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F. Bopp. Eine lineare Tieeorie des Elektrons 34 5 Edae 26neare Theorde des EZektrons*) Vim PrdtxBopp Inhalt: § 1. Feldgleichungen, Energie-Impuls-Tensor. - 5 2. Punkt- ladung und Bewegungsgleichungen. - 5 3. strahlungakraft. - 5 4. Ent- wicklung der Hamiltonfunktion. Das Ziel der folgenden Untersuchnngen ist heuptskhlich ein klassisches. In dem von Mie I) gegebenen Rahmen einer allgemeinen Elektrodynamik wird eine lineare Theorie pnnktformiger Elektronen mit endlicher Feldenergie entwickelt. Der unten folgende Ansatz, der nrspriinglich als ein ubungsbeispiel zur Mieschen Theorie ge- dacht war, hat durch die Arbeiten von Born, Infeld u. aa) bei der Herausstellung des Unterschieds zwischen den Mieschen und msern Bewegungsgleichungen wertvolle Forderung erfahren. Umgekehrt hofft der Verf., da6 die Voraussetzungen, die der Ableitnng der Be- wegungsgleichungen in der Bornschen Theorie zugrunde liegen, in- folge der durch die Linearitat bedingten Einfachheit besonders dentlich in Erscheinnng treten. Die vollstandige Formulierung der Bewegnngsgleichungen unter EinschluB der Strahlungskriifte, die bei Born noch fehlen, ist im AnschluS an eine Arbeit von Diraca) iiber die Strahlungskrafte in der Maxwellschen Theorie gelungen. Es ist bemerkenswert, daJ3 damit beziiglich des Aufbans des Elektrons das urspriingliche Ziel des sogenannten elektrodynamischen Weltbilds 3, das vie1 spezieller als das Miesche ist, im Rahmen der verallgemeinerten Feldgleichungen vollstandig verwirklicht wird. Den AnstoS zur Ausarbeitung und Veroffentlichung der folgenden Rechnungen haben die Y ukaw aschen Arbeiten zur Theorie der Kern- krafte gegeben. Insbesondere zeigen Teile unserer Feldgleichungen eine bemerkenswerte Verwandtschaft zn den Proca-Yuka wa schen Gleichnngen 7, die die Vermntung nahelegt, daJ3 die Yukawakrffte nicbt nur fiir das Znsammenhalten der Kerne sondern auch fur die Kohision des Elektrons verantwortlich sind. Diese Verwandtschaft ist formal durch die ahnliche Struktur der Maxw ellschen Gleichungen einerseits und der Y ukaw aschen Gleichungen andererseits bestimmt, *) Breslauer Habilitationsschrift ; vorgetragen auf der Gautagung der D. physik. Ges. im Juni 1940 in Leipzig.

Eine lineare Theorie des Elektrons

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F. Bopp. Eine lineare Tieeorie des Elektrons 34 5

Edae 26neare Theorde des EZektrons*)

Vim P r d t x B o p p

Inhal t : § 1. Feldgleichungen, Energie-Impuls-Tensor. - 5 2. Punkt- ladung und Bewegungsgleichungen. - 5 3. strahlungakraft. - 5 4. Ent- wicklung der Hamiltonfunktion.

Das Ziel der folgenden Untersuchnngen ist heuptskhlich ein klassisches. In dem von Mie I) gegebenen Rahmen einer allgemeinen Elektrodynamik wird eine lineare Theorie pnnktformiger Elektronen mit endlicher Feldenergie entwickelt. Der unten folgende Ansatz, der nrspriinglich als ein ubungsbeispiel zur Mieschen Theorie ge- dacht war, hat durch die Arbeiten von Born, In fe ld u. aa) bei der Herausstellung des Unterschieds zwischen den Mieschen und msern Bewegungsgleichungen wertvolle Forderung erfahren. Umgekehrt hofft der Verf., da6 die Voraussetzungen, die der Ableitnng der Be- wegungsgleichungen in der Bornschen Theorie zugrunde liegen, in- folge der durch die Linearitat bedingten Einfachheit besonders dentlich in Erscheinnng treten. Die vollstandige Formulierung der Bewegnngsgleichungen unter EinschluB der Strahlungskriifte, die bei Born noch fehlen, ist im AnschluS an eine Arbeit von Diraca) iiber die Strahlungskrafte in der Maxwellschen Theorie gelungen. Es ist bemerkenswert, daJ3 damit beziiglich des Aufbans des Elektrons das urspriingliche Ziel des sogenannten elektrodynamischen Weltbilds 3, das vie1 spezieller als das Miesche ist, im Rahmen der verallgemeinerten Feldgleichungen vollstandig verwirklicht wird.

Den AnstoS zur Ausarbeitung und Veroffentlichung der folgenden Rechnungen haben die Y ukaw aschen Arbeiten zur Theorie der Kern- krafte gegeben. Insbesondere zeigen Teile unserer Feldgleichungen eine bemerkenswerte Verwandtschaft zn den Proca-Yuka wa schen Gleichnngen 7, die die Vermntung nahelegt, daJ3 die Yukawakrffte nicbt nur fiir das Znsammenhalten der Kerne sondern auch fur die Kohision des Elektrons verantwortlich sind. Diese Verwandtschaft ist formal durch die ahnliche Struktur der Maxw ellschen Gleichungen einerseits und der Y ukaw aschen Gleichungen andererseits bestimmt,

*) Breslauer Habilitationsschrift ; vorgetragen auf der Gautagung der D. physik. Ges. im Juni 1940 in Leipzig.

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und findet ihre zahlenrniiflige Bestiitigung in der auffalligen, grogen- ordnungsmiiBigen ubereinstirnmung der Reichweite der KernkrBfte mit dem klassischen Elektronenradius und des Verhaltnisses der Elektronenmasse zur Masse der Tukawaquanten mit der Feinstruktur- konstanten, ebenfalls einem reinen Elektronendatum. Diese Analogie ist, wie wir sehen werden, keineswegs vollkommen. Es erscheint auch nicht zweckmafiig, sie von vornherein iiber das sich selbst dar- bietende Mat3 hinauszutreiben. Einstweilen miiBte das zu kiinstlich erscheinenden Komplikationen fiihren, ohne daB dadurch die Ein- druckskraft der Analogie erhoht wiirde. Unsere Vorsicht wird durch den Urnstand begiinstigt, daf3 trotz der Verwandtschaft auch sachliche Unterschiede bestehen konnen. Wahrend z. B. fiir die Wechselwirkung der Neutronen im Kern geladene Mesotronen verantwortlich sind, er- scheinen beim Elektron den Lichtwellen entsprechende ungeladene Materiefelder durchaus wahrscheinlich.

8 1. Feldgleichungen, Energie-Impule-Tensor

Mie ') hat angegeben, wie man die Maxwellsche Elektrodynamik im Rahmen der bekannten GrnndgroBen erweitern kann, so daB bestindige Zusammenballungen elektrischer Ladung moglich sind. Seine Feldgleichungen lassen sich aus einem Variationsprinzip ab- leiten :

< s j k , a t = 0 , E,, = ,coat, (1) s dessen Lagrangedichte

in Lorentz-invarianter Weise vom Viererpotential ya und dein Feld- tensor

(2) '0 = ' o ( f a p , ~ a )

abhangt8). Im Grenzfall schwxher Felder sol1 diese in die Lagrange- dichte der Maxwellschen Theorie iibergehen:

(4) Die unabhiingige Variation nach y a fiihrt zu den Feldgleich~ngen~)

(51 in denen

Die Mie when Feldgleichungen (5 ) unterscheiden sich in doppelter Weise von den entsprechenden &I axw ellschen Gleichungen. Erstens

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hangt der Viererstrom so nach der zweiten GI. (6) unmittelbar mit dem Viererpotential zusammen, das dnrch ihn eine absolute Be- deutung gewinnt. An die Stelle der Bewegungsgleichungen fiir 3 treten die GI. (3), die hier nicht mehr Defiuitionsgleichungen sind, da das Viererpotential bereits durch die GI. (6) vollstandig bestimmt ist. Sie lauten nach raumzeitlicher Aufspaltung, wenn wir (YJ = (a,i y ) setzen: (71 a = - c ( Q + gradrp), '$3 = ro ta .

Danach erscheint das Potential rp als ein Druck, der fur das Zu- sammenhalten der Ladungsballen verantwortlich sein kann 14,.

Zweitens zeigen die Feldgleichungen ( 5 ) eine Art elektrischer und magnetischer Polarisierbarkeit des Vakuums. Auch diese kann zu Kohasionskraften fuhren. Sie sind von ahnliclier Natur wie die elektro- und magnetostriktiven Krilfte in polarisierbaren Substanzen. Hierin zeigt sich eine gelegentlich schon diskutierte Verwandtschaft zur Diracschen Theorie des Elektrons 11), die die zugrunde liegenden Vorgange, nlmlich die Fahigkeit zur Paarerzeugung, andeutungsweise erkennen la&. I n den speziellen von Mie betrachteten Fallen tritt der zweite Effekt allerdings in den Hintergrund.

Er wird in neueren Untersuchungen allein ausschlaggebend. Born u. haben die Diskussion der Mieschen Feldgleichungen in einem Spezialfall wieder aufgenommen. Sie fordern, daB die Lagrangedichte nicht nur Lorentzinvariant sondern auch wie in der Maxw ellschen Theorie unabhangig von der Normierung des Potentials sei. Danach kann diese nur von dem normierungsinvarianten Feld- tensor f n g aus GI. (3) und - wie wir in leichter Verallgemeinernng des Mie schen und Born schen Ansatzes hinzufiigen wollen - von dessen Ableitungen abhangen. Es ist also

die Feldgleichungen lauten Is)

Beziiglich der Polarisation des Vakuums herrscht volle ober- einstimmung mit der Mieschen Theorie. Aber die Ladungs- und Stromver{eilung folgt nicht mehr unmittelbar aus der Lagrange- funktion. Der M iesche Ausdruck fUr den Fiererstrom verschwindet

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uberhaupt. An seiner Stelle werden in singukren Punkten' Ab- weichungen von den Feldgleichungen (9) zugelassen unter gleich- zeitiger Voraussetzung der Stetigkeit des Feldtensors fa! und des Viererpotentials 'pa. Die Art und der Bewegungszustand der Singulari- taten ist zunachst weitgehend unbestimmt. Die Bewegungsgleichungen fur die Singularitiiten folgen nicht ohne zusatzliche Annahmen, die in den $8 2-3 njlher betrachtet werden sollen. Die Ladungen er- scheinen also wieder als Fremdkorper im Feld. Es bedarf darum einer besonderen Priifung, ob und in welchem Sinne der Bornsche Ansatz das Miesche Programm einer unitaristischen Theorie von Feld rind Materie erfiillt.

Die Feldgleichungen (9) gelten nur aderhalb der Singularitaten. Ohne Beschrankung des Oeltungsbereiche konnen wir sie in folgender Form schreiben :

Darin verschwindet so uberitll aul3er i n den singularen Punkten. Der Viererstrom ist also von 8-funktionsartigem Charakter. J e nachdem ob wir die Feldgleichungen in .der Form (9) oder (10) benutzen, miissen wir bei Volumenintegrationen die Singularitaten abkapseln oder konnen ohne .Beschrankung tiber den ganzen Raum integrieren. Da die 01. (10) Ladung und Strom explizit herausstellen, sind sie von groBerer Anschaulichkeit. Wir werden darum im allgemeinen auf sie zurlickgreifen. Die zu G1. (10) gehorige Lagangedichte lautet

Das letzte Glied ist allerdings nicht normierungsinvariant. Bei Urn- normiernngen andert sich aber die Lagrangedichte wegen der Eon- tinuitatsgleichung ftir den Viererstrom nur urn eine fiir die Feld- gleichungen unwesentliche Viererdivergenz. Die Normierungsinvarianz der Feldgleichungen bleibt also bestehen.

