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© Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Frank Flemisch
Dipl.-Ing. Christopher Brandl
Dr.-Ing. Dr. rer. medic. Dipl.-Inform. Alexander Mertens
Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft
RWTH Aachen
Bergdriesch 27
52062 Aachen
Tel.: 0241 8099440
E-Mail: [email protected]
Lehreinheit 4
Analyse der Zeitstruktur von Arbeitsprozessen
Sommersemester 2017
Einführung in die Arbeitswissenschaft
4 - 2 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Lernziele Zeitstrukturanalyse
Betriebliche Verwendungszwecke von Zeitdaten kennen lernen
REFA-Ablaufarten und -Zeitarten unterscheiden können
Verschiedene Methoden zur Ermittlung von Zeitdaten unterscheiden
können
Methoden der REFA-Zeitaufnahme und des Multimoment-Verfahrens
verstehen
Einsatzmöglichkeiten und -grenzen dieser Zeitermittlungsverfahren
kennen lernen
4 - 3 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Einführung: Zeitdaten als Bestandteil
der Digitalen Fabrik
Beispielhafter Montageprozess im Rahmen der digitalen Fabrikplanung
Arbeitspersonen ...
Die Arbeitsaufgaben, die Arbeitspersonen und die verwendeten Arbeitsmittel determinieren die Zeitstruktur
und damit die Parametrisierung des digitalen Fabrikmodells unmittelbar.
aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten, Fertigkeiten
und des Grads der Übung entstehen u.a. Streuungen
hinsichtlich der Ausführungszeiten von Aufgaben, die
berücksichtigt werden sollten:
„Kern“-Ausführungszeit
(Konfidenzintervall)
weitere
Streuung
Mittelwert
Zeiteinheiten [ZE]
Hinlangen
linke Hand
10ZE
Hinlangen
rechte Hand
8ZE
Platzieren
7ZE
Bauteil
beidhändig
aufnehmen 5ZE Schraubvorgang
rechte Hand
10ZE
Bauteil
beidhändig
weitergeben 6ZE
Schraubvorgang
linke Hand
12ZE
Start
mittlerer Zeitverbrauch
...
Hergestellt unter Verwendung von Daten der
TU Chemnitz, Institut für Betriebswissen-
schaften und Fabriksysteme
4 - 4 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Verwendungszwecke von Zeitdaten
Auftrags-
eingang
Produktions-
programm-
planung
Ablaufplanung (Menge, Termine,
Kapazitäten)
Auftrags-
veranlassung Fertigung
Auftrags-
überwachung Versand
produkt-
bezogen
Fertigungs-/
Qualitäts-
planung
Entwicklung
Konstruktion
techn. Vertrieb
(Kalkulation
Angebotserst.)
ZEITDATEN
Anreizsystem
mitarbeiter-
bezogen
Betriebsleitung (Investitionsplanung,
Personalbedarfs-
planung;
Absatzplanung etc.)
führungs-
bezogen
produktions-
bezogen
4 - 5 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Gliederung der Ablaufarten
Um Zeitdaten für die Arbeitsplanung und -steuerung
bereitstellen zu können, ist es erforderlich, verschiedene
Abläufe zeitlich zu analysieren:
Zeitarten:
• Bei der Ablaufgliederung bezogen auf den Menschen
werden die Tätigkeiten einer Arbeitsperson in einen
zeitlichen Rahmen gefasst.
Auftragszeit
• Bei der Ablaufgliederung bezogen auf Arbeitsmittel
werden die Prozesse von Maschinen, Anlagen und
Apparaten analysiert, die vom Menschen geführt
werden.
Belegungszeit
• Bei der Ablaufgliederung bezogen auf das Arbeitsobjekt
wird der Durchlauf eines Bauteils durch die Fertigungsstufen
zeitlich beschrieben.
