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Unternehmermagazin für die Bauwirtschaft
w w w.bgbau.de
Eine ganz saubere Sache
Im Interview:
Bundesarbeits-minister Olaf Scholz
Erfolgreich unterweisen – Aktiver Arbeitsschutz kurz,
verständlich, praxisnah
Ausgabe 2_2009
Inhalt
„DAS MACH ICH MIT LINKS.“
Trotz Verlust seines Unterarmes
arbeitet Baumaschinist Ingo Koll
wieder auf dem Radlader.
32
ERFOLGREICH UNTERWEISEN
Informieren allein reicht nicht.
Aktiver Arbeitsschutz sollte kurz,
verständlich und praxisnah sein.
24
„DIE GESETZLICHE UNFALL-VER SICHERUNG IST UNVER-ZICHTBAR.“Interview mit
Bundesarbeits minister
Olaf Scholz.
28
KÜHNERBRÜCKENSCHLAG
Talbrücke Froschgrundsee
– die größte Eisenbahn-
Bogenbrücke Europas.
14
IMPRESSUM
BG BAU aktuell
Mitgliedermagazin der Berufsgenossenschaft
der Bauwirtschaft
Heft 2_2009 | ISSN 1615-0333
Herausgeber:
Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft
(BG BAU)
Hildegardstr. 29/30, 10715 Berlin
www.bgbau.de
Verantwortlich:
Jutta Vestring, Mitglied der Geschäftsführung
Bernd Kulow, Leiter Kommunikation
Redaktion:
Rolf Schaper (verantw.),
Tel.: 05 11/9 87-25 30,
E-Mail: [email protected]
Dagmar Sobull,
Tel.: 05 11/9 87-15 28,
E-Mail: [email protected],
Fax: 05 11/9 87-25 45
BG BAU, Bezirksverwaltung Hannover
Hildesheimer Str. 309, 30519 Hannover
Agentur:
steindesign Werbeagentur GmbH, Hannover
Titelbild:
medienmeer
Druck:
C. W. Niemeyer, Hameln
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht
in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder.
Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.
04 IN KÜRZE
SCHWERPUNKT
06 Eine ganz saubere Sache – Glas- und Fassadenreinigung
ARBEITSSICHERHEIT
10 Mit vereinten Kräften – eine neue Arbeitsschutzstrategie
12 Aus acht mach drei – neue Präventionsstruktur
AUS UNFÄLLEN LERNEN
13 Kein juristisches Nachspiel – der schwere Unfall auf der
Kraftwerksbaustelle Neurath
IM BLICK
14 Kühner Brückenschlag – Talbrücke Froschgrundsee
ARBEITSMEDIZIN
18 Zugedröhnt – Drogenkonsum auf dem Bau
20 Wahl, Pf licht oder Kür – Arbeitsmedizinische Vorsorge
22 „Hilfe, bei mir dreht sich’s“ – Schwindelattacken
MENSCH UND BETRIEB
24 Erfolgreich unterweisen
26 Arbeitsschutz in 13 Sprachen
27 LESERMEINUNGEN
IM FOKUS
28 Interview mit Bundesarbeitsminister Olaf Scholz
REHA UND LEISTUNG
32 „Das mach ich mit links!“ – Zurück in den Job
nach schwerem Arbeitsunfall
35 BG BAU vor Ort – Hilfsangebot für Bauarbeiter in Köln
MITGLIEDER UND BEITRÄGE
36 Umlage 2008: Stabile Beitragsentwicklung
38 INFOMEDIEN
MIT GUTEM BEISPIEL
39 Fitte Führung – setzt auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter
Jutta Vestring, Mitglied der
Geschäftsführung
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Arbeitsschutz ist in Deutschland Chefsache. Das bestätigt Bundesarbeitsmi-
nister Olaf Scholz im Interview. Wir fragten den Minister auch nach der
Wirtschaft skrise und den Auswirkungen für die Bauwirtschaft . Mit der
„Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie“ (GDA) unter dem Dach des Bun-
desarbeitsministeriums wird die Prävention in der Arbeitswelt gestärkt, betont der
Minister.
Darin sieht Professor Rudolf Scholbeck, Leiter der Prävention der BG BAU, große
Chancen und neue Impulse für den Arbeitsschutz in unseren Mitgliedsunternehmen.
Denn mit einer besseren Abstimmung zwischen der Arbeitsschutzbehörde und dem
Unfallversicherungsträger werden Doppelbesichtigungen praktisch ausgeschlossen,
und eine enge Verzahnung des Vorschrift enwerks der BG BAU mit dem staatlichen
Arbeitsschutzrecht verringert Bürokratie.
Zur Bekämpfung der Schwarzarbeit gibt es für unsere Unternehmer eine wichtige po-
sitive Neuerung, auf die auch Bundesminister Olaf Scholz in unserem Interview hin-
weist. Seit dem 1. Januar 2009 muss jede Neueinstellung von Arbeitnehmern spätestens
am Tag des Beschäft igungsbeginns der Datenstelle der Rentenversicherung gemeldet
werden. Damit will der Gesetzgeber die Schattenwirtschaft eff ektiver bekämpfen und
bei Unfällen mit Schwarzarbeitern die Rückforderung von Leistungen durch die BG
erleichtern. Details dazu erfahren Sie schon auf der nächsten Seite.
Und Ihre Meinung ist gefragt: Schreiben Sie uns, was wir an der „BG BAU aktuell“
verbessern können, was Ihnen in unserem Magazin fehlt oder worüber Sie sich ärgern.
Erste Leserzuschrift en fi nden Sie bereits in diesem Heft .
Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen
Jutta Vestring
04 I In Kürze BG BAU aktuell 2_2009
Neueinstellungen
SOFORTMELDEPFLICHT
Seit dem 1. Januar 2009
müssen Arbeitgeber im
Bau- und Reinigungs-
gewerbe die Neuein-
stellung von Arbeit-
nehmern spätestens
am Tag des Beschäf-
tigungsbeginns an die Datenstelle der Träger der Rentenver-
sicherung melden. Mit der Neuregelung will der Gesetzgeber
verstärkt gegen Schwarzarbeit vorgehen und Leistungsrückfor-
derungen beim Arbeitgeber für Unfälle von Schwarzarbeitern
erleichtern. Die Sofortmeldung umfasst Name und Vorname
des Beschäft igten, dessen Versicherungsnummer, die Betriebs-
nummer des Arbeitgebers und den Tag der Beschäft igungs-
aufnahme. Außerdem wurde die Pfl icht, Personaldokumente
mitzuführen, erheblich ausgeweitet – Personalausweis oder
Reisepass sind den Kontrollbehörden auf Nachfrage vor Ort
vorzulegen. Darüber muss der Arbeitgeber seine Mitarbeiter
schrift lich informieren. Dafür ist die Verpfl ichtung, den Sozi-
alversicherungsausweis bei sich zu tragen, weggefallen.
Bitte stellen Sie sicher, dass Ihre Sofortmeldungen die Daten-
stelle der Rentenversicherung rechtzeitig erreichen. ALS
Haftung
RAUCHEN NICHT VERSICHERT
Rauchen ist Privatsache, stellte der Ausschuss für Rechts-
fragen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung
(DGUV) unlängst fest. Deshalb seien Beschäft igte während
der Rauchpausen nicht versichert.
Anders als beim Essen gilt das auch für die zum Rauchen
erforderlichen Wege, beispielsweise um eine Raucherecke zu
erreichen oder im Freien zu rauchen. Begründung: Bei der
Essenseinnahme handelt es sich um ein zum Lebenserhalt
notwendiges Bedürfnis. Daher haben diese Wege auch eine
Bedeutung, die dem Erhalt
der Arbeitskraft dienen und
somit den Versicherungs-
schutz rechtfertigen.
Da das Rauchen im Gegen-
satz dazu auf der persön-
lichen Entscheidung eines
jeden Versicherten beruht,
stehen die dazu notwendigen
Wege nicht unter dem Schutz
der gesetzlichen Unfallversi-
cherung. DGUV
Europaweites Verbot
TÖDLICHE ABBEIZER
Endlich: Ende Januar 2009 hat das EU-Parlament in
Brüssel ein europaweites Verbot für dichlormethanhaltige
Abbeizer (DCM) beschlossen. Sie müssen vom Markt genom-
men werden. Seit mehr als 20 Jahren hatte die BG BAU vor
den Gefahren gewarnt: DCM-haltige Abbeizer wirken auf die
Anwender narkotisierend, können das zentrale Nervensys-
tem lähmen und zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand führen.
Bereits 30 Menschen sind durch diese Abbeizer gestorben.
Obwohl es seit Jahren eine große Auswahl an weniger ge-
fährlichen Alternativprodukten gibt, werden mehr als drei
Viertel aller Abbeizarbeiten in Deutschland, vor allem beim
Entschichten von Fassaden, immer noch mit Produkten
ausgeführt, die 75 Prozent DCM enthalten. Dabei wird die
vorgeschriebene Persönliche Schutzausrüstung kaum ein-
gesetzt, wie Aufsichtspersonen der BG BAU bei ihren Bau-
stellenbesichtigungen immer wieder feststellen. Doch damit
soll jetzt Schluss sein. Bis das Verbot in die Praxis umgesetzt
ist, werden DCM-Abbeizmittel zwar noch in den Regalen
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Informationen zu geeigneten Alternativprodukten fi nden Sie im Internet: www.gisbau.de
stehen. Doch verantwortungsbewusste Unternehmer und
Beschäft igte in der Bauwirtschaft sollten sofort auf DCM-
haltige Stoff e verzichten. LUC
Bei Arbeiten mit DCM- haltigen
Abbeizern gilt: Rest -be stände nur mit Voll-
schutzanzug, Atemschutz und Schutzhandschuhen
verarbeiten.
BG BAU aktuell 2_2009 In Kürze I 05
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Europarecht
BERUFSGENOSSENSCHAFTEN BESTÄTIGT Das Monopol der Berufsgenossenschaft en und Unfallkassen
auf die Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrank-
heiten ist mit dem Europarecht vereinbar. Das hat der Europä-
ische Gerichtshof (EuGH) entschieden.
Insgesamt hatten knapp 100 Unternehmer gegen die Pfl icht-
mitgliedschaft bei den Berufsgenossenschaft en geklagt. Sie be-
gründeten die Klagen damit, dass das Monopol einen Verstoß
gegen die Dienstleistungsfreiheit und das europäische Wett-
bewerbsrecht darstelle. Das Landessozialgericht Sachsen hatte
die Frage schließlich dem EuGH zur Beurteilung vorgelegt,
nachdem alle anderen Gerichte einschließlich des Bundesso-
zialgerichts bei ihnen anhängige Klagen bereits abgewiesen
hatten.
Die Richter in Luxemburg urteilten nun klar, dass die Träger
der gesetzlichen Unfallversicherung keine Unternehmen im
Sinne des Euro-
parechts sind. Die
Pfl ichtmitgliedschaft
bei den Berufsgenos-
senschaft en verstoße
daher nicht gegen
EU-Recht.
DGUV
„GEPRÜFTER BAGGER- UND LADERFAHRER“ Bagger- und Laderfahrer tragen mit ihren Großgeräten auf
der Baustelle eine erhebliche Verantwortung. Dennoch fehlte
bisher ein einheitliches Anforderungsprofi l für ihre Qualifi ka-
tion. Diese Lücke hat der „Zulassungs ausschuss für Prüfungs-
stätten von Baumaschinenführern“, der gemeinsam von dem
Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) und dem
Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) getragen
wird, nun geschlossen.
Seit Januar 2009 gibt es, wie zuvor schon für Turmdrehkran-
führer, auch für Hydraulikbagger- und Laderfahrer einheitliche
Qualitätsanforderungen. Diese betreff en sowohl die Prüfungs-
inhalte als auch die beteiligten Prüfungsstätten. Nach erfolgrei-
chem Prüfungsabschluss erhält jeder Teilnehmer einen Befähi-
gungsnachweis zur Weitergabe an den Unternehmer sowie eine
Checkkarte, die auf der Baustelle mitgeführt werden kann.
Die BG BAU und der Fachausschuss Tiefb au haben das Pro-
jekt von Anfang an unterstützt und fachkundig begleitet. Wir
empfehlen unseren Mitgliedern, ausschließlich Maschinenfüh-
rer einzusetzen, die diese praktische und theoretische Prüfung
zum „Geprüft en Bagger- und Laderfahrer“ nach dem neuen,
einheitlichen Standard erfolgreich absolviert haben. LEI
Gesundheitsreport
WENN DIE PSYCHE STREIKT
In den vergangenen zwei Jahren sind die psychisch bedingten
Fehlzeiten bei Berufstätigen um fast zwanzig Prozent gestie-
gen, meldet die Techniker Krankenkasse (TK) in ihrem Ge-
sundheitsreport 2009.
Statistisch gesehen, war jeder Berufstätige im letzten Jahr gut elf
Tage krankgeschrieben, 1,4 Tage davon aufgrund einer psychi-
schen Erkrankung. Weibliche Beschäft igte sind mit 1,9 Tagen
pro Jahr deutlich häufi ger betroff en als Männer mit gut einem
Tag. Zu den häufi gsten Einzeldiagnosen gehören Depressionen,
die allein fast fünf Prozent aller Fehltage ausmachen.
Auch insgesamt nehmen die krankheitsbedingten Fehlzeiten
bei den Versicherten der TK, zu denen auch viele Fach- und
Führungskräft e aus der Bauwirtschaft gehören, wieder zu.