Im folgenden sol1 im eflgen AnschluB an den zuletzt ent- wickelten B or n schen Formalismus eine spezielle Lagrangedichte untersucht werden , die eine Verkniipfung der Kohasionskrafte des Elektrons mit dem Yukawafeld '3 herzustellen scheint. Sie lautet

und enthalt zum Unterschied von friiheren Ansatzen die bereits er- erwahnten Ableitungen der Feldstarke. Tatsachlich fiihrt Bie zu Punktladungen mit endlicher Ruhenergie, obwohl die resultierenden Feldgleichungen linear sind. Dafur ist also weder die Existenz eines

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absoluten Potentials, wie Mi e meint, noch die Nichtlinearitiit der Feldgleichungen, wie Born meint, notwendig.

Der VerschiebungstensorF,, folgt gemilS Q1. (9) aus det Lagrange- dichte (12) und lautet

Die Konstante l / x ist von der Dimension einer Lange'q. Das zweite Glied der Lagrangedichte und des Verschiebnngstensors liefert nur dann einen merklichen Beitrag, wenn sich das Feld in Bereichen der Llinge 11% oder in Zeitspannen l/xc betrilchtlich ilndert. Da Abweichnngen von der Maxw ellschen Theorie auSerhalb Kern- dimensionen nicht bekannt sind, erwarten wir, da6 1(x ungefahr von der QroBe des klassischen Elektronenradius ist.

xhnlich wie in der Elektrodynamik substantieller Medien kann man statt des Polarisationstensors

uap = PUB - f o p - - - 1 nfap x*

und des wahren Viererstroms sa den freien Viererstrom zur Be- schreibnng der Vorgilnge benutzen. Bezeichnen wir diesen unter Abspaltung eines fiir das Folgende bequemen Faktors mit z U o , so ist

(15)

und aus den %1. (lo), (13) und (15) ergibt sich

aua e o . 4n x U a - x Z U a = - - e s a ) a(l

Neben der Kontinnifatsgleichung fiir den freien Viererstrom erhalt man also Wellengleichungen von der von Y u k a w a '3 diskutierten Art. Die Konstante x stimmt nach nnserer' obigen Abschatzung groBenordnungsmOBig mit dem Y uk a w a schen Wert fiberein. Der Zusammenhang wird noch dentlicher, wenn wir die Feldgleichungen fiir den Polarisationstensor betrachten. Nach den GL (14) und (15) ist namlich

a uap 4n au, au, a S a n a g (17) __ - - - x U a + e S a , ---- - xua,.

Diese Gleichnngen sind mit den Proca-Yukawaschen "') Feld- gleichungen fur neutrale Mesotronen identisch. Der Polarisations- tensor entspricht dem Yukawaschen Feldtensor, und der freie Viererstrom ist dem Yukawapotential proportional. Die Analogie ist zunachst aber nur formal und laSt sich auch noch in anderer Weise

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herstellen"). Die vermutete GroBenordnung von x ist mit dem Y u k a w a schen Wert vertraglich. Aber die Realitiit der FeIdgroBen iiberrascht, denn die Hinweise auf neutrale Mesotronen sind bisher nur unsicher. Eine tiefergehende Abweichung von der Yukawaschen Vorstellung besteht darin, da6 der Viererstrom als Quelle des Pukawa- felds auftritt la). Gewohnlich schreibt man diese Fahigkeit den schweren Teilchen zu, und zwar dem Proton und Neutron in gleicher W-eise, unabhangig von ihrer Ladung. Es bleibe dahingestellt, ob diese Uiiterschiede wesentlich sind oder ob sie sich beim weiteren Ausbau der Theorie verlieren.

Den Verschiebungstensor Fa, kann man aus dem Viererpotential

(18) ableiten. Es gilt also

Das Bind genau die Maxwellschen Gleichungen des Vakuums. Das Miesche Feld fa, zerfallt danach in unserm Fall in ein reines Maxwellfeld Fa, und in ein Tukawafeld Ua,. Die Vei-kniipfung der beiden erfolgt allein iiber den Viererstrom sa als gemeinsamer Quelle.

I m AnschluB an die Feldgleichungen wollen wir noch die Er- haltungssatze angeben. Entsprechend dem Zerfall in das Maxwell - sche und Yukawasche Feld erhalt man in den ladungsfreien Ge- bieten, also auSerhalb der Singularitaten l zwei Tensoren, fUr die getrennt Erhaltungssatze gelten, namlicli

lhre Divergenz verschwindet auBerhalb der Singularitilten. Ohne Beschrankung gilt

L)a nur das Miesche Feld am Ort der Singularitaten endlich ist, miissen sich die beiden angegebenen Anteile des Energie-Impuls- Tensors subtraktiv zum gesamten Tensor zusammensetzen gemaB

(22) afi a @

wenn die Arbeits- und Impulsbeitrage auf der rechten Seite der Gleichung

T = T M - Tf,,

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endlich sein sollen. Die entsprechenden Glieder in G1. (2 1) divergieren. Eine formale Begriindung filr das negative Vorzeichen des Y u k a w a - schen Tensors, einer weiteren Abweichung von den ublichen An- nahmen, wird sich in § 4 beini ubergang zur Hamiltonfunktion ergeben.

Zum SchlnB dieser Betrachtungen 8011 noch die fur die Anwendung wichtige Trennung der Gleichungen in Raum- und Zeitkomponenten durch- gefuhrt werden. Es sei (za) = (T, i c t ) , (8d = (3, ice) und

(94 = (a, i (PI 3 (f4l - - f89 a ) = (i E, b) ,

(Oa) = (2, i @ I , (B’41 - F*s - a ) = (i sb, 8 ) . (24) . { (U,, = (U, i V ) , (U,, * u,, - a ) = (i 8 , 0) ,

Daraus folgt nach den GI. (14) und (16) [ % = 4 + 8 , @ = S + @ ;

(26) c

1 1 I = a + - U , @ = c p + - V ; 5 X

C

1 - 1 . 4%

1 . I * 4n

ro t8 .E- -8, div@=O, ro t@= -%-XU+ -I, div%=-xV+4nq;

rot a= - - 8, divQ = 0, rot @= - sb + -- I ,

C

div sb= 4 n 4 .

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Daraue ergeben eich fur die Mieschen Potentiale die Gleichungen

O ( O - x x p ) ~ = 4 x x ' e !

(0 - x s ) a = - x X p 8 . 4 n C

(30) I \

Die Energiedichte W = - T,, , die Energieflufidichte Q = (SJ = - ic(T,J und der Spannungstensor 17 = (n,J = (TkJ lauten nach G1. (22)

1 8n

w = -p* + 82 - - 8 2 - v2 - u*\, (31) Q = ;;m 81 - cs, @I - vu1,

1 n = - 2- { D(9) + n(8) - n (3) - n(@) + n(u) + v 2 I ] . 4 n

1 I7kZ(%) = A k A L - y a k 1 8 3 7

1 Darin bedeutet I den Einheitstensor I = ( I k I ) = (akJ und 'ZZ(%) be- zeichnet einen Tensor der Form

(32) dessen Divergenz

(33) Div 17 (fl) = 'i!l div a - [a, rot '21 ist. Die Erhaltungssatze

div G

Div I7 + (34) 1 und in integraler Form

lauten in. difi'erentieller Form

+ W = - - ( m ) , - G = - C * P @ - y W l 1 - 1

Sie besagen, daf3 die Abnahme der Energie in einem bestimmten Volumen nicht nur durch Ausstrahlung erfolgt sondern im allgemeinen auch durch (eventuelle negative) Abgabe an die Singularitat. Ent- sprechendes gilt fur den Impuls. Danach ist im allgemeinen die Singularitat selbst und nicht nur ihr Feld Wager von Energie und Impnls.

Wenn wir die Feldgleichungen in der Bornschen Form (9) be- nutzen, fehlt auf der rechten Seite der G1. (35) das zweite Glied. An dem Ergebnis andert sich dadurch aber nichts. Denn das FYachen- integral ist nunmehr nicht nur uber die Oberfliiche des heraus- gegriffenen Volnmens sondern auch uber die der infinitesimalen

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Kapseln um die Singularitaten zu erstrecken. Neben der Aus- strahlung durch die LuSere Oberflache gibt es also auch eine positive oder negative Ausstrahlung in die Singularititen. Diese ist genau gleich dem Beitrag der singuliiren Glieder in den G1. (35). Es gilt namlich der wichtige Satz, auf den wir im folgenden noch zuriick- kommen werden, daS die Leistung an der Singularitilt und die auf sie wirkende Kraft gleich dem in der Zeiteinheit dnrch die infini- tesimde HUllflache tretenden Flu8 der Energie bzw. des Impulses ist. Unser Ansatz ist also nicht nur im begrifflichen sondern auch im energetischen Sinne dualistisch. Ausnahmen ergeben sich nnr in Sonderfallen, auf deren Diskussion wir in 8 3 zuriickkommen.

5 2. Punktledung und Bewegungrgleiohnngen

Im folgenden sol1 die der Punktladnng entsprechende Losung der obigen Feldgleichungen untersucht werden. Wir betrachten zu- nachst den statischen, kugelsymmetrischen Fall, in dem die Grund- gleichungen die einfache Form

d i v s = 0 , B = - gradcp, sb = B - d Q 1

annehmen. Daraus folgt als Potentialgleichung

d ( d - %Z)T = 0 .

Die angeschriebenen Gleichungen gelten nur auSerhalb der Bingulari- taten. Unter der Annahme einer einzigen im Ursprung rnhenden Singularitkt erhalt man als Lasung la)

Die Quellstarke e, ist an dieser Stelle willkUrlich wahlbar. Ihre Bestimmnng ist ein Problem der Quantelung. Das Potential cp, hat im Zentrum der Singularitit den endlichen Wert x e,, es fallt xu- nachst linear ab und geht weit d r a d e n in den Coulombschen Ver- lauf 1/r iiber. Die itbrigen Potentiale kann man aus Gl. (1) ableiten, und zwar ist

e- x I

@ = e, U0 = ?, e0 V = Xe, V, 5; xe, - - a

Die zugehorigen Feldstirken lauten

Das (%,@)-Feld (Maxwellsches Feld) ist ein reines Coulombfeld, wghrend das (3, V)-Feld den Verlauf einer Yukawaschen Singularitit

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zeigt. drauBen gilt sb = Q.

G1. (1,31)

I n geringen Abstanden vom Zentrum ist 3 = 3, und weit

Die Energiedichte des Feldes unserer Punktladung lautet nach

1 eOp 8 n r1 '

Fur die gesamte Feldenergie folgt daraus

W = ~ -fl - (1 + 2 x r + 2 x 2 r s ) e - 2 x r j .

