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Erfahrungen mit dem Standardisierten Abklärungsverfahren (SAV) – Einschätzung
des «Besonderen Förderbedarfs» anhand von Fallbeispielen
Graz 24.Mai 2014Diana von Ins M.Sc.
(Teilweise nach Prof. Dr. Judith Hollenweger)
1
Inhalt
• Warum SAV in der Schweiz?
• Anwendung des Standardisierten Abklärungsverfahren
• Fallbeispiele: Mario und Niklas
• Erfahrungen mit dem SAV - Stolpersteine
• Fragen – immer gerne auch zwischendurch!
3. Dezember 2015 | Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich | Judith Hollenweger
2
Warum SAV in der Schweiz?
Eine Schweiz – 26 Bildungssysteme
Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich | Judith
Hollenweger4
Einige Informationen
• 8’256’000 Einwohner
• Anteil fremdsprachiger Kinder in obligatorischen Schulen: 29.3%
• Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft seit 2004
• Seit 2006 gilt Art. 61b der Bundes-verfassung zur Harmonisierung der kantonalen Bildungssysteme
• Gemeinsamer Lehrplan
• Rückzug der Invalidenversicherung aus der Sonderschulfinanzierung
• Abklärung der Sonderschulung durch den SPD
Drei Zielgruppen – unterschiedliche Informationsbedürfnisse
| Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich | Judith Hollenweger
5
Intensive Interventionen
(+/- 5%)
Gezielte Interventionen
(+/- 15%)
Guter Unterricht für Alle
(100%)
SSG
SAV
Förderstufen-Modell VSA Kt. ZH
6
SSG
SAV
+/-15%
+/- 5 %
Integrative
Förderung (IF)
separative
Sonderschulung:
Einzelunterricht
separative
Sonderschulung:
Tagessonder-
schule
separative
Sonderschulung: Schulheim
i.d.R.mit Einbezug
AJB, KESB
Besondere Klassen:
Einschulungsklasse
Kleinklasse
Deutsch als
Zweitsprache (DaZ)
Sonderschulung
separative
Sonderschulung:
Privatschule
separative
Sonderschulung:
Spitalschulen der
Psychiatrie
(ambulant und
stationär)
Logopädie
Psychomotorik
Psychotherapie
Senioren / Generationen
im Klassenzimmer
(Sozial)Pädagogisch
geführtes time-out
Begabungs- und
Begabtentenförderung
B + U
Fachberatung bei
Körper- und Sinnes-
behinderungen
Frühförderung,
heilpädagogische
Früherziehung
Rückstellung
«Kindergartenreife»
Abteilungswechsel Sek
SSA
Parallelklassenwechsel
inner-/ausserhalb
Gemeinde
Aufgabenhilfe
Mittagstisch, vor-/
nachschulische
Betreuung
Dispens
Noten, FächerIndividuelle
Förderplanung
Klassen-Assistenz
Schüler-Assistenz
Brückenangebote
Sek-Beruf
Nachteilsausgleich
Massnahmen zur
Barrierefreiheit
integrative Didaktik
(Differenzierung,
Individualisierung)
Schulische Angebote und Massnahmen
Fö
rde
rstu
fen
Repetition
Vorzeitiger
Kindergarteneintritt
Überspringen Disziplinarmassnahmen
«Anspruchssicherung» und «Gate-Keeping» besser verstehen
| Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich | Judith
Hollenweger8
0
1000
2000
3000
4000
5000
6000
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013
Anzahl Schüler/innen in Sonderschulung (sep. + IS)
separierte SoSchu Integrierte SoSchu ISR ISS
Syndrome können Lebenssituationen nicht beschreiben
| Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich | Judith
Hollenweger
9
Syndrome können Funktionsfähigkeit nicht beschreiben
| Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich | Judith
Hollenweger10
Lernen &Wissens-
anwendung
AllgemeineAufgaben &
AnforderungenKommunikation Mobilität Selbstversorgung
HäuslichesLeben
Kind 1 2 2 2 1 1 0
Kind 2 3 2 3 1 2 1
Kind 3 3 4 3 3 4 4