Durchlaufzeit
4 - 6 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Ereignisdiskrete Zeitstrukturanalyse
Ereignisse Zeit 1
Erteilung
Arbeitsauftrag 1
Erteilung
Arbeitsauftrag 2
Tätigkeitsbeginn
Arbeitsauftrag 1
Tätigkeitsbeginn
Arbeitsauftrag 2
Bearbeitungsende
Arbeitsauftrag 1
Bearbeitungsende
Arbeitsauftrag 2
2 3 4 5 6
Tätigkeitszeit Arbeitsauftrag 1
Gesamte Auftragszeit für Arbeitsauftrag 1
Tätigkeitszeit Arbeitsauftrag 2
Gesamte Auftragszeit für Arbeitsauftrag 2
Verlassen des
Arbeitssystems
Verlassen des
Arbeitssystems
statistische
Schwankungen
der Zeitwerte
Eintritt in das
Arbeitssystem
Eintritt in das
Arbeitssystem
4 - 7 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Ablaufgliederung bezogen auf das Arbeitsobjekt
Arbeitsobjekt A
Verändern
Zusätzliches Verändern
Fördern
Einwirken
Prüfen / Messen
Liegen
Lagern
nicht erkennbar
Ablaufbedingtes Liegen
Zusätzliches Liegen
AE
AF
AZ
AP
AA
AS
AL
AX
Quelle: Gummersbach et. al. 2012
4 - 8 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Ablaufbedingtes Unterbrechen
Hauptnutzung
Nebennutzung
Zusätzliche Nutzung
Nutzung
Unterbrechen der Nutzung
BT
im Einsatz
außer Einsatz
Betriebsruhe
BK
BR
BL
BI
nicht erkennbar BX
BP
BE
BS
BA
BZ
BN
BH
Arbeits-mittel
B
Störungsbedingtes Unterbrechen
Persönlich bedingtes Unterbrechen
Erholungsbedingtes Unterbrechen
Ablaufgliederung bezogen auf Arbeitsmittel
Quelle: Gummersbach et. al. 2012
4 - 9 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Ablaufgliederung bezogen auf den Menschen
Ablaufbedingtes Unterbrechen
Störungsbedingtes Unterbrechen
Persönlich bedingtes Unterbrechen
Haupttätigkeit
Nebentätigkeit
Zusätzliche Tätigkeiten
Tätigkeit
Unterbrechen der Tätigkeit
MT
im Einsatz
außer Einsatz
Betriebsruhe
MK
MR
ML
MI
nicht erkennbar MX
MP
ME
MS
MA
MZ
MN
MH
Mensch M Erholen
Quelle: Gummersbach et. al. 2012
4 - 10 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Definition einzelner Ablaufarten bezogen auf den Menschen (I)
Planmäßige, unmittelbar der Erfüllung der Arbeitsaufgabe
dienende Tätigkeit z.B.
• Werkstück bearbeiten
• Montage durchführen
Planmäßige, nur mittelbar der Erfüllung der Arbeitsaufgabe
dienende Tätigkeit z.B.
• Werkstück einspannen
• Vorrichtung einstellen
Tätigkeiten, deren Vorkommen oder Ablauf nicht
vorausbestimmt werden kann z.B.
• Werkstück nacharbeiten
• Montageroboter neu kalibrieren
Haupttätigkeit MH
Nebentätigkeit MN
Zusätzliche Tätigkeiten MZ
Quelle: Gummersbach et. al. 2012
4 - 11 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Planmäßiges Warten des Menschen auf das Ende von
Arbeitsschritten, die beim Arbeitsmittel in Verbindung mit
dem Arbeitsobjekt selbständig ablaufen z.B.
• Automatischer Werkzeugwechsel aus Magazin
• Trocknung nach Waschvorgang abwarten
Außerplanmäßiges Warten des Menschen infolge von
technischen oder organisatorischen Störungen z.B.
• Warten auf Schlosser
• Stromausfall
Unterbrechung der Tätigkeit aus persönlichen Gründen z.B.
• Gang zur Toilette
• Verspäteter Arbeitsbeginn
Unterbrechung der Tätigkeit, um die infolge der Tätigkeit
entstandene Ermüdung abzubauen.
Definition einzelner Ablaufarten bezogen auf den Menschen (II)
Persönlich bedingtes Unterbrechen MP
Störungsbedingtes Unterbrechen MS
Ablaufbedingtes Unterbrechen
MA
ME Erholen
Quelle: Gummersbach et. al. 2012
4 - 12 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Ablaufgliederung für Mensch, Arbeitsmittel und
Arbeitsobjekt am Beispiel der Werkbankfertigung
Nr. Ablaufabschnitt Mensch Arbeits-
mittel
Arbeits-
objekt
1. Werkstück in Schraubstock einspannen MN
Neben-
tätigkeit
BA
Ablaufbed.