I r X Die Masse der Tukawaquanten (mp = e) verhiilt sich also zur

Ruhmasse des Feldes

(5)

wenn wir e, mit der Elementarladung identifizieren. Es ist be- merkenswert, daB dieses Verhaltnis von x nicht abhiingt. - Setzen wir mE gleich der Elektronenmasse, so erhalt man fur die Reich- weite der Yukawakriifte

- ''' = 1,40 * cm. 1 x 2 m , c x

_ _ - __

Beide Zahlenwerte erscheinen befriedigend, zumal noch die oben er- wahnte Wechselwirkungsenergie zwischen dem Y ukrt waschen und Maxwellschen Feld fehlt. Mehr als die endgiiltige Angabe der Zahlenwerte ist beim derzeitigen Stand von Theorie und Experiment der Umstan'd wesentlich , daB die groBenordnungsma8ige uberein- stimmung zweier unabhangiger Daten aus der Theorie des Elektrons (Feinstrukturkonstante, Elektronenradius) mit den entsprechenden Daten aus der Theorie der Kernkrafte (Verhilltnis der Masseri von Elektron und Mesotron, Reichweite der Kernkrafte) durch die Ver- wandtscbaft der vorliegenden Betrachtungen mit der Yukaw aschen Theorie eine gewisse Deutung erfahrt.

triigt, wie man leicht nachrechnet, Die Feldenergie zweier ruhender Ladungen el und ex im Abstand r be-

1 1 2 2 E = - x el9 + 7 x e9* + e, e, q,, (r) .

Sie setzt sich au8 der Selbstenergie der beiden Teilchen und ihrer Wechsel- wirkungsenergie zusammen. Fiir ein Paar aus einem positiven und einem negativen Elektron folgt daraus

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Im Falle gegenseitiger Durchdringung der beiden Elektronen (r = 0) ver- schwindet diese Energie. Die Wechselwirkungsenergie kompensiert also gerade die Selbstenergie, so daB bei dem VerschmelznngsprozeB vollatiindige Zer- etrahlnng eintritt.

Der obergang zum gleichformig bewegten Ladungsteilchen er- folgt in einfacher Weise durch Lorentztransformation. Aus den angegebenen ,Qusdriicken f iir die ruhende Punktladung erhalt man im Falle der Geschwindigkeit t, = /? c 8 :

Darin bedeutet

den Abstand des Aufpunkts vom Zentrwn der Singularitiit in dessen Ruhsystem. Ftir die Feldstarken folgt daraus

Energie und Impuls geniigen den bekannten Relationen

iW

Man kann die letzten Gleichnngen durch direkte Auerechnung bestiitigen. Bezeichnen wir mit

den Maxwellachen und die beiden Yukawaschen Anteile der Energie- und Impulsintegrale eines bewegten Elektrons, und versehen wir die entsprechenden GroBen des ruhenden Elektrons mit dem Index o , so ist

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Die einzelnen Feldbestandteile folgen also keineswegs den Q1. (10). Bei den Impulsen tritt insbesondere der bekannte Faktor ' I s auf. Die Zerlegung in einen Maxwellschen und Yukawaechen Energieanteil ist danach nicht Lorentzinvariant obwohl die entsprechende Zerlegung der Felder eine in- variante Bedeutung hat. Dies h(lngt damit zusammen, daB die VoIumen- integrale der Komponenten Tp4 des Energie- Impuls -Tensore nur unter be- schriinkten Voraussetzungen einen Vierervektor darstellen '1). Die G1. (10) f iir die Gesamtenergie ergeben sich aus den letzten unter Beracksichtigung der Identitiit

E,' - E," - 3 E,"' pi 0 . Die G1. (7) und (9) fur gleichformig bewegte Teilchen gelten

naherungsweise auch ftir hinreichend langsam beschleunigte. Seien ev die Ladungen, r,(t) und bv( t ) die Orte und Geschwindigkeiten der Singularitaten, so ergibt sich das gesamte Feld in obiger Naernng einfach durch nberlagerung der Teilfelder. Die Mi e schen Potentiale lauten danach

und fur die Feldstiirken erhalt man die Ausdriicke

In diesen Gleichungen ist pv = &E!- die iibliche Abkurzung, und C

bedeutet den auf das Ruhsystem des v-Teilchens bezogenen Abstand des Aufpunkts von dessen Zentrum. Fiir den Maxwellschen und

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F. Bopp. Eine lineare Theorie des Elektrons 357

I 'ukaw aschen Feldanteil gelten entsprechende Gleicliungen, die aus den obigen durch Einsetzung von U0 und Vo (bzw. x*Vo) an die Stelle des Mieschen Potentials yo entstehen.

Die Lagrangefunktion nimmt in dem vorliegenden F d l eine be- merkenswerte, teilweise schon von B o r n diskutierte Gestalt au. Ihre Dichte kann man nacli GI. (1,12) unter Abspaltung einer Vierer- divergenz folgendermaflen schreiben:

Die Integration iiber den Rnurn liefert bis auf unwesentliche Zeit- ableitungen

Daraus folgt mit Rucltsicht auf die Strorn- und Ladungsvexteilung2z)

wenn wir die Potentiale aus G1. (11) einsetzen, zunachst

und schlieilich V

Darin bedeutet

Wenn wir eine Singularitilt herausgreifen, etwa die p., und das Rest- feld mit

bezeichnen , wobei 2' die Summation iiber alle Teilchen auf3er

dem Q. bedeutet, 80 kann man G1. (18) bis auf Glieder, die die Koordinaten des p. Teilchens nicht mehr enthalten, auch in folgender Weise schreiben:

c

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Die beiden Glieder in der ersten Zeile haben die Form der klassischen (relativistischen) Lagrangefunktion eines Teilchens im Felde der andern. Das dritte Glied liefert eine Korrektur von relativistischer GroBenordnung, die im wesentlichen auch in Max - w ellscher Xiherung bestehen bleibt und, wie wir sehen werden, b k auf die vernachlassigten Beschleunigungsglieder mit dem Darwin - schen Ansatz z3) fur das Mehrkorperproblem ubereinstimmt. Danach kann nian im AnschluB an Bornz4), der in seiner NBherung nur die beiden ersten Glieder von GI. (21) erhglt, die im vorigen Paragraphen aufgewiesene Lucke in naheliegender Weise durch die Forderung ausfullen', da6 die Lagrangefunktion (1,121 nicht nur beztiglich der Variation des Feldes, sondern auch gegeniiber Variationen I der Bahn- kurven der Singularitaten extremal sein SOH. Dabei ist auf die Reihenfolge der Variationen zu achten. Die Untersuchung der Bahn- kurven ist erst nach Kenntnis der Feldgleichungen und ihrer Losungen moglich. Durch diese Rangordnung wird eine engere Verknupfung zwischen Feld und Materie hergestellt, als es in den ilblichen dua- listischen Formulierungen der Theorie geschieht 9. Die obige Ein- f uhrung der Bewegungsgleichungen stellt eine Verallgemeinerung des bekannten Verfahrens der. Variation der Parameter zur Berechnung von Kriiften aus der Energieaa) dar, nach der sich die Triigheits- krafte in derselben Weise ergeben, wie die W-echselwirkungskrafe der Teilchen mit dem autleren Felcl. Wenn wir auch, wie wir ge- sehen haben, von einer unitaristischen Theorie in dem strengen von Mie formulierten Sinne zunachst nicht sprechen konnen, 60 ist doch das urspriingliche Ziel der Programmatiker des elektrodynamischen Weltbilds erreicht. Die Tragheit der Teilchen erscheint als ein Effekt der Selbstinduktion denn sie hangt nach Auskunft der Massenglieder von G1. (18) mit dem die Beschleunigung der Teilchen begleitenden hufbau des Magnetfelds zusammen. Allerdings setzt die relativistische Deformation des elektrischen Felds den klassisch zu erwartenden Wert auf die Halfte herab.

Nach den beiden ersten Gliedern von G1. (21) bewegt sich jedes Teilchen im Felde der iibrigen unter dem EinfluB der Lorentakraft mit der

x e Masse m = Das Eigenfeld der Teilchen erscheint nur im Massenglied

und fiillt dsmit von selbst aus dem Kraftansatz heraus. Wenn der Teilchen- abstand groB gegen den Elektronenradiue ist, braucht man die Abweichungen

e 2 c 3

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F. Bopp. Eine lineare Tlieorie des Elektrons 359

vom hIaxwellschen Feld nur in den lllassengliedern zu beriicksichtigen. In diesem Fall folgt aus GI. (1s) untcr Beibehaltung der f i r das Mchrkolprr- problem charakteristischen Glieder

(22) A = - 2 mv cs 1/1- p,,' - -

Im Sonderfalle zweier Teilchen ergibt sich daraus, wcnn wir nur Gliedcr bis zur GroBenordnung @' systematisch beriicksichtigen und beachten, dab sich 1/x R wie 8% verh&lt18)

V 2

Pl v

Dies geht in ubereinstimmung mit unscrer obigen Behauptung his auf Be- schleunigungsglieder , die wir vernachliissigt haben, aus dcm D a r w i n echen Ansatz *3)

hervor, wenn wir die f iir die Bewegungsgleichungen unwesentliche Zeitableitung

(25)

addieren. Im Maxwellschen Grenzfall wollen wir noch die Veraerrnng des Felds

durch die Beschleunigung nliher betrachten. Wenn wir die GrGBenordnung ne)

von l / x R wie bewerten und die von 6 und b bzw. wie v2/R und vslR, so lauten die Potentialem) bia zu Gliedern dritter Ordnung in #?:

Die Lagrangefuukti0.n (17) nimmt danach folgende Form an

Bis zu Gliedern vierter Ordnung stimmt dieser Ausdruck nunmebr in Strenge mit dem Darwinschen iiberein. Die weiteren Glieder sind bei D a r w i n weg- gelassen. Ihre Beriicksichtigung wird erst dann sinnvoll, wenn wir, wie das spiiter geschehen 8011, die Strahlungskriifte in unsere Betrachtung einbeziehen. Hierbei ist noch zu beachten, dal3 infolge der bei beschleunigter Bewegung auftretenden Ansstrahlung die beiden durcb partielle Integration auseinander

34*

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360 Annalen del Physik. 5. Folge. Band 38. 1940

hervorgehenden Formen der Lagrangefunktion in G1. (1,12) und in GI. (17) nicht notwendig zum selben Ergebnis zu fiihren brauchen. Irn AnschluS an die in GI. (3,6) angegebenen Lasungen f iir die Wellenzone kann man jedoch mindeetens far die Maxwel l sche Nliherang zeigen, daS die Beitrage der bei der partiellen Integration auftretenden Fliichenintegrale unwesentliche Zeitableitungen sind.

Zum SchluS verdient es bcmerkt zu werden, daS es auBer den Punktladungen keine weiteren Punktsingularitaten mit endlicher Ruhmasse zu geben scheint. So fiihren z. B. die elektrische und mzgnetische Dipolsingularitat

und zu divergierenden Energieintegralen. Fur hiihere Multipole gilt das erst recht. u b e r stehende Wellen, die zu schwingenden Dipolen gehijren, kann man im allgemeinen ahnliches sagen. Bei diesen sitzt auBerdem weit drauSen ein unendlicher Beitrag zur Feld- energie. Biir Frequenzen o 2 x c kann die Divergenz im Zentrum der Singularitat weghllen.

