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ENTWICKLUNG EINES NUMERISCHEN
MENSCHMODELLS FÜR EIN DREI JAHRE
ALTES KIND
vorgelegt von
Dipl.-Ing. Alexander Eisenach
von der Fakultät V - Verkehrs- und Maschinensysteme
der Technischen Universität Berlin
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der Ingenieurwissenschaften
- Dr.-Ing. –
genehmigte Dissertation
PROMOTIONSAUSSCHUSS:
Vorsitzender: Prof. Dr.-Ing. Dietmar Göhlich
Gutachter: Prof. Dr. rer. nat. Volker Schindler
Gutachter: Dr.-Ing. Heiko Johannsen
Gutachter: Prof. Dr.-Ing. Marc Kraft
Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 10.02.2014
BERLIN 2014
D 83
ZUSAMMENFASSUNG
Bei Betrachtung des aktuellen Unfallgeschehens in Europa kann man feststellen, dass die
Sicherheit der Kinder als Insassen eines Fahrzeugs bereits ein hohes Niveau erreicht hat. Dennoch
bestehen noch viele Optimierungsmöglichkeiten, um die Sicherheit der Kinder weiter zu erhöhen.
Diese Aufgabe gestaltet sich weit schwieriger als die Optimierung der Insassenschutzsysteme für
erwachsene Fahrzeuginsassen. Die schnelle Entwicklung der Kinder, insbesondere die sich rasch
ändernden mechanischen Eigenschaften der Knochenstrukturen und vor allem die von Kind zu
Kind unterschiedliche Entwicklung, führt sowohl aus der Sicht der Gesetzgebung als auch aus der
Sicht des Entwicklers von Kinderschutzsystemen zu komplexen Aufgabenstellungen. Dabei
können numerische Menschmodelle wichtige Dienste leisten.
Die Hauptmotivation für die Entwicklung solcher Modelle ergibt sich aus der in einigen Fällen
nicht hinreichend genauen Biofidelität der Kinder-Crash-Test-Dummys. Die Dummys sind zwar zu
einem sehr wichtigen Werkzeug für die Unfallforschung geworden und sie werden auf absehbare
Zeit unverzichtbar bleiben, um jedoch noch genauere Analysen und noch bessere
Kinderschutzsysteme effizient entwickeln zu können, bedarf es neuer Werkzeuge. Eines davon sind
die Menschmodelle.
Das in dieser Arbeit entwickelte Modell basiert auf realen Geometriedaten eines drei Jahre alten
Kindes. Für die geometrische Zuordnung zu einem 50%-Perzentil wurde die Geometrie geringfügig
skaliert. Besonderes Augenmerk bei der Entwicklung dieses Modells lag auf der genauen
Abbildung der inneren Organe. Insbesondere im Kindesalter sind diese bei einem Fahrzeugaufprall
stärker gefährdet. Die Gründe hierfür sind einerseits die nicht komplett ausgebildeten
Knochenstrukturen und die im Vergleich zum erwachsenen Menschen unterschiedlichen
Körperproportionen.
Das Menschmodell beschreibt den Thorax und Abdominalbereich eines in einem generischen
Kinderschutzsystem sitzenden Kindes mit vereinfachten Extremitäten und einem vereinfachten
Kopf- und Halsbereich. Die Validierung des Modells erfolgt anhand von Ergebnissen aus
Leichenversuchen. Um sicherzustellen, dass die Ergebnisse aus den vorliegenden Erwachsenentests
den Kinderproportionen entsprechen, werden die Systemantworten entsprechend skaliert.
Mit Hilfe des fertigen Menschmodells lassen sich die Verletzungsrisiken im Falle eines Aufpralls
besser darstellen und abschätzen. Das Modell wird dazu beitragen können, die existierenden
Hardware-Dummy-Modelle noch weiter zu verbessern.
V
ABSTRACT
Looking on the current road injury statics in Europe one can assume, that the child safety already
has achieved a rather high level. Still there are possibilities for optimisation. This task is more
complicated than improving the level of safety systems for adult passengers. The rapid growth of
children, especially the changing of the mechanical properties of bone tissue and the different
speeds of development compared child to child, leads from the view of legislation organisations
and the view of child restraint systems developers to complex tasks. Numerical human models can
simplify these tasks.
The main motivation for the development of these models is the in some cases not satisfactory
biofidelity properties of child crash test dummies. Although the dummies became an indispensable
tool for safety researchers, in order to perform even more complex and accurate analyses, new tools
have to be developed. One of these tools is the numeric human model.
The numerical model developed in this work is based on the geometry of a three year old child. For
the geometric adaptation to a 50th percentile the geometry was scaled. Special attention was paid on
the modelling of the inner organs. Especially at a young age the inner organs are more likely to be
injured in a car accident. The reasons for these are on the one hand the not fully developed bone
structures and, compared to an adult, different body proportions on the other hand.
The numeric human model describes the thoratic and abdominal area of a sitting child, the
extremities are simplified. The validation process was performed by comparing scaled adult post
mortem human subject test data.
With the help of the numeric human model the injury risks per body region can be estimated more
accurately. The model can also be useful in the improvement process of the existing hardware crash
test dummies.
VII
DANKSAGUNG
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Fachgebiet Kraftfahrzeuge der TU Berlin.
Ich danke herzlich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. rer. nat. Volker Schindler, dem Leiter des
Fachgebiets Kraftfahrzeuge, der mit kritischen Diskussionen, vielen Freiräumen und Vertrauen in
meine Fähigkeiten zum Gelingen der Arbeit beigetragen hat. Er hat meine Arbeit stets unterstützt
und durch seine wertvollen Kommentare sowie die sorgfältige Durchsicht außerordentlich
bereichert.
Dr.-Ing. Heiko Johannsen danke ich für die vertrauensvolle Zusammenarbeit im Forschungsprojekt
CASPER, in dessen Rahmen die Arbeit entstanden ist. Seine Erfahrung, Unterstützung und
hilfreichen Empfehlungen vor allem in Hinblick auf die Zusammenarbeit in einem internationalen
Konsortium waren mir eine große Hilfe.
Ein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr.-Ing. Marc Kraft, Leiter des Fachgebiets Medizintechnik,
der als weiterer Gutachter für diese Arbeit zur Verfügung steht. Prof. Dr.-Ing. Dietmar Göhlich,
Leiter des Fachgebiets Methoden der Produktentwicklung und Mechatronik, danke ich für die
Übernahme des Prüfungsvorsitzes.
Weiterhin danke ich meinen Kollegen am Fachgebiet Kraftfahrzeuge für die freundliche und
kollegiale Zusammenarbeit sowie allen Studierenden, die mich im Rahmen von Diplom- und
Semesterarbeiten tatkräftig unterstützt haben.
Meiner Frau Alexandra danke ich von ganzem Herzen für die uneingeschränkte Unterstützung
während aller Entstehungsphasen dieser Arbeit, für die kritische Durchsicht, die zahlreichen
Verbesserungsideen und dafür, dass sie es geschafft hat, mich immer wieder neu zu motivieren.
IX
INHALT
1 Motivation ................................................................................................................................... 1
1.1. Unfallgeschehen und dessen Entwicklung in den letzten Jahren ...................................... 2
1.2. Gefährdung von Kindern im Straßenverkehr als Insassen von Pkw ................................ 3
1.3. Fehlbenutzung von Kinderschutzsystemen ....................................................................... 4
2 Stand der Technik........................................................................................................................ 7
2.1 Die Q-Dummy Familie ......................................................................................................... 8
2.2 Übersicht numerische Menschmodelle ............................................................................... 13
2.2.1 Numerische Menschmodelle für Kinder..................................................................... 15
2.3 Verletzungsrisiko in Abhängigkeit von der Körperregion .................................................. 17
2.4 Verletzungsrisiko ................................................................................................................ 18
2.4.1 Brustverletzungen ....................................................................................................... 20
2.4.2 Abdominalverletzungen ............................................................................................. 21
2.4.3 Einflussfaktoren der Risikokurven ............................................................................. 21
2.5 Relevante Dummysensorik ................................................................................................. 23
2.5.1 Sensoren für den Brustbereich .................................................................................... 23
2.5.2 Sensoren für den Abdominalbereich .......................................................................... 26
2.5.2.1 APTS-Sensor .......................................................................................................... 26
2.5.2.2 FMS-Sensor ........................................................................................................... 27
2.5.2.3 Rouhana-Sensor ..................................................................................................... 31
3 Material und Geometriedaten als Basis für die Entwicklung des Menschmodells ................... 33
3.1 Gewinnung von Materialdaten aus PMHS .......................................................................... 33
3.2 Mechanische Eigenschaften menschlichen Gewebes in Abhängigkeit vom Alter ............. 35
3.3 Mechanische Definition von weichem Biogewebe ............................................................. 38
3.4 Materialdaten....................................................................................................................... 39
3.4.1 FE-Modelle für den Thorax ........................................................................................ 39
3.4.1.1 FE-Thorax-Modell von Ruan ................................................................................. 40
3.4.1.2 FE-Thorax-Modell von Kimpara ........................................................................... 41
Inhalt
X
3.4.2 FE-Modelle für das Abdomen .................................................................................... 42
3.5 Problematik der wenig verfügbaren Kinderdaten................................................................ 44
3.6 Skalierung............................................................................................................................ 49
3.6.1 Geometrische Skalierung ............................................................................................ 49
3.6.2 Morphing .................................................................................................................... 51
3.6.3 Skalierung der Systemantworten ................................................................................ 52
3.6.4 Durch Skalierung entwickelte Kindermodelle ............................................................ 53
4 Geometriegrundlagen für das Menschmodell .......................................................................... 57
4.1 Unterschiede zur Anatomie des Erwachsenen und daraus resultierende
Verletzungsrisiken ........................................................................................................................ 57
4.2 Statistische Daten ................................................................................................................ 58
4.3 Das vorliegende PMHCS .................................................................................................... 59
4.4 Stellung der Wirbelsäule und ihre Bedeutung für die Unfallkinematik .............................. 61
4.5 Unterschiede in der Position des Dummys im Crash Test und von Kindern real
angenommenen Positionen ........................................................................................................... 62
5 Modellaufbau............................................................................................................................ 65
5.1 Vereinfachtes Menschmodell .............................................................................................. 65
5.2 Aufbereitung der Geometrie ................................................................................................ 66
5.3 Das Skelett........................................................................................................................... 68
5.4 Innere Organe ...................................................................................................................... 72
5.4.1 Die Lunge ................................................................................................................... 73
5.4.2 Das Herz ..................................................................................................................... 74
5.4.3 Die Leber .................................................................................................................... 76
5.4.4 Die Nieren .................................................................................................................. 77
5.4.5 Die Milz ...................................................................................................................... 77
5.4.6 Der Verdauungstrakt ................................................................................................... 78
5.4.7 Übriges Gewebe ......................................................................................................... 79
5.5 Extremitäten ........................................................................................................................ 80
5.6 Anpassung der Körperhaltung ............................................................................................. 80
Inhalt
XI
6 Validation .................................................................................................................................. 83
6.1 Skaliergrößen ...................................................................................................................... 84
6.2 Lastfälle für die Validation des Menschmodells ................................................................. 86
6.2.1 Frontalaufprall ............................................................................................................ 86
6.2.2 Seitenaufprall .............................................................................................................. 88
6.3 Numerische Optimierung .................................................................................................... 89
6.4 Materialeigenschaften ......................................................................................................... 96
6.5 Messung der Abdominalbelastungen .................................................................................. 98
6.6 Vergleich von APTS- und FMS-Messergebnissen .......................................................... 100
6.6.1 Messung der Abdominalbelastungen in einer Simulation ........................................ 103
6.7 Durchführung einer Unfallrekonstruktion ......................................................................... 106
7 Zusammenfassung und Ausblick............................................................................................. 111
7.1 Ausblick ............................................................................................................................ 112
8 Quellenverzeichnis .................................................................................................................. 113
1
1 MOTIVATION
Betrachtet man das aktuelle Unfallgeschehen in Europa, so kann man feststellen, dass die
Sicherheit der Kinder als Insassen eines Fahrzeugs ein hohes Niveau erreicht hat. Allerdings
besteht noch viel Optimierungsbedarf (im Hinblick auf Schutzsysteme, Testverfahren und
Testwerkzeuge), um die Sicherheit der Kinder auf einen vergleichbaren Level mit den
Erwachsenen Insassen zu bringen. Diese Aufgabe gestaltet sich weit schwieriger als die
Optimierung der Insassenschutzsysteme für erwachsene Fahrzeuginsassen. Die schnelle
Entwicklung der Kinder, die rapide wechselnden, mechanischen Eigenschaften der
Knochenstrukturen und vor allem die untereinander durchaus unterschiedliche Entwicklung führen
zu komplexen Aufgabenstellungen sowohl aus der Sicht der Gesetzgebung als auch aus der Sicht
des Entwicklers von Kinderschutzsystemen.
Die Kinderschutzsysteme werden kontinuierlich verbessert, neue gesetzliche und Verbrauchertests
mit immer strengeren Vorgaben werden eingeführt. Mittlerweile wird über Systeme wie
Gurtstraffer und Gurtkraftbegrenzer speziell für Kinderrückhaltesysteme diskutiert. All dies soll
zur stetigen Verbesserung der Kindersicherheit beitragen. In den letzten 10 Jahren sank die Anzahl
der getöteten Kinder im Alter von 0-13 Jahren in Europa (EU-191) um ungefähr 50% (von 752 auf
374, Kirk et al., 2011).
Alle diese Optimierungsmaßnahmen werden mit speziell entwickelten Messwerkzeugen
durchgeführt, den Crash-Test-Dummys. In Europa verwendet man üblicherweise die P- und Q-
Dummy Familie, in Nordamerika verschiedene Derivate des H-III Dummys (siehe Kapitel 2).
Diese Werkzeuge sollen es erlauben, wiederholt sehr hohe Lasten in möglichst vielen
Körperregionen zu messen, ohne dabei beschädigt zu werden. Aus diesem Grund sind Dummys
sehr robust und teilweise sehr einfach aufgebaut, was tendenziell einen Widerspruch zu der
Anforderung an eine sehr gute Biofidelität, d.h. das Vermögen menschliche Eigenschaften
möglichst genau abzubilden, darstellt. Eine hohe Biofidelität wird jedoch benötigt, um komplexere
und bessere Schutzsysteme entwickeln zu können. Liefert der Dummy, ähnlich einer nicht
kalibrierten Waage, falsche Werte, besteht die Gefahr, das System in die falsche Richtung zu
optimieren.
Eine Möglichkeit, um Schwachstellen und Verbesserungspotenziale der heutigen Messwerkzeuge
aufzeigen zu können, ist die numerische Simulation. Rechnerisch lässt sich fast ein beliebiger
1 EU-19: EU Länder mit den verfügbaren detaillierten Unfallstatistiken der letzten 10 Jahre. (Belgien,
Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande,
Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Spanien, Schweden, Tschechien und Großbritannien)
1. Motivation
2
Komplexitätsgrad darstellen, das komplexeste Werkzeug zur Verbesserung der Sicherheit eines
Menschen in einem beliebigen System mit beliebigen äußeren Lasten ist die exakte Abbildung des
Menschen selbst. Das Ziel dieser Arbeit ist es, ein hinreichend genaues Modell eines Kindes in
einem Alter von drei Jahren aufzubauen, zu validieren und Potenzial zur Verbesserung der heute
verwendeten Kinder-Dummys aufzuzeigen.
1.1. UNFALLGESCHEHEN UND DESSEN ENTWICKLUNG IN DEN LETZTEN JAHREN
Während in den meisten EU-Ländern die Verletztenzahlen sowohl von Erwachsenen als auch von
Kindern als Insassen von Pkw stetig sinken, gibt es in einigen Ländern immer noch großen
Nachholbedarf. Jedoch existieren keine weltweiten Studien, welche die Anzahl der verletzten und
getöteten Kinder im Straßenverkehr einheitlich dokumentiert.
Nachfolgend werden einige Zahlen aus der Unfallstatistik in Europa genannt. Diese Arbeiten
wurden entweder von den CASPER2
-Partnern oder im Rahmen anderer europäischer
Forschungsprojekte durchgeführt.
Kirk [Kirk et al., 2012] führte eine detaillierte Analyse der CARE3-Datenbank in Bezug auf die
verletzen und getöteten Kinder als Insassen eines Fahrzeugs durch. Von insgesamt 896 getöteten
Kindern im Straßenverkehr (EU-234) entfallen 44% auf Fahrzeuginsassen. In den letzten 10 Jahren
sank die Anzahl der getöteten Kinder im Alter von 0-13 Jahren in Europa um ungefähr 50% (siehe
Abbildung 02). Die Auswertung legt nahe, dass die Reduktion der Todesopferzahl nicht speziell
auf Maßnahmen zur Verbesserung der Kindersicherheit zurückzuführen ist, sondern im Trend der
allgemeinen Sicherheitsentwicklung liegt.
2 CASPER: Child Advanced Safety Project for European Roads – Internationales, von der EU gefördertes
Forschungsprojekt mit dem Ziel der Verbesserung der Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr
3 CARE: Community Database on Accidents on the Roads in Europe - Datenbank aller Straßenverkehrs-
unfälle in Europa
4 EU-23: EU-19 mit zusätzlich: Estland, Litauen, Slowakei, Ungarn
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
3
Abbildung 01: Verteilung der Anzahl der getöteten Kinder [Kirk, 2011]
Abbildung 02: Verlauf der Anzahl der getöteten Kinder von 1999 bis 2008 [Kirk, 2011]
1.2. GEFÄHRDUNG VON KINDERN IM STRAßENVERKEHR ALS INSASSEN VON
PKW
Kinder als Insassen von Fahrzeugen sind im Falle eines Unfalls besonders gefährdet. Ihr Körper ist
nicht vollständig ausgebildet und erreicht nicht die Robustheit eines Erwachsenen. Der Kopf ist im
Verhältnis zum Torso größer und schwerer, gleichzeitig sind die Knochenstrukturen sehr elastisch
und die stützende Muskulatur im Halsbereich ist nicht vollständig ausgebildet. Schäden,
insbesondere am Rückenmark im Bereich der Halswirbelsäule, können aus diesen Gründen bei
0.0%
0.5%
1.0%
1.5%
2.0%
0
100
200
300
400
500
600
700
800
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008
Todesfälle mit
Kindern als Insassen
% aller Todesfälle
1. Motivation
4
frontaler Belastung häufiger auftreten. Der Rippenkäfig im Brustkorb übernimmt die
Schutzfunktion der lebenswichtigen Organe, welche die Durchblutung des Körpers und die
Versorgung mit Sauerstoff sicherstellen. Bei einem Kind sind die Rippen im vorderen
Sternumbereich noch nicht als knöcherne Struktur ausgebildet und bieten somit nur wenig
Widerstand gegen Eindringung. Der Abdominalbereich des Kindes ist proportional größer als beim
Erwachsenen, zusätzlich sind einige innere Organe nicht in dem Maße vom Rippenkäfig geschützt,
wie später im Erwachsenenstadium. Das Becken des Kindes ist ebenfalls noch nicht vollständig
ausgebildet. Im Gegensatz zum Erwachsenen bieten die Hüftknochen bzw. der Beckenkamm wenig
Halt für den Beckengurt, welcher so bei einem Frontalaufprall auf das Abdomen abrutschen und
dort schwere Verletzungen verursachen könnte. Das Abrutschen des Beckengurtes vom
Beckenkamm kann bei einem Frontalaufprall zu Submarining5 führen. Auch die falsche Benutzung
der Rückhaltesysteme (Gurtlose6) oder eine falsche Sitzhaltung (die Wirbelsäule liegt nicht an der
Rückenlehne an, bzw. es besteht ein großer Abstand zwischen der unteren Rückenlehne und dem
Becken) können Submarining begünstigen.
Abbildung 03: Anatomie eines Neugeborenen (links) und eines Erwachsenen (rechts) Menschen
[Franklyn et al., 2007]
1.3. FEHLBENUTZUNG VON KINDERSCHUTZSYSTEMEN
Ein wichtiger Aspekt auf dem Gebiet der Kindersicherheit ist ein nach wie vor sehr hoher Anteil an
nicht richtig gesicherten Kindern im Fahrzeug. Die Fehlbenutzung (auch engl.: misuse) führt dazu,
5 Submarining: Ein Vorgang bei dem das Becken während einer Vorwärtsbewegung unter das Gurtband des
Beckengurts taucht und bei der das Gurtband schwere Abdominalverletzungen verursachen kann.
6 Gurtlose: Entsteht durch einen nicht straff angelegten Sicherheitsgurt.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
5
dass die Schutzwirkung der Kinderschutzsysteme (KSS) gemindert oder aufgehoben wird. Zu
solchen Fällen zählen beispielsweise falsch befestige Kindersitze, fehlerhaft angelegte Gurte oder
die Verwendung einer falschen Kindersitzgröße. Bei Misuse kann auch ein fortschrittliches
Schutzsystem nutzlos werden oder sogar das Verletzungsrisiko des Kindes erhöhen bzw. eines für
andere Insassen schaffen.
Es existieren einige Studien zur Erhebung der Fehlbenutzungsrate in Europa. Müller (Müller, 2013)
fasste europäische Studien mehrerer Jahre zusammen. Die Daten aus 2011 entstammen der
Erhebung im Rahmen des Forschungsprojektes CASPER. Dabei wurden Fahrer von Fahrzeugen in
den Städten Berlin, Lyon und Neapel beobachtet und befragt. Er kam zu dem Schluss, dass obwohl
die Anzahl der getöteten und schwerverletzten Kinder im Straßenverkehr über die Jahre gesunken
ist, sich die Fehlbenutzungsrate auf einem konstanten Niveau von ungefähr 60% befindet (siehe
Abbildung 06). Man muss an dieser Stelle zwischen leichten und schweren Misuse-Fällen
unterscheiden, auch wenn beide das Verletzungsrisiko bei einem Unfall erhöhen.
Abbildung 04: Vergleich der Einbauqualität mit älteren Feldstudien [Müller, 2013]
Die Auswertung der CASPER Feldstudie hat gezeigt, dass die Fehlbenutzung von Kindersitzen
nach wie vor ein weitverbreitetes und ernstzunehmendes Problem darstellt. Das Hauptproblem bei
der richtigen Benutzung von KSS liegt in der richtigen Führung des Fahrzeuggurts sowie der
generellen Sicherung des Kindersitzes im Fahrzeug. Beide Probleme ließen sich durch die Nutzung
von ISOFIX7-Sitzen beheben. Es zeigte sich allerdings, dass weniger als vier Prozent der
7 ISOFIX: Ein Befestigungssystem, welches den Kindersitz fest mit der an der Fahrzeugkarosserie ange-
brachten Haltern zwischen der Sitzfläche und der Rückenlehne verbindet
0
10
20
30
40
50
60
70
1997 2003 2006 2008 CASPER 2011
Pro
zen
t
Vergleich Einbauqualität
korrekt
Misuse
1. Motivation
6
untersuchten Kindersitze mittels ISOFIX im Fahrzeug befestigt waren. Die Marktdurchdringung
dieses Systems ist äußerst gering [Müller, 2013].
7
2 STAND DER TECHNIK
Die ersten Crashtest-Dummys entstanden in den 40er Jahren,
als das Automobil bereits zum Bestandteil des öffentlichen
Lebens gehörte. Mangels Auslegung der Fahrzeuge auf
Crashsicherheit und Insassenschutz war die Todesrate im
öffentlichen Verkehr zu dieser Zeit viel höher als es heute der
Fall ist, trotz der heutzutage viel höheren Verkehrsdichte. Der
erste Dummy wurde allerdings nicht für die
Automobilindustrie entwickelt, sondern im Auftrag der US-
amerikanischen Luftwaffe. Der Dummy wurde von „Sierra
Engineering Co.“ entwickelt und sollte den Forschern helfen,
Schleudersitze für Flugzeuge zu entwickeln. Das Skelett des
Dummys bestand aus laminiertem Kunststoff, Glasfasern und
Gelenken aus Stahl. Die Außenhaut bestand aus
Polyvinylchlorid. Die Gelenke konnten in der Steifigkeit
verstellt werden, der Dummy entsprach einem 95%-Perzentil8
des damaligen Bevölkerungsschnitts.
In den 50er Jahren folgten weitere Dummy-Modelle, welche
nun auch in der Automobilindustrie ihre Verwendung fanden.
Der Automobilkonzern General Motors (GM) entwickelte
zusammen mit SAE9 ein eigenes Modell, da keines der auf
dem Markt verfügbaren den Qualitätsanforderungen
entsprach. So entstand der Hybrid I-Dummy. Im Jahr 1973 folgte dann der verbesserte Hybrid II
und schließlich 1976 der Hybrid III, der bis heute weitverbreitetste Crashtest-Dummy.
Mittlerweile existieren mehrere Varianten des ursprünglichen Hybrid III, verschiedene Perzentile
beider Geschlechter, darunter auch drei Hybrid III-Kindermodelle, welche die Altersstufen drei,
sechs und zehn Jahre darstellen.
8 Perzentil: Ein Prozentrang. Ein 95%-Perzentil ist grösser und schwerer als 95% der betrachteten
Bevölkerungsgruppe.
9 SAE: Society of Automotive Engineers: Verband der Automobilingenieure, eine gemeinnützige
Organisation für Technik und Wissenschaft, welche 1905 gegründet wurde.
Abbildung 05: Sierra Sam Dummy
[NSA; 2011]
2. Stand der Technik
8
2.1 DIE Q-DUMMY FAMILIE
Das Standardwerkzeug der Unfallforscher in Bezug auf die Kindersicherheit im europäischen
Raum ist die Q-Dummy-Familie. Die Q-Dummys haben die zuvor als Standard geltenden P-
Dummys abgelöst. Sie sind sowohl in der Biofidelität als auch aus der Sicht der Anthropometrie
das aktuellste Crashwerkzeug. Die Entwicklung begann in den Neunzigern, durchgeführt von der
CDWG10
und wurde teilweise im europäischen Forschungsprojekt CREST11
weitergeführt. In 2013
werden Q-Dummys erstmalig in jedem Crashtest der Verbraucherschutzorganisation EuroNCAP
eingesetzt werden12
.
Abbildung 06: Die Q-Dummy-Familie, bestehend aus: Q1.5, Q3, Q0, Q6 und Q1 [EEVC; 2008]
Der erste entwickelte Q-Dummy war ein Q3, ein Dummy der ein dreijähriges Kind repräsentiert.
Ihm folgten in den darauffolgenden Jahren die Altersstufen Q0, Q1, Q1.5 und Q6. Der letzte und
der neueste Repräsentant der Q-Dummy Familie ist ein Q10 Dummy.
10 CDWG: Child Dummy Working Group – internationaler Zusammenschluss von Kindersicherheitsexperten
bestehend aus Vertretern der Forschung, Kindersitzherstellern, Dummyentwicklern und OEMs
11 CREST: Child Restraint Systems; FP5 EC Forschungsprojekt, 1996-2000
12 Ein Q3- und ein Q1.5-Dummy jeweils auf der Rückbank des getesteten Fahrzeugs, ab 2015 zusätzlich mit
Q6- und Q10-Dummys.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
9
Die Q-Dummys sind sowohl für Frontal- als auch für Seitenaufprallszenarien einsetzbar. Die
Instrumentierung ist so ausgelegt, dass sie je nach Anforderung auf die jeweilige Crashrichtung
ausgerichtet werden kann. Gemessen werden Beschleunigungen, Momente, Kräfte und
Eindrückungen in den wichtigsten Bereichen des Dummys. Einen serienreifen Sensor zur Messung
des Abdominal-Verletzungsrisikos gibt es nicht, jedoch existieren hierzu mehrere seriennahe
Prototypen.
13
Abbildung 07: Q-Dummy-Standardinstrumentierung, Q1.5 (kann je nach Modell variieren) [EEVC,
2008]
Das Design des Q1, Q1.5, Q3 und Q6 ist vergleichbar. Der Kopf und das Schlüsselbein sind aus
Kunststoff. Die Hals- und die Lendenwirbelsäule bestehen aus einer Kombination von Metall und
Gummibauteilen, welche Biegung und Scherung in alle Richtungen erlauben. Die Brustwirbelsäule
ist fest und der Brustkorb deformierbar. Das Abdomen besteht aus einem mit einer PVC-Haut
ummantelten Schaumeinsatz, welcher zwischen Brustkorb und Becken positioniert wird. Die
Beckenknochen sind durch eine Metallkonstruktion abgebildet. Die Extremitäten werden durch
eine Kombination aus Kunstsoffen und Metall dargestellt [EEVC, 2008].
13 Messwerte Q-Dummy Übersetzung (von oben nach unten): Kopf-Winkelgeschwindigkeit, Kopfbeschleu-
nigung, Kraft- / Momentmessung in der Halswirbelsäule, Thorax Beschleunigung, Brustbeschleunigung,
Brusteindrückung, Kraft- / Momentmessung in der Lendenwirbelsäule, Beckenbeschleunigung
2. Stand der Technik
10
Die anthropometrischen Daten für die Entwicklung der Q-Dummys sind der CANDAT14
-
Datenbank entnommen. Für die Validation der Q-Dummys standen, wie auch in dieser Arbeit,
keine direkten biomechanischen Daten von Kinderkörpern zur Verfügung. Aus diesem Grund
wurde auf die Testergebnisse von Versuchen mit den Leichen Erwachsener zurückgegriffen. Die
Ergebnisse wurden im Anschluss auf das Kinderniveau skaliert. Die Zielvorgabe der Entwicklung
war das realitätsnahe, biofidele Verhalten vom Kopf, Hals, Brust und Bauchbereich im Frontal und
Seitenaufprall. Einige Validationsergebnisse werden in den nachfolgenden Abbildungen
dargestellt.
Abbildung 08: Q3-Referenztest, Validation der Halswirbelsäule, Halsmoment über Biegewinkel
[EEVC, 2008]
Abbildung 08 zeigt die Ergebnisse der Validation der Halswirbelsäule des Q3-Dummys. Dabei
wird der Kopf, bzw. eine Ersatzmasse für den Kopf mit dem Hals an einem Pendel befestigt,
welches gegen eine deformierbare Wabenstruktur prallt. Der Kopf/Hals-Bereich hat dabei keinen
Kontakt zu anderen Bauteilen. Die Last resultiert aus der Massenträgheit des Kopfes und des
Halsbereichs, während das Pendel abgebremst wird. Dieser Test soll einen Frontalaufprall
simulieren, bei dem der Oberkörper des Insassen durch das Gurtsystem festgehalten wird. Der
Bereich der Biofidelität ist durch die stückweise geraden Linienzüge gekennzeichnet.
