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4 H. Hoff: Wenn nun ein Patient mit progressiver Paralyse in eine solehe Zelle kam und zuf~illig von dieser Krankheit befallen wurde, dann bemerkte man, dab er naehher eine tlemission hatte, die wesentlieh anders und viel besser war, als jene Spontanremissionen, die wit so Niufig beobaehten konnten. Oft wird Wagner-lauregg mit der Malariatherapie der progressiven Paralyse in Zu- sammenhang gebraeht. Da die progressive Paralyse im Aussterben begriffen ist, seheint in versehiedenen L~indem die Gestalt unseres groBen Lehrers zu verblassen und doeh mfiBte man sagen, dab man Wagner-lauregg nieht gentigend gereeht wiirde, wenn man nur diese Therapie als sein groBes Werk bezeiehnet. Bedenken Sie doeh, in weleher Zeit Wagner-lauregg lebte: Es war die Zeit, in der grol3e Krankheitsbilder aufgestellt wurden. Wir Jiingeren bewundern noeh immer, mit weleher Genialit~it die damaligen M/inner so versehiedene Krankheitsformen zu einer Einheit zusammengefal3t haben. Es war die Zeit, in der aueh groBe pathologiseh-anatomisehe Bilder aufgestellt wurden. Die Psychiatrie traehtete, eine Grundlage zu ge- winnen, die am Seziertiseh nachgewiesen werden konnte. Es war die Zeit, in der die Lage der Kranken wesentlieh verbessert wurde. Wenn wir die Anstalten sehen, die damals gesehaffen vOurden, dann mfissen wir an die Munifizenz dieser Zeit denken, die grol3e Werke hervorgebraeht hat. Da- mals wurden die Arbeitstheorien geschaffen, wir wuBten etwas fiber die Pathogenese dieser Erkrankungen, wir konnten manehe Symptome heilen, abet wo blieb die Behandlung der Erkrankungen? Die Behandlung in der Psyehiatrie wurde damals noel: nieht im reehten Licht gesehen, ja sogar oft als eine Quaeksalberei betrachtet. In dieser Zeit wirkte Wagner-Jauregg. Er war ein ebenso grol3er Psyehiater wie er ein grol3er Arzt war. Naehdem er die entseheidenden Beobaehtungen gemaeht hatte, ging er Schritt ffir Schritt daran, eine Therapie auszugestalten. Er ring mit Alttuberkulin- injektionen an. Gewisse therapeutisehe Erfolge waren zu sehen. Nun ging er einen Sehritt weiter und beniitzte Typhusvaeeine. Je hSher das Fieber stieg, um so besser war der Heilerfolg. Sein Gedanke war, obwohl er diese Theorie nie sehriftlieh niedergelegt hat, eine Krankheit zu finden, die an und ffir sich akut ist, die leieht beherrsehbar ist und die imstande ist, die chronisehe Entziindung der progressiven Erkrankung der Paralyse in eine akute, heilbare umzuwandeln. Er daehte sehr fdihzeitig an die Malaria. DaB ihm die Malariatherapie einfiel, zeigt den allwissenden Arzt. Er war viel besser als die anderen bewandert, besser als der heutige, oft reeht einseitig ausgebildete Faeharzt. Und sehliel31ich kam die Zeit, wo die Malaria- therapie eingefiihrt wurde. Wagner-lauregg hatte das G1/iek, Chef einer sehr gut geleiteten und eingeffihrten Klinik zu sein. Eine grol3e Klinik war vSllig in den Dienst dieser einen Idee gestellt worden. Wieder mfissen wir Wagner-lauregg bewundern, denn die Erfolge der Malariatherapie stellten sich gar nieht sofort naeh der Malariakur ein. Es mul3te erst einige Zeit vergehen, bis die Patienten gesund und geheilt die Klinik verlassen konn- ten. Wagner-Jauregg fragte sieh: ,,Was ist geheilt?" Offenbar ein Menseh, der wieder imstande ist, seinen sozialen Pfliehten, seinen Geseh~iften nach- zugehen wie vor seiner Krankheit. Irgendwie braehte er eine bessere Fun- dierung seiner Therapieerfolge zuwege, und zwar mittels der Mikrounter-

Einführende Worte zum Gedächtnis von J. Wagner-Jauregg, dem Entdecker der Malariatherapie

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Page 1: Einführende Worte zum Gedächtnis von J. Wagner-Jauregg, dem Entdecker der Malariatherapie

