

ng

anhang

Die Grundzüge des Portfolio werden in Ab-schnitt 2.1 skizziert. Die folgende Beschrei-bung gibt ein wesentlich detailierteres Bild, das den Einsatz und die Entwicklung von Portfolio als Methode empfiehlt, die sich in einem weiten Bereich den individuellen Be-dingungen von Schulen, Lehrern und Schü-lern anpassen lässt. Einige prinzipielle Bemerkungen: Der Ausdruck „Portfolio“ kann sich auf ein

vorliegendes Dokument, eine Dokumen-tenmappe, auf eine Methode oder sogar auf ein ideal beziehen.

Das Konzept Portfolio ist nicht so leicht zu fassen, besonders von denjenigen, die

noch nicht mit Portfolio gearbeitet haben. Portfolio bedeutet beides, Prozess und Er-gebnis, Weg und Ziel, Werkzeug und Werk-zeugkasten, Methode und Prinzip

Der Begriff „Portfolio“ wird sowohl im päd-agogischen als auch im beruflichen Kontext verwendet.

Portfolio hat zu tun mit Forschung, Evidenz und Evaluation

Ein Portfolio lenkt die Aufmerksamkeit in zwei Richtungen:

auf die Person, die eine Portfolio (-Mappe) erstellt und auf die Person, der das Portfolio präsentiert wird

Assessment | Die Spannweite des englischen Begriffs „ assessment“ reicht vom Wahrnehmen über das Beschreiben zum Bewerten und Beurteilen. Aus diesem Grunde wird in diesem Handbuch gerne dieser umfassende Begriff benutzt, der in der deutschen Sprache kein Pen-dant hat.

Portfolio-Mappe | jede Mappe die eine „...sinnvolle Sammlung von Schülerarbeiten, die die Bemühungen des Schülers, seine Fortschritte und Leistungen auf einem oder mehreren Gebieten, dokumentiert...“ (siehe Abschnitt 2.1 – Wofür steht Portfolio).

Portfolio | Wenn die Seiten und der inhalt einer Portfolio-Mappe gebunden und fixiert sind, wird diese Form der Sammlung im Allge-meinen „Portfolio“ genannt. Wenn ein Schüler sich auf „sein Portfolio“ bezieht, meint er gewöhnlich eine gebundene, buchähnliche Form seiner Portfoliodokumentation.

Portfolio-Dokument | jedes Dokument, das ein Schüler für seine Portfolio-Mappe oder sein Portfolio aussucht.

Portfolio-Zertifikat | ein anerkanntes Dokument, das die Leistungen eines Schülers in seiner Portfolio-Arbeit zertifiziert.

6.1 Portfolio – Was ist das?

Glossar

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anhang

Portfolio-Zertifikat-Mappe | Eine Mappe, die insbesondere Portfolio-Zertifikate enthält.Portfolio-Standards | jeder Standard, der grundlegende Anforderungen an alle Teile der Portfolio-Arbeit definiert und so einen grundlegenden Qualifikationsrahmen für die Portfolio-Arbeit gibt.

Portfolio-Kriterien | Kriterien, die auf der Grundlage von Portfolio-Standards unter Einbeziehung der Schüler zum Zweck der Qualitäts-kontrolle entwickelt wurden.

Portfolio-Methode | eine Methode der Dokumentation und Beurtei-lung des Lernprozesses und/oder der Lernergebnisse eines Schülers auf Grundlage der Portfolio-Prinzipien (vgl. Abschnitt B).

Portfolio-Dokumentation | jede sinnvolle Sammlung von Papieren, die den Lernprozess oder die Lernergebnisse eines Schülers dokumentiert.

Portfolio-Prüfung | jede Prüfung, die Portfolio-Dokumente als Beleg der Leistungen des Schülers nutzt; eine Portfolio-Prüfung besteht ge-wöhnlich aus drei Schritten: 1.Der Schüler erstellt ein Portfolio, das vom Lehrer oder Vertreter

eines bestimmten Prüfungsgremiums auf Grundlage der Portfolio-Kriterien bewertet, beurteilt, und kommentiert (und gegebenenfalls benotet) wird.

2.Der Schüler präsentiert sein Portfolio mündlich, mit Schwerpunkt auf die im Portfolio enthaltenen und vom Schüler gewählten Themen. Die Portfolio-Präsentation wird ebenfalls vom Lehrer oder Vertreter eines bestimmten Prüfungsgremiums auf Grundlage der Portfolio-Kriterien bewertet, beurteilt und kommentiert (und ggfs. benotet).