P e r = - (8, v ) d ( r ) , 1,, = 0 ! j m g t = 0 , smgt = [ P , VIJ(2:)

8 3. Strahlungskraft

Die obige Ableitung der Bewegungsgleichnngen aus einem Variationsprinzip ist unvollstandig. Die Strahlungskraft fehlt noch, wie wir sehen werden, und laf3t sich als energiezerstreuende Kraft wahrscheinlich auch nicht durch eine passende Abanderung der Lagrangefunktion erfassen. Man muB darnm eine umfassendere Formulierung der Bewegungsgleichungen anstreben, die an die Stelle der obigen B o r n schen Forderung treten soll.

Zur Vorbereitung dieser Verallgemeinerung stellen wir das Er- gebnis des vorigen Paragraphen in einer neuen Form dar. Dabei beschranken wir uns einstweilen auf die Bewegung eines einzigen Teilchens. Seine Ladung sei e,, die Bahnkurve r, ,( t) und die Ge- schwindigkeit b ( t ) = f , (t). Nach den G1. (1,29) kiinnen wir die zu- gehorigen Mi e schen Potentiale in folgender Form schreiben:

Darin bedeutet der Strich bei 2:" und b das Argument t' statt t. Ort und Zeit des Aufpunkts sind mit 2: und i bezeichnet, und die .i,p-Funktion lantet

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F . Bopp. Eine lineare Theorie dcs Elcktrons 361

Das erste Glied bezieht sich'auf den Maxwellschen, das zweite auf den Yukawaschen Feldanteil. Nach a l . (2,15) erhalt man daraus folgenden Ausdruck fur die U'irkun gsfunktion

Fur die zugehorige Kraft erhalt man durch Variation die Gleichung

G1. (4) enthalt die Strahlungsriickwirkung noch nicht. Sie stimmt auch nicht mit der Lorentzkraft

9 = eof = eo (& + $[bB])

iiberein, wenn wir unter f3 und B die retardierten Feldstarken ver- stehen. Nach G1. (1) ist namlich

und

Erst die Addition des avancierten Lorentzfeldes, das aus dem retardierten durch Ersetzung von ym durch v-m hervorgeht, ftihrt zu einem vergleichbaren Ergebnis. Nach der Transformatiou der 1nt.egrationsvariabeln + o in - w lautet das avancierte Feld

und ergibt zusammen mit GI. (7) die grundlegende Beziehung

(9)

die fur die Wechselwirkungsanteile mehrerer Teilchen auf F o k k e r 31)

zuruckgeht. Das gleichberechtigte Auftreten von retardierten und avancierten Potentialen bedeutet, da8 im Mittel auch keine Strahlungs- reaktion stattfindet, obwohl es nach Ansatz (1) Ausstrahlung gibt "4.

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362 Annnlen der Pkysik. 5 . Folge. Band 38. 1940

Im Bereich der Maxwellschen Elektrodynamik hat Diraca) gezeigt, dab sich der seit langem bekannte Ausdruck fur die Strahlungs- kraft in folgender Form schreiben la6t:

wobei der letzte Ausdruclr streng gilt. Wenn wir vorbehaltlich einer genaueren Untersuchung die linke G1. (10) als allgemeinen Ausdruck fur die Strahlungskraft iibernehmen, folgt aus ihr und den vorher- gehenden Gleichungen gerade das retardierte Lorentzfeld als Gesamt- kraft : (1 1) R = Ro + R8 = eo€(r,,). Die avancierten GroBen treten nicht mehr explizit in Erscheinung. Sie gewinnen nur bei der Zerlegung der Kraft in einen energie- erhaltenden und einen energiezerstreuenden Anteil Bedeutung.

Dieses bemerkenswerte Ergebnis legt es nahe, das Variations- prinzip des vorigen Paragraphen durch folgende sogleich fur mehrere Teilchen geltende Forderung zu ersetzen:

Die aus den retardierten Potentialen berechnete Lor entzsche Feldstdrke € = Q + [b,B] verschwindet in den singularen Punk- ten des Feldes.

Mit ihr verschwinden auch die rechten Seiten der Energie- nnd Irnpulsgleichungen (1,34). Nach dem am Ende Ton 8 1 erwahnten Satz bedeutet dies, daB durch die infinitesimalen Hiillflachen urn die Singularitiiten kein Energie- und ImpulsfluB stattfindet. Die Singu- laritaten sind also in diesem Fall nicht mehr am Austausch von Energie und Impuls beteiligt, so daB sich der in 8 1 erwahnte Sonderfall einer im energetischen Sinne unitaristischen Theorie er- gibt. Die Bornschen Bewegungsgleichnngen gelten also nur bei Vernachlassigung der Busstyahlung. An ihre Stelle tritt nunmehr die Forderung, daB die gesamte sich aus dem inneren und auBeren Feld zusammensetzende Lorentzkraft auf die Singularitaten ver- schwindet. Das Auftreten der Lorentzkraft gewinnt hier eine iiber die urspriingliche, experimentelle Formulierung hinausgehende Be- deutung. Die begritrliche Unabhangigkeit der Bewegungsgleichungen von den Feldgleichungen bleibt trotz unserer energetischen Fest- stellungen erhalten urid tritt womoglich noch starker hervor.

Die Art des Verschwindens des Feldes im Zentrum der Singularitiiten bednrf einer ErlLuterung. Betrclchten wir e. B. das Feld des ruhenden Elektrons.

1

Das skalare Potential lautet in diesem Fall nach GI. (2,l)

'p = 5 (1 - e-.') r

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F. Bopp. Eine lineare Theorie dcs Elekfrons 363

und dss Vektorpotential verschwindet. Das Lorentzfeld ist also gleich dem elektrischen Feld und stellt sich als Potentialgradient dar. Auflerhalb der Singularittit folgt daraus

- K T t - re-^^) 3 f = Q = - gradcp = (1 - e

In ihrem Zentrum hiingt jedoch das Ergebnis von der Definition des Gradienten ab. Die gelliufige differentielle Definition f iihrt gem88 obiger Gleichung zu einem bestimmten Betrag bei vollig unbestimmter Richtung. Das stimmt gut mit dem nach dlen Seiten auseinanderlaufenden Kraftlinienbild uberein. Die integrale Definition des Gradienten

gradcp = lim - - J p d f 1 v 4 m v

fiihrt dagegen zu dem mittleren Wert f(0) = 0.

Dieser ist offenbar in der oben aufgestellten Forderung gemeint und so zu verstehen, dafl das sich spreizende Kraftfeld die Singularitlt nach allen Seiten zu zieben versucht und auf diese Weise in der Ruhelage festhllt. Energetisch wird diese Auffassung durch den integralen Energie- und Impulssatz bestltigt. Beschranken wir niimlich die Integration in der zweiten GI. (1,35) auf ein infinitesimales Volumen um die Singularitlt, so verschwindet das zweite Glied auf der rechten Seite

Es ergibt sich gerade der eben hesprochene Mittelwert ‘). Trligheitskraft und Strahlungskraft riihren davon her, daS sich die Kraftwirkungen des Eigenfelds nach dessen Verzerrung durch die Beschleunigung nicht mehr kompensieren. Die GI. (9) bis (11) sind nur sinnvoll, weil die Ausdrucke (7) und (8) fiir daa retardierte und avancierte Lorentzfeld in den Singularitaten bereits den ge- forderten Mittelwert ergeben ”3.

Nach unserer neuen Forderung lauten die Bewegungsgleichunge~ fur mehrere Teilchen, wenn wir der Feldberechnung GI. (7) zugrunde legen und die Bezeichnungen aus dem vorigen Paragraphen uber- nehmen

tl

Die durch die erste G1. (13) definierte GrOBe kann man als Impnls auffassen. Bei der Vernachlassigung der Strahlungskrafte stellen die den p , entsprechenden GroSen, wie die Wirknngsfnnktion (3) zeigt,.

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364 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 38. 1940

gerade die zu den Ortskoordinaten kanonisch konjugierten GroBen dar. Die obige Verallgemeinerung ist zwar naheliegend, vorlaufig aber nur formal und durch lreine sachlichen Gesichtspunkte bestimmt. Durch Multiplikation yon GI. (12) mit by uud Summation iiber alle Teilchen v erhalt man nach einfachen Umformungen mi t den GI. (13) den Energiesatz iu folgender Form:

(14) , . btl yt (rv - rlr') sin o (1' - t ) d o d t'

Die Abkiirzungen ~2 und 9; entsprechen den Bezeichnungen $to uud e8 in GI. (11) und lauteu

Auf der linken Seite von GI. (14) steht die h d e r u n g der gesarnten Partikelenergie, die rou der Feldenergie wohl zu unterscheiden ist. Zur Deutung der Glieder auf der rechten Seite integrieren wir zu- nachst einmal iiber t , und zwar bei beliebigen Bewegungen im Interval1 (- a, + 03) , bei periodischen Bewegungen fiber eine Periode und bei Bewegungen, die nur wfhrend einer beschrankten Zeit strahlen, iiber diese Zeitspanne. In allen diesen Fallen ver- schwindet der Beitrag des ersten Glieds auf der rechten Seite, wie man bri gleichzeitiger Vertauschung der Surnniationsindizes p, v und der Integrationsvariabeln t , t' erkennt. In der Tat darf q~:, wenn unsere Verallgemeinerung des U i r acschen Satzes richtig ist, keinen Beitrag zur Ausstrahlung liefern. Das erste Glied enthalt danach diejenigen Energiebeitriige, die von der gegenseitigen Zu- streuung der Teilchen (p f v) und von der Emission und Re- absorption (pulsierendes Feld, p E v ) herriihren8').

Entsprechende Ergebnieee erhglt man fur den Impuls und Drehimpuls. Im ersten Fall folgt aua den GI. (12) und (13) nach Summation iiber Y:

. COS w (t - t') do dt'

\ sin o (t - t ') dt' ,

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F. Bopp. Eine lineare Theotie des Elcktrons 365

und fir die Anderung des Dreliimpnlses der Teilchen erhlilt man die Gleichung:

} 1 + ~0 [b , , b i ] tp; (t, - t l ;)

Nach der Integration iiber t verachwindet in beiden FEtllen genau wie zuvor das erste Glied auf der rechten Seite. Ausstrahlungseffekte sind also allein in dem zweiten enthalten.

sin o (t’ - t ) do dt’ . I

Nachdem wir den Inhalt unserer an den Diracscben Satz an- kniipfenden Vermutung von verschiedenen Seiten betrachtet haben, wollen wir ihre Vertrilglichkeit mit allem, was man von der Strah- lungslrraft weif3, aufzeigen. Diese ist als Reaktionskraft der mitt- leren Ausstrahlung definiert. Ihre mittlere Grof3e ist also durch den im Mittel verlorenen Strahlungsimpuls und ihre mittlere Leistung durch die im Mittel ausgestrahlte Energie gegeben. Danach gelten mit Riicksicht auf den Energie-Impuls-Satz in G1. (1,35) folgende Beziehungen :

V V

Die Integration iiber df ist vektoriell zu verstehen rind iiber die unendliche Kugelflache zu erstrecken. Fur die Zeitintegration gilt dasselbe wie fur die Integrale in den G1. (14) bis (17). Im Hinblick auf die zu untersuchende Vermutung erwarten wir, da6 sich am der obigen Definition der Reaktionskraft folgende Gleichungen er- geben

(”) i $ l b v 9 / ) d t - z e V r b v f , ( T ) d t V = - l e d f a t ,

in denen

(20) 1

f, (t) = 2 ( t (r) - fc (t)) bedeutet. Nur in diesem Fall etellt die Vermutung in G1. (10) einen moglichen Ansatz fiir die Strahlungskraft dar.