Gegenüber dem Vorjahr sind die Fehlzeiten um 2,5 Prozent
gestiegen. Zu den häufi gsten Diagnosen zählten Infektionen,
Rückenschmerzen und Depressionen. TK
Weitere Informationen hierzu geben die beteiligten Partner:www.bgbau.de, www.bauindustrie.de, www.zdb.de
06 I Schwerpunkt BG BAU aktuell 2_2009
Frühjahrsputz an der Fassade der Commerzbank in Frankfurt am Main.
BG BAU aktuell 2_2009 Schwerpunkt I 07
Im Idealfall fi ndet die Glasreinigung
von baulichen Einrichtungen aus
statt, die fest am Gebäude installiert
sind. Doch leider werden bei der Gebäu-
deplanung von Architekten und Bauher-
ren allzu oft die erforderlichen Einrich-
tungen für die spätere Gebäudereinigung
nicht eingeplant. Das kann am Ende teuer
werden, weil die Arbeiten dann nur noch
von Hubarbeitsbühnen und ähnlichen
Arbeitsmitteln auszuführen sind.
Reinigungsarbeiten rechtzeitig planenBauherren und Planer sind nach den
Bauordnungen der Länder verpfl ichtet,
alle baulichen Einrichtungen an Gebäu-
den so zu planen, dass später eine gefahr-
lose Reinigung möglich ist. Sinngemäß
heißt es da: Können Fensterfl ächen nicht
gefahrlos vom Boden, vom Inneren eines
Gebäudes oder von Vorbauten aus gerei-
nigt werden, sind Vorrichtungen anzu-
bringen, die eine gefahrlose Reinigung
von außen ermöglichen. „Leider sieht die
Realität bei den Gebäuden oft ganz an-
ders aus“, beklagt Gebäudereinigermeis-
ter Frank Doss aus Berlin. Zu bedenken
ist auch, dass die nachträgliche Ausstat-
tung der Gebäude mit diesen baulichen
Eine ganz saubere SacheGebäudereiniger müssen oft hoch hinaus. Schon bei der Planung
von Gebäuden ist darauf zu achten, dass ihr Arbeitsplatz gut
erreichbar und vor allem sicher ist.
TEXT: Rolf Schaper FOTOS: medienmeer, Frank Doss
Einrichtungen sehr teuer ist, oft die Nut-
zung stört und meist nicht zur Architek-
tur des Bauwerks passt.
„Glas muss regelmäßig beidseitig gerei-
nigt werden und sauberes Glas kostet
nun mal Geld. Richtig teuer wird es je-
doch über die Jahre, wenn an den Gebäu-
den keine baulichen Einrichtungen zur
Reinigung vorhanden sind. Dann müssen
zum Beispiel immer wieder Hubarbeits-
bühnen eingesetzt werden“, sagt Doss.
Für ihn steht fest, dass die besten und
wirtschaft lichsten Reinigungsresultate nur
von sicheren Standplätzen aus erzielt
werden können.
Vor Arbeitsbeginn: Die GefährdungsbeurteilungDie Arbeitsplätze müssen möglichst gut
erreichbar, aber auch ergonomisch und
sicher sein. Denn bei seiner Arbeit darf
kein Glasreiniger abstürzen, weder von
einer Arbeitsbühne, einem Fenstersims
oder einer Leiter. Daher steht vor dem
Beginn seiner Arbeiten immer eine sorg-
fältige Gefährdungsbeurteilung durch
den Unternehmer und die Festlegung
sicherheitsrelevanter Maßnahmen. Mit
einer Checkliste sollten Punkt für ➜
Fehlen am Gebäude fest installierte
Zugänge und Befahr-anlagen, müssen
Hubarbeitsbühnen eingesetzt werden.
08 I Schwerpunkt BG BAU aktuell 2_2009
Punkt alle möglichen Gefährdungen an
den jeweiligen Einsatzorten genau analy-
siert und entsprechende sicherheitstech-
nische Maßnahmen zur Unfallverhütung
festgelegt werden.
Bei ihrer Arbeit müssen Glasreiniger
immer fl exibel sein und sich auf die Be-
dürfnisse ihrer Auft raggeber einstellen.
So wird oft an den Wochenenden oder
abends gearbeitet, um nicht den Be-
triebsablauf in den Gebäuden zu stören.
So auch in Berlin im Haus der Deutschen
Wirtschaft , wo die GRG Group, ein ört-
liches Reinigungsunternehmen, an einem
Samstag mit 14 Beschäft igten die Glas-
reinigung durchführt. Vorarbeiter Jörg
Küchler hat die Aufsicht und achtet ganz
genau darauf, dass die Arbeiten fachge-
recht durchgeführt werden. So mussten
die Marmorfußböden vorher mit Schal-
platten abgedeckt werden, damit der
wertvolle Boden im Atrium nicht durch
den Einsatz der Hubarbeitsbühne beschä-
digt wird. „Bei jedem Auft raggeber sind
andere Bedingungen zu erfüllen“, sagt
Küchler. Besonderes Augenmerk richtet
er auf die ihm anvertrauten Auszubilden-
den, die die Arbeitsabläufe vor Ort erst
konkret lernen sollen.
Thema Nummer eins: AbsturzgefahrBesondere Beachtung erfordern die
überall drohenden Absturzgefahren. So
dürfen zum Beispiel Dachfl ächen als Ar-
beitsplätze nur genutzt werden, wenn sie
durchsturzsicher sind oder eine begeh-
bare Verglasung für Instandhaltungsar-
beiten vorhanden ist. Daher ist vor allem
bei der Übernahme eines neuen Auft ra-
ges immer erst eine genaue Ortsbesichti-
gung erforderlich. Gefährlich sind zum
Beispiel Arbeiten an Lichtkuppeln oder
-bändern. Hier müssen immer Sicherun-
gen gegen Absturz vorhanden sein, wie
Seitenschutz oder Drahtgitterunterspan-
nungen. An nicht begehbaren Oberlich-
tern und Glasabdeckungen sind keine
Umwehrungen erforderlich, wenn sie
Vom Arbeitskorb aus können Gebäudereiniger ihre Arbeit gefahrlos und effi zient ausführen.
BG BAU aktuell 2_2009 Schwerpunkt I 09
WEITERE INFOS:
Broschüre der BG BAU:
„Glas- und Fassadenreinigung – Instandhaltung
sicher und wirtschaft lich planen“ (siehe S. 38)
Abruf-Nr. 670
mindestens 50 Zentimeter aus der Fläche
herausragen. Schon ab einer möglichen
Absturzhöhe von einem Meter ist eine
Absturzsicherung erforderlich. An der
Dachaußenkante sind bei den kurzfris-
tigen Reinigungsarbeiten Absturzsiche-
rungen spätestens bei mehr als 3,0 Meter
Absturzhöhe erforderlich.
Bei Fensterbänken gelten Sonderregelun-
gen. Sie dürfen als Arbeitsplatz betreten
werden, wenn sie mindestens 25 Zentime-
ter breit sind und an ungünstigster Stelle
eine Last von 1,5 Kilonewton aufnehmen
können. „Bei der Ausbildung von Gebäu-
dereinigern legen wir großen Wert auf
die richtige Verwendung von Sicherheits-
geschirren. Sie müssen richtig angelegt
werden und es müssen unbedingt geeig-
nete und tragfähige Anschlagpunkte vor-
handen sein“, sagt Frank Doss, der seit
25 Jahren in der Branche tätig ist.
Optimal: Stationäre Befahranlagen am GebäudeAn manchen Gebäuden sind stationäre
Befahranlagen installiert, zum Beispiel
Fassadenaufzüge, Fahrbühnen oder Trep-
penleitern, von denen aus die Gebäude-
reiniger ihre Arbeit gefahrlos und effi zi-
ent ausführen können. Vorausschauende
Architekten und Bauherren denken bei
der Planung von Gebäuden von Anfang
an daran. „Ergonomisch gestaltete Ein-
richtungen erleichtern die Arbeit der
Reinigungskräft e enorm, weil meist von
da aus alle wesentlichen Bereiche einer
Glasfassade erfasst werden können – und
zwar ohne Risiko“, sagt Bernd Preuß,
Präventionsexperte der BG BAU aus
Frankfurt.
Daher sollten Befahranlagen nicht die
Ausnahme bleiben, sondern zur Regel
werden.
Mit der horizontal verfahrbaren Befahranlage
ist jeder Punkt erreichbar.
10 I Arbeitssicherheit BG BAU aktuell 2_2009
Mit vereinten KräftenVon einer gemeinsamen Strategie der staatlichen Arbeitsschutz-
behörden und Unfallversicherungsträger profitieren zukünftig
alle Beteiligten.
TEXT: Rolf Schaper FOTO: Marc Darchinger
Professor Rudolf Scholbeck, Präventions leiter der BG BAU, zur neuen Strategie im deutschen Arbeitsschutz.
BG BAU aktuell 2_2009 Arbeitssicherheit I 11
„Wir wollen
das Sicherheits-
bewusstsein
in den Betrieben
verbessern.“
Quelle: DGUV
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110
120
20101990 1995 2000 2005
119,64
109,71
90,42
66,96
66,06
52,09
46,68
37,10
27,2327,72
ARBEITSUNFÄLLE PRO 1.000 VOLLARBEITER
BG BAU
alle BGen
Arbeitsschutz hat in Deutschland
einen hohen Stellenwert und
eine lange Tradition. Niemand
soll bei der Arbeit oder auf dem Weg dort-
hin einen Unfall erleiden oder berufl ich
bedingt erkranken. Die Berufsgenossen-
schaft en sind für die Entschädigung von
Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten
zuständig. Absolute Priorität bei ihrer
Arbeit hat die Prävention, denn durch die
Verhütung von Arbeitsunfällen und Ge-
sundheitsgefahren werden menschliches
Leid, betriebliche Ausfälle und erhebliche
Kosten für die Betriebe schon von Anfang
an vermieden.
Bei der Überwachung der Arbeitsschutz-
maßnahmen und der entsprechenden
Rechtssetzung sind neben dem staatli-
chen Arbeitsschutz auch die Berufsge-
nossenschaft en beteiligt. Die Vorschrif-
ten und Regeln ergänzen sich. Dies hat
sich seit Jahrzehnten bewährt und wird
als so genanntes duales System bezeich-
net. Doch obwohl der Arbeitsschutz in
Deutschland im internationalen Ver-
gleich eine Spitzenposition einnimmt,
ereignen sich pro Tag immer noch rund
2.600 Unfälle, zwei davon sogar mit töd-
lichem Ausgang. Besonders unfallträch-
tig ist dabei das Baugewerbe mit seinen
täglich wechselnden Arbeitssituationen.
Daher gibt es noch immer einen großen
Handlungsbedarf.
Unfallzahlen sollen europa-weit um 25 Prozent sinkenDies bestätigt auch Professor Rudolf
Scholbeck, Präventionsleiter der BG BAU:
„Im deutschen Arbeitsschutz fehlte bisher
tatsächlich eine gemeinsame Strategie der
staatlichen Arbeitsschutzbehörden und
der Unfallversicherungsträger. Und genau
das wird jetzt vom neuen Unfallversiche-
rungsmodernisierungsgesetz (UVMG) aus-
drücklich gefordert. Wir sehen darin eine
große Herausforderung und Chance für den
Arbeitsschutz, der dadurch neue Impulse
bekommen kann.“
Ziel einer „Gemeinsamen Deutschen Ar-
beitsschutzstrategie“ (GDA) ist es, die
Ressourcen im Arbeitsschutz für gemein-
same Ziele effi zienter und eff ektiver zu
nutzen und so die Prävention in Deutsch-
land weiter voranzubringen. Deutschland
will mit dazu beitragen, die Ziele der
Europäischen Union im Arbeitsschutz zu
erreichen: So soll die Zahl der Arbeitsun-
fälle bis 2012 europaweit um ein Viertel
sinken.
„Auch für unsere Unternehmer wird es
sich positiv auswirken, wenn Staat und
Unfallversicherung künft ig noch enger
zusammenarbeiten“, davon ist Scholbeck
überzeugt. Denn bei einer besseren Ab-
stimmung der beiden Institutionen sind
Doppelbesichtigungen, also kurz aufei-
nander folgende Besuche verschiedener
Präventionsdienste, künft ig praktisch
ausgeschlossen. Die engere Verzahnung
des Vorschrift enwerks der Berufsgenos-
senschaft en mit dem staatlichen Arbeits-
schutzrecht trägt ebenfalls zum Bürokra-
tieabbau bei. „Auch die Selbstverwaltung
unserer Berufsgenossenschaft en hat dabei
hervorragend mitgewirkt. So wurden seit
2003 mehr als die Hälft e der Unfallver-
hütungsvorschrift en außer Kraft gesetzt“,
sagt Scholbeck. Weitere gemeinsame Zie-
le der staatlichen Aufsichtsbehörden und
Präventionsdienste der Berufsgenossen-
schaft en sind eine Verringerung der be-
rufsbedingten Hauterkrankungen sowie
der Muskel-Skelett-Erkrankungen und
-Belastungen am Arbeitsplatz.
Scholbeck: „Es wird demnächst einige
konkrete Einzelprojekte geben, die für
unsere Mitgliedsfi rmen der Bauwirtschaft
interessant sein werden. So sollen zum
Beispiel für Bau- und Montagearbeiten,
Gerüstbau- und Abbrucharbeiten mit
hoher Priorität neue Sicherheitskonzepte
erarbeitet werden. „Unser gemeinsames
Ziel ist es, eine Verbesserung der systema-
tischen Umsetzung des Arbeitsschutzes in
den Betrieben zu bewirken.“
12 I Arbeitssicherheit BG BAU aktuell 2_2009
Die Neustrukturierung der Prävention war im Zuge der
Fusion von ehemals acht Berufsgenossenschaft en der
Bauwirtschaft zu einer BG BAU im Mai 2005 erforder-
lich. Ziel sind schlanke Verwaltungsstrukturen, die eine geziel-
te und wirkungsvolle Prävention ermöglichen. Die ehemals acht
Bezirkspräventionen wurden zu drei Bezirkspräventionen an den
Standorten Berlin, München und Wuppertal zusammengefasst.