14 CANDAT: Child Anthropometry Database. Eine Datenbank mit anthropometrischen Daten von Kindern,
aufgenommen in verschiedenen Regionen der USA, Europa und Japan.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
11
Abbildung 09: Q3-Referenztest, Validation des Brustbereichs, Kraft über Brusteindrückung [EEVC,
2008]
Der Frontalaufprall wird mittels eines Pendels simuliert, das mit einer konstanten Geschwindigkeit
den Thorax trifft. Der Dummy wird dabei horizontal nicht festgehalten und ist aufrecht sitzend auf
einer starren Platte positioniert. Der runde Impaktor simuliert dabei eigentlich keine
fahrzeugtypische Last auf den Oberkörper, höchstens der Aufprall des Abdomens auf das Lenkrad
kann damit verglichen werden. Dieser Lastfall ist für Kinder nicht relevant, da diese immer mit
einem Gurtsystem gesichert werden und kein Lenkrad vor sich haben. Das Eindringen einer festen
Struktur in den Oberkörper ist daher unwahrscheinlich.
Der Lastfall gilt jedoch trotzdem als Quasi-Standard bei der Auslegung von anthropometrischen
Testobjekten. Die Daten wurden einer Testreihe mit PMHS15
entnommen, welche in den 70er
Jahren von Kroell durchgeführt wurde [Kroellet et al., 1971]. Die Testreihe bestand aus 14 PMHS
im Alter von 19 bis 81 Jahren, als Aufprallstelle wurde der frontale und der transversale
Mittelpunkt des Sternums16
definiert. Die Ergebnisse dieser Tests waren unter anderem Kraft-Weg-
Kennungen für den Oberkörper, welche in skalierter Form auch für Kinder gültig sind. Diese Tests
sind auch Grundlage für die Validation des in dieser Arbeit entwickelten Kindermodells.
15 PMHS: Post Mortem Human Subject; ein menschlicher Körper / eine Leiche als Versuchsobjekt
16 Sternum: lat. für Brustbein
2. Stand der Technik
12
Wie in Abbildung 09 zu sehen, ist die Steifigkeit des Dummys höher als das Zielniveau aus den
Leichenversuchen. Eine mögliche Ursache ist die Tatsache, dass der Q3-Dummy im Thoraxbereich
eine steife Wirbelsäule hat. So wird die Aufprallenergie allein von den Rippen aufgenommen. Bei
einem Menschen hingegen wird ein Teil der Deformationsenergie durch die Verformung in der
Wirbelsäule abgebaut. Der Einfluss dieser Diskrepanz auf die ermittelte Verletzungs-
wahrscheinlichkeit zwischen den mit Hilfe des Dummys ermittelten Verletzungskriterien und den
realen Verletzungswahrscheinlichkeiten könnte mit Hilfe eines validierten Menschmodells
untersucht werden.
Abbildung 10: Ergebnisse aus Leichenversuchen, Frontalaufprall Thorax, Kraft über Weg [Kroell et
al., 1971]
Abbildung 11 stellt den Kraft-Weg Korridor für den Abdominaltest dar. Die Last wird über ein
Gurtband aufgebracht, welches in gespanntem Zustand geführt auf den Abdominalblock des
Dummys aufprallt. Die entsprechenden Tests wurden von Rouhana an lebenden Schweinen
durchgeführt [Rouhana, 1989]. Der Abdominalbereich der Schweine ist dem des menschlichen
Körpers sehr ähnlich, vor allem hinsichtlich der Größenverhältnisse der einzelnen inneren Organe
zueinander.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
13
Abbildung 11: Q3-Referenztest, Validation des Bauchbereichs, Kraft über Baucheindrückung [EEVC,
2008]
Der Abdominalbereich der Q-Dummys ist sehr einfach gestaltet, was der Reduktion der Kosten,
der Komplexität und der Reparaturanfälligkeit und somit insgesamt der Effizienz der Dummys als
Testobjekt zugutekommt. Auf der anderen Seite stellt dieses Design die Forscher vor die
schwierige Aufgabe, verlässliche Messinstrumente in diesem Bereich zu gestalten. Hinzu kommt
das Fehlen von ausführlichen Tests an PMHS als Basis für die Validation des Abdominalbereichs.
Wie in Abbildung 11 zu sehen, stellt der Korridor eine progressive Kraft-Weg Kennung dar,
während der reale Abdominalblock im Test einen linearen Verlauf beschreibt. Dies ist ein weiterer
Kritikpunkt an der Auslegung des Dummy Abdominalbereichs.
2.2 ÜBERSICHT NUMERISCHE MENSCHMODELLE
Die ersten numerischen oder mathematischen Menschmodelle im Bereich der Insassensicherheit
wurden in den 70er Jahren entwickelt [Prasad, 1993]. Die Beschreibung des Menschen beschränkte
sich dabei auf einen Satz von hintereinander geschalteten Federn und Dämpfern zur Simulation der
Verformung, bzw. auf eine Reihe starrer Körper mit definierten Gelenksteifigkeiten und -freiheiten
zur Simulation der Bewegung des Insassen bei einem möglichen Aufprall.
In den 90er Jahren gab es eine Reihe von Entwicklungen von FE-Menschmodellen, welche mehr
oder weniger gut den menschlichen Körper abbildeten bzw. auf einzelne Lastfälle validiert waren.
2. Stand der Technik
14
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind es Arbeiten von Plank & Eppinger (1989), Huang (1994),
Wang (1995) und Iwamoto (2000).
Hervorzuheben sind die Menschmodelle THUMS17
[Furusu et al., 2001] und HUMOS18
[Thollon et
al., 2002], welche bis zum jetzigen Zeitpunkt in der jeweiligen letzten Entwicklungsstufe die am
weitesten entwickelten Menschmodelle für den Erwachsenenkörper darstellen.
Abbildung 12: THUMS-Menschmodell, Insassen- und Fußgängerversion, Darstellung der inneren
Organe [Dynamore, 2012]
Im Verlauf der letzten 10 Jahre wurden die beiden Modelle kontinuierlich optimiert und verfeinert.
Es existieren verschiedene Perzentilgrößen (welche mittels Skalierung abgeleitet wurden), Männer-
und Frauenmodelle sowie Insassen- und Fußgängermodelle. Ausgehend von diesen
Menschmodellen wurden auch Anstrengungen unternommen, mittels Skalierung numerische
Modelle für Kinder zu entwickeln.
Eine Sonderstellung nimmt das GHBMC19
Menschmodell ein. Das GHBMC Konsortium
entwickelt sehr detaillierte numerische Modelle, welche Erwachsene in unterschiedlichen
Perzentilabstufungen repräsentieren. Die Pläne des Konsortiums sind ambitioniert und die
bisherigen Forschungsergebnisse lassen auf einen hohen Qualitätsgrad der Modelle schliessen.
17 THUMS: Total Human Model for Safety, entwickelt seit 1997 von Toyota Inc.
18 HUMOS: Human Model for Safety, entwickelt seit 2001 von einem europäischen Zusammenschluss an
Fahrzeugherstellern, Zulieferern, Universitäten und staatlichen Forschungseinrichtungen.
19 GHBMC: Global Human Body Models Consortium, vorwiegend Nordamerikanischer Zusammenschluss
aus Fahrzeugherstellern und Forschungseinrichtungen.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
15
Geplant ist auch die Entwicklung von Menschmodellen für Kinder verschiedener Altersstufen
[Combest, J., 2013].
2.2.1 NUMERISCHE MENSCHMODELLE FÜR KINDER
Es existieren bereits einige numerische Menschmodelle, welche Kinder verschiedener Altersstufen
abbilden. Die meisten von ihnen entstanden allerdings aus bereits vorhandenen
Erwachsenenmodellen mittels Skalierung. Die Proportionen von verschiedenen Körperbereichen,
insbesondere vom Kopf zum Körper, ändern sich sehr stark im Laufe der Entwicklung des Kindes.
Daher ist eine Größenskalierung vom Erwachsenen- zum Kindermodell sehr komplex und der eher
weniger geeignete Weg, ein neues Menschmodell zu entwickeln. In der nachfolgenden Tabelle sind
fundamentale Unterschiede (sowohl aus geometrischen als auch aus biomechanischen
Gesichtspunkten) zusammengefasst, die gegen eine Skalierung sprechen.
Tabelle 01: Unterschiede zwischen Erwachsenen- und Kinderkörpern [Ciglaric, 2007]
Eine ausführliche Zusammenfassung der Unterschiede wurde von Klinich [Klinich et al., 1996]
aufgestellt, einige weitere Merkmale aus ihrer Veröffentlichung sind in der nachfolgenden Liste
zusammengefasst:
• unterschiedliche Proportionen der Kopfgesamtmasse
• nicht vollständig ausgebildete Halswirbel bis zu einem Alter von 4-6 Jahren (C1
und C2 Wirbel20
)
20 C1, C2 Wirbel: auch Atlas und Axis Wirbel genannt. Sie bilden die ersten Halswirbel und zusammen die
Kopfgelenke mit der tragenden und der bewegungsführenden Funktion.
Körperregion Fundamentale Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen
Extremitäten
Physiologie
Knochen sind stärker deformierbar
Knorpel können mehr Energie absorbieren
Gelenke sind elastischer
Becken
Physis (drei getrennte, mit Knorpelgewebe zusammengehaltene Bereiche)
Knochen sind stärker deformierbar
Knorpel können mehr Energie absorbieren
Gelenke sind elastischer
Brustkorb
Torsoproportionen und Brustkorbgeometrie
Verhältnis zwischen Knochen und Knorpelstrukturen im Brustkorb
Knochen sind stärker deformierbar
Knorpel können mehr Energie absorbieren
Schädel
Schädelplatten verändern sich mit dem Alter, bis sie schließlich
zusammenwachsen
Knochen sind stärker deformierbar
2. Stand der Technik
16
• Leber und Milz sind nicht vom Rippenkäfig geschützt
• Iliac crest21
nicht vollständig entwickelt, bis zu einem Alter von 10 Jahren
Aus den oben genannten Gründen und nach Betrachtung der genauen zeitlichen Veränderung der
Wachstumsphase und Entwicklung der einzelnen Organe kommt eine Skalierung eines
Erwachsenenmodells für das in dieser Arbeit gesetzte Ziel nicht in Frage. Es wird allgemein davon
ausgegangen, dass die Altersstufe sechs Jahre die untere Grenze für eine Skalierbarkeit vom
Erwachsenen zum Kind darstellt.
21 Iliac Crest: Beckenkamm, vorderer oberer Bereich des Beckenknochens, bietet Schutz für die unteren
Abdominalorgane und bei den Erwachsenen Halt für den Beckengurt
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
17
2.3 VERLETZUNGSRISIKO IN ABHÄNGIGKEIT VON DER KÖRPERREGION
Bei der Entwicklung des numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind (im
Nachfolgenden Abgekürzt durch: 3JAMM22
) standen die Anforderungen an das Modell relativ früh
in der Entwicklungsphase fest bzw. wurden in Zusammenarbeit mit den Forschungspartnern des
CASPER Projekts festgelegt. Neben den mathematischen Anforderungen wie z.B. minimal
zulässiger Zeitschrittweite sollte der spätere Anwender mit diesem Modell dazu fähig sein, Lasten
in den Bereichen mit besonders hohem Verletzungsrisiko im Frontal- und Seitenaufprall ermitteln
zu können.
Folgende Verletzungsmuster sind für den Torso eines drei Jahre alten Kinds als Insasse eines
Kraftfahrzeugs relevant:
Tabelle 02: Erwartete Verletzungsmuster
Es wurde festgelegt, dass folgende innere Organe als eigenständige Organe modelliert werden:
Lungen
Herz
Leber
Nieren
Milz
Die Festlegung nur auf diese Organe beruht auf der Tatsache, dass es sich hierbei um kompakte
oder nahezu kompakte Organe handelt, während z.B. der Magen und der Verdauungstrakt hohle
Organe darstellen. Nach der Analyse der CHILD23
Datenbank wurde deutlich, dass schwere
Verletzungen bei Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren besonders häufig in den kompakten
Organen des Abdominalbereichs, sowohl beim Frontal- als auch Seitenaufprall, auftreten.
22 3JAMM: drei Jahre altes Menschmodell
23 CHILD: Advanced methods for improved Child Safety, EC FP6 Forschungsprojekt 2003 - 2006
Bereich Verletzungsmuster
Thorax Organverletzungen ohne Rippenbrüche
Abdomen Verletzungen der weichen Organe (Leber, Milz und Nieren) durch das Eindringen
des Beckengurts oder gurtführender Bauteile in den Bauchbereich
2. Stand der Technik
18
Tabelle 03: Besonders gefährdete Körperregionen; Frontalaufprall [CASPER, 2009]
Alter Kopf Hals Brust Abdomen Becken Arme Beine
3 Jahre
6 Jahre
10 Jahre
Verletzungs-
muster
Schädel und
Hirn-
verletzungen
Gehirner-
schütterung,
Schädelhirn-
trauma
und
Subdural-
hämatoma
Verletzungen
der Wirbel C1
bis C4. Mit
zunehm. Alter
Brüche.; des
weiteren
Halswirbel-
Verrenkungen
(m. u. o.
Verletzungen
des Rücken-
marks)
1-3j. Organ-
verletzungen
ohne Rippen-
brüche
6-10j. Organ-
verletzungen
mit Rippen-
brüchen
Verletzungen
der Organe
(Leber,
Nieren und
Milz) durch
Gurtpene-
tration
(Submarining
und OoP)
Keine
schweren
Verletzungen
beobachtet.
Detailliertes
Becken-
modell
dennoch
notwendig f.
weitere
Analysen
Knochen-
brüche,
insbesondere
in der
Rebound-
phase, wenig
Daten
verfügbar
Knochen-
brüche,
insbesondere
in der
Rebound-
phase, wenig
Daten
verfügbar
Tabelle 04: Besonders gefährdete Körperregionen; Seitenaufprall [CASPER, 2009]
Keine schweren Verletzungen
Hohes Verletzungsrisiko / Verletzungsschwere
Keine ausreichende Information verfügbar
2.4 VERLETZUNGSRISIKO
Die breite Streuung in der Bevölkerung in Bezug auf die Massen und Größen der menschlichen
Körper macht es unmöglich, eine Verletzung bei einer gegebenen Last exakt vorauszubestimmen.
Außerdem lassen sich physikalisch messbare Größen, welche beispielsweise mit einem Dummy
ermittelt werden, nicht direkt in eine Verletzungsschwere umrechnen. Stattdessen bedient man sich
statistischer Tools und stellt Risikokurven für eine bestimmte Verletzungsschwere, im Allgemeinen
nach der AIS24
Skala, auf. Diese Verletzungsskala beinhaltet klassifizierte Überlebens-
24 AIS: Abbreviated Injury Scale: Vereinfachte Verletzungsskala, eine Bewertungsskala für die Letalität von
Einzelverletzungen.
Alter Kopf Hals Brust Abdomen Becken Arme Beine
3 Jahre
6 Jahre
10 Jahre
Verletzungs-
muster
Schädel und
Hirn-
verletzungen
Gehirner-
schütterung,
Schädelhirn-
trauma
und
Subdural-
hämatoma
Unklar,
Verletzungen
treten
zusammen
mit
Kopfverletzu
ngen auf
1-3j. Organ-
verletzungen
ohne Rippen-
brüche
6-10j. Organ-
verletzungen
mit Rippen-
brüchen
Verletzungen
der weichen
Organe durch
CRS- oder
Tür- Seiten-
struktur
Geringes
Verletzungs-
risiko laut der
vorliegenden
Statistik.
Knochen-
brüche im
Schulter und
Oberarm-
bereich
durch
Penetration
der Seiten-
struktur
Knochen-
brüche im
Schienbein
und
Oberschen-
kelknochen
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
19
wahrscheinlichkeiten für alle Verletzungsmuster. Bei realen Verletzungen im Straßenverkehr
ermitteln die Rettungskräfte bzw. das behandelnde ärztliche Personal die aufgetretenen
Verletzungsschweren. Sofern der Unfallhergang genau bekannt ist, kann er in einem Labor mit den
zu den Insassen passenden Crashdummys nachgestellt werden. So können die gemessenen
Dummywerte mit dem realen Unfall verknüpft werden. Ist eine statistisch relevante Anzahl an
Unfallrekonstruktionen gegeben, kann mit den ermittelten Werten mittels statistischer
Regressionsanalyse25
die Kurve für das Risiko des Erleidens einer bestimmten Verletzungsschwere
in Abhängigkeit von den Messgrößen aufgestellt werden. Eine statistisch genügend große Anzahl
an Fällen ist nötig, da jede Person eine unterschiedliche Toleranzgrenze gegenüber Verletzungen
hat. Idealerweise ist die Verteilung der biomechanischen Toleranzgrenzen eine Gaußkurve; ist die
Anzahl der betrachteten Fälle zu gering, gibt die binär logistische Regressionsrechnung keine
statistisch validen Risikokurven aus.
Tabelle 05: AIS-Verletzungsschweregrade [AAAM, 1998, Johannsen, 2006]
25 Statistische Regressionsanalyse: Ein statistisches Verfahren mit dem Ziel, Zusammenhänge zwischen zwei
oder mehreren Variablen zu identifizieren und Prognosen für die Veränderung dieser Variablen aufstellen zu
können.
26 Subkapsulär: unter einer Organkapsel gelegen
27 Parenchymale Destruktion: Zerstörung des organcharakteristischen Gewebes
AIS Schweregrad Beispielverletzungen (Abdominalbereich)
1 Gering Hautabschürfung oder -Prellung
2 Mäßig Große Platzwunde; einfacher Leberkapselriss
3 Schwer, nicht lebensgefährlich Dickdarmdurchbruch; Subkapsuläre26
Kontusion
4 Bedeutend, lebensgefährlich,
Überleben wahrscheinlich
Durchdringung der Blase; parenchymale Destruktion27
der
Leber < 75% der Leberlappen
5 Kritisch, Überleben unsicher Nierenriss mit vollständiger Zerstörung des Organs
6 Maximal, als praktisch nicht
überlebbar gewertet Abriss der Leber, vollständige Trennung aller Gefäße
2. Stand der Technik
20
Eine beispielhafte Verteilung der Verletzungsrisikokurven ist in Abbildung 13 dargestellt.
Demnach führt eine Belastung (hier: des Kopfes) mit einem gemessenen HIC28
Wert von 1000 in
90% der Fälle zu einer AIS2 und in knapp über 50% der Fälle zu einer AIS3 Verletzung.
Abbildung 13 Verletzungsrisikokurven, Prozentuales Risiko über HIC Wert [Hayes, 2007]
2.4.1 BRUSTVERLETZUNGEN
Die Verletzungen im Brustbereich sind meist die Folge von Intrusion von Fahrzeugkomponenten
wie z.B. dem Lenkrad bei einem Frontalaufprall (nicht relevant für Kinder) oder der Seitenteile
(Türverkleidung, Seitenteile vom Kindersitz) in einem Seitenaufprall. Durch zu starke Rückhaltung
durch den Gurt können insbesondere bei älteren Menschen Rippenbrüche entstehen, da bei ihnen
die Elastizität der Knochen bereits abgebaut hat oder das Knochengewebe durch Krankheiten wie
Osteoporose geschwächt ist. Bei einem drei Jahre alten Kind sind die Knochenstrukturen noch sehr
elastisch, daher wird hier nicht mit Rippenfrakturen gerechnet. Diese Aussage wird durch die in
Kapitel 2.3 genannten Quellen gestützt.
Beim Thorax wird zwischen drei verschiedenen Verletzungsmechanismen unterschieden
[Schmitt, 2010]:
Belastung durch Kompression
Belastung, die durch viskoses Materialverhalten charakterisiert werden kann
Belastung der inneren Organe durch Trägheit
28 HIC: Head Injury Criterion, ein Kriterium zur Bewertung von Kopfverletzungen, basierend auf dem im
Kopf aufgetretenem linearen Beschleunigungsverlauf
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
21
Die Art und Weise wie diese Belastungen zu Verletzungen der einzelnen Organe führen können ist
Unterschiedlich und ist Abhängig vom Organtyp. Eine entsprechende Übersicht ist in dem Kapitel
5.4 gegeben.
Auf der Dummy-Seite sind von der EEVC die nachfolgenden Grenzwerte für den Thorax
vorgeschlagen worden.
Tabelle 06 Vorgeschlagene Grenzwerte für einen Q3 Dummy [EEVC, 2008]
Belastung Grenzwert29
Brustbeschleunigung a3ms30
55g
Brusteindrückung 36mm
2.4.2 ABDOMINALVERLETZUNGEN
Prinzipiell sind Abdominalverletzungen hinsichtlich der Verletzungsmechanismen und
Verletzungsmuster vergleichbar mit denen des Thorax. Beim Abdomen kommt erschwerend hinzu,
dass er keine schützenden Strukturen wie den Rippenkäfig besitzt. Das Abdomen wird in der
Transversalebene von unten durch die Beckenknochen und in der Frontalebene von hinten durch
die Wirbelsäule und die massiven Muskelstränge am Rücken geschützt. Die Vielzahl und die
unterschiedlichen Anbindungen der inneren Organe des Abdomens führen ebenfalls zu einer
komplexen Problemstellung.
Eine Übersicht der Verletzungsmöglichkeiten der einzelnen Organe ist im Kapitel 5.4 gegeben.
2.4.3 EINFLUSSFAKTOREN DER RISIKOKURVEN
Die in Kapitel 2.4 beschriebenen Risikokurven sollten insbesondere dann kritisch betrachtet
werden, wenn die Fallzahl für die Berechnung wie im Fall der Verletzungen von Kindern gering
ist. Praxl [Praxl, 2011] führte eine Untersuchung zur Verlässlichkeit der Risikokurven durch. Er
zeigt, dass folgende Faktoren einen entscheidenden Einfluss auf die berechnete Risikoverteilung
haben können:
Sampling: die Ungenauigkeit der statistische Verteilung der untersuchten Fälle
29 Grenzwert: In diesem Kontext eine Belastung, bei welcher eine 50 prozentige Chance besteht, dabei eine
MAIS3+ Verletzung zu erleiden.
30 a3ms: Ein Grenzwert für Beschleunigung, gemessen in g (9,806 m/s²), der über eine Dauer von 3
Millisekunden bestimmt wird
2. Stand der Technik
22
"Zensur" der Daten: Das Setzen von falschen oder ungenügenden Toleranzgrenzwerten, so
dass einige Punkte sich über / unter der Toleranzgrenze befinden.
Testschwere: Eine der Realität nicht entsprechende Testschwere (in diesem Kontext der
PMHS Tests) führt zur Ungenauigkeiten außerhalb dieser Testschwere.
statistisches Modell: Die Wahl der Berechnungsmethode für die Ermittlung der
Risikokurven kann das Ergebnis ebenfalls beeinflussen.
Nach dem Abschluss des CASPER-Projekts standen insgesamt 136 mit Dummys vollständig
rekonstruierte reale Unfälle und 87 Schlittenversuche zur Verfügung [Johannsen et al., 2012].
„Vollständig rekonstruierter Unfall“ beschreibt in diesem Zusammenhang die Nachstellung eines
realen Verkehrsunfalls, in welchem auch Kinder Verletzungen erlitten haben. Die Unfälle werden
exakt nachkonstruiert (exakte Fahrzeugmodelle, Geschwindigkeiten, Auftreffwinkel), die
Belastungswerte werden mit Hilfe von Dummys gemessen. In einem Schlittenversuch wird
dagegen nur ein Teilaspekt des Unfalls rekonstruiert. Vorausgesetzt der abstrahierte Teil des
Unfalls ist für die zugrundeliegende Untersuchung hinreichend genau, sind die Ergebnisse dieser
Untersuchungen denen aus vollständiger Rekonstruktion gleichzusetzen.
Die 136 Rekonstruktionen beinhalten Unfälle mit allen untersuchten Altersklassen (Q0, Q1, Q1.5,
Q3, Q6) in Frontal- und Seitenaufprallkonfiguration, wovon 30 Rekonstruktionen mit einem Q3
Dummy sind. Unterteilt man diese Fälle auf die Körperbereiche, in denen die Verletzungen
aufgetreten sind sowie die Schwere der Verletzungen und die Belastungsrichtung, so wird die
Anzahl der für die Regressionsrechnung zur Verfügung stehenden Fälle sehr gering.
Abbildung 14 Errechnete AIS Verteilung für Abdominalbelastungen als Funktion des
Abdominaldrucks, Rekonstruktionen mit einem Q3 (blau) und Q6 (orange) Dummy, Q6 Werte
skaliert [Johannsen, 2012]
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
23
2.5 RELEVANTE DUMMYSENSORIK
Die Betrachtung der Sensorik der verwendeten Dummymodelle ist insofern wichtig, als dass die
Messwerte später mit den Messwerten des Menschmodells vergleichbar sein sollten. Es ist davon
auszugehen, dass nicht jede Sensorart in einem Simulationsmodell direkt nachempfunden werden
soll. Vielmehr geht es bei dieser Betrachtung um die grundlegenden Messprinzipien um ein
allgemeines Verständnis der Dummymesstechnik zu schaffen. Die nachfolgende Übersicht der
Dummysensorik in den betrachteten Bereichen stellt indirekt auch die Anforderungen an das
Menschmodell bezüglich der zu implementierenden Signalaufnehmer dar.
2.5.1 SENSOREN FÜR DEN BRUSTBEREICH
In Abschnitt 2.4.1 wurden die Verletzungsmechanismen beschrieben, welche im Brustbereich
wirken. Die die Belastung beschreibenden physikalischen Größen sind Kompression bzw.
Eindringtiefe, Kompressionsgeschwindigkeit und Beschleunigung. Die Eindringtiefe und die
Brustbeschleunigung werden im Dummy direkt gemessen, für die Effekte der Viskosität kann
zusätzlich die Eindringgeschwindigkeit aus dem zeitlichen Verlauf der Eindringtiefe errechnet
werden.
Die Messung der Beschleunigung an einem bestimmten Punkt erfolgt direkt mittels entsprechender
Beschleunigungssensoren. Der Sensor misst die Beschleunigung indem die auf eine Prüfmasse
wirkende Trägheitskraft bestimmt wird. Diese Technik ist sehr weit verbreitet und hoch entwickelt.
Heutige Sensoren sind sehr klein, robust und weitestgehend unempfindlich gegen Störfaktoren wie
Temperaturschwankungen oder Vibration.
Für die Ermittlung des Eindrückverlaufs werden verschiedene Messkonzepte eingesetzt. Die
einfachste Methode ist das Einsetzen eines Stringpotentiometers31
. Da dieses Messsystem durch die
eigene Trägheit die Messung unter Umständen verfälschen kann, wurden optische Systeme zur
Messung des Eindringverlaufs entwickelt.
Das am weitesten verbreitete Messsystem zur Ermittlung der Brusteindrückung im Q3-Dummy ist
das System IR-TRACC32
von Humanetics. Die Basis des Sensors bietet eine Teleskopstange im
Inneren; an jeweils gegenüberliegenden Seiten sind eine Infrarot-LED und ein Fototransistor
positioniert. Je grösser der Auszug der Teleskopstange ist, desto weniger Lichteinfall wird vom
31 Stringpotentiometer: Ein System zur Messung eines Auszug-, bzw. Deformationsweges. Bestehend aus
einem Auszugelement (häufig ein Seil), welches an einer im Inneren des Systems befestigten Spiralfeder
angebracht ist. Durch die Messung der Rotation kann der Auszug errechnet werden.
32 IR-TRACC: Infra-Red Telescoping Rod for the Assessment of Chest Compression
2. Stand der Technik
24
Fototransistor gemessen. Der Q3-Dummy ist so konstruiert, dass der IR-TRACC sowohl für den
Frontal- als auch für den Seitenaufprall konfiguriert werden kann.
Abbildung 15 Grundstruktur eines Q6 Dummys mit einem auf Frontalaufprall ausgerichteten IR-
TRACC Sensor [Waagmeester, 2006]
Ein weiteres, auf dem optischen Messprinzip basierendes Messsystem soll der Vollständigkeit
halber benannt werden. Obgleich dieses System aufgrund seiner Komplexität und Größe nicht in
einem Kinderdummy eingesetzt werden kann, bietet es Potential für zukünftige Entwicklungen.
Das sogenannte RibEye-System besteht aus mehreren LEDs, zwei optischen Sensoren und einer
Interfaceeinheit.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
25
Abbildung 16: RibEye System, li.: LED’s (A), zwei optische Sensoren (B), Interfaceeinheit (C & E),
Dummy Spinebox (D); re.: System im Einsatz am Brustkorb des HIII Dummys [Yoganandan et al.,
2009]
Die LEDs werden an den einzelnen Rippen des HIII-Dummys befestigt. Die unterschiedliche
Taktung der einzelnen LEDs ermöglicht es, jeden Messpunkt unabhängig von den benachbarten
betrachten zu können. Durch die Verwendung von zwei Sensoren werden die Verschiebungen der
Messpunkte in einem zweidimensionalen Raum (xy-Ebene) gemessen. Die Messpunkte können
beliebig festgelegt werden. So ist es z.B. möglich die Biegekurve einzelner Rippen zu bestimmen,
indem mehrere Sensoren auf einer Rippe angebracht werden.
Für den möglichen Einsatz im Q3-Dummy könnte man die Eindrückung im Brustkorb in zwei
unterschiedlichen Höhen messen. Insbesondere im Seitenaufprall würde man mit einem solchen
System detailliertere Messergebnisse produzieren. Der Brustkorb des Q3-Dummys ist zwar als ein
Bauteil ausgeführt, die seitlichen Aussparungen ermöglichen jedoch unterschiedliche
Eindrückungen im unteren und im oberen Brustkorbbereich.
2. Stand der Technik
26
2.5.2 SENSOREN FÜR DEN ABDOMINALBEREICH
Es existieren keine Sensoren für den Abdominalbereich in der Serienproduktion. Jedoch wurden in
den letzten Jahren einige Prototypen entwickelt. Auch wenn man sich vergleichbare HIII-
Kinderdummys anschaut, existieren dort parallele Entwicklungen. Johannsen [Johannsen, 2006] hat
eine detaillierte Auflistung aller Prototypen und Messsysteme zusammengestellt. In den folgenden
beiden Absätzen wird hier nur auf zwei Prototypen von CASPER-Partnern eingegangen.
Die beiden Sensortypen unterscheiden sich sowohl in der Bauart als auch im Messprinzip stark
voneinander. Beide Systeme wurden während des EU Projekts CHILD entwickelt. Das von
IFSTTAR33
(ehemals INRETS) entwickelte System wird innerhalb des Abdominalblocks platziert
und misst den zeitlichen Druckverlauf. Das an der TU Berlin entwickelte System wird auf der
Außenfläche des Abdominalblocks platziert und misst den zeitlichen Verlauf der Kräfte, die auf
das Abdomen wirken.
2.5.2.1 APTS-SENSOR
Der APTS34
-Sensor wurde während des CHILD-Projekts entwickelt. Er besteht aus zwei weichen
PU-Zylindern, welche mit einem inkompressiblen Gel gefüllt sind. Zur Positionierung des APTS-
Sensors wird der Abdominalblock des Q-Dummys mit entsprechenden Aussparungen versehen.