3. Der Schüler beantwortet Fragen, die ihm von einem Prüfungs-gremium oder den Zuhörern gestellt werden und die sich auf das präsentierte Portfolio beziehen. Diese „Disputation“ wird ebenfalls auf Grundlage von „Portfolio-Disputations-Kriterien“ bewertet.

Bemerkung: in dieser speziellen Form der Prüfung, die die Portfolio-Prin-zipien nutzt, werden die Vorteile eines Paradigmenwechsels deutlich.

Portfolio-Evaluation | Jede Evaluation, die auf Portfolio-Arbeit basiert; es kann sich dabei um die Evaluation einer speziellen Portfolio-Doku-mentation (Portfolio) des Schülers für Prüfungs- oder andere Qualifika-tionszwecke handeln, oder aber um die Evaluation von Prozessen oder Ergebnissen mittels der Portfolio-Methode.

Portfolio-Bewerbung | jede Bewerbung, die Portfolio-Zertifikate oder –Mappen einsetzt.

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36

anhang

a. Auswahl: Der Schüler wählt individuell

i. das Thema der jeweiligen (Forschungs-)

Arbeit

ii. die angewendeten Methoden und Ver-

fahren

iii. was (welche Belege) in die Sammlung

kommt

iV. welche Materielien aus dieser Sammlung

in das Portfolio kommen

V. Struktur (Gliederung) und Design der Port-

foliodokumentation und -präsentation

A. Definition:

„Ein Portfolio ist eine sinnvolle Sammlung von

Schülerarbeiten, die die Bemühungen, Fort-

schritte und Leistungen des Schülers auf ei-

nem oder mehreren Gebieten dokumentiert.

Die Sammlung muss die Beteiligung des

Schülers bei der Auswahl von inhalten, den

Auswahlkriterien, den Kriterien zur Bewer-

tung des Erfolges und seine Selbstreflektion

zeigen.. (“ Paulson et al „What makes a port-

folio a portfolio?” in Educational Leadership

48/1991, Ausgabe 5, S. 60 – 63)

B. Die folgenden Elemente sind für ein Portfolio charakteristisch:

Portfolio-Assessment | das Assessment des Lernprozesses oder -ergeb-nisses eines Schülers, auf Grundlage von Portfolio-Arbeit oder -Doku-mentation.

Portfolio-Aufgabe | jede Aufgabe, die mit Portfolio-Methoden bearbei-tet wird.

Portfolio-Projekt | jedes Projekt, das so ausgelegt ist, dass Portfolio-Assessment möglich ist und die Portfolio-Methode anwendet.

Portfolio-Arbeit | jede Arbeit, die mit der Erstellung eines Portfolio, einer Portfolio-Mappe oder –Dokumentation zu tun hat, d.h. Planen, Organisieren, Entwerfen, Vorstellen, Präsentieren, Bewerten, Evaluie-ren, Bewerben, Demonstrieren und Dokumentieren von Unterrichts- und Lernprozessen und -ergebnissen mit der Portfolio-Methode.

Portfolio-Witz | jeder Witz, der sich über Portfolio lustig macht.

Witz-Portfolio | jede sinnvolle Sammlung von Witzen, die im Zusam-menhang mit einem bestimmten Thema oder einer Aufgabe ausge-wählt wurden oder ein Portfolio das so schlecht gemacht ist, dass man nur ausrufen kann: „Das ist ja wohl ein Witz!“

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37

b. Dokumentation: Die Dokumentation des

Schülers

i. ist im Allgemeinen auf Papier geschrieben

(noch)

ii. kann als digitales Dokument auf CD oder

DVD gespeichert sein

iii. sollte Bilder und andere visuelle Elemente

enthalten

iV. enthält ggfs. Fotos von kunsthandwerk-

lich hergestellten Arbeiten

V. entspricht ästhetischen Kriterien, die auf

alle Portfolios angewandt werden. Die

Kriterien werden von Lehrern und Schü-

lern entwickelt (vgl 6.5).

c. Assessment und Selbst-Assessment: Das Assessment durch den Schüler ent-

hält:

i. Rückblick: Was war geplant, was wurde

durchgeführt, unter welchen Umständen?

Was wurde erreicht?

ii. Reflexion: Analyse der Vorhaben und Tä-

tigkeiten aus verschiedenen Blickwinkeln:

Was habe ich getan? Wie habe ich es

getan? Mit wem? Warum? Was habe ich

gelernt? Wie habe ich gelernt? Welche

Fertigkeiten könnte ich mir noch aneig-

nen, welche verbessern?

iii. Evaluation: Über Rückblick und Reflexion

hinausgehend, sollte der Schüler seinem

Portfolio eine Qualitätsanalyse der ange-

strebten und der tatsächlichen Leistung

im Hinblick auf Bemühen, Fortschritt und

Zeitmanagement beifügen. Welche Be-

deutung hat des Projektergebnis? Waren

meine Ziele und Methoden realistisch?