Kind 4 1 2 2 0 1 0
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
4,5
Sc
hw
ere
gra
d
Funktionsprofile von 4 Kindern mit Down Syndrom
Erweitertes ICF-Modell im SAV
11
Basisabklärung
Bedarfsabklärung
professionelleUmwelt und Massnahmen
Bildungs- undEntwicklungsziele
“Bedarf”
Anwendung des
Standardisierten
Abklärungsverfahrens
(SAV)
SAV-ZH
13
Entwicklungs-und Bildungs-
ziele
Bedarfs-einschätzung
Haupt-förderort,
Massnahmen-vorschlag
Bedarfsabklärung
persönlicheAngaben
Frage-stellung
profes-sionellerKontext
familiärerKontext
Funktions-fähigkeit
kategorialeErfassung, Diagnose
Basisabklärung
Indikationsbereiche
Kontextbereiche
14
Ko
nte
xt förderlich neutral beeinträchtigend
Einschätzung Unterstützung professioneller Kontext
Einschätzung Unterstützung familiärer Kontext
Quellen:• Anmeldeformular der Schule• Anamnesegespräch mit Eltern• Schulbesuch• Austausch mit Lp und involvierten Fachpersonen• Bestehende Berichte
Über Schwellenwert(PR>5)
Unter Schwellenwert(PR<5)
1.Kognition und Metakognition
2.Bewusste sinnliche Wahrnehmung und
Sensorik
3.Sozial-emotionale Funktionsfähigkeit
4. Intentionale Kommunikation
5. Bewegung, Mobilität, Motorik
6. Ausführen der Aktivitäten des
täglichen Lebens
Indikationsbereiche ICF
15
PR<5
PR=5-15
PR>15
16
17
Hinweise zur Beurteilung:Drei Perspektiven – eine Schwelle
| Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich | Judith
Hollenweger18
Körperfunktionen Aktivitäten Partizipation
Schädigung «erheblich» oder «voll» ausgeprägt
PR < 5ca. SD > 1.5 unter Mittelwertca. T-Wert < 35
Andauernde und schwersteBeeinträchtigung in mehreren, zentralen schulischen Situationen und Settings
Fallbeispiele Mario und Niklas
20
SAV Bericht
Vorlage
1
3
2
21
4
5
6
7
8
9
10
1
11
Fall Mario
• 6 Jähriger Junge, Erstsprache: Italienisch• Belastete familiäre Situation• 2. Kindergarten• Aktuelle Massnahmen: Integrative Förderung (IF),
Deutsch als Zweitsprache (DaZ)• Angemeldet wegen grossen Schwierigkeiten im
Bereich Lernen und Selbstsicherheit. Übertritt in die 1. Klasse.
• Diagnosen: Spracherwerbsstörung, sozial-emotionale Schwierigkeiten
22
Fall MarioEinschätzung Funktionsfähigkeit & Partizipation (ICF)
23
Problem nicht
vorhanden (PR>16)
Problem leicht –
mässig
(PR=8-15)
Problem erheblich –
voll
(PR=0-7)
n.sp./
n.anw./
k.A.
Kognition und Metakognition
d133 Sprache erwerben x
b140 Funktionen der Aufmerksamkeit x
b164 höhere kognitive Funktionen x
Sinnliche Wahrnehmung und Sensorik
d120 andere bewusste sinnliche Wahrnehmung x
b210 Funktionen des Sehens x
b230 Funktionen des Hörens x
b280 Schmerz x
Sozial-emotionale Funktionsfähigkeit
d720 komplexe interpersonelle Interaktionen x
b130 Funktionen der psych. Energie und Antriebs
(b1301 Motivation, b1304 Impulskontrolle)
x
b152 Emotionale Funktionen x
24
Intentionale Kommunikation
d310 Komm. als Empfänger gespr. Mitteilungen x
d330 Sprechen x
d335 non-verbale Mitteilungen produzieren x
b310-330 Stimm- und Sprechfunktionen x
Bewegung, Mobilität und Motorik
d410 elementare Körperposition wechseln x
d440 feinmotorischer Handgebrauch x
b735 Funktionen des Muskeltonus x
b760 Fkt. der Kontrolle von Willkürbewegungen x
Ausführen der Aktivitäten des täglichen Lebens
d230 tägliche Routine durchführen x
d530 Toilette benutzen x
d540 sich kleiden x
d550 Essen x
Problem nicht vorhanden
(PR>16)
Problem leicht – mässig
(PR=8-15)
Problem erheblich – voll
(PR=0-7)
n.sp./
n.anw./
k.A.