Abbildung 17: APTS-Sensor und dessen Positionierung im Abdominalblock [Beillas, 2012]
Das Ausgangssignal dieses Sensorsystems sind zeitliche Druckverläufe des linken und rechten
Zylinders. Die positiven Eigenschaften des Sensorsystems sind sein einfacher Aufbau und damit
verbunden eine hohe Wiederholbarkeit und geringe Wartungskosten. Nachteilig wirken sich die
geringfügige Beeinflussung der Steifigkeit des Abdominalblocks (bei niedrigen
33 IFSTTAR: Institut français des sciences et technologies des transports, de l'aménagement et des réseaux:
Französisches Institut der Wissenschaft und Technologie für Verkehr, Planung und Vernetzung
34 APTS: Abdominal Pressure Twin Sensor: Abdominaldruck Doppelsensor
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
27
Verformungsgeschwindigkeiten) und die mögliche Verfälschung der Messergebnisse bei vertikaler
Kompression des Abdominalblocks35
aus.
Der Druckverlauf im Inneren des Abdomens ist eine abstrakte Größe: Sie ist nicht direkt
vergleichbar mit den auf den bzw. im Inneren des Menschen wirkenden Lasten und bleibt somit
dem Einsatz in Dummymodellen vorbehalten. Als Bemessungsgröße für die Schwere der
aufgebrachten Belastung sind die Messergebnisse dieses Systems jedoch ausreichend.
2.5.2.2 FMS-SENSOR
Der FMS36
-Sensor wurde ebenfalls während des CHILD-Projekts entwickelt, wobei folgender
Anforderungskatalog während der Entwicklungsphase definiert wurde [Johannsen, 2006]:
Messbarkeit eines geeigneten Verletzungskriteriums (VC oder Kontaktkraft)
zeitabhängige Messung
Krafteinwirkung soll örtlich bestimmbar sein
Möglichkeit der Sensierung der Kräfte, welche durch den Becken- und Schultergurt,
Lenkrad (nur für Erwachsenendummys) und Airbag verursacht werden können
Verlässlichkeit der Messungen in Bezug auf Robustheit und Wiederholbarkeit
anwendbar auf bereits existierende Dummys, ohne den Zwang größere Modifikationen
vornehmen zu müssen
keine signifikante Veränderung des Dummyverhaltens/ -performance
geringe Anschaffungs- und Unterhaltskosten (einfache Kalibrierung, lange
Kalibrierungsintervalle)
mit Standardmesswerkzeugen der Crashtechnik verwendbar (keine zusätzliche DAU37
oder
Wandlergeräte notwendig)
Keines der kommerziell erhältlichen Sensorsysteme erfüllte zur damaligen Zeit alle Kriterien,
weswegen auf eine Kompromisslösung zurückgegriffen wurde. Das neue Sensorsystem bestand aus
einer Gruppe von einzelnen Drucksensoren des Typs FlexiForce A102. Es handelt sich dabei um
sehr dünne (0,1mm) und flexible Sensoren mit einem Sensorbereich von 9,5mm im Durchmesser.
35 Vertikale Kompression des Abdominalblocks: Bedingt durch die Bauweise des Abdominalblocks wird
dieser zwischen dem Rippenkäfig und dem Becken gepresst. Bei einer starken Neigung des Oberkörpers wird
der Abdominalblock komprimiert.
36 FMS: Force Matrix Sensor: Kraft-Matrix Sensor
37 DAU: Data Acquisition Unit: Messgerät zur Aufnahme und Speicherung von Crashdaten während eines
Versuchs
2. Stand der Technik
28
Der einzelne Sensor wirkt wie ein elektrischer Widerstand: Wenn er nicht belastet wird beträgt
dieser 20 MOhm, bei Belastung sinkt er [Johannsen, 2006].
Abbildung 18: Flexiforce A102 Sensor [Johannsen, 2006]
Das Ausgangssignal dieses Messsystems ist eine Flächenpressung gemessen an der Oberfläche des
Abdominalblocks. Das Produkt aus Flächenpressung und Sensorfläche ist die Kraft. Diese wird in
jedem einzelnen Sensor der Matrix gemessen, in der Q3-Konfiguration sind es 20 Stück.
Die nachfolgende Abbildung 19 zeigt die Anordnung der einzelnen Sensoren. Die Anordnung
wurde so gewählt, dass der Abstand zwischen zwei Sensoren immer kleiner ist als 30 mm. Damit
kann sichergestellt werden, dass der Gurt als Hauptverursacher von Abdominalverletzungen in
einem Unfall immer auf mindestens einen Sensor Druck ausübt.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
29
Abbildung 19: Konzeption der Sensormatrix (oben) und das fertiggestellte Sensorsystem (unten)
[Johannsen, 2006]
Die Vorteile dieses Systems sind die gute Lokalisierbarkeit der Krafteinleitung und die Möglichkeit
des direkten Vergleichs der Ausgangssignale mit physikalischen Größen (Druck und Kraft an der
Außenfläche). Dem gegenüber stehen einige Nachteile wie die hohe Komplexität und damit
Störanfälligkeit, ein hoher Kalibrierungsaufwand38
und die hohe Anzahl an Messsignalen (Mess-
und Auswertungsaufwand). Da sich die Messergebnisse dieses Systems besonders gut für
Vergleiche mit Simulationsmodellen (Dummy und Menschmodellen) eignen, wurde im Rahmen
des CASPER-Projekts versucht, das Sensorsystem zu optimieren. In der nachfolgenden Tabelle 07
sind die größten Nachteile und mögliche Verbesserungsvorschläge aufgelistet.
38 Kalibrierung: ein Messprozess zur Feststellung der Abweichung eines Messgeräts und die Berück-
sichtigung der festgestellten Abweichung bei der Benutzung des Messgeräts zur Korrektur der gemessenen
Werte.
2. Stand der Technik
30
Tabelle 07: Verbesserungsmöglichkeiten für den FMS-Sensor
Problem Ursache Lösungsvorschläge
Hoher
Kalibrierungsaufwand
20 verwendete Sensoren (Q3)
26 verwendete Sensoren (HIII 50%)
Reduktion der Anzahl der Sensoren
bei gleichzeitigem Beibehalten des
Mindestabstands von 30mm durch
Verwendung von Sensoren mit
größerem Durchmesser
Kombination von mehreren
Sensoren (3-4) zu einem Schaltkreis
Sensorkappen aus 1-2mm dicken
Metallplatten zum Schutz des
Sensors und Erhöhung der
Sensorfläche
Beschädigte Kabel nach
dem Test
Hohe Kräfte wirken auf die Kabel
während des Tests.
Andere Anordnung der Kabel auf
dem Sensor, Erhöhung der
“Kabellose”
Kabel sind an der Außenfläche
positioniert und haben direkten
Kontakt mit dem Sicherheitsgurt
In den Abdominalblock eingravierte
Kabelkanäle
Hohe Streuung
Fehlerhafte Sensoren Nicht lösbar
Hohe Scherkräfte verursachen
fehlerhafte Messungen39
Verwenden einer dickeren
Schutzschicht bei gleichzeitigen
Einbußen in der Messgenauigkeit
Sensorkappen aus 1-2mm dicken
Metallplatten zum Schutz des
Sensors und Erhöhung der
Sensorfläche
Zu hohe punktuelle Lasten führen zur
Beschädigung des Sensors
Nicht lösbar / Sensorbauart
bedingte Eigenschaft
Bis auf die Neuanordnung der Kabel und die implementierten Kabelkanäle im Abdominalblock
wurden alle Lösungsvorschläge näher untersucht. Keiner der Verbesserungsvorschläge führte zu
einer deutlichen Qualitätsverbesserung des Sensorsystems. Der verwendete Sensortyp Flexiforce
A102 wird in Großserie produziert und in vielen Bereichen eingesetzt. Nach Gesprächen mit dem
Hersteller TekScan wurde deutlich, dass sich dieser Sensortyp generell sich nicht gut für diesen
Einsatzzweck eignet. Es besteht die Möglichkeit Sensoren nach seinen eigenen Vorgaben fertigen
zu lassen, welche die Nachteile des vorhandenen nicht besitzen würden. Eine solche
Neuentwicklung würde 10.000 - 15.000 $ kosten [TekScan, 2010]. Ein Auszug aus dem
39 Hohe Scherkräfte verursachen fehlerhafte Messungen: Nach Rücksprache mit dem Hersteller Tekscan sind
die verwendeten Sensoren besonders anfällig bei hohen Scherkräften.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
31
Sensorprogramm und die damit verbundenen Messmöglichkeiten sind in der nachfolgenden
Abbildung 20 dargestellt.
2.5.2.3 ROUHANA-SENSOR
Ein drittes, bereits existierendes Sensorkonzept stellt das von Ford Motor Company entwickelte
System dar. Mangels einer offiziellen Sensorbezeichnung wird dieser Sensor häufig auch „Rouhana
Sensor“ genannt, benannt nach dem eigentlichen Entwickler Dr. Stephen Rouhana. Entwickelt
wurde es ursprünglich für den Einsatz in einem HIII-Dummy. Es existieren Derivate für einen
HIII-5%- und einen HIII-Kinderdummy. Der Abdominaleinsatz40
besteht aus einer robusten, aus
mehreren Schichten Silikon bestehenden Hülle, gefüllt mit einer stromleitenden Flüssigkeit. Auf
der stoßzugewandten Innenseite des Abdomens sind sechs Elektroden platziert, verteilt über die
Fläche des Abdomens. Auf der Innenseite befindet sich eine Elektrode. Bei Eindrückung des
Abdominaleinsatzes verringert sich der Abstand der Elektroden zueinander. Mit der Änderung des
Abstands sinkt auch der elektrische Widerstand des sich dazwischen befindenden Mediums. Die
Widerstandsänderung kann im Nachhinein in Eindrückung umgerechnet werden.
Zu Beginn des CASPER-Projekts war der Einsatz auch dieses Prototyps geplant. Mangels
ausreichender Verfügbarkeit und aus anderen logistischen Gründen kam dieser Sensor innerhalb
der CASPER-Rekonstruktionsversuche leider nie zum Einsatz.
40 Abdominaleinsatz: In diesem Zusammenhang ein Bestandteil des Crashtest Dummys, ein (je nach
Ausführung) mit Schaummaterial gefüllter und mit Silikonhaut umspannter Block, welcher zwischen dem
Becken und dem Brustkorb platziert wird. Mit seinen mechanischen Eigenschaften soll er das menschliche
Abdomen nachbilden.
Abbildung 20: Kundenspezifische Sensorkonfigurationen des Herstellers TekScan; von li. oben nach
re. unten: Sensor mit einer großen Messfläche, beliebig kombinierbare Einzelsensoren in einem
Gehäuse, Sensormatrix und Auszug aus den Messergebnissen der Sensormatrix [Tekscan, 2010]
33
3 MATERIAL UND GEOMETRIEDATEN ALS BASIS FÜR DIE
ENTWICKLUNG DES MENSCHMODELLS
Ein Modell ist ein Abbild der Wirklichkeit. Es ist durch mindestens drei Merkmale gekennzeichnet
[Stachowiak, 1973]:
- Abbildung: Ein Modell ist stets ein Modell von etwas, nämlich Abbildung, Repräsentation
eines natürlichen oder eines künstlichen Originals, das selbst wieder Modell sein kann.
- Verkürzung: Ein Modell erfasst im Allgemeinen nicht alle Attribute des Originals, sondern
nur diejenigen, die dem Modellentwickler bzw. -nutzer relevant erscheinen.
- Pragmatismus: Modelle sind ihren Originalen nicht per se eindeutig zugeordnet. Sie
erfüllen ihre Ersetzungsfunktion für bestimmte Subjekte, innerhalb bestimmter
Zeitintervalle und unter Einschränkung auf bestimmte gedankliche oder tätliche
Operationen.
Bevor ein Modell entwickelt werden kann, müssen die Eigenschaften der "Wirklichkeit" in der
beabsichtigten Güte in einer dem späteren Modell entsprechenden Qualität zusammengetragen
werden. Die Eigenschaften, um die es sich hier handelt, sind Geometrie und Materialdaten des
menschlichen Körpers, insbesondere die einem dreijährigen Kind entsprechenden Eigenschaften.
3.1 GEWINNUNG VON MATERIALDATEN AUS PMHS
Neben der möglichst genauen und anatomisch korrekten geometrischen Darstellung von
menschlichen Organen ist bei der Entwicklung eines Menschmodells die exakte Abbildung der
mechanischen Eigenschaften besonders wichtig. Die Definition der Werkstoffeigenschaften kann
dabei fast beliebig komplex gestaltet werden. Voraussetzung für deren Festlegung ist dabei das
Vorhandensein von entsprechenden Testresultaten der untersuchten Werkstoffproben.
Während z.B. bei einer Stahllegierung die relevanten Informationen leicht ermittelbar sind, ist die
Gewinnung der Materialdaten für menschliches Gewebe deutlich komplexer. Wenn überhaupt,
lassen sich ausführliche Materialtests mit menschlichem Gewebe nur an Leichen durchführen. Aus
ethischen Gründen werden Versuche mit Kinderleichen zumindest in Europa meist nicht mehr
durchgeführt. Hinsichtlich der Qualität der Testergebnisse und der Aussagekraft über die
mechanischen Eigenschaften lebenden Gewebes müssen Tests mit PMHS aus folgenden Gründen
kritisch hinterfragt werden:
Muskelspannung. Die Vorspannung, die nötig ist, um bestimmte Körperstellungen zu halten
und bestimmte Aktionen auszuführen, fehlt bei einem PMHS-Test. Die fehlende
3. Material und Geometriedaten als Basis für die Entwicklung des Menschmodells
34
Muskelvorspannung kann die Systemantwort des Gesamtkörpers, d.h. die Bewegung der
einzelnen Körperregionen relativ zueinander, im Falle eines Crashs beeinflussen. Außerdem
können bei Erkennung von Gefahr, wie sie z.B. ein unmittelbar bevorstehender Aufprall mit
einem anderen Fahrzeug darstellt, weitaus größere Muskelkräfte aufgebaut werden
(Schockstarre) als der Mensch bewusst aufbringen könnte [Wilkie, 1956]. Die Messung dieser
Kräfte an lebenden Probanden gestaltet sich problematisch. Zum einen ist es sowohl technisch
als auch vor dem Hintergrund der Rechtsordnung nicht möglich, mehrere Probanden unter
Testbedingungen in einen einheitlichen Schockzustand zu versetzen. Zum anderen kann die
Anspannung einzelner Muskeln nicht gemessen werden, ohne den Probanden dabei Sonden tief
in das Muskelgewebe einzupflanzen. Eine Annäherung bieten Softwarelösungen, die es unter
Zuhilfenahme eines detailliert aufgebauten Skelett-Muskelmodells erlauben, aus einer
ausgeübten Kraft (z.B. dem Druck auf das Bremspedal) die Anspannung in den einzelnen
Muskelsträngen und Gelenken zu berechnen [Rasmussen et al., 2001].
Der Vollständigkeit halber sollte auch erwähnt werden, dass die Muskelvorspannung ab einer
gewissen Unfallschwere wiederrum nur eine untergeordnete Rolle einnimmt, da die kinetische
Energie durch Trägheit des Körpers die maximalen Muskelkräfte, bzw. Muskelenergie bei
weitem übersteigt
Totenstarre. Das Eintreten der Totenstarre ist ein unmittelbar nach dem Tod einsetzender
Prozess, bei dem die einzelnen Muskelstränge nach und nach durch das Ausbleiben der
Regeneration und der Zirkulation wichtiger Stoffe im Körper erstarren. Die ersten
Muskelfasern versteifen sich bei Zimmertemperatur bereits nach 1-2 Stunden (Muskeln der
Augenlider), die vollständige Erstarrung ist nach 6-12 Stunden erreicht. Die Erstarrung der
Muskeln beginnt sich 24 bis 48 Stunden nach dem Tod zu lösen, bedingt durch die im Körper
stattfindenden Zersetzungsprozesse. Zu diesem Zeitpunkt haben eine Vielzahl von
Gewebetypen des menschlichen Körpers ihre ursprünglichen mechanischen Eigenschaften
bereits verloren oder so stark verändert, dass sie für die Tests nur noch bedingt geeignet sind.
Durch Kälte wird der Prozess der Erstarrung verlangsamt bzw. gestoppt. In der Regel werden
die PMHS eingefroren gelagert und 3-4 Tage vor dem eigentlichen Test bei Zimmertemperatur
aufgetaut [Kerrigan, 2005]. In der gleichen Zeit werden sie mit Adaptern und Haltern für die
Messtechnik präpariert. Das Einfrieren des Biogewebes an sich verändert die mechanischen
Eigenschaften nicht, Studien von Woo [Woo, 1985] belegen dies.
Fehlende Blutzirkulation. Einige innere Organe sind sehr stark durchblutet und post mortem
nicht mehr vergleichbar hinsichtlich ihrer Dichte, Festigkeit und des Versagensverhaltens.
Besonders stark wirkt sich dieser Effekt bei der Leber aus. Um den „lebendigen“ Zustand zu
simulieren, werden solche Organe daher künstlich mit Flüssigkeit versorgt [Sparks, 2007],
während sie Materialtests unterzogen werden. Die Verletzungen der inneren Organe sind ohne
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
35
eine funktionierende Zirkulation (mit Blut oder einer Kontrastflüssigkeit) erheblich schwerer
festzustellen [Cavanaugh, 1986].
Fehlende Respiration. Dieser Effekt betrifft nur die Lunge. Eine mit Luft oder Gasen mit
vergleichbaren Eigenschaften gefüllte Lunge beeinflusst die Größe des Brustkorbs und die
Position des Zwerchfells. Mit der Änderung der Zwerchfellposition geht eine leichte
Verlagerung der unmittelbar darunterliegenden abdominalen Organe einher.
Hohes Alter der verfügbaren PMHS. Das Alter der meisten für Versuche zur Verfügung
stehenden PMHS ist sehr hoch, da u.a. aus rechtlichen Gründen nur PMHS zur Verfügung
stehen, die aufgrund einer natürlichen Todesursache verstorben sind. So beträgt zum Beispiel
das Durchschnittsalter in den Studien von Pritz [Pritz, 1978] 78 Jahre. In den letzten Jahren
haben sich die Forscher zunehmend auf Studien mit "jüngeren" PMHS konzentriert, so [Matsui
et al., 1999] mit einem Durchschnittsalter von 51 Jahren. Der wichtigste Unterschied zum
durchschnittlich alten Menschen in biomechanischer Hinsicht sind die veränderten
mechanischen Eigenschaften des Knochengewebes. Neben dem natürlichen Abbau der Dichte
und der Elastizität mit zunehmendem Alter, sind viele ältere Menschen von Osteoporose
betroffen, einer Krankheit die für einen zusätzlichen Knochenschwund sorgt. Außerdem sind
die teilweise veränderte Körperhaltung, der Abbau von Muskel- und Zunahme von Fettgewebe
und generell die reduzierte Elastizität in den meisten Gewebetypen als Folge zunehmenden
Alters zu erwähnen [Bulger et al., 2000], [Dejeammes et al., 1996] und [Shimamura et al.,
2003].
Vor allem die Veränderung der Gewebeeigenschaften mit fortschreitendem Alter ist für die
Entwicklung von Menschmodellen, insbesondere von Kindermodellen besonders wichtig. Im
nachfolgenden Kapitel werden die Ergebnisse einer Literaturrecherche zu den mechanischen
Eigenschaften von menschlichem und tierischem Gewebe zusammengefasst.
3.2 MECHANISCHE EIGENSCHAFTEN MENSCHLICHEN GEWEBES IN
ABHÄNGIGKEIT VOM ALTER
Menschliches Gewebe ändert sich mit dem Alter nicht nur strukturell, sondern auch durch
Abnahme der Elastizität, bzw. häufig sind diese Veränderungen miteinander verknüpft. Die
meisten Änderungen während des Lebenszyklus geschehen im Knochengewebe. Bei Neugeborenen
ist es vollständig elastisch. Darüber hinaus sind zum Zeitpunkt der Geburt nicht alle
Knochenstrukturen vollständig ausgebildet. Mit steigendem Alter "verknöchern" die
Skelettstrukturen, die Knochen werden immer spröder. Bis zu einem Alter von 18-22 Jahren
verfestigen sich die Knochenstrukturen zunehmend. Danach sind die Knochen sowohl geometrisch
als auch mechanisch vollkommen ausgebildet und ändern ihre Eigenschaften für einen langen
3. Material und Geometriedaten als Basis für die Entwicklung des Menschmodells
36
Zeitraum nicht mehr wesentlich [Mertz et al., 1997]. Erst in höheren Jahren verändert sich das
Knochengewebe wieder: Dichte und Elastizität nehmen ab, häufig wird das Knochengewebe durch
Krankheiten (Osteoporose) zusätzlich geschwächt.
Eine Untersuchung zur Veränderung der mechanischen Eigenschaften von Knochen mit dem Alter
wurde von Mertz [Mertz et al., 1997] durchgeführt. Dabei testete er Knochengewebe, entnommen
aus Schädeln (Scheitelbein41
) unterschiedlich alter Personen. Das Resultat wird als Funktion der
Abhängigkeit des E-Moduls vom Alter dargestellt (siehe Abbildung 21). Demnach beträgt das E-
Modul für Knochengewebe eines dreijährigen Kindes ca. 4,2 GPa42
und erreicht sein Maximum
von 9,9 GPa in einem Alter von ca. 18 Jahren.
Abbildung 21: Elastisches Biegemodul von Knochengewebe (GPa) in Abhängigkeit vom Alter (Y),
schwarze Linie - Interpolation [Mertz et al., 1997]
Auch das Muskel- und Sehnengewebe erfährt starke Veränderungen der mechanischen
Eigenschaften innerhalb eines Lebenszyklus. Dazu wurden viele Untersuchungen sowohl an
41 Scheitelbein: Ein Teil des Schädels, welches die hintere Seitenwand und das Schädeldach bildet.
42 GPa: GigaPascal; 1 GPa entspricht 1 kN/mm²
0
2
4
6
8
10
12
0 5 10 15 20
Years
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e
[GP
a]
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
37
menschlichem als auch an Gewebe von Säugetieren (meist wurden Schweine als Testobjekte
verwendet) durchgeführt. Die größten Veränderungen dieser Gewebetypen betreffen die
Unterschiede im maximalen Muskeltonus und der Kontraktionsgeschwindigkeit. Für ein Kind im
Alter von drei Jahren können diese Unterschiede vernachlässigt werden. Die Muskeln werden als
"passiv" betrachtet, d.h. es findet keine instinktive Anspannung der Muskeln bei der Erkennung
einer lebensbedrohlichen Situation statt, welche zu einer eventuellen Anspannung oder
Verlagerung des Körpers und somit zu einem anderen Bewegungsablauf während eines Unfalls
führen würden. Die mechanischen Eigenschaften dieser Gewebetypen werden demnach als
altersunabhängig betrachtet.
Gewebe der "festen" und "hohlen"43
Organe verändern ebenfalls ihre mechanischen Eigenschaften
mit dem Alter [Parry, 1978], jedoch nicht in dem Maße, dass Sie einen entscheidenden Einfluss auf
die Kinematik in einem crashrelevanten Lastfall ausüben. Dies hat mit der sich mit dem
fortschreitenden Alter ändernden Zusammensetzung des Bindegewebes44
zu tun. Insbesondere sind
es die verschiedenen Typen von Kollagenfasern45
die diesen Effekt herbeirufen. Je nach
Gewebestruktur werden die einzelnen Fasern entweder dicker oder sie werden stärker miteinander
verflochten. Im allgemeinen führen diese Veränderungen zur Abnahme von Elastizität.
Für die weiteren Betrachtungen wird also nur die altersspezifische Änderung des E-Moduls vom
Knochengewebe berücksichtigt. Die sich ebenfalls verändernden Eigenschaften des
Knochengewebes wie Festigkeit und Bruchdehnung46
werden nicht berücksichtigt, da nach Analyse
der Verletzungsmuster (siehe Kapitel 2.3) keine Knochenbrüche bei einem drei Jahre alten Kind als
Insasse eines Kraftfahrzeugs erwartet werden. Die mechanischen Eigenschaften anderer
Gewebetypen werden aus den Testergebnissen mit erwachsenen PMHS entnommen. Im Rahmen
einer anschließenden Validierung (siehe Kapitel 6) werden geringfügige Änderungen der
Materialeigenschaften vorgenommen, um so auf das einem dreijährigen Kind entsprechenden
Niveau zu kommen.
43 "Fest" bzw. "hohl": in diesem Kontext kompakte im Sinne von „ausgefüllte“ Organe wie beispielsweise
Leber und Nieren bzw. hohle Organe wie beispielsweise Magen und Darmtrakt.
44 Bindegewebe: Zusammenfassung verschiedener Gewebetypen mit der gemeinsamen Eigenschaft, eine
stützende und / oder umhüllende Funktion zu haben.
45 Kollagen: Ein Strukturprotein, hauptsächlicher Bestandteil des Bindegewebes. Kollagen hat eine sehr hohe
Zugfestigkeit.
46 Festigkeit und Bruchdehnung von Knochengewebe nehmen mit dem Alter ebenfalls stark ab. Wang [Wang
et al., 2002] stellte eine Abnahme der Festigkeit von bis zu 20% und eine Abnahme der Brucharbeit (Nmm)
von bis zu 39% zwischen 19 und 89 Jahren fest. Zioupos (Zioupos et al., 1998) kam zu einer Reduktion der
Festigkeit des Knochengewebes von 3,7% und einer Reduktion der Brucharbeit von 8,7%, pro Dekade ab
dem 35-sten Lebensjahr.
3. Material und Geometriedaten als Basis für die Entwicklung des Menschmodells
38
3.3 MECHANISCHE DEFINITION VON WEICHEM BIOGEWEBE
Die einfachste und am weitesten verbreitete Methode zur Beschreibung von Biogewebe ist die
Definition des Spannungs-Dehnungs-Zustandes, welcher gewöhnlich in einem einaxialen
Zugversuch ermittelt wird. Diese Definition ist zunächst quasistatisch47
. Für verschiedene
Verformungsgeschwindigkeiten werden weitere, geschwindigkeitsabhängige Spannungs-
Dehnungs-Zustände definiert. Die aus solchen Tests gewonnenen Kraft-Weg-Kurven sind
nichtlinear und haben eine nach oben hin konkave Form. Anfangs ist die Steifigkeit sehr gering.
Mit steigender Kraft erhöht sich die Steifigkeit des Gewebes, bis ein lineares Verhalten erreicht
wird. Mit weiter steigender Belastung fällt die Steifigkeit als Ergebnis erster
Versagenserscheinungen in den einzelnen Fasern wieder ab [Woo, 1984]. Nicht alle Gewebetypen
eignen sich für Zugversuche. Es ist nicht immer möglich, eine geeignet große Gewebeprobe für den
Versuch zu extrahieren, da die einzelnen Organe unterschiedliche geometrische Eigenschaften
aufweisen. Eine weitere mögliche Fehlerquelle stellen insbesondere bei Messungen weicher
Gewebetypen technische Schwierigkeiten dar, speziell dann, wenn die Organe z.B. durch
Blutdruck gefüllt sind. In diesem Fall müssen die Organe als ganze Objekte getestet werden. In-
vitro48
werden sie künstlich durch Füllung mit Flüssigkeiten bzw. Luft annähernd in ihren
ursprünglichen Zustand im lebenden Körper gebracht. Es existieren auch vereinzelte
Testergebnisse mit In-vivo49
-Organen. Es handelt sich hierbei um Tierversuche, bei denen ein
Organ komplett aus dem Körper entnommen, jedoch nicht von der körpereigenen Peripherie wie
Blutgefäßen oder Nervensträngen getrennt wurde.
Jedes weiche Biogewebe hat mechanisch gesehen eine zeitabhängige Komponente. Sowohl die
Verformungsgeschwindigkeit als auch die Frequenz einer sich wiederholender Belastung haben
Einfluss auf das Verhalten. Die Gründe dafür liegen in den komplexen Strukturen des lebenden
Gewebes, der Zusammensetzung aus verschiedenen Zellstrukturen, der je nach Funktion
unterschiedlichen Versorgung mit Nährstoffen und dem zeitabhängigen Gehalt von Mineralien im
Gewebe. Diese Eigenschaften können durch ein numerisches Werkstoffmodell aufgrund ihrer
Komplexität nicht in einem Vollkörper-Simulationsmodell abgebildet werden. In einer
Crashumgebung kommt es vor allem auf die visko-elastischen Eigenschaften an.
47 quasistatisch: Ein Prozess der unendlich langsam abläuft.
48 „In-vitro“: lat. “Im Glas”, ein Vorgang der außerhalb des lebenden Organismus stattfindet.
49 „In-vivo“: lat. “Im Lebendigen”, ein Vorgang der innerhalb des lebenden Organismus stattfindet.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
39
3.4 MATERIALDATEN
Zum Zeitpunkt der Recherche lagen keine detaillierten Testergebnisse zum mechanischen
Verhalten von menschlichem Gewebe in Abhängigkeit vom Alter vor. Es wurde daher entschieden,
auf Materialmodelle für das Gewebe von Erwachsenen zurückzugreifen. In einer Literatur-
recherche wurden Materialdefinitionen zusammengetragen, die in kürzlich publizierten bzw.
entwickelten numerischen Menschmodellen verwendet wurden (siehe Kapitel 3.4.1 und 3.4.2). Das
Hauptaugenmerk lag dabei auf Modellen des Thorax- und Abdominalbereichs, da in dem zu
entwickelnden Modell der Schwerpunkt auf die Abbildung der Verletzungen der genannten
Bereiche gesetzt ist. Anzumerken ist, dass nahezu alle Materialdefinitionen auf die fundamentale
Arbeit von Hiroshi Yamada [Yamada, 1970] zurückzuführen sind. Er stellte die erste vollständige
und sehr detaillierte Übersicht von Testergebnissen an Biogewebe für nahezu jeden Bereich des
menschlichen Körpers zusammen.
Die in den nachfolgenden Kapiteln dargestellte Zusammenfassung basiert größtenteils auf der
Arbeit von Yang [Yang et al., 2006]. In dieser Publikation werden die neuesten Menschmodelle
zusammenfassend dargestellt.
3.4.1 FE-MODELLE FÜR DEN THORAX
Es existieren mehrere Modelle für den menschlichen Thoraxbereich. Die beiden jeweils zum
Zeitpunkt der Recherche aktuellsten und ausführlich dokumentierten Modelle von Ruan [Ruan et
al., 2003] und Kimpara [Kimpara et al., 2005] werden in der nachfolgenden Tabelle
zusammengefasst.
3. Material und Geometriedaten als Basis für die Entwicklung des Menschmodells
40
Tabelle 08: Übersicht FE-Menschmodelle für den Thoraxbereich [Yang K. et al., 2006]
3.4.1.1 FE-THORAX-MODELL VON RUAN
Das Thorax-Modell von Ruan [Ruan et al., 2003] ist Teil eines Gesamtkörpermodells. Die
Geometrie basiert auf einem Vorgängermodell von Wang [Wang et al., 1995]. Eine Besonderheit
dieses Modells ist, dass für die Validation des Brustbereichs Probanden statt PMHS eingesetzt
wurden. Nach Ansicht der Autoren führt dieses Vorgehen zu einem besseren Verständnis der
physikalischen Vorgänge bei einem Aufprall. Zur Validation wurden sowohl Frontal- und
Seitenaufprallversuche als auch Belastungsversuche mit einem Gurtband durchgeführt. Die
Modellantworten korrelieren sehr gut mit den Versuchsdaten [Yang K. et al., 2006].