Habe ich sie während des Projektes

geändert? Welche Belege liefern die

Lernergebnisse hinsichtlich Kenntnisse,

Fertigkeiten, Einstellungen und auch

Kompetenzen?

d. Evaluation: Neben der Beurteilung des

Schülers selbst, enthält das Portfolio

i. Dokumente zu Lehrerfeedback und -be-

wertung, vom Schüler ausgewählt

ii. Meinungen und Kommentare der Mit-

schüler und andere externe Beurteilun-

gen, vom Schüler ausgewählt

iii. eine externe Beurteilung mit Noten oder

anderen Vergleichs-indikatoren, wenn sie

vom Schüler gewünscht oder von einem

Awarding Body gefordert wird.

e. Teilnahme: Der Schüler muss beteiligt

sein an:

i. Entwickeln und Festlegen von Kriterien

für verbindliche und freiwillige Teile des

Portfolios

ii. Entwickeln und Festlegen der Qualitäts-

kriterien für die Portfolioarbeit

iii. Evaluations-Verfahren mit Mitschülern,

Lehrern und anderen

iV. Feedback-Verfahren in der abschließen-

den Evaluation

„Portfolio ist so vielfältig wie die Kinder, die sie machen und wie die

Klassenzimmer, wo man sie findet“ Paulson et al. 1

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38

anhang

f. Präsentation: Der Schüler präsentiert

sein Portfolio mündlich

i. vor der Klasse

ii. bei einer Versammlung der Oberstufe

iii. bei einem Mitarbeitertreffen der Schule

iV. bei einer Monatsfeier

V. bei einer Kunstausstellung

Vi. bei einer Jahresabschlussfeier

Vii. bei einem Schulfest

g. kritische Würdigung: Der Schüler will sich vielleicht verbessern

wollen hinsichtlich:

i. inhalte

ii. Methoden

iii. Rahmenbedingungen

iV. Präsentation

V. Lernergebnissen

C. Beispiele von Portfolio Arten

Beispiele für Portfoliotypen (Auswahl aus

über 30 Typen), geordnet nach Zielvorgaben:

a. Für ein bestimmtes Ziel: i. Performance-Portfolio

ii. Dokumentations-Portfolio

iii. Ausstellungs-Portfolio

iV. Assessment-Portfolio

V. Berufs-Entwicklungs-Portfolio

b. für eine bestimmte Qualifikationi. Sprachen-Portfolio

ii. Kompetenz-Portfolio

c. Für eine spezielle Zeit während einer längeren Lernperiode

i. Eintritts- / Abschluss-Portfolio zu Grund-

voraussetzungen / Fähigkeiten vor / nach

einem bestimmten Zeitabschnitt

d. Für eine bestimmte Lern-/Unterrichts- umgebung

i. Projekt-Portfolio

ii. Hauptunterrichts-Portfolio

iii. Praktikums-Portfolio

iV. Klassen-Portfolio

V. Jahresarbeits-Portfolio

e. Für eine bestimmtes Präsentationsmediumi. Elektronisches Portfolio

f. Für eine bestimmte Zeitspanne/ Lernzeitraum

i. Gesamt-(Schul)Portfolio

ii. Entwicklungs-Portfolio

iii. Jahresrückblicks-Portfolio

D. Portfolio-Arbeit besteht grundsätzlich aus fünf Schritten

a. Sammeln

b. Auswahl

c. Reflexion

d. Präsentation

e. Vorsätze fassen

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a. dialogisches Lernen und Unterrichten

b. Entwickeln und Anwenden einer

lebendigen Feedback-Kultur

c. Beteiligung des Schülers

d. Persönlichkeit des Schülers

e. stärkere Betonung darauf, wie gelernt

wird und weniger, was gelehrt wird

f. Bemühungen, Fortschritte und

Leistungen statt Defizite

g. Formatives statt summatives Assessment

h. Berücksichtigung nicht-formalen und

informellen Lernens

i. Aneignung von Kompetenzen (z.B.