Unterbrechen
AF
Fördern
2. Loch in Werkstück bohren MH
Haupt-
tätigkeit
BH
Hauptnutzung
AE
Einwirken
3. Kontrollieren des Durchmessers des
Bohrlochs mittels Messschieber
MN
Neben-
tätigkeit
BA
Ablaufbed.
Unterbrechen
AP
Prüfen /
Messen
4. Farbliche Kennzeichnung des Werkstücks MN
Neben-
tätigkeit
BA
Ablaufbed.
Unterbrechen
AE
Einwirken
5. Entfernen der Späne von Schraubstock und
Werkstück mittels Handfeger
MN
Neben-
tätigkeit
BA
Ablaufbed.
Unterbrechen
AA
Ablaufbed.
Liegen
6. Werkstück aus Schraubstock lösen und in
Behälter legen
MN
Neben-
tätigkeit
BA
Ablaufbed.
Unterbrechen
AF
Fördern
4 - 13 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Zeitarten bezogen auf den Menschen
störungsbedingtes Unterbrechen
zusätzliche Tätigkeit
Haupttätigkeit
Nebentätigkeit
ablaufbedingtes Unterbrechen
persönlich bedingtes Unterbrechen
t M H
t M N
t M Z
t M A
t M S
t M E
t M P
Tätigkeitszeit t t
Wartezeit t w
sachliche Verteilzeit
t s
persönliche Verteilzeit
t p
t e Zeit je Einheit
erholungsbedingtes Unterbrechen
Erholungszeit t e r
t g Grundzeit
Ablaufarten Gliederung der Zeitarten
Verteilzeit t v
Quelle: Gummersbach et. al. 2012
4 - 14 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Zeitgliederung für die Auftragszeit
Auftragszeit T (Vorgabezeit für den
Menschen)
Tätigkeits- zeit tt
Warte- zeit tw
sachliche Verteilzeit ts
persönliche Verteilzeit tp
Grund- zeit trg
Erholungs- zeit trer
Verteil- zeit trv
weitere Gliederung möglich
Zeit je Einheit te
Grund- zeit tg
Erholungs- zeit ter
Verteil- zeit tv
Ausführungszeit ta = m te
Rüstzeit tr
Quelle: Gummersbach et. al. 2012
4 - 15 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Zeitermittlungsverfahren
Zeitermittlung
durch Fremd- aufschreibung
durch Selbst- aufschreibung
durch Zusammensetzen
• durch Arbeitsperson -Tätigkeitsliste mit Angabe der Dauer und Häufigkeit der Vorkommnisse
• durch Arbeitsmittel (z.B. Computer- logfiles)
durch Berechnen von Prozesszeiten
• mit technischen
Prozeßmodellen
(z.B. für Drehen)
• mit biomechanischen
Mensch-Modellen
• mit quantitativen
Modellen menschlicher
Informations-
verarbeitung
durch Vergleichen und Schätzen
• Vergleich des Arbeitsablaufes, für den die Zeit zu ermitteln ist, mit ähnlichen Arbeiten, für die Zeiten vorliegen
• beim Schätzen wird die Soll-Zeit für den Arbeitsablauf aus der Erfahrungen bestimmt
sequenzanalytische Zeitmodelle statistische Zeitmodelle
rechnerische Methoden (Soll-Zeiten)
experimentelle Methoden (Ist-Zeiten)
• Manuelle Zeiterfassung - Stoppuhr - Videoanalyse - Motion Tracking
• Zeiterfassung mit Hilfe
statistischer Verfahren – Multimoment-
Häufigkeitsverfahren (MMH)
– Multimoment-Zeit-messverfahren (MMZ)
• Interview Verfahren
• Systeme vorbe-stimmter Zeiten – Work Factor (WF) – Methods Time
Measurement (MTM)
• Planzeiten (auch
Zeitnorm, Richtzeit oder Zeitrichtwert genannt) - Planzeitkatalog - Nomogramm - etc.
4 - 16 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Unter einer REFA-Zeitaufnahme versteht man das Ermitteln von Soll-Zeiten
durch Messen und Auswerten von Ist-Zeiten.