50 Wayne State University Human Thoratic Model
51 Total Human Model for Safety, 5% Frau
52 Solids: ein FE-Volumenelement
53 Spongiosa: Ein schwammartig aufgebautes System aus feinen Knochenbälkchen, auch inneres Knochen-
gewebe genannt.
54 Shells: ein FE Flächenelement
55 Kortikalis: äußere, feste Schicht der Knochen
Autor; Jahr Ruan 2003 Kimpara 2005
Software LS-DYNA LS-DYNA
Größe 50% Mann 5% Frau
Geometrie basierend auf Wang et al, 1995
WSUHTM50
[Shah et al., 2001]
THUMS-AF0551
[Kimpara et al.,
2005]
Modellierungsdetails:
Rippen Solids
52 – Spongiosa
53
Shells54
– Kortikalis55
Solids – Spongiosa
Shells – Kortikalis
Knorpelgewebe Elastische solids Elastische solids
Sehnen- und Muskelgewebe Elastische shells Elastische shells
Wirbelknochen Elastische solids Elastische solids
Bandscheiben Viskoelastische solids Viskoelastische solids
Innere Organe Viskoelastisch Nichtlineares Schaummaterial
Validation
Frontal- und Seitenaufprall mit
einem Pendel und verschiedenen
Aufprallgeschwindigkeiten.
Belastung durch einen Gurt
Frontal-, Seiten- und
Schrägaufprall.
Ballistischer Brustaufprall
Verwendung Frontal- und Seitenaufprall Abbildung der Rippenfrakturen
bei einer 5% Frau
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
41
3.4.1.2 FE-THORAX-MODELL VON KIMPARA
Das Modell von Kimpara ist eine Kombination aus zwei zuvor entwickelten Menschmodellen für
den Thoraxbereich. Das WSUHTM [Shah et al., 2001] und das THUMS-AF05 [Kimpara et al.,
2005] wurden hierfür verwendet. Die wesentliche Verbesserung im Vergleich zu den Vorgänger-
modellen ist die Einführung der geschlechtsspezifischen Unterschiede des Rippenkäfigs bezüglich
der Anatomie und vor allem der Materialeigenschaften. Die Modellantworten wurden anhand von
sechs Kadaverversuchen mit Frontal-, Seiten- und Schrägaufprallversuchen validiert. Zusätzlich
wurden ballistische Aufprallversuche56
durchgeführt [Yang K. et al., 2006].
In Tabelle 09 werden die Materialeigenschaften der beiden Thoraxmodelle zusammengefasst. Die
in den nachfolgenden Tabellen verwendeten physikalischen Größen werden im Kapitel 6.4
beschrieben.
56 Ballistische Aufprallversuche – In diesem Zusammenhang: Aufprallversuche mit einem leichten
Prüfkörper (Projektil), welcher mit sehr hoher Geschwindigkeit auf das zu untersuchende Objekt trifft. Die
Projektile werden meist pyrotechnisch oder mit Gasdruck aus einer simulierten Geschosswaffe auf den
Testkörper geschossen. Diese Art von Untersuchungen werden häufig für die Entwicklung von z.B.
Schusssicherer Kleidung durchgeführt.
3. Material und Geometriedaten als Basis für die Entwicklung des Menschmodells
42
Tabelle 09 Materialeigenschaften der vorgestellten FE-Thorax-Modelle [Yang K. et al., 2006]
3.4.2 FE-MODELLE FÜR DAS ABDOMEN
Analog zu den FE-Thorax-Modellen werden in Tabelle 10 zwei aktuelle FE-Modelle für den
Abdominalbereich vorgestellt.
57 NP: Nucleus Pulposus, gallertiges Gewebe im Inneren der Bandscheibe
58 AF: Anulus Fibrosus, der äußere, knorpelige Teil der Bandscheibe
59 Trachea: Luftröhre
60 Ösophagus: Speiseröhre
Autor; Jahr Ruan 2003 Kimpara 2005
Knochen
G0-G∞)
Rippen 2000 kg/m³ - 9.6 GPa – 4.4 GPa –
1.8 GPa Cortical: 2000 kg/m³ - 9.86 GPa
– 0.3
Trabecular: 1000 kg/m³ - 40
MPa – 0.45
2000 kg/m³ - 11 GPa – 0.3
Sternum 2000 kg/m³ - 9.6 GPa – 4.4 GPa –
2.3 GPa
Wirbelknochen 2750 kg/m³ - 106.7 MPa – 0.2
Knorpel ( 1500 kg/m³ - 53 MPa – 9 MPa – 0
MPa 1000 kg/m³ - 49 MPa – 0.4
Zwischenrippenmuskel ( 1100 kg/m³ - 2.1 MPa – 0.35 MPa
– 0 MPa 1000 kg/m³ - 1 MPa – 0.3
Bandscheiben
G0-G∞)
NP57
1040 kg/m³ - 2.3 GPa – 0.2 MPa –
18MPa
1000 kg/m³ - 12.7 MPa – 0.34 AF
58
1040 kg/m³ - 307 MPa – 32 MPa –
0 MPa
Innere Organe
G0-G∞-
)
Lungen 600 kg/m³ - 0.22 MPa – 20 kPa –
7.5 kPa 600 kg/m³ - 10 kPa
Herz 1000 kg/m³ - 2.6 MPa – 440 kPa –
150 kPa
1000 kg/m³ - 1.33 MPa – 220
kPa – 75 kPa
Aorta 1200 kg/m³ - 4 MPa – 0.4 4000 kg/m³ - 4MPa – 0.4
and. Arterien 1200 kg/m³ - 20 MPa – 0.4 2000 kg/m³ - 20 MPa – 0.4
Trachea59
1200 kg/m³ - 16.7 MPa – 0.4 2000 kg/m³ - 10 MPa – 0.4
Ösophagus60
1200 kg/m³ - 3 MPa – 0.4 2000 kg/m³ - 3 MPa – 0.4
Blut G0-G∞) 1040 kg/m³ - 70 kPa – 15 kPa – 5
kPa 1000 kg/m³ - 2 GPa – 0 – 0
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
43
Tabelle 10: Übersicht FE-Menschmodelle für den Abdominalbereich [Yang K. et al., 2006]
61 Visible Human Project: Sammlung von detaillierten geometrischen Daten des menschlichen Körpers. Zur
Aufnahme wurden die eingefrorenen Leichen von Freiwilligen in dünne (1-0,33mm) Scheiben zerschnitten
und digitalisiert [Ackermann, 1999].
62 Bricks: engl. Würfel, während „solids“ ein Oberbegriff für 3D Elemente ist, beschreibt „bricks“ einen
bestimmten Elementtyp (Hexaeder). Mit Hexaedern modellierte Volumina sind im Allgemeinen rechnerisch
stabiler bei sehr hohen Verformungen. Der Modellierungsaufwand steigt jedoch erheblich beim Einsatz von
Hexaeder-Elementen im Vergleich zu z.B. Tetraeder-Elementen.
63 Vena cava inferior: untere Hohlvene, ein venöses Blutgefäß der unteren Bauchhöhle
64 Verschiedene physikalische Materialmodelle bei Lee umd Ruan Modellen, die einzelnen Kennwerte sind
nicht direkt miteinander vergleichbar. Entsprechende Materialgesetze werden im Kapitel 6.4 beschrieben.
Autor / Jahr Lee and Yang 2001 Ruan et al. 2005
Software PAM-CRASH LS-DYNA
Geometrie basierend auf:
Visible Human Project61
Visible Human Project
Elemente
Feste Organe Solids Leber Bricks62
Haut Solids Milz Bricks
Muskeln Solids Linke Niere Bricks
Leberbänder Solids Rechte Niere Bricks
Hohle Organe Membran Abdomen Solids
Zwerchfell Shells Zwerchfell Shells
Blutgefäße Shells
Komponenten
Leber, Milz, Nieren, Vena cava inferior
63, Abdominal Aorta, Leber-
vene / -arterie, Nierenvene / -arterie, Milzvene / -arterie, Zwerchfell
Leber, Milz, Nieren, Vena cava inferior, Abdominal Aorta, Zwerchfell
Knochengewebe
- kg/m³, E – Gpa) Elastisch plastische Materialdefinition
Siehe Tabelle 09
Rippen, Brustbein
2000/1.15E+01/0.3
Sakrum, Femur, Beckenknochen
2000/1.21E+01/0.3
Wirbelknochen 2000/2.65E-02/0.3
Innere Organe
E1/E2 (E - Mpa) Nichtlinear viskoelastisch (Typ 22)
K/G0/G∞/ (K - Mpa, G - kPa) Linear viskoelastisch
Leber64
0.195/0.10 Leber 2.875/230/43.6/0.635
Milz 0.488/0.25 Milz 2.875/230/43.6/0.635
Nieren 0.352/0.15 Nieren 2.875/230/43.6/0.635
Hohle Organe Membran (Typ 150)
3. Material und Geometriedaten als Basis für die Entwicklung des Menschmodells
44
Tabelle 11: Materialeigenschaften der vorgestellten FE Abdomen Modelle [Yang K. et al., 2006]
Die gewählten Materialeigenschaften basieren größtenteils auf Veröffentlichungen zwischen 1970
und 1995. Beide FE-Modelle wurden teilweise anhand von gleichen Versuchsergebnissen validiert.
Beide Modelle zeigten gute Übereinstimmungen mit den Versuchsergebnissen.
3.5 PROBLEMATIK DER WENIG VERFÜGBAREN KINDERDATEN
Die Durchführung von Tests mit Kinderleichen ist aus vielerlei Sicht umstritten und problematisch.
Zum einen existieren weniger geeignete PMHS im Kindes- als im Erwachsenenalter, zum anderen
bestehen ethische Bedenken hinsichtlich der Durchführung von Versuchen mit verstorbenen
Kindern. Daten aus Freiwilligenversuchen, bei denen ohnehin nicht die einem Verkehrsunfall
65 Typ 101 / 21: in diesem Kontext: Elemententyp im FE-Solver PAM-Crash. Typ 101: 2D-Schalenelemente,
Typ 21: 1D-Balkenelemente
66 Ligamentum Falciforme: Bauchfelllappen; Er unterteilt die Leber vertikal in die linke und rechte Seite und
verläuft von der Leber bis zum Bauchnabel.
Autor / Jahr Lee and Yang 2001 Ruan et al. 2005
Andere
- kg/m³, E – Gpa)
K/G0/G∞/ (K - Mpa, G - kPa) Wichtige Blutgefäße
Elastisch (Typ 101) 1.0/4E-04/0.4
Zwerchfell
Elastisch (Typ 10165
) 1.0/3E-03/0.3 Abdomen
Linear, viskoelastisch
0.145/15.03/5.01/0.635 Ligamentum Falciforme
66
Elastisch plastisch 1.0/1.2E-02/0.4
Rippenknorpel
Elastisch plastisch 1.5/2.5E-02/0.4 y/(E – MPa, y – kPa)
Zwerchfell
Elastisch plastisch
27.0/125/0.35
Bandscheiben
Elastisch plastisch 1.0/1.03E-02/0.45
Zwischenrippenmuskeln
Elastisch plastisch 1.0/1.03E-02/0.4
Haut & Oberflächenmuskeln
Elastischer Schaum mit Hysterese
(Typ 21) E = 1 MPa
Verwendung Abdominalaufprall Abdominalaufprall
Validation
Pendelversuche [Viano, 1989]
Fallversuche [Walfisch et al., 1980]
Aufprall mit einem starren Rohr
[Cavanaugh et al., 1986]
Pendelversuche [Viano, 1989]
Aufprall mit einem starren Rohr
[Cavanaugh et al., 1986, Hardy et al.,
2001]
Gurtbelastung [Hardy et al., 2001]
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
45
äquivalenten Belastungsgrößen erreicht werden, sind so gut wie nicht durchführbar. Das zulässige
Lastniveau im Vergleich zu erwachsenen Freiwilligen ist nochmals geringer. Die Ergebnisse
einiger weniger Tests, welche in den letzten Jahren durchgeführt wurden, werden in diesem Kapitel
zusammengefasst.
Ouyang [Ouyang et al., 2006] führte Tests an PMHCS67
durch, um die Verletzungsmechanismen
des Thorax im frontalen Aufprall zu untersuchen. Insgesamt neun PMHCS im Alter von 2 bis 12
Jahren wurden getestet. Die Testobjekte wurden unterteilt in zwei Altersgruppen (2 bis 4 und
5 bis 12 Jahre alt) und zugehörige Impaktormassen (2,5 bzw. 3,5 kg). Die Ergebnisse dieser
Testreihe zeigten keine Korrelation der beobachteten Verletzungen zu den Kennwerten ‚maximale
Brusteindrückung‘, ‚VC68
‘ oder ‚maximale Beschleunigung‘. Es konnte jedoch eine große
Abhängigkeit der erzeugten Verletzungen zum maximalen Energieeintrag festgestellt werden.
Darüber hinaus zeigten die Ergebnisse für die höhere Altersgruppe eine höhere Reaktionskraft.
Demnach steigt die Gesamtsteifigkeit des Thorax in einem Frontalaufprall mit dem Alter an, was
mit der bekannten Reifung des knöchernen Systems zusammenpasst.
Maltese [Maltese et al., 2008] wählte für seine Testreihe eine alternative Methode. Er untersuchte
das Verhalten des Thorax während einer Herz-Lungen-Wiederbelebung69
(HLW), bei der der
Thorax des Patienten vergleichbare Kompressionen wie bei den üblich durchgeführten PMHS-
Tests erfährt, allerdings bei einer deutlich geringeren Kompressionsrate. Dafür wurde ein
automatisierter Defibrillator70
mit einem Kraft-Weg-Sensor ausgestattet. Maltese wertete insgesamt
18 Fälle mit Patienten im Alter von 8 bis 22 Jahren aus. Das Ergebnis war unter anderem die
Feststellung, dass die Steifigkeit des Thorax in frontaler Richtung bis zu einem Alter von 40 Jahren
ansteigt. Ab diesem Alter fällt sie bis zu einem Alter von 60 Jahren wieder nahezu auf das Niveau
von Kindern. Das Abfallen der Steifigkeit im hohen Alter lässt sich durch das sich ändernde
Verhältnis zwischen Muskel- und Fettgewebe, die Abnahme der Knochenmasse und vor allem
durch die Abnahme der Elastizität und dadurch die Erhöhung der Knochenbruchgefahr erklären.
67 PMHCS: Post Mortem Human Child Subject
68 VC: „viscous criterium“, das Maximum aus dem Produkt von Verformungsgeschwindigkeit und
Kompression
69 Herz-Lungen-Wiederbelebung: Durchführung von Maßnahmen, die einen Atem- und Kreislauf-Stillstand
beenden sollen.
70 Automatisierter Defibrillator: Ein Gerät welcher die Funktion Elektroschock und Herzdruckmassage
vereint. Das Gerät besteht aus einer ebenen Platte, auf der der Oberkörper des Patienten positioniert wird.
Um den Brustkorb des Patienten wird ein breites Band gelegt, welches mittel Elektromotoren rhythmisch
gestrafft wird.
3. Material und Geometriedaten als Basis für die Entwicklung des Menschmodells
46
Abbildung 22: Kraft-Weg-Kennung der Thoraxsteifigkeit eines Kindes [Maltese et al., 2008]
Diese Feststellung wiederspricht teilweise den momentan gängigen Skalierverfahren, welche die
Steifigkeit als lineare Funktion des Alters und/oder der Größe beschreiben (Siehe Kapitel 3.6) .
Kent [Kent et al., 2009] führte im Rahmen seiner Untersuchungen an einem PMHCS eine
umfassende Literaturrecherche zu den bisher durchgeführten PMHCS Tests durch (siehe Tabelle
12).
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
47
Tabelle 12: Zusammenfassung der bisher durchgeführten Tests an PMHCS [Kent, 2009]
Test
Nr.
Ge
sch
win
dig
keit
[km
/h]
Mit
tle
re
Sch
litte
n
Be
sch
l. [
g]
Rü
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[J]
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Kö
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[cm
]
Qu
elle
71
Ve
rle
tzu
ngs
-
Sch
we
re
HD 36-75 31 18 Beckengurt m.
Kissen72
2,5 M 16 97 1 AIS 1
HD 38-75 40 20 Beckengurt m.
Kissen 6 W 27 125 1 Keine
HD 39-75 40 21 Beckengurt m.
Kissen 6 M 30 124 1 AIS 1
HD 41-75 40 21 Beckengurt m.
Kissen 11 M 31 139 1 AIS 2
HD 5 46 15 4 Pkt. Gurt 10 M 39 139 3 AIS 2
APR 1 50 13 Kissen 2 W 13 87 3 Keine
HSR1 48 20 5 Pkt. Gurt 6 M 17 109 2 Unbekannt
HD 8 49 15 Fahrzeuggurt (3
Pkt. Gurt) 13 M 39 162 3 Keine
HD 9 49 25 3 Pkt. Gurt 12 F 52 144 3 AIS 1
APR 2 50 13 Kissen 2 F 13 87 3 Unbekannt
HD 89-12 49 18 Kissen 2,5 F 17 91 4 AIS 3
76/41 50 20 3 Pkt. Gurt 12 M 41 147 1 AIS 1
Kent stellte mit einem PMHCS in einem Alter von 7 Jahren die Versuche von Maltese nach.
Außerdem führte er bis zum Zeitpunkt der Anfertigung dieser Arbeit die einzigen Versuche an
PMHCS mit Gurtbeanspruchungen durch. Die Versuche mit Belastung des Abdomens wurden mit
Versuchen an Kadavern von jungen Schweinen verglichen.
71 Quellen: 1 – [Kallieris et al. 1976], 2 – [Wismanns et al. 1976], 3 – [Dejammes et al. 1974], 4 – [Brun-
Cassan et al. 1993]
72 Kissen: In diesem Zusammenhang eine feste Struktur, die gewöhnlich am Beckengurt befestigt wird und
das Abdomen des Kindes flächig abstützt (engl.: shield).
3. Material und Geometriedaten als Basis für die Entwicklung des Menschmodells
48
Abbildung 23 Verschiedene Beanspruchungskonfigurationen der Versuche von Kent. Von links nach
rechts: Schultergurt, verteilte Last, unteres Abdomen, oberes Abdomen und HLW [Kent, 2009]
Die Auswertung der Ergebnisse dieser Versuchsreihe ergab, dass die Testergebnisse mit keinem
der bisherigen experimentellen Lastfälle übereinstimmen. Die Thoraxsteifigkeit während der Herz-
Lungen-Wiederbelebungs-Versuche war nahezu doppelt so hoch wie bei den Versuchen von
Maltese [Maltese, 2008]. Das Abdomen war leicht steifer als bei den Versuchen mit den
Schweinekadavern [Kent, 2006]. Zusätzlich wurden Versuche an erwachsenen PMHS auf das
Niveau des untersuchten Kindes skaliert und die Testergebnisse verglichen. Die skalierten
Korridore waren in der Kraft-Weg-Kennung alle deutlich „weicher“.
Die Ergebnisse dieser Versuchsreihe müssen jedoch kritisch betrachtet werden: Es handelte sich
nur um ein PMHCS im Alter von 7 Jahren. In Bezug auf seine Abmaße entspräche das Kind
statistisch einem 10 Jahre alten 50%-Perzentil. Während der Versuchsreihe sind mehrere Rippen
gebrochen (insgesamt 13 Rippenbrüche). Dabei wurde nicht genau dokumentiert nach welchem
Versuch welche Rippen brachen, daher ist eine Veränderung der Thoraxsteifigkeit zwischen den
einzelnen Versuchen nicht auszuschließen. Da davon auszugehen ist, dass Rippenbrüche eher zu
einer Reduktion der Thoraxsteifigkeit führen, ist die Qualität der Vergleichbarkeit mit anderen
experimentellen Lastfällen gering.
Nichtdestotrotz stellen solche Versuchsreihen eine Bereicherung des Wissens um die
biomechanischen Eigenschaften von menschlichem Gewebe und deren Veränderungen im Alter
dar. Sie zeigen auf, dass die bisher getroffenen Annahmen zwar nicht grundsätzlich falsch, für eine
detailliertere Betrachtung jedoch verbesserungswürdig sind und geben gleichzeitig Denkanstöße
für neuartige Test- und Vergleichsmethoden.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
49
3.6 SKALIERUNG
Skalierung hat mit dem aus dem Lateinischen überführten Begriff scalae73
nicht mehr viel
gemeinsam. Mit Skalierung wird die Anpassung eines Systems mit Hilfe von Faktoren bezeichnet,
die sich aus den mechanischen Zusammenhängen ableiten lassen. Sie erlaubt es, funktionale
Zusammenhänge auf einen anderen Anwendungsfall zu übertragen. Das Maß der Skalierung kann
abhängig von einer oder von mehreren Variablen sein. Das Skalengesetz kann linear oder nicht-
linear sein. Der Skalierprozess kann mitunter sehr komplex sein. Neben der reinen geometrischen
Skalierung können auch mechanische Eigenschaften eines Systems skaliert werden. Man erhält so
ein geometrisch identisches System, welches aber bei gegebenen Systemanregungen eine andere
Systemantwort liefert. Eine weitere Methode ist das Skalieren der Systemantwort selbst, um bei
gleichen Anregungen ein ähnlich agierendes Systems zu erschaffen, welches sich vom Original
entweder in der Geometrie oder den mechanischen Eigenschaften unterscheidet.
In den nachfolgenden Kapiteln werden drei geeignete Skaliermethoden vor dem Hintergrund der
FEM-Modellierung und mit besonderem Bezug auf die Biomechanik des Menschen kurz
zusammengefasst.
3.6.1 GEOMETRISCHE SKALIERUNG
Die geometrische Skalierung ist ein Prozess der Änderung der Größe eines Systems. Sofern das
System einfach aufgebaut ist, bedeutet es nur einen Rechenschritt pro Knotenkoordinate des
Systems.
Abbildung 24: Skalierung eines einfachen geometrischen Objekts
Soll ein komplexes System wie ein numerisches Menschmodell skaliert werden, um ein einem
anderen Alter entsprechendes Derivat zu erzeugen, ist dieser Vorgang nicht mehr trivial. Folgende
Grundlagen sollten dabei beachtet werden.
73 Scalae: lat. für Treppe, Leiter
3. Material und Geometriedaten als Basis für die Entwicklung des Menschmodells
50
Schwerpunktanpassung
Ein komplexes System besteht aus mehreren Objekten, welche miteinander verknüpft sind. Werden
am Beispiel des Menschmodells zunächst nur die äußeren Abmessungen betrachtet, sind die
Verhältnisse der einzelnen Körperteile in Abhängigkeit vom Alter unterschiedlich. Da in der Regel
jedes Objekt um seinen Schwerpunkt skaliert wird, müssen die zusätzlichen Verschiebungen der
einzelnen Schwerpunkte zueinander berücksichtigt werden.
Abbildung 25: Skalierung mehrerer einzelner Objekte ohne die Anpassung der Schwerpunktlage
Netzbereinigung an den Schnittflächen zwischen mehreren Bauteilen
Wenn einzelne Objekte mit unterschiedlichen Faktoren skaliert wurden und deren Lage durch die
Angleichung der Schwerpunktposition angepasst ist, so müssen die Netzstrukturen an den Grenzen
zwischen den einzelnen Objekten manuell abgestimmt werden.
Abbildung 26: Konflikte an den Schnittstellen zwischen zwei Objekten
Wird dieses Vorgehen auf ein komplexes FE-Modell wie das eines Menschen angewandt, so wird
der Aufwand zur Bereinigung und Korrektur der Schnittflächen unverhältnismäßig hoch. Nahezu
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
51
alle modernen Präprozessor74
-Softwarelösungen bieten jedoch eigens für solche Problemstellungen
entwickelte Befehlsgruppen. Dieses Vorgehen lässt sich unter dem Begriff Morphing75
zusammenfassen. Ein entsprechender mathematischer Ansatz wird im nächsten Kapitel
beschrieben.
3.6.2 MORPHING
Die ursprüngliche Methode, die als Grundlage für alle modernen Morphing-Algorithmen dient,
wurde 1951 von D. Krige entwickelt [Krige, 1951]. Er entwickelte eine Interpolationsmethode, mit
der eine räumliche Schätzung anhand von gesetzten raumfesten Änderungsvariablen berechnet
werden kann. Es ist ein effizientes und fehlerunanfälliges Interpolationsverfahren. Das Beispiel in
Abbildung 27 zeigt das Ergebnis einer Kriging-Interpolation. Die Ausgangsfläche ist eine ebene
Fläche (nicht dargestellt). Die schwarzen Punkte beschreiben die bekannten Änderungsvariablen
(Änderung in z-Richtung). Das eingefärbte Netz stellt das Ergebnis der Interpolation für einen
beliebigen Punkt dar.
Abbildung 27: Beispiel einer Kriging-Interpolation; schwarz: gegebene Änderungsvariablen, farbiges
Netz: resultierende Abweichungen [Lophaven et al., 2002]
Durch das Setzen von einigen charakteristischen Punkten (gewöhnlich Punkte an knöchernen
Strukturen) an einem numerischen Menschmodell lässt sich mit dem Kriging-Ansatz ein qualitativ
74 Präprozessor: Ein Computerprogramm, das Eingabedaten vorbereitet und zur weiteren Bearbeitung an ein
weiteres Programm übergibt. In diesem Kontext: Software zur visuellen Erstellung und Bearbeitung von FE-
Modellen.
75 Morphing: Ein Prozess zum Berechnen von Zwischenstadien zweier unterschiedlicher Objekte durch
Interpolation und Verzerrungen. In diesem Kontext: Ein Prozess zur Manipulation eines FE-Netzes.
3. Material und Geometriedaten als Basis für die Entwicklung des Menschmodells
52
hochwertiges Ersatzmodell erstellen. Auch bei dieser Methode gibt es Grenzen: Sehr starke Verfor-
mungen bzw. Änderungen an der Statur (z.B. von stehend nach sitzend) können nicht ohne
weiteres gemorpht werden. Die damit verbundenen, starken Dehnungen an den Gelenken würden
das numerische Netz unter Umständen instabil machen. Des Weiteren gelten auch hier die in
Kapitel 2.2 erwähnten Grenzen bei der Skalierung eines erwachsenen Menschmodells auf ein Kind.
3.6.3 SKALIERUNG DER SYSTEMANTWORTEN
Eine weitere Methode ist das Skalieren der Systemantwort. Diese Methode basiert auf einer
physikalischen Dimensionsanalyse und ist anwendbar auf Systeme, in denen thermische und
elektrische Einflüsse unberücksichtigt bleiben. Anhand von einigen bekannten Daten wird
angenommen, dass das betrachtete System ähnlich agieren wird wie ein vergleichbares System.
Hierzu ist die Definition von drei fundamentalen Skalierfaktoren notwendig: Länge, Dichte und
Steifigkeit. Skalierungsgrößen aller anderen physikalischen Größen können mittels dieser Ver-
hältnisse bestimmt werden [Melvin, 1995].
Im Kontext dieser Arbeit werden aus PMHS-Tests an Erwachsenen gewonnene Daten auf das
gewünschte Niveau der Kinder skaliert. Es werden sowohl die Testschwere76
als auch die
Ergebnisse, z.B. die gewonnenen Kraft-Weg-Kennungen für eine bestimmte Aufprallart errechnet.
Dabei wird die Annahme getroffen, dass die Dichte identisch ist.
Tabelle 13 zeigt die Skalierfaktoren, die demnach gebildet werden können [Eppinger, 1999].
Tabelle 13: Skalierfaktoren für verschiedene physikalische Größen [Eppinger, 1999]
Skaliergröße Formel
Länge IL = L1 / L2
Masse IM = ( IL )³
Elastizitätsmodul IE = E1 / E2
Zeit IT = IL / ( IE )1/2
Beschleunigung IA = IE / IL
Kraft IF = ( IL )² IE
Moment IM = ( IL )³ IE
HIC IHIC = ( IE )² / ( IL )1,5
76 Testschwere: Häufig wird die Annahme des gleichen Energieeintrags verwendet. Je nachdem ob das
untersuchte System starke Dehnratenabhängigkeit besitzt, wird entweder die Testgeschwindigkeit oder die
aufgebracht Kraft / Impaktormasse als ein konstanter Wert angenommen.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
53
Eine ausführliche Studie von Mertz [Mertz et al., 1997] stellt Skalierfaktoren für die Entwicklung
von HIII-Kinderdummys entsprechend dem Alter von einem, anderthalb, drei und sechs Jahren dar.
Die in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Skalierfaktoren bezeichnen das geometrische
Skalierverhältnis einzelner Körperbereiche in drei Dimensionen und das entsprechende
Massenverhältnis (λm) dar. Die Basis für diese Skalierfaktoren ist ein 50%-Perzentil-Mann. Die
zugrundeliegenden anthropometrischen Daten stammen aus verschiedenen Quellen. Sie beinhalten
Größen und Gewichte der Menschen in Nordamerika von 1973 bis 1986. Bei der Bestimmung
neuer Skalierfaktoren sollten die anthropometrischen Daten sorgfältig geprüft werden. Betrachtet
man die Wachstumsakzeleration77
, so ist davon auszugehen dass ein 50 Perzentil Mann im Jahre
2013 geringfügig größer ist als ein 50 Perzentil vor 30 Jahren. Die kontinentalen Unterschiede in
den Durchschnittsgrößen als auch die immer höhere Anzahl an übergewichtigen Menschen,
insbesondere übergewichtiger Kinder in den Industriestaaten [Ebbeling, 2002], üben einen großen
Einfluss auf die statistischen Größen aus und sollten bei der Auswahl kritisch betrachtet werden.
Tabelle 14: Skalierfaktoren78
für die Entwicklung von HIII-Kinderdummys [Mertz et al., 1997]
Körperregion λ 0,5 Jahre 1 Jahr 1,5 Jahre 3 Jahre 6 Jahre
Kopf
λx 0,775 0,817 0,844 0,876 0,914
λy 0,775 0,817 0,844 0,876 0,914
λz 0,775 0,817 0,844 0,876 0,914
λm 0,465 0,548 0,599 0,672 0,764
Hals
λx 0,577 0,590 0,590 0,637 0,618
λy 0,577 0,590 0,590 0,637 0,618
λz 0,577 0,590 0,590 0,637 0,700
λm 0,192 0,205 0,205 0,259 0,267
Torso
λx 0,455 0,485 0,508 0,556 0,618
λy 0,455 0,485 0,508 0,556 0,618
λz 0,484 0,529 0,557 0,602 0,700
λm 0,100 0,124 0,143 0,186 0,267
3.6.4 DURCH SKALIERUNG ENTWICKELTE KINDERMODELLE
In den letzten Jahren wurden einige Menschmodelle entwickelt. Die meisten Modelle basieren auf
dem HUMOS und damit auf einem fast 50%-Perzentil-Mann (Europa). Aus dieser Basisgeometrie
77 Wachstumsakzeleration: Die Zunahme der Körpergröße der Menschen von Generation zu Generation,
insbesondere in Industriestaaten als Folge besserer Ernährung, Umwelt und reduzierter Stresseinwirkung.