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366 Annabn der Physik. 5. Folge. Band 38. 1940

Wir beginnen mit der Diskussion der zwoiten Bl. (19) und beschrhken uns bei der Durchfuhrung der Rechnuug auf den Yukamaschen Anteil. Die Gultigkeit des Satzes f u r den Maxwellschen Anteil ist bereits von D i r a c bewiesen und folgt BUS iinserer Rechnung durch die Spezialisierung Y = 0. Im Yukawaschen Fall ist

r wenn wir mit n = - den Einheitsvektor vom Ursprung d ts Koordinaten- systems zu dem Integrationselement auf der unendlich fernen Kugelfliiche und mit d J 2 dan zugehorige Winkelelement bezeichnen. Aus GI. (I) folgt f u r die von mehreren Teilchen hcrriihrenden Potentiale in der Wellenzone, wenn wir f'iir yw (vorubergehend) nur den Yukawasehen Beitrag

- i W ~~ R i v x * c ' d - o*, falls 1 0 1 5 x c , e c

ly,(%) = -. H ' fails 1 I > c , (22)

eiusetzen :

23)

dt' .

Die Feldstiirken lauten dtluach

so dab sich aus G1. (21) der Ausdruck

I . a f i a O a o ' a t a t ~ [ z t , a18 Ausstrahlung ergibt. sich leicht ausfiihren und liefert die Bleichung

Die Integration iiber to und w' (Fourierintegral) 1SBt

i a - - (n, ry - rCl') + i w ( t - t') I . e d f i d o d t d f .

Page 23: Eine lineare Theorie des Elektrons

F. B o p p . Eine lineare Theorie des Elektrons 367

i c Darin klinueu wir den Einheitsvcktor n durch den Operator - ~ v

( V = ersetzen und RnschlieEend die Winkelintegration durch-

fuhren. Es folgt, wenn wir die Bezeicbnungen aus G1. (15) benutzen und beachten, da6 die Integration uber o auEerhalb des Intervalls (- x c , i- x c ) verliiuft:

0

a ) a = - ---

a

Das stimmt gemii8 unserer Bebauptung in der zweiten G1. (19) mit

. w t ( r v - rP3 do d t d t ' .

ubereiu, menn das dritte Glied in G1. (27) verschwindet, wenn also

--m X E

I r v - rc"I ist f i r a r .. ~ ~~ ~ und T = t - t' =

gral uber GI zu. Zerlegen wir dieses gemti6

m. Das trifft bereits fiir das Inte- C

-____- D (sin n ~ J O Y - nP cz - sin a o)

COS T 0 d o ~ COB T O d o + -- -~ _____ J " 8 - xy c2

!= j' o sin a 0

o* - 9 c" x c o , > x c U , > X C

Y C

0 so verschwindet der erste Anteil , weil die Funktion im ganzen

Integrationsintervall mit wachsendem o monoton nach Null strebt. Die beiden andern Anteile verschwinden, weil die Integrale uber die Faktoren von COB r o im Integrationsintervall absolut konvergieren. Im Maxwel l schen Grenzfall x = 0 geht das Integral in den bekannten diskontinuierlichen Faktor von D i r i c h l e t iiber 9.

Der abgestrahlte Impuls berechnet sich nach GI. (1,31) im Yukawaschen Fall aus der Gleicbung

oa - x a c 2

In derselben Weise bestltigt man die erste G1. (19).

1 lim t-aJ(S(%n) - 1 S'n +@(an) --@2n 1 (30) ("""i:dt= 4n r+-m 2

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368 Annulen der Physik. 5. Folge. Band 38. 1940

aus der zunhchst die zu (31. (2.5) analoge Beziehung folgt:

i i j i m ( t - t ' ) - - - - ( i i , r v - r I l )

. e d S 2 do d t d t ' .

Die Winkelintcgration la!& sich wiederum in einfacher Weise durchfiuhren, wenn man fur den Vektor n den oben angegebenen Operator eineetzt. Es ergibt sich

und die Vergleichung mit

fiihrt sofort zu unserer Behauptung, wenn das dritte Glied in G1. (32) ver- schwindet, wenn ale0 fur r = t - 1' = +_ m

+ ~

(~y: sina 8 2 cos r o d a a I X C

ist. Das trifft tstsiichlich zu. Dss zweite Integral uber w verschwindet nach den bereits oben getroffenen Feststellungen. Zerlegcn wir dRe erste Integral iiber o gem(iS

-___ sin r o sin n l/o* - x g c *

d i j = d o

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F . Bopp. Eine lineare Theorie des Elektrons 369

so verschwindet das vordere Gtlied .Huf der rechten Seite, weil der Faktor von pin T o zu einem absolut konvergenten Integral fiihrt. Fur das hintere Glied erhiilt man folgende Abschftzung

0. 0"

falls q, nach x c konvergiert. Im Maxwellschen Grenzfall x = 0 ist das o-Integral von Null verschiedeu. Es ist

fsina;:inzu ~ - -~ n a - 2

0

also proportional a, so daB trotzdem GI. (34) gilts5J.

Damit sind die 61. (19) vollstandig bewiesen. Sie ergeben sich allein aus den Feldgleichungen, gelten also unabhangig davon, ob die Bahnkurven der Teilchen den obigen Bewegungsgleichungen geniigen oder nicht. Das letzte kann wiclitig werden, wenn neben den reellen auch virtuelle Bahnen zu untersuchen sirid oder wenn Krafte nichtelektromagnetischer Natur die Bewegungsgleichungen abilndern. Der Ansatz fUr die Strahlungskraft in GI. (10) ist offensichtlich mit den G1. (19) vertraglich, aber nicht eindeutig durch diese bestimmt, da man stets znsatzliche Krafte angeben beitriige verschwinden. Ein Beispiel daftir

kann, deren Integral- liefert der Ansatz:

Er zeigt zugleich, in welcher Richtung man die eindeutige Be- stimmung der Strahlungskraft suchen mu& Denn wenn unser An- satz in G1. (10) richtig ist, dann gelten nicht nur die G1. (19), sondern auch entsprechende Gleichungen fiir Drehimpuls , Virial, Eoergiemoment und hohere Momente von Impuls und Energie. Dns bedeutet eine so weitgehende Einschrankung der Moglichkeiten, dad kaum noch mit mehr ds einer Losung zu rechnen ist. Z. B. widerspricht die in G1. (35) gegebene Abwandlung des Ansatzes far die Strahlungskraft bereits der den Gl. (19) entsprecheuden Dreh- impulsgleichungen

Y I

Die Dnrchfiihrung des sngedeuteten Eindeutigkeitsbeweises setzt allerdings die Kenntnis samtlicher Momentengleichungen

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370 Anmlen der Pkysik. 5. Falge. Band 38. 1940

voraus oder mindestens eine qoch nicht gekennzeichnete Mannig- faltigkeit derselben. Solange man keine Gesichtspunkte angeben kann, die samtliche Gleichungen mit einem Schlage zu erfassen gestatten, diirfte dieser Beweis kaum durchfuhrbar sein. Wir be- schranken uns darum einstweileri auf die in sich begrundete Angabe der Gesamtkraft in G1. (ll), die aus der einleuchtonden Forderung folgt, da0 der FeldHuB durch die infinitesimale Umgebung der Punktsingularitaten verschwinden 6011. Die Abspaltung des Kraft- anteils in G1. (10) als Strahlungskraft wird durch das Variations- prinzip in G1. (2) nahegelegt unrl steht mit ihrer bisherigen Definition, die allerdings nicht vollstandig ist, gemaB den G1. (19) im Einklang.

Damit sind wir am Ende unserer kritischen Diskussion der Feld- und Bewegungsgleichungen angelangt. Die Ableitung der letzten aus dem B o r n schen Variationsprinzip hat sich als weniger vollstandig und anschaulich erwiesen als deren spatere Definition, die unseren gewohnten Vorstellungen sehr entgegenkommt. Wenn wir dennoch zunachst von dem B o r n when Prinzip ausgegangen sind, so ist das nicht nur durch die Moglichlteit des Anschlusses an die sachlicli vorangegangenen Arbeiten, sondern vor allem durch folgende Griiucle bestimmt: Erstens ermoglicht die vorliegende lineare Theorie, wie dem Verf. scheint, ein tieferes Verstandnis fiir das Verhaltnis zwischen den Felcl- uiid Bewegungsgleichungen, das nicht ohne Ruckwirknng auf den B o r n when Ansatz bleibt. Zweitens la0t das Variationsprinzip die Analogie zwischen den Tragheits- kraften und der Selbstinduktion besonders deutlich hervortreten. Drittens ist es vorlaufig wenigstens zur eindeutigen Abspaltung der Strahlungskraft unentbehrlich. Zum Schluf3 wollen wir jedoch die anschaulichen Grundlagen der vorliegenden Theorie unter Ver- meidung des Umwegs zusanimenfassen. Die Feld- und Bew'egungs- gleichungen Bind durch folgende Forderungen bestirnmt:

1. Es gelten die Maxwellschen Gleichungen in der fur pola- risierbare Medien gegebeneu Form.

2. Die Polarisierbarkeit des Vakuurns riihrt von der Moglichkeit der Paarerzeugung her. Sie ist grundsiitzlich durch die Gesetze dieses Vorgangs bestimmt. Mangels naherer Kenntnis machen wir folgende vorlaufige durch die Yukawasche Theorie nahegelegte An- nahme iiber Polarisation und Verschiebung :

1 (37) Fup=fap+Uap U a p = - 7 0 f a p , of,,- x Z f a , = - x2Fup'

3. Die Ladungen sind . reine Punktsingularitaten und stellen Unstetigkeiten des Feldes dar. Der Energie-Impuls-Tensor fiihrt dennoch zu endlichen Werten von Feldenergie, Peldimpuls usw.3e)

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F. Bopp. Eine lineare Theorie des Elektrons 371

4. Die Bewegungsgleichungen sind durch die Forderung be- stimmt, daB nur das Peld und nicht die Singularitat Triiger von Energie und Impuls und ihren Monienten sein soll. Der Strahlungs- flus durch infinitesimale Hiillen um die Singularitaten muS also verschwinden. Das stimmt mit der Forderung Oberein, daS sich die Lorentzkrafte des inneren und auBeren Feldes das Gleichgewicbt halten, ergibt also zugleich eine ' energetische Begriindung des An- satzes fiir die Lorentzkraft.

5. Der strahlungsfreie Anteil der Lorentzkraft und die Strah- lungskraft sind als symmetrische und schiefsymmetrische Kombination der aus den retardierten und avancierten Feldern berechneten Kraft gegeben. Der erste Anteil 1aBt sich &us einem Variationsprinzip ableiten, der zweite nicht. Jener liefert nur zeitweise xnderungen von Energie, Impuls und Drehimpuls der Partikel infolge gegen- seitiger Zustreuung. Dieser fiLhrt zu einer mittleren Abnahme von Energie und Impuls, die mit der mittleren Ausstrahlung iiberein- stimmt. Ahnliche Satze gelten vermutlich fiir die hoheren Momente, sind aber nicht bewiesen worden.