REFA-Standardprogramm Zeitaufnahme (I)
1. Verwendungszweck der
Zeitaufnahme festlegen
2. Zeitaufnahme vorbereiten
3. Zwischen Fortschritts- und
Einzelzeitmessung wählen
7. Zeitaufnahme nach Art des
Zeitmessgerätes durchführen
4. Zeitmessgerät auswählen
Wird ein selbsttätig
registrierendes
Zeitmessgerät eingesetzt?
nein
ja
Fortsetzung nächste Folie
In der Praxis verwendete Messverfahren:
- Videoanalyse
- Beobachtung inkl. Stoppuhr
5. Gemäß Ablauffolge
Zeitaufnahmebogen auswählen
Beschreibung des Arbeitssystems:
- Arbeitsperson
- Arbeitsaufgaben
- Arbeitsmittel
- Arbeitsobjekte
Quelle: REFA 1997
4 - 17 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
REFA-Standardprogramm Zeitaufnahme (II)
6. Arbeitsaufgabe, -methode,
-bedingungen und
Auftragsmenge beschreiben
7. Zeitaufnahme durchführen:
Ablauf in ereignisdiskrete
Phasen gliedern;
Messpunkte festlegen;
Bezugsmengen und
Einflussgrößen erfassen;
Ist-Zeiten messen und
Leistungsgrade beurteilen
8. Zeitaufnahme
auswerten
ja nein
nicht-zyklische Ablauffolge zyklische Ablauffolge
7. Zeitaufnahme
durchführen und Daten
erheben
Fortsetzung
Liegt zyklische
Ablauffolge vor?
6. Ablauf in periodische
Abschnitte gliedern und
beschreiben;
Messpunkte festlegen
a)
6. Bezugsmengen und
Zeiteinflussgrößen
erfassen
b)
Quelle: REFA 1997
4 - 18 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
brin
ge
n
Ablaufab-
schnitte
losla
sse
n
Teil be-
arbeiten
Me
ssu
ng
no
tie
ren
losla
sse
n
Teil ein-
spannen
Teil aus-
spannen,
weglegen
Maßhaltigkeit
überprüfen
gemessene
Einzelzeit ti
in HM
0 30
t1 = 30 HM
0 30
t2 = 30 HM
0 25
t3 = 25 HM
0 35
t4 = 35 HM
Ma
sch
ine
hä
lt
0 30 60 85 120
Gemessene
Fortschrittszeit
T in HM
Errechnete
Einzelzeit ti t1 = 30 HM t2 = 30 HM t3 = 25 HM t4 = 35 HM
F1 F2 F3 F4
HM = Hundertstel Minute - 1/100 Minute
REFA-Standardprogramm Schritt 3
Ereignisse
4 - 19 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Problematik: Wie lässt sich eine Bezugsleistung (Soll-Leistung = 100 %) bei vor allem nicht-
zyklischen Ablauffolgen ermitteln, die von der Arbeitsplanung vorgegeben werden
kann und dabei allen Werkern gerecht wird?
Unterschiedliche Arbeitspersonen haben ein unterschiedliches
Leistungsangebot:
- Werker A benötigt für die Montage einer Baugruppe 6 Stunden
- Werker B benötigt unter vergleichbaren Arbeitsbedingungen 8 Stunden
Lösung: Beurteilung und Bewertung der Tätigkeiten durch Arbeitsplaner hinsichtlich
Intensität und Effektivität
Leistungsgrad
(Erscheinungsbild)
Intensität
äußert sich in:
• Bewegungsge-
schwindigkeit und
• körperlichen
Anstrengungen
Effektivität
wird danach bewertet, wie
• rhythmisch,
• harmonisch und
• zügig
gearbeitet wird
=
REFA-Standardprogramm Schritt 7
4 - 20 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Gegenstand des Multimoment-Verfahrens
Definition:
Eine Multimoment-Studie ist ein Stichprobenverfahren, das Schätzungen über die relative
Häufigkeit bzw. über die Dauer von vorwiegend unregelmäßig auftretenden Tätigkeiten oder
Größen vergleichbarer Art für eine
• frei wählbare Genauigkeit f bei einer
• statistischen Irrtumswahrscheinlichkeit von liefert.