78 Skalierfaktor λ für die Umrechnung von Dummy-Größen, basierend auf anthropometrischen Daten des
Menschen.
3. Material und Geometriedaten als Basis für die Entwicklung des Menschmodells
54
sind viele Menschmodelle entstanden. Die Skalierung beschränkte sich hierbei allerdings auf die
Erstellung neuer Größen wie 95%- und 5%-Perzentile und die Änderung der Körperhaltung der
Modelle. Es wurden auch einige wenige Kindermodelle entwickelt, die nachfolgend beschrieben
werden.
Das neueste Mitglied der THUMS-FE-Menschmodelle ist die Nachbildung eines sechs Jahre alten
Kindes. Der THUMS-6YO ist vorerst nur in der Fußgängerposition, also stehend, modelliert. Es
gibt bislang nur wenig Material über den Validationsstand und Einsatzzweck dieses Modells.
Von TNO79
wurde ein skalierbares Menschmodell in MADYMO entwickelt [Rodarius et al., 2007].
Durch die Definition von 35 anthropologischen Größen, der Eingabe von 16 Skalierfaktoren oder
durch das Nutzen hinterlegter anthropologischer Datenbanken kann das Modell mittels des
MADYMO-Skalier-Tools in verschiedene Zustände überführt werden, die sich in Größe und
Gewicht unterschieden. Das Skalieren auf die Größe von Kindern war hierbei nicht immer
möglich, da sich resultierende Modelle als unpassend erwiesen bzw. aufgrund der starken
Skalierung grobe Fehler aufwiesen. Auch wurden altersabhängige Materialeigenschaften nicht
berücksichtigt.
Abbildung 28: TNO-Skalierung eines Erwachsenenmodells auf Kinderniveau [Rodarius et al., 2007]
Ein numerisches Kindermodell wurde an der Nagoya Universität in Japan entwickelt, um
verschiedene Kinderrückhaltesysteme zu evaluieren [Mizuno et al. 2007]. Das Modell wurde durch
die Skalierung des THUMS-Modells erzeugt und nach dem Zertifizierungsverfahren des Hybrid-
III-3YO-Dummys für den Frontalaufprall validiert. Das Modell ist öffentlich nicht verfügbar. Die
79 TNO: Toegepast Natuurwetenschappelijk Onderzoek - Niederländische Organisation für Angewandte
Naturwissenschaftliche Forschung
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
55
Ergebnisse zeigen einen deutlichen Unterschied zwischen dem Verhalten des Dummys und dem
des Menschmodells bei einem Frontalaufprall.
Abbildung 29: Vergleich des skalierten Menschmodells mit dem HIII-Kinderdummy
[Mizuno et al., 2007]
In 2008 wurde das japanische Modell weiter verfeinert und auf die Lastfälle Frontal- und
Seitenaufprall im Hals, Thorax und Abdominalbereich validiert (Abbildung 30).
Abbildung 30: Darstellung der Validationsversuche des skalierten Menschmodells für den Frontal-
und Seitenaufprall [Koizumi et al., 2008]
57
4 GEOMETRIEGRUNDLAGEN FÜR DAS MENSCHMODELL
Die korrekte und detaillierte geometrische Beschreibung des Menschen ist bei der Entwicklung
eines numerischen Abbilds besonders wichtig. Während eine Vielzahl von Daten zu den äußeren
Abmessungen existiert, sind die inneren Abmaße nicht in statistisch ausreichender Anzahl
vorhanden. Dies gilt insbesondere für Kinder. Eine im vorherigen Kapitel beschriebene Skalierung
der Erwachsenengeometrie ist für die inneren Organe nicht zulässig, da sie sich im Verlauf des
Lebens nicht linear proportional zu den äußeren Abmessungen entwickeln.
Für diese Arbeit wurde die genau vermessene Geometrie eines Individuums zugrunde gelegt. Das
Kind entsprach in den Abmessungen ungefähr dem statistischen Mittelwert. Für die Anpassung des
Modells an ein 50%-Perzentil wurden statistische Daten (äußere Geometrieabmessungen)
verschiedener Quellen herangezogen.
4.1 UNTERSCHIEDE ZUR ANATOMIE DES ERWACHSENEN UND DARAUS
RESULTIERENDE VERLETZUNGSRISIKEN
Kinder als Insassen von Fahrzeug sind im Falle eines Unfalls besonders gefährdet. Der Körper ist
nicht vollständig ausgebildet und erreicht bei weitem nicht die Robustheit eines Erwachsenen. Der
Kopf ist im Verhältnis zum Torso grösser und schwerer, gleichzeitig sind die Knochenstrukturen
sehr elastisch und die stützende Muskulatur im Halsbereich nicht vollständig ausgebildet. Schäden,
insbesondere am Rückenmark im Bereich der Halswirbelsäule, können aus diesen Gründen bei
frontaler Belastung viel häufiger auftreten. Der Rippenkäfig im Brustkorb übernimmt die
Schutzfunktion der lebenswichtigen Organe, die für die Durchblutung des Körpers und die
Versorgung aller Organe mit Sauerstoff verantwortlich sind. Bei einem Kind sind die Rippen im
vorderen Bereich des Sternums noch nicht als knöcherne Struktur ausgebildet und bieten somit nur
wenig Widerstand gegen Eindringung. Der Abdominalbereich ist relativ größer als beim
Erwachsenen, zusätzlich sind einige innere Organe nicht in dem Maße vom Rippenkäfig geschützt,
wie es später im Erwachsenenstadium der Fall ist. Das Becken des Kindes ist ebenfalls noch nicht
vollständig ausgebildet. Im Gegensatz zum Erwachsenen bieten die Hüftknochen bzw. der
Beckenkamm wenig Halt für den Beckengurt, welcher so bei einem Frontalaufprall auf den
Abdomen abrutschen und schwere Abdominalverletzungen verursachen kann. Das Abrutschen des
Beckengurtes kann bei einem Frontalaufprall zu Submarining führen. Ursache dafür kann ebenfalls
die falsche Benutzung der Rückhaltesysteme (Gurtlose) oder eine falsche Körperhaltung sein, in
der die Wirbelsäule nicht an der Rückenlehne anliegt bzw. ein großer Abstand zwischen der
unteren Rückenlehne und dem Becken entsteht.
4. Geometriegrundlagen für das Menschmodell
58
4.2 STATISTISCHE DATEN
Die Grundlage für die innerhalb des Forschungsprojektes CASPER entwickelten Kindermodelle
bildet eine von einem der Forschungspartner durchgeführte Studie [Serre et al., 2010]. In dieser
Studie wurde eine Vielzahl von anthropometrischen Daten von drei- und sechsjährigen Kindern
erhoben. Vermessen wurden bei dieser Erhebung Kinder einer nord-französischen Schule. Zwar
fehlt eine Aussage über die Repräsentanz dieser Daten bzw. über den Vergleich zu anderen
europäischen Kindern, jedoch umfassen sie die relevanten Maße in stehender und (in einem
Kinderrückhaltesystem) sitzender Position und sind aktuell.
Um die für die Validation notwendigen Ergebnisse der Versuche an erwachsenen PMHS auf das
Niveau eines drei Jahre alten Kindes zu skalieren, wurden Daten aus dem „Anthropologischen
Atlas“ [Greil et al., 1986] ausgewählt. In ihm wurden u.a. zahlreiche anthropometrische Daten der
damaligen Bevölkerung der DDR gesammelt. Diese Daten sind nicht aktuell, aber dennoch bilden
sie gerade aus diesem Grund die Versuchspersonen der in dieser Arbeit zugrundeliegenden
Vergleichsuntersuchungen besser ab, da Effekte wie z.B. die Akzeleration der Körpergröße im
Verlauf der letzten Jahrzehnte damit in gewisser Weise berücksichtigt werden.
Tabelle 15: Anthropometrische Datenbasis (Auszug) [Serre, 2010 und Greil, 1986]
Maß CASPER
Kind, 3 Jahre
Anthropologischer Atlas
Erwachsener, männlich 18-59
Jahre
Brustbeinhöhe, sitzend80
287 mm (Maß 15)
Brustbeinhöhe, stehend 1409 mm (S. 81)
Nabelhöhe, sitzend 119 mm (Maß 16)
Nabelhöhe, stehend 1065 mm (S. 87)
Beckenhöhe, sitzend 94 mm (Maß 17) 237 mm (S. 163)
Projektivische Beinlänge81
812 mm (S. 143)
Brustkorbtiefe82
148 mm (Maß 6) 236 mm (S. 101)
Bauchtiefe 166 mm (Maß 7) 291 mm (S.165)
Brustkorbbreite 178 mm (Maß 9) 309 mm (S. 95)
Bauchbreite 161 mm (Maß 10)
Taillenbreite 303 mm (S. 93)
Körpergewicht 14,37 kg CANDAT 78,0 kg (S. 325)
80 gemessen in KRS
81 Projektivische Beinlänge = Körperhöhe – Stammlänge; Stammlänge: ein Höhenmaß, gemessen in aufrecht
stehender Position, zwischen dem obersten Kopfpunkt und untersten Torso / Beckenpunkt
82 Erwachsener stehend, Kind sitzend
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
59
4.3 DAS VORLIEGENDE PMHCS
Die Geometriebeschreibungen für die in dieser Arbeit beschriebene Entwicklung eines
Menschmodells stammen von einem dreijährig verstorbenen Kind. Die Leiche des Kindes wurde
mittels Computertomografie in seinen Abmessungen digitalisiert. Derartige Untersuchungen könne
aus gesundheitlichen Gründen nur an Leichen durchgeführt werden. Um einen Detaillierungsgrad
zu erreichen, der nötig ist um die inneren Organe voneinander unterscheiden zu können, muss die
Strahlungsstärke so hoch eingestellt sein, dass lebende Organismen dauerhaft geschädigt werden
können.
Das Kind entsprach in den Abmessungen ungefähr dem statistischen Mittelwert. Die
Geometriedaten wurden von einem CASPER-Forschungspartner (LMU83
) bereitgestellt. Das
PMHCS wurde in der Transversalebene in einem Abstand von jeweils einem Millimeter
eingescannt. Der resultierende Datensatz besteht aus 3279 Einzelbildern.
Tabelle 16: Vergleich der Abmessungen mit einem statistischen Durchschnitt und einem Q3-Dummy
PMHCS CANDAT [%] Q3-Dummy
Alter 3,26 Jahre 3,00 Jahre 3,00 Jahre
Höhe 94 cm 95,02 cm 98,5 cm
Gewicht 18 kg 14,37 kg 14,5 kg
Mit Hilfe des Einsatzes verschiedener Softwarelösungen wurde aus den 3279 Einzelbildern eine
Raumkarte gebildet. Anschließend wurden die gewünschten inneren Organe optisch voneinander
separiert und als Raumpunktewolken exportiert.
83 LMU: Ludwig-Maximilians-Universität München
4. Geometriegrundlagen für das Menschmodell
60
Abbildung 31: Separation der einzelnen Organe (hier: Leber) und eine Gesamtdarstellung des
PMHCS [CASPER, 2010]
Wie aus der Tabelle 16 ersichtlich ist, entsprach das PMHCS nicht ganz den statistischen
Durchschnittswerten. Insbesondere das hohe Übergewicht musste in der späteren Modellierungs-
phase korrigiert werden.
Das Kind starb im Alter von drei Jahren und drei Monaten an Lungenversagen. Daher musste
zunächst geprüft werden, ob eine mögliche Fehlbildung berücksichtigt werden muss. Die
Bezeichnung der Todesursache (COPD84
) ist ein Sammelbegriff und beschreibt eine Gruppe von
Lungenkrankheiten. Eine dieser Krankheiten ist eine Bronchitis-Form, welche zu einer
Missbildung führen kann. Bei dieser Krankheit kann sich die Form des Brustkorbs bedingt durch
ständige Atemnot und die damit verbundene Ausdehnung der Lunge verändern. In der
Transversalebene bildet der Brustkorb bei gesunden Erwachsenen ein Oval. Bei Menschen mit
Lungenerkrankungen ab dem Kindesalter an entwickelt sich der Brustkorb mehr zu einem Kreis.
Nach Prüfung entsprechender Querschnitte des vorhandenen PMHCS konnte jedoch keine
Fehlbildung festgestellt werden.
Eine weitere Fehlerursache, welche eine spätere Anpassung erforderte, ist die Position des PMHCS
beim Scanvorgang. Bedingt durch die Bauweise des verwendeten CT-Scanners kann ein Mensch
nur in liegender Position eingescannt werden. Das Menschmodell soll aber in der sitzenden
Position verwendet werden. Diese Tatsache macht Anpassungen an der Wirbelsäule und damit
84 COPD: engl.: chronic obstructive pulmonary disease - chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
61
gleichzeitig an der Position aller inneren Organe und an den Schultern nötig, welche in einer
sitzenden Position nach unten gezogen werden.
4.4 STELLUNG DER WIRBELSÄULE UND IHRE BEDEUTUNG FÜR DIE
UNFALLKINEMATIK
Die Korrektur der Körperhaltung wurde im späten Entwicklungsstadium des numerischen Modells
durchgeführt. Die Stellung der Wirbelsäule und der Beckenwinkel wurden an eine sitzende
Position angepasst, basierend auf den Ergebnissen von Beillas [Beillas et al., 2009]. In dieser
Studie wurden verschiedene Körperhaltungen von neun Probanden im Alter von 26 bis 42 Jahren
mittels einer Magnetresonanztomografie untersucht. Die einzelnen Positionen (stehend, sitzend,
gebeugt nach vorn und liegend) unterschieden sich bis auf die liegende Position kaum voneinander.
Zwischen der liegenden und der sitzenden Position wurden die größten Unterschiede beobachtet.
So betrug die maximale Organverschiebung 39 mm, die maximale Änderung des abdominalen
Volumens betrug 1300 cm³.
Abbildung 32: Unterschiede zwischen der sitzenden (dunkel) und liegenden (hell) Position [Beillas et
al., 2009]
Die in Abbildung 32 dargestellten Organe und die Wirbelsäule sind deutlich voneinander zu
unterscheiden. Folgende Unterschiede in der Position der Körperorgane können einen großen
Einfluss auf die Unfallkinematik ausüben:
4. Geometriegrundlagen für das Menschmodell
62
Tabelle 17: Stellung der Wirbelsäule und ihre Bedeutung für die Unfallkinematik
Bereich Einfluss auf die Unfallkinematik
Beckenwinkel
Der Beckenwinkel bestimmt die Interaktion zwischen dem unteren Abdomen,
dem Beckenkamm und dem Beckengurt bei einem Frontalaufprall. Ein falsch
positioniertes Becken kann in der Unfallrekonstruktion zu Submarining führen,
wo keins beobachtet werden sollte und umgekehrt.
Volumen des
Abdomens
Das Volumen des Abdomens ändert sich bei jeder Bewegung des Körpers. Es
werden nicht nur die inneren Organe mitbewegt, es ändert sich auch die
Gesamtsteifigkeit des ohnehin schon weichen Abdomens. Sowohl im Frontal als
auch im Seitenaufprall kann dies zu einem veränderten Aufprallverhalten führen.
Wirbelsäulenverlauf
T1-T12
Der Verlauf der Thorax-Wirbel 1-12 beschreibt eine Kurve und beeinflusst somit
auch den Sternumwinkel und die Rippenposition. Abstrahiert betrachtet ist der
Rippenkäfig eine Blattfeder, welche ihre Steifigkeit je nach Winkel ändert.
Insbesondere bei einem Frontalaufprall kann dies zu einem veränderten
Aufprallverhalten führen.
Falsche Position der
inneren Organe
Die Position der inneren Organe beeinflusst die Verletzungswahrscheinlichkeit
bzw. die Auftreffwahrscheinlichkeiten bei Unfällen, in denen die Verletzungen
durch hohe Penetration (Fahrzeuggurt, Kinderitz- oder Verkleidungsteile)
verursacht werden.
4.5 UNTERSCHIEDE IN DER POSITION DES DUMMYS IM CRASH TEST UND VON
KINDERN REAL ANGENOMMENEN POSITIONEN
Die Auslegung der Kinderrückhaltesysteme basiert auf der Annahme, dass ein Kind im Kindersitz
eine aufrechte Position einnimmt. Dabei passt sich die Wirbelsäule dem Verlauf der Rückenlehne
an und es besteht kein größerer Abstand zwischen der Wirbelsäule und dem Kindersitz. Dieser
Zustand entspricht nicht immer der Realität. Kinder sind häufig abgelenkt durch ihre Umgebung
und nehmen entsprechend andere Sitzpositionen ein bzw. bleiben nicht dauerhaft in einer Position
und wechseln diese häufig. Einige Studien belegen diese Behauptung. Andersson [Andersson et al.,
2010] untersuchte das Verhalten von Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren in zwei
verschiedenen Kindersitzen (Gruppe II/III Kindersitztypen85
). Der Vergleich wurde bewusst
zwischen einem älteren Kindersitzmodell, welches den heutigen Sicherheitsstandards nicht mehr
entspricht (Sitz X) und einem aktuellen Kindersitzmodell (Sitz Y) gewählt.
85 Gruppe II / III Kindersitz: Eine Sitzerhöhung mit Rückenlehne
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
63
Abbildung 33: Die untersuchten Kindersitzmodelle. Links: Sitz X, rechts: Sitz Y [Andersson et al.,
2010]
Die Untersuchung wurde mit sechs Probanden in einem Fahrzeug durchgeführt. Eine Fahrt dauerte
ungefähr 50 Minuten. Es zeigte sich, dass die Kinder im alten Kindersitztyp in 75% der gesamten
Fahrtzeit eine richtige Sitzposition einnahmen, im modernen Kinderschutzsystem hingegen nur in
45% der Zeit. Dies wird damit begründet, dass die Rundumsicht im modernen Kindersitz durch die
seitlichen Schutzpolster deutlich eingeschränkt ist. Andere Studien weisen auf vergleichbare
Ergebnisse hin. Charlton [Charlton et al., 2010] kommt auf eine Fehlbenutzungsrate86
von sogar
70%.
Die Effekte der nicht korrekten Sitzhaltung auf das Verletzungsrisiko von Kindern wurden bisher
kaum untersucht. Konstruktionsbedingt kann man einen Dummy nicht in jeder Position einsetzen,
ein Menschmodell würde an dieser Stelle mehr Möglichkeiten eröffnen.
86 Fehlbenutzung: im Sinne des Einnehmens einer unnatürlichen Sitzposition (bei korrekt angelegtem Gurt),
welche in einem möglichen Aufprall zu deutlich höherem Verletzungsrisiko tragen würde.
65
5 MODELLAUFBAU
Das in dieser Arbeit entwickelte Modell beschreibt das 50er-Perzentil eines drei Jahre alten Kindes.
Das numerische Modell wurde mit der Zielsetzung entwickelt, Untersuchungen in Frontal- und
Seitenaufprallrichtung durchführen zu können. Der Schwerpunkt dieser Untersuchungen liegt dabei
auf der Möglichkeit, das Verletzungsrisiko einzelner innerer Organe abschätzen zu können.
Die Arbeit entstand im Rahmen des europäischen Forschungsprojekts CASPER. Neben dem
Modell für das drei Jahre alte Kind entstanden auch Modelle für ein ein- und sechsjähriges Kind.
Alle CASPER-Modelle sind als Vollkörpermodelle konzipiert worden. Mehrere Forschungspartner
haben Modelle für unterschiedliche Körperbereiche entwickelt, welche am Ende des
Forschungsprojekts zusammengesetzt werden sollten. Das in dieser Arbeit behandelte
Menschmodell beschreibt ein Vollkörpermodell mit einem detaillierten Thorax- und Abdominal-
bereich mit vereinfachten Ersatzmodellen für Kopf, Hals und Extremitäten.
5.1 VEREINFACHTES MENSCHMODELL
Bei der Entwicklung des Menschmodells stand neben einem hohen Detaillierungsrad eine schnelle
Rechenfähigkeit87
des Modells im Vordergrund. Die Simulationen mit dem Menschmodell sollten
nicht wesentlich länger dauern als die Simulationen mit einem Dummymodell. Der hohe
Detaillierungsgrad erfordert jedoch ein möglichst feines Netz, welches unmittelbar zu einer
längeren Simulationszeit führt. Als ein ungefährer Anhaltspunkt wurde festgelegt, dass die
durchschnittliche Elementgröße88
und somit Anzahl der Elemente im Modell ungefähr mit der des
numerischen Dummymodells vergleichbar ist. Dieser Wert entspricht ca. sieben Millimetern.
Die Festlegung auf eine minimale Kantenlänge von sieben Millimetern beschreibt gleichzeitig den
maximalen Detaillierungsgrad aller inneren Organe bzw. der geometrischen Eigenschaften des
Körpers. Organe oder Organbereiche kleiner als sieben Millimeter werden nicht berücksichtigt.
Darunter fallen z.B. Venen und Arterien, Speise- und Luftröhre sowie große Teile des
Verdauungstrakts.
87 Rechenfähigkeit: In diesem Zusammenhang ein Maß für die Zeit, welche für die numerische Berechnung
eines bestimmten Lastfalls mit diesem Modell benötigt wird.
88 Elementgröße: die Kantenlänge des Elements, egal ob 2D- oder 3D-Elemente
5. Modellaufbau
66
In Kapitel 2.3 wurde die Festlegung auf Ausmodellierung der inneren Organe basierend auf ihrer
Wichtigkeit aus dem Verletzungsrisiko getroffen. Die Wahl der Organe steht nicht im Konflikt zur
gewählten Netzgröße.
Betrachtet man andere Körperregionen, so ist es besonders der Kopf- und Halsbereich, welcher mit
einem besonders feinen FE-Netz abgebildet werden muss, um ein aussagekräftiges numerisches
Modell erstellen zu können. Der Grund hierfür ist die komplexe Kinematik des Kopf- und
Halsbereichs bei einem Aufprall. Die Halswirbel sind an mehreren Stellen miteinander verbunden
und viel filigraner als die Brust- bzw. Lendenwirbel. Ohne eine detaillierte Abbildung der
Geometrie kann das Zusammenspiel dieser Wirbel nicht hinreichend genau nachgestellt werden.
Dies ist ein Grund dafür, dass dieser Bereich in diesem Modell nur abstrakt abgebildet wurde, eine
detaillierte Nachbildung würde schätzungsweise den gleichen Betrag der Zeit einnehmen, wie für
die Entwicklung des Thorax- und Abdomenmodells nötig war.
Innerhalb von CASPER wurde ein detailliertes Modell des Kopf- und Halsbereichs von UDS89
entwickelt.
5.2 AUFBEREITUNG DER GEOMETRIE
Die Geometrie für das Menschmodell stammt von einer Kinderleiche, sie wurde von einem
Forschungspartner innerhalb des Projekts CASPER zur Verfügung gestellt. Das ursprüngliche
Format, welches die Computertomographie-Geräte liefern, beinhaltet viele Schnittbilder in einer
Ebene des Modells im Graustufenformat. Diese Ebene entspricht der Scanrichtung und ist bedingt
durch die Form des Scanners in den meisten Fällen die Transversalebene.
Mittels zusätzlicher Softwarelösungen wurden die einzelnen Organe, voneinander zu unterscheiden
durch unterschiedliche Graustufen, eingefärbt und zu einer 3D-Punktewolke zusammengefasst. Die
Umrisse dieser Punktewolken für jedes einzelne Organ, die Skelettstruktur und die Außenhaut
wurden vom Forschungspartner zur Verfügung gestellt, die weitere Aufbereitung der Geometrie
und die Erstellung eines rechenfähigen FE-Netzes erfolgte in Eigenleistung.
89 UDS: Universität Straßburg, Systemes Biomecaniques
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
67
Abbildung 34: Zwischenstadium der Geometrieaufbereitung
Die Aufbereitung der Geometrie erforderte den Einsatz verschiedener Tools in mehreren
Iterationsschritten. Viele Bereiche, insbesondere die Beschreibung der knöchernen Strukturen
erforderten darüber hinaus umfangreiche manuelle Korrekturen.
Punktewolke Flächenerstellung
in CATIA
Import und Bearbeitung in
Hypermesh
2D Netzerzeugung
Flächen-erzeugung
Volumen-erzeugung
3D Netzerzeugung
Netzoptimierung
Abbildung 35: Einzelne Schritte von der Punktewolke bis zur Erzeugung eines FE-Netzes
5. Modellaufbau
68
5.3 DAS SKELETT
Das Skelett des Menschmodells wird mit Ausnahme des Rippenkäfigs als nicht deformierbare
Struktur modelliert. Dies hat mehrere Gründe: Zum einen ist die bereits beschriebene
Abbildungsqualität nicht immer mit einer definierten Netzgröße durchführbar. Zum anderen sind
die als starre Körper modellierten Bereiche nicht für das Frontal- und Seitenaufprallverhalten
relevant. Diese Vereinfachung betrifft die einzelnen Wirbel, wobei sich diese durch die Verbindung
mit elastischen Bandscheiben zueinander bewegen können. Eine weitere Struktur stellt der
Beckenknochen dar. In diesem Bereich werden keine schweren Verletzungen im Alter von drei
Jahren und als Insasse eines verunfallten Fahrzeugs erwartet (siehe dazu Kapitel 2.3).
Abbildung 36 Modellierung der Skelettstrukturen
Wie auf Abbildung 36 zu erkennen, ist das Skelett des dreijährigen Menschmodells vollkommen
symmetrisch modelliert. Dies entspricht nicht der natürlichen Entwicklung des menschlichen
Körpers. Jeder Körper bzw. jede Skelettstruktur ist geringfügig unsymmetrisch. Hinzu kommt, dass
bei einem drei Jahre alten Kind insbesondere der Rippenkäfig noch nicht vollständig ausgebildet ist
und der vordere Bereich der Rippen noch aus Knorpelmasse besteht. Vergleicht man Abbildung 36
mit Abbildung 34, so können deutliche Unterschiede in der Ausbreitung und Position der einzelnen
Rippen festgestellt werden. Damit das Seitenaufprallverhalten auf der linken und rechten Seite
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
69
gleich bleibt (wenn man von einem geringen Einfluss der unsymmetrischen Position der inneren
Organe wie Herz oder Leber absieht), musste der Rippenkäfig symmetrisch gestaltet werden.
Die Positionen der einzelnen Wirbel mussten ebenfalls korrigiert werden. Sie lagen nicht alle in der
Sagittalebene. Bedingt durch die Position des Körpers beim Einscannvorgang ergaben sich leichte
Verschiebungen der einzelnen Wirbelkörper zueinander. Die Wirbelsäule lag als zusammen-
hängender Körper vor, so dass für den Korrekturschritt alle Wirbelkörper einzeln herausgeschnitten
und angeordnet werden mussten.
Abbildung 37: Modellierung eines Wirbelkörpers
Die Vernetzung des Rippenkäfigs wurde im Laufe des Entwicklungsprozesses mehrmals verändert.
Die anfänglich angedachten Qualitätskriterien führten in den ersten Simulationen zu instabilen
Ergebnissen. Um eine möglichst homogene Durchbiegung einer Rippe abbilden zu können, musste
das Netz sehr gleichmäßig entlang derselben gestaltet werden. Dies erfolgt durch Projektion eines
Netzprofils entlang der Rippenlinie. Die verschiedenen zur Auswahl stehenden Profile wurden auf
ihre Tauglichkeit in einer Hilfsrechnung überprüft. Das Ziel war dabei ein Profil zu finden, welches
in einer FE-Simulation in alle Biegerichtungen einen homogenen Biegewiederstand aufweist.
Kontaktflächen der benachbarten Wirbel –
Superior Articular Process
Inferior Articular Process
Wirbelboden, Anbindung an die
Bandscheibe
5. Modellaufbau
70
Abbildung 38: FE-Netzoptimierung Rippenkäfig
Für ein möglichst realitätsgetreues Abbilden des Deformationsverhaltens in verschiedenen
Aufprallsituationen ist insbesondere die detaillierte Gestaltung der Wirbelsäule und des Brustkorbs
wichtig. Die Wirbelsäule, das tragende Gerüst des menschlichen Körpers, ist eine sehr komplexe
Kombination aus festen, elastischen und plastischen Elementen.
Jeder Wirbelkörper ist zunächst mit dem jeweils benachbarten Wirbelkörper durch eine
Bandscheibe verbunden, welche sowohl plastisches als auch elastisches Materialverhalten aufweist.
Zusätzlich gehen von den verschiedenen Fortsätzen des Wirbelkörpers elastische Federelemente zu
den benachbarten Wirbeln und zu den Elementen der Rückenmuskulatur. Diese Elemente
repräsentieren Muskel- und Sehnenstränge des menschlichen Körpers. Durch den Einsatz
elastischer Federelemente bleibt das Modell unter einer geringen Selbstspannung, vergleichbar mit
der Körperspannung. Dadurch wird die Körperhaltung bei definiertem Einfluss der
Erdbeschleunigung immer aufrechterhalten, was bei längeren Simulationszeiten positiv ist.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
71
Abbildung 39: Darstellung eines Wirbelkörpers eines Erwachsenen aus der Literatur [Gray, 1918] und
vom Menschmodell mit definierten Anbindungspunkten (rot)
Die realitätsgetreue Anbindung der Rippen ist besonders entscheidend für die valide Abbildung des
Seitenaufprallverhaltens. Die seitliche Ausprägung des Wirbelkörpers, der Querfortsatz, stellt eine
gelenkige Verbindung zur jeweils entsprechenden Rippe dar. In dem dreijährigen Menschmodell ist
dieses Gelenk als ein elastischer Körper dargestellt, modelliert aus der tatsächlichen Geometrie.
Die Steifigkeit dieser elastischen Körper wurde mittels Validation (siehe auch Kapitel 6) ermittelt
und an die gegebenen Lastanforderungen optimiert.
Abbildung 40: Darstellung der Wirbelsäule, Implementierung der Anbindung der Rippen (schwarz
umrandet) an die Wirbelkörper
Elastische Elemente
Rippen
Bandscheibe
5. Modellaufbau
72
Der vordere Bereich des Rippenkäfigs (in Abbildung 40 rot dargestellt) stellt den noch nicht
verknöcherten Teil des Rippenkäfigs dar. Dieser Bereich besteht hauptsächlich aus Knorpelgewebe
und ist deutlich weicher in biomechanischer Hinsicht. Der exakte Übergang vom Knorpel- zum
Knochengewebe konnte anhand der gelieferten Geometriedaten eindeutig bestimmt werden, da sich
die Dichte des Gewebes mit Einsetzen des Verknöcherungsprozesses ebenfalls ändert.
5.4 INNERE ORGANE
Die genaue Abbildung der inneren Organe spielt zwar für das gesamte Deformationsverhalten des
Menschmodells eine eher untergeordnete Rolle. Sie ist jedoch sehr wichtig, um später das
Verletzungsrisiko anhand der Deformation und / oder Spannungsverteilungen abschätzen zu
können. Abweichungen können die Interaktion der einzelnen inneren Organe untereinander stark
beeinflussen und somit das Ergebnis der Untersuchungen verfälschen.