Die zuvor bestehenden 29 Regionen wurden auf neun verrin-
gert, jeweils drei pro Bezirksprävention. Im Internet fi nden Sie
neben den Ansprechpartnern auch eine Übersicht (s. Grafi k),
die diesen Aufb au detailliert wiedergibt. Zudem wurden die
Mitarbeiter in den Bezirkspräventionen von Verwaltungs-
aufgaben weitgehend entlastet, so dass sie sich nun verstärkt
ihrer eigentlichen Aufgabe, der Beratung von Mitgliedsun-
ternehmen widmen können. Strategische und bezirksübergreifende
Arbeiten werden seitdem von kleineren Organisationseinheiten zentral für
die gesamte Prävention erledigt.
Eine wichtige Voraussetzung für die Neuorganisation der Prävention war
auch der Beschluss der Vertreterversammlung im Dezember 2008, das
so genannte „Sektionsmodell“, also die Trennung zwischen Hoch-
und Tiefb au, abzuschaff en. Dadurch war es möglich, eine umfas-
sende Neuauft eilung der Aufsichtsgebiete vorzunehmen und bestehende
Doppelbesetzungen in den Gebieten zu beseitigen. Auf diese Weise ist eine
fl ächendeckende Beratung und Überwachung auch weiterhin sichergestellt.
Unter www.bgbau.de fi nden Sie über „Ansprechpartner/Adressen“ die für Sie zustän-
digen Experten in den Bezirken, Regionen und Bereichen in Ihrer Nähe. In Kürze wer-
den diese Funktionen durch eine komfortable Karten-, Postleitzahlen- und Ortssuche
ergänzt.
Aus acht mach dreiNeue Präventionsstruktur bei der BG BAU: Alle Ansprechpartner zu
den Themen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz finden Sie
ab sofort im Internet.
TEXT: Prävention Grafik: BG BAU
Ihre Ansprechpartner fi nden Sie über: www.bgbau.de,Ansprechpartner/Adressen oder webcode: 2964588
BG BAU aktuell 2_2009 Aus Unfällen lernen I 13
Kein juristisches NachspielDer schwere Unfall mit drei Toten und einigen Schwerverletzten
auf der Kraftwerksbaustelle in Neurath bleibt strafrechtlich
ohne Folgen.
TEXT: Rolf Schaper Fotos: Picture Alliance
Damals war plötzlich eine mehr
als 100 Tonnen schwere Stahl-
konstruktion vom Gerüst eines
Kessels abgestürzt und hatte mehrere Be-
schäft igte mit in die Tiefe gerissen. Zwei
Slowaken und ein Tscheche starben. Fünf
weitere Arbeiter überlebten den Sturz aus
großer Höhe. Nach dem Unglück boten
sich schreckliche Bilder. Die Leiche eines
Monteurs hing über einen Tag lang an
einem Sicherungsseil in 140 Meter Höhe,
ohne dass sie geborgen werden konnte.
Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach
hat nach über einem Jahr das Ermitt-
lungsverfahren eingestellt, weil keinem
der Verantwortlichen ein individueller
Schuldvorwurf gemacht werden konnte.
Aus einer Presseerklärung der Staatsan-
waltschaft geht hervor, dass die Unter-
konstruktion des Bandagengerüstes, das
bei dem Unfall zusammengebrochen ist,
im Bereich der Knotenverbindungen zu
schwach ausgelegt war. „Off enbar ist die
Tragfähigkeit der Bauteile von allen Betei-
ligten falsch eingeschätzt worden. Dieser
Fehler beruht nicht auf einer unsorgfälti-
gen Arbeitsweise oder der Umgehung ge-
setzlich vorgegebener Sicherheitsbestim-
mungen und Qualitätsanforderungen,
sondern auf unzureichenden Kenntnis-
sen über die physikalische Belastbarkeit
der erstmals bei dem Neubau in Neurath
eingesetzten Bauteile“, so die Staatsan-
waltschaft . Dem entsprechend haben die
mit der Prüfung beauft ragten Gutachter
das Unfallgeschehen als nicht vorherseh-
bar eingeschätzt. Erst nach der Bergung
und Begutachtung der Trümmerteile
im Juni 2008 konnten sie im Abgleich
mit den Konstruktionszeichnungen die
Schwachstelle sicher identifi zieren. Nach
Auswertung des Gutachtens wurde das
von der Staatsanwaltschaft geführte Er-
mittlungsverfahren wegen des Fehlens
eines hinreichenden Tatverdachts einge-
stellt.
Im Hinblick auf die ungewöhnliche, in
der Fachwelt nicht ausreichend bekann-
te Stabilitätsproblematik wurden die an
dem Kraft werksneubau beteiligten Fir-
men von den beauft ragten Gutachtern
bereits vorab über die genauen Ursachen
des Unfalls informiert. So werden die aus
dem Gutachten gewonnenen Erkenntnis-
se sofort bei anderen Baumaßnahmen in
Neurath berücksichtigt. Ferner können
an bereits fertiggestellten Bauwerken
notwendige Verstärkungen vorgenom-
men werden, falls dies notwendig ist. Da-
rüber hinaus wurde durch einen intensi-
ven Erfahrungsaustausch sichergestellt,
dass diese Erfahrungen auch bei anderen
Kraft werksneubauten in Deutschland mit
einfl ießen.
Ein Großaufgebot an Rettungskräften,
Feuerwehr und Polizei war an der Unglücks-
stelle im Einsatz.
14 I Im Blick BG BAU aktuell 2_2009
Der 270 Meter weit gespannte Bogen
der Froschgrundseebrücke überquert fast das
gesamte Tal.
BG BAU aktuell 2_2009 Im Blick I 15
Kühner BrückenschlagZwischen Erfurt und Nürnberg entsteht die größte Bogenbrücke
Europas für den ICE- und Güterverkehr der Deutschen Bahn AG.
TEXT: Rolf Schaper FOTOS: Doka, Mirko Bartels
Kurz vor dem Bogenschluss:
Der Stahlbeton bogen der Talbrücke entsteht
im Freivorbau.
Den Zugreisenden bleibt die
Schönheit vieler Eisenbahnbrü-
cken meist verborgen. Das ist
schade, weil die Eleganz und Kühnheit
mancher Bauwerke wirklich beeindru-
ckend ist. Vor allem die Bogenbrücken
sind Meisterwerke des Ingenieurbaus.
In der Nähe der oberfränkischen Stadt
Rödental entsteht derzeit die größte Eisen -
bahnbrücke Europas. Das Bauwerk über-
spannt mit 270 Metern Länge den Frosch-
grundsee. Die Talbrücke ist insgesamt 800
Meter lang, 65 Meter hoch und Bestand-
teil der im Bau befi ndlichen Aus- und
Neubauverbindung Nürnberg–Berlin, die
2017 in Betrieb gehen soll.
Spezialisten gefragtDie markante Brücke wird von der Bauge-
sellschaft Adam Hörnig aus Aschaff enburg
errichtet. Bauleiter Lothar Roth hat lang-
jährige Erfahrung im Brückenbau und ist
verantwortlich für die Arbeiten vor Ort.
Seit 22 Jahren arbeitet der 48-jährige Dip-
lomingenieur bei dem Unternehmen. „Wir
sind spezialisiert auf Brückenbauprojekte
– aber dieser Bau ist eine echte Heraus-
forderung“, sagt er. Am 23. Oktober 2008
wurden die letzten Betonarbeiten am Bo-
gen beendet und der Bogen geschlossen.
„Natürlich haben wir das entsprechend
gefeiert, ist doch klar.“
Das öff entliche Interesse an dem Bauwerk,
das im Auft rag der Deutschen Bahn AG
errichtet wird, ist natürlich groß. Immer
wieder müssen Roth und sein Kollege Ste-
fan Geiling den Ablauf der Arbeiten er-
läutern: Zuerst werden die beiden Wider-
lager für den großen Bogen errichtet,
die so genannten Kämpfer. Hier werden
später die gewaltigen Lasten aus den Bö-
gen eingeleitet. Parallel dazu werden die
Vorlandstützen und die beiden wichtigs-
ten Pfeiler über den Kämpfern errichtet.
Auf diesen beiden Pfeilern befi nden sich
spezielle Pylone, über die mit Spannstahl-
abspannungen der Freivorbau des Bogens
erfolgen kann. Beide Bögen werden von
den Kämpferpunkten aus aufeinander zu
gebaut. Dabei werden sie nur von den Ab-
spannungen gehalten. Dann werden je-
weils fünf Meter lange Betonierabschnitte
fertiggestellt und die Schalung weiterge-
schoben. Dieses Verfahren wird als Frei-
vorbau bezeichnet. Wenn der Bogen ge-
schlossen ist und sich selbst trägt, können
die Abspannungen und die beiden Hilfs-
pylone wieder entfernt werden.
„Beim Betonieren der einzelnen Bogenab-
schnitte kamen jeweils rund 100 Tonnen
Gewicht auf die Schalung. Dadurch hat-
ten wir Absenkungen von bis zu 20 Zen-
timetern. Das musste natürlich berück-
sichtigt werden und funktionierte ➜
16 I Im Blick BG BAU aktuell 2_2009
nur mit einer erfahrenen Mannschaft “,
erläutert Bauleiter Roth. Darum waren
beim Bau der einzelnen Bogenabschnit-
te tägliche Vermessungsarbeiten nötig.
Schon kleinste Abweichungen hätten sich
verhängnisvoll ausgewirkt.
Überbau im TaktschiebeverfahrenIm so genannten Taktkeller, einer fest
installierten Feldfabrik, werden die
bis zu 30 Meter langen Spannbetonab-
schnitte des Überbaus hergestellt. Diese
Produktionsweise ist wesentlich sicherer,
weil die Schalung nicht wie bei anderen
Brücken in großer Höhe eingesetzt wird,
sondern auf festem Grund. Damit wer-
den Abstürze von Bauarbeitern sicher
verhindert.
Die Bauteile werden vorgespannt und dann
mit einem Vorbauschnabel im einseitigen
Taktschiebeverfahren feldweise von Pfei-
ler zu Pfeiler in ihre endgültige Position
geschoben – sogar leicht bergauf. Das fas-
zinierende Verfahren erfordert viel Erfah-
rung und eine entsprechende technische
Ausrüstung. Der gesamte Überbau wird
als Spannbeton-Durchlauft rägerkette mit
einem einzelligen Hohlkastenquerschnitt
hergestellt. Vor der Inbetriebnahme dieses
Streckenabschnittes werden noch Schall-
schutzwände montiert, um Lärmbelastun-
gen der Anwohner zu verhindern.
Oben: Ungewöhnlicher Weg zum hoch gelegenen Arbeitsplatz – im Arbeits-korb. Unten: Bei regelmäßi-gen Sicherheitsbegehungen decken die Experten mögliche Schwachstellen auf.
BG BAU aktuell 2_2009 Im Blick I 17
Sicherheit hat PrioritätJe nach Arbeitsfortschritt arbeiten auf
der Baustelle zwischen 30 und 50 Be-
schäft igte. Von Anfang an waren Volker
Matuschek, Sicherheits- und Gesund-
heitsschutzkoordinator der DB Projekt-
Bau GmbH, und Rainer Schultz, Auf-
sichtsperson der BG BAU, an diesem
Projekt beteiligt. Viele Arbeitsplätze auf
dieser Baustelle befi nden sich in großer
Höhe. Daher sind besondere Sicherheits-
maßnahmen gegen Absturz erforderlich.
„Wir wollen, dass die Absturzsicherun-
gen so früh wie möglich montiert wer-
den, damit niemand in Lebensgefahr ge-
rät. In Ausnahmefällen akzeptieren wir
aber auch Persönliche Schutzausrüstung,
also Sicherheitsgeschirre“, sagt Schultz.
„Auch für uns hat Arbeitssicherheit
höchste Priorität“, versichert Richard
Schönfeld, Sicherheitsfachkraft der Bau-
gesellschaft Adam Hörnig. „Wir machen
regelmäßig gemeinsame Sicherheitsbege-
hungen und decken dabei Schwachstellen
auf. Nach meiner Erfahrung sind zum
Beispiel Unterweisungen, bei denen jeder
Mitarbeiter seine Teilnahme schrift lich
bestätigen muss, ein wirksames Mittel
der Prävention.“ Tatsächlich gab es auf
der Baustelle bisher auch noch keine nen-
nenswerten Arbeitsunfälle.
Im Juni 2010 soll die Bogenbrü-
cke fertig sein. Die knapp 800 Meter
lange Talbrücke Froschgrundsee ist al-
lerdings nur ein kleiner Abschnitt des
107 Kilometer langen Neubauabschnitts
ZAHLEN, DATEN, FAKTEN:
Talbrücke FroschgrundseeBauart: Spannbetonhohlkasten,
Durchlaufträgerkette, Bogenbrücke
mit aufgeständerter Fahrbahn
Bauwerkslänge: 798 m•
Breite: 14,30 m•
Stützweiten: 6 x 44 – 9 x 30 – 6 x 44 m•
Bogenstützweite: 270 m•
Bauherr: DB Netz AG•
Entwurf: Obermeyer Planen und •
Beraten GmbH, München
Ausführungsplanung: •
KINKEL + Partner GmbH,
Neu-Isenburg
Ausführung: A. Hörnig Baugesell-•
schaft GmbH & Co., Aschaffenburg
www.vde8.de
Grafik: KINKEL + Partner
Ebensfeld–Erfurt mit 22 Tunneln und
29 Talbrücken. Ziel des Gesamtprojek-
tes Nürnberg–Berlin ist ein wesentlicher
Kapazitätszuwachs für den Güter- und
Personenverkehr sowie die Verkürzung
der Fahrzeit von München nach Berlin
auf etwa vier Stunden.