soziale und persönliche Kompetenzen),

die über Fertigkeiten, Kenntnisse und

Einstellungen hinaus gehen,

j. intensive und kollegiale Zusammenarbeit

im Lehrerkollegium

k. Paradigma des lebenslangen Lernens

F. Portfolio-Arbeit nützt

a. dem Schüler, deri. initiativ ist

ii. Verantwortung für sich selbst und seine

Mitschüler tragen will

iii. zunehmend Erfahrung in Teamarbeit

sammeln will

iV. Kooperation und Dialog üben will

V. lernen will, wie man effektiv lernt

Vi. lernen will, sich selbst zu beurteilen

Vii. lernen will, seine Leistungen angemes-

sen zu dokumentieren und zu präsentie-

ren

Viii. erfahren will, dass es möglich ist, die

Lernergebnisse aus nicht-formalem und

informellem Lernen in den Lernprozess

formalen Lernens zu integrieren

iX. sich seiner Kompetenzen bewusst

werden will

X. auf seine Arbeit und seine Leistungen

gerne stolz sein möchte

b. dem Lehrer/der Lehrerin, der/diei. erkennen lernen will, wie ein Schüler lernt

ii. seine/ihre eigene Betreuungsarbeit

besser einschätzen möchte, indem er/

sie die Schüler bei ihren Bemühungen,

Fortschritten und Leistungen intensiver

wahrzunehmen lernt

iii. durch den Dialog mit dem Schüler des-

sen Lernen und Fortschritte häufiger und

genauer beurteilen können will

iV. sich durch die wachsende Authentizität

des Schülers bereichert fühlen kann

V. mehr über die Persönlichkeit des Schü-

lers lernen will

Vi. mehr Möglichkeiten haben will, den

schwächeren Schülern zu helfen, sie zu

ermutigen und zu begleiten

Vii. mehr Möglichkeiten sucht, die begabte-

ren Schüler zu motivieren

Viii. von den Schülern an Themen herange-

führt werden möchte, die er/sie bisher

noch nicht in seinem Lehrplan hat

iX. mit seinen Kollegen enger zusammenar-

beiten will

X. seine/ihre Dialog-Fähigkeiten verbessern

will

E. Die Portfolio-Methode betont:

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40

anhang

(positive, insbesondere in Kombination mit

häufigen Präsentationen – jährliche/halb-

jährliche/vierteljährliche/epochale):

a. auf Schülerseite: i. wachsendes Selbstbewusstsein

ii. wachsendes Bewusstsein für andere

Lernpartner – Mitschüler, Lehrer, Eltern

iii. wachsende Authentizität beim Präsentie-

ren von Lernergebnissen

iV. wachsendes Vertrauen in die Bemühun-

gen des Lehrers

V. wachsendes Vertrauen in die integrität

der Lehrer und Mitschüler

Vi. besseres Urteilsvermögen bzgl. der eige-

nen Stärken und Schwächen

Vii. größere Motivation zur Schule zu gehen

und zu lernen

b. auf Lehrerseitei. mehr Verantwortungsbewusstsein und

Befriedigung im Beruf

ii. wachsendes Bewusstsein für die indivi-

duelle Entwicklung des Schülers

iii. wachsendes Vertrauen in die Bemühun-

gen des Schülers

iV. besseres Urteilsvermögen bzgl. der

Effektivität des eigenen Unterrichts

V. engere Zusammenarbeit mit den Kolle-

gen

Vi. substanziellere Elterngespräche

Vii. größere Motivation zur Schule zu gehen

und zu unterrichten

Viii. mehr Gemeinschaftssinn

c. auf Elternseitei. mehr Vertrauen in die Fähigkeiten des

Lehrers, die Schüler richtig einzuschätzen

und sie zu verstehen

ii. mehr Vertrauen in die Lernbemühungen

des Schülers und seine Leistungen

iii. mehr Vertrauen in die Fähigkeiten der

Schule den Lernprozess effizient zu orga-

nisieren

iV. weniger Ängste, der Schüler könnte den

Erwartungen nicht gerecht werden

V. mehr Vertrauen in die Zukunft des Schü-

lers, auch wenn er einmal scheitert

Vi. größere Sicherheit, dass die Schüler in-

dividuell und gemäß ihren Bedürfnissen

beraten und vorbereitet werden

Vii. größeres Vertrauen, dass die Schüler sich

gemäß ihren persönlichen Fähigkeiten,

Begabungen oder Behinderungen

entwickeln

Viii. mehr Gemeinschaftssinn

d. seitens der Schule: i. Elterngespräche können substanzieller

werden

ii. Kollegengespräche können substanzieller

werden

iii. Die Verwaltung kann effektiver werden

iV. mehr Präsenz in der Gemeinde

V. mehr Gemeinschaftssinn

„Der Portfolio-Djungel ist ein aufregender Ort für das Überlebenstraining von Lernenden und Leh-renden – und ebenso ein

wunderbarer Ort zum Versteckspielen“

(T. Koch)