So wie auch die Knochenstrukturen basiert die Geometrie der inneren Organe auf Daten derselben
Quelle. Der Prozess der Umwandlung der Geometriedaten in ein FE-Netz entspricht grob dem in
Kapitel 5.2 beschriebenem Ablauf. Aufgrund der Komplexität war jedoch eine manuelle
Nacharbeit für jedes Organ erforderlich. Die Darstellung der einzelnen Organe, deren Funktion im
Körper und die Verletzungsmechanismen in einer Fahrzeugunfallumgebung werden in den
nachfolgenden Kapiteln kurz beschrieben.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
73
Abbildung 41: Numerisches Menschmodell eines dreijährigen Kinds, Schnitte durch verschiedene
Sagittalebenen
5.4.1 DIE LUNGE
Die Lunge ist ein zur Atmung dienendes, überlebenswichtiges Körperorgan. Die Lunge besteht aus
zwei Lungenflügeln, jeder Lungenflügel ist in mehrere Lungenlappen unterteilt90
.
Die Atmung wird durch Erzeugung von Unter- und Überdruck realisiert. Die Außenluft strömt bei
Unterdruck durch die Luftröhre ein und das Lungenvolumen erhöht sich. Der Unterdruck wird
hauptsächlich durch das Zwerchfell erzeugt. Zusätzlich wirken verschiedene Brustmuskeln zur
Unterstützung des Atemprozesses.
Die beiden Lungenflügel sind für den stetigen Austausch mit Atemluft und stetiger Blutzirkulation
mittig mit der Luftröhre und dem Herz verbunden. Das Lungengewebe besteht hauptsächlich aus
zwei Gewebetypen: einem luftführendem Gewebe und einem für die Anreicherung des Blutes mit
Sauerstoff zuständigen Gewebe.
Im Menschmodell ist die Lunge als Volumenkörper bzw. als zwei Lungenflügel-Volumina
modelliert. Die Lunge hat eine reibungsfreie Kontaktdefinition zu den benachbarten Organen und
ist mittig (Höhe Luftröhre / Aorta) und unten am Zwerchfell durch gemeinsame Knoten verbunden.
90 Lungenlappen: Beim Menschen ist der linke Lungenflügel in zwei und der rechte in drei Lungenlappen
unterteilt.
5. Modellaufbau
74
Abbildung 42: Lunge [li. InnerBody 2013, re. eigene Darstellung]
Die Verletzungen der Lunge bei Insassen eines Kraftfahrzeugs können in zwei Arten unterteilt
werden. Zum einen kann das Gewebe durch Eindringen von Fremdkörpern beschädigt werden wie
z.B. bei Rippenbrüchen. Zum anderen kann das Gewebe bei sehr starken Beschleunigungen
verletzt werden. Durch mikroskopisch kleine Risse am Gewebe kann es zur Füllung des
Lungenvolumens mit Blut kommen, bei Beschädigung der Pleura91
die Lunge. In beiden Fällen ist
die Anreicherung des Bluts mit Sauerstoff gestört, was je nach Verletzungsschwere zum Tod
führen kann [Yen et al., 1988].
Die Messung der Belastungen kann im Simulationsmodell durch Ermittlung von
Volumenänderung, innerem Druck und Eindrückung in Abhängigkeit von der Zeit realisiert
werden. Die real auftretenden Verletzungswahrscheinlichkeiten können mit den eben genannten
physikalischen Größen abgeschätzt werden.
5.4.2 DAS HERZ
Das Herz ist ein Hohlorgan, welches die Versorgung aller Organe mit Blut und den darin
gebundenen überlebenswichtigen Stoffen sichert. Idealisiert betrachtet, ist das Herz eine
Verdrängerpumpe aus Muskelgewebe. Das Blut wird mittels Volumenänderung und Schaltung der
Herzklappen durch das Arterien- und Venensystem befördert. Die Zirkulation erfolgt dabei immer
nur in eine Richtung. Das Herz besteht aus zwei Hauptkammern und jeweils einer Vorkammer.
Im Menschmodell ist das Herz als ein Volumen modelliert. Bei der Abschätzung der Materialdichte
wurde die Füllung des Herzens mit Blut berücksichtigt. Das Herz hat eine reibungsfreie
91 Pleura: Brustfell; eine dünne Haut welche die Lungenhälften umschließt. Sie agiert als gleitende Ver-
schiebeschicht für die Lungenbewegungen innerhalb des Körpers.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
75
Kontaktdefinition zu den benachbarten Organen und ist oben an den Fortsätzen zur Aorta und der
oberen Hohlvene durch gemeinsame Knoten verbunden.
Abbildung 43: Herz [li. InnerBody 2013, re. eigene Darstellung]
Die Verletzungsmuster am Herzen unterteilen sich in zwei Hauptursachen. Wie es bei den meisten
Gewebetypen der Fall ist, sind Verletzungen durch Riss- und Quetschwunden möglich.
Quetschungen entstehen durch hohe Kompression und können das Muskelgewebe des Herzens
beschädigen, wodurch die Funktion des Herzens, je nach Schwere der Verletzung, beeinträchtig
wird. Bei sehr hohen Aufprallgeschwindigkeiten (15 – 20 m/s) kann es zu Herzrhythmus-
störungen92
oder zum Herzstillstand kommen [Schmitt et al., 2010]. Zusätzlich können bei sehr
hoher Aufprallgeschwindigkeit und damit auch lokaler hoher Beschleunigung die Aorta oder die
obere Hohlvene abreißen und die Versorgung des Körpers mit Blut unterbrechen oder stark
einschränken.
Die Messung der Belastungen kann im Simulationsmodell durch Ermittlung von
Volumenänderung, innerem Druck und Eindrückung in Abhängigkeit von der Zeit realisiert
92 Herzrhythmusstörungen: Man unterscheidet zwischen Vorhofflimmern (Arrhythmia, Rhythmusstörung der
Herz – Vorhofkammern, die Effizienz des Herzens sinkt stark ab, jedoch nicht im lebensbedrohlichem
Maße), Kammerflimmern (Fibrillation, eine Herzrhythmusstörung bei der die Herzmuskeln nicht mehr
geordnet angeregt werden, führt zu einem kompletten Abfall der Pulsleistung und zum Tod des Verletzten)
und Arrest (Herzstillstand durch komplette elektromechanische Entkoppelung).
5. Modellaufbau
76
werden. Die real auftretenden Verletzungen können mit den eben genannten physikalischen Größen
abgeschätzt werden.
5.4.3 DIE LEBER
Die Leber kontrolliert den gesamten Stoffwechsel des Körpers. Sie befindet sich im oberen rechten
Abdomenbereich. Bei Erwachsenen ist die Leber teilweise vom Rippenkäfig geschützt. Da bei
Kindern das Größenverhältnis von Abdomen zu Thorax anders ausgeprägt ist, liegt die Leber bei
ihnen größtenteils unterhalb der Rippen und ist dementsprechend weniger geschützt.
Das Gewebe der Leber ist größtenteils gleichmäßig strukturiert. Sie ist unterteilt in zwei
Leberlappen. Auf der Oberseite ist die Leber teilweise verwachsen mit dem Zwerchfell, auf der
Unterseite ist sie an die Leberpforte93
angebunden.
Die Modellierung der Leber im Menschenmodell wurde mit einem Volumenkörper realisiert. Die
Anbindung an die benachbarten Organe entspricht dem eben beschriebenen Zustand und ist mittels
gemeinsamen Knotenpunkten realisiert. Der Kontakt zu den benachbarten Organen ist reibungsfrei
gestaltet.
Abbildung 44: Leber [li. InnerBody 2013, re. eigene Darstellung]
Hinsichtlich der Verletzungsmechanismen lassen sich die im Abdomen liegenden Organe in zwei
unterschiedliche Typen einordnen: Die kompakten Organe wie Leber, Milz und die Nieren sind im
Allgemeinen in einer Fahrzeugunfallumgebung stärker gefährdet durch starke Eindrückung verletzt
zu werden. Die hohlen oder teilweise hohlen Organe sind dabei weniger gefährdet [Schmitt et al.,
2010]. Eine sehr große Rolle spielt die Position des Organs im Abdominalbereich. Die
93 Leberpforte: Ein System aus Arterien und Venen, über die die Leber mit Blut- und Nahrungsbestandteilen
aus dem Magen versorgt wird.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
77
Beschaffenheit des Abdominalbereichs erlaubt große Verschiebungen der inneren Organe
gegeneinander, ohne dass Schäden am Gewebe entstehen müssen. Die einzige feste Struktur im
Abdominalbereich (in der Transversalebene) bildet die Wirbelsäule. Organe sind dementsprechend
stärker gefährdet, wenn sie bei einem Aufprall durch Bestandteile der Rückhaltesysteme in
Richtung der Wirbelsäule belastet werden [Schmitt et al., 2010].
5.4.4 DIE NIEREN
Die Nieren sind wie die Leber für den Stoffwechsel des Körpers zuständig. Sie sind zuständig für
die Ausscheidung von Endprodukten des Stoffwechsels und die Regulierung des Wasserhaushalts
im Körper.
Die Nieren liegen jeweils seitlich der Wirbelsäule, die linke und rechte Niere arbeiten autark. Ein
Mensch kann problemlos mit nur einer Niere überleben. Der Aufbau des Nierengewebes ist
ungleichmäßig. Im numerischen Modell ist die Niere wie auch alle anderen kompakten Organe als
Volumenkörper ausgelegt. Die Anbindung der Nieren an die Nachbarorgane erfolgt entsprechend
dem natürlichen Geflecht aus Arterien, Venen und Harnleitern mittig zur Wirbelsäule hin
ausgerichtet, durch gemeinsame Knoten. Die Kontaktdefinition ist reibungsfrei gestaltet.
Abbildung 45: Niere [li. InnerBody 2013, re. eigene Darstellung]
5.4.5 DIE MILZ
Die Milz ist ein Organ, welches die Zusammensetzung des Bluts aus roten und weißen
Blutkörperchen regelt. Aufgrund ihrer geringen Größe und der Position (oberhalb der linken Niere)
ist die Milz bei einem erwachsenen Menschen in einer Fahrzeugunfallumgebung wenig gefährdet.
Bei Kindern ist das Verletzungsrisiko durch andere Größenverhältnisse und den verhältnismäßig
weicheren Rippenkäfig geringfügig höher (siehe Kapitel 2.3).
5. Modellaufbau
78
Abbildung 46: Milz [li. InnerBody 2013, re. eigene Darstellung]
Im numerischen Modell ist die Milz als ein Volumenkörper ausgebildet. Die Anbindung der Milz
an die Nachbarorgane erfolgt entsprechend der Anbindung an die Arterien durch gemeinsame
Knoten. Die Kontaktdefinition ist reibungsfrei gestaltet.
5.4.6 DER VERDAUUNGSTRAKT
Der gesamte Verdauungstrakt, bestehend aus Magen, Dünn-, Blind- und Dickdarm, wurde im
numerischen Menschmodell zusammengefasst. Diese Organe zählen zu den sogenannten „hohlen“
Organen, da sie nur partiell mit Nahrung, Nahrungsresten und Verdauungsreststoffen gefüllt sind.
Abbildung 47: Verdauungstrakt [li. InnerBody 2013, re. eigene Darstellung]
Hohle Organe sind bei hohen Aufprallgeschwindigkeiten weniger gefährdet als die festen oder
kompakten Organe. Bei sehr großen Kompressionen, kann es jedoch zu schweren Verletzungen des
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
79
Magen-Darm-Trakts kommen. Eine typische Abdominalverletzung bei einer Fahrzeugkollision im
Frontalaufprall stellt die Penetration des Abdominalbereichs durch den Beckengurt dar. In den
meisten Fällen ist der Beckengurt dabei nicht richtig positioniert bzw. die falsche Sitzposition des
Insassen führt dazu, dass das Becken um die y-Achse rotiert und unterhalb des Beckengurts
durchrutscht. Je nach Unfallschwere kann der Beckengurt das Abdomen bis zur Wirbelsäule
komprimieren, was zu schweren Verletzungen führen kann [Schmitt, 2010].
Im numerischen Menschmodell ist der Verdauungstrakt in zwei Volumina unterteilt (mit
Tetraederelementen vernetzt). Das obere Volumen repräsentiert den Magen, den Zwölffingerdarm,
die Bauchspeicheldrüse und Teile des quer verlaufenden Dickdarms. Das untere Volumen
repräsentiert den Dünndarm. Beide Volumina sind auf der rechten mittleren Seite miteinander
verbunden, was dem Übergang vom Zwölffingerdarm zum Dünndarm entspricht.
5.4.7 ÜBRIGES GEWEBE
Das Haut-, Muskel- und Fettgewebe wurde getrennt modelliert, soweit die Komplexität es zuließ.
Die Haut besteht aus einer Schicht von drei Hexaederelementen. Die äußere, zwei Millimeter dicke
Schicht repräsentiert die Haut. Mit den darunterliegenden Schichten wurde das Muskel- und
Fettgewebe modelliert. Je nach Körperbereich sind diese Schichten 1 – 15 mm dick.
Darüber hinaus wurden die Hohlräume zwischen den ausmodellierten inneren Organen und der
Außenhaut zu drei unterschiedlichen Volumen kombiniert:
Abbildung 48: Kombiniertes inneres Gewebe
Es wurden sämtliche Hohlräume im numerischen Menschmodell geschlossen. Dabei wurde darauf
geachtet, dass die Möglichkeit der Verschiebung der inneren Organe zueinander bei Verformung
des Körpers innerhalb ihrer anatomischen Grenzen gewährleistet ist.
Muskel- und Fettgewebe
Gewebe zwischen den Rippen und der Lunge; Speiseröhre;
Luftröhre; Aorta; obere Hohlvene
Innere Rückenmuskulatur
5. Modellaufbau
80
5.5 EXTREMITÄTEN
Für einen Einsatz des numerischen Modells in Insassensimulationen reicht ein Modell des Torsos
nicht aus. Um die korrekte Interaktion zwischen den Rückhaltesystemen sicherzustellen, müssen
zumindest die Außenflächen der interagierenden Extremitäten ausmodelliert sein.
Für das numerische Menschmodell eines dreijährigen Kindes wurden die oberen und unteren
Extremitäten nicht detailliert aufgebaut. Die Ansätze der Oberarme wurden durch nicht
deformierbare Blöcke ersetzt, das Schultergelenk wurde vereinfachend modelliert und innerhalb
der Schulterblattgelenkpfanne platziert. Eine Bewegung der Oberarme bei einem Aufprall ist somit
möglich. Um die Trägheit der fehlenden Unterarme zu kompensieren, wurde eine Punktmasse für
jeden Arm definiert.
Analog zu den Oberarmen wurden nur die Oberschenkel ausmodelliert. Die Oberschenkel sind
jedoch deformierbar, damit eine realitätsnahe Interaktion zwischen dem Kindersitz und dem
Menschmodell gegeben ist. Da das numerische Modell nur in sitzender Position eingesetzt wird,
wurde auf eine Modellierung der Hüftgelenke verzichtet. Die Unterschenkel wurden ebenfalls
durch Punktmassen ersetzt.
Der Kopf des numerischen Modells ist ebenfalls ähnlich den Oberarmen aufgebaut. Der Kopf
besteht aus einer undeformierbaren Hülle mit einer Ersatzmasse. Die Kopfersatzmasse ist fest mit
dem obersten ausmodelliertem Wirbel T1 verbunden.
Tabelle 18: Ersatzmassen des numerischen Menschmodells
Komponente Masse
Kopf 1,300 kg
Arme 2x 0,450kg
Beine 2x 0,750kg
5.6 ANPASSUNG DER KÖRPERHALTUNG
Die Körperhaltung, in der die Geometrie des numerischen Menschmodells aufgenommen wurde,
entsprach einer liegenden Position. Da der Einsatz des Modells später eine sitzende Position
zwingend erforderlich macht, war eine Anpassung notwendig, die den in Kapitel 4.4 vorgestellten
Unterschieden hinsichtlich der Position der inneren Organe gerecht wird.
Aufgrund der Komplexität der zu ändernden Geometrie wurde das bereits vernetzte Modell in
einem Simulationslauf angepasst. Die Anpassung erfolgte, indem den Knochenstrukturen eine
Rotation vorgeschrieben bzw. eine Krafteinwirkung auf die Knochenstrukturen definiert wurde.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
81
Neben der Rotation des Beckens und der Änderung der Wirbelsäulenkurve wurden die Schultern
abgesenkt. Die Simulation verlief in mehreren Schritten. Nach jedem Schritt wurde das FE-Netz
gespeichert, auf negative Elemente oder unnatürlich starke Verzerrungen aufgrund der Deforma-
tion überprüft und für den nächsten Anpassungsschritt freigegeben.
Abbildung 49: Anpassung des Menschmodells an eine sitzende Position (Zwischenschritt: Einstellung
der Biegung der Brustwirbelsäule, li.: Ausgangszustand, re.: Ergebnis der Simulation)
Abbildung 50: Anpassung des Menschmodells an eine sitzende Position (Zwischenschritt: Absenkung
der Schulterblätter und des Oberarmwinkels)
5. Modellaufbau
82
Im letzten Schritt wurde das numerische Menschmodell an das statistisch mittlere Gewicht für die
Altersgruppe der dreijährigen Kinder angepasst. Dies setzte eine massive Reduktion des Fett-
gewebes voraus. Hierfür wurde das FE-Netz der Außenhaut an Stellen mit besonders dicker
Fettschicht manuell an den Körper angenähert und das darunterliegende Netz in der Tiefe reduziert.
Die Änderungen wurden an Bauch, Brust, dem unteren Rückenbereich, Hals und unterhalb der
Oberarme durchgeführt.
83
6 VALIDATION
Validation oder Validierung ist der Nachweis eines Systems über dessen Fähigkeit, reproduzierbare
und verlässliche Antworten auf genau definierte Fragestellungen erzeugen zu können. Der Prozess
der Validation beinhaltet neben diesem Nachweis die Evolution des Systems, d.h. die einzelnen
Schritte bzw. Änderungsstufen, welche zu einem validen System geführt haben.
Wie bereits in Kapitel 5 beschrieben, fand die Entwicklung des Menschmodells parallel mit
CASPER-Forschungspartnern statt. Jeder Partner entwickelte unterschiedliche Bereiche des
Menschmodells. Da anschließend ein Gesamtmodell erstellt werden sollte, basierten sie alle auf der
gleichen Geometrie. Das Konzept für die Validation des in dieser Arbeit beschriebenen Mensch-
modells sah vor, die in Eigenleistung entwickelten Bereiche des Körpers am zusammengesetzten
Menschmodell zu validieren. Folgende Punkte sprechen für diese Vorgehensweise.
- Erhöhung der Genauigkeit durch valide Abbildung des Modellverhaltens an dessen
Schnittebenen
- realistische und „greifbarere“ Interpretation der Ergebnisse durch die Darstellung des
gesamten Menschmodells
- Möglichkeit der Darstellung und Abbildung von komplexeren Lastfällen
Demgegenüber stehen die negativen Aspekte dieser Vorgehensweise.
- höherer Aufwand bei der Validation durch eine höhere Anzahl an Freiheitsgraden
- Exakte Passgenauigkeit an den Schnittstellen des Modells wird zwingend vorausgesetzt.
- (Vor-)Validation der einzelnen Teilbereiche trotzdem notwendig
- gleiche Modellierungsweise notwendig, um keine numerischen Nebeneffekte an den
Schnittstellen des Modells zu erzeugen
Die Validation anhand eines kompletten Menschmodells konnte bis zum Ablauf des
Forschungsprojekts CASPER nicht durchgeführt werden, da andere Körpereiche entweder von der
Modellierungsweise her nicht kompatibel (detailliertes Kopf- und Halsmodell) oder gar nicht
vorhanden waren (detailliertes Becken- und Oberschenkelmodell).
Der Validationsprozess wurde daher auf die Teilbereiche Thorax und Abdomen beschränkt. Die
fehlenden Körperbereiche wurden durch die in Kapitel 5.5 beschriebenen Ersatzmodelle
abgebildet. Die einzelnen Schritte werden in den nachfolgenden Kapiteln beschrieben.
6. Validation
84
6.1 SKALIERGRÖßEN
Damit die Vergleichbarkeit zwischen den PMHS-Tests und den Simulationen mit einem
Menschmodell möglich ist, müssen die im Versuch auftretenden Lasten skaliert werden.
Die Methode der Skalierung der Systemantwort wurde in Kapitel 3.6.3 kurz beschrieben. Folgende
vergleichende Lastfälle wurden zur Bildung der Skalierfaktoren herangezogen:
- Thorax, Frontal- und Seitenaufprall: Biegebalkenmodell
- Abdomen, Frontal- und Seitenaufprall: Druckstabmodell
Sowohl bei einem Frontal- als auch einem Seitenaufprall wird die Aufprallenergie des
Thoraxbereichs zum großen Teil vom Rippenkäfig aufgenommen. Idealisiert betrachtet, stellt die
Rippenwand einen Biegebalken dar. Das entsprechende physikalische Ersatzmodell würde den
Thoraxaufprall also möglichst genau abbilden bzw. zu möglichst realistischen Skalierfaktoren
führen.
Das Abdomen stellt - im physikalischen Sinne und auf das Belastungsszenario bezugnehmend -
einen homogenen Körper mit einer nahezu konstanten Steifigkeit dar. Als entsprechendes
Ersatzmodell wurde somit ein Druckstab ausgewählt.
Abbildung 51: Biegebalken und Druckstabmodell zur Bildung der Skalierfaktoren [Kirscht, 2012]
Die Bildung der einzelnen Faktoren wurde unter folgenden Annahmen getroffen:
- Die Änderung der Elastizität im Biegebalkenmodell entspricht der Änderung des E-Moduls
vom Knochengewebe und ist bekannt (siehe Kapitel 3.2).
- Das „E-Modul“ des Abdomens bleibt konstant.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
85
- Die Aufprallgeschwindigkeit wird bei allen Belastungsszenarien nicht verändert, damit
Effekte der viskosen Materialeigenschaften die Ergebnisse nicht verfälschen.
- Die Dichte des Gewebes ändert sich nicht mit dem Alter
Die einzelnen Skalierfaktoren wurden aus den geometrischen Verhältnissen zwischen einem
Erwachsenen- und Kinderkörper ermittelt. Um die Prüfkörpermasse zu ermitteln, wurden die
Gleichungen aus dem Energie- und Impulserhaltungssatz gebildet. Aufgelöst nach dem
Massenverhältnis und durch Einsetzen der fundamentalen Geometriegrößen ergeben sich so die
neuen Testkonfigurationen, abhängig von der Belastungsart und Belastungsrichtung.
Die anthropometrischen Daten als Basis für die Skalierung wurden aus mehreren Quellen
entnommen [Serre, 2010] und [Greil, 1986]. Zusammengetragen, analysiert und für diese
Fragestellung aufbereitet wurden sie von [Kirscht, 2012].
Tabelle 19: Skaliergrößen für den Thorax des 3JAMM
Typ Skalierfaktoren
Geometrie
S.Tho.x 0,627
S. Tho.y 0,576
S. Tho.z 0,458
Masse S. Tho.m 0,166
Kraft S. Tho.F.fro 0,176
S. Tho.F.lat 0,097
Beschleunigung S. Tho.a.fro 1,063
S. Tho.a.lat 0,587
Trägheitsmoment S. Tho.I.fro 0,113
S. Tho.I.lat 0,088
Elastizitätsmodul S. Tho.E 0,475
Tabelle 20: Skaliergrößen für das Abdomen des 3JAMM
Typ Skalierfaktoren
Geometrie
S.Abd.x 0,570
S.Abd.y 0,531
S.Abd.z 0,535
Masse S.Abd.m 0,162
Kraft S.Abd.F.fro 0,284
S.Abd.F.lat 0,305
Beschleunigung S.Abd.a.fro 1,753
S.Abd.a.lat 1,882
Federsteifigkeit S.Abd.k.fro 0,499
S.Abd.k.lat 0,575
Elastizitätsmodul S.Abd.E 1,000
6. Validation
86
Folgende Parameter der einzelnen Lastfälle wurden mittels Skalierung der Systemantwort
errechnet. Die Beschreibung der einzelnen Lastfälle findet sich in den nachfolgenden Kapiteln.
Tabelle 21: Skalierte Lastfälle für den Thorax des 3JAMM
Typ Frontal Thorax Seite Thorax
Original Skaliert Original Skaliert
Impaktor Größe Rigid Pendulum,
152mm 81,5mm
Rigid pendulum,
150mm 82,5mm
Impaktor Masse 23,6 kg 3,874 kg 23,4 kg 3,66 kg
Impaktor
Geschwindigkeit 6,7 m/s 6,7 m/s 3,6 m/s 3,6 m/s
Tabelle 22: Skalierte Lastfälle für das Abdomen des 3JAMM
Typ Frontal Abdomen Seite Abdomen
Original Skaliert Original Skaliert
Impaktor Größe Rigid bar, 25mm 13,8mm Rigid pendulum,
150mm 82,5mm
Impaktor Masse 32 kg 4,844 kg 23,4 kg 3,66 kg
Impaktor
Geschwindigkeit 6,12 m/s 6,12 m/s 3,6 m/s 3,6 m/s
6.2 LASTFÄLLE FÜR DIE VALIDATION DES MENSCHMODELLS
Der Thorax- und der Abdominalbereich werden für Frontal- und Seitenaufprall validiert, wofür
entsprechende PMHS Versuche nachsimuliert werden. Die Aufprallschwere wird auf das Niveau
eines drei Jahre alten Kindes skaliert, so dass die Ergebnisse zwischen realen Tests und Simulation
direkt vergleichbar sind. Insgesamt handelt es sich um vier unterschiedliche Lastfälle.
6.2.1 FRONTALAUFPRALL
Die Frontalaufpralltests für den Thorax wurden von Kroell [Kroell et al., 1971] durchgeführt.
Insgesamt 14 PMHS im Alter von 19 - 81 Jahren wurden eingesetzt. Der Aufprallpunkt war auf die
Mitte des Sternums gerichtet, der Aufprallkörper wurde als Pendel ausgeführt. Die
Aufprallgeschwindigkeiten betrugen zwischen 6,2 und 14,3 m/s. Die Impaktormasse wurde
zwischen 1,63 und 23,5 kg variiert.
Für die Validation des Menschmodells wurden die Tests mit der größten Impaktormasse und der
kleinsten Geschwindigkeit94
ausgewählt (Tests markiert als 18FM-22FM, siehe Abbildung 52). Die
94 Auswahl von PMHS Tests mit größter Masse und kleinster Aufprallgeschwindigkeit: In dieser
Testkonfiguration spielen die dynamischen Effekte wie Dehnratenabhängigkeit und Dämpfung die geringste
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
87
Ergebnisse der Simulationen mit dem Menschmodell stellen Kraft-Weg-Kennungen dar, welche
mit PMHS-Tests und den Simulationsergebnissen mit einem Q3-Dummy verglichen werden.
Abbildung 52: Kraft-Weg-Kennungen aus PMHS-Tests von Kroell [Kroell et al., 1971], rot markiert:
die für die Validation herangezogenen Versuchskurven.
Die Frontalaufpralltests für das Abdomen wurden von Cavanaugh [Cavanaugh et al., 1986]
durchgeführt. Die Gruppe der PMHS bestand aus acht männlichen und vier weiblichen Leichen.
Das durchschnittliche Gewicht betrug 74,1 kg, die durchschnittliche Körpergröße 177 cm. Das
Durchschnittsalter betrug 54,7 Jahre. Die PMHS wurden mit Beschleunigungsaufnehmern am
Schädel, an den Rippen und an der Wirbelsäule versehen. Die Eindrückung wurde anhand von
Highspeed-Aufnahmen gemessen. Es wurden zwei unterschiedliche Impaktormassen eingesetzt.
Der Impaktor bestand aus einer undeformierbaren Stange mit einem Durchmesser von 25 mm und
einer Länge von 381 mm.
Für die Tests wurden die PMHS aufrecht sitzend positioniert. Die Oberschenkel wurden an einer
horizontalen Ebene abgestützt. Der Aufprall erfolgte frontal, die Aufprallhöhe entsprach der Höhe
des dritten Lendenwirbels L3 [Cavanaugh et al., 1986].
Es wurden insgesamt 61 Tests mit zwei verschiedenen Aufprallgeschwindigkeiten durchgeführt.
Die Ergebnisse wurden normiert und skaliert, um eine Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen
PMHS herzustellen.
Rolle. Eine Validation auf diesen Lastfall ist somit am wenigsten anfällig für durch die eben beschriebenen
Effekte induzierten Fehler.
6. Validation
88
Als Resultat wurde eine hohe Korrelation zwischen der Steifigkeit des Abdomens und der
Aufprallenergie festgestellt. Der Anstieg der entsprechenden Kraft-Weg-Kennung verläuft nahezu
linear (von der Eindrückung unabhängige, konstante Steifigkeit des Abdomens). Nachdem die
Impaktorenergie vollständig abgebaut wurde, fällt die Reaktionskraft nahezu vertikal ab (siehe
Abbildung 53).
Abbildung 53: Kraft -Weg-Kennungen. Frontalaufprall, Abdomen [Cavanaugh et al., 1986]
6.2.2 SEITENAUFPRALL
Viano [Viano et al., 1989] führte Tests an 14 PMHS in einer Seitenaufprallkonfiguration in zwei
verschiedenen Transversalebenen durch. Die Testgruppe bestand aus 11 männlichen und drei
weiblichen Leichen. Das Durchschnittsgewicht betrug 67,2 kg, die durchschnittliche Körpergröße
170,9 cm. Die Instrumentierung der PMHS entsprach der in Kapitel 6.2.1 beschriebenen Gruppe.
Als Impaktor wurde ein zylindrisches Pendel mit einem Durchmesser von 15 cm und einem
Gewicht von 23,4 kg verwendet. Es wurden drei verschiedene Auftreffgeschwindigkeiten unter-
sucht. Die Aufprallrichtung war so angeordnet, dass der Rippenkäfig an einer flachen Stelle
getroffen wird. Dies entspricht ungefähr einer Rotation der Aufprallrichtung von 30° um die z-
Achse, der Aufprall findet demnach von schräg vorne statt.
Das Ergebnis dieser Tests waren Kraft-Weg-Kennungen für den Seitenaufprall. Es wurden
außerdem MAIS 4+-Verletzungen in Abhängigkeit vom VC-Kriterium und der relativen Brust- und
Abdomenkompression dokumentiert.
Fo
rce [N
] *
10
2 100
75
50
25
0
0 60 120 180 240
Pen [mm]
ABD
100 Hz filtered and normalized
14
2419
33
28
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
89
Abbildung 54: Kraft –Weg - Kennungen. Seitenaufprall, Abdomen [Viano et al., 1989]
6.3 NUMERISCHE OPTIMIERUNG
Die im vorhergehenden Kapitel beschriebenen, skalierten Lastfälle wurden im Frontal- und
Seitenaufprall mit dem drei Jahre alten Menschmodell simuliert. Zu Vergleichszwecken wurde
dieselbe Konstellation auch mit dem FE-Modell des Q3-Dummys berechnet. Die Konfiguration der
Aufprallrechnungen entsprachen exakt den in den Kapiteln 6.2.1 und 6.2.2 beschriebenen PMHS-
Tests. Als Aufprallgeschwindigkeit wurde von den vorgestellten Lastfällen die jeweils niedrigste
Geschwindigkeit verwendet.