Leider werden Zugreisende diese elegante
Bogenbrücke bei ihrer Fahrt nicht einmal
bemerken – schade.
18 I Arbeitsmedizin BG BAU aktuell 2_2009
Wer Drogen konsumiert, ist ein
Risikofaktor am Arbeitsplatz – für sich
selbst und seine Kollegen.
Dennis verhielt sich an diesem Montagmorgen nicht so wie sonst. Seinen Kol-
legen im Dachdeckerbetrieb fi el auf, dass der Auszubildende sehr unkonzen-
triert war und sich selbst einfache Anweisungen nicht merken konnte. Er
schwankte etwas beim Gehen und hatte Schwierigkeiten, auf eine Leiter zu steigen. Als
der Chef das merkte, schickte er ihn erst einmal nach Hause. Später kam heraus, dass
Dennis am Sonntagabend mit Freunden Haschisch geraucht hatte. Der Chef stellte ihn
zur Rede. Doch Dennis war sich keiner Schuld bewusst, sondern erklärte, auch früher
schon Haschisch geraucht zu haben. Der Chef reagierte richtig: Er schickte Dennis
zum AMD der BG BAU zur Untersuchung. Dort ließ er sich auch beraten, wie er mit
Dennis weiter umgehen soll.
ZugedröhntDrogenkonsum auf dem Bau erhöht die Unfallgefahr. Wie gefährlich
sind Haschisch und Marihuana?
TEXT: Dr. med. Jobst Konerding FOTOS: iStockphoto, shotshop.com
BG BAU aktuell 2_2009 Arbeitsmedizin I 19
CANNABIS: DIE WEICHE DROGE MIT OFT HARTEN FOLGEN
Haschisch und Marihuana werden aus
bestimmten Hanfpflanzen gewonnen.
Hauptwirkstoff ist das Tetrahydrocan-
nabinol (THC), deshalb spricht man bei
diesen Drogen auch von Cannabis. Es
kann gegessen, getrunken oder geraucht
werden.
Zu den bekanntesten Zubereitungs-
formen gehört Marihuana mit einem
THC-Gehalt von etwa sieben Prozent.
Haschisch ist das gepresste Harz der
Hanfpflanze und enthält 10–20 Prozent
THC. Haschischöl ist die wirksamste
Zubereitungsform mit über 60 Prozent
THC. In Deutschland ist Cannabis illegal.
Seitdem die Hanfpflanzen zunehmend in
Europa in versteckten Gewächshäusern
unter optimalen Wachstumsbedingungen
und oft aus genmanipuliertem Saatgut
gezogen werden, haben die Wirkstoff-
konzentrationen der Cannabisprodukte
in den vergangenen Jahren deutlich
zugenommen.
Aktuelle Umfragen zeigen, dass 4,3 Prozent der 15- bis 19-Jährigen in Deutschland re-
gelmäßig Haschisch und Marihuana konsumierten. Einer Studie der BG BAU zufolge
konsumieren etwa fünf Prozent der Beschäft igten regelmäßig illegale Drogen. 80 Prozent
der von der BG BAU positiv getesteten Bauarbeiter hatten überwiegend Haschisch oder
Marihuana zu sich genommen. Besonders erschreckend war, dass 42 Prozent der Drogen-
konsumenten unter Absturzgefahr arbeiten, etwa als Zimmerer, Dachdecker oder Maurer.
Denn durch Drogenkonsum nehmen die Unfallrisiken erheblich zu. Deshalb dürfen Dro-
genkonsumenten weder absturzgefährdende Arbeiten noch Fahr-, Steuer- und Überwa-
chungstätigkeiten ausführen.
Eingeschränktes Reaktionsvermögen und AbhängigkeitDie ersten Wirkungen treten innerhalb von zehn Minuten nach dem Rauchen ein. Wird
Cannabis gegessen oder getrunken, dauert es eine halbe bis zwei Stunden. Zunächst
wirkt das Mittel entspannend und euphorisierend. Die Kontaktfähigkeit wird verbessert,
der Redefl uss nimmt zu. Diese Phase kann bis zu zwei Stunden anhalten. Dann tritt ein
beruhigender Eff ekt in den Vordergrund. Je nach Menge des konsumierten THC kann die
Droge bis zu zehn Stunden wirksam bleiben.
Nach dem Konsum kann es kurzfristig zu Mundtrockenheit, Herzrasen, Schwindel und
Konzentrationsstörungen kommen. Bei hohen THC-Mengen sind Halluzinationen und
Angstzustände möglich. Die Verkehrstüchtigkeit ist auf jeden Fall beeinträchtigt, auch
wenn der Konsument dies meist nicht merkt. Es entwickelt sich ein so genannter „Tun-
nelblick“. Das Reaktionsvermögen ist deutlich eingeschränkt. Darüber hinaus kann sich
bei längerem Konsum eine psychische Abhängigkeit ergeben. Angstzustände oder Schizo-
phrenien können durch Cannabis ausgelöst werden. Problematisch sind auch lang andau-
ernde Konzentrationsstörungen und Schwindelzustände bei häufi gem Cannabisgebrauch.
Wissenschaft ler stellen bei Langzeitkonsumenten Antriebslosigkeit und Persönlichkeits-
veränderungen fest.
Drogentest beim AMDHat ein Unternehmer den Verdacht, dass ein Mitarbeiter Drogen konsumiert, sollte er ihn
seinem Betriebsarzt vorstellen. Die meisten Drogen lassen sich im Blut oder Urin nachwei-
sen. Dieser Test fällt unter die ärztliche Schweigepfl icht und darf nur mit Zustimmung des
Betroff enen vorgenommen werden. Auch die Ergebnisse darf der Betriebsarzt dem Unter-
nehmer nur mitteilen, wenn der Beschäft igte damit einverstanden ist. Das ist fast immer
der Fall, wenn das Ergebnis des Tests negativ ist.
Die Tests sind mittlerweile sehr eff ektiv. Bei einmaligem Konsum lässt sich THC im Urin
7–10 Tage danach nachweisen, bei häufi gerem Konsum bis zu 8 Wochen. Fällt der Drogen-
test positiv aus, berät der Betriebsarzt den Betroff enen im Hinblick auf die Folgen des Dro-
genkonsums. Zusätzlich empfi ehlt der Arbeitsmediziner ihm, eine Drogenberatungsstelle
aufzusuchen, um völlig von der Droge loszukommen. Zur Erfolgskontrolle kann der AMD
in der Folgezeit weitere Drogentests vornehmen. Je eher ein regelmäßiger Cannabiskon-
sum erkannt wird und eine Drogenberatung beginnt, desto größer ist die Chance, von der
Droge loszukommen und die Arbeit wieder normal fortsetzen zu können.
20 I Arbeitsmedizin BG BAU aktuell 2_2009
Bei regelmäßiger Vorsorge können gesundheitliche Risi-ken am Arbeitsplatz frühzeitig erkannt werden. D
ie neue Verordnung zur arbeits-
medizinischen Vorsorge ver-
einfacht die Rechtslage. Darin
sind die bislang im staatlichen Recht und
in den Unfallverhütungsvorschrift en ent-
haltenen Doppelregelungen zusammen-
gefasst.
Neu ist die Unterscheidung zwischen
Pf licht-, Angebots- und Wunschunter-
suchungen. Neben den Pf lichtuntersu-
chungen, die der Arbeitgeber veranlassen
muss, und den Angebotsuntersuchun-
gen, die ebenfalls vom Arbeitgeber an-
zubieten sind, hat der Arbeitnehmer
neuerdings auch die Möglichkeit, ar-
beitsmedizinische Vorsorgeuntersuchun-
gen auf eigenen Wunsch vornehmen zu
lassen. Damit sollen beispielsweise Ver-
besserungen in den bisher noch nicht
ausreichend beachteten Bereichen der
Muskel- und Skeletterkrankungen an-
gestoßen werden. Auch Vorsorgeunter-
suchungen im Rahmen von Fahr-, Steu-
er- und Überwachungstätigkeiten (G 25)
oder bei Tätigkeiten mit Absturzgefahr
(G 41) können auf Wunsch des Beschäf-
tigten erfolgen.
Wahl, Pflicht oder KürMehr Klarheit bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge.
TEXT: Dr. Anette Wahl-Wachendorf FOTO: Fotosearch, Fotolia
BG BAU aktuell 2_2009 Arbeitsmedizin I 21
PFLICHT- UND ANGEBOTS-UNTERSUCHUNGEN
An Pflichtuntersuchungen muss der
Arbeitnehmer teilnehmen. Arbeitnehmer
und Arbeitgeber bekommen eine schrift-
liche Mitteilung, ob gesundheitliche
Bedenken gegen die Gefährdungen am
vorgesehenen Arbeitsplatz bestehen, bei-
spielsweise gegen Arbeiten im Lärm über
85 dB. Über Pflichtuntersuchungen hat
der Arbeitgeber eine Vorsorgekartei mit
Angaben über Anlass, Tag und Ergebnis
jeder Untersuchung zu führen.
Der Arbeitgeber ist zudem verpflichtet,
seinen Beschäftigten Angebotsuntersu-
chungen anzubieten, etwa eine Bild-
schirmarbeitsplatzuntersuchung. Dabei
entscheidet der Arbeitnehmer selbst, ob
er diese Untersuchung wahrnimmt oder
nicht. Das Ergebnis der Angebotsunter-
suchung teilt der Betriebsarzt nur dem
Arbeitnehmer mit.
Beispiele für PflichtuntersuchungenTätigkeiten mit Gefahrstoffen wie
Asbest, Benzol, Chrom-VI-Verbindungen,
Toluol u.a., wenn der Arbeitsplatz-
grenzwert nach der Gefahrstoffverord-
nung nicht eingehalten wird oder eine
Gesundheitsgefährdung durch direkten
Hautkontakt besteht.
Beispiele für AngebotsuntersuchungenTätigkeiten an Bildschirmgeräten, Tragen
von Atemschutzgeräten der Gruppe 1
Ob Pfl icht-, Angebots- oder Wunschun-
tersuchung, Ziel der arbeitsmedizinischen
Vorsorge ist es, die Gesundheit arbeiten-
der Menschen zu erhalten, gesundheitli-
che Risiken möglichst frühzeitig zu er-
kennen und die Betroff enen im Hinblick
auf geeignete Maßnahmen zu beraten.
Eine häufi ge Berufskrankheit in der Bau-
wirtschaft ist beispielsweise die Lärm-
schwerhörigkeit. Im Rahmen der Vorsor-
geuntersuchung wird das Hörvermögen
der Beschäft igten regelmäßig überprüft .
Ob es sich dabei um eine Pfl icht- oder An-
gebotsuntersuchung handelt, hängt davon
ab, wie hoch der Lärmpegel am Arbeits-
platz des zu Untersuchenden ist. So lösen
Lärmpegel bis 84 dB eine Angebotsunter-
suchung aus, ab 85 dB muss der Arbeitge-
ber eine Pfl ichtuntersuchung veranlassen.
Beratung steht im MittelpunktEntscheidend bei der arbeitsmedizinischen
Vorsorge ist neben der Untersuchung die
Beratung. Nach der neuen Verordnung
kann sich die Vorsorgeuntersuchung so-
gar auf ein Beratungsgespräch beschrän-
ken, wenn körperliche oder klinische
Untersuchungen dazu nicht erforderlich
sind. Nach einem Hörtest beispielsweise
bespricht der Betriebsarzt die Ergebnisse
mit dem Betroff enen und berät ihn bei
Auff älligkeiten auch im Hinblick auf in-
dividuell passenden Gehörschutz. Dabei
kommen auch die Vorbeugung und weite-
re vermeidbare Ursachen einer Hörschädi-
gung zur Sprache.
Chronische arbeitsbedingte Erkrankun-
gen, beispielsweise Erkrankungen der
Atemwege wie die chronische Bronchitis
und Asthma, gehören ebenfalls zur ar-
beitsmedizinischen Vorsorge. Dabei fragt
der Betriebsarzt gezielt nach Belastun-
gen am Arbeitsplatz, beispielsweise nach
Steinstaub bei einem Steinmetz oder
Holzstaub bei einem Zimmerer. Auch bei
dieser Vorsorgeuntersuchung empfi ehlt
der Betriebsarzt Maßnahmen, welche
zur Erhaltung oder zur Verbesserung der
Gesundheit des Beschäft igten beitragen
können, etwa das Tragen des richtigen
Filters mit erforderlichem Filterwechsel.
Erfährt der Arbeitgeber von einer Er-
krankung, die im ursächlichen Zusam-
menhang mit der Tätigkeit des Beschäf-
tigten stehen könnte, so muss er dem
betroff enen Mitarbeiter unverzüglich
eine arbeitsmedizinische Vorsorgeunter-
suchung anbieten. Bei einer chronischen
Erkrankung der Lunge beispielsweise
sollte der Arbeitgeber an einen mögli-
chen Zusammenhang mit der Tätigkeit
in der Bauwirtschaft denken und den Be-
triebsarzt einbeziehen.
Grundlage der Arbeitsmedizinischen
Vor sorge ist die Gefährdungsbeurteilung,
die der Unternehmer erstellt. Darin ist
festgelegt, welche Mitarbeiter an welchen
Pfl ichtuntersuchungen teilnehmen müs-
sen und wem der Arbeitgeber Angebots-
untersuchungen vorschlagen muss. Der
Betriebsarzt des AMD unterstützt den
Unternehmer bei der Erstellung oder Ak-
tualisierung der Gefährdungsbeurteilung
und empfi ehlt entsprechende Vorsorge-
untersuchungen.