G. Indirekte Wirkungen von Portfolio

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41

6.2 Kompetenz durch Lernen

H. Portfolio-Gefahren:

a. Der Begriff Portfolio wird zuweilen miss-

bräuchlich verwendet, wenn die oben ge-

nannten Prinzipien missachtet werden, sei

es aus Ungeduld, Unwissenheit oder einfach

aus Unverständnis. in letzterem Fall benut-

zen Lehrer z.B. den (‚modischen’) Ausdruck

Portfolio für gewöhnliches, lehrerzentriertes

Arbeiten, wobei sie die eigentliche idee miss-

achten („Plattitüde-Portfolio“).

b. Wenn Portfolio zu Prüfungszwecken ge-

nutzt wird, kann dies zu einem Übermaß an

Standardisierung führen, was im Widerspruch

zu den vielfältigen Aspekten des Wahlprinzips

steht („Standard-Portfolio“)

c. Portfolio kann Schüler völlig überfordern,

wenn alle Lehrer immerzu und überall mit

Portfolio arbeiten wollen („Overkill-Portfolio“)

Das Verständnis von Lernen beruht auf fol-genden Prämissen:1. Lernen beruht auf Aktivität. Es ist elemen-

tarer Teil des Mensch-Seins.2. Lernen ist ein ständiger Vorgang des Ver-

gleichens von Absicht und Ausführung.3. Verfehlen und Versagen, irrtum und Miss-

verständnis sind dem Lernen zueigen. Sie sind Grundelemente des Lernens. Lernen entspricht dem Streben, seine Handlungen zu verbessern, um einen höheren Grad der Vervollkommnung zu erlangen.

4. Das Bemühen, alles Misslingen und Schei-tern durch Bestrafen von irrtümern und Fehlern aus dem Klassenzimmer zu ver-bannen, verhindert sogar das Lernen.

5. Reflexion ist ein Wesensmerkmal des Ver-gleichens, kein Lernen ohne Reflexion.

6. Je nach Alter, Reife und Begleitumständen, reicht der Vorgang der Reflexion von einem relativ unbewussten Vorgang des Nachah-mens (einer Art Spiegelung) über einen halb-bewussten Vorgang des Tagträumens oder Nachsinnens, bis zum hellwachen Re-flektieren, das im Allgemeinen umfasst:

a. Rückblicken auf die Zielsetzung und Fra-gen was erreicht wurde

b. Reflektieren der Umstände und des Zu-sammenhanges, in denen die Aktivität stattfand, und

c. Evaluieren von Prozess und Güte des Er-gebnisses.

7. Der erste Schritt des ‚Lernen wie man lernt’ ist sich des Lernens durch Reflexion be-wusst zu werden. Portfolio soll Schülern da-bei helfen zu ‚lernen wie man lernt’17 (und Lehrern, wie man Schülern dabei hilft).

8. Lernen ist ein individueller Prozess; er kann nicht standardisiert und nicht normiert werden. ‚Chancengleichheit’ kann nicht heißen, dass alle Schüler das Gleiche zur gleichen Zeit, mit derselben Geschwindig-keit und aus demselben Grund lernen müs-sen. Chancengleichheit heißt, dem Schüler die Gelegenheit zu geben, seine eigene Lernstrategie zu entwickeln. Auch dies ist ein wesentliches Element der Arbeit mit Portfolio.

17 die Kompetenz “lernen zu lernen” steht bei den Europäischen Schlüssel-kompetenzen für lebens-langes Lernen an zentraler Stelle. Empfehlung des EU-Parlaments und EU-Rat vom 18 Dezember 2006, zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen [Official Journal L 394 of 30.12.2006], vgl. http://europa.eu/legislation_sum-maries/education_training_youth/lifelong_learning/c11090_en.htm

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anhang

6.3 Beispiele für Schüleraktivitäten, für die ein EPC-Zertifikat ausgestellt werden könnte

Schüler engagieren sich oft bei verschiede-

nen Schulaktivitäten, die nicht direkt mit dem

Lehrplan verbunden sind, wobei sie sich oft

umfassende Kenntnisse, Fertigkeiten, Einstel-

lungen und Kompetenzen aneignen. Viele

dieser Tätigkeiten können durch die Schule

anerkannt und zertifiziert werden. Es folgen

einige Beispiele:

1. Praktikaa. in einem Geschäft/Stahlwerk/Papierfabrik/Bibliothek/auf einem Pferdehof / im Hotel...

(Betriebspraktikum)

b. im Kindergarten / Krankenhaus / in einer Kinder- oder Altentagesstätte / Camphill-Einrich-

tung / im Notfalldienst... (Sozialpraktikum)