Abbildung 55: Thorax Tests, Frontal- und Seitenaufprallkonfiguration. Vergleich Mensch- und Q3-
Dummymodell
6. Validation
90
Abbildung 56: Abdomen Tests, Frontal- und Seitenaufprallkonfiguration (Dummy Jacke und
Außengewebe des 3JAMM teilweise ausgeblendet)
Die Validation erfolgte teilautomatisiert. Zur Verfügung stand die Software Hyperstudy von
Altair95
.
Das Ziel der Optimierungsrechnungen und des Validationsprozesses war es, die aus der
Literaturrecherche gewonnenen Materialparameter der einzelnen Körperteile in ihrer Definition zu
verfeinern, so dass die Modellantwort den skalierten PMHS-Testergebnissen entspricht. Im ersten
Schritt des Validierungsprozesses wurde eine DOE96
-Studie durchgeführt. Untersucht wurde der
Einfluss von Materialparametern97
verschiedener Körperbereiche auf die maximale Deformation
und die maximale Reaktionskraft des Modells. Die Variation erfolgte innerhalb fest definierter
95 Altair Hyperstudy: Eine Software zur Solverunabhängigen Durchführung von Designstudien, Optimie-
rungen und stochastischen Analysen
96 DOE (engl. Design of Experiment): Ein Prozess zur Untersuchung des Wirkzusammenhangs verschiedener
Einflussfaktoren. Das Ziel der DOE-Studie ist es, die Anzahl der Einflussfaktoren bzw. Variationsparameter
zu minimieren, indem weniger wirksame Parameter identifiziert und aus der Optimierungsstudie ausge-
schlossen werden
97 Materialparameter: (In diesem Zusammenhang) Variablen des jeweiligen Werkstoffmodels. Variiert
wurden (je nach Materialdefinition) E-Modul, Dichte und verschiedene Viskositätsparameter.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
91
Größen, die aus Erfahrungswerten gebildet wurden. Es wurden nur realistische Grenzwerte
angenommen.
Zusätzlich wurde ein Stabilitätskriterium eingeführt, welches sicherstellte, dass das 3JAMM
rechnerisch stabil ist. Dieser Schritt ist für die Einsatzfähigkeit und -vielfalt des Menschmodells
besonders wichtig, da einige Materialmodelle in bestimmten Konstellationen numerisch instabil
werden können. Die Instabilität führt meist zu einem rasanten, lokalen Anstieg der Verformungs-
geschwindigkeit an beliebigen Punkten des FE-Netzes. Der Anstieg ist dabei so groß, dass die
Berechnung des nächsten Rechenschrittes vom Solver nicht mehr gelöst werden kann bzw. einige
Elemente kollabieren und ein negatives Volumen erreichen. Besonders häufig tritt dieser Effekt in
einem 3D-FE-Netz beim Einsatz von sehr weichen Materialien auf.
Abbildung 57 Beispielhafte DOE-Analyse, Darstellung von Korrelationswerten zwischen
Systemantworten und festgelegten Parametern [Kirscht, 2012]
Nachdem die Anzahl der Variablen durch die DOE-Studie reduziert werden konnte, wurde eine
Optimierungsstudie durchgeführt. Es wurden alle vier Lastfälle gleichzeitig simuliert. Das Ziel des
Optimierers war es, das maximale Kraftniveau und die maximale Eindrückung in die durch
Skalierung gewonnenen Zielkorridore zu bringen. In einigen Fällen wichen die Ergebnisse aus den
Initialläufen sehr deutlich vom Zielkorridor ab, insbesondere in den Thoraxaufprall-Rechnungen.
Die Rechnungen des Abdominalaufpralls hingegen lieferten bereits im ersten Lauf annehmbare
Ergebnisse. In den nachfolgenden Abbildungen sind die Ergebnisse der Optimierungsstudie dar-
gestellt. Die Ergebnisse der Initialläufe sind jeweils mit einer gestrichelten Linie gekennzeichnet.
6. Validation
92
Abbildung 58: Thoraxaufprall frontal, Kraft-Weg Kennungen
Im frontalen Lastfall wird das maximale Kraftniveau im Thorax durch die Optimierung
betragsmäßig um zwei Drittel gesenkt. Die geforderte Eindrückung wird nur knapp nicht erreicht.
Das Maximalniveau liegt ca. 40 % über dem Korridor. Die Kennung des Q3-Modells weist zwei
deutliche Maxima auf, die den Korridor um mehr als 100 % überragen [Kirscht, 2012].
Auch wenn ein direkter Vergleich zur Referenzkurve nicht möglich ist, weist die Kennung des
Thorax im lateralen Belastungsfall im Vergleich zur Kennung des Q3 auch hier ein wesentlich
niedrigeres und breiteres, maximales Kraftniveau auf. Das Kraftmaximum des Q3 liegt viermal so
hoch wie das des Antwortkorridors. Die Kennungen beider Modelle zeigen einen sehr schnellen
Anstieg auf ihr Kraftniveau. Die gewünschte Eindrückung wird im lateralen Lastfall nicht erreicht
[Kirscht, 2012].
Die Ergebnisse des Q3-Dummy-Modells wichen ebenfalls unerwartet stark vom Zielkorridor ab.
Ein Vergleich mit den in Hardware durchgeführten Zertifizierungstests zeigt, dass das
Simulationsmodell zumindest mit den Testergebnissen des Hardwaremodells sehr gut
übereinstimmt. Der für die Entwicklung des Q3-Dummys skalierte Zielkorridor basiert auf den
gleichen PMHS-Testergebnissen. Die skalierte Aufprallschwere entspricht der in dieser Arbeit
skalierten, der Zielkorridor beschreibt jedoch eine ca. 1,6-fache maximal erreichbare Kraft.
Legt man über die Ergebnisse der 3JAMM-Simulationen die Q3-Zielwerte, so liegen sie perfekt im
Korridor (ma. Kraftniveau 1 kN, maximale Eindrückung 40mm). Dies legt die Vermutung nahe,
dass das für die Kompressibilität des Brustkorbs gewählte Ersatzmodell eines Biegestabs die
vorliegenden Lastfälle nicht korrekt abbildet. Im Rahmen einer Weiterentwicklung des Modells
sollte das Ersatzmodell und als Resultat der Zielkorridor revidiert werden. Für die Bewertung des
Deformationsverhaltens wird daher der Q3 Zielkorridor herangezogen.
3JAMM
Q3
Initiallauf Ergebnis der Optimierung
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
93
Abbildung 59: Testergebnisse des Q3-Dummys in einem Frontalaufprall, Auszug aus den
Validationstests [EEVC, 2008]
Abbildung 60: Thoraxaufprall frontal und lateral, Darstellung der maximalen Eindrückung
Im lateralen Thoraxaufprall weist das Menschmodell ebenfalls eine viel weichere Kennung als der
Q3 auf, auch wenn in diesem Fall der Zielkorridor nicht getroffen wird. An dieser Stelle sollte
erwähnt werden, dass bei der Entwicklung des Q3-Dummys omnidirektionales
Verformungsverhalten im Lastenheft definiert wurde, während des Entwicklungsprozesses jedoch
das Hauptaugenmerk auf den Frontalaufprall gesetzt wurde. In dem Abschlußbericht des EEVC
existiert keine Kraft-Weg Kennung / Zielkorridor für den lateralen Thoraxaufprall. Es existieren
jedoch skalierte Zielkorridore für den Seitenaufprall, sie basieren auf den Untersuchungen von
Kroell [Kroell et al., 1974] und wurden auf das Niveau eines drei Jahre alten Kindes skaliert
[Ratingen et al., 1997]. Die in dieser Arbeit gewählten Lastfälle für den lateralen Thoraxaufprall
wurden mit einer höheren Aufprallgeschwindigkeit durchgeführt und sind daher nicht mit den
Ergebnissen aus den eben genannten Quellen vergleichbar.
6. Validation
94
Abbildung 61: Thoraxaufprall lateral, Kraft-Weg-Kennungen
Das Kraftniveau der Abdomen-Kennungen liegt in beiden Lastfällen weitestgehend innerhalb der
Grenzen des Korridors. Der Kraftanstieg verläuft im frontalen Belastungsfall knapp oberhalb des
Korridors, im lateralen in diesem. Die Kraft-Weg-Kurven erreichen auch in diesen beiden
Lastfällen die minimale Eindrückung von 79 mm des Antwortkorridors nicht. Dies scheint im
frontalen Lastfall auch nicht möglich, da der Impaktor in der Referenzsimulation schon vor dem
Erreichen des gewünschten Deformationsweges auf die Wirbelsäule des Kindes traf, wodurch der
Kraft-Peak in der Kennung zustande kommt. Dennoch verlaufen beide optimierten Kennungen des
Kindermodells näher am Antwortkorridor als die Kennung des Q3-Dummys [Kirscht, 2012].
Abbildung 62: Kraft-Weg-Kennungen, Abdominalaufprall frontal
3JAMM
Q3
3JAMM
Q3
minimale
Eindrückung
Initiallauf Ergebnis der Optimierung
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
95
Abbildung 63: Kraft-Weg Kennungen, Abdominalaufprall lateral
Sowohl im Frontal- als auch im lateralen Aufprall im Abdomenbereich erscheinen die Korridor-
werte für die Eindrückung zu hoch. Es ist denkbar, dass das für den Abdominalbereich gewählte
Ersatzmodell des Druckstabs eine zu starke Vereinfachung darstellt und die Skalierung zu falschen
Werten führt. Eine weitere mögliche Fehlerursache könnte die Messmethode bei der Durchführung
der PMHS-Tests sein. Die Messung der Eindrückung erfolgte optisch anhand einer Videoanalyse
durch Vergleich von zwei, an jeweils gegenüberliegenden Stellen des Abdomens liegenden
Messpunkten. Da sich der Körper der PMHS während des Aufpralls geringfügig verformt
(Krümmung des gesamten Körpers), können hier Messungenauigkeiten das Ergebnis verfälschen.
Der Einsatz von Seilzugpotentiometern könnte die Messgenauigkeit erhöhen, ist jedoch im Falle
eines PMHS nur sehr schwer einsetzbar. Eine weitere Möglichkeit wäre es, durch Messung der
Impaktor- und der Körperbeschleunigung und anschließende doppelte Integration die Trajektorien
der beiden Messpunkte zu bestimmen. Diese Methode würde am ehesten der im Simulationsmodell
durchgeführten Messung entsprechen.
3JAMM
Q3
Initiallauf Ergebnis der Optimierung
6. Validation
96
Abbildung 64: Abdominalaufprall frontal und lateral, Darstellung der maximalen Eindrückung
6.4 MATERIALEIGENSCHAFTEN
Die Ergebnisse der Optimierungsstudie und die Materialeigenschaften der einzelnen Körperteile
werden in diesem Kapitel zusammengefasst. Im Wesentlichen wurden zwei verschiedene
Materialdefinitionen für die Abbildung des Gewebes verwendet, die Definitionen „Viscoelastic“
und „Simplified Rubber / Foam“.
Viscoelastic: Ein viskoelastisches Material vereint sowohl elastische als auch viskose Eigen-
schaften. Da die Strukturen im menschlichen Körper aus einer komplexen Zellen- und Faser-
struktur mit unterschiedlichen Eigenschaften aufgebaut ist, kann man jedes beliebige Gewebe des
menschlichen Körpers als viskoelastisch betrachten.
Viskoelastizität wird durch folgende Merkmale charakterisiert [Zachow, 1998]:
- Relaxation: Wird ein Material ruckartig deformiert und wird die Deformation anschließend
aufrechterhalten, ist mit der Zeit ein Rückgang der Materialspannung zu beobachten.
- Kriechen: Befindet sich ein Material unter konstanter Spannung, so ist eine fortschreitende
Deformation zu beobachten.
- Hysterese: Bei kontinuierlicher Be- und Entlastung eines Materials ändert sich je nach
Phase das Elastizitätsmodul.
Das viskoelastische Verhalten wird im FEM-Solver LS-Dyna mittels folgender Konstanten
beschrieben:
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
97
ρ – Dichte
K – Kompressionsmodul98
G0 – Schubmodul (Kurzzeit)
G∞ – Schubmodul (Unendlich)
β – Dämpfungskonstante
Die Definition des Schubmoduls durch G0 und G∞ ist nötig, da der Schubmodul viskoser
Werkstoffe zeit- und belastungsabhängig ist. Der aktuelle Schubmodul wird mittels folgender
Gleichung berechnet:
( ) ( )
Das Materialgesetz ist gleichermaßen gültig für 1-D-, Schalen- und Volumenelemente.
Simplified Rubber / Foam: Ein Materialmodell für weiche, gummi- oder schaumartige Werkstoffe.
Das wesentliche Materialverhalten wird mittels einer Spannungs-Dehnungs-Kurve definiert.
Darüber hinaus sind folgende Konstanten für die Materialdefinition ausschlaggebend:
ρ – Dichte
KM – Lineares Kompressionsmodul
µ – Dämpfungskonstante
G – Schubmodul
pr/β – Querkontraktionszahl
Dieses Materialmodell ist gültig für Schalen- und Volumenelemente. Im Laufe der Stabilitäts-
untersuchungen mit dem 3JAMM hat es sich als das rechnerisch stabilste Modell für die Abbildung
der sehr weichen Abdomenbereiche herausgestellt.
98 Kompressionsmodul: Eine physikalische Größe, welche den Widerstand eines Volumenkörpers gegen eine
Komprimierung beschreibt. Er wird definiert als:
⁄
6. Validation
98
Tabelle 23: Finale Materialeigenschaften des 3JAMM
Organ Materialkarte Werte
K G0 G
kg/mm³ kN/mm² kN/mm² kN/mm²
Knorpel Viscoelastic 1.04 e-06 3.07 3.2 e-02 0 0.3
Fettgewebe Viscoelastic 1.1 e-06 5.98 e-04 6.55 e-05 1.22 e-05 0.635
Herz Viscoelastic 1.0 e-06 2.6 e-03 4.4 e-04 1.5 e-05 0.635
Zwischenrippen-
Muskeln Viscoelastic 1.1 e-06 2.5 e-01 3.5 e-02 3.5 e-03 0.635
Bandscheiben Viscoelastic 1.5 e-06 5.3 e-02 9.0 e-03 0 0.3
Nieren Viscoelastic 1.1 e-06 2.1 e-03 2.3 e-04 4.3 e-05 0.635
Leber Viscoelastic 1.1 e-06 2.3 e-03 1.84 e-04 3.44 e-05 0.635
Lunge Viscoelastic 6.0 e-07 4.4 e-05 4.0 e-06 1.5 e-06 0.635
Rippen Viscoelastic 2.0 e-06 4.0 1.833 0.75 0.3
Haut Viscoelastic 1.5 e-06 1.19 e-03 9.51 e-05 1.78 e-05
Milz Viscoelastic 1.1 e-06 2.1 e-03 2.3 e-04 4.3 e-05 0.635
Sternum Viscoelastic 1.5 e-06 2.0 3.39 e-01 0 0.3
Wirbelkörper Rigid99
2.75 e-06
KM G pr/
Oberer
Abdomenbereich
Simplified
Rubber / Foam 1.1 e-06 5.25 e-04 1.0 e-03 3.75 e-05 0.49
Unterer
Abdomenbereich
Simplified
Rubber / Foam 1.1 e-06 1.65 e-03 1.0 e-03 1.81 e-04 0.49
6.5 MESSUNG DER ABDOMINALBELASTUNGEN
Nachdem das Modell in der Validation der einzelnen Körperbereiche mit einfachen, voneinander
abgegrenzten Lastfällen verfeinert wurde, ist die Rekonstruktion eines realen Unfalls der
abschließende Teil des Validationsprozesses.
Mit diesem Schritt wäre die Einsatzfähigkeit des 3JAMM bewiesen und es könnten erste
Prognosen hinsichtlich der Verletzungskriterien aufgestellt, indem reale Verletzungen mit den
Ergebnissen der Simulation verglichen werden.
Da der Abdominalbereich im ersten Schritt der Validation deutlich bessere Übereinstimmung mit
den errechneten Zielkorridoren zeigte, wird der Schwerpunkt bei der Suche nach einem geeigneten
Rekonstruktionsfall auf die Verletzungen des Abdominalbereichs gelegt. Für die Rekonstruktion
99 rigid: undeformierbar
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
99
eines realen Unfalls ist neben der exakten Beschreibung des Unfallhergangs, der erlittenen
Verletzungen der Insassen und der Deformationen am Fahrzeug der Nachweis der Validität der
Rekonstruktion100
entscheidend.
Die CASPER/CHILD-Unfalldatenbank beinhaltet eine große Anzahl realer Unfälle mit Kindern als
Insassen. Die meisten dieser Unfälle wurden rekonstruiert. Es werden stetig neue Unfälle
aufgenommen und in einem Crash-Labor rekonstruiert. Über die Validität der Rekonstruktion
entscheidet eine Expertengruppe, bestehend aus einigen Forschungspartnern des CASPER- bzw.
CHILD-Projekts. Die im Crash-Labor eingesetzten Kinderdummys wurden wahlweise mit zwei
Abdominalsensortypen ausgestattet101
, den in Kapitel 2.5.2.1 bzw. 2.5.2.2 beschriebenen APTS-
und FMS-Sensoren. Bevor die Rekonstruktion mittels numerischer Simulation durchgeführt
werden kann, müssen die unterschiedlichen Messmethoden untereinander verglichen und Konzepte
zur Erzeugung gleicher Messwerte in der Simulation aufgestellt werden.
Die Funktionsweise der beiden Sensortypen ist grundsätzlich unterschiedlich. Der APTS-Sensor
misst den Druck im Inneren des Abdomens, der FMS die auf die Außenfläche des Abdomens
wirkende Kraft bzw. Flächenpressung. Nach dem in Kapitel 2.4 beschriebenen Prinzip wurden
erste Abschätzungen zur Korrelation der Messergebnisse beider Sensortypen und den
Verletzungsschweren erstellt (Tabelle 24 und Tabelle 25).
Tabelle 24 Erste Abschätzungen der AIS-Verletzungsschwere basierend auf Messungen des APTS-
Sensors [CASPER, 2012]
Max. innerer Druck 0 - 1.25 hPa > 1.4 hPa
AIS 0-2 3+
Die Werte in dieser Tabelle basieren auf Ergebnissen von 30 rekonstruierten Unfällen aus dem
CHILD- und CASPER-Forschungsprojekt. Für eine verlässliche, statistisch richtige Aussagekraft
müssen noch mehr Rekonstruktionen mit diesem Sensortyp durchgeführt werden.
100 Validität der Unfallrekonstruktion: Sie ist gegeben, wenn beide Fahrzeuge (im realen und rekonstruierten
Unfall) ein vergleichbares Deformationsniveau aufweisen, die Verletzungsschweren mit den in der
Konstruktion gemessenen Werten am Dummy korrelieren und (falls vorhanden) gleiche Schaltzeiten der
Rückhaltesysteme nachgewiesen werden können (Zündzeitpunkte der Airbags und Gurtstraffer).
101 Sensorausstattung: Je nach Verletzungsmuster und Sensorverfügbarkeit existieren auch Tests mit
gleichzeitig beiden oder gar keinen eingesetzten Sensortypen
6. Validation
100
Tabelle 25 Erste Abschätzungen der AIS-Verletzungsschwere basierend auf Messungen des FMS-
Sensors [CASPER, 2012]
Max. Oberflächendruck 0 - 0.17 N/mm² > 0.2 N/mm²
AIS 0-2 3+
Für diesen Sensortyp gilt ebenfalls die Aussage, dass die in der Tabelle angegebenen Werte auf
einer geringen Anzahl an Rekonstruktionsversuchen basieren. Hinzu kommt, dass aufgrund der
Komplexität des FMS-Systems innerhalb des CASPER-Projekts keine neuen Rekonstruktionen mit
diesem Sensorsystem mehr durchgeführt wurden.
6.6 VERGLEICH VON APTS- UND FMS-MESSERGEBNISSEN
Das bereits angesprochene Problem der bisher nur wenigen verfügbaren Messergebnisse mit den
Abdominalsensoren ließe sich umgehen, wenn sich die Ausgabe der Messungen zweier
verschiedener Sensortypen mittels Umrechnung vergleichen ließe. Somit würde sich die Anzahl der
zum Vergleich heranziehbaren Untersuchungen ungefähr verdoppeln. Bislang gibt es jedoch keine
Studien dazu. Daher wurde der Versuch unternommen, eine Korrelation zwischen den zwei
Sensortypen identifizieren.
Grundlage für die folgende Untersuchung bildet die CASPER/CHILD-Datenbank. Sie wurde nach
Unfällen mit folgenden Kriterien durchsucht:
drei, oder ungefähr drei Jahre altes Kind als Insasse
beide Sensortypen wurden gleichzeitig eingesetzt.
im realen Unfall waren Abdominalverletzungen vorhanden.
der Versuch wurde als valide eingestuft.
Nur zwei Fälle entsprachen den gesetzten Suchkriterien. Die Versuchsbeschreibungen sind in
Tabelle 26 zusammengefasst.
Tabelle 26: Zur Vergleichsbetrachtung geeignete Unfallrekonstruktionen [CASPER/CHILD-
Datenbank]
CCN Alter Rekonstruktion
durch: Sensor Daten Abdominalverletzungen
1081 3 TUB APTS & FMS AIS 5 / Pankreas102
-Bruch
1082 4 INRETS APTS & FMS AIS 3 / Beschädigung einiger innerer Organe
102 Pankreas: Bauchspeicheldrüse
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
101
Fall-Nr. CCN 1081: Das Fahrzeug kam auf einer Landstraße aus unbekannter Ursache von der
Fahrbahn ab. Das rechte Vorderrad geriet in einen parallel zur Straße verlaufenden Graben, so dass
ein Wiedereinscheren auf die Fahrbahn nicht möglich war. Das Fahrzeug prallte in Folge auf einen
Teil einer Straßenbarriere, welche am Ende des Grabens positioniert war. Die
Aufprallgeschwindigkeit wird auf 50 - 55 km/h geschätzt.
Das Kind saß hinter dem Fahrer und erlitt zahlreiche schwere Verletzungen innerer Organe,
verursacht durch das Eindringen des Beckengurts in den Abdominalbereich. Der Unfall wurde am
Fachgebiet Kraftfahrzeuge der TU Berlin rekonstruiert.
Abbildung 65 zeigt die von beiden Sensoren gemessenen Abdominalbelastungen im Rekonstruk-
tionsversuch. Beide Kurven haben eine unterschiedliche Skalierung der y-Achse, so dass nur die
Form der Belastungslinien verglichen werden kann.
Abbildung 65: Vergleich des APTS-(durchschnittlicher Druckverlauf) und FMS-Sensorsystems
(summierter Kraftverlauf, Unfallrekonstruktion CCN 1081)
Es kann festgestellt werden, dass die in dieser Unfallrekonstruktion von beiden Sensorsystemen
gemessenen Daten nicht vergleichbar sind. Die Kurven sind hinsichtlich des Zeitpunkts der
gemessenen Maximalwerte, des Verlaufs von Anstieg und Abfall sowie der gemessenen
Belastungsdauer nicht miteinander vergleichbar.
Fall-Nr. CCN 1082: Das Fahrzeug fuhr auf einer Landstraße und stieß mit einem
entgegenkommenden Fahrzeug zusammen, welches seine Fahrspur aus ungeklärten Gründen
verließ. Die beiden Fahrzeuge trafen frontal aufeinander. Die Annäherungsgeschwindigkeit beider
Fahrzeuge wird auf 110 km/h geschätzt.
APTS
MFS
6. Validation
102
Während der Fahrer und der Beifahrer bei diesem Aufprall nur leichte Verletzungen (MAIS 1)
erlitten, verstarb das vierjährige Kind an der Unfallstelle, einige Minuten nachdem die
Rettungskräfte eingetroffen waren. Es wies äußerlich keine schweren Verletzungen auf und war bei
Bewusstsein. Nach dem Unfall hatte es sich selbst abgeschnallt und das Fahrzeug verlassen. Durch
die starke Penetration des Abdominalbereichs durch den Fahrzeuggurt kam es jedoch zum Abriss
eines inneren Organs Die exakte Verletzungsbeschreibung ist nicht dokumentiert. Der Unfall
wurde von INRETS rekonstruiert.
Bei der Unfallrekonstruktion ist ein Sensor des APTS-Systems ausgefallen. Vergleicht man die
Ausgabe des intakten Sensors mit der mittleren gemessenen Kontaktkraft des FMS-Systems, so
weisen die Belastungskurven durchaus ähnliche Charakteristika auf. Allerdings stimmt das
Skalierungsverhältnis beider y-Achsen zueinander nicht mit den Ergebnissen aus dem Versuch
1081 überein (5750 im CCN 1081 und 12600 im CCN 1082).
Abbildung 66: Vergleich des APTS- und FMS-Sensorsystem, Unfallrekonstruktion CCN 1082, links:
fehlerhafte Messung des einen Kanals im APTS, rechts: APTS vs. FMS (FMS gemittelt)
Nach der ersten, nicht erfolgreichen Schätzung der Vergleichbarkeit beider Sensorsysteme wurde
die Auswahl geeigneter Fälle um die “nicht validen” Unfallrekonstruktionen erweitert. Die nicht
vorhandene Validität bezieht sich hierbei auf die gesamte Unfallrekonstruktion und schließt eine
korrekte Funktionsweise und somit Vergleichbarkeit der beiden Sensorsysteme nicht aus.
APTS
FMS
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
103
Tabelle 27: Vergleich aller verfügbaren CHILD-Rekonstruktionsfälle mit beiden Abdominal-Sensor-
systemen im Einsatz [Johannsen; 2006]
Test-
Nummer
Rekonstr
uktion
durch
AIS Pmax links Pmax
rechts Pmax
Pmax
durchschn.
Summiert
e Kraft
FMS CF60
Summierte
Kraft / Pmax
durchschn.
0352 TRL 2 0,98 1,38 1,38 1,18 200 169
0391 TUB 4 1,68 1,36 1,68 1,52 790 520
1006 PSA 5 0,44 0,58 0,58 0,51 444 871
1029 IDIADA 4 0,5 0,59 0,59 0,545 415 761
1029-S1 IDIADA 4 1 1 1 1 494 494
1029-S2 IDIADA 4 0,7 0,6 0,7 0,65 373 574
1043 BAST 0 1,04 0,99 1,04 1,015 1176 1159
1067 INRETS 0 0,25 0,2 0,25 0,225 197 876
1081 TUB 5 0,28 0,42 0,42 0,35 262 749
1082 INRETS 3 1,4 2,3 2,3 1,85 285 154
1102 FIAT 0 0,3 0,2 0,3 0,25 93 372
1144 IDIADA 0 0,6 0,7 0,7 0,65 829 1275
1149 BAST 1 0,31 0,155 46 297
1171 TRL 3 1,4 1,4 1,4 1,4 793 566
1207-1 BAST ? 0,7 0,5 0,7 0,6 33 55
1207-2 BAST 0 1,2 1 1,2 1,1 446 405
1207-3 BAST 0 0,4 0,5 0,5 0,45 4 9
1215 FIAT 2 0,4 1 1 0,7 148 211
1229 1 1,1 1,7 1,7 1,4 251 179
Es wurde versucht, das Verhältnis zwischen den Ausgaben beider Sensoren zu bilden um eine
Vergleichbarkeit darstellen zu können. Die letzte Spalte in Tabelle 27 zeigt den aus dem
Maximaldruck des APTS-Systems und der summierten maximalen Kraft des FMS-Systems
gebildeten Quotienten. Die meisten Quotienten befinden sich im Bereich zwischen 150 und 800. Es
konnte kein lineares, quadratisches oder logarithmisches Verhältnis zwischen den zwei
Sensortypen festgestellt werden.
Da die beiden Messsysteme offensichtlich nicht untereinander vergleichbar sind, wurde im
nächsten Schritt der Versuch unternommen, die unterschiedlichen Messprinzipien in einer
Simulationsumgebung nachzubilden und miteinander zu vergleichen.
6.6.1 MESSUNG DER ABDOMINALBELASTUNGEN IN EINER SIMULATION
Was das FMS-System betrifft, so ist die Vergleichbarkeit von Hardware- zu Software-Modell von
vornherein gegeben. Das FMS-System misst Kontaktkräfte auf der Oberfläche des Abdomens in
6. Validation
104
Richtung des Normalvektors103
. Die Ausgabe der Kontaktkräfte kann in jedem beliebigen FEM-
Berechnungsprogramm definiert werden. Die in Kontakt stehenden Oberflächen können
entsprechend dem Hardware-Original definiert werden.
Im Rahmen des CAPER-Projekts durchgeführte Fallturmversuche mit dem FMS-Sensor und die
anschließenden Simulationen bestätigen eine gute Korrelation zwischen Hardware- und Software-
Modellen.
Eine exakte Abbildung des APTS-Systems als FEM-Modell ist für den Einsatz in einem
Menschmodell nicht praktikabel. Das System beansprucht viel Platz, welcher in einem mit inneren
Organen modellierten Abdomen nicht vorhanden ist. Eine Skalierung des APTS-Systems ist
ebenfalls nicht möglich. Die Deformationen der Druckbehälter und die Wechselwirkungen
zwischen den Behälterhüllen und der viskosen Flüssigkeit würden in einem skalierten System
unterschiedlich sein. Stattdessen gilt es eine Methode zu finden, die zu den Messergebnissen des
APTS-Systems vergleichbare Messergebnisse innerhalb einer Simulationsumgebung und basierend
auf derselben physikalischen Größe, dem Druck, liefert.
Die nachfolgenden Untersuchungen wurden in einer reinen Simulationsumgebung durchgeführt.
Das Simulationsmodell des Q3-Abdomeneinsatzes wurde mit einem zylindrischen Impaktor
beaufschlagt. Um mehrere Aufprallschweren zu untersuchen, wurde die Aufprallgeschwindigkeit
in drei Stufen (3, 6 und 9 m/s) variiert. Der Abdominalblock wurde auf der dem Aufprall
abgewandten Seite fixiert, die Impaktorbewegung in nur eine Richtung beschränkt.
In dem in Abbildung 67 dargestellten Schnitt ist der innere Druck in den jeweiligen Elementen
visualisiert. Die physikalische Größe Druck in einem Volumenelement gehört ebenfalls zu den
Standardausgabegrößen des FE-Berechnungsprogramms. Der dargestellte Druckverlauf macht auf
die Ursache der fehlenden Korrelation zwischen der Sensierung der äußeren Kontaktkräfte und der
Messung des inneren Drucks aufmerksam. Die grün eingefärbten Elemente haben einen inneren
Druck von ungefähr 0, die warmen Farbtöne einen positiven Druck und die kalten Farbtöne einen
negativen inneren Druck104
. Das für den Abdominalblock verwendete Materialgesetz entspricht
einem kompressiblen und isotropen105
Material. Das menschliche Gewebe ist größtenteils
anisotrop. Bei dem gewählten Abstraktionsgrad und unter Berücksichtigung des Einsatzzwecks ist
die Verwendung von nur isotropen Materialgesetzen ausreichend.