4 H. Hoff:

Wenn nun ein Patient mit progressiver Paralyse in eine solehe Zelle kam und zuf~illig von dieser Krankheit befallen wurde, dann bemerkte man, dab er naehher eine tlemission hatte, die wesentlieh anders und viel besser war, als jene Spontanremissionen, die wit so Niufig beobaehten konnten. Oft wird Wagner-lauregg mit der Malariatherapie der progressiven Paralyse in Zu- sammenhang gebraeht. Da die progressive Paralyse im Aussterben begriffen ist, seheint in versehiedenen L~indem die Gestalt unseres groBen Lehrers zu verblassen und doeh mfiBte man sagen, dab man Wagner-lauregg nieht gentigend gereeht wiirde, wenn man nur diese Therapie als sein groBes Werk bezeiehnet. Bedenken Sie doeh, in weleher Zeit Wagner-lauregg lebte: Es war die Zeit, in der grol3e Krankheitsbilder aufgestellt wurden. Wir Jiingeren bewundern noeh immer, mit weleher Genialit~it die damaligen M/inner so versehiedene Krankheitsformen zu einer Einheit zusammengefal3t haben. Es war die Zeit, in der aueh groBe pathologiseh-anatomisehe Bilder aufgestellt wurden. Die Psychiatrie traehtete, eine Grundlage zu ge- winnen, die am Seziertiseh nachgewiesen werden konnte. Es war die Zeit, in der die Lage der Kranken wesentlieh verbessert wurde. Wenn wir die Anstalten sehen, die damals gesehaffen vOurden, dann mfissen wir an die Munifizenz dieser Zeit denken, die grol3e Werke hervorgebraeht hat. Da- mals wurden die Arbeitstheorien geschaffen, wir wuBten etwas fiber die Pathogenese dieser Erkrankungen, wir konnten manehe Symptome heilen, abet wo blieb die Behandlung der Erkrankungen? Die Behandlung in der Psyehiatrie wurde damals noel: nieht im reehten Licht gesehen, ja sogar oft als eine Quaeksalberei betrachtet. In dieser Zeit wirkte Wagner-Jauregg. Er war ein ebenso grol3er Psyehiater wie er ein grol3er Arzt war. Naehdem er die entseheidenden Beobaehtungen gemaeht hatte, ging er Schritt ffir Schritt daran, eine Therapie auszugestalten. Er ring mit Alttuberkulin- injektionen an. Gewisse therapeutisehe Erfolge waren zu sehen. Nun ging er einen Sehritt weiter und beniitzte Typhusvaeeine. Je hSher das Fieber stieg, um so besser war der Heilerfolg. Sein Gedanke war, obwohl er diese Theorie nie sehriftlieh niedergelegt hat, eine Krankheit zu finden, die an und ffir sich akut ist, die leieht beherrsehbar ist und die imstande ist, die chronisehe Entziindung der progressiven Erkrankung der Paralyse in eine akute, heilbare umzuwandeln. Er daehte sehr fdihzeitig an die Malaria. DaB ihm die Malariatherapie einfiel, zeigt den allwissenden Arzt. Er war viel besser als die anderen bewandert, besser als der heutige, oft reeht einseitig ausgebildete Faeharzt. Und sehliel31ich kam die Zeit, wo die Malaria- therapie eingefiihrt wurde. Wagner-lauregg hatte das G1/iek, Chef einer sehr gut geleiteten und eingeffihrten Klinik zu sein. Eine grol3e Klinik war vSllig in den Dienst dieser einen Idee gestellt worden. Wieder mfissen wir Wagner-lauregg bewundern, denn die Erfolge der Malariatherapie stellten sich gar nieht sofort naeh der Malariakur ein. Es mul3te erst einige Zeit vergehen, bis die Patienten gesund und geheilt die Klinik verlassen konn- ten. Wagner-Jauregg fragte sieh: ,,Was ist geheilt?" Offenbar ein Menseh, der wieder imstande ist, seinen sozialen Pfliehten, seinen Geseh~iften nach- zugehen wie vor seiner Krankheit. Irgendwie braehte er eine bessere Fun- dierung seiner Therapieerfolge zuwege, und zwar mittels der Mikrounter-

Page 2: Einführende Worte zum Gedächtnis von J. Wagner-Jauregg, dem Entdecker der Malariatherapie