2. Feldforschung: a. Forstwirtschaft

b. Landwirtschaft

c. Landvermessung

d. Ökologie

e. Astronomie

f. Technologie

g. Kunst und Kunstgeschichte

3. Bereich Soziales und Sonstigesa. Beleuchtung bei Festen/ Theater/ Aufführungen

b. Organisation und Durchführung einer Kultur-Film-Reihe

c. Organisation und Herausgabe von Schul-Nachrichten

d. Mitarbeit in der Schülervertretung

e. Buchhaltung für einen Schulladen/-café

f. Organisation und Betreuung einer Schul-Reinigung durch Schüler

g. Betreiben eines Fotolabors

h. Hausaufgabenhilfe für jüngere Schüler

i. Schulvieh füttern und versorgen

j. Hilfe in der (Schüler-) Bibliothek

k. Leiten eines Schüler-Tanzprojektes

l. Computer-Administration

m. Leiten einer Schülergruppe für instandhaltungsarbeiten

n. Verwaltung der Schul-Landkarten

o. Spenden-Aktionen

p. Mediation von Konflikten unter Schülern

4. Auch alle im folgenden Abschnitt 6.4 genannten Tätigkeiten können zertifiziert werden –

sofern sie in der Schule stattfinden oder direkt mit der Schule zu tun haben.

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1. Sport:a. Urkunde für die Teilnahme an einem Ka-

nukurs

b. Urkunde für die Teilnahme an einer Sport-

veranstaltung

c. Sieger-Urkunden für ...

d. Urkunde über die Ausbildung zum Ausbil-

der/Assistent/Schiedsrichter

e. Bescheinigung über die erfolgreiche

Planung und Mithilfe bei einem Sportfest/

Wettbewerb

2. Kunst und Handwerk: a. Bescheinigung über den Bau von: Kanu/

Surfbrett/Musikinstrument/Kästen für

Spielsachen für den Kindergarten/Garten-

schaukel/Teich/Spielplatz/Tischlerarbeiten

b. Auszeichnungen bei Musikwettbewerben

(Gewinner/Teilnehmer/Organisator)

c. Diplome/Bescheinigungen/Referenzen für

Aktivitäten im Bereich Musik oder ...

d. Kunstwettbewerbe/-ausstellungsorganisa-

tion/Teilnahme an Mal-/Fotokursen

3. Kulturelle Ereignisse: jegliche Dokumen-te, die dem Schüler bestätigen:

a. Teilnahme an einem Theaterstück

b. Beleuchtung für eine Show/Theater/Club/

Disco

c. Betreiben einer Werbekampagne, Anzei-

gen Schalten für ...

d. Geschichten Schreiben

e. Verfassen von Artikeln für eine Zeitung

f. Teilnahme an einem Vorlesewettbewerb

g. Teilnahme an Tanzkursen / an Aufführun-

gen als Teilnehmer, Ausbilder, Assistent

h. Teilnahme an Fremdsprachenkursen

4. Gesundheit/Pflege und soziale Tätigkeitena. Erste-Hilfe-Kurs-Bescheinigung

b. Bescheinigung für regelmäßiges Vorlesen

für Senioren oder Blinde in einer Betreu-

ungseinrichtung / Betreuung von Behinder-

ten, Pflege bedürftigen Kindern, ...

c. Teilnahmebestätigung an ökologischen

Projekten

d. Zeugnis über ein Praktikum im Kranken-

haus

e. Hilfe beim Auszählen von Wahlzetteln

f. Mitarbeit/Mitgliedschaft bei der Freiwilli-

gen Feuerwehr

5. Berufsbezogenen Tätigkeitena. Computer-Kurse

b. Praktika/Arbeitszeugnisse

43

6.4 Beispiele für EPC-Mappen-geeignete Dokumente informellen Lernens

Bescheinigungen für informelles Lernen kön-

nen zwar nicht von der Schule ausgestellt,

wohl aber in die EPC-Mappe gelegt werden.

im Folgenden sind einige Beispiele für Be-

scheinigungen/Urkunden/Auszeichnungen

für außerschulische Aktivitäten aufgeführt:

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anhang

6.5 Das Prinzip der Triangulation

Die Güte eines Assessments kann verbessert werden, wenn dasjenige, was bewertet werden soll, aus drei verschiedenen Perspektiven be-trachtet wird. Diese Methode wird Triangulati-on genannt. Aus der Mechanik weiß man, dass Dreiecke eine Konstruktion stabiler machen.