Mul|ti|mo|ment; Herkunft aus: multum (lat.) ~ viel, momentum (lat.) ~ Augenblick
Multimoment-Verfahren
Zählwerte
absolute
Häufigkeiten
relative
Häufigkeiten
Messwerte
Absolutzeiten Relativzeiten
Multimoment-
Zeitmess-
verfahren (MMZ)
Multimoment-
Häufigkeits-Zähl-
verfahren (MMH)
4 - 21 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
MMH – Zeitbandbeispiel für fünf Arbeitsplätze
Zeit
8 h 9 h 10 h 11 h 12 h
Mit
tag
sp
au
se
13 h 14 h 15 h 16 h 17 h A
rbe
itsp
lätz
e
A
B
C
D
E
An
za
hl d
er
B
eo
ba
ch
tun
ge
n Multimomentaufnahme
n 1
n 2
n 3
n1, n2, n3 : Anzahl der beobachteten Ablaufarten 1, 2 oder 3 n = 40 Notierungen 100 %
T=
40 S
tunden
1
00 %
t1
t2
t3
min
%
Beginn des Rundgangs
Erste Notierung
Ende des Rundgangs
Zeitmessung mit Uhr
321
354
361
348
363
74
63
55
98
72
85
63
64
34
45
73 15 12
70
17,5
12,5
28
7
5
Summe
1θ̂
2θ̂
3θ̂
1θ 2θ 3θ
Quelle: Haller-Wedel (1969)
4 - 22 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
MMH – Abhängigkeit von Ereignissen
Objektive Abhängigkeit
von Ereignissen:
Zufälliges Ereignis löst eine
Kette von gesetzmäßigen
Abläufen aus
Z1 Z2 Z3
Subjektive Abhängigkeit
von Ereignissen:
Die Wahrscheinlichkeit
des Auftretens eines
zufälligen Ereignisses
steigt bei subjektiver
Abhängigkeit i.d.R. mit
zunehmender Zeitdauer
Z1 Z1 Z1
tmin tmin
Abhängigkeit von Ereignissen
durch regelmäßige
Rundgangsintervalle
Z1 Z1 Z1
t1 t1
Ursächlich auslösendes
Ereignis beobachten und
zugeordnete unregelmäßig
auftretende Tätigkeit notieren
kurze Rundgangsintervalle
sind zu vermeiden
unregelmäßige Zeitabstände
zwischen Rundgangsintervallen
4 - 23 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Modellierung des Beobachtungsprozesses mithilfe der
Binomialverteilung (I)
Anzahl von Beobachtungen n1
der Ablaufart 1 über alle Rundgänge Anzahl Beobachtungen n1
• Binäre Kategorisierung der Ablaufarten aus dem Zeitbandbeispiel von Folie 21:
• Ablaufart 1 (weiße Bandfarbe), Auftretenswahrscheinlichkeit θ1 = 0,7
• Ablaufarten 2 und 3 (schwarze und graue Bandfarben) werden zur sonstigen Ablaufart
zusammengefasst, Auftretenswahrscheinlichkeit θ2 = 1 – θ1 = 0,3
• Die Wahrscheinlichkeit P(.), genau n1 mal Ablaufart 1 bei den insgesamt n Notierungen zu beobachten:
Verteilung für n = 10 Notierungen, θ1 = 0,7 Verteilung für n = 20 Notierungen, θ1 = 0,7
)!(!
!)1(),|(
111
1
1
11
nnn
n
n
nmit
n
nn nP
nnn
111
Verteilung für n = 20 Notierungen, θ1 = 0,7
4 - 24 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Näherung der Binomialverteilung durch
Normalverteilung (II)
Anzahl Beobachtungen n1
Normalverteilung
n
Moivre-Laplace-
Theorem
x
f(x)
-
Binomialverteilung für n=40 Notierungen, θ1=0,7
)1( ii
i
n
n
2( )E x : Streuung um den
Schwerpunkt (Exzess) ( ) ( )E x x f x dx
: Schwerpunkt der Verteilung
Die Normalverteilung lässt sich durch den Erwartungswert und die Standardabweichung charakterisieren :
4 - 25 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
MMH – Irrtumswahrscheinlichkeit
68%
95,5%
( )f x
x
2 2
/ 2 / 2[ ; ]z z
• Im Intervall [ – ; + ] sind ca. 68% der Wahrscheinlichkeitsmasse zu erwarten.