Fall MarioEinschätzung Funktionsfähigkeit & Partizipation (ICF)
Fall Mario Entwicklungs- und Bildungsziele
25
aktuell anvisiert 1-2 Jahre Schwerpunkt
für
Förderungalters-/
lehrplangemäss
individualisiert alters-/
lehrplangemäss
individualisiert
Lernen und
Wissensanwendung
x x x
Allgemeine Aufgaben
& Anforderungen
x x x
Kommunikationx x
Mobilität x x
Selbstversorgungx x
Interaktionen &
Beziehungen
x x x
Bedarfseinschätzung
3. Dezember 2015 | Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich
| Judith Hollenweger26
Fall Niklas
• 14-jährige Jugendliche
• 2. Oberstufe Sek B
• Diverse Abklärungen und Massnahmen (z.B. Sonderschulung bis 3. Klasse, Logopädie-Therapie, Psychotherapie, Schulsozialarbeit, Time-Out)
• Eltern mit Erziehung überfordert
• Freizeit am Computer – Sucht?
• Angemeldet wegen sozialen Konflikten und Verweigerung der Teilnahme am Unterricht
• Verdachtsdiagnosen: ADS, Autismussprektrumstörung
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Fall NiklasEinschätzung Funktionsfähigkeit & Partizipation (ICF)
28
Problem nicht
vorhanden (PR>16)
Problem leicht –
mässig
(PR=8-15)
Problem erheblich –
voll
(PR=0-7)
n.sp./
n.anw./
k.A.
Kognition und Metakognition
d133 Sprache erwerben x
b140 Funktionen der Aufmerksamkeit x
b164 höhere kognitive Funktionen x
Sinnliche Wahrnehmung und Sensorik
d120 andere bewusste sinnliche Wahrnehmung x
b210 Funktionen des Sehens x
b230 Funktionen des Hörens x
b280 Schmerz x
Sozial-emotionale Funktionsfähigkeit
d720 komplexe interpersonelle Interaktionen x
b130 Funktionen der psych. Energie und Antriebs
(b1301 Motivation, b1304 Impulskontrolle)
x
b152 Emotionale Funktionen x
29
Intentionale Kommunikation
d310 Komm. als Empfänger gespr. Mitteilungen x
d330 Sprechen x
d335 non-verbale Mitteilungen produzieren x
b310-330 Stimm- und Sprechfunktionen x
Bewegung, Mobilität und Motorik
d410 elementare Körperposition wechseln x
d440 feinmotorischer Handgebrauch x
b735 Funktionen des Muskeltonus x
b760 Fkt. der Kontrolle von Willkürbewegungen x
Ausführen der Aktivitäten des täglichen Lebens
d230 tägliche Routine durchführen x
d530 Toilette benutzen x
d540 sich kleiden x
d550 Essen x
Problem nicht vorhanden
(PR>16)
Problem leicht – mässig
(PR=8-15)
Problem erheblich – voll
(PR=0-7)
n.sp./
n.anw./
k.A.