Dimitri Mortelmans18 hat hervorgehoben, dass Triangulation sich in vielen Bereichen an-wenden lässt, um mehr Stabilität, d.h. Zuver-lässigkeit, Vergleichbarkeit und Transparenz zu erreichen:

1. DatenVergleichen von Leistungen durch Triangu-lieren verschiedener Sätze von qualitativen Daten2. Personen Vergleichen von Leistungen durch Triangulie-ren mittels Beurteilung durch Personen aus verschiedenen Fachgebieten

3. TheorieVergleichen von Leistungen durch Triangulie-ren aus verschiedenen theoretischen Pers-pektiven4. MethodenTriangulieren von qualitativen Daten durch quantitative Daten.

Die Triangulation kann z.B. auf ein Praktikum einer Personen angewendet werden, die Feed-

back von dreierlei Personengruppen bekommt:

Feedback durch den Mitschüler

Feedback durch den Lehrer

Feedback durch den Arbeitsbetreuer

18 Mortelmans, Dimitri (2007), Handboek kwalita-tieve onderzoeksmethoden. Blz.436-440. ACCO Leuven/ Voorburg, S. 437

19 Woods, Peter (2006), Research in Education RES-iNED Qualitative Research, University of Plymouth. http://www.edu.plymouth.ac.uk/resined/

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Peter Woods hat die Methode der Triangula-

tion auch auf die Zeitdimension angewandt19.

Studiert man z.B. die Unterrichtsmethoden

eines Lehrers, so kann ein vertieftes Verständ-

nis erreicht werden, wenn

Selbstverständlich wird man diese drei Schrit-

te auch anwenden, wenn man noch nie von

Triangulation gehört hat. Bezogen auf nur

eine spezielle Situation mag das Prinzip der

Triangulation trivial erscheinen. interessant

wird es erst, wenn generell zu zwei Perspekti-

ven noch eine dritte hinzukommt. Betrachtet

man eine Situation nur aus zwei Perspektiven,

birgt dies die Gefahr zu polarer, linearen Be-

trachtungsweise.

Dimitri Mortelman hat vorgeschlagen, As-

sessments mithilfe der Triangulation durch-

zuführen. Dies lässt sich auch auf Portfolio-

Assessments anwenden, z.B:

im Voraus mit dem Lehrer über inhalt und

Unterrichtsansatz für die geplante Stunde

gesprochen wird

die Stunde anschließend beobachtet wird

mit dem Lehrer nachbesprochen wird, was

geschehen ist und warum (welche Ziele

wurden erreicht, verändert, usw.)

Schüler-Portfoliodokumentationdes Projektes

Evaluation von Prozess und Wirkung eines Schülers, beruhend auf Rückblicks-, Reflexions- und Evaluationskriterien

Beobachtungsprotokoll zu Prozess, Leistung und Präsentation des Portfolios durch eine andere evaluierende Person

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anhang

6.6 Einige Beispiele für Qualitätskriterien für Portfolio Dokumente, Präsentationen und mündliche Prüfungen

Kriterien-Beispiel für Portfolio-Prüfungsdokumente

Die folgenden zwei Beispiele sind mit freund-

licher Genehmigung der Waldorfschule Pots-

dam abgedruckt. Sie zeigen Kriterien für eine

Portfolio-Dokumentation, ihre Präsentationen

und die anschließenden mündlichen Prüfun-

gen zu den Sozialpraktika (5-wöchig), die dort

Teil der Prüfungen zum Mittleren Abschluss

sind (EQF-Niveau 3). Die Kriterien sind von

den Schülern selbst definiert und bindend für

Schüler und Lehrer, die an der Portfolio-Prü-

fung teilnehmen. Wir empfehlen ausdrück-

lich, dass die Schüler beim Aufstellen der Kri-

terien eingebunden werden. indem sich die

Schüler mit den Kriterien identifizieren, sind

sie viel eher bereit, Bewertungen von Lehrern

zu akzeptieren.

FOR- Sozialpraktikum | Bewertungskriterien für die Portfolios 11. Klasse + TKoch, Januar 2008

FORM Verrechnungspunkte* mögliche erreichte Gestaltung von Einband Eigeninitiative 2 Handwerklich 1 Schönheit des Produkts 1 Einlagen Schrift 2 Layout 2 Bilder, Zeichnungen 4Rechtschreibung 5Sprache 2 Gliederung 3Summe Form 25

* Die Verteilung der Punkte nimmt jede Klasse neu vor

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NHALT Verrechnungspunkte* mögliche erreicht Die folgenden Punkte sind zu betrachten unter den Gesichtspunkten: inhaltliche

Tiefe, sprachlicher Ausdruck und Qualität

Bewerbungsvorgang 5meine Erwartungen 3 mein Praktikumsplatz (Beschreibung) 9Tagesberichte (repräsentative Auswahl) 9 Vertiefungsthema 13Pflichtteil** 12Summe Inhalt 50