§ 4. Entwioklung der Hamiltonfunktion

Die in den vorigen Paragraphen angegebene klassische Theorie des Elektrons ist in grundsiitzlicher Hinsicht im wesentlichen ab- geschlossen. Spater sollen systematische Untersuchungen von Folge- rungen durchgefiihrt werden, die die Tauglichkeit unseres speziellen Ansatzqs fur die Abweichungen von der Maxwellschen Theorie beurteilen lassen. Fragen nach Elementarladung und Stabilitat gehoren nach heutiger Auffassung zur Quantendynamik und stehen damit aufierhalb der eigentlichen Zielsetzung dieser Arbeit. Die Durchfiihrung der Quaatelung hat. jedoch die Kenntnis der kanoni- schen Form der Feldgleichungen und der unserer Lagrangefunktion in GI. (1,12) zugeordneten Hamiltonfunktion zur Voraussetzung. Diese sollen im folgenden entwickelt werden. Sie lassen sich aber nicht ohne weiteres angeben, weil die Lagrangedichte zweite zeit- liche Ableitungen der Potentiale enthalt. Wir wollen darum zunachst die Theorie der den hoheren Lagrangefunktionen zugeordneten kanonischen Differentialgleichungen aufbauen.

schen Prinzips Diesem Zwecke diene die Untersuchung des verallgemeinerten Hamil t o n -

n

dessen Lagrangefunktion L, von den Lagekoordinaten qa , den Geschwindig-

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372 Anmlen der Physik. 5. Folge. Band 38. 1940

keiten q, und den Beschleunigongen q, abhiiugen moge. Die daraus folgenden Bewegungsgleichungen lauten

Um den ifbergaug zu einem kanonischen Gleichungssystem zu ermoglichen, fiihren wir neben g, neue unabhlingige Variabeln ein, die mit den Geschwindig keiten durch die Gleichungen

(3) 4 a = (ia

verbunden sein mogen. Die spezielle Wahl dieser Beziehungen bedeutet keine Beschrhkung der Allgemeinheit, weil man allgemeinere Ansiibe nach- triiglich sehr einfach durch kanonische Transformation erhiilt. Nach der Elimination von 4, und ya ist das Hamil tonache Prinzip mit der Porderuug identisch, daS das Integral

(4) JL , (q, , Q,, 4,) d t = extremal

sei unter der Nebenbedingung (3). Behandeln wir diese nach der Lagrangeschen Parametermethode und bezeichnen wir die Parameter mit p a , so folgt daraus, daB

sein muE bei unabhhgiger Variation von p , , , y, und Q,. Nunmehr kann man die Hami l tonache Funktion leicht angeben. Die zu qa und Q, kanonisch konjugierten GroMen sind die Lagrangeschen Parameterp, und die Ausdrucke

Die Hamiltonfunktion lautet also

(7) H = 2 (pa Qa + P, = 2 (pa ga + pU On) - La (Ya, Q., 4,) - Darin sind die Qa nach GI. (6) eliminiert und als Fonktion von gar Qa und Pa eingesetzt zu denken. Die kanonischen Gleichungen nehmen danach folgende Form an:

-

a a

und fuhren, wie es sein muU, zu den Bewegungsgleichungen (2). Denn es ist

.. d' 8La . d CL,, (1 a ~ , aLa a d t * a & a t ag, d t aQa a9, P a + - - - = - ----. p = - - = -

Nunmehr konnen wir uns Clem durch GI. (1,12) bestimmten Variationsproblem zuweoden. Die Lagrangefunktion lautet nach raum-zeitlicher Aufspaltung

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F. Bopp. Eine lineare Thsorie des Elektrons 373

und die Feldgleichungen ergeben sich durch Variation der zu- gehijrigen Wirkungsfunktion nach den nnabhangigen Variabeln tp und a . Dabei hlngen die Feldstiirken in bekannter Weise von den Potentialen ab. Zur Vermeidung zweiter Zeitableitungen des Vektorpotentials eliminieren wir neben 23 statt Q den Vektor a. Die Lagrangedichte nimmt danach folgende Form an

und die Variation der Wirkungsfunktion erstreckt sich iiber Q, rp und a unter Einhaltung der Nebenbedingung

Q + g r a d t p + T d = 1 0. (1 1)

Bezeichnen wir den Parameter zur Befreiung der Variation von obiger Einschrankung mit c Sp, so lautet die erweiterte Lagrange- dichte

und die unabhangigen Variabeln der Variation sind: 9, Q, y und a. Damit sind die Nebenbedingungen, die wir im folgenden be-

rticksichtigen wollen, noch 'nicht erschijpft. Die vorliegende Theorie ist voraussetzungsgemaI3 genau wie die Maxw ellsche invariant gegen Normierungsanderungen der Potentiale. Bei aer Aufstellung der kanonischen Form der Feldgleichungen ergeben sich darum die- selben bekannten ") nnd bereits haufiger diskutierten Schwierig- keiten, die von der Unbestimmtheit des Ausdrncks div a + $ t j ~

hedhren . Den gebrauchlichsten Ausweg hat F e r m i ") angegeben, der unter Verzicht auf die Normierungsinvarianz die Neben- bedingung

1 d i v a + - + = O

ansetzt, die zu der gelanfigen .Nnllnormierung der Potentiale flihrt. Ohne die Normierungsunabhilngigkeit preiszugeben, setzen wir statt dessen folgende Bedingungsgleichung an:

(1 3) diva + +-+ = v , Annalen der Physik. 6. Folge. 38. 25

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374 Annublz der Physik. 5. Folge. Band 38. 1940

in der y eine willkiirliche Funktion bedeuten soll, die sich bei Umnormierungen gemaI3 den Gleichungen

(14) y -+ v'= sp - +i , a-+ a' = a + gradz, y-+ y' = w + 0 x transformieren moge, also so da0 G1. (13) invariant bleibt. Bertick- sichtigen wir auch diese Nebenbedingung nach der Parameter- methode und bezeichnen wir den Parameter. mit c p , $0 nimmt die Lagrangedichte folgende endgiiltige Form an :

Die drtraus flieI3ende abhiingiger Variation

Daraus ergeben Bezeichnungen

1 - (prp - ym).

Wirkungsfunktion soll extremal sein bei un- nach 9, p ; 6, y nnd a . sich, wenn wir z u r Abkiirzung die frtiheren

(16) B = r o t a , %=6- -C l6 , X I @=B--, E l m

iibernehmen, folgende Feldgleichungen: 1 1 grad sp - .F a , div a + :-+ = y ,

1 + T!3 - c grad p . I Die Elimination von b liefert statt der drei letzten Gleichungen die Beziehnngen

(18) div % = 4n(p +PI, rot @ - ccS, = T ( 3 - ca grad p ) . Aus ihnen folnt, wenn fur die Strom- nnd Ladungsverteiluog aus-

1 ' 4n

dritcklich die Kontinuititsgleichung

(19) angenommen wirdS8), fur den Parameter p

div 5 + 6 = 0

1 d p -,p = o . (20) C

die Wellengleichung

Page 31: Eine lineare Theorie des Elektrons

F. Bopp. Eine lineare Theorie des Elektrom 375

Die in GL (15) angegebene Lagrangefunktion fiihrt danach zu einem etwas allgemeineren Gleichungssystem als die urspriingliche Formu- lierung. Zu den Strom- und Ladungsverteilungen der Singularittlten tritt noch eine kontinuierliche Verteilung, die sich aus einern Stromungspotential ableiten li2Bt. Die spezielle Lasung p = 0, die mit unserem Gleichungssystem vertriiglich ist, und die wir im folgenden allein betrachten wollen, fuhrt zu den gelaufigen ,4us- driicken zuriick.

Die Dichte der Hamiltonfunktion lafit sich nun in ublicher U'eise ableiten. Aus GI. (16) flieSen folgende Paare kanonisch konjugierter Groden

(22) '

1 1 2 1

1 YS

' H = - (Q2 + (div + x* (rot + x" g3 - (rot a)'

- - (rot rot all}

- c @, Q + grad 9) - c p (div a - y ) + (p rp - f 5 a). \

a f i 1 .. 1 I - p =- -= 3a - Lrot(5, 4n - -23) XY c' + Ti3 - c grad p , I c p = F = - c ( d i v a - . dA y ) , p=-Jc=- c d i v p - p '

472 (w + L + - & a - q.3 a - p$)= +-I+ 4 n b y - P $9

a9

stimmen mit den GI. (17) iiberein. Der Zusammenhang zwischen der Energiedichte W aus G1. (1,31) mit der Hamil tonschen Dichte ergibt sich aus folgender Identitat:

1 ' 4n

1 + div (4" c q b - x(c L Q ~ 61 + + [u, 231 1 - 25 *

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376 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 38. 1940

Danach ist

Die Glieder mit dem Faktor p oder p verschwinden in dem der Berechnung von W zugrunde liegenden Fall. Sie miissen also unter den etwas allgemeineren Voraussetzungen dieses Paragraphen be- sonders in Erscheinung treten. Das Auftauchen der Divergenzglieder ist unwesentlich. Es handelt sich urn Beitrage des Energiesatzes:

Tk + div G -/- div k = 0,

die wie das dritte Glied in obiger Gleichung mit demselben Recht zur Energie und zur Ausstrahlung geschlagen werden konneo. In W und H ist diese Zuordnung verschieden getroffen worden. Das erste Glied in GI. (24) enthiilt einen wesentlichen Unterschied zwischen den Dichten der Energie und der Hamiltonfunktion, der davon herrtihrt, da0 der von der Variation nicht betroffene Vierer- strom eine explizite Abhangigkeit der Lagrangefunktion von der Zeit mit sich bringt. Energie und Hamiltonfunktion sind also nicht vollig identisch. Die negative Zahlung des Y u k a w a schen Energie- anteils wird hier jedoch formal bestatigt.

Zum SchluB wollen wir einige einfache quantendynamische Folgerungen betrachten, um die Bedeutung der zuletzt entwickelten Formeln deutlicher hervortreten zu lassen. Die Quantelung der Feld- gleichungen vollzieht sich in ublicher Weise. Die FeldgroBen in den kanonischen Gleichungen werden durch entsprechende nicht- kommutative GroSen ersetzt, die bestimmten Vertauschungsrelationen geniigen. Verwenden wir zur Abkiirzung die Bezeichnung

(25) f ( A (r, t ) B (re, t ) - B (r',t) A (r, t)> = [A , BI] , so lauten diese bekanntlich fur die nichtkommutativen GroBenpaare aus der Reihe Q, 6, a, 9, 'p und p"):

[P,, a;]=: ~ , ~ s ( r - r ' ) , [E,,&I]= 4 n x ~ c ~ ~ ~ , ~ ~ ( r - r ~ , [ p , a'] = CY(r - r') . (26) {

Die tibrigen GroBenpaare aus der Reihe der kanonischen Variabeln sind vertauschbar. Eine einfache Umformung fuhrt zu den ge- laufigeren Formeln

[D,, a;] = - 4 n c a,, Gjr-t') , [E,, A,I]= - 4 n c d,, 8(r-r'), [ p , y'] = 6(r - t').

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F. Bopp. Eine lineare Theorie des Elektrons 377

Die beiden ersten Beziehungen gehen im Maxw ellschen Grenzfall ineinander iiber und stimmen dann mit den bekannten Vertauschungs- relationen der Maxwell schen Theorie iiberein 3g). Das skalare Potential ist mit allen eigentlichen FeldgroBen vertanschbar. Die Vertauschungsrelationen f a r y , 4 nnd i3 folgen nicht ohne weiteres aus den bisherigen Qleichungen nnd sollen darum an dieser Stelle nicht nilher untersucht werden.