Ohne zusätzliche KostenGrundsätzlich führen Fachärzte für Ar-
beitsmedizin und Ärzte mit der Zusatz-
bezeichnung Betriebsmedizin die arbeits-
medizinischen Vorsorgeuntersuchungen
durch. Am besten ist es jedoch, wenn das
der Betriebsarzt macht, der den Betrieb
auch sonst betreut. Er kennt die Belas-
tungen an den einzelnen Arbeitsplätzen
schließlich besser als ein betriebsfremder
Arzt. Zudem werden die Untersuchungen
und Beratungen bei Ihrem Betriebsarzt
vom Arbeitsmedizinischen Dienst (AMD)
nicht gesondert in Rechnung gestellt. Die
Kosten dafür sind mit dem Mitgliedsbei-
trag abgegolten.
22 I Arbeitsmedizin BG BAU aktuell 2_2009
„Hilfe, bei mir dreht sich’s!“Schwindelattacken kommen häufig vor und können auf
dem Bau zu Unfällen führen.
TEXT: Dr. Jobst Konerding FOTOS: Fotolia, Picture Alliance
Bei Arbeiten auf Leitern, Gerüsten oder an Absturzkanten kann plötzlich ein-
setzender Schwindel zum Verlust des Gleichgewichtes und im Extremfall zu
Stürzen führen. Meist sind die Ursachen harmlos, beispielsweise Kreislauf-
störungen bei starker körperlicher Anstrengung oder bei feuchtwarmer Witterung.
Schwindel kann aber auch Zeichen einer schwerwiegenden Krankheit sein, die ärztlich
behandelt werden muss. Auf keinen Fall sollte man Schwindelattacken verharmlosen.
Schwindel – was ist das?Etwa zehn Prozent aller Patienten, die in Deutschland zum Arzt gehen, klagen
über Schwindelsymptome, oft verbunden mit Übelkeit und Angstzuständen. Unter
Bei plötzlich auftretendem
Schwindel sollten Betroffene erst ein-mal Ruhe bewahren
und sich möglichst nicht bewegen.
BG BAU aktuell 2_2009 Arbeitsmedizin I 23
URSACHEN FÜR SCHWINDEL
Niedriger oder hoher Blutdruck •
Blutdruckregulationsstörungen•
Alkohol- oder Drogenmissbrauch•
Psychische Ursachen•
See- oder Reisekrankheit •
(Übelkeit und Erbrechen)
Nebenwirkung bestimmter •
Medikamente
Störungen des Innenohres •
Blutzuckerstörungen bei Diabetes •
Erkrankungen der Halswirbelsäule•
Neurologische Erkrankungen•
Schwindel versteht man eine Gleichgewichtsstörung, bei der die Betroff enen ein Ge-
fühl des Schwankens oder Drehens haben. Oft kommen Taumeln, Übelkeit, Erbrechen,
Schweißausbrüche oder Schwarzsehen hinzu.
Zur Orientierung im Raum und zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts leiten
verschiedene Systeme im Körper ihre Informationen an das Gehirn weiter, nämlich
das Auge, das Gleichgewichtsorgan im Innenohr und Sinneszellen, die die Körper-
haltung registrieren. Werden mehrere dieser Informationssysteme gestört, empfi nden
wir Unsicherheit in Form von Schwindel. Meist dauert ein Schwindelanfall nur einige
Sekunden. Je nach Art der zu Grunde liegenden Erkrankung kann er aber auch länger
dauern.
Welche Auslöser gibt es?Bekannte Formen des Schwindels sind der Höhenschwindel, die Reisekrankheit oder
Schwindel bei rasanten Bewegungen wie auf der Achterbahn. Häufi g tritt Schwindel
auch nach plötzlichem Aufstehen oder schnellem Drehen des Kopfes auf. Diese Arten
des Schwindels sind in der Regel harmlos.
Ziemlich häufi g gehen Schwindelanfälle auf Kreislaufstörungen zurück. In fortge-
schrittenem Alter können auch Veränderungen der Halswirbelsäule solche Anfälle
verursachen. Ferner können Alkoholmissbrauch oder Drogenkonsum die Ursachen
sein. Einige Medikamente lösen als Nebenwirkung ebenfalls Schwindel aus. Dane-
ben sind verschiedene psychische Auslöser bekannt wie Höhenangst, Platzangst oder
Panik attacken. Treten neben Schwindel auch Hörstörungen oder Ohrgeräusche auf, ist
eine Erkrankung des Innenohrs wahrscheinlich. Chronische Erkrankungen wie Blut-
hochdruck, Herzkrankheiten oder Diabetes können Schwindelsymptome zeigen.
Die Krankengeschichte des Betroff enen gibt meist schon sehr genaue Hinweise auf
die Auslöser. Die Lebensumstände können auf eine mögliche psychische Ursache des
Schwindels hinweisen. Im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung
beim AMD der BG BAU können die Arbeitsmediziner versuchen, die Ursachen für
Schwindelattacken zu fi nden oder zumindest einzugrenzen.
Was hilft?Wenn der Schwindel plötzlich auft ritt, sollten sich die Betroff enen zunächst nicht bewe-
gen und abwarten, bis sich die Schwindelattacke etwas gebessert hat. Falls die Attacke
auf der Baustelle in einem Gefahrenbereich passiert, beispielsweise auf einer Leiter oder
auf einem Gerüst, sollten sich die Betroff enen möglichst mithilfe eines Arbeitskollegen
langsam nach unten auf eine sichere Ebene bewegen und mit hoch gelagerten Beinen
hinlegen, sofern das möglich ist. Lässt der Schwindel nach einigen Minuten nicht deut-
lich nach, ist ein Arzt aufzusuchen. Anhaltende oder häufi ge Schwindelsymptome soll-
ten unbedingt behandelt werden, auch wenn sie nur leicht sind.
Bei einer Neigung zu Schwindel in ungewohnten Bewegungssituationen, wie im Auto
oder auf einem Schiff , hilft oft eine langsame Gewöhnung an die neue Umgebung.
Wenn eine Grundkrankheit der Auslöser für die Schwindelgefühle ist, steht deren Be-
handlung im Vordergrund. Zur Bekämpfung der Symptome können schwindeldämp-
fende Medikamente eingesetzt werden. Sie sollen aber möglichst nur kurze Zeit ein-
genommen werden, um eine Gewöhnung an diese Mittel zu verhindern. Auch eine
krankengymnastische Behandlung kann helfen, beispielsweise Übungen mit schnel-
lem Wechseln zwischen Sitzen und Liegen. Wenn Kreislaufstörungen die Ursache sind,
ist Bewegungstherapie zu empfehlen. Bei Suchterkrankungen steht selbstverständlich
der Alkohol- oder Drogenentzug im Vordergrund.
Wenn der Schwindel kommt, raus aus dem
Gefahrenbereich.
24 I Mensch und Betrieb BG BAU aktuell 2_2009
Unterweisungen sollten kurz, verständlich und praxisnah sein.
Erfolgreich unterweisenInformieren allein reicht nicht. Vielmehr geht es darum,
die Mitarbeiter für aktiven Arbeitsschutz zu gewinnen.
TEXT: Dagmar Sobull FOTOS: Mirko Bartels, fotolia
Eine häufi ge Unfallursache ist die fehlende Unterweisung der Beschäft igten am
Arbeitsplatz. Aus gutem Grund also verpfl ichten das Arbeitsschutzgesetz und
die BGV A1 „Grundsätze der Prävention“ den Arbeitgeber oder die verant-
wortliche Person im Betrieb, die Beschäft igten ausreichend, angemessen und regel-
mäßig über Sicherheit und Gesundheitsschutz an ihrem Arbeitsplatz zu unterweisen.
Grundlage dafür sind beispielsweise die Ergebnisse von Gefährdungsbeurteilungen,
Arbeitsplatzbegehungen und Unfallberichte.
BG BAU aktuell 2_2009 Mensch und Betrieb I 25
INFORMIEREN UND MOTIVIEREN
Eine erfolgreiche Unterweisung
bezieht die Teilnehmer aktiv mit ein;•
findet am Arbeitsplatz statt;•
geht auf die konkreten Gefähr dungen •
am Arbeitsplatz ein;
erklärt die zu beachtenden •
Schutzmaßnahmen;
erläutert die gesetzlichen Grundlagen.•
Allerdings reicht es keineswegs aus, den Mitarbeitern das nötige Wissen durch einen
trockenen Vortrag, das Aushändigen eines Merkblattes oder einer Betriebsanweisung
zu vermitteln. Vielmehr ist es Aufgabe des Unterweisenden, die Beschäft igten zu mo-
tivieren, ihr Wissen und Können in Sachen Arbeitssicherheit auch in der Praxis umzu-
setzen. Dabei sind die individuellen Fähigkeiten und Qualifi kationen der Mitarbeiter
zu berücksichtigen.
Wissen praxisnah und spannend vermittelnNichts langweilt Zuhörer mehr als ein monoton vorgetragener Text, in dem es womög-
lich noch von Fremdwörtern und komplizierten Satzkonstruktionen wimmelt. Wer
die Aufmerksamkeit der Zuhörer gewinnen will, muss die notwendigen Kenntnisse in
verständlicher und praxisnaher Form vermitteln. Dabei sollte der Unterweisende die
Aspekte herausfi ltern, die für den jeweiligen Arbeitsbereich der Teilnehmer wichtig
sind. Weniger ist oft mehr.
Der Erfolg jeder Unterweisung hängt letztlich davon ab, ob sich die Mitarbeiter auch
sicherheitsgerecht verhalten wollen. Für die gezielte Überzeugungsarbeit ist es wichtig,
zunächst auf mögliche Gründe für sicherheitswidriges Verhalten einzugehen. Weitaus
motivierender als eine Aufzählung, was die Mitarbeiter bisher alles falsch gemacht
haben, ist beispielsweise ein Sicherheitsdialog, der die Teilnehmer der Unterweisung
einbezieht und nach ihren Eindrücken, Meinungen und Vorschlägen fragt.
Sicherheitsdialog konkretAnhand von Statistiken und Diagrammen erläutert zum Beispiel der Vorgesetzte einer
Baufi rma die Unfallentwicklung der letzten drei Jahre und weist auf besondere Un-
fallschwerpunkte im Bereich der Fußverletzungen hin. Anschließend fragt er, wo die
Teilnehmer Gründe für die Unfallhäufi gkeit sehen. Im weiteren Verlauf diskutieren
die Mitarbeiter, welche Maßnahmen sie für angemessen halten, um diese Unfallzahlen
zu senken. Doch selbst wenn die Reaktionen überraschend oder nicht wie gewünscht
ausfallen, gibt ein solcher Dialog dem Unterweisenden eine konkrete Rückmeldung
darüber, wie seine Ausführungen bei den Betroff enen angekommen sind. Sollten die
Mitarbeiter den Sinn der Vorschrift en anzweifeln, so geben sie dem Unterweisenden
damit eine gute Gelegenheit, den Sinn und Zweck praxisnah zu erläutern. Das ist in
jedem Fall spannender als ein Vortrag, der an den Fragen der Teilnehmer vorbeigeht.
Der richtige ZeitpunktEine Erstunterweisung erfolgt bei Einstellung, Veränderungen im Aufgabenbereich und
bei der Einführung neuer Arbeitsmittel oder Technologien. Die Unterweisung muss an
die konkrete Gefährdungssituation des Betriebes angepasst sein und regelmäßig wie-
derholt werden. Dazu kommen anlassbezogene Unterweisungen, etwa nach Unfällen
im Betrieb. Die Unterweisung fi ndet immer während der Arbeitszeit statt, möglichst
direkt am Arbeitsplatz. Verstehen die Mitarbeiter wenig oder gar kein Deutsch, muss
die Unterweisung in deren Sprache stattfi nden (siehe nächste Seite).
Jede Unterweisung muss auch dokumentiert werden. Dazu gehören Angaben zu In-
halt, Teilnehmer, Dauer und Zeitpunkt der Unterweisung, die der Unterwiesene mit
seiner Unterschrift bestätigt.
26 I Mensch und Betrieb BG BAU aktuell 2_2009
Arbeitsschutz in 13 SprachenDamit auch ausländische Mitarbeiter die Unterweisung verstehen.
TEXT: Reinhard Rheker FOTO: BG BAU, iStockphoto
Beim Umgang mit Gefahrstoff en sind Betriebsanweisungen zu erstellen und
Unterweisungen durchzuführen. Auch für ausländische Mitarbeiter. Doch was
tun, wenn die Beschäft igten der deutschen Sprache nicht mächtig sind? So wie
bei der Firma CleanSoft . In dem mittelständischen Unternehmen der Gebäudereini-
gung sind mehrere Mitarbeiter aus der Türkei, Polen und der Ukraine beschäft igt,
die nur wenig Deutsch sprechen. Dem Chef graut es bereits vor dem in einer Woche
anstehenden Unterweisungstermin. Abgesehen von den zu erwartenden Verständi-
gungsschwierigkeiten, müsste er eigentlich für jedes der insgesamt rund 40 verwen-
deten Reinigungsmittel eine eigene Betriebsanweisung und damit auch Unterweisung
machen.
Doch da erinnert er sich an ein Programm, auf das ihn kürzlich ein Arbeitsschutzex-
perte der BG BAU aufmerksam gemacht hat: GISBAU, das Gefahrstoff -Informations-
system der BG BAU. Die von GISBAU herausgegebene Gefahrstoff -Soft ware WINGIS
bietet für alle gängigen Reinigungs- und Pfl egemittel Entwürfe für Betriebsanweisun-
gen an, die nur noch um wenige arbeitsplatzbezogene Angaben ergänzt werden müssen.