103 Normalvektor: Ein Vektor, der senkrecht auf einer Oberfläche steht.
104 Negativer innerer Druck: In diesem Kontext ein Unterdruck, entstanden durch das dynamische
Kompressionsverhalten des Materials unmittelbar nach der Kompressionsschicht
105 Isotropie: Richtungsunabhängigkeit einer Eigenschaft
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
105
Abbildung 67: Schnitt durch den Q3-Abdominalblock (Aufprall mit 6 m/s, Druckverlauf)
Der Druckverlauf an den Stellen, die sich unmittelbar in Kontakt mit dem Impaktor befinden, ist
positiv. Auf die positive Druckwelle folgt durch Kompression und Volumenveränderung ein
Expansionsbereich mit negativem Druckverlauf. Der durchschnittliche Druckverlauf aus allen
Elementen des zu untersuchenden Körpers würde so exakt dem Quotienten aus Kontaktkraft und
Kontaktfläche, also dem FMS-Messprinzip, entsprechen. Die Auswertung von Druckverläufen aller
Elemente stellt einen nicht unerheblichen Mehraufwand bei der Auswertung solcher Aufprallarten
dar. Auch wenn die Auswertung durch Entwicklung spezieller Skripte automatisiert werden
könnte, ist dieser Ansatz in einer produktiven Umgebung nicht praktikabel.
Das APTS-System ist nicht in der Lage, lokal negativen Druck zu messen, da es an den
Außenflächen nicht mit der Umgebung fest verbunden ist. Bei starken Deformationen entsteht ein
Leerraum zwischen Sensoraußenwand und Umgebung.
Es wurden mehrere Ansätze zur Vereinfachung der Druckmessung unternommen. Um die lokalen
Einflüsse der Kompressions- und Expansionswelle im Inneren des Abdominalblocks zu
minimieren, wurde eine hohe Anzahl von Messpunkten gewählt (100 Stück). Diese Punkte wurden
mittels Zufallsverfahren ausgesucht. Anschließend wurden die 100 Druckverläufe so modifiziert,
dass die negativen Kurvenbereiche gleich null gesetzt wurden und damit nur der positive Druck
analysiert werden konnte.
negativer Druck
6. Validation
106
Abbildung 68: Vergleich Druck- und Kontaktkraft-Messmethode (Q3-Abdominalblock,
Aufprallgeschwindigkeit: 6 m/s)
Mit diesem Ansatz gelang es, eine halbwegs gute Korrelation zwischen den zwei Messmethoden
herzustellen. Diese gute Korrelation konnte jedoch nicht in Simulationen mit anderen
Aufprallgeschwindigkeiten reproduziert werden.
Abschließend lässt sich feststellen, dass keine praktikable Vergleichsmethode für druck- und
kontaktkraftbasierende Messergebnisse gefunden werden konnte. Somit besteht keine direkte
Vergleichsmöglichkeit der Abdominalbelastungen von Hardware-Dummy-Versuchen und
Simulationen mit einem Menschmodell. Für eine Abschätzung der Unfallschwere und der
Verletzungswahrscheinlichkeiten muss daher auf die Kontaktkraftmethode zurückgegriffen
werden. Ein Vergleich von Dummy- und Menschmodell-Messwerten ist damit in einer
Simulationsumgebung ohne zusätzlichen Auswertungsaufwand möglich.
6.7 DURCHFÜHRUNG EINER UNFALLREKONSTRUKTION
In der Durchführung einer Unfallrekonstruktion soll die Tauglichkeit des numerischen Modells für
eben diesen Einsatz geprüft werden. Es sollen eventuelle Schwachstellen des Modells aufgedeckt
und analysiert werden.
Für die Durchführung einer Unfallrekonstruktion wurde der Unfall mit der Nummer CCN1081
ausgewählt (siehe Kapitel 6.6). Das Kind war mittels einer Sitzerhöhung und des fahrzeugseitigen
Drei-Punkt-Gurtes gesichert. Es wurde vermutet dass die Sitzhaltung des Kindes zum Zeitpunkt
Kontaktkraft / Kontaktfläche
Durchschnittlicher positiver Druck
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
107
des Unfalls nicht ganz aufrecht war, so dass zwischen Becken und Rückenlehne ein großer Abstand
entstand, bzw. der Winkel der Wirbelsäule in der vertikalen Ebene nicht dem der Rückenlehne
entsprach. Insgesamt wurde dieser Lastfall in vier Rekonstruktionsversuchen an der TU Berlin
nachgestellt. Es wurden ein Versuch mit einem kompletten Fahrzeug und drei Schlittenversuche106
durchgeführt. In den Schlittenversuchen wurde die Sitzhaltung des Dummys variiert.
Für diesen Schritt wurde das numerische Menschmodell in einer „Einsitzsimulation“ angepasst,
indem es vorpositioniert und mit einer konstanten Beschleunigung in z-Richtung beaufschlagt
wurde. Zur Beschleunigung der Einsitzprozedur betrug die z-Beschleunigung der doppelten
Erdbeschleunigung, die Rechendauer betrug 200ms.
Abbildung 69 Positionierung des 3JAMM für die Unfallrekonstruktion, li.: undeformiert, re.:
deformierter Zustand.
Die Beschleunigungskurve in x-Richtung wurde aus den Messergebnissen der Unfallrekonstruktion
entnommen. Ähnlich wie bei den Schlittenversuchen wurde das Simulationsmodell nur in x-
Richtung beaufschlagt, es wird also davon ausgegangen dass die Rotation des Fahrzeugs während
des Unfalls keine entscheidende Rolle auf die Insassenkinematik ausübt und die Belastung in x-
Richtung überwiegend ist.
106 Schlittenversuch: Im Vergleich zu einer vollständigen Unfallrekonstruktion besteht die Testumgebung in
einem Schlittenversuch aus einer befestigten, undeformierbaren Karosserie. Die Karosserie ist auf einem in
x-Richtung geführtem Schlitten montiert, welcher mit einem definierten Verzögerungspuls abgebremst wird.
In einem Schlittenversuch können nur Beschleunigungen in eine Richtung abgebildet werden.
6. Validation
108
Die Simulation brach nach 62ms mit einer Fehlermeldung ab, kurz nachdem die maximale
Fahrzeugbeschleunigung erreicht wurde. Die Abbruchursache war ein berechnetes negatives
Volumen eines Elements der inneren Organe. Eine detaillierte Auswertung der Messwerte ist daher
weniger aussagekräftig. Nachfolgend soll nun die Performance des Modells kritisch betrachtet
werden.
Abbildung 70 Vergleich der Dummy- / Menschmodellkinematik bei 62ms
Wie auf Abbildung 70 zu erkennen ist, schneidet der Schultergurt den Hals des Dummys während
der Vorwärtsbewegung sehr stark ein. Derselbe Effekt ist auch in der Simulation mit dem 3JAMM
zu beobachten. Die Tatsache, dass das numerische Menschmodell keinen ausmodellierten
Halsbereich besitzt, führt zu einer unnatürlichen Verlagerung des Schultergurts und zur Gefahr des
„Durchrutschens“ des Oberkörpers unter dem Gurt. Das Durchrutschen des Gurtes konnte jedoch
nicht festgestellt werden, auch wenn die zum Vergleich mit den Versuchsvideos notwendige
eingestellte Perspektive einen anderen Eindruck vermitteln könnte. In einer Simulation mit einem
Vier- oder Fünfpunktgurt wäre dieser negative Effekt nicht so stark ausgeprägt. Für die Fähigkeit,
aussagekräftige Prognosen mittels des numerischen Menschmodells in einer Unfallrekonstruktion
erstellen zu können ist ein mit Volumenelementen modellierter Halsbereich jedoch zwingend
erforderlich.
In der nachfolgenden Abbildung ist ein Schnitt in der Sagittalebene zum Zeitpunkt des
Simulationsabbruchs dargestellt (Teile des Menschmodells und der Rückhaltesysteme
ausgeblendet).
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
109
Abbildung 71 Sagittalschnitt durch das Menschmodell zum Zeitpunkt 62ms, Rekonstruktion von
CCN1081
Bei näherer Betrachtung kann man feststellen, dass die Bandscheibe zwischen dem L4 und dem L5
Wirbel (letzter und vorletzter Wirbel) unnatürlich stark deformiert ist. Dieser Effekt beruht auf der
Tatsache dass die Beckenknochen und der L5 Wirbel im Modell fest miteinander verbunden sind.
Da gleichzeitig die Ersatzmassen für die Beine am Beckenknochen befestigt sind, fehlt die
Elastizität in diesem Bereich. Für die Deformation der Wirbelsäule, bzw. die Wechselwirkungen
zwischen dem L4 und L5 Wirbel bedeutet es dass die auf das Becken wirkende Kraft mit einem
Hebelarm in die Wirbelsäule eingeleitet wird. Durch gezielte Anpassung der Steifigkeit in diesem
Bereich, oder durch die Abbildung der fehlenden Elastizitäten (Modellierung der abstrahierten
Extremitäten) kann dem entgegengewirkt werden.
Ein ähnliches fehlerhaftes Deformationsverhalten ist am Übergang Th1 Wirbel zu Kopfersatzmasse
zu beobachten, wenngleich dieser Effekt nicht so stark ausgeprägt ist.
Es hatte sich herausgestellt dass die eigentliche Ursache für das Versagen einiger Elemente und des
Simulationsabbruchs das Materialmodell der Lunge ist. In dem numerischen Menschmodell ist die
Lunge das Organ mit der geringsten Dichte. Das gewählte Materialmodell ist offensichtlich bei
6. Validation
110
sehr starker Deformation numerisch nicht stabil, auch wenn während der Validationsversuche
dieses Verhalten nicht beobachtet werden konnte. Die Ls-Dyna Materialdatenbank bietet zahlreiche
Optionen zur Abbildung sehr weicher Materialen, deren mathematische Beschreibung
unterscheidet sich jedoch grundsätzlich von dem gewählten Materialgesetz „Viscoelastic“. Die
Materialkonstanten müssten also umgerechnet, oder anhand von Ersatzmodellen mittels
zusätzlichen Simulationen experimentell bestimmt werden.
Zusammenfassend lässt sich eine nur bedingte Tauglichkeit des Menschmodells für eine
Rekonstruktion eines realen Unfalls feststellen. Die Anzahl der verbesserungswürdigen Punkte ist
jedoch überschaubar, der Aufwand zur Beseitigung dieser Fehler anhand der gemachten
Verbesserungsvorschläge ist als gering einzustufen. Aufgrund der zum Zeitpunkt der Fertigstellung
dieser Arbeit nur beschränkt vorhandener Zugangsmöglichkeit zum Rechencluster der TU-Berlin
wurde jedoch entschieden auf eine weitere Iterationsschleife zu verzichten und den
Modellierungsprozess abzuschließen.
Die Validation erfolgte anhand von PMHS Versuchen. Die in den Versuchen verwendeten
Lastfälle sind aus der Sicht des Einsatzzwecks des Menschmodells abstrakt, eine Erweiterung
dieser Lastfälle für den Validationsprozess ist wünschenswert. Insbesondere sind Ergebnisse aus
experimentellen Tests mit Gurtbandbelastungen für die Validation erwünscht, die Verfügbarkeit
solcher Ergebnisse ist leider noch nicht ausreichend.
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
111
7 ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
Die vorliegende Arbeit beschreibt den Prozess der Entwicklung eines numerischen
Menschmodells. Die Motivation für die Arbeit lag darin begründet, ein Werkzeug zu entwickeln,
mit dem es möglich ist, komplexe Untersuchungen auf dem Gebiet der Biomechanik machen zu
können. Die Einsatzumgebung für das entwickelte Modell sind Fahrzeugunfallszenarien mit
Kindern als Insassen.
Das Modell wurde von Grund auf neu entwickelt. Es entspricht einem 50-Perzentil eines drei Jahre
alten Kindes und basiert auf realen Geometriedaten. Die für die Biofidelität des
Simulationsmodells entscheidende Definition der Materialparameter wurde durch das
Zusammentragen und Auswerten von Daten aus vorangegangenen Studien auf diesem Gebiet
bestimmt. In einem Validationsprozess wurden die Materialparameter geringfügig korrigiert, so
dass die Kinematik des Menschmodells in verschiedenen Lastfällen den Zielkorridoren entspricht.
Die Zielkorridore basieren auf Ergebnissen von Versuchen mit erwachsenen PMHS. Nach einer
Auswahl geeigneter Versuche wurden sie für die einem dreijährigen Kind entsprechenden
Größenordnungen skaliert. Die Skalierfaktoren wurden basierend auf Geometriedaten der Kinder
und Erwachsenen ermittelt.
Die Ergebnisse der Validationssimulationen zeigten eine gute Übereinstimmung mit den
Zielkorridoren für den Abdominalbereich. Lastfälle mit Thoraxaufprallarten korrelierten nur mäßig
gut mit den gesetzten Zielkorridoren. Der direkte Vergleich mit einem Q3-Dummy zeigte deutliche
Unterschiede in den Steifigkeiten beider Modelle.
In einer abschließenden Rekonstruktionssimulation wurden die Tauglichkeit zur Unfall-
rekonstruktion und der Entwicklungsstand des Modells kritisch betrachtet. Eine erfolgreiche
vollständige Rekonstruktionssimulation konnte aufgrund von numerischen Instabilitäten nicht
durchgeführt werden. Es wurden Verbesserungspotenziale aufgedeckt und Lösungsmöglichkeiten
diskutiert.
Die wichtigsten Punkte bei einer weiterführenden Entwicklung des numerischen Menschmodells
für ein drei Jahre altes Kind sind die Modellierung der abstrahierten Körperbereiche und die
Erweiterung der Validation um weitere Lastfälle. Des Weiteren sollten mehrere Geschwindigkeits-
stufen in die Validation einfließen.
7. Zusammenfassung und Ausblick
112
7.1 AUSBLICK
Die numerische Simulation und das „virtuelle Testen“ spielen heutzutage bei nahezu jeder
technischen Entwicklung eine sehr große Rolle. Der Einsatz von virtuellen Modellen führt sowohl
zu schnelleren Entwicklungszeiten als auch zu einem immer komplexeren Verständnis für
zahlreiche Fragestellungen. Auf dem Gebiet der Insassensicherheit sind Menschmodelle
unverzichtbar geworden.
Numerische Menschmodelle helfen den Entwicklern, durch besseres Verständnis der Materie und
die Fähigkeit komplexere Analysen in einer höheren Anzahl von Lastfällen durchführen zu können,
die Qualität der Schutzsysteme für Insassen jedes Alters fortwährend zu verbessern. Die
Verbesserung kann durch unterschiedliche Weisen erreicht werden. Mit Verbesserung der
Verletzungsprognosequalität können die Verletzungswahrscheinlichkeiten und somit auch
Schutzkriterien exakter bestimmt werden. Mit Optimierung von Crashtest-Dummys mittels
gewonnenen Erfahrungen auf dem Gebiet der Biomechanik können die Schutzsysteme besser auf
die Insassen in verschiedenen Crashszenarien angepasst werden.
Die numerischen Menschmodelle an sich werden in Zukunft immer weiter verfeinert. Sowohl aus
der Sicht der Netzqualität als auch von der Abbildungsgüte werden die Modelle immer komplexere
Stände annehmen. Dieser Trend ist Anhand der aktuellen Veröffentlichungen auf diesem Gebiet
eindeutig zu erkennen. Die steigende Komplexität erfordert immer mehr Rechenleistung, welche
allerdings in Zeiten von Cloud-Computing eine untergeordnete Rolle einnimmt. In Zukunft wird
die Bandbreite der Datenverbindungen und nicht die Rechenleistung der beschränkende Faktor
sein.
Mit der höheren Qualität der Menschmodelle müssen die Verletzungswahrscheinlichkeiten nicht
mehr abgeschätzt werden, sie könnten direkt ermittelt werden. Voraussetzung dafür ist ein
fundiertes Wissen der Materialeigenschaften des menschlichen Gewebes. Mit den weitaus stärker
entwickelten numerischen Menschmodellen für Erwachsene können bereits jetzt Schäden wie
Knochenbrüche, Sehnen- oder Knorpelversagen relativ zuverlässig abgebildet werden.
Alle diese Entwicklungen führen zu einer Erhöhung der Insassensicherheit und Reduktion der
Anzahl der Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr. Es bleibt nur die Frage offen welches
Ziel zuerst erreicht wird, das ultimativ sichere Rückhaltesystem für alle Insassen, oder das
intelligente Fahrzeug welches Unfälle komplett vermeidet.
113
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121
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 01: Verteilung der Anzahl der getöteten Kinder [Kirk, 2011] ......................................... 3
Abbildung 02: Verlauf der Anzahl der getöteten Kinder von 1999 bis 2008 [Kirk, 2011]................ 3
Abbildung 03: Anatomie eines Neugeborenen (links) und eines Erwachsenen (rechts) Menschen
[Franklyn et al., 2007]................................................................................................ 4
Abbildung 04: Vergleich der Einbauqualität mit älteren Feldstudien [Müller, 2013] ....................... 5
Abbildung 05: Sierra Sam Dummy [NSA; 2011] .............................................................................. 7
Abbildung 06: Die Q-Dummy-Familie, bestehend aus: Q1.5, Q3, Q0, Q6 und Q1 [EEVC; 2008] .. 8
Abbildung 07: Q-Dummy-Standardinstrumentierung, Q1.5 (kann je nach Modell variieren) [EEVC,
2008] .......................................................................................................................... 9
Abbildung 08: Q3-Referenztest, Validation der Halswirbelsäule, Halsmoment über Biegewinkel
[EEVC, 2008] .......................................................................................................... 10
Abbildung 09: Q3-Referenztest, Validation des Brustbereichs, Kraft über Brusteindrückung
[EEVC, 2008] .......................................................................................................... 11
Abbildung 10: Ergebnisse aus Leichenversuchen, Frontalaufprall Thorax, Kraft über Weg [Kroell
et al., 1971] .............................................................................................................. 12
Abbildung 11: Q3-Referenztest, Validation des Bauchbereichs, Kraft über Baucheindrückung
[EEVC, 2008] .......................................................................................................... 13
Abbildung 12: THUMS-Menschmodell, Insassen- und Fußgängerversion, Darstellung der inneren
Organe [Dynamore, 2012] ....................................................................................... 14
Abbildung 13 Verletzungsrisikokurven, Prozentuales Risiko über HIC Wert [Hayes, 2007] ......... 20
Abbildung 14 Errechnete AIS Verteilung für Abdominalbelastungen als Funktion des
Abdominaldrucks, Rekonstruktionen mit einem Q3 (blau) und Q6 (orange) Dummy,
Q6 Werte skaliert [Johannsen, 2012] ....................................................................... 22
Abbildung 15 Grundstruktur eines Q6 Dummys mit einem auf Frontalaufprall ausgerichteten IR-
TRACC Sensor [Waagmeester, 2006] ..................................................................... 24
Abbildung 16: RibEye System, li.: LED’s (A), zwei optische Sensoren (B), Interfaceeinheit (C &
E), Dummy Spinebox (D); re.: System im Einsatz am Brustkorb des HIII Dummys
[Yoganandan et al., 2009] ........................................................................................ 25
Abbildung 17: APTS-Sensor und dessen Positionierung im Abdominalblock [Beillas, 2012] ....... 26
Abbildung 18: Flexiforce A102 Sensor [Johannsen, 2006] ............................................................. 28
Abbildung 19: Konzeption der Sensormatrix (oben) und das fertiggestellte Sensorsystem (unten)
[Johannsen, 2006] .................................................................................................... 29
8. Quellenverzeichnis
122
Abbildung 20: Kundenspezifische Sensorkonfigurationen des Herstellers TekScan; von li. oben
nach re. unten: Sensor mit einer großen Messfläche, beliebig kombinierbare
Einzelsensoren in einem Gehäuse, Sensormatrix und Auszug aus den
Messergebnissen der Sensormatrix [Tekscan, 2010] ............................................... 31
Abbildung 21: Elastisches Biegemodul von Knochengewebe (GPa) in Abhängigkeit vom Alter (Y),
schwarze Linie - Interpolation [Mertz et al., 1997] ................................................. 36
Abbildung 22: Kraft-Weg-Kennung der Thoraxsteifigkeit eines Kindes [Maltese et al., 2008] ..... 46
Abbildung 23 Verschiedene Beanspruchungskonfigurationen der Versuche von Kent. Von links
nach rechts: Schultergurt, verteilte Last, unteres Abdomen, oberes Abdomen und
HLW [Kent, 2009] ................................................................................................... 48
Abbildung 24: Skalierung eines einfachen geometrischen Objekts ................................................. 49
Abbildung 25: Skalierung mehrerer einzelner Objekte ohne die Anpassung der Schwerpunktlage 50
Abbildung 26: Konflikte an den Schnittstellen zwischen zwei Objekten ........................................ 50
Abbildung 27: Beispiel einer Kriging-Interpolation; schwarz: gegebene Änderungsvariablen,
farbiges Netz: resultierende Abweichungen [Lophaven et al., 2002] ...................... 51
Abbildung 28: TNO-Skalierung eines Erwachsenenmodells auf Kinderniveau [Rodarius et al.,
2007] ........................................................................................................................ 54
Abbildung 29: Vergleich des skalierten Menschmodells mit dem HIII-Kinderdummy [Mizuno et
al., 2007] .................................................................................................................. 55
Abbildung 30: Darstellung der Validationsversuche des skalierten Menschmodells für den Frontal-
und Seitenaufprall [Koizumi et al., 2008] ................................................................ 55
Abbildung 31: Separation der einzelnen Organe (hier: Leber) und eine Gesamtdarstellung des
PMHCS [CASPER, 2010] ....................................................................................... 60
Abbildung 32: Unterschiede zwischen der sitzenden (dunkel) und liegenden (hell) Position [Beillas
et al., 2009] .............................................................................................................. 61
Abbildung 33: Die untersuchten Kindersitzmodelle. Links: Sitz X, rechts: Sitz Y [Andersson et al.,
2010] ........................................................................................................................ 63
Abbildung 34: Zwischenstadium der Geometrieaufbereitung .......................................................... 67
Abbildung 35: Einzelne Schritte von der Punktewolke bis zur Erzeugung eines FE-Netzes........... 67
Abbildung 36 Modellierung der Skelettstrukturen ........................................................................... 68
Abbildung 37: Modellierung eines Wirbelkörpers ........................................................................... 69
Abbildung 38: FE-Netzoptimierung Rippenkäfig ............................................................................ 70
Abbildung 39: Darstellung eines Wirbelkörpers eines Erwachsenen aus der Literatur [Gray, 1918]
und vom Menschmodell mit definierten Anbindungspunkten (rot) ........................ 71
Entwicklung eines numerischen Menschmodells für ein drei Jahre altes Kind
123
Abbildung 40: Darstellung der Wirbelsäule, Implementierung der Anbindung der Rippen (schwarz
umrandet) an die Wirbelkörper ................................................................................ 71
Abbildung 41: Numerisches Menschmodell eines dreijährigen Kinds, Schnitte durch verschiedene
Sagittalebenen .......................................................................................................... 73
Abbildung 42: Lunge [li. InnerBody 2013, re. eigene Darstellung] ................................................ 74
Abbildung 43: Herz [li. InnerBody 2013, re. eigene Darstellung] ................................................... 75
Abbildung 44: Leber [li. InnerBody 2013, re. eigene Darstellung] ................................................. 76
Abbildung 45: Niere [li. InnerBody 2013, re. eigene Darstellung] .................................................. 77
Abbildung 46: Milz [li. InnerBody 2013, re. eigene Darstellung] ................................................... 78
Abbildung 47: Verdauungstrakt [li. InnerBody 2013, re. eigene Darstellung] ................................ 78
Abbildung 48: Kombiniertes inneres Gewebe ................................................................................. 79
Abbildung 49: Anpassung des Menschmodells an eine sitzende Position (Zwischenschritt:
Einstellung der Biegung der Brustwirbelsäule, li.: Ausgangszustand, re.: Ergebnis
der Simulation) ........................................................................................................ 81
Abbildung 50: Anpassung des Menschmodells an eine sitzende Position (Zwischenschritt:
Absenkung der Schulterblätter und des Oberarmwinkels) ...................................... 81
Abbildung 51: Biegebalken und Druckstabmodell zur Bildung der Skalierfaktoren [Kirscht, 2012]
................................................................................................................................. 84
Abbildung 52: Kraft-Weg-Kennungen aus PMHS-Tests von Kroell [Kroell et al., 1971], rot
markiert: die für die Validation herangezogenen Versuchskurven. ......................... 87
Abbildung 53: Kraft -Weg-Kennungen. Frontalaufprall, Abdomen [Cavanaugh et al., 1986] ........ 88
Abbildung 54: Kraft –Weg - Kennungen. Seitenaufprall, Abdomen [Viano et al., 1989] ............... 89
Abbildung 55: Thorax Tests, Frontal- und Seitenaufprallkonfiguration. Vergleich Mensch- und Q3-
Dummymodell ......................................................................................................... 89
Abbildung 56: Abdomen Tests, Frontal- und Seitenaufprallkonfiguration (Dummy Jacke und
Außengewebe des 3JAMM teilweise ausgeblendet) ............................................... 90
Abbildung 57 Beispielhafte DOE-Analyse, Darstellung von Korrelationswerten zwischen
Systemantworten und festgelegten Parametern [Kirscht, 2012] ............................. 91
Abbildung 58: Thoraxaufprall frontal, Kraft-Weg Kennungen ....................................................... 92
Abbildung 59: Testergebnisse des Q3-Dummys in einem Frontalaufprall, Auszug aus den
Validationstests [EEVC, 2008] ................................................................................ 93
Abbildung 60: Thoraxaufprall frontal und lateral, Darstellung der maximalen Eindrückung ......... 93
Abbildung 61: Thoraxaufprall lateral, Kraft-Weg-Kennungen ........................................................ 94
Abbildung 62: Kraft-Weg-Kennungen, Abdominalaufprall frontal ................................................. 94
8. Quellenverzeichnis
124
Abbildung 63: Kraft-Weg Kennungen, Abdominalaufprall lateral .................................................. 95
Abbildung 64: Abdominalaufprall frontal und lateral, Darstellung der maximalen Eindrückung ... 96
Abbildung 65: Vergleich des APTS-(durchschnittlicher Druckverlauf) und FMS-Sensorsystems
(summierter Kraftverlauf, Unfallrekonstruktion CCN 1081) ................................ 101
Abbildung 66: Vergleich des APTS- und FMS-Sensorsystem, Unfallrekonstruktion CCN 1082,
links: fehlerhafte Messung des einen Kanals im APTS, rechts: APTS vs. FMS (FMS
gemittelt) ................................................................................................................ 102
Abbildung 67: Schnitt durch den Q3-Abdominalblock (Aufprall mit 6 m/s, Druckverlauf) ......... 105
Abbildung 68: Vergleich Druck- und Kontaktkraft-Messmethode (Q3-Abdominalblock,
Aufprallgeschwindigkeit: 6 m/s) ............................................................................ 106
Abbildung 69 Positionierung des 3JAMM für die Unfallrekonstruktion, li.: undeformiert, re.:
deformierter Zustand. ............................................................................................. 107
Abbildung 70 Vergleich der Dummy- / Menschmodellkinematik bei 62ms ................................. 108
Abbildung 71 Sagittalschnitt durch das Menschmodell zum Zeitpunkt 62ms, Rekonstruktion von
CCN1081 ............................................................................................................... 109
125
Tabellenverzeichnis
Tabelle 01: Unterschiede zwischen Erwachsenen- und Kinderkörpern [Ciglaric, 2007] ................ 15
Tabelle 02: Erwartete Verletzungsmuster ........................................................................................ 17
Tabelle 03: Besonders gefährdete Körperregionen; Frontalaufprall [CASPER, 2009] ................... 18
Tabelle 04: Besonders gefährdete Körperregionen; Seitenaufprall [CASPER, 2009] ..................... 18
Tabelle 05: AIS-Verletzungsschweregrade [AAAM, 1998, Johannsen, 2006] ............................... 19
Tabelle 06 Vorgeschlagene Grenzwerte für einen Q3 Dummy [EEVC, 2008] ............................... 21
Tabelle 07: Verbesserungsmöglichkeiten für den FMS-Sensor ....................................................... 30
Tabelle 08: Übersicht FE-Menschmodelle für den Thoraxbereich [Yang K. et al., 2006] .............. 40
Tabelle 09 Materialeigenschaften der vorgestellten FE-Thorax-Modelle [Yang K. et al., 2006] .... 42
Tabelle 10: Übersicht FE-Menschmodelle für den Abdominalbereich [Yang K. et al., 2006] ........ 43
Tabelle 11: Materialeigenschaften der vorgestellten FE Abdomen Modelle [Yang K. et al., 2006] 44
Tabelle 12: Zusammenfassung der bisher durchgeführten Tests an PMHCS [Kent, 2009]............. 47
Tabelle 13: Skalierfaktoren für verschiedene physikalische Größen [Eppinger, 1999] ................... 52
Tabelle 14: Skalierfaktoren für die Entwicklung von HIII-Kinderdummys [Mertz et al., 1997] .... 53
Tabelle 15: Anthropometrische Datenbasis (Auszug) [Serre, 2010 und Greil, 1986] .................... 58
Tabelle 16: Vergleich der Abmessungen mit einem statistischen Durchschnitt und einem Q3-
Dummy .................................................................................................................... 59
Tabelle 17: Stellung der Wirbelsäule und ihre Bedeutung für die Unfallkinematik ........................ 62
Tabelle 18: Ersatzmassen des numerischen Menschmodells ........................................................... 80
Tabelle 19: Skaliergrößen für den Thorax des 3JAMM ................................................................... 85
Tabelle 20: Skaliergrößen für das Abdomen des 3JAMM ............................................................... 85
Tabelle 21: Skalierte Lastfälle für den Thorax des 3JAMM ............................................................ 86
Tabelle 22: Skalierte Lastfälle für das Abdomen des 3JAMM ........................................................ 86
Tabelle 23: Finale Materialeigenschaften des 3JAMM .................................................................. 98
Tabelle 24 Erste Abschätzungen der AIS-Verletzungsschwere basierend auf Messungen des APTS-
Sensors [CASPER, 2012] ........................................................................................ 99
Tabelle 25 Erste Abschätzungen der AIS-Verletzungsschwere basierend auf Messungen des FMS-
Sensors [CASPER, 2012] ...................................................................................... 100
Tabelle 26: Zur Vergleichsbetrachtung geeignete Unfallrekonstruktionen [CASPER/CHILD-
Datenbank] ............................................................................................................. 100
8. Quellenverzeichnis
126
Tabelle 27: Vergleich aller verfügbaren CHILD-Rekonstruktionsfälle mit beiden Abdominal-
Sensorsystemen im Einsatz [Johannsen; 2006] ..................................................... 103