Fall NiklasEinschätzung Funktionsfähigkeit & Partizipation (ICF)
Fall Niklas Entwicklungs- und Bildungsziele
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aktuell anvisiert 1-2 Jahre Schwerpunkt
für
Förderungalters-/
lehrplangemäss
individualisiert alters-/
lehrplangemäss
individualisiert
Lernen und
Wissensanwendung
x x
Allgemeine Aufgaben
& Anforderungen
x x x
Kommunikationx x x
Mobilität x x
Selbstversorgungx x
Interaktionen &
Beziehungen
x x x
Bedarfseinschätzung
3. Dezember 2015 | Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich
| Judith Hollenweger31
Erfahrungen mit dem SAV - Stolpersteine
Umsetzung: Fragen und Stolpersteine
Positiv
• Fachliche Bereicherung
• Trennung in Basis- und Bedarfsabklärung
• Auseinandersetzung mit ICF/ICD
• Mehr Elterneinbindung
• Intensivere Auseinandersetzung und Zusammenarbeit
• Entwicklungs- und Bildungsziele
• Tool als Checkliste
• Umsetzung in kantonalen Bildungssystemen durch Schulpsychologische Dienste mit kommunalen Besonderheiten
• Legitimation Schulpsychologie
Schwierig
• Paradigmenwechsel
• SAV liefert keine Kennzahlen, keinen Sonderschul-Algorithmus
• Politik: Erwartung an ein „Quoten-Kosten-Steuerungsinstrument“
• Wenig anwendungsfreundliches Tool
• Administrativer Aufwand
• Datenschutz
• Zeitlicher Aufwand: Einbindung aller Beteiligten / Informationsbeschaffung
33September 2011
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Entwicklungs- und Bildungsziele
35
Bedarfseinschätzung
3. Dezember 2015 | Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich
| Judith Hollenweger36
Frage nach der Nutzung der ICF
Was steht im Vordergrund? Gemeinsames Verständnis von Behinderung, gemeinsame Sprache, Klassifikation?
Sind zentrale Grundfragen geklärt?• Ist das Informationsbedürfnis aller Beteiligten geklärt?• Verfügen alle Beteiligten über die erforderlichen Kompetenzen und
Ressourcen?• Gibt es ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Grundhaltung zu
«Behinderung», «Chancengerechtigkeit», «Förderung»?• Sind alle Betroffene auch wirklich Beteiligte?• Gibt es ein gemeinsames Verständnis bezüglich Verfahrens- und
Verteilungsgerechtigkeit?• Wird die Einhaltung von Vorgaben und Verfahrensabläufen überprüft?
3. Dezember 2015 | Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich | Judith Hollenweger
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3. Dezember 2015 | Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich | Judith Hollenweger
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Einschätzung der Entwicklungs- und Bildungsziele
3. Dezember 2015 | Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich | Judith Hollenweger
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Bedarfseinschätzung
Die zentrale Frage ist: Wo beginnt ein Problem?
3. Dezember 2015 | Einige Überlegungen zur Anwendung der ICF im Bildungsbereich | Judith Hollenweger
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Die Schweregrade entsprechen ungefähr den folgenden Prozenträngen:• Problem unerheblich: PR > 15• Problem leicht ausgeprägt: PR >12 bis PR 15 • Problem mässig ausgeprägt: PR 8 bis PR 12• Problem erheblich ausgeprägt: PR 1 bis PR <8• Problem voll ausgeprägt: < PR 1
Umsetzung: Fragen und Stolpersteineu.a. Stellenleitungskonferenz Schulpsychologische Dienste Kanton Zürich SLK-SPD, 2015
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Standards: SAV liefert keine Kennzahlen, keinen ‚Sonderschul-Algorithmus‘; Umsetzung in kantonalen Bildungssystemen durch Schulpsychologische Dienste mit kommunalen BesonderheitenPolitik: Erwartung an ein „Quoten-Kosten-Steuerungsinstrument“Administration: hoher Aufwand (115 Datenfelder!), schwierige IT-Umsetzung (neue separate Datenbank oder Integration?)Konzeption und Terminologie: + Basis vs. Bedarf, + Zielorientierung; Zuordnung Tests zu ICF-Codes? Übersetzung von Alltagsbegriffen in ICF?SAV-Bericht: Zielgruppen? Detaillierungsgrad? Lesbarkeit? Form?Datensammlung: Datenschutz? Auswertung?Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Wer macht was?