Dagegen lassen iich die Vertauschungsrelationen ftir die Partikel- dynamik in einfacher Weise ableiten. Aus der ersten Relation in G1. (27) folgt dnrch Divergenzbildung

[divb,a'I=-44ncgradt?(r -XI) .

Nehmen wir den ziveiten Faktor am Ort der Y. Singularitat und integrieren wir den ersten iiber ein infinitesimales Volumen um die p., so ergeben sich je nachdem ob wir erst mit dem Ortsvektor multiplizieren oder nicht, die beiden folgenden Beziehnngen:

[ s z k div 5D ds , at (r,,)] = 4w c a,, $,, , [ Jdiv 5~ a s , a, (r,,)j = 0. P P

Die in dem Volumen eingeschlossene Ladung eLc = 4n div 5D d r ist

mit al(rv) und xk div b ds vertauschbar. Definieren wir den

Ortsoperator als Ladungsmittelpunkt durch die Gleichung

' S P

S 1'

und den Impulsoperator gemilS G1. (3,13) durch den Ansdruck

p p = c, a (r ) (29) c 2 Y )

[e'% PPI = 4, $.' so ergeben sich die bekannten Relationen

(30) Sie sind aus zwei GrUnden bemerkenswert. Erstens folgen die Ver- tauschungsrelationen far die Partikeldaten QUS denen fiir das Feld. Zweitens ergeben sich diese Gleichungen, obwohl die Bewegungs- gleichungen nicht in kanonischer Form dargestellt werden konnten. Unsere friihere rein formale Einfiihrung des Partikelimpnlses in 0 3 erfahrt hierdurch eine sachliche Begriindnng. Da die Gleichung d i v b = 472 Q (im Gegensatz zu div% IC 4w(p ++)) keine Operator- gleichung darstellt sondern nur eine Eigenwertgleichung, gelten die Vertauschungsrelationen nicht f iir den aus der Ladnngsverteilung Q zu definierenden Operator des Ladungsmittelpunktes.

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378 An?talen der Physik. 5. Folge. Band 38. 19#

Mit diesem einfachen und wichtigen Beispiel aus der Quanten- dynamik wollen wir unsere Betrachtung abschliel3en. E s ist an- zunehmen, da0 bei der weiteren Durclfiihrung der Quantelnng die bekannten Divergenzschwierigkeiten der Strahlungstheorie nicht mehr auftreten. Die Durchf ahrung der Partikeldynamik laSt aber noch grundsatzlich wichtige Probleme erwarten. Vor allem reichen die bisherigen Annahmen kaum zur Bestimmung der Elementarladung aus. Denn das aus den hier vorkommenden Dimensionskonstanten c, z und h zu bildende Quadrat des Ladungsquantums liefert einen urn die Feinstrukturkonstante fialschen Wert. Wahrscheinlich spielen bei dieser Frage die noch nicht divkutierten Vertauschungsrelationen fur ! I , 5 und vjelleicht auch fur VI eine Rolle. Die Stellung des Spins in unserer Theorie la0t sich ebenfalls vorlaufig nur schwer ermessen.

Zueammenfaeeung

Im Rahmen der allgemeinen Mie schen Feldgleichungen und unter Annahme der Bornschen Singularitaten ist in 8 1 eine Lorentzinvariante, lineare Theorie fur Punktladungen mit iiberall endlichem Feld und mit endlicher Ruhenergie entwickelt worden. Die Linearitiit der Feldgleichungen wird durch die Einbeziehung von Differentialinvarianten in die ihnen zugrunde liegende Lagrangefunktion ermoglicht. In den ladungsfreien Gebieten, d. h. im ganzen Raum au0erhalb der Singularitaten spaltet das Miesche Feld in zwei vollig nnabhangige Teile auf, in ein reines Maxwellsches Feld und i n ein reelles Proca-Yukawasches Feld. Beide Komponenten ver- einigen sich subtraktiv zum Gesamtfeld. Die Verkniipfung zwischen beiden Feldern erfolgt allein durch die Ladungs- und Stromverteilung, die zugleich als Quellen bzw. Wirbel beider Felder erscheinen.

Der tfbergang von den Feldgleichungen zum Energie-Impuls- Tensor, der am Ende des ersten Paragraphen durchgefiihrt wird, ist zunachst nicht ganz eindeutig. AnBerhalb der Singularitaten gelten unabhangigc Erhaltungssatze fur die Energie-Impuls-Tensoren beider Teilfelder, also auch f tlr beliebige Linearkombinationen dieser Tensoren. Bei Einschlu! der Singularitaten gelten f a r die Feld- energie allein im allgemeinen iiberhaupt keine Erhaltungssatze, weil die Singularititen selbst Energie und Impuls aufnehmen konnen. Drt unter allen Feldern nur das Miesche am Ort der Singularitaten stetig ist, gibt es allerdings nur cine Kombination der Energie-Im- puls-Tensoren, namlich ihre Subtraktion mit gleichem Gebicht, bei der die auf die Singularitaten wirkende Kraft und die an ihnen geleistete Arbeit endlich ist. Nur diese ist im folgenden brauchbar. Wenn man den Maxw ellschen Beitrag zum Energie-Impuls-Tensor

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F. Bopp. E k e lineare Thorie des Elektrons 379

in iiblicher Weise positiv zahlt , ist also der Y u kaw asche negativ zu nehmen. Die iiberraschende Vorzeichenwahl bestitigt sich spater beim ubergang zur Hamiltonfunktion. Sie stimmt auch mit allge- meinen uberlegungen von P ryce iiberein.

Wahrend die Bewegungsgleichungen ftir die Mi eschen Ladungs- ballen ein Teilsystem der Feldgleichungen darstellen, ergeben sie sich hier am Ende von 8 3 aus der logisch vollig nnabhlngigen Forderung nach einer wenigstens energetisch unitaristischen Theorie. Danach sollen Energie und Impuls nur im Felde und nicht in den Singularititen lokalisiert sein. Der Energie- und Impuls0uS von und nach den Singularitaten mu&! also vsrschwinden. Das ist gleich- bedentend damit, da6 die Lorentzkraft des Mieschen Feldes an den Orten der Singularitaten null ist, daS sich also die an jedem Teil- chen angreifenden inneren und PuSeren Krafte das Gleichgewicht halten. Die inneren Krilfte umfassen Triigheits- und Strahlungskraft. Die Lorentzkraft erscheint hier als Folge eines allgemeinen, sehr einleuchtenden Prinzips, welches ihr eine grundsatzliche Bedeutung verleiht, die iiber die urspriinglichen, rein experimentellen Fest- stellungen hinausgeht.

Unabhjingig von den erst nachtriigiglich entwickelten Bewegungs- gleichungen kann man aus den Feldgleichungen in 8 1 das zu be- liebig bewegten Singularitaten gehorige Feld berechnen. In § 2 ist das zuniichst fur die ruhende Punktladung geschehen. Die Ruh- energie ist endlich nnd entspricht der Elektronenmasse, wenn die Reichweite der Yukawakrafte einen halben klassischen Elektronen- radius betragt. Wenn wir die Quellstarke der Singularitaten mit der Elementarladung identifizieren , ergibt sich - tibrigens unab- hiingig von der Reichweite der Tuwakakrafte - die halbe Fein- strukturkonstante als Verhilltnis der Elektronenmasse zur Masse der Yukawaquanten. Bei der Verschmelzung eines positiven und nega- tiven Elektrons tritt wegen der Superponierbarkeit in ffbereiostimmung mit der Erfahrung vollstandige Zerstrahlung ein.

Potentiale und Feldstiirken einer gleichformig bewegten Punkt- ladung ergeben sich in einfacher Weise durch Lorentztransformation. Energie und Impuls des Oesamtfelds transformieren sich als Vierer- vektor. Die Zerlegung in einem Maxwellschep und Yukewaschen Energie- und Impulsanteil ist aber nicht Lorentz-invariant. Uenn Feldenergie und Feldimpuls bilden nur unter der Voraussetzung eines homogenen Gleichungssystems ftir den Energie-Impuls-Tensor des Feldes einen Vierervektor. Diese Voraussetzung ist zwar in- folge der Bewegungsgleichungen f iir den Tensor des gesamten Feldes erfiillt. Sie trifft aber nicht ftir die Tensoren der Teilfelder zu.

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380 Annalen der Physik. 5. FoZge. Band 38. 1940

Das Feld eines Systems beliebig bewegter Singularitaten ergibt sich durch nberlagerung der zu den einzelnen Singularitaten ge- horigen Teilfelder. Bei kleiner Beschleunigung kann man diese Felder durch Entwicklung nach Potenzen der Retardierung darstellen. Dies ist am Ende von 6 2 zunachst in nullter und spater in hoherer Naherung durchgefiihrt worden und liefert eio bemerkenswertes Er- gebnis, auf das bereits Born hingewiesen hat. Wenn man namlich in die den Feldgleichungen zugrunde liegende Lagrangefunktion die oben genannten Busdriidke fur die FeldgraBen einsetzt, erhalt man eine Funktion der Bewegungsdaten der Singularitaten, die mit der Darwin schen Lagrangefunktion fur die Dynamik elektrischer Par- tikel im Rahmen seiner Naherung, d. h. bis zu Gliedern vierter Ordnung in der Geschwindigkeit, iibereinstimmt. Es liegt darum der Gedanke nahe, die Bewegungsgleichungen BUS der Porderung abzuleiten, daB die Lagrangefunktion fur die Feldgleichungen nicht n u bezuglich der Variation der Potentiale sondern auch beziiglich der Variation der Bahnkurven der Singularitaten extremal sein soll.

Um die in 0 3 angegebenen Bewegungsgleichungen, nach denen die Lorentzkraft fi' an den Orten der Singularitaten verschwinden 5011, mit den aus obiger Extremalforderung folgenden Born schen Gleichungen zu vergleichen, ist es zweckmaBig, die Entwicklung nach Potenzen der Retardierung durch eine zeitliche Fourierzerlegung zu ersetzen. Fuhrt man neben der retardiert zu verstehenden Lorentz- kraft R die avancierte Lorentzkraft R* ein, 60 ergibt sich aus der Extremalforderung, wie am Anfang von 8 3 gezeigt wird, an Stelle der verschwindenden (retardierten) Lorentzkraft R, de8 der Ausdruck

Die Born- schen Gleichungen stimmen also nur dann streng oder nilherungs- weise mit unseren iiberein, wenn der Ausdruck R8 =I T(R - P) ver-

nachlhssigbar ist. Da die Extremalforderung im Mittel keine Lnde- rung von Energie und Impuls ergibt, kann der Ausdruck R,, neben der TrLgheitskraft und den statischen WechselwirkungskrLften nur solche Strahlungsriickwirkungen enthalten, die von der gegenseitigen Zustreuung herriihren. Dagegen ist die Riickwirkung der Ausstrahlung, die eigentliche Strahlungskraft, nicht mehr darin enthalten.

Nach unseren Bewegungsgleichungen miiBte also die Strahlungs- kraft in dem Ausdruck R, stecken. Es miif3te d a m die im Mittel ausgestrahlte Energie gleich der mittleren von $, geleisteten Arbeit sein, und es miifiten entsprechende Beziehungen ftir Impuls, Dreh- impuls, Virial und fur hohere Energie- und Impulsmomente gelten.

in den Singularitiiten null sein mufi

1

1 2 Ro = -(R + F)

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Fur Energie und Impuls ist das am Ende von 8 3 gezeigt worden. Durch sie allein ist aber der Ansdruck fur die Strahlungskraft noch nicht eindeutig bestimmt. Der vollstilndige Beweis dafiir, daB unsere Bewegungsgleichungen die gesamte Strahlnngskraft enthalten und daf3 diese gerade mit dem Ausdruck R, iibereinstimmt, steht danach noch aus. Es ist gezeigt worden, dab die Strahlungsriickwirkung wenn iiberhaupt nur in R, enthalten sein kann und daB die Energie- und Impulsbilanz mit dem Ansatz von R, als Strahlungskraft aus- geglichen ist.