• Im doppelten Intervall [ – 2 ; + 2] („zwei Sigma“) liegen ca. 95,5% der Wahrscheinlichkeitsmasse.
• Wahrscheinlichkeit = 4,5%, dass Beobachtungen außerhalb des Zwei-Sigma-Intervalls liegen
• korrespondiert mit einem gewissen Sigma-Intervall .
• Der Wert 1 – gibt die Fläche A unter der Glockenkurve im Sigma-Intervall an.
• Das Intervall [ – fi ; + fi] gibt das geforderte Genauigkeitsintervall an.
2z 2z
1
)(
2
2
z
z
dxxfA
22
if if
4 - 26 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
MMH – Grundzüge der Schätzung
• Beim MMH-Verfahren wird vom Arbeitsplaner eine Genauigkeit fi gefordert, die die Schätzung des
Anteils θi der interessierenden Tätigkeit i bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit , typischerweise 5%,
nicht überschreiten soll.
• Gesucht ist die minimale Anzahl von Notierungen n bei den Rundgängen, so dass die
Genauigkeitsanforderungen nicht verletzt werden.
• Aufgrund der Irrtumswahrscheinlichkeit lassen sich die korrespondierenden Sigma-Intervalle
für die Streuung der Tätigkeitsanteile leicht bestimmen. Wie man im Bild auf der
vorherigen Seite erkennen kann, ist z. B. das Sigma-Intervall für =0,05 ungefähr [-1,96si ; 1,96si].
• Vor der MMH-Datenaufnahme müssen die Tätigkeitsanteile vom Beobachter aufgrund seiner
Erfahrung plausibel geschätzt werden. Liegen bereits Notierungen vor (z.B. n=500 im REFA-
Standardprogramm), dann wird die Wahrscheinlichkeit nach dem Maximum-Likelihood-Prinzip
einfach durch die relative Häufigkeit geschätzt:
• Mit Hilfe des Moivre-Laplace-Theorems kann ebenso die Standardabweichung der Tätigkeitsanteile
leicht berechnet werden:
/ 2 / 2[ ; ]i iz s z s
i ˆ
n
nii ̂
nns ii
i
)ˆ1(ˆˆˆ
4 - 27 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Multimoment-Hauptformel
Nach den ersten MMH-Beobachtungen: Vor den MMH-Beobachtungen:
• Schließlich kann die Multimoment-Hauptformel hergeleitet werden. Wie erwähnt, handelt es sich um
eine Intervallschätzung des Anteils θi der Tätigkeit i bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit
( P(wahrer Wert von θi liegt im Intervall) = 1- ) ):
Die Multimoment-Hauptformel für die minimale Anzahl von Notierungen n bei Tätigkeitsanteilen θi lautet:
2 2 (z.B. 1,96 für 5%)i if z s z
• Die Genauigkeit lässt sich auch als Sigma-Intervall schreiben:
2
2
2/
2/
)1(
)1(
i
ii
iii
f
zn
nzf
];[ iiii ff
2
2/2 )ˆ1(ˆ
i
ii
f
zn
2
2/2 )1(
i
ii
f
zn
4 - 28 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
MMH – Vertrauensbereich
Vertrauensbereich von
θ [%]
70
69
68
67
66
71
72
73
300 600 900 1200 1500 1800 2100 2400 2700
n
Obere Vertrauensgrenze
n
θ θ z θ f
) 1 ( 2 / max
θ
300 2 300ˆ ˆz s
1200 2 1200ˆ ˆz s
600 2 600ˆ ˆz s
1800 2 1800ˆ ˆz s
2400 2 2400ˆ ˆz s
2400 2 2400ˆ ˆz s
1800 2 1800ˆ ˆz s
1200 2 1200ˆ ˆz s
600 2 600ˆ ˆz s
300 2 300ˆ ˆz s
300̂
1200̂
2400̂
1800̂600̂
300̂
Untere Vertrauensgrenze
n
θ θ z θ f
) 1 ( 2 / min
4 - 29 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
MMH – Vorgehensweise (I)
1. Formulierung der Zielsetzung der Studie
Beschreiben des Arbeitssystems
Festlegen des Untersuchungszeitraumes
Überprüfen der Eignung des MMH-Verfahrens
2. Festlegung des groben Untersuchungsdesign
3. Festlegung und Spezifizieren der Arbeitsablaufarten
4. Erstellen eines Rundgangplans
5. Auswählen und Gestalten der Hilfsmittel
6. Verifizieren der Ablaufarten, des Rundgangsplans und der Hilfsmittel
Fortsetzung nächste Folie
Sollten in
Schritt 6
Probleme
identifiziert
werden, sind
die vorher-
gehenden
Schritte erneut
zu durchlaufen.