Dabei sind vergleichbare Produkte zu so genannten Produktgruppen zusammengefasst
(Produkt-Codes), so dass es noch nicht einmal erforderlich ist, über jedes einzelne Rei-
nigungsmittel umfangreich zu unterweisen. Und vor allem: Die Betriebsanweisungen
stehen in 13 Sprachen zur Verfügung. Damit lassen sich Verständigungsprobleme mit
ausländischen Mitarbeitern leicht lösen.
So druckt der Chef der Firma CleanSoft die in Frage kommenden Gruppen-Betriebs-
anweisungen in den drei unterschiedlichen Sprachen seiner Mannschaft aus. Diese
Anweisungen werden nächste Woche die Grundlage für ihre Unterweisung sein. Da
Unterweisungen auch schrift lich zu dokumentieren sind, druckt er zum Schluss auch
noch ein Unterweisungsformular aus WINGIS aus. Darauf wird er sich schließlich von
seinen Mitarbeitern bestätigen lassen, dass sie unterwiesen worden sind.
HÄUFIG WECHSELNDE ARBEITSPLÄTZE
Für die Bauwirtschaft ist die Unterweisung
wegen der häufig wechselnden Arbeitsplatz-
umgebungen besonders wichtig. Deswegen
sollte sie mehrmals im Jahr stattfinden.
Prinzipiell sind zwei Unterweisungsarten
zu unterscheiden:
Unterweisungen, in denen grund-•
legende Hintergründe der Gefähr-
dung und entsprechende Verhal-
tensregeln erläutert werden,
konkrete arbeitsplatzbezogene Hin-•
weise, die kurz und knapp vor der
Aufnahme der Arbeit erfolgen.
Im Rahmen der Unterweisung soll zu-
dem eine allgemeine arbeitsmedizinisch-
toxikologische Beratung durchgeführt
werden. Dabei sind die Beschäftigten über
Vorsorgeuntersuchungen sowie besondere
Gesundheitsgefahren bei T ätigkeiten mit
bestimmten Gefahrstoffen zu unterrichten.
Nähere Infos: www.wingis-online.de
Unterweisung auf Türkisch?
Kein Problem – mit der Gefahrstoff-Software
WINGIS.
BG BAU aktuell 2_2009 Lesermeinungen I 27
Ihre Meinung ist gefragt!Schreiben Sie uns, was Ihnen an unserem
Unternehmermagazin BG BAU aktuell
besonders gut gefällt und was nicht.
FOTO: iStockphoto
Zuschriften unter: Redaktion BG BAU aktuell, Stichwort „Lesermeinung“,
Bezirksverwaltung Hannover, Hildesheimer Str. 309,
30519 [email protected]
Gibt es ein Th ema, das Ihnen
unter den Nägeln brennt?
Oder haben Sie Anmerkungen
zu einem der veröff entlichten Beiträge?
Dann schreiben Sie uns oder diskutieren
Sie mit anderen Lesern die Inhalte der BG BAU aktuell. In der nächsten Ausgabe
veröff entlichen wir einige der eingesandten Beiträge. Wir freuen uns auf Ihre
Zuschrift en.
Das meinen Leser der BG BAU aktuell:
„Die BG BAU aktuell ist eine der wenigen Zeitungen, die ich intensiver lese. Die
informativen Beiträge zum Th ema Sicherheit helfen mir bei der täglichen Arbeit
auf der Baustelle.“ Mathias Weber, Bauunternehmer aus Duderstadt
„BG BAU aktuell ist für mich ein wichtiges Informationsmedium. Ich kann zum
Beispiel in der Rubrik „Aus Unfällen lernen“ sehen, was bei der Nichtbeachtung
von Sicherheitsregeln alles passieren kann. Darüber hinaus bekomme ich vie-
le nützliche Tipps und Anregungen für die Umsetzung des Arbeitsschutzes auf
meinen Baustellen.“ Traugott Grundmann, Dachdeckermeister aus Hessisch
Oldendorf, Landesinnungsmeister des Dachdeckerhandwerks Niedersachsen-
Bremen
„Natürlich lese ich nicht alle Artikel in der BG BAU aktuell, aber ich fi nde die
Zeitschrift sehr interessant. Für meine Arbeit in einer Ausbildungsstätte mit
Maurerlehrlingen würde ich mir allerdings mehr Unfallbeispiele im Heft wün-
schen, um den jungen Leuten anschaulicher die Risiken in unserer Branche zu
vermitteln.“ August Queren, Maurermeister, Baugewerksinnung Hameln
„Das Magazin BG BAU aktuell fi nde ich inhaltlich sehr gelungen. Manche Ar-
tikel, die für die betriebliche Sicherheitsarbeit relevant sind, nutzen wir auch
für unsere innerbetrieblichen Unterweisungen. Deshalb fände ich es gut, wenn
solche Th emen, beispielsweise zum Th ema Leitern oder Lärm, aus dem Heft he-
rausgetrennt werden könnten, ohne das Heft zerschneiden zu müssen.“ Holger
Budroweit, Geschäft sführer der Nietiedt Gerüstbau GmbH, in Wilhelmshaven
Die Redaktion behält sich vor, Beiträge zu kürzen.
28 I Im Fokus BG BAU aktuell 2_2009
„Die begonnene Modernisierung der Unfall-
versicherung muss weiterge-hen. Sie kann noch wirtschaft-licher und effektiver werden“,
sagt Bundesarbeitsminister Olaf Scholz.
BG BAU aktuell 2_2009 Im Fokus I 29
„Die Gesetzliche Unfallver sicherung ist unverzichtbar.“Bundesarbeitsminister Olaf Scholz über die Bedeutung der Berufs-
genossenschaften und die Zukunft der Bauwirtschaft.
FOTOS: Picture Alliance, dfd
Mit Bundesarbeitsminister Olaf Scholz
sprachen Bernd Kulow und Rolf Schaper
von der BG BAU.
BG BAU aktuell: Herr Minister, Sie for-
dern eine Rückbesinnung auf den Sozi-
alstaat. Die Berufsgenossenschaft en als
Träger der Gesetzlichen Unfallversiche-
rung sind ein entscheidender Teil des
Sozialsystems Deutschlands. Welche
Bedeutung messen Sie der Gesetzlichen
Unfallversicherung bei?
In den Zeiten der Krise zeigt sich die Be-
deutung des Mit- und Füreinanders, wie
wir es im Sozialstaat verwirklicht haben.
Der ist besser als ungebändigte Märkte.
Die Sozialversicherungen sind das Funda-
ment des deutschen Sozialstaats. Die Un-
fallversicherung gehört zu diesem Funda-
ment. Sie bietet Schutz bei Arbeitsunfällen
und Berufskrankheiten und ist damit auch
ein Beitrag zum Betriebs frieden, weil die
Beschäft igten unabhängig von der fi nanzi-
ellen Leistungsfähigkeit ihres Arbeitgebers
oder vom Verschulden die nötigen Leistun-
gen zur Wiederherstellung ihrer Gesund-
heit und Erwerbsfähigkeit erhalten. Sie
sichert auch den Lebensunterhalt während
der Heilbehandlung und der Rehabilitati-
on. Alles zusammen macht die gesetzliche
Unfallversicherung unverzichtbar.
BG BAU aktuell: Was bleibt in diesem
Bereich noch zu tun?
Zwei Dinge bleiben wichtig: Erstens muss
die Sicherheit am Arbeitsplatz weiter ver-
bessert werden. Denn die beste und güns-
tigste Versicherung ist die, die gar nicht
erst zum Einsatz kommt. Und zweitens:
Die begonnene Modernisierung der Un-
fallversicherung muss weitergehen. Sie
kann noch wirtschaft licher und eff ektiver
werden. Hier sind Berufsgenossen-
schaft en und Selbstverwaltung gefordert.
Wir werden den bundesweiten Beitrags-
satz in diesem Jahr vermutlich senken
können – ein schöner Erfolg.
BG BAU aktuell: Wird sich mit zuneh-
mender Wirtschaft skrise der Fachkräf-
temangel von selbst lösen bzw. werden
Fachkräft e sogar arbeitslos werden?
Es wäre ein großer Fehler zu glauben,
dass sich das Problem der fehlenden
„Mit der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutz-
strategie stärken wir die Prävention in der
Arbeitswelt.“
➜
30 I Im Fokus BG BAU aktuell 2_2009
„Wir müssen
mehr Menschen
länger gesund
im Job halten –
daran führt kein
Weg vorbei.“
Fachkräft e von selbst löst. Wir dürfen in
der Krise nicht kurzsichtig agieren und
uns damit die Probleme von morgen
schaff en. Es stimmt: Die Lage in vielen
Unternehmen ist ernst und die Auft rags-
lage schwierig. Die Krise geht auch an
gesunden und kräft igen Unternehmen
nicht spurlos vorbei. Man muss sich aber
zwei Punkte ganz klar machen: Erstens
werden jetzt entlassene Fachkräft e fehlen,
wenn es – wie augenblicklich die Vorher-
sagen sind – im nächsten Jahr wieder auf-
wärts geht. Deshalb haben wir das Kurz-
arbeitergeld ausgeweitet, vereinfacht und
mit Qualifi zierungsanreizen versehen. So
können Unternehmen ihre eingearbei-
teten Leute und gerade auch Fachkräft e
halten und, wenn sie diese qualifi zieren,
besser ge rüstet in den nächsten Auf-
schwung starten. Und zweitens: In der
Mitte des kommenden Jahrzehnts haben
wir entweder viele Arbeitslose und Fach-
kräft emangel. Oder wir haben genügend
Fachkräft e und wenig Arbeitslose. Um
das zweite Szenario zu erreichen, brau-
chen wir mehr und bessere Bildung, Aus-
bildung und Qualifi zierung.
BG BAU aktuell: In der Bauwirtschaft
gibt es bereits seit über zehn Jahren
Mindestlöhne. Ausländische Baufi r-
men müssen ihren Mitarbeitern Löhne
nach den hiesigen Tarifverträgen zah-
len, wenn sie diese zu Arbeiten nach
Deutschland senden. Hat sich diese Re-
gelung bewährt?
Der Bau-Mindestlohn hat sich eindeutig
bewährt. Sicher: Es ist nicht alles Gold,
was glänzt, aber Bronze ist auch ganz
gut. Wie war denn die Situation in den
neunziger Jahren? Da nutzten Bauunter-
nehmen aus anderen Staaten niedrigere
Lohn- und Sozialstandards, um auf dem
deutschen Markt tätig zu werden. Das
führte zu einem ruinösen Preiswettbe-
werb auf dem Rücken der Beschäft igten.
Tarifverträge und angemessene Entloh-
nung wurden auf den Baustellen immer
mehr zu Fremdwörtern. Der Mindestlohn
nach Entsendegesetz war die wirksame
und logische Antwort darauf. Es gibt kla-
rere und fairere Rahmenbedingungen für
alle Unternehmen. Der Mindestlohn hat
für ein besseres, verträglicheres Klima in
der Branche insgesamt gesorgt. Er hat die
Tarifautonomie gestärkt.
BG BAU aktuell: Es wird zurzeit bereits
viel gegen die Schwarzarbeit getan, zum
Beispiel durch neue gesetzliche Maßnah-
men und die Verbesserung der Zusam-
menarbeit der Behörden. Wie werden
sich diese Maßnahmen voraussichtlich
auf die Schwarzarbeit auswirken?
Wir haben im Frühsommer des letzten
Jahres das Aktionsprogramm für Recht
und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt ge-
startet, um Schwarzarbeit und illegale Be-
schäft igung weiter zurückzudrängen. Zu
den Maßnahmen gehören zum Beispiel
eine verschärft e Pfl icht zur Mitführung
von Ausweispapieren, eine stärkere In-
anspruchnahme der Arbeitgeber bei der
Überprüfung dieser Pfl icht und die Rege-
lung, dass in besonders von Schwarzarbeit
betroff enen Wirtschaft sbereichen eine
Beschäft igungsaufnahme sofort gemeldet
werden muss. Das zusammen erleich-
tert die Prüfungen der Finanzkontrolle
Schwarzarbeit sehr und wird gepaart mit
anhaltend hohem Fahndungsdruck sei-
ne Wirkung hoff entlich nicht verfehlen.
Auch die steuerliche Absetzbarkeit von
BG BAU aktuell 2_2009 Im Fokus I 31
OLAF SCHOLZ
Seit dem 21. November 2007 ist
Olaf Scholz Bundesminister für Arbeit
und Soziales. Geboren wurde er am
14. Juni 1958 in Osnabrück. Seine
Eltern waren Kaufleute im Textil-
gewerbe. In Hamburg studierte Scholz
Rechtswissenschaften. Seit 1985 ist
er als Rechtsanwalt tätig, derzeit ruht
jedoch seine Anwaltstätigkeit.
1975 Eintritt in die SPD•
1982 bis 1988 stellvertretender •
Bundesvorsitzender der Jung-
sozialisten
1998 bis Mai 2001 und seit •
2002 Mitglied des Deutschen
Bundestages
Mai 2001 bis Oktober 2001 •
Innensenator der Freien und
Hansestadt Hamburg
2000 bis 2004 Landesvorsitzender •
der SPD Hamburg
seit Dezember 2001 Mitglied im •
Parteivorstand der SPD
2002 bis 2004 Generalsekretär •
der SPD
Oktober 2005 bis November 2007 •
Erster Parlamentarischer Geschäfts-
führer der SPD-Bundestagsfraktion
Handwerkerleistungen haben wir in den
letzten Jahren deutlich verbessert. Ich bin
überzeugt davon, dass das auch gegen il-
legale Beschäft igung hilft .