Unter Benutzung der Fourierzerlegung des Feldes lassen sich die Bewegungsgleichungen des Mehrkorperproblems vollstandig an- geben. Obwohl diese Gleichungen nicht mehr aus einer Lagrange- funktion ableitbar sind, geben sie in naheliegender Weise Ausdriicke fiir die Partikelenergie uiid den Partikelimpuls, die nachher bei der Quantelung die Rolle der kanonisch konjugierten Partikelkoordinaten iibernehmen. Fiir die Gesamtenergie und den gesamten Impuls und Drehimpuls der Partikel gelten keine Erhaltungssatze. Die zeitlichen hderungen dieser GroBen riihren von dem Aufbau des Strahlungs- felds durch Zustreuung und Ausstrahlung her.

Der ubergang zur Quantendynamik setzt die Kenntnis der kanonischen Form der Feldgleichungen voraus. Diese ist in § 4 abgeleitet worden. Sie ergibt sich nicht nnmittelbar aus dem iiblichen Formalismus. Erstens enthiilt unsere Lagrangefunktion fur die Feld- gleichungen wesentliche zweite Zeitableitungen, die sich nicht durch partielle Integration beseitigen lassen. Zweitens ergeben sich wegen der Normierungsinvarianz die von der Quantelung des Maxwell- schen Feldes her bekannten Schwierigkeiten. Die zweiten Zeitab- leitnngen lassen sich durch Einfiihrung von iiberzahligen Variabeln und geeigneten Nebenbedingungen zu ihrer Definition wegschaffen.

Die zweite Schwierigkeit rhhrt daher, daB die Potentiale infolge der Normierungsinvarianz nicht vollstiindig bestimmt sind. Diese wesentliche Unbestirnmtheit iibertrjigt sich auch auf die kanonischen Gleichungen uiid bewirkt, daS diese je nach der speziellen Dar- stellung die eine oder andere Grundgleichung nicht ohne znsatzliche Voraussetznngen liefern. I n unserem Ball besteht diese Voraus- setzung in der ausdriicklichen Annahme der Kontinnitatsgleichung fir die SingularitLten, die sich sonst unmittelbar aus den Feld- gleichungen ableiten lil6t.

Damit sind die wesentlichen Grundlsgen der klassischen Theorie des Elektrons gegeben. Ihre Bewahrung wird wesentlich von dem Ergebnis der hier nicht durchgefiihrten Untersuchung Effekte hoher Energie abhangen. Nur bei diesen wird die spezielle Form der

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382 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 38. 1940

Abweichung von der Maxwellschen Theorie wicLtig sein. Am Ende von 0 4 sind noch die beim 'Ifbergang zur Quantendynamik auftretenden Vertauschungsrelationen angegeben worden. Sie lassen sich leicht auf eine Form bringen, die mit den Ergebnissen der Quantelung des Maxw ellschen Feldes vergleichbar sind. Es ist besonders bemerkenswert, daB sich daraus die Vertauschungsrelatiouen fur die Bewegungsdaten der Partikel ergeben, ohne daS eine kano- nische Form der Bewegungsgleichungen bekannt ist. Eine um- fassende Durchfuhrung der Quantendynamik bleibt weiteren Unter- suchungen vorbehalten.

Literatnr und Anmeckungen

1) G. Mie, Ann. d. Phys. [4] 37. S. 511. 1912 (zitiert ale M); 39. S. 1. 1912; 40. S. 1. 1913; Sb. S. 711. 1928.

2) M. B o r n , Proc. Roy. Soc. London (A) 143. S. 410. 1933/34 (zitiert ale B); M. Born u. L. I n f e l d , ebenda 144. S. 425. 1934 (zitiert als J); 147. 6. 522. 1934; 160. S. 141. 1935; L. I n f e l d , ebenda 168. S.368.1937; E. S c h r o d i n g e r , ebenda 160. 8.465. 1935: H. L. P r y c e , ebenda 160. S.,166. 1935; M. B o r n u. E. S c h r o d i n g e r , Nature 138. S. 342. 1938.

3) P. A. M. D i r a c , Proc. Roy. SOL London (A) 167. S. 148. 1938; M. H. L. P r y c e , ebenda 168. S. 389. 1938.

4) Vgl. M. A b r a h a m , ,,Theorie der Elektrizittit 11, Elektromagnetische Theorie der Strahlunggg, Leipzig 1905, Kap. 111, 9 16, S. 136f., besouders G1. (VI). . .

5) H. Y u k a w a u. Mitarb., Proc. Math. Phys. SOC. Japan 17. S. 48. 1Y35;

6) Al. P r o c a , Journ. Phys. Rad. 7. S. 347. 1936 (zitiert ale P). 7) A. II. 0. M. Wir nehrnen hier, indem wir von der Lagrangefunktion

auegehen, einen rein formalen Standpunkt ein, der die kurze Zusammenfassung des Ergebnissee weitlliufiger, sachlicher Oberlegungen bei Mi e darstellt. Die wesentliche inhaltliche Grundlage der M i e schen Theorie besteht in der Ein- aicht, da8 die Gleichungen %I = Q , b = 8 fur das Vakuum bereits in der Maxwellschen Theorie keine Selbstverstlindlichkeit sind, eondern (wie die ProportionalitELt zwischen trager und schwerer Masse) ein phyeikalisches Gesetz darstellen, das durch die Erftlhrung belegt oder verworfen werden mu& (Hieran knupft bekanntlich auch die neue Diskussion uber zweckmliflige elektromrgnetische Dimensionen an.)

8) Griechische Koordinatenindizea bedeuten die h u m - und Zeitkoordi- natcn (q . . z4) = (T, i c t ) , lateinische nur die Raumkoordinaten. Bei gleichen Indizes ist iiber alle Raum-Zeit- bzw. iiber alle Raumkoordinaten zu summieren. Die Ableitungen nach den koordinaten werden mit a / a a , ~3/13@, a / a k usw. bezeichnet.

9) Zur Verdeutlichung der mathematischen Struktur der folgenden Formeln diene das einfache, wenn auch physikalisch ganz unzultingliche Beispiel

19. 5. 91, 712, 1084. 1937; 20. 8. 319. 1938 (zitiert als Y).

1 L - - f:@ + & ,p: (7 = Zahlenfnktor). In diesem Fall ist Fa@ = fog " - 16n

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F. Bopp. Eine lineare Theorie des Eikktrons

10) A. a. 0. M S. 518. 11) W. H e i s e n b e r g u. H. E u l e r , Ztschr. f. Phys. 98. S. 714. 1936. 12) A. a. 0. B, J.

383

13) = Eulersche Variationsableitungen. Jf.8

14) A. a. 0. Y. 15) Vgl. W. H e i s e n b e r g , Ztschr. f. Phys. 101. S. 533. 1936, vor allem

16) A. a. 0. P und Y. 17) Z. B. im Anschlufl an (P,, - x 'qa = - x* @,,. Hier entsprechen

also dae Miesche nnd Yukawasche Feld einmder. 18) Vgl. Anm. 17). In dieeem Fa11 erscheint das Maxwellsche Feld ah

Quelle des Yukawaschen. Der Zueammenhang ist aber anders als in der Y u k a w aschen Theorie.

19) Eigentlich eine beliebige Linearkombination aus 1, l/r, e- xr/r, e + "/r. Die angeschriebene Liisung ist die einzige im Nullpunkt stetige und meit drauEen verschwindende kugelsymmetrische Liisung.

20) Db ist moglich, weil die Singularitiiten am Energie- und Impuls- austausch beteiligt sein kiinnen.

21) Vgl. e. B. R. B e c k e r , ,,Theorie der Elektrizitiit 11", Leipzig-Berlin 1933, S. 308.

22) 4, und i$, gehen durch Lorentztransformation aus e, J (t - tv) hervor. Es ist eu bemerken, daE die charakteristische Beziehung J(uv) /y l - pVy = J(I - I,) gilt - Punkt bleibt Punkt. Hierauf beruht die Lorentzinvarianz von Punkt- ladungen im Gegensatz zu anderep Ladungsverteilungen.

S. 534, Abs. 2.

23) C. G. D a r w i n , Phil. Mag. (6) 39. S. 537. 1920, G1. (10). 24) A. a. 0. B und J auf S. 433 bzw. S. 449. 25) 0. S c h e r z e r , Ann. d. Phys. [5] 34. 8. 585. 1939. 26) F. H u n d , Ann. d. Phys. [5] 36. S. 319. 1939 benutzt ebenfalls die

27) J. J. T h o m s o n , Phil. Mag. (5) 11. S. 229. 1861; 0. H e a v i s i d e , ebenda

28) z'= Summe iiber alle p und Y fiir p * Y . Die iibliche Streichung

Lagrangefunktion.

(5) 27. S. 324. 1881.

P1 v der Summenglieder p = Y ergibt sich hier also von selbst.

29) Im AnschluE an die Zentralbewegung. 30) Bei Entwicklung nach der Retardierung. 31) A. D. F o k k e r , Ztschr. f. Phys. 68. S. 386. 1929.

cm 1 1

32) Vgl. dazu den Sate: y n J f ( & e ' a ( E - 2 ) d ( d a = - ( f (W3 f f(.-0)). -m

33) W. H e i s e n b e r g n. W. P a u l i , Ztschr. f. Phys. 69. 6. 168. 1930. 34) Im Bornschen Fall fehlen die zweiten Glieder auf der rechten Seite

der G1. (14), (16) und (17), so da8 keine Btrahlungsriickwirkung vorhanden ist. 35) S. B o c h n e r , ,,Vorlesungen iiber Four ie rsche Integrale", Leipzig 1932,

vgl. Sate 1, S. 7. 36) Diese Annahme ist wesentlich und stellt eine untlbhiingige Voraus-

setzung dar. Betrachtet man z. B.. die Punktladung ah Grenzfall einer Rugel- fl8chenladung, so zeigt sich , daE die Feldenergie mit wachsendem Radius

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384 Annalen der Physik. 5. Folge. Band 38. 1940

abnimmt. Die Punktladung miif3te also auch in unserem Fall allerdings mit endlicher Energie explodieren, wenn sie nicht Zwangekrgfte daran hindern wiirden. Solche sind durch die Forderung (3) gegeben und entsprechen der Vorauasetzung eines starren Elektrons in der alten Elektronentheorie. Die Lorenteinvarianz wird nach Anm. 22) dadurch nicht beeinflubt.

37) A. a. 0. Anm. 33). 38) Man beachte, dab sich die Kontinuit5tsgleichung nicht unmittelber aus

39) Vgl. z. B. W. H e i s e n b e r g , ,,Die physikalischen Prinzipien der den Feldgleichungen ergibt, sondern besonders vorausgesetzt werden mu&

Quantentheorie", Leipzig 1930, S. 113.

Bres l au , Institut fur theoretische Physik der Universiti, am 22. Juli 1940.

(Eingegangen 31. Juli 1940)