Einfiihrende Worte zum Gedaehtnis yon ]. Wagner-Jauregg. 5

suchungen. Aber immer war er der Meinung, dab die serologischen Unter- suchungen, dab die Laboratoriumsbefunde niemals das Resultat ausmachen kSnnen. Nur dort, w o e s zur Sanierung dieser kommt und gleiehzeitig der Mensch wieder gesund ist, will Wagner-Yauregg von einer Heilung des Kranken sprechen. Die Schwierigkeiten, die Wagner-Yauregg mit seiner Malariatherapie hatte, sind heute vergessen. Heute nehmen wir n~imlich die Therapie als gegeben an. Die erste lteaktion war die, die gew6hnlich einer neuen Idee beschieden ist. Man sagte, dab die Malariatherapie gef~ihrlieh sei, dab Patienten sterben k6nnten, und zweitens, dab diese Therapie nichts helle, dab die l~emissionen nieht versehieden seien yon den Spontan- remissionen, und man sagte, dab sehon andere die Malariatherapie erfun- den hiitten. Es ist dies das Gew6hnliehe, das jeden neuen Erfolg in der Medizin begleitet. Ferner wurde gegen die Malariabehandlung auch der Einwand erhoben, dab man dureh sie die Irrenanstalten mit Patienten anffillen wfirde, die zwar einen gewissen Behandlungserfolg im Hinbliek auf die progressive Paralyse, an der sie litten, aufwiesen, jedoeh dann als Defektgeheilte mit paranoid-halluzinatorisehen Zustandsbildern weiterhin anstaltsbedfirftig sein wiirden. Dann kam noeh ein auBerordentlieh kritiseher Moment. Dureh ein Versehen in der Anamnese wurde ein Mann, ein Schiffer, mit Malaria geimpft. Er hatte Malaria tropiea gehabt und von ihm wurden aueh andere Mensehen geimpft. Sie bekamen Malaria tropiea, die man da- mals noeh nieht beherrsehen konnte. Einige der Patienten starben. Die Men- sehen um Wagner-Yauregg mugten sehen, wie ein Lebenstranm zu wanken begann. Aber YVagner-lauregg war ein Mann, der seiner Saehe sieher war, und schlieBlieh kam der grol3e Augenblick, in dem ihm der Nobelpreis ver- liehen wurde. Wagner-Yauregg sehreibt in seinen Erinnerungen, wie auf- geregt er war und wie er in der Naeht mit sieh selbst Schaeh spielte, bis dann die erl(Ssende Siegesnaehricht eines sehwedisehen Journalisten kam, dab ibm die hSehste Ehre verliehen wurde, die einem Forseher zuteil werden kann: der Nobelpreis. So ist die Fiebertherapie gesehaffen worden. Wir alle miissen sagen, dab der Erfolg Wagner-Yaureggs ein zweffaeher war: Er durchbrach das Niehts, das Dunkel der Naeht, in dem damals die Mensehen gefesselt waren. Er war der erste wirklieh grol3e Therapeut. Aber er fiihrte aueh eine andere Methode der Behandlung ein, die Fiebertherapie. In meinem Faeh k6nnten wir uns heute die Behandlung der Poliomyelitis und vieler anderer Erkrankungen kaum mehr ohne Fiebertherapie vor- stellen, gragner-Jauregg hatte die Tendenz, seine Behandlung der ganzen Welt mitzuteilen. Das war kein Streben naeh Ehre, denn sehon damals stand er an der Spitze der Hierarehie. Er beauftragte seinen Sehiiler Kau- ders, Methoden zu finden, um die Malariatherapie auf der ganzen Welt m~Jglieh zu maehen. Kauders war erfolgreieh. Und wieder kamen einige Einw~inde, die sagten, dadureh wfirde die Malaria fiber die Welt verteilt werden und fiberall Infektionsherde gesetzt werden. Wit konnten zeigen, dab die Malaria, die damals dureh Interpolation entstand, kaum mehr anders als artifiziell von Menseh zu Menseh fibertragen werden konnte, und so sehen wit ein grol3es therapeutisehes Gesehehen, das mit dem Namen eines grogen Arztes und Mensehen verbunden ist. Er war ein groBer Mann,

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6 H. Hoff: Einfiihrende Worte zum Ged~ichtnis von J. Wagner-Jauregg.

ein groBer Arzt, der die K/ihnheit des Forschers mit der Gewissen- haftigkeit des Therapeuten verband. Ich hoffe, dab der Geist dieses Mannes fiber Ihrem Symposion stehen wird und dab die Ideen dieses Mannes Sie befeuern werden und Ihnen Erfolg bringen, was ich yon ganzem Herzen w/insche.

Anschrfft des Verfassers: Prof. Dr. H. Hoff, Psychiatrisch-neurologische Univer- sit~itsklinik, Wien IX, Lazarettgasse 14.