4 - 30 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
MMH – Vorgehensweise (II)
7. Festlegen der Rundgangshäufigkeiten und -zeiten
8. Informieren des in die Studie involvierten Personals
9. Schulen der Beobachter
10. Durchführen und Aufzeichnen der Beobachtungen sowie
Zwischenauswerten der Ergebnisse
11. Auswerten und Aufbereiten der Beobachtungsergebnisse
Fortsetzung
4 - 31 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Vor- und Nachteile des Multimomentverfahrens
Vorteile
• repräsentatives Abbild des Ist-Zustandes
• Einbeziehung einer großen Anzahl von Arbeitsplätzen möglich
• vergleichsweise geringer Aufwand im Vergleich zur REFA-Zeitaufnahme
• keine Messgeräte erforderlich
Nachteile
• Zeiteinflussgrößen und Ursachen für Ist-Zeiten nicht direkt aus den Ergebnissen
der Studie ersichtlich
• Notierungen basieren auf einmaligen Beobachtungen und können daher später
nicht überprüft werden
• Leistungsgrade können nicht erhoben werden
• Ergebnisse können durch zu beobachtende Personen manipuliert werden
4 - 32 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
0,00
5,00
10,00
15,00
20,00
25,00
30,00
35,00
40,00
45,00
50,00
08.00 -09.00
09.00 -10.00
10.00 -11.00
11.00 -12.00
12.00 -13.00
13.00 -14.00
14.00 -15.00
15.00 -16.00
16.00 -17.00
17.00 -18.00
18.00 -19.00
19.00 -20.00
p [%
]
Uhrzeit
Arbeitsperson "Verkäufer"Haupttätigkeit "Interaktion mit dem Kunden"
𝜃 𝑛
Fallbeispiel: MMH in Großbetrieben des Einzelhandels
MMH als Grundlage für eine bedarfsgerechte Personaleinsatzplanung
Hinrichsen, Peters, Schlick 2005
Beobachtung in drei Märkten je sechs Tage, angegeben ist der Mittelwert und das 95% - Konfidenzintervall
n 178 920 888 931 1094 1064 1238 1002 910 905 601 482
4 - 33 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Lernerfolgsfragen
Welche Verwendungszwecke haben Zeitdaten in Betrieben?
Wie sind die REFA-Ablaufarten grundsätzlich gegliedert?
Welche Ablaufarten können in Bezug auf Mensch, Arbeits-/
Betriebsmittel und Arbeitsobjekt unterschieden werden?
Wie untergliedert sich die Auftragszeit (Vorgabezeit für den Menschen)?
Welche Methodengruppen der Zeitdatenermittlung können
unterschieden werden?
Was sind wesentliche Merkmale einer REFA-Zeitaufnahme?
Wie ist der Leistungsgrad definiert?
Was sind wesentliche Merkmale einer Multimomentaufnahme?
4 - 34 © Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft, RWTH Aachen
Literaturverzeichnis
Gummersbach, A, et. al.: Produktionsmanagement. 5. Aufl., REFA, Hamburg, 2012
Haller-Wedel, E.: Das Multimoment-Verfahren in Theorie und Praxis. Hanser, München, 1969
Haller-Wedel, E.: Das Multimoment-Verfahren in Theorie und Praxis. 2. Aufl., Hanser,
München, 1985
Kaminsky, G.: Praktikum der Arbeitswissenschaft. 2. Aufl., Hanser, München, 1979
Luczak, H.; Eversheim, W.: Produktionsplanung und -steuerung: Grundlagen, Gestaltung und
Konzepte. 2. Aufl., Springer, Berlin, 1999
REFA: Methodenlehre der Betriebsorganisation. Datenermittlung, 1997