BG BAU aktuell: Welche Auswirkungen
der Finanz- und Wirtschaft skrise sehen
Sie auf die Bauwirtschaft zukommen?
Niemand kann heute genaue Prognosen
abgeben. Ich glaube und traue keinem,
der so tut, als wüsste er es besser als die
anderen. Wir hoff en natürlich, dass un-
sere massiven Programme die geplante
Wirkung entfalten. Aber auch die Bau-
wirtschaft leidet unter dem weltweiten
Abwärtstrend. Das wird nicht morgen
enden, sondern sich eher noch verstär-
ken. Die Auft ragseingänge sind deutlich
rückläufi g. Aber wir sind nicht machtlos,
sondern halten dagegen. Die Bundesre-
gierung hat mit zwei Konjunkturpaketen
eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg
gebracht, die auch der Bauwirtschaft nut-
zen werden.
BG BAU aktuell: Inwiefern wird sich
voraussichtlich das Konjunkturpaket
auf die Bauwirtschaft auswirken? Und
wie schnell wird dies geschehen?
Die beiden Konjunkturpakete der Bun-
desregierung enthalten allein für die
Bauwirtschaft beträchtliche Impulse von
zusammen rund 25 Milliarden Euro in
2009 und 2010. Dabei sind die Investiti-
onsschwerpunkte auch mit Blick auf zü-
gige Umsetzbarkeit gesetzt worden. Bei
dem Investitionsprogramm für Länder
und Kommunen erwarten wir, dass min-
destens die Hälft e des Volumens in 2009
wirksam wird.
BG BAU aktuell: Die „Gemeinsame
Deutsche Arbeitsschutzstrategie“ geht
auf die Initiative Ihres Ministeriums
zurück. Welche Ziele verfolgen Sie da-
mit?
Ich will, dass man nicht nur Arbeit, son-
dern gute Arbeit hat. Dazu gehört auch
gesundes Arbeiten. Mit der Gemeinsamen
Deutschen Arbeitsschutzstrategie stärken
wir die Prävention in der Arbeitswelt. Wir
reagieren damit auf veränderte Gesund-
heitsgefährdungen und Krankheitsbilder
und kommen zugleich europäischen und
internationalen Vorgaben nach. Vor allem
im Lichte des demographischen Wandels
sind Arbeitsschutz und altersgerechte
Arbeitsbedingungen wichtige Vorausset-
zungen für die Beschäft igungsfähigkeit.
Wir müssen mehr Menschen länger ge-
sund im Job halten – daran führt kein
Weg vorbei.
BG BAU aktuell: Welche Einzelmaß-
nahmen sieht die Strategie vor?
Herzstück der Anstrengungen ist die Ver-
pfl ichtung von Bund, Ländern und Un-
fallversicherungsträgern auf gemeinsame
Arbeitsschutzziele. Dabei bildet der Be-
reich „Bau und Montage“ einen Schwer-
punkt der Maßnahmen für mehr Prä-
vention. Daneben soll die Beratung und
Überwachung von Betrieben beim vor-
beugenden Arbeitsschutz durch Arbeits-
teilung der Aufsichtsdienste ausgebaut
und wirksamer werden. Im Vorschrift en-
und Regelwerk gestalten wir das Mitein-
ander von staatlichem Arbeitsschutzrecht
einerseits und autonomem Satzungsrecht
der Unfallversicherungsträger anderer-
seits einfacher und transparenter.
BG BAU aktuell: Was wollen Sie lang-
fristig und übergreifend bewirken?
Die Schaff ung eines modernen, den neu-
en Anforderungen gerecht werdenden
dualen Arbeitsschutzsystems. Die Ar-
beitsschutzstrategie ist Teil eines Para-
digmenwechsels: weg von der Arbeit als
notwendigem Übel und bloßem Mittel
zum Zweck des Broterwerbs – hin zur
Humanisierung der Arbeitswelt, zu guter
Arbeit. Nicht jede und jeder wird deshalb
in Zukunft euphorisiert zur Arbeit gehen,
das ist mir klar. Aber nicht arbeiten ist
keine Alternative. Deshalb muss es dar-
um gehen, Arbeit Schritt für Schritt bes-
ser mit den menschlichen Bedürfnissen
zu versöhnen.
32 I Reha und Leistung BG BAU aktuell 2_2009
Der Glaube an sich selbst und die Unterstüt-zung von Arbeitgeber und BG BAU haben Ingo Koll den Wiedereinstieg ermöglicht.
BG BAU aktuell 2_2009 Reha und Leistung I 33
„Das mach ich mit links!“Bei einem schweren Arbeitsunfall verlor Ingo Koll seinen rechten
Unterarm. Heute sitzt der Baumaschinist wieder auf dem Radlader
und bewegt tonnenweise Schüttgüter.
TEXT: Dagmar Sobull FOTOS: Mirko Bartels
Nun läufst du rum wie Opa, der einarmig aus dem Krieg zurückkam.“ Das war
das Erste, was mir durch den Kopf schoss, als ich nach dem Unfall im Kran-
kenhaus wieder zu mir kam“, erzählt Ingo Koll. Zusammen mit einem Kollegen
hatte der Baumaschinist in seinem Recyclingunternehmen mit dem Radlader eine Brecher-
anlage mit Abbruchmaterial gefüllt. Als ein zu großes Betonstück im Einfüllstutzen den
Brecher blockierte und die Maschine stillstand, stieg Koll ab, um störende Bewehrungs-
reste aus dem Abbruchmaterial zu entfernen. Dabei bemerkte er unter der Brecheranlage
ein Stück Rödeldraht, welches er „noch eben schnell“ aus dem Förderband ziehen woll-
te. „Da die Maschine stillstand, dachte ich, die Mittagspause hat begonnen“, erklärt Koll.
Doch das war ein folgenschwerer Irrtum: Als er den Arm seitlich in das Förderband steckte,
schaltete sein Kollege die Anlage wieder ein. Das Förderband sprang sofort an. Der rechte
Arm des Baumaschinisten wurde unterhalb des Ellenbogens abgetrennt. Das war im
August 2007.
Ein Leben mit ProtheseDas nächste halbe Jahr verbrachte Koll überwiegend im berufsgenossenschaft lichen Unfall-
krankenhaus Hamburg-Boberg, wo er im März 2008 eine myoelektrische Unterarmprothe-
se bekam. Diese Prothese bekommt Impulse vom Gehirn und leitet sie in Muskelaktivität
am Armansatz um. Die Kosten dafür in Höhe von rund 16 000 Euro übernahm die BG
BAU ebenso wie alle anderen Kosten für die Heilbehandlung und Rehabilitation.
Schwierigkeiten bei der Wundheilung hatten zunächst zu Verzögerungen bei der Pro-
thesenanpassung geführt. Dann war es endlich so weit. Koll bekam seine erste Probe-
Prothese angepasst. Die Erfahrungen mit seinem kriegsversehrten Großvater hatten
ihn von Anfang an in der Gewissheit bestärkt: „Mit der Zeit wird das schon wieder.“
Tatsächlich saß er ein Jahr nach dem Unfall schon wieder bei seinem alten Arbeitgeber
auf dem Radlader und bewegte tonnenweise Schüttgüter.
Umbau des Radladers – BG BAU übernimmt KostenNeben seinem unerschütterlichen Glauben an sich selbst haben dazu vor allem Rolf
Böhmer, Reha-Manager der BG BAU, und sein Arbeitgeber Karsten Böttcher beigetra-
gen. Noch während Koll im Krankenhaus lag, machte sich der Fuhrunternehmer be-
reits Gedanken, wie er den Baumaschinisten in seinem Unternehmen weiter beschäft i-
gen kann. „Schließlich ist es ja bei uns passiert und der Mann ist schon seit 1993 hier,
da habe ich doch eine gewisse Verantwortung“, sagt der Chef des Familienunterneh-
mens Siegfried Böttcher mit rund 20 Mitarbeitern in Trappenkamp bei Kiel.
”
➜
Seit dem Umbau des Radladers
steuert Ingo Koll das Fahrzeug mit seiner
Prothese über einen Joystick.
34 I Reha und Leistung BG BAU aktuell 2_2009
In einem Team-Gespräch mit Koll und dem Reha-Manager der BG BAU stellte
Böttcher seine Überlegungen vor, für Koll einen neuen Radlader der Firma Volvo an-
zuschaff en, der seiner Behinderung entsprechend umgebaut wird. Die BG BAU unter-
stützte diesen Plan von Anfang an und übernahm die Umbaukosten in Höhe von rund
15 000 Euro. Erforderlich war der Umbau des Sitzes, um die Bedienerhebel auf die linke
Seite zu bringen. Für die Steuerung auf der rechten Seite musste das Lenkrad gegen einen
Joystick ausgetauscht werden.
Zurück in den JobSeit Oktober 2008 arbeitet Koll mit dem extra für ihn gestalteten Radlader, zunächst im
Rahmen einer Arbeits- und Belastungserprobung. Bis Ende November 2008 erhielt Koll
Verletztengeld von der BG BAU. Reha-Manager Böhmer und eine Aufsichtsperson der BG
BAU besuchten ihn am Arbeitsplatz und überzeugten sich davon, dass der Baumaschinist
den Radlader trotz seiner Behinderung sicher bedienen und seine frühere berufl iche Tätig-
keit wieder ausüben kann. „Natürlich gibt es Tätigkeiten, die Ingo mit seiner Prothese nicht
machen kann, zum Beispiel mit der Handschaufel Sand oder Kiesreste schippen“, erläutert
Böttcher. „Deshalb lasse ich ihn beispielsweise nie ganz allein in der Kieskuhle arbeiten. Es
sind immer ein oder zwei Kollegen in der Nähe, die ihn unterstützen, wenn das erforderlich
sein sollte.“ Dennoch ist der Chef mit der Wiedereingliederung seines langjährigen Mitar-
beiters sehr zufrieden: „Alles funktioniert einwandfrei und die Arbeit läuft geschmeidig.“
Beim Umgang mit dem Radlader habe er überhaupt keine Probleme, sagt Koll. Schwieriger
sei es für ihn, wenn unvorhergesehene Störungen an der Brecheranlage oder am Radlader
auft reten. Dann müssen Kollegen helfen. „Schwer heben oder Schrauben lösen kann ich
nicht mehr“, erklärt Koll. Das störe ihn auch im Alltag immer mal wieder: „Ganz so fi t, wie
früher mit der rechten, bin ich mit der linken Hand noch nicht.“
Möglich sei diese Wiedereingliederung in die frühere Tätigkeit nur gewesen, weil alle Betei-
ligten an einem Strang gezogen haben, betont Böhmer. Das Engagement des Unternehmers
sei dabei ein entscheidender Erfolgsfaktor gewesen. Das sieht Böttcher ähnlich: „Ohne die
fi nanzielle Unterstützung der BG BAU hätte ich Koll nicht weiterbeschäft igen können.“
Gemeinsam mit Reha-Manager Rolf Böhmer (rechts) entwickelte Unter-nehmer Karsten Böttcher (links) einen Plan zur Wiedereingliederung von Ingo Koll.
BG BAU aktuell 2_2009 Reha und Leistung I 35
Bei Augenzeugen solch einer Ka-
tastrophe können sich schnell
psychotraumatische Belastungs-
störungen einstellen, weil die Betroff e-
nen das Erlebte nicht richtig verarbeiten
können. Sie leiden zum Beispiel an Er-
schöpfungszuständen und Schlafstörun-
gen“, sagt Dr. Kurt Rinnert, Leiter des
Arbeitsmedizinischen Dienstes (AMD)
der BG BAU in Köln. „Die Belastung und
Betroff enheit der Bauarbeiter war unmit-
telbar zu spüren“, ergänzt Bernhard Fied-
ler, Mitarbeiter der Abteilung Prävention
der BG BAU, der für die Baustelle Stadt-
archiv zuständig ist.
Der Weg zu den HilfsangebotenDeshalb haben sich Mitarbeiter der Prä-
vention und des AMD der BG BAU zu-
sammengesetzt, um Hilfsangebote für die
betroff enen Bauarbeiter zu entwickeln.
„Zwar konnten wir keine Organisati-
onsstruktur bieten, wie das Technische
Hilfswerk oder die Feuerwehr, die die
psychologischen Beratungsangebote zen-
tral koordiniert hat“, berichtet Rinnert.
„Doch wir wollten unseren Bauarbeitern
zur Seite stehen und sie zu den Hilfsange-
boten lotsen.“ Im Hinblick auf psycholo-
gische Beratung gebe es bei Bauarbeitern
gelegentlich Berührungsängste, erläutert
der Arbeitsmediziner. Deshalb sollte das
Beratungsangebot der BG BAU in Ver-
bindung mit einem Hör- und Sehtest ver-
bunden sein. Ziel sei in erster Linie die
Kontaktaufnahme zu den Mitarbeitern
der Baufi rmen gewesen und bei Bedarf
deren Überweisung an die vorhandenen
Hilfsangebote.
Das Konzept einer arbeitsmedizinischen
Beratung vor Ort sei mit der Bauleitung,
der psychologischen Beratungsstelle der Be-
rufsfeuerwehr Köln und einer von der Stadt
Köln zur Beratung von Anwohnern einge-
setzten Privatorganisation abgestimmt wor-
den, berichtet Rinnert. Bereits wenige Tage
nach dem Unfall führte der AMD die ers-
ten Sprechstunden durch. Schon am ersten
Tag untersuchten und berieten die Arbeits-
mediziner der BG BAU rund 20 Personen.
Mehreren von ihnen empfahlen sie eine
weitere psychologische Beratung.