* Pflichtteil = Deckblatt, inhaltsverzeichnis, Brief an den Leser, Selbstständigkeitserklärung, Quellenverzeichnis

REFLEXION Verrechnungspunkte* mögliche erreicht des Bewerbungsvorganges 5der Auswahl der Tagesberichte 2 des Vertiefungsthemas (Auswahl des Themas, Fazit...) 9zur Auswertung meiner Erwartungen 5 der Auseinandersetzung mit dem Berufsbild 4Summe Reflexion 25

GESAMTSUMME 100

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anhang

Kriterien-Beispiel für Portfolio-Präsentationen und mündliche Prüfungen20 Die Kriterien wurden mit Schülern der Klasse 11 am 6.4.2006 entwickelt und für die darauffolgen-den Jahre vom Koordinator leicht verändert.

21 Die Fach-Oberschul-Rei-fe – FOR-Prüfungen (Mittle-re Reife), entsprechen dem EQF-Niveau 3

Waldorfschule PotsdamFach-Oberschul-Reife Teil iii

Portfolio-Prüfung Sozialpraktikum 2006

Kriterien20 für die mündliche Portfolio-Prüfung von Teil III:Arbeitserfahrung im Sozialbereich für die Fach-Oberschul-Reife 21

Beobachtungsbereich: Kriterien Präsentation Prüfungsgespräch

1. Fachliches Können ++ + 0 - -- ++ + 0 - --Fachwissen

identifikation mit der Themenstellung

inhaltlich Experte sein

Nachvollziehbarkeit der Schwerpunktsetzung

Sachgerechte Darstellung

2. Gliederung der Darstellung / Antworten ++ + 0 - -- ++ + 0 - --klare und strukturierte Zeiteinteilung

Vernetzung der inhalte

Fokussieren der Schwerpunkte

Originalität

3. Auftreten / kommunikative Kompetenz ++ + 0 - -- ++ + 0 - --Authentizität, Erleben der Persönlichkeit

Engagement für die Thematik

sprachliche Angemessenheit

(laut und deutlich, keine Fülllaute, nicht monoton, frei sprechen,

nicht zu umgangsprachlich, Wiederholungen vermeiden, gute Wortwahl)

Adressatenorientierung: Kontakt zum Publikum, Blick-Kontakt suchen

ansprechende Kleidung tragen

Humor

Sicherheit im Auftreten (z.B. Umgang mit Störungen)

Abwechslungsreichtum

originelle Darstellung/ weitergehende Präsentationselemente (z.B. tanzen)

4. Medien und Medieneinsatz ++ + 0 - -- ++ + 0 - --Wahl geeigneter Medien

Sicherheit im Umgang mit den Medien

ästhetische Qualität der Gestaltung

Aussagekraft des Medienproduktes

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Beispiele aus der Portfolio-Arbeit werden lau-

fend als Anschauungsmaterial für alle, die mit

Portfolio arbeiten, gesammelt. Die Material-

sammlung ist online über die ‚Tool-Box’ auf

der Seite www.epc-group.org erhältlich. Wei-

tere Beiträge sind willkommen; bitte nehmen

Sie Kontakt auf über [email protected].

6.7 EPC Toolbox

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© pictures: Bund der Freien Waldorfschulen in Stuttgart, Fotolia© text: 2010 by epc-group

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European Portfolio Certificate®

www.epc-group.org

BELGIË | www.steinerscholen.be

ČESKÁ REPUBLIKA | www.iwaldorf.cz

DANMARK | www.rudolfsteinerskoler.dk

DEUtSchLAND | www.waldorfschule.de

ESPAÑA | www.colegioswaldorf.org

FINLAND | www.steinerkoulu.fi

FRANcE | www.steiner-waldorf.org

ItALIA | www.educazionewaldorf.it

LUXEMBOURG | www.waldorf.lu

MAGYARORSZÁG | www.waldorf.hu

NEDERLAND | www.vrijescholen.nl

NORGE | www.steinerskolen.no

ÖStERREIch | www.waldorf.at

POLSKA | www.ozs-waldorf.neostrada.pl

ROMÂNIA | www.waldorf.ro

ROSSIJA | www.waldorfass.ru

SchwEIZ | www.steinerschule.ch

SLOVENIJA | www.waldorf.si

SLOVENSKO | www.iwaldorf.sk

SVERIGE | www.waldorf.se

UKRAÏNA | www.waldorf.in.ua

UNItED KINGDOM | www.steinerwaldorf.org.uk

ECSWEKidbrooke Park Forest Row, East Sussex RH18 5JB England

Brussels office:Rue du Thrône 194 B-1050 Brussels Belgium

www.ecswe.org

Comenius