Dr. Kurt Rinnert, Arbeitsmediziner der
BG BAU, über das gemein-same Krisenmanagement
nach der Katastrophe von Köln.„
Die BG BAU vor OrtGleich nach dem dramatischen Einsturz des Stadtarchivs in Köln im
Zuge des U-Bahn-Baus kümmerten sich Mitarbeiter vom Arbeits-
medizinischen Dienst der BG BAU um die Bauarbeiter.
FOTO: BG BAU
36 I Mitglieder und Beiträge BG BAU aktuell 2_2009
Umlage 2008: Stabile
BeitragsentwicklungDer positive Trend der letzten Jahre spiegelt sich auch im Ergebnis
der Umlagen für das Jahr 2008 wider.
TEXT: Ralf Kuznia FOTO: iStockphoto
Am 7. April 2009 hat der Vorstand
die Grundlagen für die Beitrags-
abrechnung 2008 und Vorschuss-
erhebung 2009 festgelegt. Bereits Ende
2008 wurde durch die Gremien der Selbst-
verwaltung beschlossen, dass zukünft ig
nur noch ein gemeinsamer Beitragsfuß
den Berechnungen zugrunde liegt. Auch
die jeweiligen Beitragsfüße zum Arbeits-
medizinischen und dem Sicherheitstech-
nischen Dienst wurden vereinheitlicht.
Die Berechnungsgrundlagen für die Beiträ-
ge zur Berufsgenossenschaft sind das festge-
stellte Umlagesoll (Aufwand der BG nach
Abzug der Einnahmen) sowie der Gesamt-
betrag der Arbeitsentgelte. Die leicht gestie-
genen Ausgaben konnten durch die eben-
falls gestiegenen Arbeitsentgelte abgemildert
werden. Auch die neue Lastenverteilung,
welche von den Tarifvertragsparteien der
Baubranche maßgeblich mitgestaltet wur-
de, führt zu einer spürbaren Entlastung der
Unternehmen. Unter Berücksichtigung der
Regionalabschläge führt der Beitragsfuß in
Höhe von 0,3980 auf 100 Euro Arbeitsentgelt
in der Gefahrklasse 1 zu einer Beitragsstabi-
lität für das Jahr 2008, teilweise konnte so-
gar eine Reduzierung der Beiträge erfolgen.
Bei der Festsetzung der Beitragsvorschüsse
2009 mussten die negativen Prognosen für
den Baubereich berücksichtigt werden. Da-
her liegen die für das Jahr 2009 festgesetzten
Vorschüsse über denen des Jahres 2008.
BG BAU aktuell 2_2009 Mitglieder und Beiträge I 37
Entwicklung der AusgabenTrotz leicht rückläufi ger Unfallzahlen
sind die Ausgaben für die Heilbehandlung
gestiegen. Hier wirkt sich der Grundsatz
„Reha vor Rente“ aus. Mittel- bis lang-
fristig werden dadurch die Ausgaben für
Renten sinken. Bei den Verwaltungskos-
ten wirkt sich die tarifl iche Erhöhung der
Dienstbezüge aus, so dass erstmals seit
2005 die Ausgaben in diesem Bereich wie-
der leicht gestiegen sind.
Zuwachs bei den ArbeitsentgeltenEine erfreuliche Entwicklung konnte bei
den Arbeitsentgelten der Mitgliedsunter-
nehmen festgestellt werden. Es ergab sich
ein Zuwachs von 1,09 Prozent im Ver-
gleich zu dem Jahr 2007. Dieser positive
Verlauf zeigte sich auch bei den rückgän-
gigen Insolvenzverfahren und der stabi-
len Anzahl der Unternehmen.
Entlastung für die BG BAUDurch die neue Lastenverteilung, welche
im Rahmen des Unfallversicherungsmo-
dernisierungsgesetzes (UVMG) im Som-
mer 2008 vom Gesetzgeber beschlossen
wurde und bereits für das Jahr 2008 an-
gewandt wird, werden Teile der Renten-
last (Überaltlast) solidarisch unter allen
Berufsgenossenschaft en aufgeteilt. Die
Bauwirtschaft hat strukturbedingt trotz
sinkender Beschäft igtenzahlen eine ver-
gleichsweise hohe Rentenlast zu tragen.
Die neue Regelung zur Lastenverteilung
sorgt für eine spürbare Entlastung in
Höhe von 218 Millionen Euro der Unter-
nehmen der Baubranche.
Ausblick für das Jahr 2009Unter Berücksichtigung der zu erwarten-
den Kostenentwicklung in Verbindung
mit der aktuellen Entwicklung der Wirt-
schaft slage ist für das Jahr 2009 trotz der
zu erwartenden steigenden Entlastung aus
der Lastenverteilung damit zu rechnen,
dass sich die bisherige positive Entwick-
lung seit der Fusion nicht fortsetzen wird.
Ein erneuter Anstieg der Arbeitsentgelte
kann für das Jahr 2009 nicht erwartet
werden. Dieser Entwicklung wurde bei
Festsetzung der Vorschüsse für das Jahr
2009 Rechnung getragen.
LEISTUNGEN GESAMT IN MILLIONEN EURO
ARBEITSENTGELT INSGESAMTIN MILLIONEN EURO
EINNAHMEN DURCH LASTENAUSGLEICH/LASTENVERTEILUNGIN MILLIONEN EURO
Quelle: BG BAU
Quelle: BG BAU
Quelle: BG BAU2005
2005
2005
1050
31.000
1000
30.000
1100
32.000
1150
33.000
1200
34.000
1250
35.000
0
1300
36.000
50
1350
37.000
100
1400
38.000
150
1450
39.000
200
1500
40.000
250
2006
2006
2006
2007
2007
2007
2008
2008
2008
1410,00
37.315
159,3
1380,80
37.237
163,4
1374,40
38.126
175,9
1390,80
38.541
218,0
38 I Infomedien BG BAU aktuell 2_2009
BESTELLUNGEN
Sämtliche Printmedien und CDs der BG BAU können Sie über den Zentralversand direkt
bestellen. Unter www.bgbau-medien.de können die Medien eingesehen, bestellt oder direkt
herunter geladen werden.
BG BAU – Zentralversand, Landsberger Straße 309, 80687 MünchenHotline 01803 987001, Fax: 0 89/88 97-9 19, E-Mail: [email protected]
GLASREINIGUNG GRENZWERTE
GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG
Die Broschüre „Glas- und Fas-
sadenreinigung“ der BG BAU
zeigt, wie man schon bei der
Planung viel für die eff ektive
Instandhaltung von Gebäu-
den tun kann. Die besten Vo-
raussetzungen für sichere und
wirtschaft liche Reinigung sind
demnach gegeben, wenn schon
beim Entwurf von Gebäuden
Instandhaltungskon zepte ent-
wickelt werden, bei denen die Reinigungskräft e von gut er-
reichbaren Arbeitsplätzen aus arbeiten kön nen, möglichst
ermüdungsfrei und großfl ächig.
Außerdem zeigt die Broschüre, welche Einrichtungen
gegen Ab sturz, etwa beim Reinigen von Fenstern, Fas-
saden oder Glasdächern, zweckmäßig und sicher sind.
Ausschreibungshin weise für stationäre Befahr anlagen zur
Reinigung an Fassa den, auf Dächern und im Ge bäudeinneren
runden die Broschüre ab.
Im Mittelpunkt der
neuen CD stehen
die Gewerke Bau-
tenschutz, Estrich-
leger, Fliesen- und
Plattenleger, Gebäu-
detechnik, Glaser,
Maler und Lackierer,
Parkett- und Boden-
leger, Stuckateure,
Verputzer, Trocken-
bauer sowie Montage. Damit kann jeder Betrieb eine indivi-
duelle Gefährdungsbeurteilung erstellen. Für typische Tätig-
LUC
Informationsquellen zu Grenz-
werten für Sicherheit und Ge-
sundheitsschutz am Arbeits-
platz gibt es zwar viele, aber
vor allem kleine und mittlere
Betriebe haben Schwierig-
keiten, sich in dem Wust der
Verordnungen, Regeln und
Normen einen Überblick zu
verschaffen. Dabei hilft die
aktuelle Grenzwerteliste des
Berufsgenossenschaftlichen Instituts für Arbeitsschutz der
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Neben Gefahr-
stoffen behandelt sie biologische Einwirkungen am Arbeits-
platz sowie Lärm, Vibrationen, thermische Gefährdungen,
Strahlung, Elektrizität und biomechanische Belastungen.
Damit erhalten die Betriebe ein praktisches und umfassen-
des Nachschlagewerk, um arbeitsbedingte Belastungen ihrer
Mitarbeiter zu beurteilen.
Die Liste steht kostenlos als PDF-Version zum Her-unterladen oder zum Bestellen zur Verfügung über www.dguv.de, webcode: d34078
keiten jeder Branche gibt es eigene Formulare, die der Nutzer
selbst mit Bemerkungen zu besonderen Lösungen oder zur
Dokumentation von Problemen ergänzen kann. Zugleich kann
er mit der CD prüfen, ob die Verantwortlichkeiten im Betrieb
klar geregelt und wirksame Kommunikationswege eingerich-
tet sind, um Gesundheitsgefahren zu begegnen. Umfangrei-
che Hintergrundinformationen, etwa die verständliche Erläu-
terung von Fachbegriffen, bieten die Möglichkeit, sich schnell
und zielgerichtet zu informieren. Außerdem enthält die CD
alle wichtigen Vorschriften, Gesetzestexte und Medien der
BG BAU, inklusive der Bausteine aus der Gelben Mappe.
BGIA-Report 6/2008 Grenzwerteliste 2008 Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit
BGIA
-Rep
ort 6
/200
8 „G
renz
wer
telis
te 2
008“
LUC
BG BAU aktuell 2_2009 Mit gutem Beispiel I 39
Fitte FührungTom Nietiedt setzt auf die Gesundheit seiner Mitarbeiter.
Neben betrieblichen Aktivitäten zur Fitnessförderung unterstützt
er besonders die Eigeninitiative seiner Mannschaft.
TEXT: Dagmar Sobull FOTO: Mirko Bartels
In unseren Arbeitsfeldern Gerüstbau,
Oberfl ächentechnik und Malerbe-
triebe sind die Mitarbeiter körper-
lich sehr stark gefordert“, sagt Tom Nie-
tiedt, geschäft sführender Gesellschaft er
der Firmengruppe Nietiedt mit Hauptsitz
in Wilhelmshaven. „Deshalb fördern wir
alle Aktivitäten, die der Fitness und der
Gesundheit unserer rund 300 Mitarbeiter
dienen.“
Beim „Vitaltag 2008“, auf dem Firmen-
gelände in Wilhelmshaven, konnten bei-
spielsweise rund 250 Mitarbeiter aus dem
ganzen Bundesgebiet einen Fitness-Check
mit verschiedenen Messungen wie Blut-
zucker und Cholesterin machen und sich
einen Überblick über die eigene Verfas-
sung verschaff en. Mitmachaktionen und
Informationen zu Th emen wie Rücken-
schule, Nichtraucherkurse, Sportabzei-
chen und gesunde Ernährung gehörten
ebenfalls zum Programm. „Mit Aktionen
wie dieser wollen wir die Mitarbeiter mo-
tivieren, selbst mehr für ihre Gesundheit
zu tun“, erläutert Nietiedt. Die Firma un-
terstütze die Mitarbeiter dabei. „Wenn
jemand beispielweise ein anerkanntes
Rückentraining machen möchte oder ein
Raucherentwöhnungsprogramm, über-
nehmen wir einen Teil der Kosten.“
Der Erfolg des Gesundheitsmanagements
kann sich sehen lassen: „Sämtliche unse-
rer Niederlassungen sind nahezu rauch-
freie Zonen“, sagt Nietiedt, „sogar die
Betriebsstätten, Baucontainer und der
Fuhrpark.“ Der Krankenstand liege mit
gut drei Prozent etwa um die Hälft e nied-
riger als im Branchendurchschnitt. Dazu
tragen sicher auch die Beratungen bei,
die Frank Kwidor, Fachkraft für Arbeits-
sicherheit, regelmäßig mit den Bereichs-
leitern in allen acht Niederlassungen der
Firmengruppe durchführt. „Dazu gehört
beispielsweise das dreistufi ge Hautschutz-
programm – Reinigung, Schutz, Pfl ege –
in Zusammenarbeit mit der BG BAU“,
sagt Kwidor. „Außerdem verzichten wir
auf Lösemittel, soweit das möglich ist,
und setzen stattdessen emissionsarme
Farben und Lacke ein.“ Arbeitssicherheit
und Gesundheitsschutz seien ebenso fes-
ter Bestandteil der Geschäft spolitik wie
Qualität und ein Ressourcen schonendes
Umweltmanagement, erläutert Nietiedt.
Zahlreiche Zertifi zierungen belegen die-
ses Engagement.
SPORTLICHES TEAM
Wichtig für den Erfolg: Der Unterneh-
mer Nietiedt geht mit gutem Beispiel
voran. Er raucht nicht, trinkt kaum
Alkohol und treibt drei bis viermal pro
Woche Sport: Fahrrad fahren, Nordic
Walking oder Krafttraining. Und um den
örtlichen Burger King macht er einen
großen Bogen, greift lieber zu Vollkorn-
brot und Früchten. Holger Budroweit
(links), Geschäftsführer Gerüstbau, ist
passionierter Läufer und nimmt auch an
Halbmarathon-Läufen teil, Frank Kwidor
(rechts), Fachkraft für Arbeits sicherheit,
ist begeisterter Springreiter.
„
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DKMS Deutsche Knochenmarkspenderdatei gemeinnützige Gesellschaft mbH, Tübingen
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Sarah Connor
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